BVerfG: Freigrenze bei Kindergeld ohne Sozialversicherungsbeiträge - 500 Beiträge pro Seite
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Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -
Pressemitteilung Nr. 40/2005 vom 13. Mai 2005
Dazu Beschluss vom 11. Januar 2005 – 2 BvR 167/02 –
Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in
den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfassungswidrig
Die Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in den
Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) verstößt
gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Für die
Berücksichtigungsfähigkeit von Kindern im Familienleistungsausgleich
sind daher die Einkünfte des Kindes um Sozialversicherungsbeiträge zu
mindern. Dies entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Rechtlicher Hindergrund und Sachverhalt:
Im Rahmen des Familienleistungsausgleichs erhalten unterhaltspflichtige
Eltern Kindergeld und verschiedene Freibeträge. Voraussetzung hierfür
ist, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes die Freigrenze des § 32
Abs. 4 Satz 2 EStG nicht überschreiten. Im Streitjahr 1998 lautete
dessen Fassung wie folgt:
„Nach Satz 1 Nr. 1 und 2 wird ein Kind nur berücksichtigt, wenn es
Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der
Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als
12.000 Deutsche Mark im Kalenderjahr hat;…“
Die Beschwerdeführerin (Bf) bezog bis 1997 für ihren Sohn Kindergeld.
Seit August 1997 ließ sich der Sohn zum Industriemechaniker ausbilden.
Im Jahr 1998 errechnete das Arbeitsamt – Familienkasse – aus der
Ausbildungsvergütung des Sohnes Einkünfte in Höhe von 12.489,-- DM und
legte diesen Wert als Bemessungsgröße der Freigrenze in § 32 Abs. 4 Satz
2 EStG zu Grunde. Da die Freigrenze überschritten war, setzte die
Familienkasse das Kindergeld ab 1. Januar 1998 auf 0,-- DM fest. Bei der
Ermittlung der Bemessungsgröße blieb unberücksichtigt, dass der Sohn im
Streitjahr Sozialversicherungsbeträge in Höhe von 3.078,38 DM zahlen
musste. Die Bf klagte vor dem Finanzgerichte und Bundesfinanzhof (BFH)
erfolglos gegen die Versagung des Kindergelds. Auf ihre
Verfassungsbeschwerde (Vb) hin hob das Bundesverfassungsgericht die
Entscheidung des BFH auf, da sie die Bf in ihrem Grundrecht aus Art. 3
Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz) verletzt. Das Verfahren wurde an
den BFH zurückverwiesen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen in den Grenzbetrag des
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG benachteiligt unterhaltsverpflichtete Eltern von
Kindern, die sozialversicherungspflichtige Einkünfte oberhalb der
Freigrenze beziehen. Eine Benachteiligung liegt zum einen vor gegenüber
Eltern, deren Kinder keine Bezüge haben, zum anderen gegenüber Eltern,
deren Kinder Mittel in einer Höhe beziehen, die noch unterhalb der
Freigrenze bleiben, jedoch dieselbe Höhe erreichen, die sich bei
sozialversicherungspflichtigen Einkünften oberhalb der Freigrenze erst
nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge ergeben. Für eine
Benachteiligung dieser Gruppe unterhaltspflichtiger Eltern fehlen
hinreichende Gründe:
Zweck der Begrenzung von Ansprüchen gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist es,
diejenigen Eltern von finanziellen Entlastungen durch Freibeträge und
Kindergeld auszuschließen, deren Kinder über eigene Einkünfte und Bezüge
in einer das zu schützende Existenzminimum übersteigenden Höhe verfügen.
In diesen Fällen entfällt oder mindert sich zugleich die
Unterhaltspflicht der Eltern. Folglich entscheidet für die Einbeziehung
von Mitteln des Kindes die mögliche Entlastungswirkung solcher Mittel
bei den Eltern. Denn auf deren Leistungsfähigkeit kommt es für die
Gewährung und Begrenzung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen an.
Stellt man beim Jahresgrenzbetrag auf Mittel ab, die eine effektive
Entlastung der Eltern nicht bewirken können, so wird einer Teilgruppe
von Eltern die staatliche Entlastung zweckwidrig verweigert. Dies ist
der Fall bei der Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen in den
Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Sie werden vom
Arbeitgeber abgeführt und sind daher dem Einkünfte erzielenden Kind oder
dessen Eltern nicht verfügbar. Deshalb können sie keine Entlastung bei
den Eltern bewirken.
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist daher verfassungskonform so auszulegen, dass
sowohl von den Bezügen als auch von den Einkünften nur diejenigen in den
Jahresgrenzbetrag einfließen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder
der Berufsausübung bestimmt oder geeignet sind.
Beschluss vom 11. Januar 2005 – 2 BvR 167/02 –
Karlsruhe, den 13. Mai 2005
Pressemitteilung Nr. 40/2005 vom 13. Mai 2005
Dazu Beschluss vom 11. Januar 2005 – 2 BvR 167/02 –
Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in
den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfassungswidrig
Die Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in den
Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) verstößt
gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Für die
Berücksichtigungsfähigkeit von Kindern im Familienleistungsausgleich
sind daher die Einkünfte des Kindes um Sozialversicherungsbeiträge zu
mindern. Dies entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Rechtlicher Hindergrund und Sachverhalt:
Im Rahmen des Familienleistungsausgleichs erhalten unterhaltspflichtige
Eltern Kindergeld und verschiedene Freibeträge. Voraussetzung hierfür
ist, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes die Freigrenze des § 32
Abs. 4 Satz 2 EStG nicht überschreiten. Im Streitjahr 1998 lautete
dessen Fassung wie folgt:
„Nach Satz 1 Nr. 1 und 2 wird ein Kind nur berücksichtigt, wenn es
Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der
Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als
12.000 Deutsche Mark im Kalenderjahr hat;…“
Die Beschwerdeführerin (Bf) bezog bis 1997 für ihren Sohn Kindergeld.
Seit August 1997 ließ sich der Sohn zum Industriemechaniker ausbilden.
Im Jahr 1998 errechnete das Arbeitsamt – Familienkasse – aus der
Ausbildungsvergütung des Sohnes Einkünfte in Höhe von 12.489,-- DM und
legte diesen Wert als Bemessungsgröße der Freigrenze in § 32 Abs. 4 Satz
2 EStG zu Grunde. Da die Freigrenze überschritten war, setzte die
Familienkasse das Kindergeld ab 1. Januar 1998 auf 0,-- DM fest. Bei der
Ermittlung der Bemessungsgröße blieb unberücksichtigt, dass der Sohn im
Streitjahr Sozialversicherungsbeträge in Höhe von 3.078,38 DM zahlen
musste. Die Bf klagte vor dem Finanzgerichte und Bundesfinanzhof (BFH)
erfolglos gegen die Versagung des Kindergelds. Auf ihre
Verfassungsbeschwerde (Vb) hin hob das Bundesverfassungsgericht die
Entscheidung des BFH auf, da sie die Bf in ihrem Grundrecht aus Art. 3
Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz) verletzt. Das Verfahren wurde an
den BFH zurückverwiesen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen in den Grenzbetrag des
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG benachteiligt unterhaltsverpflichtete Eltern von
Kindern, die sozialversicherungspflichtige Einkünfte oberhalb der
Freigrenze beziehen. Eine Benachteiligung liegt zum einen vor gegenüber
Eltern, deren Kinder keine Bezüge haben, zum anderen gegenüber Eltern,
deren Kinder Mittel in einer Höhe beziehen, die noch unterhalb der
Freigrenze bleiben, jedoch dieselbe Höhe erreichen, die sich bei
sozialversicherungspflichtigen Einkünften oberhalb der Freigrenze erst
nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge ergeben. Für eine
Benachteiligung dieser Gruppe unterhaltspflichtiger Eltern fehlen
hinreichende Gründe:
Zweck der Begrenzung von Ansprüchen gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist es,
diejenigen Eltern von finanziellen Entlastungen durch Freibeträge und
Kindergeld auszuschließen, deren Kinder über eigene Einkünfte und Bezüge
in einer das zu schützende Existenzminimum übersteigenden Höhe verfügen.
In diesen Fällen entfällt oder mindert sich zugleich die
Unterhaltspflicht der Eltern. Folglich entscheidet für die Einbeziehung
von Mitteln des Kindes die mögliche Entlastungswirkung solcher Mittel
bei den Eltern. Denn auf deren Leistungsfähigkeit kommt es für die
Gewährung und Begrenzung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen an.
Stellt man beim Jahresgrenzbetrag auf Mittel ab, die eine effektive
Entlastung der Eltern nicht bewirken können, so wird einer Teilgruppe
von Eltern die staatliche Entlastung zweckwidrig verweigert. Dies ist
der Fall bei der Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen in den
Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Sie werden vom
Arbeitgeber abgeführt und sind daher dem Einkünfte erzielenden Kind oder
dessen Eltern nicht verfügbar. Deshalb können sie keine Entlastung bei
den Eltern bewirken.
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist daher verfassungskonform so auszulegen, dass
sowohl von den Bezügen als auch von den Einkünften nur diejenigen in den
Jahresgrenzbetrag einfließen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder
der Berufsausübung bestimmt oder geeignet sind.
Beschluss vom 11. Januar 2005 – 2 BvR 167/02 –
Karlsruhe, den 13. Mai 2005
Das ist ja wohl richtig geil.
1800 € gespart. Wohl dem der durch Einspruch die rückzahlung gehemmt hat.
1800 € gespart. Wohl dem der durch Einspruch die rückzahlung gehemmt hat.
Wie würde es denn sein, wenn ein Kind 12.500,00 DM Zinseinkünfte hatte und Prämien für eine private KV von 3.000,00 DM zu zahlen waren?
Zu #3:
Interessante Frage.
Interessante Frage.
Super Urteil des BVerfG.
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist daher verfassungskonform so auszulegen, dass
sowohl von den Bezügen als auch von den Einkünften nur diejenigen in den
Jahresgrenzbetrag einfließen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder
der Berufsausübung bestimmt oder geeignet sind.
Nun meine Frage, Anregung:
Müsste man nicht auch diejenigen Versicherungsbeiträge von den Einkünften abziehen, die freiwillig z.B. für die Altersvorsorge bestimmt sind, d.h. Beiträge für die Riester-Rente, Berufsunfähigkeitsvers. usw.
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist daher verfassungskonform so auszulegen, dass
sowohl von den Bezügen als auch von den Einkünften nur diejenigen in den
Jahresgrenzbetrag einfließen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder
der Berufsausübung bestimmt oder geeignet sind.
Nun meine Frage, Anregung:
Müsste man nicht auch diejenigen Versicherungsbeiträge von den Einkünften abziehen, die freiwillig z.B. für die Altersvorsorge bestimmt sind, d.h. Beiträge für die Riester-Rente, Berufsunfähigkeitsvers. usw.
da sind se ja mal wider alle verarscht worden. gailer rechtsstaat.
Zum geilen Rechtsstaat:
Ein guter Kommentar aus der "Welt" vom 14.5.2005:
Artikel v. 14.05.2005 | Rubrik: Wirtschaft
Überfällige Korrektur
Der Kommentar
von Konrad Adam
Das Bundesverfassungsgericht macht Ernst mit seiner Ankündigung, den Familienlastenausgleich selbst in die Hand zu nehmen. Schon Roman Herzog sagte vor Jahren als Gerichtspräsident, er bitte den Gesetzgeber zur Kenntnis zu nehmen, daß man sich weitere Verstöße gegen das Gebot, die Familie zu schützen, nicht länger bieten lassen werde. Bis heute hat seine kaum verhüllte Drohung nichts bewirkt.
Dem hat das Gericht nun abgeholfen. Es gab einer Mutter Recht, die nicht einsehen mochte, daß bei der Berechnung ihres Anspruchs auf Kindergeld das Einkommen des Sohnes in voller Höhe zugrunde gelegt wurde. Sie verlangte, statt vom Brutto- vom Nettoeinkommen auszugehen, und das Gericht gab ihr Recht.
Sein Beschluß ist allerdings nicht mehr als ein kleiner Beitrag im Kampf gegen eine große Ungerechtigkeit. Was man in Deutschland gern "Familienlastenausgleich" nennt, trägt seinen Namen zu Unrecht. Denn gut zwei Drittel dessen, was Familien auf diesem Wege zufließt, ist von ihnen selbst im Wege von Steuern und Beiträgen aufgebracht worden. In Dingen des Familienlastenausgleichs befindet sich das Land im Zustand der permanenten Verfassungswidrigkeit.
Artikel erschienen am Sam, 14. Mai 2005
Alle Artikel vom 14. Mai 2005
Ein guter Kommentar aus der "Welt" vom 14.5.2005:
Artikel v. 14.05.2005 | Rubrik: Wirtschaft
Überfällige Korrektur
Der Kommentar
von Konrad Adam
Das Bundesverfassungsgericht macht Ernst mit seiner Ankündigung, den Familienlastenausgleich selbst in die Hand zu nehmen. Schon Roman Herzog sagte vor Jahren als Gerichtspräsident, er bitte den Gesetzgeber zur Kenntnis zu nehmen, daß man sich weitere Verstöße gegen das Gebot, die Familie zu schützen, nicht länger bieten lassen werde. Bis heute hat seine kaum verhüllte Drohung nichts bewirkt.
Dem hat das Gericht nun abgeholfen. Es gab einer Mutter Recht, die nicht einsehen mochte, daß bei der Berechnung ihres Anspruchs auf Kindergeld das Einkommen des Sohnes in voller Höhe zugrunde gelegt wurde. Sie verlangte, statt vom Brutto- vom Nettoeinkommen auszugehen, und das Gericht gab ihr Recht.
Sein Beschluß ist allerdings nicht mehr als ein kleiner Beitrag im Kampf gegen eine große Ungerechtigkeit. Was man in Deutschland gern "Familienlastenausgleich" nennt, trägt seinen Namen zu Unrecht. Denn gut zwei Drittel dessen, was Familien auf diesem Wege zufließt, ist von ihnen selbst im Wege von Steuern und Beiträgen aufgebracht worden. In Dingen des Familienlastenausgleichs befindet sich das Land im Zustand der permanenten Verfassungswidrigkeit.
Artikel erschienen am Sam, 14. Mai 2005
Alle Artikel vom 14. Mai 2005
Verfassungsgericht stärkt Anspruch auf Kindergeld
Nachwuchs darf künftig mehr hinzuverdienen - Karlsruhe gibt klagender Mutter recht
von Barbara Brandstetter
Wenn sie groß sind, können sie Geld verdienen
Foto: dpa
Berlin - Das Bundesverfassungsgericht hat den Kindergeldanspruch der Eltern gestärkt, deren Kinder bereits selbst Geld verdienen. Nach einem am Freitag veröffentlichten Beschluß der Karlsruher Richter sind bei der Freigrenze, deren Überschreiten zum Verlust des Kindergelds führt, nicht - wie bisher vom Fiskus angenommen - das Bruttoeinkommen, sondern die Einkünfte nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge entscheidend. Schließlich würde lediglich in dieser Höhe die Haushaltskasse entlastet, argumentierten die Richter.
Der Zweite Senat hob eine anders lautende Entscheidung des Bundesfinanzhofs auf, weil dadurch der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt werde (Az: 2 BvR 167/02 - Beschluß vom 11. Januar 2005). Damit gaben die Karlsruher Richter einer Mutter Recht, deren Sohn 1998 bei der Ausbildung als Industriemechaniker rund 12 500 Mark (6400 Euro) brutto verdiente. Weil damit die damalige Freigrenze von 12 000 Mark (gut 6100 Euro) überschritten war, zahlte das Arbeitsamt kein Kindergeld mehr. Laut Gericht hätte das Amt aber vom Einkommen die Sozialversicherungsbeiträge von gut 3000 Mark abziehen müssen. Denn die Beiträge würden vom Arbeitgeber direkt abgeführt und seien für die Eltern also nicht verfügbar.
Freuen können sich nun Eltern, deren Kinder mit den Einnahmen nur geringfügig über den vom Staat vorgesehenen Grenzen lagen und die noch offene Steuerbescheide haben. "Das Urteil gilt nur für alle noch offenen Steuerbescheide, rückwirkend für die vergangenen vier Jahre", sagt Steuerexperte Peter Kauth von Steuerrat24.de. Um festzustellen, ob nachträglich doch noch Anspruch auf Kindergeld bestehe, sollten sich Eltern ansehen, wie hoch die Sozialabgaben waren, die das Kind im betreffenden Jahr bezahlt hat, rät der Experte. Die Abgaben können dann von den Jahreseinnahmen des Kindes abgezogen werden, ebenso angefallene Werbungskosten wie beispielsweise eine Kilometerpauschale für die Fahrt zum Ausbildungsplatz. Liegen die tatsächlichen Werbungskosten unter dem sogenannten Arbeitnehmer-Pauschbetrag, so kann dieser auch ohne Nachweise pauschal geltend gemacht werden. Liegen die Einnahmen des Kindes dann nach Abzug der Werbungskosten oder des Pauschbetrags sowie der abgeführten Sozialversicherungsbeiträge unter dem Grenzbetrag von 7680 Euro im Jahr 2004, sollten Eltern beim Finanzamt das Geld mit dem Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts einfordern. Eltern, die mit Hinweis auf das spezielle Verfahren den Steuerbescheid offen gehalten haben, werden vom Finanzamt oder der Familienkasse angeschrieben. Der Deutsche Familienverband begrüßte, daß das Gericht "endlich Klarheit" geschaffen habe. Die Freigrenze sei "ein großes Problem für Familien mit Kindern in Ausbildung". Dies werde noch dadurch verschärft, daß das Kindergeld auch bei geringfügiger Überschreitung der Grenze vollständig wegfalle, sagte Geschäftsführer Marcus Ostermann.
Artikel erschienen am Sa, 14. Mai 2005
Artikel drucken
© WELT.de 1995 - 2005
http://www.welt.de/data/2005/05/14/718342.html
Nachwuchs darf künftig mehr hinzuverdienen - Karlsruhe gibt klagender Mutter recht
von Barbara Brandstetter
Wenn sie groß sind, können sie Geld verdienen
Foto: dpa
Berlin - Das Bundesverfassungsgericht hat den Kindergeldanspruch der Eltern gestärkt, deren Kinder bereits selbst Geld verdienen. Nach einem am Freitag veröffentlichten Beschluß der Karlsruher Richter sind bei der Freigrenze, deren Überschreiten zum Verlust des Kindergelds führt, nicht - wie bisher vom Fiskus angenommen - das Bruttoeinkommen, sondern die Einkünfte nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge entscheidend. Schließlich würde lediglich in dieser Höhe die Haushaltskasse entlastet, argumentierten die Richter.
Der Zweite Senat hob eine anders lautende Entscheidung des Bundesfinanzhofs auf, weil dadurch der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt werde (Az: 2 BvR 167/02 - Beschluß vom 11. Januar 2005). Damit gaben die Karlsruher Richter einer Mutter Recht, deren Sohn 1998 bei der Ausbildung als Industriemechaniker rund 12 500 Mark (6400 Euro) brutto verdiente. Weil damit die damalige Freigrenze von 12 000 Mark (gut 6100 Euro) überschritten war, zahlte das Arbeitsamt kein Kindergeld mehr. Laut Gericht hätte das Amt aber vom Einkommen die Sozialversicherungsbeiträge von gut 3000 Mark abziehen müssen. Denn die Beiträge würden vom Arbeitgeber direkt abgeführt und seien für die Eltern also nicht verfügbar.
Freuen können sich nun Eltern, deren Kinder mit den Einnahmen nur geringfügig über den vom Staat vorgesehenen Grenzen lagen und die noch offene Steuerbescheide haben. "Das Urteil gilt nur für alle noch offenen Steuerbescheide, rückwirkend für die vergangenen vier Jahre", sagt Steuerexperte Peter Kauth von Steuerrat24.de. Um festzustellen, ob nachträglich doch noch Anspruch auf Kindergeld bestehe, sollten sich Eltern ansehen, wie hoch die Sozialabgaben waren, die das Kind im betreffenden Jahr bezahlt hat, rät der Experte. Die Abgaben können dann von den Jahreseinnahmen des Kindes abgezogen werden, ebenso angefallene Werbungskosten wie beispielsweise eine Kilometerpauschale für die Fahrt zum Ausbildungsplatz. Liegen die tatsächlichen Werbungskosten unter dem sogenannten Arbeitnehmer-Pauschbetrag, so kann dieser auch ohne Nachweise pauschal geltend gemacht werden. Liegen die Einnahmen des Kindes dann nach Abzug der Werbungskosten oder des Pauschbetrags sowie der abgeführten Sozialversicherungsbeiträge unter dem Grenzbetrag von 7680 Euro im Jahr 2004, sollten Eltern beim Finanzamt das Geld mit dem Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts einfordern. Eltern, die mit Hinweis auf das spezielle Verfahren den Steuerbescheid offen gehalten haben, werden vom Finanzamt oder der Familienkasse angeschrieben. Der Deutsche Familienverband begrüßte, daß das Gericht "endlich Klarheit" geschaffen habe. Die Freigrenze sei "ein großes Problem für Familien mit Kindern in Ausbildung". Dies werde noch dadurch verschärft, daß das Kindergeld auch bei geringfügiger Überschreitung der Grenze vollständig wegfalle, sagte Geschäftsführer Marcus Ostermann.
Artikel erschienen am Sa, 14. Mai 2005
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http://www.welt.de/data/2005/05/14/718342.html
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von Konrad Adam
Das Bundesverfassungsgericht macht Ernst mit seiner Ankündigung, den Familienlastenausgleich selbst in die Hand zu nehmen. Schon Roman Herzog sagte vor Jahren als Gerichtspräsident, er bitte den Gesetzgeber zur Kenntnis zu nehmen, daß man sich weitere Verstöße gegen das Gebot, die Familie zu schützen, nicht länger bieten lassen werde. Bis heute hat seine kaum verhüllte Drohung nichts bewirkt.
Dem hat das Gericht nun abgeholfen. Es gab einer Mutter Recht, die nicht einsehen mochte, daß bei der Berechnung ihres Anspruchs auf Kindergeld das Einkommen des Sohnes in voller Höhe zugrunde gelegt wurde. Sie verlangte, statt vom Brutto- vom Nettoeinkommen auszugehen, und das Gericht gab ihr Recht.
Sein Beschluß ist allerdings nicht mehr als ein kleiner Beitrag im Kampf gegen eine große Ungerechtigkeit. Was man in Deutschland gern "Familienlastenausgleich" nennt, trägt seinen Namen zu Unrecht. Denn gut zwei Drittel dessen, was Familien auf diesem Wege zufließt, ist von ihnen selbst im Wege von Steuern und Beiträgen aufgebracht worden. In Dingen des Familienlastenausgleichs befindet sich das Land im Zustand der permanenten Verfassungswidrigkeit.
Artikel erschienen am Sam, 14. Mai 2005
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von Konrad Adam
Das Bundesverfassungsgericht macht Ernst mit seiner Ankündigung, den Familienlastenausgleich selbst in die Hand zu nehmen. Schon Roman Herzog sagte vor Jahren als Gerichtspräsident, er bitte den Gesetzgeber zur Kenntnis zu nehmen, daß man sich weitere Verstöße gegen das Gebot, die Familie zu schützen, nicht länger bieten lassen werde. Bis heute hat seine kaum verhüllte Drohung nichts bewirkt.
Dem hat das Gericht nun abgeholfen. Es gab einer Mutter Recht, die nicht einsehen mochte, daß bei der Berechnung ihres Anspruchs auf Kindergeld das Einkommen des Sohnes in voller Höhe zugrunde gelegt wurde. Sie verlangte, statt vom Brutto- vom Nettoeinkommen auszugehen, und das Gericht gab ihr Recht.
Sein Beschluß ist allerdings nicht mehr als ein kleiner Beitrag im Kampf gegen eine große Ungerechtigkeit. Was man in Deutschland gern "Familienlastenausgleich" nennt, trägt seinen Namen zu Unrecht. Denn gut zwei Drittel dessen, was Familien auf diesem Wege zufließt, ist von ihnen selbst im Wege von Steuern und Beiträgen aufgebracht worden. In Dingen des Familienlastenausgleichs befindet sich das Land im Zustand der permanenten Verfassungswidrigkeit.
Artikel erschienen am Sam, 14. Mai 2005
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