Wer wird in Deutschland in nächster Zeit die Skandale liefern? (Seite 5)
eröffnet am 15.04.20 16:15:24 von
neuester Beitrag 22.05.23 14:19:45 von
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In vielen Abhandlungen zur Börsengeschichte wird zwischen "Boom- und Bust-Phasen" unterschieden und vieles deutet darauf hin, dass wir uns aktuell in einer Bust-Phase befinden - auch wenn man nach gut drei Wochen Gegenkonsolidierung nicht mehr unbedingt das Gefühl haben mag.
Wer sich noch an die letzte, besonders ausgeprägte Boomphase erinnert, die 2000 zu Ende gegangen war, der wird vermutlich auch noch einige Bilanz-Skandale im Kopf haben, die in der Zeit nach dem Platzen der Blase den Weg der Kurse nach unten begleitet haben. International besonders berühmt ist der Enron-Skandal von 2001, am Neuen Markt in Deutschland fallen vielen vermutlich gleich EM.TV und Comroad ein.
Charles P. Kindleberger widmet in seinem Klassiker "Manias, Panics, And Crashes" ein ganzes Kapitel dem für Boomphasen typischen Anwachsen von Betrügereien, die dann im Crash erst noch verstärkt werden, bevor sie - freilich nur zum Teil - den Schwindlern "um die Ohren fliegen", was wiederum die mit Crashphasen ja immer wieder einher gehende Panik befeuert:
"The propensities to swindle and be swindled run parallel to the propensity to speculate during a boom. Crash and panic, with their motto of sauve qui peut, induce still more to cheat in order to save themselves. And the signal for panic is often the revalation of some swindle, theft, embezzlement, or fraud."(Kindleberger 2000, S. 73)
Das ist aus meiner Sicht eine herausragende Kurzbeschreibung der Mechanismen, auf die ich hier hinauswill. Kindleberger macht schön deutlich, dass es insbesondere in Spätphasen einer Hausse auch besonders leicht ist, mit Schwindeleien durchzukommen:
"We believe that swindling is demand-determined, following Keynes's law that demand determines its own supply, rather than Say's law that supply creates its own demand. In a boom, fortunes are made, individuals wax greedy, and swindlers come forward to exploit that greed." (S. 76)
Nun gibt es unter den professionellen Anlegern am Aktienmarkt viele, die darauf spezialisiert sind, "windige" Bilanzierungspraktiken aufzudecken und die dann - in der Regel durch Leerverkäufe - versuchen, von den "aufgeblasenen" Bewertungen der "aufgeblasen" bilanzierten Unternehmen zu profitieren.
Der wohl berühmteste unter ihnen ist Jim Chanos, der durch die Aufdeckung mehr als windiger Bilanzierungspraktiken von Enron einen der "greatest stock market trades ever" realisieren konnte: https://www.finance-monthly.com/2017/10/the-top-10-greatest-…. Und eben dieser Jim Chanos sprach in einem TV-Interview Anfang April davon, dass die Jahreswende 2019/20, Jan-Feb 20 eine der verrücktesten Perioden in seinen 40 Jahren an der Börse gewesen sei, vergleichbar mit Jan-Feb 2000, voller "manic speculation":
Er nennt Leerverkäufer im Interview "financial detectives" und weist darauf hin, dass das gier-getriebene Investieren in solchen Zeiten den Investoren deutlich mehr schade als die von ihnen gerne kritisierten Shortseller.
Dabei lebt Chanos als ein auf die USA fokussierter Shortseller eigentlich in paradiesischen Zuständen, denn allein schon an seinem völlig selbstverständlichen Auftritt bei CNBC kann man sehen, dass Leerverkäufe und Leerverkäufer in den USA etwas völlig Normales und allgemein Akzeptiertes sind. Schaut man sich an, wie Leerverkäufer, die als "financial detectives" ihre Ergebnisse veröffentlichen, in den letzten Jahren in Deutschland behandelt worden sind, dann muss man wissen, dass Deutschland ein Land ist, in dem Short Selling NICHT als etwas Normales oder gar für die Börse Gutes wahrgenommen wird. Das vorherrschende Bild von Leerverkäufern geht hier eher in Richtung "skrupellose Marktmanipulatoren", die mittels mehr oder weniger frei erfundener Negativ-Stories an den darauf hin nachgebenden Aktienkursen profitieren möchten.
Als einem in Tschechien geborenen und interkulturell ausgerichteten Investor gelingt es mir womöglich besser als vielen anderen Kleinanlegern in Deutschland, die amerikanische Sicht der Dinge als die deutlich angemessenere zu erkennen.
Auf der anderen Seite würde ich dadurch nicht so hart mit Deutschland ins Gericht gehen wie Carson Block, Gründer und Chef von Muddy Waters, der Elon Musk letztes Jahr empfohlen hat, Tesla in Deutschland an die Börse zu bringen, weil es dort, was den Willen zur Aufsicht über Unternehmen angeht, so zugehe, wie man es ansonsten nur von China oder Russland kenne:
https://www.forbes.com/sites/cblock/2019/03/01/why-elon-musk…
Ich finde sein Deutschland-Bild überzogen, auch wenn es durch seine eigene Erfahrung rund um Ströer "empirie-gesättigt" sein mag. Allerdings wird in Deutschland Unternehmen wie die von ihm angeführten Wirecard und Ströer aus meiner Sicht definitiv zu viel und den "Finanzdetektiven", die sie "angreifen", klar zu wenig Vertrauen entgegengebracht.
Sollten wir den Boom hinter und den Bust größtenteils noch vor uns haben, dann dürfte es jedenfalls in der nächsten Zeit zur Aufdeckung einiger "windiger" Bilanzen kommen und mich persönlich würde es ganz und gar nicht wundern, wenn sich unter diesen Wirecard und Ströer befinden sollten.
Der Thread ist allerdings nicht dafür gedacht, hier speziell diese beiden Unternehmen zu diskutieren (dafür gibt es genügend Einzeltitel-Threads), sondern als ein mögliches Sammelbecken für Ideen in Richtung anderer potenzieller EM.TVs und Comroads, die in den nächsten Jahren für die entsprechenden Skandale sorgen könnten.
Über entsprechende Tipps mit zumindest einer kurzen Begründung würde ich mich freuen.
Wer sich noch an die letzte, besonders ausgeprägte Boomphase erinnert, die 2000 zu Ende gegangen war, der wird vermutlich auch noch einige Bilanz-Skandale im Kopf haben, die in der Zeit nach dem Platzen der Blase den Weg der Kurse nach unten begleitet haben. International besonders berühmt ist der Enron-Skandal von 2001, am Neuen Markt in Deutschland fallen vielen vermutlich gleich EM.TV und Comroad ein.
Charles P. Kindleberger widmet in seinem Klassiker "Manias, Panics, And Crashes" ein ganzes Kapitel dem für Boomphasen typischen Anwachsen von Betrügereien, die dann im Crash erst noch verstärkt werden, bevor sie - freilich nur zum Teil - den Schwindlern "um die Ohren fliegen", was wiederum die mit Crashphasen ja immer wieder einher gehende Panik befeuert:
"The propensities to swindle and be swindled run parallel to the propensity to speculate during a boom. Crash and panic, with their motto of sauve qui peut, induce still more to cheat in order to save themselves. And the signal for panic is often the revalation of some swindle, theft, embezzlement, or fraud."(Kindleberger 2000, S. 73)
Das ist aus meiner Sicht eine herausragende Kurzbeschreibung der Mechanismen, auf die ich hier hinauswill. Kindleberger macht schön deutlich, dass es insbesondere in Spätphasen einer Hausse auch besonders leicht ist, mit Schwindeleien durchzukommen:
"We believe that swindling is demand-determined, following Keynes's law that demand determines its own supply, rather than Say's law that supply creates its own demand. In a boom, fortunes are made, individuals wax greedy, and swindlers come forward to exploit that greed." (S. 76)
Nun gibt es unter den professionellen Anlegern am Aktienmarkt viele, die darauf spezialisiert sind, "windige" Bilanzierungspraktiken aufzudecken und die dann - in der Regel durch Leerverkäufe - versuchen, von den "aufgeblasenen" Bewertungen der "aufgeblasen" bilanzierten Unternehmen zu profitieren.
Der wohl berühmteste unter ihnen ist Jim Chanos, der durch die Aufdeckung mehr als windiger Bilanzierungspraktiken von Enron einen der "greatest stock market trades ever" realisieren konnte: https://www.finance-monthly.com/2017/10/the-top-10-greatest-…. Und eben dieser Jim Chanos sprach in einem TV-Interview Anfang April davon, dass die Jahreswende 2019/20, Jan-Feb 20 eine der verrücktesten Perioden in seinen 40 Jahren an der Börse gewesen sei, vergleichbar mit Jan-Feb 2000, voller "manic speculation":
Er nennt Leerverkäufer im Interview "financial detectives" und weist darauf hin, dass das gier-getriebene Investieren in solchen Zeiten den Investoren deutlich mehr schade als die von ihnen gerne kritisierten Shortseller.
Dabei lebt Chanos als ein auf die USA fokussierter Shortseller eigentlich in paradiesischen Zuständen, denn allein schon an seinem völlig selbstverständlichen Auftritt bei CNBC kann man sehen, dass Leerverkäufe und Leerverkäufer in den USA etwas völlig Normales und allgemein Akzeptiertes sind. Schaut man sich an, wie Leerverkäufer, die als "financial detectives" ihre Ergebnisse veröffentlichen, in den letzten Jahren in Deutschland behandelt worden sind, dann muss man wissen, dass Deutschland ein Land ist, in dem Short Selling NICHT als etwas Normales oder gar für die Börse Gutes wahrgenommen wird. Das vorherrschende Bild von Leerverkäufern geht hier eher in Richtung "skrupellose Marktmanipulatoren", die mittels mehr oder weniger frei erfundener Negativ-Stories an den darauf hin nachgebenden Aktienkursen profitieren möchten.
Als einem in Tschechien geborenen und interkulturell ausgerichteten Investor gelingt es mir womöglich besser als vielen anderen Kleinanlegern in Deutschland, die amerikanische Sicht der Dinge als die deutlich angemessenere zu erkennen.
Auf der anderen Seite würde ich dadurch nicht so hart mit Deutschland ins Gericht gehen wie Carson Block, Gründer und Chef von Muddy Waters, der Elon Musk letztes Jahr empfohlen hat, Tesla in Deutschland an die Börse zu bringen, weil es dort, was den Willen zur Aufsicht über Unternehmen angeht, so zugehe, wie man es ansonsten nur von China oder Russland kenne:
https://www.forbes.com/sites/cblock/2019/03/01/why-elon-musk…
Ich finde sein Deutschland-Bild überzogen, auch wenn es durch seine eigene Erfahrung rund um Ströer "empirie-gesättigt" sein mag. Allerdings wird in Deutschland Unternehmen wie die von ihm angeführten Wirecard und Ströer aus meiner Sicht definitiv zu viel und den "Finanzdetektiven", die sie "angreifen", klar zu wenig Vertrauen entgegengebracht.
Sollten wir den Boom hinter und den Bust größtenteils noch vor uns haben, dann dürfte es jedenfalls in der nächsten Zeit zur Aufdeckung einiger "windiger" Bilanzen kommen und mich persönlich würde es ganz und gar nicht wundern, wenn sich unter diesen Wirecard und Ströer befinden sollten.
Der Thread ist allerdings nicht dafür gedacht, hier speziell diese beiden Unternehmen zu diskutieren (dafür gibt es genügend Einzeltitel-Threads), sondern als ein mögliches Sammelbecken für Ideen in Richtung anderer potenzieller EM.TVs und Comroads, die in den nächsten Jahren für die entsprechenden Skandale sorgen könnten.
Über entsprechende Tipps mit zumindest einer kurzen Begründung würde ich mich freuen.