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    Der Verlust der Langfristigkeit - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 23.08.03 03:06:37 von
    neuester Beitrag 30.10.03 03:36:45 von
    Beiträge: 18
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      schrieb am 23.08.03 03:06:37
      Beitrag Nr. 1 ()
      aus der WELT vom 22.8.03

      Der Verlust der Langfristigkeit

      Deutschlands Wirtschaft liegt am Boden, weil die Politik nur die kurze Perspektive im Auge hat

      von Horst Siebert

      Zwei der vier wirtschaftspolitischen Ziele sind in Deutschland massiv verletzt: Es gibt kein angemessenes Wachstum, und die Arbeitslosigkeit ist ungewöhnlich hoch. Das dritte Ziel, das außenwirtschaftliche Gleichgewicht, stand nie besonders im Vordergrund des Interesses, es war bisher nahezu ohnehin immer erfüllt. Für das vierte, stabiles Geld, ist nicht die Politik, sondern die Notenbank zuständig.

      Diese Zielverfehlung ist strukturell, sie kann nicht auf die Konjunktur abgeschoben werden. Und sie wird uns auch weiter plagen, selbst wenn die Konjunktur sich im nächsten Jahr wieder etwas erholt. Die nackte Wahrheit ist, dass die wirtschaftliche Situation in Deutschland seit geraumer Zeit erodiert. Und diese Erosion kommt nicht von ungefähr. Die Politik hat grundlegende, in der langen Frist wirkende wirtschaftliche Zusammenhänge außer Acht gelassen. Argumentiert wird kurzfristig, bezogen auf das Aktuelle, orientiert an einem Resultat, das leicht vermittelbar ist. Was langfristig daraus wird, ist uninteressant.

      Nehmen wir nur ein kleines Beispiel: die Entfernungspauschale. Politisch motiviert wurde sie vom Kanzler damit, den Anstieg des Ölpreises für die Einzelnen erträglich zu machen. Als sie im Dezember 2000 im Bundesrat zum Gesetz wurde, war der anfängliche Auslöser, der Anstieg des Ölpreises, schon längst nicht mehr gegeben. Systematisch war der jährliche Steuerausfall von etwa einer halben Milliarde Euro ohnehin nicht begründet, denn der Staat darf es nicht als seine Aufgabe ansehen, Preisänderungen auf den Weltmärkten von den Bürgern fern zu halten.

      Die Grünen waren darauf fixiert, durch die Pauschale Fahrrad und öffentlichen Nahverkehr dem Auto gleichzustellen, auch wenn klar erkennbar war, dass durch die Entfernungspauschale die Zersiedlung der Landschaft weitergetrieben und damit in der Gesamtwirkung das Klimaproblem verschärft wurde. Nach nur drei Jahren hat die Finanznot die Politik eingeholt, die gerade eingeführte Entfernungspauschale soll zu einem Teil abgeschafft werden.

      Andere Beispiele, mit noch gravierenderer Wirkung, gibt es in Hülle und Fülle. Der bereits gesetzlich geltende demographische Faktor in der Rentenformel wurde 1998 abgeschafft und durch die Riester-Formel ersetzt. Heute entdeckt eine Kommission den intergenerativen Zusammenhang für die Rentenformel neu, etwas verschämt als Nachhaltigkeitsfaktor tituliert. Inzwischen ging viel Zeit für die Anpassung der Alterssicherung verloren.

      Vor gut vier Jahren wurde der Schwellenwert, bis zu dem Betriebe nicht dem Kündigungsschutz unterliegen, von zehn auf fünf Arbeitnehmer herabgesetzt, die gesetzliche Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in den ersten sechs Wochen der Krankheit wurde ab 1999 wieder auf 100 Prozent erhöht. Ferner wurden befristete Arbeitsverhältnisse eingeschränkt, die Arbeitnehmermitbestimmung in den Betrieben wurde ausgedehnt.

      Alle diese Maßnahmen waren - bei ihrer Verabschiedung bereits erkennbar - kontraproduktiv für Beschäftigung und Wachstum. Auch die jetzt geplante Verlagerung der Sozialhilfe in das Arbeitslosengeld II, also von den Gemeinden zu den Arbeitsämtern und damit von einer kommunalen zu einer nationalen Finanzierung, wird sich als gravierender Fehlanreiz erweisen.

      Das Agieren der Verantwortlichen und die Resonanz der Öffentlichkeit werfen die Frage auf, ob die grundlegenden wirtschaftlichen Zusammenhänge in der Bevölkerung überhaupt erkannt werden. Dafür spricht wenig. Einfache Orientierungen, die wesentliche Grundzusammenhänge in einem Begriff wie früher im Konzept der Marktwirtschaft bündelten, sind weit gehend verloren gegangen. In dieser Situation wagt es die Union nicht, mit einer klaren Gegenposition aufzutreten - zu groß ist die Angst, ein langfristig verantwortungsethisches Programm sei nicht zu vermitteln.

      Bei dem "Hü und Hott" der Wirtschaftspolitik gewinnt man den Eindruck, dass die Politik keine Vorstellung davon hat, wie Wirtschaft funktioniert. Die Politik muss sich jedoch Klarheit darüber verschaffen, wie sich die Menschen, die Haushalte und die Unternehmen, an die politisch gesetzten Parameter anpassen. Wollen wir wieder auf einen höheren Wachstumspfad kommen, so muss bei jedem Gesetz, das im Bundestag verabschiedet wird, der Lackmustest lauten: "Wie reagieren Haushalte und Unternehmen auf diese Maßnahme in den nächsten zehn Jahren?" Dabei muss stärker als bisher im Zentrum stehen, wie die Unternehmen mit ihren Investitionen, mit ihren Innovationen, mit ihren Standortentscheidungen und mit ihrer Nachfrage nach Arbeitskräften reagieren.

      Es wird Zeit, dass wir in Deutschland die Wirtschaftspolitik in diesem Sinn neu konzipieren. Und dabei den langfristigen Zusammenhängen, und damit auch den langfristigen Marktprozessen mehr Beachtung schenken. Die Bevölkerung darf den Politikern das Ad hoc nicht mehr abnehmen, sie muss von ihnen einfordern, dass die Folgewirkungen beachtet werden. Gelingt dies nicht, so werden konjunkturelle Anfälligkeit, Stagnation und schwächliches Wachstum unsere Zukunftsperspektive sein.

      Der Autor ist emeritierter Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel
      Avatar
      schrieb am 23.08.03 03:19:15
      Beitrag Nr. 2 ()
      emeritiert = im Ruhestand

      ;)
      Avatar
      schrieb am 23.08.03 07:36:43
      Beitrag Nr. 3 ()
      Andere Beispiele, mit noch gravierenderer Wirkung, gibt es in Hülle und Fülle. Der bereits gesetzlich geltende demographische Faktor in der Rentenformel wurde 1998 abgeschafft und durch die Riester-Formel ersetzt. Heute entdeckt eine Kommission den intergenerativen Zusammenhang für die Rentenformel neu, etwas verschämt als Nachhaltigkeitsfaktor tituliert. Inzwischen ging viel Zeit für die Anpassung der Alterssicherung verloren.



      :mad: :mad: :mad: :mad: :mad:
      Avatar
      schrieb am 02.09.03 02:51:34
      Beitrag Nr. 4 ()
      Um angemessene Worte für das aktuelle (sich seit 5 Jahren hinziehende) Drama finden zu können, muß man vermutlich ein Außenstehender mit einem gewissen Abstand zum Geschehen (Erwin Grandinger ist Schweizer) sein. Köstlicher und treffender als er (in der WELT vom 1.9.03) kann man die deutsche Misere wohl kaum beschreiben:

      Gerd Schröders Scheinreformen zwischen Lenin und Greenspan

      Die Kolumne
      von Erwin Grandinger

      Good Bye Lenin? Die Retrowelle überschwemmt Deutschland. Ehemalige DDR-Bürger ergötzen sich an DDR-Weichspüler-Sendungen. Und die Westdeutschen wollen wieder die heile Welt der 80er zurück, nach dem Motto: "Nur eins ist sicher: die Rente!". Langsam und dank der Regierungen Kohl und Schröder wurde seit 1990 die Achse der "sozialen Marktwirtschaft" systematisch nach links verschoben. Der Bürger fordert die Illusion sozialer Geborgenheit.

      Das Vermächtnis des Adenauerschen linksrheinischen "Kapitalismus" ist, dass man den Bürger entmündigt und sukzessiv in den letzten 50 Jahren seiner Selbstverantwortlichkeit beraubt hat. Solches Denken drückt sich durch eine Vollkaskomentalität aus. Dies hat allerdings nichts mit einer funktionierenden Marktwirtschaft zu tun und immer mehr Investoren am deutschen Aktienmarkt fragen sich, wie lange dies wohl gut gehen kann.

      Dabei überschüttet uns Schröder mit Reformen. Die Zyniker sehen darin nichts anderes als gewiefte PR-Gags des Aktionskünstlers aus Hannover zum reinen Selbstzweck der Wiederwahl. Wo werden denn die Hartz-Vorschläge, die den 2002 Wahlsieg erbrachten, hinführen? Wahrscheinlich zu fünf Millionen Arbeitslosen im Winter 2003/04 - und nicht zu 3,5 Millionen wie versprochen. Realisten sehen allerdings in den Reformen einen systemischen Wandel hin zur modernen Planwirtschaft a la DDR "light". Die geplante Gesundheitsreform etwa zeigt haargenau was passiert, wenn man den linken Flügel der CSU, angeführt durch Horst Seehofer, mit den "gesellschaftlichen" Vorstellungen von Ulla Schmidt und ihrem "planwirtschaftlichen" Vordenker Karl Lauterbach großkoalitionär agieren lässt.

      Die euphemistisch harmlos klingende "Bürgerversicherung" drückt die Vorstellung vom optimalen Opfer, sprich Empfänger von Sozialleistungen, aus: Er bewegt sich am besten durch den bürokratischen Wohlfahrtsstaat Deutschland, wenn er ein geringes oder gar kein Einkommen hat, keine Ersparnisse (diese sollten sofort auf Mallorca verjubelt werden) und natürlich keine Zins- oder Mieteinnahmen und sorglos keine Vorsorge getroffen hat. Alle anderen, die Arbeitseifer zeigen, sparen, investieren, leider Gottes Geld verdienen und vorsorgen müssen ihrer "gesellschaftlichen Verpflichtung" nachkommen und zahlen, zahlen auch für diejenigen, die sogar noch Sozialhilfe in Florida gerichtlich erstreiten. Die Bürgerversicherung ist also das Gegenteil organisierter Selbstverantwortung. Dies gilt im Gesundheitsbereich, wie bei der Rente, der Pflegeversicherung und Zahnbehandlungskosten. Wer sagt hier "Good Bye Lenin"? Kontrolle ist alles.

      Nicht zu Unrecht fragen uns ausländische Investoren, wo denn die "konservativen" Parteien geblieben sind? "Konservativ" hört sich im deutschen Wohlfahrtsstaat an wie Gotteslästerung. Der Solidaritätszuschlag scheint ein Naturgesetz geworden zu sein. Dass man inzwischen für die Rente tankt, für die Gesundheit raucht und Versicherungssteuer zahlt, um den Terrorismus zu bekämpfen scheint niemanden mehr zu stören. Dankend zahlt man Stromsteuer um ineffiziente Windräder zu subventionieren. Wer also wirklich an den Dax glaubt, sollte sich ernsthaft Gedanken machen, wohin denn diese Politik uns führt? Heimische Reformen, leider, können nicht als Grund für Dax-Jahreshöchststände angeführt werden, umso mehr die exzessive Erweiterung der US-Geldmenge und ein starker Dollar. Fed-Chef Alan Greenspan sei es gedankt, nicht Schröder und der CDU/CSU.
      Avatar
      schrieb am 02.09.03 11:50:26
      Beitrag Nr. 5 ()
      Die Politik denkt im 4-Jahresrhytmus bis zur nächsten Wahl, die Wirtschaft bis zum nächsten Quartalsbericht...

      :mad:

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      schrieb am 02.09.03 12:01:16
      Beitrag Nr. 6 ()
      Der liebe herr Siebert sollte einmal sehen was es bedeutet wenn "eine Wirtschaft am Boden liegt". Eine Reise nach Kambodscha oder Mosambique wäre hier angebracht !

      Dann würde er über die deutsche Wirtschaft anders denken.
      Avatar
      schrieb am 15.09.03 23:13:07
      Beitrag Nr. 7 ()
      aus der WELT vom 15.9.03

      Von Estland lernen ...
      ... heißt siegen lernen: Das EU-Beitrittsland zeigt, wie liberale Wirtschaftreformen wirken - Debatte


      von Tasso Enzweiler

      Reformen sind eigentlich ganz einfach. "Wir haben das Buch von Milton Friedman ins Estnische übersetzt und danach die Reformen eingeleitet und durchgeführt", sagte der Ministerpräsident von Estland, Mart Laar, kürzlich. Der Wandel begann 1991; es war der Beginn eines eindrucksvollen Transformationsprozesses in einem Land, das im kommenden Jahr der Europäischen Union beitreten wird.

      Das liberale Gedankengut Friedmans prägte alle Phasen des Umbaus in Estland. In kaum einem anderen Staat war die Deregulierung der Wirtschaft so radikal, war die Geld- und Fiskalpolitik so stringent, war die Privatisierung in so kurzer Zeit so erfolgreich. Seit acht Jahren verzeichnet Estland beeindruckende Wachstumsraten. 1997 etwa stieg das Bruttoinlandsprodukt um 10,4 Prozent; im vergangenen Jahr waren es immerhin noch 4,5 Prozent.

      Ein Herzstück des estnischen Reformprozesses ist das neue Steuergesetz, das am 1. Januar 2000 in Kraft trat. Grundlage war ein simpler und dennoch innovativer Gedanke: Nur natürliche Personen können ein steuerpflichtiges Einkommen erzielen - juristische Personen, also vor allem Unternehmen, nicht. Die Unternehmensgewinne werden erst dann zu Einkommen, wenn sie wieder an natürliche Personen ausgeschüttet werden. Im Gegensatz zur traditionellen Körperschaftsteuer, die den Gewinn zum Zeitpunkt der Entstehung besteuert, werden im estnischen Steuerrecht Unternehmensgewinne, die von den Firmen erneut investiert werden, von der Besteuerung verschont. Die Investitionsneigung der Unternehmen soll so gestärkt, die Rahmenbedingungen für ein kontinuierliches Wachstum geschaffen werden.

      Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Steuerrecht sind außerordentlich positiv. Nach einer Befragung der Estnischen Industrie- und Handelskammer wurden bereits im Jahr 2000, dem ersten Jahr der Steuerreform, rund 82 Prozent der Investitionen aus Eigenmitteln finanziert. 1999 waren es 75 Prozent gewesen.

      Sicher: Die Steuerfreistellung reinvestierter Gewinne ist auf ein Transformationsland, das vom sozialistischen zum marktwirtschaftlichen System gewechselt hat, weit gehend zugeschnitten. Denn das Tempo des wirtschaftlichen Aufholprozesses wird vor allem von den Investitionen bestimmt. Für reifere Volkswirtschaften wie die deutsche hat die steuerliche Förderung der Gewinnthesaurierung eine geringere Priorität - doch auch in Deutschland ist die Eigenkapitalbasis vor allem der kleinen und mittleren Unternehmen immer noch eindeutig zu niedrig.

      Estland erhebt nur wenige Steuern; die Mehrwertsteuer mit einem Satz von 18 Prozent und die direkten Steuern auf den Faktor Arbeit erbringen allein rund 85 Prozent des Steueraufkommens. Auf alle Einkommen wird ein Steuersatz von nur 26 Prozent erhoben. Geringverdiener werden durch einen Freibetrag zusätzlich entlastet. Ermöglicht wurde der einheitliche Steuersatz von 26 Prozent durch eine radikale Vereinfachung des Steuerrechts. "Allein die jährlichen Steueränderungen in Deutschland benötigen mehr Seiten Papier als das gesamte kommentierte Steuerrecht von Estland", stellte der Präsident der Taxpayers Association of Europe, Ralf von Hohenau, bei der Verleihung des Steuerzahlerpreises 2000 an den estnischen Ministerpräsidenten fest.

      Die Esten erweisen sich nicht nur in Sachen Steuerreform als marktwirtschaftliche Musterschüler; auch auf der Ausgabenseite gehen sie mit gutem Beispiel voran. So wird für das kommende Jahr eine Staatsquote von 34 Prozent angestrebt; Deutschland kommt derzeit auf 49 Prozent. Subventionen werden in Estland lediglich an den Verkehrssektor vergeben und machen weniger als ein halbes Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Die Ausgabendisziplin der estnischen Regierung hängt maßgeblich damit zusammen, dass der Gier der Politiker ein institutioneller Riegel vorgeschoben wurde: Die estnische Verfassung schreibt nämlich einen ausgeglichenen Haushalt ausdrücklich vor.

      Natürlich lässt sich der Reformprozess in Estland nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen. Der Ostseestaat hat lediglich anderthalb Millionen Einwohner und gerade einmal die Größe Niedersachsens. Dennoch ist der deutschen Politik ein Blick nach Estland anzuraten. Ein einfaches, transparentes Steuersystem mit niedrigen Steuersätzen, ein ausgeglichener Haushalt, niedrige Staatsausgaben, kaum Subventionen - das sind Reformkonzepte, die auch Deutschland massiv weiterhelfen würden. Die internationalen Investoren danken es jedenfalls, wenn eine Regierung durch ein marktwirtschaftliches Konzept die Rahmenbedingungen verbessert. In Estland stiegen die ausländischen Direktinvestitionen im Jahr 2001, ein Jahr nach der Steuerreform, um 42 Prozent auf rund 600 Millionen Euro.

      Und noch etwas können die deutschen Politiker von ihren Kollegen im Baltikum lernen: Es zahlt sich aus, wenn man die Empfehlungen der Wirtschaftsexperten ernst nimmt. Zahlreiche wissenschaftliche Beratergremien, vom Sachverständigenrat bis zur OECD, raten der Bundesregierung seit Jahren, einen konsequenten marktwirtschaftlichen Reformkurs einzuschlagen.

      Tasso Enzweiler ist Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
      Avatar
      schrieb am 16.09.03 04:25:06
      Beitrag Nr. 8 ()
      @schmeissfliege

      Es ist bezeichnend, daß nur noch durch den Vergleich mit den ärmsten Dritte-Welt-Ländern die deutsche Wirtschaft in einem positiven Licht dargestellt werden kann.

      Ich meine, ein Land, das vor nicht allzu langer Zeit einmal zur Weltspitze in Wissenschaft, Technik, Industrieproduktion und Bildungsstand gehörte, sollte sich eher mit seinen europäischen Nachbarn und anderen Industriestaaten vergleichen. Daß ein solches Land so abgewirtschaftet wurde und 4,5 Mio. Arbeitslose mit weiter steigender Tendenz hat, ist eine Schande.

      Sogar beim Blick auf die ehemaligen Ostblockstaaten (siehe voriges Posting), denen wir noch vor kurzem meilenweit überlegen waren, sehen wir mittlerweile nur noch die rote Laterne.

      Der Unterschied: die sind lernfähig, wir nicht.
      Avatar
      schrieb am 24.09.03 02:47:27
      Beitrag Nr. 9 ()
      Der Adler soll fliegen

      Nur wenn in Deutschland die Reformkräfte entfesselt werden, kann der Standort im globalen Wettbewerb bestehen, meint

      Ludolf von Wartenberg - Gastbeitrag WELT vom 22.9.03

      Deutschland muss sich verändern. Die Unternehmer, die auf den Weltmärkten im scharfen Wind des Wettbewerbs stehen, wissen es schon lange. Sehr viele Bürger ahnen es seit einiger Zeit. Und viele Politiker fangen an, sich Gedanken zu machen.

      Das Wappentier unserer Nation ist der Adler. Auf den Fahnen vor staatlichen Gebäuden wirkt er noch ganz wettbewerbstauglich. Doch wer einen Blick in den Reichstag wirft, versteht, warum unsere Politik sich mit vernünftigen Entscheidungen so schwer tut, warum unser Wirtschaftswachstum allmählich einschläft. Dort hängt im Blickfeld unserer Parlamentarier ein Vogel, der mehr an eine fette Henne erinnert als an einen Adler. Man kann es manchen Politikern kaum verübeln, dass sie angesichts dieses wohlbeleibten Tiers an goldene Eier denken, die dem Bundesfinanzminister nur so aus dem Nest purzeln. Darüber scheinen sie vergessen zu haben, dass der Wohlstand einer Nation täglich in den Unternehmen verdient werden muss.

      Die meisten unserer Unternehmen sind für den Wettbewerb gut aufgestellt: neue Produkte, schlanke Strukturen, hartes Kostenmanagement. Doch neben einer wenig berechenbaren Steuerpolitik und einem unflexiblen Arbeitsmarkt treiben ihnen die langfristigen wirtschaftspolitischen Perspektiven die Sorgenfalten ins Gesicht. Die Konkurrenten für einfache Massenproduktionen sitzen nicht mehr im nächsten Ort, sie sitzen in China, Polen oder Portugal. Natürlich müssen wir uns nicht auf deren Lohnniveau begeben, solange wir Marktführer in genügend anderen Bereichen sind.

      Aber wie stellen wir dazu die Weichen richtig? Unsere Politiker wissen zwar, dass Steuern nur die Unternehmen zahlen können, die auch Gewinne erzielen. Und sie wissen auch, dass die Bürger nur Steuern zahlen, wenn sie Arbeit in Unternehmen haben. Aber ziehen sie daraus die richtigen Schlüsse? Wissen unsere Politiker, dass die Unternehmen sich am ehesten im Wettbewerb behaupten können, wenn sie schnell genug neue Patente und neue Produkte auf den Markt bringen? Was aber tut die öffentliche Hand in der Bildungs- und Forschungspolitik? Pisa und OECD empfehlen uns jedenfalls keine Versetzung.

      Der Blick über den nationalen Tellerrand zeigt, dass Deutschland im europäischen Vergleich sehr hohe Energiekosten hat. Anders als Politiker rechnen Unternehmen rechtzeitig die roten Zahlen aus, die ein Ausstieg aus der preiswerten Kernenergie und gleichzeitige Kostenbelastung aller Stromnutzer zu Gunsten der eigentlich unrentablen Windkraft mit sich bringen. Sind das die richtigen Signale für die produzierende Wirtschaft, neue Arbeitsplätze im Land zu schaffen?

      In den Wahlprogrammen der Parteien wird munter versprochen, die Lohnzusatzkosten für die sozialen Sicherungssysteme zu senken. Aber statt die Ausgaben zu verringern, wird nach zusätzlichen Steuereinnahmen gesucht. Und wenn über Subventionsabbau nachgedacht wird, dann wird zuerst versprochen, was den Bürgern auf keinen Fall gekürzt werden darf. Soziale Gerechtigkeit gilt als das Zauberwort gegen ökonomische Vernunft. Dass es sich zu oft um einen Fluch handelt, merken die meisten erst, wenn der soziale Niedergang breite Schichten erfasst.

      Ahnt eigentlich ein Berufspolitiker, dass die meisten Arbeitnehmer lieber mehr netto in der Tasche hätten, als mit ihren steigenden Steuern ihre eigene Subventionierung zu bezahlen? Schließlich ist das kein Nullsummenspiel. Denn fast fünf Millionen öffentlich Bedienstete, die vor allem aufpassen, dass das Steuergeld der Bürger sozial gerecht neu gemischt wird, wollen von dieser Umverteilung mitfinanziert werden.

      Nun gibt es glücklicherweise immer mehr Politiker, die wissen, dass uns schleichend die Basis unseres Wohlstandes wegbröselt. Doch für reformmutige Politiker wird es zum Martyrium, wenn man ihnen folgende Zahlen vor Augen führt: Von uns rund 80 Millionen Deutschen sind circa 61 Millionen wahlberechtigt. Aber etwa 23 Millionen Rentner, 4,5 Millionen Arbeitslose und fast drei Millionen Sozialhilfeempfänger sind abhängig von staatlich organisierten Transferzahlungen. Das sind fast 50 Prozent aller Wahlberechtigten. Für jede Partei, die eine Wahl gewinnen will, ein guter Grund, lieber neue Schulden aufzunehmen. Die begleicht im Namen der sozialen Gerechtigkeit am besten die nächste Generation - denn die ist ja jetzt noch nicht wahlberechtigt.

      Es scheint, als wäre nicht Prometheus an den Felsen gefesselt, sondern der Bundesadler. Und von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr schlingen zu viele Politiker ihm immer neue Fesseln um. Das kann nicht mehr lange gut gehen. Ist unser Adler noch zu retten?

      Der BDI wird es heute versuchen! Eine Schar von Unternehmern aus dem BDI-Präsidium hat ein Konzept entwickelt. Sie haben den archimedischen Punkt gefunden, mit dem die Wachstumsschwäche Deutschlands ausgehebelt werden kann, mit dem die Fesseln unseres Adlers gesprengt werden können. Wir müssen an 16 Stellen zugleich ansetzen. Welche das sind, das beraten wir heute in Berlin mit führenden Politikern aller Parteien. Und wir haben es durchgerechnet: wenn der Adler wieder fliegt, dann gewinnen wir ein Deutschland, das für alle attraktiv ist. Für Arbeitnehmer und Unternehmer.
      Avatar
      schrieb am 28.09.03 17:53:30
      Beitrag Nr. 10 ()
      Schilda in echt

      Von Dr. Bernd Niquet

      Der Finanz-Journalist der "Welt", Holger Zschaepitz, hat den illusionaeren gegenwaertigen Stand der Reformdiskussionen in unserem Land in einem wunderbar satirischen Satz auf den Punkt gebracht: "Die Geschichte der Bundesrepublik", schreibt er, "teilt sich in zwei Epochen: vor der Bayernwahl und nach der Bayernwahl."

      Ich denke, das soll heissen: Man macht sich einfach etwas vor. Es wird viel geredet, jeden Tag ein neuer Vorschlag, es werden Wolkenkuckucksheime errichtet, doch was unter dem Strich uebrig bleibt, ist nichts als eine taegliche Steigerung der Verunsicherung der Menschen. Das Einzige, mit dem wir uns gegenwaertig dem Attentismus entgegenstellen, sind Potemkinsche Doerfer und die feste Absicht aller Lobbygruppen, nicht einmal diese Doerfer bauen zu lassen. Von bewohnbaren und zukunftstraechtigen Konstruktionen einmal ganz abgesehen.

      Wahrscheinlich muss eine Demokratie so funktionieren, doch es geht schon vielfach ueber die Schmerzgrenze, das alles zu ertragen. Und es passt natuerlich hinten und vorne alles nicht zusammen. Da sollen auf der einen Seite die Leute mit Kindern entlastet werden, auf der anderen Seite holt man
      sich von Staatsseite die Entlastung durch einen sprunghaften Anstieg der Kita-Gebuehren wieder zurueck.

      Doch bleiben wir an dieser Stelle bei der Boerse. Bei
      der Besteuerung von Zinsen und Kapitalertraegen.
      Niemand, der zum Jahreswechsel Aktien und Festverzinsliche besessen hat, wusste zu Beginn dieses Jahres, welche Steuern auf welche Ertraege es hier geben wuerde. Jeder Anleger musste wichtige Weichenstellungen vornehmen, doch keiner wusste, wie sich das rechnen wuerde. Dass so etwas in einem zivilisierten Land moeglich ist, ist schon ein
      Unding.


      Erst sollten die Kursgewinne von Aktien nicht besteuert werden, dann doch, und nun wieder nicht. Und bei den Festverzinslichen: Erst der persoenliche Steuersatz, dann die Abgeltungssteuer, und nun doch wieder der persoenliche Steuersatz. Die Unterschiede in der Steuerbelastung erreichen bei den unterschiedlichen Varianten bei Festverzinslichen bis zu 100 % und sind bei Aktien sogar unendlich! (Denn wird eine Steuerfreiheit beendet, so ist der Anstieg der Steuer unendlich.)

      Aus informierten Kreisen hoert man jetzt: In der SPD rumort es, dass die Kursgewinnbesteuerung bei Aktien doch durchgedrueckt werden koennte. Das Amnestiegesetz zur Rueckkehr hinterzogener Vermoegen aus dem Ausland soll hingegen naechstes Jahr kommen und die Abgeltungssteuer ein Jahr spaeter. Hier wartet die Bundesregierung noch bis 2005, um ihre Gesetzgebung mit der entsprechenden EU-Richtlinie abzustimmen. Bei der Abgeltungssteuer werden Zinsen einheitlich mit 25 Prozent besteuert und nicht mehr mit dem persoenlichen Grenzsteuersatz von bis zu 50 Prozent. Die heutigen Bondhalter zahlen also bis zu 100
      Prozent mehr Steuern als diejenigen des Jahres 2005.
      Wahrscheinlich. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Wer weiss?

      Gleichzeitig jedoch versucht man mit der vorgeschlagenen Buergerversicherung, die Einnahmen der Kranken- und Sozialversicherungskosten nicht mehr alleine nur auf den Faktor Arbeit abzustellen, sondern auch die anderen Einkunftsarten wie Mieten und Zinsen mit einzubeziehen. Spaetestens an dieser Stelle beisst sich dann aber die Katze in den Schwanz: Die Zinsen sollen nun zukuenftig einerseits in der Buergerversicherung genauso behandelt werden wie Arbeitseinkommen, andererseits jedoch in der
      Einkommensteuer - wie die Aktien - faktisch nur noch mit dem halben Steuersatz besteuert werden.

      Die Bezieher von Kapitaleinkuenften werden damit also einerseits steuerlich voellig ungebuehrlich bevorzugt,
      um sie dann jedoch andererseits gerechterweise mit in die Pflicht der Allgemeinheit zu nehmen. Ich glaube, diese Logik kann niemand mehr nachvollziehen. Was also tun? Sich selbst in das Parlament waehlen lassen? Mit der Waffe kaempfen? Auswandern? Zur Feder greifen? Ich habe mich
      entschieden, nachdem ich gerade in meinem neuen Buch
      "Klabautermannzeit" versucht habe, mein tiefgreifendes Unverstaendnis der vergangenen Boersenhausse zu thematisieren, dies noch einmal ganz generell fuer die gegenwaertige Zeit zu tun. Arbeitstitel: "Schilda in echt."
      Avatar
      schrieb am 02.10.03 00:28:58
      Beitrag Nr. 11 ()


      Herzog warnt vor Kollaps der Sozialsysteme
      Der Ex-Bundespräsident überreichte den Bericht der von ihm geleiteten Kommission. Merkel: Das wird „Riesendiskussion“ geben

      Berlin - Das derzeitige System der sozialen Sicherung steht nach Ansicht von Alt-Bundespräsident Roman Herzog „auf der Kippe“. Es gebe nur die Möglichkeit, die Versicherten noch mehr zu belasten oder Kosten auf den Staat zu verschieben, sagte Herzog bei der Vorstellung von Empfehlungen der von ihm geleiteten CDU-Kommission. Der Staat könne dies aber nur über eine Wachstumspolitik finanzieren. Wenn dies nicht gelinge, werde es eng. „Dann fliegt das System in die Luft“, warnte Herzog am Dienstag in Berlin.

      Die Herzog-Kommission will das Renteneintrittsalter schrittweise auf in der Regel 67 Jahre anheben und die Finanzierung der Krankenkassen auf ein einkommensunabhängiges Prämienmodell umstellen. Ziel der Kommissionsempfehlungen ist es laut Herzog, die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge von derzeit rund 42 Prozent des Bruttoeinkommens auf etwa 25 Prozent bis zum Jahr 2030 zu senken. Ohne Reformen sei dagegen ein Gesamtbeitrag von 54 Prozent zu erwarten. Die Reformempfehlungen schließen allerdings zusätzliche steuerfinanzierte Leistungen im Volumen von etwa 43 Milliarden Euro jährlich ab 2030 ein, vor allem für sozialen Ausgleich im Gesundheits- und Pflegebereich.

      Es werde eine „Riesendiskussion“ geben, sagte CDU-Chefin Angela Merkel, nachdem Herzog ihr die Empfehlungen überreicht hatte. Sie versicherte jedoch, dass der Bundesparteitag Anfang Dezember eine abschließende Position festlegen werde. Die Übergabe wurde von Kritik auch aus den Reihen der Union begleitet. Der CDU-Arbeitnehmerflügel verlangte Korrekturen vor allem bei den Plänen für die gesetzliche Krankenversicherung.

      WELT.de/dpa/ddp vom 1.10.03
      Avatar
      schrieb am 02.10.03 00:34:08
      Beitrag Nr. 12 ()


      Spielwiese für Sozialpolitiker
      Bürgerversicherung oder Kopfpauschalen? Die Befürworter letzterer verkaufen ihr Konzept nicht richtig, meint Peter Hahne

      Die Bürgerversicherung erfreut sich wachsender Beliebtheit in der Regierungskoalition. Das Konzept zur Sanierung des Gesundheitswesens steht aus Sicht seiner Befürworter für Solidarität, soziale Gerechtigkeit und zumindest für einen Rest wohlfahrtsstaatlicher Fürsorge, an die sich die Deutschen in den vergangenen Jahrzehnten so gewöhnt haben. Wie sieht auch die Alternative aus, die nun auch die Herzog-Kommission der CDU ins Spiel gebracht hat?

      Kopfpauschalen, der Begriff allein klingt schon nach sozialen Grausamkeiten aus der neoliberalen Giftküche. Jeder solle das gleiche für die Gesundheit zahlen, ob Kassiererin oder Vorstandschef, kritisieren die Verfechter der Bürgerversicherung. Das ist freilich nur die halbe Wahrheit, denn die Anhänger der Kopfpauschalen plädieren für einen finanziellen Ausgleich über das Steuersystem.

      Worum es beim Streit um Bürgerversicherung und Kopfpauschalen im Kern wirklich geht, lässt sich am besten im Abschlussbericht der Rürup-Kommission nachlesen: Die einen (Bürgerversicherung) wollen den Einkommensausgleich auch künftig über die Krankenversicherung betreiben, während die anderen (Kopfpauschalen) sich in der Sozialversicherung auf einen Solidarausgleich zwischen Alten und Jungen sowie Kranken und Gesunden beschränken wollen. Wer weniger verdient, soll hingegen einen Zuschuss aus Steuergeld erhalten - was nichts anderes heißt, als dass der Ausgleich zwischen kleinen und großen Einkommen künftig nicht mehr über die Sozialversicherung, sondern über den Steuerhaushalt erfolgen soll.

      Leider ist es den Befürwortern der Kopfpauschalen oder freundlicher: Gesundheitsprämien, bislang nicht gelungen, die Vorzüge ihres Konzepts deutlich genug herauszustellen. Denn ein Einkommensausgleich über Steuergeld ist alles andere als "sozial ungerecht". Im Gegenteil: Über die progressive Einkommensteuer und die Heranziehung aller steuerpflichtigen Einkommen ist der Einkommensausgleich allemal "gerechter", effizienter und transparenter als über den kaum mehr durchschaubaren Verschiebebahnhof Krankenversicherung. Im Steuersystem werden die Bürger zumindest idealerweise nach ihrer steuerlichen Leistungsfähigkeit belastet, der finanzielle Ausgleich in der Krankenversicherung hingegen wimmelt nur allzu offensichtlich von Ungereimtheiten.

      Doch genau darum geht es offenbar den Anhängern der Bürgerversicherung: Diese böte auch künftig ein hervorragendes Betätigungsfeld für Sozialpolitiker, die seit jeher mit der Intransparenz und Inkonsistenz der Verteilungswirkungen beim Wahlvolk auf Stimmenfang gehen.

      Auch der zentrale Vorteil der Gesundheitsprämien wird wegen seines vergleichsweise hohen Abstraktionsgrades in der Öffentlichkeit viel zu wenig beachtet: Durch einen Systemwechsel gelänge erstmals eine saubere Abkoppelung der Gesundheitskosten vom Arbeitseinkommen und böte damit zumindest eine Voraussetzung für den Aufbau eines zusätzlichen Kapitalstocks im Gesundheitswesen.

      Die Kopfpauschalen leisten damit das, was die Bürgerversicherung nur vorgibt: Es mag sich gut anhören, über eine Ausdehnung des Versichertenkreises und eine Einbeziehung von Vermögenseinkommen den Zusammenhang zwischen Arbeitseinkommen und Gesundheitskosten zu lockern. In Wahrheit aber wird mit einer Bürgerversicherung nur wenig gewonnen: Der Anteil der Vermögenseinkünfte am Beitragsaufkommen beliefe sich Berechnungen zufolge auch künftig auf kaum mehr als fünf Prozent - der enge Zusammenhang zwischen Arbeitskosten und Krankenversicherungsbeiträgen wären folglich nur minimal geringer als heute.

      Wachstum und Beschäftigung würden von einer Bürgerversicherung nicht profitieren - der Anstieg der Grenzbelastung bei höheren Arbeitseinkommen würde bei einer möglichen Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze dem Arbeitsmarkt weiter schaden. Kurzum: Bei der Bürgerversicherung steht eine vorgeblich gerechtere Lastenverteilung im Vordergrund, die sich bei näherer Betrachtung nicht halten lässt. Das Kopfpauschalenmodell schenkt Wachstums- und Beschäftigungsfragen mehr Aufmerksamkeit und kann - bei entsprechender politischer Ausgestaltung -auch die Verteilungsfrage zielgenauer lösen.

      Eine andere Frage betrifft die finanzielle Nachhaltigkeit der Systeme in den nächsten Jahrzehnten: Hier können beide Konzepte nicht überzeugen, weil die Gesundheitskosten nach wie vor ausschließlich über das Umlageverfahren finanziert werden. Die demographischen Lasten abfedern kann nur ein zusätzlicher Kapitalstock.
      Avatar
      schrieb am 02.10.03 00:58:34
      Beitrag Nr. 13 ()
      seufz

      Wen können (derartige) Einsichten eigentlich noch erreichen ? Wo können sie noch etwas bewegen ?
      Wen interessiert das überhaupt ? Wer versteht, um was es wirklich geht ?

      Wenn man sieht, wie weit weg die mühsam angeleierten Reformen sind von dem, was einer grundlegenden Neuausrichtung entsprechen würde - und notwendig ist - dann kann man schon verzweifeln.

      Wer sollte es machen, wer könnte es machen ? Ist jemand in Sicht, egal aus welcher politischen Ausrichtung, dem man zutrauen müßte, etwas mehr zu bewegen als jene, die scheitern werden ?

      Unsere Misere ist sehr viel größer als das, was den Meisten in diesem Land klarzusein scheint. Und dies ist bereits der positive Teil der Nachricht.

      SEP
      Avatar
      schrieb am 02.10.03 17:01:22
      Beitrag Nr. 14 ()
      Hat Mr. Bandulet recht mit seinen 7 Thesen?

      Was meinen die User hier im thread?

      Gruss
      0,007


      Wohin treibt Deutschland?
      Ein Blick in die Zukunft
      Es war einmal ein Land, das hatte die stärkste Armee weit und breit, die besten Schulen und Universitäten, eine kleine, hocheffiziente Verwaltung, wenige und einfache Gesetze. Es hatte eine Börse, an der die Aktien immer dann stiegen, wenn die Arbeitslosigkeit zurückging, und fielen, wenn sie zunahm. Dies bei einer Arbeitslosenquote zwischen 2 und 3%. Es hatte einen Kapitalmarkt, auf den man unbesorgt auf Sicht von 30 Jahren in Anleihen investieren konnte und dabei keine Kaufkraftminderung riskierte, denn das Geld blieb auch in der nächsten Generation stabil.
      In diesem Land stiegen die Exporte, wuchs die Wirtschaft, die Löhne und Einkommen nahmen stetig zu, der Mittelstand florierte, ein gelernter Maurer konnte mit drei Wochenlöhnen die gesamte Jahresmiete seiner Wohnung zahlen. In diesem Land wurden Gesetze, auch Steuergesetze, für Generationen gemacht. Und der Staatsanteil am Sozialprodukt - das ist das Erstaunliche - erreichte gerade einmal 14%.
      Was ich Ihnen eben erzählt habe, ist kein Märchen. Dieses Land gab es wirklich. Es war das deutsche Kaiserreich vor1914. Die statistischen Angaben beziehen sich auf das Jahr 1912. Es war die freieste Gesellschaft, in der die Deutschen je lebten. Frei, weil das Kaiserreich souverän war, weil Rechtssicherheit herrschte, weil der Staat das Eigentum respektierte.
      Einige wenige Dinge sind seitdem gleich geblieben, das meiste aber hat sich radikal geändert.
      Gleich geblieben ist die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft und ihre weltweite Spitzenstellung in den Schlüsselindustrien Chemie und Werkzeugmaschinenbau. Und gleich geblieben ist auch die Struktur des deutschen Außenhandels. Schon damals gingen 75% der deutschen Exporte nach Europa, wobei der osteuropäische Anteil größer war als heute. Aber dieser wird in den kommenden Jahren seinen früheren Stand wieder erreichen. Es stimmt wirklich: schon damals herrschte reger Handel in Europa, und zwar bei freiem Kapitalverkehr. Nur brauchte man dafür keine EU, keine Bürokratie in Brüssel und erste recht keine deutschen Milliardenzahlungen in eine europäische Gemeinschaftskasse.
      Heute haben wir statt des Goldstandards eine europäische Zwangswährung, von der niemand sagen kann, wie lange sie hält und was sie in Zukunft wert sein wird. Heute haben wir einen Staatsanteil von rund 50%, und das Geld reicht den Herrschenden trotzdem nicht. Heute haben wir eine offizielle Staatsschuld von 1,2 Billionen Euro bei einem jährlichen Volkseinkommen von 1,5 Billionen Euro (Stand 2001) - eine Staatsschuld, die um ein Vielfaches höher ist, wenn der Staat ordentlich bilanzieren und die ungedeckten künftigen Sozialleistungen in seine Bilanz einstellen würde.
      Ein anderes Kuriosum besteht darin, daß sich dieser finanziell klamme Staat seit vielen Jahren Subventionen an das Ausland, vor allem an die EU, leistet, die weit über 30 Milliarden Mark per annum liegen, die faktisch aus dem Außenhandelsüberschuß Deutschlands aufgebracht werden und die dafür sorgen, daß das deutsche Auslandsvermögen seit 10 Jahren zurückgeht.
      Warum habe ich Ihnen die Geschichte aus der Kaiserzeit, die kein Märchen ist, erzählt?
      Zum einen, weil wir unsere heutige Situation nicht als selbstverständlich und alternativlos ansehen dürfen.
      Zum anderen, weil wir begreifen müssen, daß die Geschichte immer wieder große Brüche produziert, daß es gefährlich ist, von der Gegenwart auf die Zukunft zu schließen. Wer hätte schon 1912 geahnt, daß die geordnete und scheinbar festgefügte Welt des kaiserlichen Deutschland zwei Jahre später in einem grausamen, sinnlosen Krieg untergehen würde.
      Ich werde Ihnen jetzt sieben Prognosen für die Zeit bis 2010 vortragen und mich dabei nicht auf Deutschland beschränken, denn unser Land ist eingebettet in die Europäische Union, in die Weltwirtschaft und Weltpolitik.
      Prognose 1: Die große Rezession in den USA kommt erst noch.
      Immer noch gilt der Satz, daß die Wirtschaft unser Schicksal ist. Da die deutschen und europäischen Wirtschaftszyklen mehr oder weniger synchron mit den amerikanischen verlaufen, müssen wir unsere Prognosereihe mit einem Blick auf die größte Volkswirtschaft der Welt beginnen.
      Selbstverständlich sind die großen amerikanischen Wirtschaftszyklen nichts anderes als Kreditzyklen. Solange die Kredite ausgeweitet wurden, wuchs die Wirtschaft. Sobald ihr Wachstum stagniert, sobald die Kredite zu schrumpfen beginnen, kommt es zu einer Rezession oder Depression.
      Die Rede ist hier von den langen Zyklen. Nach 20 Jahren des Aufschwungs hat der amerikanische
      Wirtschafts- und Kreditzyklus sein Endstadium erreicht. Es wurde übrigens Mitte der 90er Jahre noch einmal künstlich verlängert, indem der Notenbankchef Greenspan massiv Liquidität, also frisches Geld, in das System pumpte.
      Jetzt ist der gesamte Schuldenberg der USA mit 30 000 Milliarden Dollar so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dreier Jahre. Das ist mehr als zu Beginn der Großen Depression 1929.
      Ein Drittel dieses Schuldenberges entfällt auf die privaten Haushalte. Die Achillesferse dabei sind die Hypothekenschulden, mit denen vor allem auch der Konsum finanziert wird. In den USA ist es nicht unüblich, daß ein Haus mit 100 bis 120% seines Marktwertes beliehen wird. 70% der Amerikaner haben einen Hypothekenkredit, 60% davon eine 90%ige Beleihung. Wenn die Immobilienpreise nicht mehr steigen (das kündigt sich bereits an) und anschließend sogar fallen, dann bricht das Kartenhaus zusammen. Die Konjunktur verliert ihre letzte Stütze. Normalerweise folgen die Hauspreise in Amerika dem Aktienmarkt mit einer Verzögerung von zwei Jahren.
      Fazit: Wir müssen in den USA in absehbarer Zeit, spätestens ab 2004, mit einer schweren Rezession oder Depression rechnen, die dann auch auf Deutschland und Europa ausstrahlt.
      Prognose 2: Die Börsenbaisse dauert zehn Jahre oder länger.
      Prognose 1 beinhaltet bereits, daß die Baisse am amerikanischen Aktienmarkt zwar durchaus einmal unterbrochen werden kann, aber noch lange nicht abgeschlossen ist. Der Zusammenhang ist zwingend: Bis 1995 stiegen die US-Schulden und der Aktienmarkt mehr oder weniger im Gleichklang, und das nominale BIP folgte nach. Das ist der normale Ablauf.
      Ab 1995 öffnete sich die Schere ganz weit. Die Aktienkurse liefen den Schulden und dem Wirtschaftswachstum davon. Erst seit 2000 beginnt die Schere sich zu schließen. Aber: Um eine halbwegs normale Bewertung zu erreichen, müßten sich die amerikanischen Aktienindizes noch einmal halbieren. Das passiert normalerweise nicht in einem Zug. 1929 verlor der Dow Jones 37%, von 1930 bis 1932 81,8%.
      Ein ähnlicher Absturz würde ohne jeden Zweifel auch die reale Wirtschaft mit in die Tiefe ziehen. Es ist völlig normal, daß die Malaise zuerst an den Finanzmärkten sichtbar wird und von dort aus die reale Wirtschaft ansteckt. Deswegen ist es nebenbei bemerkt grundfalsch, auf Volkswirte zu hören, wenn man Aktien kauft. Umgekehrt ist es richtig: die Volkswirte sollten sich den Aktienmarkt anschauen, bevor sie Wirtschaftsanalysen erstellen.
      Für den Aktienmarkt gilt dasselbe wie für die Wirtschaft: Amerika steckt Europa an. Damit droht auch der deutschen Börse - nach einer jederzeit möglichen Erholung von einigen Quartalen - eine lange Durststrecke, auch wenn einzelne Aktien schon jetzt nicht mehr teuer oder sogar preiswert sind. Eine Aktienhausse wie in den neunziger Jahren wird es in diesem Jahrzehnt nicht wieder geben. Die Höhe der Dividenden wird zu einem entscheidenden Kriterium für die Aktienanlage. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war es selbstverständlich, daß Aktien höher rentierten als Anleihen. Sie sind schließlich auch riskanter.
      Prognose 3: Nach den Aktienmärkten trifft es die Devisenmärkte.
      Die drei Währungen, auf die es ankommt (Dollar, Euro und Yen) blieben bisher verschont, sind aber allesamt extrem krisenanfällig, und zwar aus verschiedenen Gründen.
      Für den Yen-Crash sprechen die atemberaubende Staatsverschuldung und das damit verbundene Inflations-potential, das sich bisher im Markt für japanische Regierungsanleihen nicht im geringsten wiederspiegelt. Eine offene Frage ist, ob ein Kollaps der Japanese Government Bonds die Währung mit nach unten zieht, oder ob umgekehrt zuerst der Yen abstürzt. Daß der Tag der Abrechnung so lange auf sich warten läßt, hängt natürlich damit zusammen, daß Japan der größte Gläubiger der Welt ist. Ich muß auch zugeben, daß das japanische System für westliche Beobachter schwer durchschaubar ist. Japan ist im Grunde eine gelenkte Wirtschaft, keine Marktwirtschaft.
      Der Dollar-Crash ist eher leichter zu prognostizieren. Die USA haben ein jährliches Leistungsbilanzdefizit von rund 500 Milliarden Dollar. Das ist, bezogen auf das BIP, erheblich mehr als Anfang 1985 und weitaus mehr als Anfang der siebziger Jahre - also zu Zeiten, als schon einmal eine rasante Talfahrt des Dollars ausgelöst wurde.
      Dieses Leistungsbilanzdefizit bedeutet, daß die USA mehr verbrauchen als sie produzieren, daß sie mehr investieren können als sie sparen, daß sie Tag für Tag weit über eine Milliarde Dollar importieren müssen - mit einem Wort, daß sie sich vom Rest der Welt finanzieren lassen.
      Weil der Dollar Weltreservewährung Nummer 1 ist, kann das lange gut gehen - bis der Punkt erreicht ist, an dem das Ungleichgewicht nicht mehr tragbar ist, an dem der Rest der Welt nicht mehr mitspielt, an dem die USA selbst an einer Abwertung ihrer Schulden interessiert sind.
      Wir müssen klar sehen, daß die Dollar-Hegemonie untrennbar mit der politischen und militärischen Weltherrschaft der USA verbunden ist. Seit der spanischen Vorherrschaft im 16. Jahrhundert, ja sogar seit den Zeiten des römischen Imperiums, wird der Abstieg einer Weltmacht immer begleitet von Währungsverfall, von Inflation und steigenden Zinsen. England, der Vorläufer der USA, war der letzte derartige Fall. Auch die USA werden letzten Endes diesem Schicksal nicht entgehen.
      Nun zum Euro. In punkto Staatsverschuldung schneidet die Euro-Zone ungleich besser ab als Japan, in punkto Zahlungsbilanz besser als die USA. Nur handelt es sich bei der Euro-Zone weder um eine homogene Volkswirtschaft noch um einen optimalen Währungsraum. In Griechenland hat die Inflation schon wieder 3,6% erreicht, in Portugal ist die Produktivität nur halb so hoch wie in Deutschland, die Skandinavier haben ihre Staatshaushalte im Griff, die Deutschen und Franzosen nicht im geringsten.
      Weil hier zusammengefügt wurde, was nicht zusammenpaßt, werden die inneren Widersprüche dieser künstlichen Euro-Konstruktion aufbrechen - noch in diesem Jahrzehnt. Die Spreads der Staatsschulden werden sich ausweiten, d.h. die Finanzmärkte werden je nach Bonität unterschiedliche Zinsen verlangen. Dann werden einzelne Euro-Länder Schwierigkeiten mit der Bedienung ihrer Schulden bekommen. Gut denkbar ist auch, daß das eine oder andere Land aus dem Euro wieder ausscheidet. Damit ist freilich erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts zu rechnen. Daß der Beitritt der osteuropäischen Länder zur Währungsunion den Euro nicht gerade stärken wird, bedarf keiner Erläuterung.
      Über die Abfolge dieser drei programmierten Währungskrisen kann man streiten. Vielleicht kommt erst der Yen an die Reihe, dann der Dollar und zuletzt der Euro. Zeitweise kann das auch, wie in den dreißiger Jahren, die Form eines Abwertungswettlaufs annehmen.
      Prognose 4: Der Stern Amerikas wird sinken.
      Auch das römische Imperium hatte zum Zeitpunkt seiner größten militärischen Ausdehnung unter Kaiser Trajan den Zenit bereits überschritten. Noch ist Deutschland eine „unglückliche Kolonie“, um einen amerikanischen Soziologen zu zitieren. Noch ist Europa ein „amerikanisches Protektorat“, wie Brzezinski sich ausdrückte. Aber die Verselbständigung Deutschlands und Europas zeichnet sich bereits ab. Die Interessengegensätze werden deutlicher. Schließlich werden sich die Europäer fragen, warum mehr als ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende immer noch amerikanische Truppen auf ihrem Boden stehen. Auch Sinn und Zweck der Nato, die sich von einem Verteidigungsbündnis zu einem rein amerikanischen Herrschaftsinstrument entwickelt hat, wird hinterfragt werden.
      Seit dem 11. September 2001 haben die USA einen Weg eingeschlagen, der abwärts führt - das jedenfalls ist die Lehre der Geschichte. Es handelt sich um einen Fall von „Imperial Overreach“, von imperialer Überdehnung. Sie verzetteln sich. Sie sind politisch und militärisch an zu vielen Krisenpunkten engagiert. Sie vergessen, daß jedes Machtmonopol Widerstand provoziert - umso mehr, je länger es andauert.
      Damit steigt die Kriegsgefahr weltweit. Kriege brechen aus, wenn eine Weltmacht ihre Position zu verteidigen müssen glaubt (wie England gegenüber Deutschland 1914). Sie brechen aber auch aus in Zeiten von Börsenbaisse und Depression (wie in den dreißiger Jahren).
      Tatsächlich läßt sich seit 1894 ein ungefährer 30jähriger Zyklus nachweisen, der bisher immer mit einer schweren Rezession und kriegerischen Verwicklungen zu Ende gegangen ist.
      Der aktuelle Zyklus begann 1980. Sein kriegs- und krisenanfälliges letztes Drittel hat 2001 begonnen und kann durchaus bis 2010 dauern.
      Prognose 5: Der Sozialstaat in Deutschland wird insolvent.
      Damit steht das System Bundesrepublik in diesem Jahrzehnt vor seiner größten Bewährungsprobe seit 1949. Aufgebaut ist der Umverteilungsstaat auf einer parasitären Bürokratie, auf wirtschaftlicher Unvernunft, auf Täuschung und Selbsttäuschung. Lassen Sie mich das kurz schildern:
      * Zunächst ein Blick auf die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. 2001 hatte die öffentliche Hand in Deutschland Gesamteinnahmen von 951,5 Milliarden Euro und Ausgaben von 1009 Milliarden. Die größten Posten unter den Einnahmen waren Steuern mit 488,3 Milliarden und Sozialbeiträge mit 383,6 Milliarden. Letztere sind im Prinzip nichts anderes als verkappte Steuern.
      * Der mit Abstand größte Posten auf der Ausgabenseite sind die Sozialleistungen mit 548,1 Milliarden. Wir sehen sogleich, daß die Sozialleistungen sowohl die Sozialbeiträge als auch alle Steuern, die in einem Jahr in Deutschland eingenommen werden, bei weitem übersteigen. Ein grotesker, unhaltbarer Zustand.
      * Die Bereiche in Deutschland, die privatwirtschaftlich organisiert sind, funktionieren in der Regel trotz permanenter staatlicher Behinderung. Die Bereiche, die planwirtschaftlich organisiert sind, funktionieren nicht. Das gilt für Rentenversicherung und Gesundheitswesen. Was sich hier entwickelt hat, ist ein Monstrum. 1957 noch machten die Sozialbeiträge 23,8% vom Bruttolohn aus, heute sind es 41%. Parallel zu diesem parasitären Wachstum wucherte der Steuerstaat. Schätzungsweise 70% der weltweiten Steuerliteratur ist auf deutsch! Trotz der Einführung von Computern ist die Personalstärke dieser Bürokratie um ein Vielfaches gewachsen. Die Bundesanstalt für Arbeit hat 86 000 Beschäftigte - davon sind nur 10% in der Arbeitsvermittlung aktiv. Auf 300 000 Mediziner in Deutschland kommen 145 000 Angestellte der Krankenkassen. 40% der Aufwendungen für staatliches Wohngeld gehen für die Verwaltung verloren. Diese riesige Bürokratie hat längst auch die Parlamente unter ihre Kontrolle gebracht. Im Bundestag sind die Gewerkschaftsfunktionäre, Bürokraten und Berufspolitiker unter sich. Die Wahlen sind zu Ritualen verkommen, die der Perpetuierung des bürokratischen Herrschaftssystems dienen.
      * Die Wähler werden getäuscht und lassen sich täuschen. Nicht einmal die einfachsten Zahlen stimmen. Z.B. wird uns erzählt, daß das Rentenniveau bis 2030 von 70% des letzten Nettogehaltes auf 67% absinken werde. Das klingt harmlos, es bezieht sich freilich auf die rein theoretische Eckrente. In Wirklichkeit bekommen die Haupteinkommensbezieher (von denen mit kleinem Einkommen gar nicht zu reden) schon heute im Durchschnitt nur noch 59% ihres letzten Nettoentgeltes. Die Methoden, mit denen gearbeitet wird, heißen Intransparenz und Angst. Der Umverteilungsstaat wird bewußt undurchsichtig gehalten, Kostenrechnungen sind schon wegen der ständigen Quersubventionierungen kaum möglich. Die Politiker nähren die Illusion, daß das System mehr ausspuckt, als vorher hineingesteckt wurde.
      * Weil die Leute Angst haben, glauben sie, sie bräuchten die Politiker. Dabei sind diese fast nur noch mit der Scheinlösung oder Verschleppung selbst geschaffener Probleme beschäftigt - und ziehen eben daraus den Nachweis ihrer Existenzberechtigung. Das beste Konjunkturprogramm wäre ein Sabbat-Jahr für sämtliche Politiker.
      Wann wird das System auf Grund laufen? Langfristig muß es scheitern, weil aus demographischen Gründen die Steuer- und Beitragszahler im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung immer weniger werden. Die verheerenden Folgen des Geburtendefizits sind seit langem bekannt, wurden aber in unverantwortlicher Weise ignoriert. Bis 2010 wird die Bevölkerung (ohne Zuwanderung) um 2,5 Millionen abnehmen, danach beschleunigt sich der demographische Zusammenbruch rasant. Bis 2040 wird die Bevölkerung um 18 Millionen geschrumpft sein. Das ist mehr, als heute in den neuen Bundesländern leben.
      Viel schlimmer und tödlich für den Umverteilungsstaat ist die Alterung. Bis 2040 geht der erwerbsfähige Teil der Bevölkerung um 16 Millionen zurück. Daß diese Lücke auch nur zu einem nennenswerten Teil durch Einwanderer geschlossen werden kann, ist eine glatte Lüge.
      Zugegeben, die demographische Katastrophe wird den Umverteilungsstaat in diesem Jahrzehnt noch nicht mit voller Wucht treffen. Das akute, mittelfristige Problem liegt im miserablen Wirtschaftswachstum und den damit verbundenen Steuerausfällen.
      Wenn meine Prognose stimmt, daß die Konjunktur das ganze Jahrzehnt über im Trend schwach bleibt, dann droht dem Sozialstaat schon in diesem Jahrhundert die Insolvenz.
      Was passiert dann? Massive Steuererhöhungen werden zwar versucht, greifen aber nicht mehr, weil sie unter dem Strich zu einer Minderung, nicht etwa zu einer Verbesserung, der Steuereinnahmen führen würden. Ein Zusammenhang, den die bekannte Laffer-Kurve bestens erklärt.
      Andere Möglichkeit: Ein radikaler Umbau des Umverteilungssystems. Dazu müßten vorher dessen Machtstrukturen gebrochen werden, vor allem das Gewerkschaftskartell. Daß eine amtierende Gewerkschaftsregierung die Gewerkschaften entmachtet, ist wohl ein bißchen viel verlangt.
      Bleibt als vorläufiger Ausweg eine Kombination von Sozialkürzungen, Neuverschuldung und Inflation. Die Schulden steigen dann nominal, aber nicht unbedingt real, weil sie gleichzeitig entwertet werden. Geopfert wird dabei der Geldwert. Das ist im Prinzip machbar, seitdem mit dem Euro die Konkurrenz der Währungen in Europa abgeschafft wurde.
      Prognose 6: Die Ära der 68er geht zu Ende
      Damit kommen wir zum erfreulicheren Teil meiner Prognosen. Die Regierung, die seit 1998 an der Macht ist, rekrutiert sich ideologisch und personell weitgehend aus der Bewegung der 68er. Erst kam die Kulturrevolution, dann die Eroberung der Ämter. Die 68er sind kollektivistisch, anti-liberal, anti-Marktwirtschaft, anti-Familie, anti-christlich, multikulti, partiell anti-national, in jedem Fall aber pro-Staatsknete. Auch diese Generation altert, sie verliert in den kommenden Jahren die geistige Hegemonie, die sie Ende der neunziger mit dem sogenannten „Kampf gegen Rechts“ noch einmal zementierten konnte. Sie wird selbstverständlich abtreten müssen. Vielleicht schon 2006, spätestens 2010. Dann schwingt das Pendel zurück zu konservativen, nationalen und liberalen Positionen.
      Wenn das Geburtendefizit erst einmal als Problem Nummer 1 erkannt ist, wird der Wert der Familie wieder entdeckt. Außerdem gilt: Je älter die Bevölkerung, desto größer der Stellenwert der Inneren Sicherheit. Je diffuser und anonymer die EU, desto attraktiver die Nation. Und je weiter wir uns vom 20. Jahrhundert entfernen, desto wirkungsloser wird das Erpressungspotential der deutschen Vergangenheit.
      Es gibt wohl kaum eine bessere Symbolfigur für die Ineffizienz des Linkskartells, als den Berliner Bürgermeister Wowereit - eine narzißtische Null, die mit der Leitung einer konkursreifen Stadt beauftragt wurde. Solche Figuren sind Auslaufmodelle.
      Prognose 7: In Deutschland entsteht ein anderes Parteiensystem.
      Die Überlegung ist einfach und einleuchtend: Wenn sich Volksmeinung und Parteiensystem nicht mehr decken, dann ändert sich in einer Demokratie nicht das Volk, sondern das Parteiensystem.
      Nach einer Allensbach-Umfrage von Anfang 2002 ordnen sich 30% der Deutschen im politischen Spektrum als rechts ein, 31% als links, 36% als Mitte. (Interessant am Rande, daß die Sozialdemokratie im Reichstag von 1912 mit 34,8% nur wenig schwächer war als heute.) Dem Meinungsspektrum entspricht die heutige Parteienlandschaft nicht im geringsten. Der rechte Flügel fehlt. Daß er fehlt, hat nicht zuletzt mit der kulturzerstörenden Hegemonie der 68er zu tun. Sobald diese schwindet, kommt Bewegung in die politische Landschaft.
      Denkbar ist, daß die prinzipiell opportunistische CDU dem neuen Zeitgeist folgt, daß sie wieder einen konservativen und nationalliberalen Flügel herausbildet und damit auch das rechte Spektrum abdeckt. Das wäre die hessische Lösung, der nächste Bundeskanzler hieße Roland Koch. Mit Angela Merkel ist das nicht zu machen. Sie ist ein Produkt der Ära Kohl und repräsentiert die „letzte Schwundstufe des Konservatismus“.
      Einen ersten mutigen Vorstoß zur geistigen Wende in der CDU machte der Bundestagsabgeordnete Axel Fischer in einem Interview mit der Zeitschrift Der Selbständige. Er verlangte die Entideologisierung und Enttabuisierung der politischen Debatte und die Überwindung der politischen Korrektheit. „Die Alternativen heißen: Freiheit oder Sozialismus, Pioniergeist oder Vollkaskomentalität, Eigenverantwortung oder Staatsverantwortung, Marktwirtschaft oder Bürokratie.“
      Nicht völlig auszuschließen ist auch eine Entwicklung à la Österreich, d.h. die Metamorphose der FDP zu einer nationalliberalen Volkspartei. Dazu gab es 2002 erste Ansätze. Aber auch dies ist ein Generationenproblem. Zumindest ist die FDP eine Option, auf die man achten sollte.
      Vorstellbar ist auch die italienische Lösung, nämlich das Entstehen einer neuen bürgerlichen Partei, die sich national und liberal präsentiert. Eine kollektivistische Bewegung, die sich national und sozialistisch zugleich gibt, wird in Deutschland keine Chancen haben. Alle populistischen und rechten Parteien, die in den letzten Jahren in Europa Erfolg hatten, sind marktwirtschaftlich und freiheitlich orientiert.
      Meine Grundüberlegung ist, daß das herrschende Parteienkartell in der Wirtschaftspolitik, in der Steuerpolitik, in der Bevölkerungspolitik, in der Ausländerpolitik (um nur die wichtigsten Felder zu nennen) versagt hat, daß es reformunfähig ist und daß dieses Versagen in den kommenden Jahren offenkundig werden wird. Dann wird die Öffentlichkeit nach einem Kabinett der Fachleute rufen. In der Politik ist es wie in der Wirtschaft: man kann die Realität nur eine Zeitlang ignorieren, man kann die Bilanzen nur eine Zeitlang fälschen, man kann nicht permanent von der Substanz leben.
      Soweit der Versuch eines Blicks in die Zukunft. Dabei ist das worst-case-Szenario, d.h. das Szenario des schlimmsten Falls, noch nicht berücksichtigt. Es orientiert sich an den dreißiger Jahren. Es setzt voraus, daß das Sozialprodukt nicht für ein paar Quartale, sondern für einige Jahre zurückgeht. Dann würde die Steuerbasis schlicht und einfach wegbrechen, die Sozialleistungen müßten brutal gekürzt werden, die politische Szene würde sich radikalisieren, die Kriminalität würde explodieren, innere Unruhen (auch von Seiten des Millionenheeres arbeitsloser Ausländer) würden ausbrechen, die Bundeswehr müßte eingesetzt werden, die EU könnte samt Euro auseinanderbrechen. Ein solches Szenario mag unwahrscheinlich sein, wir müssen es aber vorsichtshalber in unsere Zukunftsplanung einbeziehen.
      Wie auch immer, vor uns liegen Jahre der Entscheidung. Gefragt ist wieder einmal die Regenerationsfähigkeit des deutschen Volkes.
      Avatar
      schrieb am 17.10.03 01:51:21
      Beitrag Nr. 15 ()
      Der von Bandulet vorgenommene Rückblick auf das Kaiserreich (das ich bis vor einiger Zeit angesichts der Witzfigur Willem II immer eher belächelt habe) ist sehr aufschlußreich. Je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr erkenne ich, daß damals mit einer Weisheit und einem Weitblick Finanz- und Wirtschaftspolitik betrieben wurde, von der sich viele der heutigen Nach-mir-die-Sintflut-Politiker eine gehörige Scheibe abschneiden können.

      Es ist von Wilhelm I. überliefert, daß er sich jedes Jahr in persönlichen Briefen an die 10 größten Steuerzahler des Landes für ihr Engagement und ihre Unterstützung für das Land bedankte. Welch eine Einstellung zu dem Verhältnis zwischen Staat und Steuerzahler!

      Im Gegensatz dazu sieht die heutige Situation doch so aus: wer überdurchschnittlich viel Steuern zahlt, ist doch der Arsch:
      Einerseits wird er von Rot/Grün als Kapitalist verschrien, den man eigentlich mit noch viel mehr neuerfundenen Steuern zur Kasse bitten müßte. Andererseits wird er als Depp ausgelacht, der so doof ist, sein Einkommen ehrlich zu versteuern.


      Mit den 7 Prognosen von Bandulet kann ich nur sehr bedingt übereinstimmen:

      Prognose 1: Die große Rezession in den USA kommt erst noch.
      Nein. Ich glaube an eine ausgeprägte (vielleicht auch Jahre dauernde) Wirtschaftsschwäche, aber keine große Rezession.

      Prognose 2: Die Börsenbaisse dauert zehn Jahre oder länger.

      Bedingte Zustimmung.

      Prognose 3: Nach den Aktienmärkten trifft es die Devisenmärkte.
      Nein. Ein Crash aller dreier führenden Währungen Yen, Dollar und Euro ist quasi per Definition unmöglich, weil ein Wechselkurs den relativen Wert zu einer anderen Währung mißt.

      Yen: Ein Wirtschaftswachstum in Japan wird in der Tat die Bondkurse in den Keller und damit die Renditen in die Höhe treiben, aber das wird mit einem steigenden Yen einhergehen.

      Dollar: Solange die US-Wirtschaft höhere Wachstumsraten als Europa und Japan hat, wird der Dollar nicht crashen.

      Euro: ist eine Mißgeburt und wird langfristig gegen Dollar und Yen schwächer tendieren, aber nicht crashen.

      Prognose 4: Der Stern Amerikas wird sinken.
      Möglich, aber nicht innerhalb der nächsten 10 Jahre.

      Prognose 5: Der Sozialstaat in Deutschland wird insolvent.
      Bedingte Zustimmung. Vor der völligen Insolvenz wird doch noch die Vernunft siegen und (wenn auch spät) notwendige Reformen ermöglichen.

      Prognose 6: Die Ära der 68er geht zu Ende
      Volle Zustimmung.

      Prognose 7: In Deutschland entsteht ein anderes Parteiensystem.
      Sehe ich nicht so. Das notwendige konservative und liberale Gedankengut ist in den jetzigen Parteien zur Genüge vorhanden, es ist nur (noch) nicht mehrheitsfähig, solange der Leidensdruck in der Bevölkerung noch nicht hoch genug ist.
      Avatar
      schrieb am 17.10.03 02:04:20
      Beitrag Nr. 16 ()
      Um noch einmal auf das Thema Langfristigkeit zurückzukommen: hier ist mal wieder ein Blick über die Grenze zu unseren holländischen Nachbarn angezeigt, die uns 1982 mit ihrem Polder-Modell und jetzt wieder zeigen, wie Reformen aussehen können, wenn eine Regierung sich nicht ständig vom Gewerkschaftsdruck korrumpieren läßt:




      Nullrunde in den Niederlanden

      Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeber verabreden Lohnstopp - Sozialreformen werden abgemildert

      Den Haag - Die niederländische Regierung hat mit Arbeitgebern und Gewerkschaften vereinbart, dass die Löhne in den kommenden zwei Jahren eingefroren werden. Im Jahr 2004 soll es keine Lohnerhöhungen geben, und im Jahr 2005 sollen sich die Erhöhungen "der Nulllinie annähern", sagten Ministerpräsident Jan Peter Balkenende und Vertreter der Tarifpartner.

      Die als historisch gefeierte Vereinbarung sei wegen der schwierigen finanziellen Situation im Lande und der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt erforderlich, hieß es. Die Übereinkunft geht über das so genannte "Abkommen von Wassenaar" aus dem Jahr 1982 hinaus: Damals hatten die Gewerkschaften lediglich maßvollen Lohnsteigerungen zugestimmt. Die Arbeitgeber versprachen kürzere Arbeitszeiten.

      Damit die Gewerkschaften einlenken, hat Christdemokrat Balkenende zugestimmt, geplante Einschnitte ins soziale Sicherungssystem abzumildern. So soll der Eigenbeitrag der Krankenversicherten von 200 Euro pro Arztbesuch 2004 um 25 Euro sinken. Auch auf umstrittene Eingriffe bei Frühpensionierung und Arbeitslosenvergütung will die Regierung zunächst verzichten. Die Jugendarbeitslosigkeit soll durch Projekte von Staat, Wirtschaft und Gewerkschaften besser bekämpft werden.

      Lodewijk de Waal vom Gewerkschaftsdachverband FNV erklärte, man sei bereit, auf Lohnerhöhungen bis mindestens April 2004 zu verzichten. Dann soll die Regierung neue Vorschläge für die Sozialgesetze vorlegen. Wenn darüber keine Einigung erreicht werde, könne noch mit höheren Lohnforderungen für 2005 gerechnet werden. Einmalige, an Erträge gebundene Lohnerhöhungen sollen nach der Einigung in Tarifverträgen möglich sein.

      Seit bekannt werden der Regierungspläne zur Neuordnung der Arbeits- und Sozialgesetze in den letzten Wochen war das so genannte Poldermodell, das seit 1982 den Konsens zwischen Regierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften in Problemfragen umschreibt, wiederholt für tot erklärt worden. Gewerkschaften hatten noch in den letzten Tagen mit punktuellen Streiks gegen die von der Regierung geplanten Einschnitte protestiert. Die Neuauflage der konzertierten Aktion von 1982 soll die niederländische Wirtschaft wieder fit machen. Das Land befindet sich in der tiefsten Rezession seit 20 Jahren. Die Arbeitslosigkeit hat sich binnen Jahresfrist auf 5,5 Prozent verdoppelt; 413 000 Menschen haben keinen Job. Die Wirtschaftsleistung ist im zweiten Quartal um 1,2 Prozent geschrumpft. Die Industrieproduktion liegt nach Angaben des Statistikamtes CBS um drei Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die Konsumgüternachfrage sank um 2,2 Prozent. htz/dpa
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      schrieb am 17.10.03 10:53:33
      Beitrag Nr. 17 ()
      #16

      Beim Blick in Nachbarländer wie Dänemark und Holland frage ich mich immer:

      Warum klappt das nicht genau so bei uns in Deutschland ?

      :mad:
      Avatar
      schrieb am 30.10.03 03:36:45
      Beitrag Nr. 18 ()
      Unsere Regierungspolitiker sollten (neben dem Blick auf unsere Nachbarländer) auch öfter mal mit Leuten im eigenen Land wie dem Bischof Homeyer reden - dann klappt`s vielleicht auch mit dem Staatshaushalt.



      Bischof wider die Wohlstandsillusion
      aus der WELT vom 29.10.03

      Nicht das Ende des Sozialstaats, aber das Ende der traditionellen Sozialpolitik hat der Hildesheimer Bischof Josef Homeyer bei den 9. Berlin-Brandenburger Gesprächen der Volksbank Berlin in Potsdam vorausgesagt. Keiner solle sich Illusionen machen, dass der Staat nach dem Ende der gegenwärtigen Krise erneut Geld umverteilen werde. Die "Vertreibung aus dem Paradies" werde von Dauer sein. "Der Wohlfahrtsstaat der 70er und 80er Jahre kann und soll nicht wiederhergestellt werden." Der katholische Theologe, der Chef der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz ist, meinte, Reformen dürften nicht die "überkommene Wohlstandsillusion" wieder beleben. Sie sollten zu der fälligen Umorientierung zu mehr Nachhaltigkeit und Eigenverantwortung führen. Homeyer warnte vor Patentrezepten, forderte aber eine Stärkung der Subsidiarität sowie die Einführung eines Sozial-Tüvs. Dieser könne von einer interdisziplinär zusammengesetzten Expertengruppe erstellt werde, die sich schließlich auch mit einer Neuabgrenzung zwischen der gesellschaftlichen Verantwortung und der Verantwortung des Einzelnen beschäftigen müsse. Der Bischof kündigte ein Memorandum der Deutschen Bischofskonferenz an: "Darin soll aufgezeigt werden, dass eine nachhaltige Reform unseres Sozialstaates nicht nur notwendig, sondern auch möglich ist." oh


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