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    Neoliberalismus - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 12.11.05 00:12:09 von
    neuester Beitrag 14.11.05 15:03:05 von
    Beiträge: 12
    ID: 1.019.587
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      schrieb am 12.11.05 00:12:09
      Beitrag Nr. 1 ()
      Allgemeine Charakteristik des Neoliberalismus

      Die Universalität des Marktprinzips: Überleben am Markt statt Politik

      Der Kerngedanke besteht darin, dass der Markt nicht lediglich Mittel zum Zweck im oben genannten Sinne ist, sondern der Zweck selbst. Wie noch genauer zu sehen sein wird, beschreibt das Marktprinzip hier eine spezifische Variante der individualistischen Vertragslogik des freien Austausches: Die allgemeine Wohlfahrt ist das spontane Ergebnis individueller Tauschakte, die wiederum auf drei Prinzipien beruhen.

      1. Sie sind Ausdruck des freien Willens aller Beteiligten

      2. Die individuelle Entscheidung zur Teilnahme an einem Tauschakt beruht auf Zweckrationalität, d.h. dem rationalen Abwiegen individueller Kosten und
      Nutzen.

      3. Die allgemeine Gültigkeit und Wirksamkeit von privatem Vertragsrecht schließt Willkürakte aus oder begrenzt sie zumindest so weit, dass spontane Kooperation durch vertraglichen Austausch zwischen privaten Individuen als allgemeines Prinzip nicht gefährdet ist.

      Das Besondere an der neoliberalen Wiederbelebung der Begriffe Freiheit, Privatheit und Kooperation liegt in der Umdeutung des Gehalts von allgemeiner Wohlfahrt, die, so die Annahme, aus der ungehinderten Entfaltung der drei Begriffe folgt.

      Allgemeine Wohlfahrt besteht nicht länger im „Wohlstand der Nationen“, und nicht einmal mehr in der optimalen Anordnung vorhandener Ressourcen, sondern in der bestmöglichen Selektion und Vergesellschaftung von Einzelwissen.

      Das Marktprinzip ist anderen gesellschaftlichen Organisationsprinzipien überlegen, nicht weil es wirtschaftliche Entwicklung beschleunigt und damit neue gesellschaftliche Möglichkeitsräume eröffnet, auch nicht, weil es vorhandene Ressourcen optimal auf die Produktionsfaktoren verteilt und so das Produktionsergebnis maximiert, sondern weil es den freien Austausch von Wissensfragmenten befördert, die auf individuelle Entscheidungsträger verstreut sind, und die so der Nutzung durch die Gesellschaft als Ganzes zugänglich macht.

      Damit hat die allgemeine Wohlfahrt keine materielle Substanz mehr:

      Die Leistungsfähigkeit des Marktes läßt sich nicht länger empirisch überprüfen. Solange die Funktionsfähigkeit des Marktprinzips am „Wohlstand der Nationen“ oder an der Effiziens der optimalen Anordnung der Produktionsfaktoren gemessen werden kann, ist der empirische Nachweis von Unzulänglichkeit möglich. Die Kritik des Marktes von Keynes nahm nicht umsonst genau auf diesen Punkt Bezug: Die Weltwirtschaftskreise der späten 1920er und frühen 1930er, und insbesondere die für damalige Verhältnisse hohe Arbeitslosigkeit, waren der Ausgangspunkt für die Zweifel von Keynes an der orthodoxen Behauptung, dass der Markt alle Ressourcen, Arbeit inbegriffen, optimal zu nutzen weiß. Wenn jedoch das einzige Versprechen des Marktes darin besteht, dass vorhandenes Wissen bestmöglich genutzt wird, ist damit kein materiell überprüfbares Erfolgskriterium mehr verbunden.

      Versprochen wird nur noch die Form, oder genauer die Prozeßhaftigkeit, nicht mehr der Inhalt oder die Substanz. Was zählt, ist nicht das Endergebnis im Sinn der durchschnittlichen Wohlfahrt –wie auch immer definiert- aller Mitglieder eines Gemeinwesens zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern die Dynamik des Prozesses. Entscheidend für den Prozeß der Wissensfindung und Wissensvermittlung sind dabei nicht nur Preise, die Informationen über Produktkosten und Absatzmöglichkeiten enthalten, sondern vor allem die Anreizfunktion individuellen Wohlstands und Erfolgs. Erfolg signalisiert, welche Verfahren im Sinne individueller Überlebens- und Bereicherungspraktiken sich als überlegen erwiesen haben, und fordert zur Nachahmung auf. Die wirkliche Ursache der Überlegenheit des Marktprinzips liegt daher in seiner Funktion als Auslesemechanismus und Lernvorgang, wobei das Fitnesskriterium persönlicher Reichtum ist und die Motivation des Lernens – damit die Verallgemeinerung des Wissens – auf der Notwendigkeit des Überlebens am Markt beruht. Es ist in diesem Sinn, dass Neoliberalismus den Markt von einem Mittel zum Zweck selbst erhebt.

      Um diesen Kerngedanken zu einer allgemeinen Legitimationsfigur auszubauen, ist jedoch noch ein weiterer Schritt erforderlich: Der Markt als Organisationsprinzip ist der Politik und damit der bewussten, zielgerichteten Kooperation als Ausdruck von kollektivem Interesse überlegen. In diesem Kontext richtet sich der Neoliberalismus nicht nur gegen die traditionelle Demokratie der entwickelten Länder, seine Feinde sind gleichermaßen autoritäre Regimes und Demokratien in den Entwicklungsländern, soweit diese das Ziel nationaler Souveränität betonen, sich damit nur eingeschränkt in den Weltmarkt einbinden und folglich dem Interesse der tonangebenden Geschäftswelt der Industrieländer Widerstand leisten.

      Der Neoliberalismus propagiert für alle Länder durchgreifende Veränderungen, die die Individuen im Allgemeinen von den „Fesseln der Bürokratie“ und die Unternehmer im Besonderen von den „Fesseln der Politik“ befreien sollen. Der Neoliberalismus fordert uns dazu auf, unser politisches Mitspracherecht, unsere Kontrolle über Art und Umfang der Nutzung unserer wirtschaftlichen Ressourcen, kurz unsere unmittelbare Verfügung über die Mittel zur Gestaltung unseres Lebens nicht in Parlamenten, Parteien, Gewerkschaften oder sonstiger sozialer Bewegungen zu bündeln, sondern an die spontanen Kräfte des Marktes abzutreten. Das Marktprinzip soll nicht nur unsere ökonomische Aktivität, sondern vor allem unser politisches und gesellschaftliches Zusammenleben bestimmen.

      Die konkreten politischen Forderungen des Neoliberalismus – die Abschaffung des „gewerkschaftlichen Arbeitsmonopols“, die vorgebliche Entbürokratisierung öffentlicher Institutionen, die Reorganisation des „Volksparteiensystems“ und die Einschränkung parlamentarischer Kompetenzen, die Liberalisierung der Märkte, die Deregulierung und Dezentralisierung des öffentlichen Lebens, di8e Privatisierung staatlicher Unternehmen – lassen sich unter dem einen Motto zusammenfassen: Eroberung der Politik durch die spontanen Kräfte des Marktes.

      Hierin unterscheidet sich der Neoliberalismus von klassisch-liberalen Positionen in der Wirtschaftstheorie: Der Geltungsbereich des Marktprinzips soll über seinen originären, rein ökonomischen Wirkungszusammenhang hinaus auf die Sphäre politischer Entscheidungen ausgedehnt werden. Es gilt, das Marktprinzip zum
      Allgemeinen gesellschaftlichen Organisationsprinzip zu erheben.

      Die geforderte Universalität des Marktprinzips – Kritiker nennen dies Methodenimperialismus – findet ihren alltäglichen Ausdruck in der Erhebung des Ökonomischen zum Maßstab allen menschlichen Verhaltens. Vertretbar ist, was „ökonomisch“ ist. Jede private und gesellschaftliche Lebensäußerung ist dem Grundsatz des Tausches und der individuellen Zweckrationalität unterworfen.


      Das Primat des Unbewußten:
      Die Marktgesellschaft als Ergebnis kultureller Evolution

      Die Möglichkeit spontaner (im Gegensatz zu bewußt planerischer) Kooperation wird von der vertragstheoretischen Variante neoliberaler Theoriebildung vorausgesetzt.

      Die allgemeine Akzeptanz privater Vertrags- und Eigentumsrechte wird angenommen. Woher aber stammen diese Rechte und was begründet ihre allgemeine Akzeptanz? Eine beliebte Methapher verdeutlicht das Problem. Das Marktprinzip im Sinne des Neoliberalismus – der Markt also als ein Wissens- und Entdeckungsprozess – wird häufig beschrieben als ein „Spiel“ – zum Teil „Geschicklichkeitsspiel, zum Teil Glücksspiel“.

      Der Spielausgang ist unbekannt und muss dies sein, weil sonst jeder Sinn des Spiels ebenso verloren geht wie die Motivation der Spieler. Im begrenztem Maß kann der Spielausgang von den allmählich erlernten Strategien erfahrener und geschickter Spieler beeinflußt werden.
      Letztendlich jedoch lebt das Spiel von Spontanität und Zufall, nicht von der sicheren Kenntnis des Ausgangs.

      Anders ausgedrückt, wo die wesentliche Funktion des Marktes darin besteht, Wissen zu entdecken und dieses in Form von Preisen und persönlichen Erfolgen – oder Bereicherungserfahrungen, die zur Nachahmung anregen – zu verbreitern, gibt es keine systematische Erfolgsstrategie, einfach deshalb, weil es keine umfassende individuelle Verfügung über alles erforderliche Wissen gibt: Jeder professionelle Roulettespieler weiß letztendlich, dass dauerhafter Erfolg eine Frage von Glück oder aber von Betrug ist. Genau jener Betrug wird aber von der vertragstheoretischen Variante der neoliberalen Legitimation des Marktprinzips per definitionem ausgeschlossen: Jedes Spiel hat seine Regeln!

      Mehr noch: es sind Regeln, die das Spiel definieren, und alle halten sich an die Spielregeln. Das unterscheidet spontane gesellschaftliche Ordnung und Kooperation von Anarchie und Korruption. Die offensichtliche Frage ist jedoch, woher denn die Spielregeln des Marktes und die Tugend der Marktteilnehmer, die die Spielregeln respektieren, eigentlich stammen. Eine mögliche Antwort ist, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen aus historischen Gründen über ausreichende Macht verfügen, um die Einhaltung von Regeln, die sich zu ihren Gunsten auswirken, durchzusetzen.

      Spieler, die sich nicht an diese Regeln halten, können des Hauses verwiesen werden, weil die Ordnungsmächte – Polizei und Administration – des Territoriums, in dem das Kasino betrieben wird, der Überwachung dieser Regeln verpflichtet sind.

      Charles III von Monaco gründete beispielsweise das Kasino von Monte Carlo auf Anraten von Louis Blanc (dem Eigentümer des Kasinos von Baden-Baden), um seinen Hof und das Fürstentum von Monaco zu finanzieren.

      Eine andere Antwort besteht darin, dass unmittelbare Macht und Partialinteressen nichts mit der Herausbildung und Akzeptanz von Spielregeln zu tun haben. Stattdessen bilden sich die Spielregeln in einem allmählichen Prozeß kultureller Evolution heraus.

      Mit anderen Worten, der Selektionsmechanismus des Marktes siebt nicht nur überlegene individuelle Verhaltensweisen in einer gegebenen Gesellschaft aus, sondern im Verlauf eines allmählichen Prozesses kultureller Evolution erweisen sich ganze Gesellschaftsordnungen oder Spielregeln als überlegen. Aus der Sicht des Neoliberalismus besteht der Vorteil dieser Argumentation darin, dass weder identifizierbare partikuläre Machtinteressen noch kollektive planerische Vernunft etwas mit der Formulierung und Einhaltung grundlegender Verhaltens- und Spielregeln zu tun haben. Vielmehr sind diese das Ergebnis unbewußter – evolutionärer – Entwicklung und Selektion.

      Damit ist die vom Neoliberalismus angestrebte Entpolitisierung des gesellschaftlichen Lebens vollständig: Die geforderte Universalität des Marktprinzips - die Eroberung der Politik durch den Markt – wird verbunden mit der Unantastbarkeit der zugrundeliegenden Spiel- und Verhaltensregeln. Diese Regeln – im Falle der Marktwirtschaft Privateigentum, Vertragsfreiheit, formale Gleichheit vor dem Recht, Ehrlichkeit und Sparsamkeit – sind selbst das Resultat evolutionärer, wettbewerbsgelenkter Selektion. Kooperation oder gesellschaftliche Ordnung auf der Grundlage dieser Regeln ist daher nicht herleitbar aus zielgerichteten, bewussten kollektiven Entscheidungsprozessen, sondern sie hat ihren Ursprung in der Sphäre des Unbewussten, des dem direkten Zugriff durch Politik entzogenen kulturellen Evolutionsprozesses. Damit aber kann der für die Wirksamkeit des Marktprinzips erforderliche Ordnungsrahmen nicht von der Politik in Frage gestellt werden: Was ist, ist gut, weil es ist, sonst wäre es nicht entstanden. Anders ausgedrückt: Kapitalismus oder die Marktwirtschaft hat sich dieser Sichtweise zufolge nicht herausgebildet, damit sie Wohlstand mehren, sondern sie sind das Ergebnis von Evolution, weil sie Wohlstand mit sich brachten. Kapitalismus ist zu bemessen nicht an der Erfüllung seines eigenen historischen Glücksversprechens, sondern bestenfalls als Ergebnis eines der individuellen und kollektiven Entscheidungslogik externen, unbeeinflussbaren gesellschaftlichen Prozesses. Das bedeutet, daß es keine gegenwärtige Alternative zu Liberalismus und Markt geben kann.


      Zwischen Markt und Evolution: Wettbewerb als Entdeckungsprozess

      Wettbewerb ist einerseits das dynamische Bewegungsmoment marktlicher Organisation. Freier Austausch zwischen zweckrationellen Individuen auf der Grundlage des allgemeinen Respekts von privatem Vertragsrecht produziert Ergebnisse, weil jeder etwas zu verlieren hat. Ohne den Kampf ums Überleben wird das zweckrationale Individuum zum Trittbrettfahrer. Anders ausgedrückt, wo es keine Motivation außer dem ökonomischen Kosten-Nutzen-Kalkül gibt, ist der einzige Ansatz zu handeln der, das eigene Überleben und die eigene Überlegenheit sicherzustellen. Wenn andere dieses Überleben sicherstellen ( wie z.B. im Wohlfahrtsstaat), ist es zweckrational, weiter nichts zu tun (d.h. „auf der faulen Haut liegen“). Wo die Rechtfertigung des Marktprinzips nicht mehr länger auf substanziellen Erfolgskriterien beruht, sondern auf der behaupteten Fähigkeit des Marktes, vereinzelte Informationen zusammenzuführen, wird Wettbewerb von einem Mechanismus der individuellen und gesellschaftlichen Bereicherung zu einem Entdeckungsprozess.

      Wettbewerb ist ebenfalls ein wesentliches Bewegungsmoment evolutionärer Entwicklung. Genauer, unter den drei Grundprinzipien evolutionärer Entwicklung – Variation, Selektion und Transmission – ist Wettbewerb der wesentliche Mechanismus der Selektion. Ob in der natürlichen Umwelt oder am Markt – bestimmte Arten und Verhaltensweisen überleben oder dominieren, weil sie sich im Wettbewerb mit anderen um vorhandene Ressourcen als überlegen erwiesen haben. Im Zusammenhang kultureller – im Gegensatz zu biologischer – Evolution ist Transmission (Übertragung) eine Angelegenheit von Lernen: Information wird übertragen durch Lernen, nicht durch Vererbung von Genmaterial. Es ist daher leicht ersichtlich, dass sich der Gedanke des Wettbewerbs als Entdeckungs- und Lernprozess nicht nur als Bewegungsmoment marktliicher Organisation, sondern auch als die treibende Kraft gesellschaftlicher und kultureller Entwicklung oder Evolution verstehen läßt. In anderen Worten, Wettbewerb sorgt nicht nur für die Selektion überlegener Verhaltensweisen am Markt zu einem gegebenen Zeitpunkt; er stellt ebenfalls sicher, dass sich im Verlauf der Zeit überlegene Gesellschaftsformen herausbilden.

      Über Kritik würde ich mich freuen.

      :)


      Hier noch die bibliographischen Angaben des besten Buches
      über die Wirklichkeit der Manager:

      Stephan Riße: Manager außer Kontrolle, Frankfurt 2003

      Ich selbst habe aber auch einige Kritik an dem Buch. Kann euch später mal erklären.
      Avatar
      schrieb am 12.11.05 08:52:18
      Beitrag Nr. 2 ()
      "...Vertretbar ist, was „ökonomisch“ ist. Jede private und gesellschaftliche Lebensäußerung ist dem Grundsatz des Tausches und der individuellen Zweckrationalität unterworfen."


      :cry:
      ach du scheiße
      Avatar
      schrieb am 12.11.05 08:56:15
      Beitrag Nr. 3 ()
      [posting]18.762.590 von kosto1929 am 12.11.05 00:12:09[/posting]Was immer der Autor (Du?) mit "Neoliberalismus" meint, ich erkenne in der Darstellung einige grundlegende Theorien von Hayeks wiedergegeben und wollte mal, deiner Aufforderung folgend meinen Senf dazu geben.

      In #1 wird von "spontaner Kooperation" gesprochen. Hayek nannte dies "spontane Ordnung", gemeint dürfte dasselbe sein.

      der Markt also als ein Wissens- und Entdeckungsprozess
      Das ist auch eine zentrale Position Hayeks gewesen, der vom "Markt als Entdeckungsverfahren" sprach.

      Der Spielausgang ist unbekannt und muss dies sein, weil sonst jeder Sinn des Spiels ebenso verloren geht wie die Motivation der Spieler. Im begrenzte[n] Maß kann der Spielausgang von den allmählich erlernten Strategien erfahrener und geschickter Spieler beeinflusst werden.
      Letztendlich jedoch lebt das Spiel von Spontanität und Zufall, nicht von der sicheren Kenntnis des Ausgangs.

      Mehr noch: es sind Regeln, die das Spiel definieren, und alle halten sich an die Spielregeln. Das unterscheidet spontane gesellschaftliche Ordnung und Kooperation von Anarchie und Korruption.

      Hier ist auch viel Hayek drin. Sehr wichtiger Passus. Das „Spiel“ mit offenem Ausgang.



      Genau jener Betrug wird aber von der vertragstheoretischen Variante der neoliberalen Legitimation des Marktprinzips per definitionem ausgeschlossen: Jedes Spiel hat seine Regeln!

      Hier ist noch anzumerken, dass von Hayek, sehr wohl in dem vorgenannten den Staat als Wächter der Spielregeln sah. Die Spielregeln können, so Hayek, aber auch ohne Staat gebildet und überwacht werden, in dem sich im Sinne spontaner Ordnung und Evolution private Organisationen bilden, die die Regeln ganz ohne Staat überwachen, was ja in der Praxis sehr häufig der Fall bzw. war. Bevor der Staat nationale Gesetze erließ, gab es oft schon im Markt Regelungs- und Sanktionsmechanismen.
      Die "Börse" z.B. und deren Mechanismen ist auch nicht vom Staat gegründet oder gar erfunden worden, sondern vom "Markt" über Handelskammern selbst und sie funktionierte schon, lange bevor es die ersten staatlichen Börsengesetze gab.
      Ergänzen sollte man noch: Hayek sah ja auch die Gesetze vom Markt evolutorisch entwickelt an meist erst zuletzt vom Staat in Normen gegossen werden und wies deshalb darauf hin, dass Gesetze „marktkonform“ sein müssten. Gesetze die dem Markt zuwider laufen haben den Nachteil, dass sie langfristig nicht funktionieren und immer neue Gesetze geschaffen werden müssen, um die wieder neuen Schlupflöcher und Schattenwirtschaftsmechanismen einzudämmen. Das dadurch entstehenden Gesetzes- Tohuwabohu kann man sehr schön am deutschen Sozialsystem erkennen, das trotz immensem aufgeblähten Kontrollapparaten bis hin zum Gläsernen Konto und gläsernen ALG II-Antragssteller zu Betrügereien geradezu einlädt und die Schattenwirtschaft als Boomfaktor erblühen lässt.


      Allgemeine Wohlfahrt besteht nicht länger im „Wohlstand der Nationen“, und nicht einmal mehr in der optimalen Anordnung vorhandener Ressourcen, sondern in der bestmöglichen Selektion und Vergesellschaftung von Einzelwissen.

      Das Marktprinzip ist anderen gesellschaftlichen Organisationsprinzipien überlegen, nicht weil es wirtschaftliche Entwicklung beschleunigt und damit neue gesellschaftliche Möglichkeitsräume eröffnet, auch nicht, weil es vorhandene Ressourcen optimal auf die Produktionsfaktoren verteilt und so das Produktionsergebnis maximiert, sondern weil es den freien Austausch von Wissensfragmenten befördert, die auf individuelle Entscheidungsträger verstreut sind, und die so der Nutzung durch die Gesellschaft als Ganzes zugänglich macht.
      Sehr wichtige Aussage.

      Die nachfolgende Kritik, wonach die durch den Markt entwickelte allgemeine Wohlfahrt keine materielle Substanz mehr habe, ist allerdings unbegründet, da durch das optimale Ausnutzen des Wissens in einer spontanen Ordnung selbstverständlich auch materielle Wohlfahrt am besten erzeugt wird. Das eine schließt das eine andere nicht aus, sondern bedingt sich.
      Die bessere Ausnutzung des individuellen Wissens führt über den freien Wettbewerb und das freie Tauschprinzip zu einer besseren Allokation als über eine gesetzte Ordnung bzw. einen Zentralverwaltungswirtschaftlich geregelten Güteraustausch und Produktionsprozess.
      Langfristig erzeugt eine spontane freie Ordnung (Marktprinzip) auch ein viel größeres Potential an technologischen und sonstigem (gesellschaftlichen) Fortschritt, was ebenfalls (im historischen Vergleich der Systeme ja erkennbar) zu einem höheren materiellen Wohlstand führt.
      Selbst die ja nur zu 50% marktwirtschaftlich geregelte BRD war über den Lauf der Jahrzehnte der zentralverwaltungswirtschaftlich geregelten DDR wirtschaftlich und am materiellen Wohlstand gemessen, haushoch überlegen.
      Und am Zusammenbruch des Ostblocks konnte man auch sehen, dass allgemein politisch der "Markt" und die daraus resultierenden, weil bedingenden persönlichen Freiheiten einem zentralverwaltungswirtschaftlichen kollektivistischen System weit überlegen ist, was Hayek schon längst vorhergesagt und gelehrt hatte.

      ;
      Avatar
      schrieb am 12.11.05 11:22:34
      Beitrag Nr. 4 ()
      [posting]18.763.482 von Semikolon am 12.11.05 08:56:15[/posting]Folgendes wird hier völlig ausgeblendet.

      Das Gesetz vom Grenznutzen. Eine Sache entwickelt sich und erfüllt mit ihrer immer weitergehenden Entwicklung einen immer höheren Nutzen, bis der Grenznutzen erreicht ist, geht die Entwicklung nun weiter, wird der Nutzeffekt geringer, soweit, bis die entwicklung schädlich wird.

      So auch beim Markt.

      Irgendwann wird die reine Mrktwirtschaft schädlich, weil sie auf Dauer die soziale Ordnung und die Umwelt zerstört. Neoliberalismus heißt, den Markt mit allen Mitteln auch durchzusetzen, wenn der Grenznutzen längst errreicht ist, also auch auf das Risiko der Selbstzerstörung hin.

      Das ist natürlich aus ökonomischer und ethischer Sicht abzulehnen.
      Avatar
      schrieb am 12.11.05 11:28:50
      Beitrag Nr. 5 ()
      [posting]18.764.412 von Frank67 am 12.11.05 11:22:34[/posting]@

      Neoliberalismus und `reine Marktwirtschaft`, von der du redest (was immer du auch meinst) sind möglicherweise zwei verscheidenen Sachen. Nach deiner Argumenation ist das jedenfalls anzunehmen. Diese Vermutung liegt auch deshalb nahe, weil nahezu alle Sozialisten und sonstige Gegner freier Märkte nicht wissen, was Neoliberalismus wirklich ist.

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      Avatar
      schrieb am 12.11.05 11:51:05
      Beitrag Nr. 6 ()
      [posting]18.764.412 von Frank67 am 12.11.05 11:22:34[/posting]Das "Gesetz" vom sinkenden Grenznutzen ist kein Widerspruch zur Marktwirtschaft.

      Eine Sache entwickelt sich und erfüllt mit ihrer immer weitergehenden Entwicklung einen immer höheren Nutzen, bis der Grenznutzen erreicht ist, geht die Entwicklung nun weiter, wird der Nutzeffekt geringer, soweit, bis die entwicklung schädlich wird.

      Erkläre mir mal das genauer. Was meinst du z. B. mit dem Satz "bis der Grenznutzen erreicht ist"?
      Deine Bemerkung erinnert mich eher an einen typischen Produktlebenszyklus, wie er in der betriebswirtschaftslehre bei Konsumgütern modellhaft gelehrt wird. Woraus man damit einen Kritikpunkt zur Untauglichkeit einer Marktwirtschaft, also dem freien Spiel der konkurrierenden Unternehmer und Konsumenten ableiten kann, ist mir schleierhaft.

      Das Gesetz vom sinkenden Grenznutzen sagt aus, dass es irgendwann einen Punkt gibt, wo höherer Input immer geringeren Outputzuwachs bringt.

      Gerade in einer Marktwirtschaft und dem freien Spiel der konkurrierenden Kräfte wird am eheseten ein Optimum erreicht, weil jeder Unternehmer nur soweit den Input erhöht, wie er maximale Outputzuwächse erhält, für die er zu marktbedingungen noch Abnehmer findet.

      Auch ist erwiesen, dass marktwirtschaftliche Systeme viel besser mit Recourcen umgehen und viel weniger die Umwelt zerstören als zentralverwalungswirtschaftliche Systeme, wie z.B. die DDR eines war.

      Ich hatte das leibhaftige "Glück" dies an der Entwicklung der Stadt Leipzig, mit ihrer bis 1990 stark verpesteten rus- und schwefelhaltigen Luft und dem Vergleich zu heutigen Luft-Situation über einen längeren Vergelichszeitraum am eigenen Leib überprüpfen zu können.

      ;
      Avatar
      schrieb am 12.11.05 14:39:05
      Beitrag Nr. 7 ()
      Versuchen wir es doch mal mit einer neutralen Quelle (Wikipedia) statt mit einer bloßen Interpretation eines Autors des Begriffes "Neoliberalismus":


      Neoliberalismus

      Als Neoliberalismus bezeichnet man zusammenfassend ein sozialphilosophisches und wirtschaftspolitisches Konzept, das auf dem klassischen Liberalismus und der neoklassischen Theorie basiert und den Einfluss des Staates auf das Wirtschaftsgeschehen minimieren will, im Unterschied zum Laissez-faire des klassischen Liberalismus allerdings ein regulierendes Eingreifen des Staates zur Sicherstellung funktionierender Märkte als notwendig ansieht.

      Begriff

      Der Begriff Neoliberalismus ist ursprünglich eine Selbstbezeichnung, wird aber heutzutage nahezu ausschließlich von dessen Kritikern verwendet. Die Befürworter sprechen in der Regel von liberaler Wirtschaftspolitik.
      Als „Urvater“ neoliberaler Ideen kann Friedrich Hayek bezeichnet werden, aber den Neoliberalismus als die eine Schule gibt es nicht. Man kann vielmehr von einem vielfältigen, institutionalisierten Netzwerk sprechen, in dem verschiedene, differenzierte, auch sich widersprechende Meinungen nebeneinander existieren. Das Ergebnis eines solchen (sozusagen) marktorientierten Prozesses ist unvorhersehbar und offen, Karl Popper spricht hier (nach Meinung von Kritikern euphemistisch) von einer offenen Gesellschaft. Hayek entwickelte bis zu seinem Tode den Neoliberalismus zu einer dynamischen Theorie sozialer Institutionen weiter.



      Konzepte

      Der Begriff Neoliberalismus wurde von den Ökonomen Friedrich Hayek, Wilhelm Röpke, Walter Eucken und anderen auf einer Konferenz in Paris im Jahre 1938 im Zuge der Entwicklung eines Konzepts für eine langfristige Wirtschaftspolitik geprägt, welche sich als Mittelweg zwischen reinem Kapitalismus und Sozialismus verstand. Demnach sind Eingriffe in die Wirtschaft nur dann gerechtfertigt und notwendig, wenn sie beispielsweise Marktverzerrungen durch Monopole oder Kartelle verhindern.


      Ordoliberalismus

      Als Ordoliberalismus bezeichnet man die deutsche Variante des Neoliberalismus. Als Grund für die Notwendigkeit einer Rahmenordnung sieht der Ordoliberalismus die Tendenz ungeregelter Märkte, den eigenen Wettbewerbsmechanismus aufzulösen. Anbieter schließen sich zusammen, bilden Kartelle und Preisabsprachen, streben nach Monopolen und können so den Markt diktieren (Vermachtung des Marktes). Schädigungswettbewerb kann das Übergewicht gegenüber Leistungswettbewerb erlangen. Die Aufgabe des Staates sei es folglich, einen Ordnungsrahmen zu entwickeln, der faktisch vor allem aus Kartell- und Wettbewerbsgesetzen besteht, Markttransparenz und freien Marktzugang fördert sowie für Preisniveaustabilität sorgen soll. Der Sozialgedanke und das Leistungsprinzip, der Ordnungsauftrag und der Dezentralismus sollen miteinander ausgesöhnt werden. Wichtiges Ziel des Ordoliberalismus ist dabei eine De-Monopolisierung. Marktversagen ist im ordoliberalen Denkansatz überall dort möglich, wo versäumt wurde, rechtzeitig die richtige Ordo zu errichten — etwa bei einer fehlenden Entgelt-Festsetzung für die verbrauchende Nutzung von Gemeingütern wie der Umwelt oder bei unzureichenden Maßnahmen gegen die Kartellbildung.


      Monetarismus

      Außerhalb des deutschen Sprachraums war die ordoliberale Variante des Neoliberalismus nie sehr bekannt, dort und mittlerweile auch hier werden mit Neoliberalismus vor allem die Ideen des Monetarismus der Chicagoer Schule mit ihrem bekanntesten Vertreter Milton Friedman verbunden. Der Monetarismus geht grundsätzlich von der Stabilität des privaten Sektors aus. Eine Begründung für das Vertrauen in den Markt und in die Privatwirtschaft finden wir bei Karl Brunner in The Monetarist Revolution, 1973: „Der private Sektor federt Ausschläge ab und formt sie in eine stabilisierende Bewegung um […] die Hauptinstabilitäten und Unsicherheiten des ökonomischen Prozesses [gehen] auf das Verhalten des staatlichen Sektors zurück. Die Unsicherheiten sind im besonderen den Steuer- und Ausgabenprogrammen zuzurechnen sowie den Maßnahmen eingreifender Instanzen. Die Instabilität ist vor allem der Geld-, Kredit- und Fiskalpolitik zuzuschreiben.“ Auch bei der Entstehung von Monopolen vertraut der Monetarismus, im Unterschied zum Ordoliberalismus, auf den freien Markt und geht davon aus, dass auf lange Sicht die Selbstregulierungsmechanismen des Marktes zu einem Marktgleichgewicht führen werden.


      Unterschied zum Libertarismus

      Zuweilen wird der Neoliberalismus fälschlicherweise mit dem Libertarismus gleichgesetzt. Hierbei handelt es sich um ein in Deutschland weithin unbekanntes Konzept, welches das Recht auf Eigentum verabsolutiert und Steuern und Sozialpolitik grundsätzlich ablehnt und damit im Gegensatz zum Neoliberalismus steht. Ziel des Neoliberalismus ist es, das Funktionieren der marktwirtschaftlichen Ordnung zu sichern, sprich die Wirtschaft effizient zu gestalten. Ein Wohlfahrtsstaat kann nach Meinung vieler Neoliberaler auf Dauer gar nicht, schwer oder nur auf einem niedrigen Niveau finanziert werden.


      Elemente neoliberaler Politik

      Normativer Individualismus: Quelle für wirtschaftspolitische Entscheidungen ist die individuelle Präferenz der Wirtschaftssubjekte. Aufgrund von Aggregationsproblemen individueller Präferenzen wird daher eine Kritik staatlicher Wirtschaftsprogramme geübt, wenn dieses aus allgemeinen Prinzipien abgeleitet wird (Ablehnung von Agendapolitik). Diese Prinzip ähnelt dem Prinzip der Volkssouveränität in der liberalen politischen Theorie.
      Privateigentum/Privatisierung: Nach neoliberaler Auffassung ist es nicht Aufgabe des Staates, unternehmerisch tätig zu werden. Gefordert wird deshalb die Privatisierung von Staatsbetrieben bzw. Aufgabe von Staatsbeteiligungen, insbesondere auch von staatlichen Monopolen im Bereich der Infrastruktur (Daseinsvorsorge) wie Telekommunikation, Verkehr, Energie oder Bildung. Die Weltbank hat als übergeordnete Strategie das sogenannte Private Sector Development, vergleiche auch Konzept der Public Private Partnership. Der Staat hat aber durch eine Wettbewerbspolitik für funktionsfähige Märkte zu sorgen und der Bildung von Monopolmärkten und Marktversagen vorzubeugen. Der Vorrang von Privateigentum und privatwirtschaftlichen Regelungsformen gegenüber staatlichem Einfluss wird mitunter aus einer bestimmten Sichtweise auf die ökonomische Theorie der Verfügungsrechte abgeleitet. Demnach steige der volkswirtschaftliche Wohlstand, je mehr Eigentum sich in privater Hand befindet. Bei sozialistischen Regelungsformen komme es hingegen zwangsläufig zur sogenannten Tragik der Allmende.
      Stabilitätspolitik: monetaristische Geldmengenpolitik soll stabile Preise durch eine stabile Währung (makroökonomische Stabilität) und durch einen ausgeglichenen Staatshaushalt garantieren. Aus einer restriktiven Geld-, Zins- und Haushaltspolitik folgt eine Straffung der Verwaltung, die Schaffung teilautonomer Einheiten und eine Auslagerung bestimmter öffentlicher Aufgaben im Sinne eines schlanken Managements.
      Markt als Steuerungsinstrument: Nach neoliberaler Überzeugung soll der Markt, also Angebot und Nachfrage, über Art, Preis und Menge der Sach- und Dienstleistungen entscheiden, da so eine optimale Allokation der Ressourcen stattfinde.
      Wettbewerb: Der Staat hat für funktionierende Märkte zu sorgen und im Falle deutlich unvollkommener Märkte regulierend einzugreifen, etwa durch Steuern auf externe Effekte und durch Kartellgesetzgebung. Im Unterschied zur Neoklassik wird der Wettbewerb auch auf die Institutionen ausgeweitet, mit der Meinung, dass die „fittest“ auf dem Markt überleben, deren Bedeutung wird anerkannt („neuer Institutionalismus“).
      Deregulierung: Neoliberale fordern eine Deregulierung und Liberalisierung der Wirtschaft im Sinne einer Reduzierung der Gesetze und Verordnungen, soweit sie als übertrieben bürokratisch und nicht wirklich notwendig angesehen werden, weil dadurch einzelwirtschaftliche Handlungen verhindert würden.
      Welthandel: Neoliberale befürworten die Globalisierung im Sinne einer Förderung des Freihandels zwischen den Staaten, sei es durch globale Organisationen wie der WTO mit ihren Vereinbarungen wie GATT, GATS, TBT, SPS, TRIPS, oder sei es durch Freihandelszonen und vermehrte Sonderwirtschaftszonen oder der Abschaffung der Grenzen der Nationalstaaten. Der freie Handel trägt nach Einschätzung des Neoliberalismus zur Förderung von weltweitem Wohlstand bei. Die Einschränkung des Handels mittels tarifärer (Schutzzölle) und nicht-tarifärer Handelshemmnisse und eine Förderung bestimmter Wirtschaftszweige durch den Staat (Subventionen) hingegen führt nach neoliberaler Vorstellung zu Ungleichverteilung und Armut auf der Welt. So haben es zum Beispiel Entwicklungsländer schwer, gegenüber der hochsubventionierten europäischen Agrarwirtschaft konkurrenzfähig zu bleiben. Neoliberale werfen den Industriestaaten vor, nur von den Entwicklungsländern Handelsfreiheit zu fordern, diese jedoch nicht im eigenen Land einführen zu wollen.
      Steuerpolitik: Gefordert werden in der Regel niedrige Steuersätze, etwa in Form eines Proportionaltarifs oder Stufentarifs, und ein einfaches Steuersystem anstelle eines Systems vielfältiger Einzelbestimmungen. Indirekte Steuern werden gegenüber direkten Steuern vorgezogen. Steuern auf die Substanz und Vermögen werden als Doppelbesteuerung ebenso abgelehnt wie Bagatellsteuern, bei denen die Einnahmen oft kaum höher sind als der Aufwand zu ihrer Erhebung. Insgesamt wird die Senkung von Unternehmenssteuern befürwortet, zumal damit oft sogar eine Erhöhung der staatlichen Steuereinnahmen einher ginge.
      Sozialsystem: Auch im Bereich der Sozialsysteme befürworten Neoliberale privatwirtschaftlich organisierte Lösungen anstelle der als bürokratisch angesehenen staatlichen Systeme. Damit soll eine effizientere Verwaltung der Mittel des Bürgers erreicht werden. Das Umlageverfahren wird kritisiert, da es auf keiner soliden Basis stehe. Statt dessen wird private Vorsorge im Rahmen des Kapitaldeckungsverfahrens befürwortet. Das bedeutet, dass die sozialen Sicherungssysteme umgebaut werden: Der Umverteilungsstaat wird abgebaut, marktwirtschaftliche Systeme werden aufgebaut. Staatliche Leistungen würden sich dann wirksam auf die wirklich Bedürftigen konzentrieren, also diejenigen, die nicht in der Lage sind, für ihren eigenen Lebensunterhalt aufzukommen. Milton Friedman hat eine negative Einkommensteuer vorgeschlagen. Danach würde das Finanzamt jedem Steuerpflichtigen, dessen Einkommen unter einem festzulegenden Minimum liegt, die Differenz ohne weitere Prüfungen überweisen. Link
      Vermachtung: Der Neoliberalismus kritisiert Machtkonzentration in Wirtschaft (Kartellbildung) und Staat und wendet sich gegen gruppenegoistische („rent-seeking“) Machtentfaltung von Gewerkschaften, Umweltverbänden und Arbeitgeberverbänden.
      Tarifrecht: Das Tarifrecht soll zu Gunsten betrieblicher Vereinbarungen mit Öffnungsklauseln gelockert werden. Teilweise wird die Aufhebung von Flächentarifverträgen gefordert.
      Arbeitsrecht: Das Arbeitsrecht soll entbürokratisiert werden und als unnötig empfundene Schutzrechte, die freie Marktmechanismen hemmen, abgebaut werden. Im Zentrum der Kritik der Neoliberalen stehen dabei besonders der Kündigungsschutz, aber auch das allgemeine Lohnniveau, die Höhe von Ausbildungsvergütungen, das Arbeitszeitgesetz, sowie die betriebliche Mitbestimmung.
      Konjunkturpolitik: Es wird gefordert, dass auch in rezessiven Phasen der Wirtschaft keine antizyklischen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen seitens der Politik stattfinden sollen. Konjunkturprogramme seien Strohfeuer, die langfristig mehr schaden als nutzen würden. Subventionen verzerren nach neoliberaler Auffassung den Wettbewerb, verhindern Innovation und Strukturwandel und sollen deshalb abgebaut werden. Stattdessen wird eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik verfolgt, bei der man versucht durch günstigere Produkte den Konsum anzuregen. Dies geschieht unter anderem durch die Senkung von Löhnen, Lohnnebenkosten und Unternehmenssteuern.



      Beispiele neoliberaler Politik

      Als das wohl bedeutendste Beispiel neoliberaler Politik gilt die Politik in der Bundesrepublik Deutschland unter Ludwig Erhard (1949-1963 Bundeswirtschaftsminister, 1963-1966 Bundeskanzler). Erhard und sein Staatssekretär Alfred Müller-Armack, der den Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ prägte, waren beide Wirtschaftswissenschaftler, Vertreter der Freiburger Schule und Mitglieder der Mont Pèlerin Society und hatten regelmäßigen Kontakt zu den führenden Vertretern des Neoliberalismus wie Eucken, Röpke, Böhm und Hayek. Auch der in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts geprägte Begriff „Sozial-ökologische Marktwirtschaft“ basiert wesentlich auf dem Neoliberalismus. So ist die Internalisierung negativer externer Effekte (z. B. bei Umweltschäden) eine Grundforderung des Neoliberalismus.
      Als Experimentierfeld für die neoliberale Wirtschaftspolitik moderner Prägung gilt Chile. Von Milton Friedman stammt der Begriff des „Wunders von Chile“. Er betonte den wirtschaftlichen Erfolg unter dem Diktator Pinochet. Ronald Reagan („Reaganomics“) und Margaret Thatcher („Thatcherismus“) waren die ersten bedeutenden Politiker, die die neuen neoliberalen Ansätze in den Industriestaaten umsetzten. Großbritannien erlebte nach Regierungszeit von Margeret Thatcher eine ökonomische Blüte.
      Als neoliberales Musterland gilt vielen Befürwortern Neuseeland. Das Land hat – eingeleitet durch eine Labour-Regierung, fortgeführt von den Konservativen – einen radikalen Wechsel von einer der am stärksten regulierten Volkswirtschaften zu einer sehr liberalen vollzogen. Subventionen wurden radikal gestrichen, die Sozialsysteme stark zurückgebaut. Staatsbetriebe wurden privatisiert, Agrarsubventionen abgebaut, Kapitalverkehrskontrollen abgeschafft, die Zentralbank erlangte Unabhängigkeit, und der Spitzensteuersatz wurde halbiert. Neuseeland zählt heute zu den am stärksten deregulierten und privatisierten Volkswirtschaften der Welt. Die Arbeitslosigkeit lag 2004 bei 3,6 Prozent und das Wachstum bei 4,4 Prozent und Neuseeland nahm damit in der OECD eine Spitzenposition ein.
      Als neoliberales Musterland gilt vielen Kritikern Argentinien. Dies ist jedoch umstritten, da Argentinien z. B. viele der im Washingtoner Konsensus formulierten Politikempfehlungen ignorierte und über Jahrzehnte eine exzessive Verschuldungspolitik verfolgte.
      Die neoliberalen europäischen Länder sind baltische Staaten Estland, Litauen (baltische Tiger). Als Grund für die dauerhafte Binnennachfrage und rasant wachsenden Export sehen die Analysten die neoliberale Politik und freien Wettbewerb im Baltikum. Die Arbeitslosenquote in Estland beträgt 7,9%, in Litauen liegt sie bei etwa 9%.
      In Österreich wandte sich die SPÖ/FPÖ Regierung 1985 mit einer Absage an den Keynesianismus einer restriktiven Budgetpolitik zu, 2003 setzte die ÖVP/FPÖ auf einen neoliberalen Kurs.
      Avatar
      schrieb am 12.11.05 14:48:01
      Beitrag Nr. 8 ()
      Tragik der Allmenden:

      Unter der Tragik der Allmende, Allmendeklemme oder Allmendeproblematik versteht man in der Volkswirtschaftslehre die Beobachtung, dass Menschen weniger leisten, wenn sie kollektiv tätig sind, der individuelle Ertrag jedoch nicht zurechenbar ist.

      Beispiel:

      Angenommen, eine größere Gruppe bewirtschaftet gemeinsam ein Feld. Alle Gruppenmitglieder haben durch ihre Arbeit einen Aufwand, ziehen jedoch auch einen Ertrag aus der Ernte, die sie in gleichen Teilen erwirtschaften. Die Tragik der Allmende besteht nun darin, dass bei genügend großer Gruppengröße die Faulheit eines einzelnen Mitglieds die Ernte pro Gruppenmitglied nur noch unwesentlich verringert, der Aufwand für das faule Gruppenmitglied aber stark abnimmt. Der Nutzen des faulen Gruppenmitglieds steigt.

      Es lohnt sich also in einer Allmende, faul zu sein. Es ist nun aber zu erwarten, dass jedes Gruppenmitglied sich faul verhält und der Gruppenertrag noch weitr sinken wird. Die Tragik der Allmende schaukelt sich also weiter hoch.
      Avatar
      schrieb am 12.11.05 15:10:49
      Beitrag Nr. 9 ()
      und wenn ein unternehmen die patente auf das genmanipulierte saatgut hält, können sich bald alle landarbeiter auf die faule haut legen, weil alle plötzlich mehr erträge haben und reicher werden. :laugh:
      Avatar
      schrieb am 14.11.05 10:50:29
      Beitrag Nr. 10 ()
      [posting]18.764.511 von Semikolon am 12.11.05 11:51:05[/posting]Semikolon, danke für Deine Kritik, Antwort kommt im Tagesverlauf

      Frank
      Avatar
      schrieb am 14.11.05 14:04:56
      Beitrag Nr. 11 ()
      [posting]18.779.061 von Frank67 am 14.11.05 10:50:29[/posting]Nun, mag sein, dass ích die Neo-Liberalismus - Definition nicht kenne und zu oberflächlich nur auf die freien Märkte abziele.

      Die Kritik, die angebracht wurde, dass sich das Gesetz über den Grenznutzen mit der freien Marktwirtschaft nicht
      widerspricht, teile ich. Habe es ja nicht behauptet.

      Weiter später...
      Avatar
      schrieb am 14.11.05 15:03:05
      Beitrag Nr. 12 ()
      [posting]18.782.373 von Frank67 am 14.11.05 14:04:56[/posting]Nun, mag sein, dass ích die Neo-Liberalismus - Definition nicht kenne und zu oberflächlich nur auf die freien Märkte abziele.

      Das ist kein Problem, frank. Ich kenne die Neoliberalismus-Definition, zumindest wie sie bei eingen rüber kommt und sich häufig auch widerspricht ja auch nicht.
      In #1 erkannte ich grundlegende Positionen von Hayeks wieder und da die sehr selten in Diskussionen über "Neoliberalismus" kommen, fand ich das gut und stellte meine Statements dazu ein.

      Dass du dann eine Kritik der (freien) Marktwirtschaft daraus machtest, fand ich aber auch gut.
      Weil eigentlich hast du damit recht, versteht man "Neoliberalismus" als Zuwendung zur freien oder zumindest freieren Marktwirtschaft im Gegensatz zur Zentralverwaltungswirtschaft oder anderen partiellen Eingriffen in das freie Spiel der Marktkräfte, die auch in unseren "westlichen" Demokratien (die manche sogar "Kapitalistisch" nennen)Gang und Gebe sind, dann wird daraus eine systemvergleichende Diskussion, die eine Grundlage hat und nicht über Begriffe ("Neoliberalismus") geführt wird, die im algemeinen nicht ausreichend und einheitlich definiert sind.

      ;


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