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    Menschen ohne Anstand: Haffa & Co. - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 02.12.00 01:52:06 von
    neuester Beitrag 17.12.00 11:21:33 von
    Beiträge: 17
    ID: 310.959
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      schrieb am 02.12.00 01:52:06
      Beitrag Nr. 1 ()
      @all

      Mein tiefstes Mitgefühl für alle die durch Lug und Betrug, der gerade am Neuen Markt, in dieser Zeit beinahe täglich, neue Blüten treibt, große Vermögensschäden erlitten haben.

      Wenige haben gewarnt - ich meine hier die Offiziellen !

      Analysten und Banken die kaltblütig auf Elfenbeinturmniveau eine Kaufempfehlung nach der anderen hinausjagten über den Äther der berichtsgeilen Medienlandschaft.Auch jene, die genüßlich jedes Grücht in die Öffentlichkeit zerren, egal in welcher dreckigen Ecke es ausgeheckt wurde um es den Anlegern von süffisant lächelnden Moderatoren mundgerecht präsentieren zu lassen.

      Hier herrscht der gleiche Typus menschlicher Smile-Roboter wie in anderen Nachrichtensendungen. Wichtig vor allem:
      Gut gestylt, der narzistische Blick in die Kamera, ich bin schön, ich bin toll, ich sehe gut aus, ich verdiene gut, also bin ich wer... und... auch die Ansage der grausamsten Nachricht quittiere ich mit einem zuckersüßen Lächeln, ich spüre nichts dabei, die Welt kann untergehen, ... hauptsache das Rouge ist nicht zu kraß, ja, dezent muß es sein, der Eyeliner mit perfektem Strich aufgetragen - das sind die wahren Werte.
      Tugend, Tugend, was soll das altmodische Gewäsch?
      Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, wir bitten Sie, seinen Sie nicht so mimosenhaft!

      Weicheier haben hier nichts verloren, das Geschäft zählt, das Ziel und nicht die Mittel! Sie haben uns gefällig reich zu machen und jetzt seien Sie mal nicht so mißgünstig!Dankbarkeit ? Sie Memme!

      Reichtum dem Reichtum gebührt, Untergang dem der verliert!

      Offenheit, Transparenz, Information, ja, ja, immer das gleiche unverschämte, maßlose Anspruchsdenken von Menschen die nur ihr Geld investieren wollen und sonst nichts!

      Sind wir wirklich schon umzingelt, eingezäunt und eingepfercht von diesen Denk- und Verhaltensmustern? Kann man nicht dieses Muster über jedes x-beliebige Thema legen, gibt es nicht gerade auch deshalb diese unfaßbare BSE-
      Katastrophe ?

      Big-Business das Zauberwort, in Wahrheit ein Abgrund !

      Habe heute Haffa den Älteren im Fernsehen gesehen, sah die Selbstgefälligkeit, dieses Von-sich-überzeugt-sein, das Herablassende, hinter steinerner Freundlichkeit versteckt er sein wahres Gesicht, ein Selfmademan ohne Skrupel, leider hat er wohl den Bezug zum Machbaren längst verloren, aber nicht die Chuzpe, seinen eigenen Arsch zu retten und ihn dabei noch äußerst komfortabel zu betten.

      Diese Haffa`s, Baeres und Andere sind Zyniker par xcellence. Aktionäre müssen eine niedere Spezies sein, so lange sie nicht den Beinamen "Groß" vorweisen können. Auf
      dem Niveau niederer Insekten, und warum bitteschön sollten sie mit Insekten kommunizieren? Und vor allem wie?

      Die einzig zumutbare Mitteilungsebene ist das Gerücht! Und dafür hat man seine Leute. Kleinaktionäre, Blutsauger -Furunkel am Arsch der wahren Luxus- und Reichtums-Rechte-Inhaber! Sie bestimmen die Dosierung kleinster mikroskopischer Wahrheitströpfchen in homöopathischen Dosierungen höchster Potenz. Codierte Botschaften die maximalen Dechiffrierungsaufwand benötigen und eher Rätsel sind an denen manch erprobter Deuter scheitert.

      Verständigung ist in Wahrheit Verschleierung. Information in Wahrheit Täuschung. Zahlen sind Traumgebilde. Realitäten sind Märchen. Die Antwort auf Vertrauen ist Niedertracht.


      Was haben wir in solchen Aktien noch verloren und in solchen Märkten. Der Neue Markt wurde gerade als er wieder aufstehen wollte heimtückisch gemeuchelt. Durch zwei ach so smarte Jungunternehmer.

      Aber auch in unseren Reihen warten die Aasgeier schon, um sich über die zerfledderten Aktienkadaver zu stürzen und sich an dem zu laben was andere, deren Träume und Hoffnungen zerbrachen, verbittert auf den Marktplatz
      warfen!

      Es ist ein gnadenloses Spiel, das gespielt wird! Es wird nur wenige bereichern: Aktien-Kultur, ein pathetisches Wort
      für diesen Sumpf der Dubiositäten.

      Quo vadis, homo erectus - Mensch wohin gehst Du ?

      Froh bin ich in dieser finsteren Stunde, kein EM.TV-Aktionär zu sein, ich bin haarscharf dran vorbei geschrammt!
      Trotzdem kenne ich das Gefühl genau, ich hab`s halt mit
      anderen Haffa`s schon erlebt.

      Diese ganzen Nadelstreifenrowdies sollten mal genau darüber nachdenken, was nachhaltiger Vertrauensverlust für ihre zukünftigen Geschäfte bedeuten könnte.

      Ja, ich meine Euch: Haffa`s, Baeres, usw., Analysten, Banker, Fondsmanager und nicht zu vergessen die Politiker!
      Besonders Letztere wegen jahrelanger BSE-Verharmlosungsformel-Beterei!

      Ihr Roßtäuscher, Euch möchte ich einmal tief und fest in Eure Augen schauen. Ihr würdet meinen Blick nicht aushalten, das verspreche ich Euch!


      Tradie


      P.S.
      ich glaube, wenn irgendeine von diesen Schweinebacken mir jetzt zu nahe käme, ich würde Ausschlag kriegen!


      Sorry to @all, das muß jetzt alles mal raus !
      Sonst droht Erstickungsgefahr !
      Avatar
      schrieb am 02.12.00 17:02:11
      Beitrag Nr. 2 ()
      Das Treffendste, was ich bisher zu EM-TV gelesen habe.

      Grüße, fs
      Avatar
      schrieb am 02.12.00 17:13:49
      Beitrag Nr. 3 ()
      @fsch,

      schließe mich voll an!

      @Tradie,

      schön das du auch Herr Baeres von ITN nicht vergessen hast!


      MfG Albatossa
      Avatar
      schrieb am 02.12.00 17:26:27
      Beitrag Nr. 4 ()
      Was mancher Heute als selbstgefälligkeit sieht, war gestern noch die dynamische Ausstrahlung eines Shootingsstars. Wie sich die Zeiten ändern und die Menschen wandeln...

      KnusperWaffel
      Avatar
      schrieb am 02.12.00 17:27:25
      Beitrag Nr. 5 ()
      @Tradie

      Ich kann Dir nur beipflichten, denn ich fühle genau so und bin leider auch noch in EM.TV investiert.

      Schade, dass nicht mehr Boardteilnehmer Deine Worte zur Kenntnis nehmen und Dir durch eine kleine Antwort zeigen, dass Sie ebenso denken! Oder gibt es nur noch kleine Haffas?

      Gruß
      Leo

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      Avatar
      schrieb am 02.12.00 17:35:46
      Beitrag Nr. 6 ()
      Vom Himmel hoch ..."
      Absturz eines Superstars: Kein Unternehmer ist in Deutschland jemals so schnell so steil aufgestiegen wie Thomas Haffa, der Gründer von EM.TV. Doch seine Karriere basierte auf Phantasie und trickreichen Geschäften. Haffa hat sich übernommen, seine Firma wird geschluckt.


      Der Mann war gewohnt, sich alle seine Träume erfüllen zu können - auch bei der Arbeit. Im Keller seines neuen Firmengebäudes im Münchner Vorort Unterföhring brutzelt ein Drei-Sterne-Koch persönlich für ihn, Essensdüfte künden den Mitarbeitern von den Lieblingsmenüs ihres Dienstherrn.

      Selbstverständlich kann der EM.TV-Chef Thomas Haffa, 48, von der Tiefgarage direkt mit dem Aufzug zur Vorstandsetage fahren, wo ein Sekretärinnenpool über den Zugang zu den großzügig dimensionierten Büros wacht.

      Dort sieht es aus wie in den "Trading Rooms" eines Investmenthauses: Computerterminals zeigen die aktuellen Börsenkurse an. Manche Besucher fühlen sich an den US-Film "Wall Street" erinnert, in dem ein Finanzhai namens Gordon Gekko in einem ähnlichen Ambiente über Firmen und Aktien gebietet.

      Der Blick des Firmenchefs aus dem Fenster fällt auf eine große Südterrasse, die mit Holzbohlen versehen ist - alles soll einem Schiffsdeck ähneln, dem liebsten Aufenthaltsort des passionierten Yacht-Fans Haffa. Und wenn er reden will, trifft der Vorstandschef einfach seinen Bruder und Stellvertreter Florian, 35, vom Büro nebenan.

      Dieses Idyll im Unterföhringer Gewerbegebiet werden die Haffa-Brüder freilich nicht mehr lange wie bisher genießen können: Ihre Zeit als selbständige Unternehmer läuft ab.


      © DER SPIEGEL

      Eiszeit bei EM.TV

      Der Neue Markt, der Haffas einzigartige Karriere in ungeahnte Höhen getrieben hatte, sorgte auch für den jähen Absturz des Shooting-Stars. Die Börse hatte die kleine Firma EM.TV (Umsatz 1999: 315 Millionen Mark) mit aberwitzigen Milliardenbeträgen bewertet, weil sie den Fähigkeiten Haffas vertraute, aus einer Klitsche ein Weltunternehmen im Disney-Format zu machen. Stattdessen steht EM.TV jetzt vor einer Übernahme - und die Haffas vor der Entmachtung.

      Vor neun Monaten schien der frühere BMW-Lehrling und Schreibmaschinen-verkäufer Thomas Haffa auf dem Gipfel seiner Karriere angekommen. Damals, im Februar, kostete eine EM.TV-Aktie knapp 116 Euro, und die ganze Firma mit ihren Film- und Sportrechten war mehr wert als die Lufthansa mit ihren vielen Jets - sagenhafte 27 Milliarden Mark.

      Vergangene Woche aber war der Aktienkurs bis auf 16 Euro gesackt, ein dramatischer Verfall von 85 Prozent gegenüber dem Höchststand. Statt 27 Milliarden war EM.TV auf einmal nur noch 5 Milliarden Mark wert. Das laufe ganz nach dem Motto "Vom Himmel hoch, da komm ich her", spottet Ex-RTL-Chef Helmut Thoma, lange Zeit einer der wenigen Haffa-Kritiker.

      Ganz plötzlich hat sich auch die wundersame Umsatz- und Gewinnvermehrung, die den Börsenkurs lange Zeit beflügelte, ins Gegenteil verkehrt. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen, einst bei 600 Millionen Mark veranschlagt, rutscht auf unter 50 Millionen. Auch der für das Jahr 2000 prognostizierte Überschuss von rund 350 Millionen Mark muss deutlich reduziert werden - nun wird daraus ein Verlust. Und statt der munter verkündeten 1,6 Milliarden Mark Umsatz kommen 14 Prozent weniger zusammen: 1,38 Milliarden.

      Noch im Oktober hatte Florian Haffa allen Investoren treuherzig versichert, es bleibe bei den ursprünglichen Planungen.



      © DER SPIEGEL

      Umverteilt: Der geplante EM.TV-Deal

      Binnen weniger Wochen hat sich so eine vielfach beschriebene Erfolgsgeschichte über die nahezu unendlichen Möglichkeiten der neuen Wirtschaftswelt in eine ganz andere Geschichte verwandelt: Die handelt von Größenwahn und Selbstüberschätzung. Und davon, dass auch in der New Economy am Ende die alten Werte zählen: Die Zahlen müssen stimmen.

      Die Geschichte des Thomas Haffa ist symptomatisch für den Aufstieg und den Absturz des Neuen Marktes. Der stets gut gebräunte und lachfrohe Selfmade-Mann Haffa war der Popstar dieser Risikobörse für Wachstumswerte, eine Art Galionsfigur der deutschen New Economy. Was immer der Jung-Milliardär auch anpackte, es schien ein rauschender Erfolg zu werden.

      Und er wusste den neuen Reichtum zu genießen: Eine Hochseeyacht, eine Riesenfinca auf Mallorca, ein Lear-Jet, ein Challenger-Flugzeug, eine neue Prachtvilla im Münchner Nobelviertel Bogenhausen gehören zu seinen Besitztümern.

      "Wo er geht und steht, umweht den Macher von EM.TV das Parfum `Eau de Erfolg`", dichtete die Illustrierte "Bunte". Auch die seriöse "Business Week" brachte ihn auf den Titel: "The Cartoon King". Wie im Rausch kaufte seine Medienfirma EM.TV eine Firma nach der anderen auf, zum Schluss etwa das Hollywood-Studio The Jim Henson Company ("The Muppets Show") sowie eine Beteiligung an der Formel 1. Doch die Shopping-Exzesse haben die Management-Künste der Gebrüder Haffa offenbar arg überfordert, wie sich jetzt herausstellt: Geschäftszahlen wurden falsch gemeldet, die Gewinne sind zweifelhaft, eine hohe Verschuldung lastet auf der Bilanz - und die Zinsen für Kredite drohen die Überschüsse aufzufressen.

      Ändert sich nichts, wäre EM.TV möglicherweise schon bald am Ende. "Bisher gab es keine Leistungsstörung", sagt ein Banker über die Finanzen der Haffas.


      © DER SPIEGEL

      Vom Abteilungsleiter zum Märchenprinzen und wieder zurück - die unternehmerische Kontrolle bei EM.TV ergreift nun ein Mann, der schon seit langem im Verborgenen hinter dem Erfolg der Bayern-Yuppies stand: der Münchner Film- und Medienkaufmann Leo Kirch, 74. Dessen Firmengruppe will - vermutlich bis auf einen kleinen Anteil - die EM.TV-Aktien der Haffa-Familie übernehmen. Damit ist Kirch künftig wahrscheinlich Herr im Haus; eine geplante Übernahme avisierte er bereits dem Bundeskartellamt. Als Ausgleich soll Thomas Haffa rund drei Prozent an der Holding KirchMedia erhalten, in der Fernsehsender (Sat.1, ProSieben), TV-Produktionen und Rechtehandel vereint sind. Diese Gesellschaft ist nach einer letzten Firmenbewertung offenbar rund 30 Milliarden Mark wert.

      Vom Übernahmekandidaten Haffa verlangt Kirch hingegen einen deutlichen Abschlag für dessen EM.TV-Paket, das an der Börse noch immer rund 2,5 Milliarden Mark wert ist. Kirch und seine Banken halten 1,2 Milliarden für einen fairen Wert, wie sie den deprimierten Haffa-Brüdern bei den Verhandlungen mitteilten. Die EM.TV-Strategen hatten fast acht Prozent an KirchMedia gefordert.

      Im Zuge der Neuordnung, die von Münchner Anwälten und den Investmenthäusern Lehman Brothers und Merrill Lynch organisiert wird, wird das Geschäft mit der Formel 1 aus EM.TV herausgelöst und als separate Einheit im Kirch-Konzern fortgeführt werden. Ziel sei es, "eine neue EM.TV ohne Schulden aufzubauen", sagt ein Kirch-Vertrauter. Kirchs Leute übernehmen die Kontrolle, ob Haffa dem Management angehören wird, ist ungewiss. Die jüngsten Rochaden scheinen all jene zu bestätigen, die EM.TV schon immer als Satelliten des Münchner Medienhändlers gesehen haben. Tatsache ist: Beide Firmen sind durch eine Reihe von Geschäften eng miteinander verbandelt. Das trug dazu bei, dass der Börsenkurs von EM.TV überhaupt erst jene Schwindel erregenden Höhen erreichen konnte, von denen er jetzt so jäh abstürzte. Abgekartetes Spiel?

      Der Verdacht, dass EM.TV eine "Ausgründung des Kirch-Konzerns zur Geldbeschaffung" sei, liege sehr nahe, sagt der Unternehmensberater und frühere Grimme-Instituts-Chef Lutz Hachmeister. Immerhin hat Kirch auch in der Vergangenheit Geschäfte über Dritte betrieben. Doch Beweise für diese These gibt es nicht, die Beteiligten dementieren.

      Schon in den Achtzigern hatte der ehrgeizige Haffa, als Geschäftsführer bei Kirch für die Vermarktung populärer TV-Figuren wie Biene Maja zuständig, von einer Partnerschaft mit dem Chef geträumt. "Leo, ich brauch Equity", sagte er damals, Leo, ich brauch Kapital.

      Doch 1989 machte sich der Manager zunächst allein selbständig, mit eher mäßigem Erfolg. Größter Hit war noch die Vermarktung des singenden Drachen "Tabaluga" von Peter Maffay. Allmählich geriet die Firma in Schieflage. 1996 machte EM.TV bei einem Umsatz von 16,7 Millionen Mark immerhin 1,4 Millionen Verlust. Interessenten wie Bertelsmann bot Haffa 50 Prozent der Anteile für rund 20 Millionen Mark an - vergeblich.

      Doch dann startete im März 1997 der Neue Markt, der bedrängte Firmenchef durfte Mut schöpfen. Ausgestattet mit einem Kredit der Sparkasse in Pfaffenhofen, dem langjährigen Wohnort der Familie Haffa, ging EM.TV im Oktober 1997 unter Führung der WestLB an die Börse. Das brachte rund 20 Millionen Mark.

      Der Anfang war gemacht. Doch der eigentliche Aufstieg begann erst, als Haffa und Kirch zum beiderseitigen Wohle zusammenarbeiteten. Es begann die Zeit der wundersamen Geldvermehrung.

      Auf einmal half Kirch seinem Ziehsohn im Kampf um attraktive Senderechte. So bekam EM.TV im Oktober 1998 die TV-Rechte für Faustkämpfe des Boxers Mike Tyson - anschließend durfte Haffa sie mit Gewinn an Kirchs Pay-TV verkaufen.

      Wenige Wochen später der nächste Coup: EM.TV kaufte der chronisch finanzschwachen Kirch-Gruppe, die zu diesem Zeitpunkt Geld brauchte, für 500 Millionen Mark die Hälfte von deren üppigen Bestand an Kinder- und Jugendfilmen ab. Dieses Archiv, von "Heidi" bis "Familie Feuerstein", ist in den Büchern von Kirch großteils seit langem auf null abgeschrieben.

      Gemeinsam starteten die Partner nun unter dem Namen "Junior.TV" eine Art Vertriebsgemeinschaft mit inzwischen rund 31 000 Halbstunden-Episoden, darunter etwa die Kultserie "Die Simpsons". Kirch räumte seinem Kompagnon dabei alle Gewinne aus dem Joint Venture ein, "bis EM.TV 500 Millionen Mark zuzüglich der aufgewendeten Fremdkapitalzinsen" erlöst hat, heißt es in einem Börsenzulassungsprospekt.

      Haffa ergriff die Chance. "Zeichentrick altert nie", redete er die Ware schön. Schon sah er in "Junior" eine Weltmarke und sich selbst als Herausforderer des Disney-Konzerns. Die EM.TV-Story war geboren, eine Geschichte wie im Märchen - Anleger und Analysten hielten sie für Realität.

      Merkwürdig nur: Der beste Kunde des neuen Medienkonzerns war auch gleichzeitig der beste Lieferant. Schon sechs Monate nach dem Ankauf von "Junior" verkaufte EM.TV viele attraktive Rechte aus dem Kinderpaket an Kirchs Sender Sat.1.

      Die Berliner zahlen den stolzen Kaufpreis von rund 200 Millionen Mark über die Laufzeit von fünf Jahren. Haffa jedoch verrechnete sofort den Großteil des Umsatzes in seiner Bilanz. Damit konnte er eindrucksvolle Wachstumsraten ausweisen. Schon damals keimte bei Kritikern der Verdacht, die EM.TV-Manager pflegten einen besonders kreativen Umgang mit Zahlen.

      Für Sat.1 war der Deal weniger erfolgreich: Der Marktanteil der "Junior"-Filme bei den 3- bis 13-Jährigen ist seit dem Sendestart im Januar von 18 Prozent auf 14,7 Prozent im Oktober geschmolzen. "Mir hat niemand erklärt, warum Sat.1 die Kinderfilme nicht direkt bei Kirch einkaufen konnte", wundert sich TV-Kenner Thoma.

      Auch bei der Filmfirma Constantin, die ursprünglich Kirch und seinem Getreuen Bernd Eichinger gehörte, funktionierte das Zusammenspiel. Wenige Wochen vor dem Börsenstart von Constantin im September 1999 durfte sich EM.TV mit über 25 Prozent beteiligen. Kaufpreis: 125 Millionen Mark.

      Haffas damaliges Siegerimage war beim Gang des defizitären Kirch-Ablegers aufs Börsenparkett gefragt. Und auch dem EM.TV-Kurs kam diese neuerliche Allianz, nach dem alten Schema, zugute.

      Viele Medienprofis erinnert das Kirchsche Kreislaufsystem mit den "Junior"-Rechten an die Transaktionen mit dem Handelsmilliardär Otto Beisheim (Metro) aus dem Jahr 1989. Damals verkaufte Kirch 2000 Filme für rund 530 Millionen Mark an eine Schweizer Beisheim-Firma - um sie in der Zeit danach von seinen Sendern Sat.1 und ProSieben zurückkaufen zu lassen. Über diesen Umweg war die Ware auf einmal 1,1 Milliarden Mark wert, und die Banken gaben dafür Kredit.

      Das waren die alten Zeiten - Old Economy. In der neuen Wirtschaft kommt das Geld von der Börse, und es lässt sich, wenn die Anleger mitspielen, scheinbar mühelos vermehren.

      Bei den Haffas spielten sie mit: Zwei Kapitalerhöhungen brachten EM.TV seit dem Börsenstart 1,26 Milliarden Mark in die Kasse, mit einer Wandelanleihe erlösten sie weitere 782 Millionen Mark.

      Schnell nach dem "Junior"-Deal beispielsweise nutzte Haffa die aufkommende Hochstimmung für eine kurzfristige Kapitalerhöhung. Sie spülte fast 300 Millionen Mark in die Kassen. Für die Banken war die Hyperaktivität von Haffa, der die Niederungen des Alltags endgültig hinter sich zu lassen schien, ein lohnendes Geschäft. Sie verdienten kräftig an Provisionen, die sie von EM.TV und den Anlegern kassierten. Vor allem die Sparkassen-Organisation mit ihren Spitzeninstituten WestLB und Bayerische Landesbank war unter den Profiteuren und Animateuren. EM.TV verschieße Erfolgsmeldungen "wie eine Stalinorgel", ließ sich der Pfaffenhofer Sparkassen-Vorstand und Haffa-Freund Bernhard Seidl noch im Sommer vernehmen.

      Noch im Frühjahr schwärmte die WestLB, die EM.TV habe durch die Formel 1 ihr Wachstumspotenzial erhöht, der Preis sei "günstig" und bereits für das Jahr 2000 seien "positive Auswirkungen auf die Gewinnentwicklung" zu erwarten.

      Dabei brach bereits im ersten Halbjahr das Betriebsergebnis der EM.TV im Stammgeschäft - also ohne die Zukäufe - um 37 Prozent auf rund 59 Millionen Mark ein. Florian Haffa, der Finanzchef des Unternehmens, freilich machte ungetrübt in Optimismus: Der Kurs werde sich verdoppeln, versprach er noch im Juni. Damals notierte EM.TV bei rund 70 Euro.

      Für die großen Fonds hat sich das Spekulieren mit der Zocker-Aktie lange Zeit erst recht gelohnt. So verfügte der Fondsmanager Kurt Ochner vom Bankhaus Julius Bär, eine bekannte Größe im Neuen Markt, im Jahr 1998 nach eigenen Angaben zeitweise über jede dritte EM.TV-Aktie, die frei auf dem Markt verfügbar war. Schon kleine Käufe sorgen bei solchen engen Werten für große Kurssteigerungen.

      Auch der Fonds VMR Strategie Quadrat stieg 1998 bei den Haffas ein. Der zuständige Berater Marian von Korff, ein Freund Florian Haffas, kooperiert seit langem mit Ochner. Während Korffs Zeit als Redakteur des Magazins "Focus" (bis Januar 1999) erschienen positive Artikel über EM.TV auf den Geldmarktseiten der Zeitschrift - für die der damals schon als Fondsberater und Investor tätige Korff laut Impressum zuständig war.

      In diesem Geflecht konnte EM.TV im Rekordtempo wachsen. Gründer Haffa fachte die Euphorie immer wieder mit neuen Ankündigungen an. "2004 sind wir ein globales Medien- und Entertainmenthaus", versprach er. "Wir können ein Gegengewicht zu den Amerikanern bilden", behauptete er. "Wir spielen in der Weltliga", versicherte er.

      Sogar mit Disney-Chef Michael Eisner verglich er sich öffentlich. Nur ein Scherz? Oder Größenwahn?

      Der Erfolg von EM.TV habe "viele besoffen" gemacht, sagt Michael Kölmel, Chef und Hauptaktionär des Konkurrenten Kinowelt Medien AG. Was jetzt passiere, sei "eine Katastrophe für den Markt". Vergeblich habe er, so Kölmel, bei den Haffas beizeiten ein "Soft Landing" der überhöhten Kurse angeregt, ein langsames geordnetes Zurückführen - doch dafür habe es bei EM.TV kein Gespür gegeben.

      Opfer sind die Kleinaktionäre. Wer in den ersten Monaten dieses Jahres bei EM.TV eingestiegen ist, erlebt eine massive Vermögensvernichtung.

      "Die Analysten haben immer nur gejubelt, dabei waren die Transaktionen mit Kirch für jeden erkennbar gewesen", sagt Klaus Schneider von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. Von Kirch hält er nicht viel, "der will nur das Geld von der Börse, sich aber nicht reinreden lassen". Möglicherweise sei nicht alles rechtens zugegangen, sagt Schneider: "Wir werden genau prüfen, inwieweit es Haftungsansprüche gibt."

      Streit könnte es um eine Wandelanleihe geben, die die WestLB Panmure im Februar auf den Markt gebracht hatte. Sie brachte der EM.TV über 750 Millionen Mark, die Firma muss Anlegern dafür jährlich nur vier Prozent Zinsen zahlen.

      Die Zinsen sind so niedrig, weil EM.TV den Investoren das Recht einräumt, die Anleihe in Aktien umwandeln zu können - allerdings lohnt sich das für den Anleger nur bei einem Kurs von mindestens 106 Euro; dieser Preis war bei der Emission der Wandelanleihe festgelegt worden.

      Der Kurs der Wandelanleihe ist deshalb parallel zum EM.TV-Kurs abgestürzt. Im Falle eines Mehrheitswechsels bei EM.TV können die Anleger indes eine vorzeitige Rückzahlung der Anleihe nebst aufgelaufenen Zinsen verlangen. Das könnte einem möglichen Mehrheits-Eigentümer Kirch Sorgen bereiten.

      In der Vergangenheit fragte selten jemand nach, was aus den Plänen Thomas Haffas wurde. So fehlen bis heute die avisierten Kinderreisen, Freizeitparks, Joghurtbecher und 400 Spielzeugläden der Marke "Junior". Das Projekt eines TV-Reisekanals verschwand lautlos, eine angedachte Verbindung mit Microsoft erwies sich als Trugbild.

      Was zu Stande kam, passte nicht immer zum Siegerimage, das sich Haffa erfolgreich aufgebaut hatte. So geriet etwa die Vermarktung der Merchandising-Rechte der Weltausstellung Expo zum Flop. Die hässlichen T-Shirts und Biergläser, die unter EM.TV-Verantwortung zu horrenden Preisen angeboten wurden, fanden kaum Interessenten. Viele Lieferanten der Souvenirshops blieben auf ihren Forderungen sitzen, zwischenzeitlich hatte die Expo sogar juristische Schritte gegen EM.TV erwogen. Auch Haffas Expo-Maskottchen "Twipsy" erwies sich als Publikumsschreck.

      Lange Zeit aber übertünchten die immer waghalsigeren Deals des Thomas Haffa seine Probleme im Tagesgeschäft. Immer phantastischer wurden die Kaufpreise und Konditionen, die Börse störte das nicht. So gab Haffa im September 1999 rund 800 Millionen Mark für 45 Prozent der Tele-München-Gruppe des Filmhändlers Herbert Kloiber aus - ein absurd hoher Betrag. Kirch-Manager sollen Haffa vor diesem Kauf erstmals gewarnt haben. Im Februar dieses Jahres spendierte er dann 1,3 Milliarden Mark für das "Muppets"-Studio Jim Henson Company, dessen Hauptakteure Miss Piggy und Kermit dringend einer Frischzellenkur bedürfen.

      Und kurz darauf stieg der Münchner auch noch ziemlich naiv in das schwierige Geschäft mit der Formel 1 des Rennzirkus-Patrons Bernie Ecclestone ein. Für 3,6 Milliarden Mark kaufte EM.TV die Hälfte an Ecclestones Holding SLEC. Die Verkäufer - eine Deutsche-Bank-Tochter und die Finanzfirma Hellman & Friedman - hatten die Anteile kurz zuvor von Ecclestone für 1,5 Milliarden Mark weniger gekauft.

      Zu seinem Pech aber musste Haffa beim Einstieg in die Formel 1 eine Summe von 712 Millionen Dollar bar zahlen. Das schaffte er nur mit einem teuren kurzfristigen Kredit, Laufzeit bis zu zwei Jahren. Zurzeit muss er hierfür nach ersten Tilgungen pro Jahr rund 40 Millionen Dollar für Zinsen aufbringen. Ihren Kredit ließ sich ein Konsortium aus sechs Banken, mit der Schweizer Investmentbank Credit Suisse First Boston an der Spitze, gut absichern. Als Pfand dienen, allen Haffa-Dementis zum Trotz, die 50 Prozent der EM.TV an der SLEC.

      Doch damit enden die Probleme nicht. Eine komplizierte Regelung sieht zudem vor, dass Haffa bis zum Jahresende für weitere 1,8 Milliarden Mark noch mal 25 Prozent der SLEC kaufen kann. Verzichtet er, kann wiederum Ecclestone ab April 2001 von EM.TV verlangen, dass sie ihm gut 2 Milliarden Mark für 25 Prozent an der SLEC zahlt. Das könnte EM.TV auf konventionelle Art wohl nicht mehr finanzieren.

      Vor allem die Details des Vertrags mit Ecclestone entsetzen die Kirch-Leute. Selbst bei einem Kapitalanteil von 75 Prozent würde EM.TV nämlich nicht die Kontrolle über die Formel 1 erlangen. In zwei entscheidenden Management-Firmen, die das operative Geschäft verantworten, sitzen jeweils zwei Ecclestone-Vertreter einem EM.TV-Mann gegenüber. "Haffa hat sich über den Tisch ziehen lassen", sagt ein Kirch-Angestellter.

      Dass sich die kleine EM.TV zu viel zugemutet hat, zeigte sich spätestens bei der Bilanzierung der Milliardendeals. Für das erste Halbjahr meldete die Firma zunächst falsche Zahlen, später mussten sie korrigiert werden. Nach der peinlichen Aktion übergab Florian Haffa das Finanzressort an den farblosen Rolf Rickmeyer, 48, der sich seit Januar als selbständiger Firmenberater durchgeschlagen hatte. Zuvor war er Finanzchef einer RWE-Tochter.

      Auch Rickmeyer kann erst im März eine stimmige Gesamtbilanz präsentieren. Er müsse zunächst einmal ein effizientes Controllingsystem aufbauen, verkündete der studierte Kaufmann Anfang November bei einer Konferenz vor 150 geschockten Analysten und Investoren. Er könne aber nicht sagen, so Rickmeyer, ob er sich "in drei, sechs oder neun Monaten" einen Überblick verschafft habe. Danach stellten viele der Anwesenden EM.TV zum Verkauf, der Kurs stürzte weiter ab.

      Während EM.TV immer stärker einem Börsendesaster entgegentrudelte, lotete Haffa schon seit dem Spätsommer die Möglichkeiten neuer Allianzen aus - inklusive eines Verkaufs von Anteilen. In einem Gespräch mit Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff kam etwa die Übernahme von 25 Prozent an der Formel 1 zur Sprache. Middelhoff ließ den Wert von EM.TV kalkulieren und erhielt klare Antworten: "Nicht sinnvoll, zu teuer." Insgesamt wurde EM.TV auf gerade mal 2 Milliarden bis 2,5 Milliarden Mark taxiert. Es gebe zu viele Kinderprogramme und Haffa habe seine Akquisitionen total überbezahlt, urteilten die Bertelsmänner.

      Auch mit der Deutschen Telekom und der spanischen Telefónica gab es Kontakte. Am Ende lief alles auf Leo Kirch zu.

      Der TV-Unternehmer verbreitert damit seine Geschäftsbasis. Besonders wichtig ist Kirch die Formel 1. Sie soll wieder aus EM.TV verschwinden und als selbständiges Unternehmen im Kirch-Reich geführt werden, mit der Perspektive eines Börsengangs. Bezahlt werden soll die Transaktion - erneut ein Gegengeschäft - mit Anteilen an Kirch-Firmen. Geplant ist etwa, dass die 50 Prozent, die Kirch an dem Joint Venture "Junior TV" noch selbst hält, in Kürze auf EM.TV übertragen werden.

      Die Option auf weitere 25 Prozent an der Formel 1 soll ebenfalls eingelöst werden, ein Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank und der Credit Suisse First Boston steht bereit. Gleichzeitig aber will Kirch die Verträge mit der Formel 1 unbedingt nachbessern. Vergangenen Dienstag redete sein Stellvertreter Dieter Hahn beim Mittagessen in London mit PS-Patron Ecclestone über mögliche Neuregelungen.

      Hahns Plan: Er will die Liveübertragungen der Autorennen möglichst schnell exklusiv dem konzerneigenen Pay-TV übertragen. Wenn es nach ihm geht, dreht Michael Schumacher schon bald nur bei Premiere World seine Runden - so könnte er die stagnierenden TV-Abonnentenzahlen von Premiere liften. Über die Konditionen freilich wurden sich Hahn und Ecclestone nicht einig.

      Die Kirch-Leute gehen offenbar davon aus, dass es in den Verträgen der Formel 1 mit dem Free-TV-Sender RTL (Laufzeit: bis Ende 2003) noch Lücken gibt. "Der Vertrag ist wasserdicht, wir werden darum kämpfen", kündigt dagegen ein RTL-Manager an.

      Für EM.TV ist die Zeit der großen Pläne erst mal vorbei: Jetzt muss saniert werden. In der Bilanz sollen jetzt - endlich - alle Lasten ausgekehrt werden, auch wenn dies zu Lasten des Gewinns geht. Allein für Abschreibungen auf die hohen Werte der gekauften Firmen erwartet das Bankhaus UBS Warburg eine Last von 160 Millionen Mark. Und das Finanzergebnis sei, wegen der hohen Kreditzinsen, mit 245 Millionen Mark im Minus. Inhaltlich soll sich EM.TV wieder auf das Stammgeschäft besinnen, das Vermarkten von Fernsehfilmen und Lizenzfiguren.

      Nur Haffa selbst mochte vergangene Woche nicht einsehen, dass sein Traum vorbei ist. Intern sprach er von irrationalen Übertreibungen der Börse und kündigte personelle Konsequenzen an. Im Kinosaal der Firmenzentrale gab er sich Freitagabend vor 200 Mitarbeitern kämpferisch.

      Es gebe nicht nur Gespräche mit Kirch, "sondern auch mit zwei anderen Interessenten", sagte Haffa. Und dann erklärte er noch: "Ich bleibe Vorstandsvorsitzender." Einige sollen applaudiert haben.

      HANS-JÜRGEN JAKOBS, CHRISTOPH PAULY


      A R T I K E L V E R S E N D E N


      © DER SPIEGEL 49/2000
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      Avatar
      schrieb am 02.12.00 17:38:25
      Beitrag Nr. 7 ()
      Vom Jäger zum Gejagten

      Buchungsfehler, Gewinnwarnung, Kurssturz: Der ehemalige Börsenliebling EM.TV ist entzaubert – wer steigt ein?

      Zwei Dinge konnte Medienmogul Leo Kirch bei seinen Mitarbeitern noch nie leiden: wenn sie Hochglanzbroschüren von Unternehmensberatern schwenken – und wenn sie von Aktienkursen schwärmen. Fremde Besserwisser im eigenen Haus und die Transparenzpflicht eines börsennotierten Unternehmens sind dem konservativen Medienherrscher ein Gräuel.
      Die Offenlegung heikler Bilanzzahlen ist neuerdings auch seinem ehemaligen Angestellten Thomas Haffa, dem Gründer und Vorstandschef von EM.TV – sowie seinem Bruder Florian, bis vor kurzem Finanzvorstand – eher unangenehm.



      Abgestraft


      Aus Sicht der Börsianer hat sich EM.TV mit teuren Zukäufen übernommen


      Am vergangenen Freitag um 21.30 Uhr, nach tagelangen Branchenspekulationen, kamen die EM.TV-Verantwortlichen endlich mit der bitteren, lang erwarteten Wahrheit heraus: Statt der prognostizierten 525 Millionen Mark Gewinn erwirtschaftete die Firma kümmerliche 50 Millionen – und das vor Abzug von Steuern und Zinsen. Angesichts der langfristigen Verbindlichkeiten von 2,3 Milliarden Mark (Stand 30.6.) und der drückenden Zinslast von mehreren Hundert Millionen Mark im Jahr bleibt für das Geschäftsjahr 2000 unterm Strich wohl nur ein herber Verlust.

      Erste Gerüchte über die Horrorzahlen waren bereits Stunden zuvor durchgesickert. Die Börsianer quittierten die Warnsignale mit einem Tagesverlust von mehr als 20 Prozent. Nach dem offiziellen Parkettschluss ging es im außerbörslichen Freiverkehr noch weiter abwärts. Am Ende der dramatischsten Woche in der noch jungen EM.TV-Firmengeschichte notierte die einstige Vorzeigeaktie des Neuen Markts dort mit 13,5 Euro um fast 90 Prozent unter ihrem Höchstkurs von 120 Euro im März dieses Jahres – etwa 25 Milliarden Mark Börsenkapitalisierung lösten sich seither in Luft auf.

      EM.TV & Merchandising AG

      war fast drei Jahre lang die Vorzeigeaktie des Neuen Markts.

      • Der Aufstieg
      In nur zweieinhalb Jahren legte das Papier um sagenhafte 34 000 Prozent zu.
      • Der Fall
      Nach teuren Zukäufen und falschen Buchungen verlor der Wert fast 90 Prozent.



      Bis zum Beginn der harschen Korrektur der Medien- und Technologiewerte Anfang März nahm die Börse jede Akquisition begeistert auf: Wachstum um jeden Preis. EM.TV kaufte stets besonders eifrig – und für besonders viel Geld.

      Immer misstrauischer fragten jedoch Anleger und Analysten in den vergangenen Monaten:


      Spielen die Kinder- und Jugendprogramme (Junior TV), die EM.TV von Kirch für stolze 500 Millionen Mark erstand, jemals Gewinne ein?

      Rechnet sich die 1,34 Milliarden Mark teure Akquisition des defizitären US-Filmstudios Jim Henson („Muppet Show“) überhaupt?

      Haben die Haffas mit ihrer 3,3 Milliarden-Mark-Investition in die Formel 1 eine Wahnsinnssumme in ein Geschäft gesteckt, von dem sie – wie Rennzirkus-Dompteur Bernie Ecclestone stichelt – nicht besonders viel verstehen?

      Als Anfang Oktober dieses Jahres der Kurs auf 60 Euro abgesackt war, begannen die Haffas die Suche nach Verbündeten. Während der TV-Programmmesse Mipcom in Cannes, auf der Jacht von Thomas Haffa, kamen die Brüder mit ihren 50:50-Partnern bei Junior erstmals ernsthaft über eine strategische Zusammenarbeit ins Gespräch – mit Leo Kirch und seinem Kronprinzen Dieter Hahn.
      Kirch schätzt Thomas Haffa, der in seinem Imperium als Merchandising-Spezialist Karriere machte, bevor er sich mit seiner eigenen Film- und Lizenzhandelsfirma EM.TV abnabelte. Auch Haffa ließ den Kontakt zu seinem Förderer Kirch nie abreißen.

      Immer wieder trafen sich die Parteien im Oktober und November, unter anderem in Kirchs Traditionsbüro in der Münchner Kardinal-Faulhaber-Straße. Selbst engste Freunde erfuhren nichts von den potenziellen Verkaufsabsichten der Brüder.

      Kirch hatte die einmalige Chance erkannt, sein hoch defizitäres Bezahlfernsehen Premiere World mit einem spektakulären Einkauf in die Gewinnzone zu bugsieren: mit Hilfe von Haffas Rechten am Millionenspektakel Formel 1. Ab 2004, wenn der Vertrag mit dem bisherigen frei empfangbaren TV-Präsentator RTL abgelaufen ist, will Kirch Ferrari, McLaren-Mercedes & Co. ausschließlich in seine eigenen TV-Kanäle umleiten – so etwa das Training beim Sportsender DSF, Ausschnitte vom Rennen bei SAT.1 und die Live-Bilder ausschließlich im Pay-TV Premiere World.

      Meilensteine

      In atemberaubendem Tempo erwarb die Medienfirma Senderechte und beteiligte sich an Unternehmen.

      • 1997
      Im Oktober geht EM.TV an die Börse. Die Emission ist 30-fach überzeichnet. Als Kapital bringt die Firma die Rechte an Kinderklassikern wie „Biene Maja“ ein.
      • 1998
      gründen Leo Kirch und Thomas Haffa das Gemeinschaftsunternehmen Junior TV – das wichtigste Standbein von EM.TV.

      • 1999
      erwirbt EM.TV für 800 Millionen Mark 45 Prozent an der Tele München Gruppe, dem zweitgrößten Filmhändler nach Leo Kirch.

      • 2000
      Für 1,34 Milliarden Mark übernimmt EM.TV im Februar das amerikanische Studio Jim Henson, das die „Muppet-Show“ erfunden hat.


      Am Freitag vergangener Woche erreichten die Gespräche ihre heiße Phase. Im Münchner Edelgasthaus „Grüntal“ hockten Abgesandte beider Parteien bei bayerischen Spezialitäten bis tief in die Nacht beisammen. Auch noch am Wochenende wurde leidenschaftlich über etliche Kooperationsmodelle zwischen der Kirch-Gruppe und EM.TV gestritten.

      Schon Tage zuvor hatten mehrere Tageszeitungen spekuliert, dass Kirch die inzwischen auf weniger als 50 Prozent gesunkenen Anteile der Haffa-Familie komplett übernehmen wolle. Als Gegenleistung würde er die Brüder mit etwa drei Prozent an seinem Kernunternehmen Kirch Media beteiligen. „Unwahrscheinlich“, meinen Vertraute des Konzernpatriarchen, „warum sollten wir uns EM.TV komplett ans Bein binden?“

      Als wahrscheinlicher gilt, dass sich Kirch tatsächlich nur die Formel 1 aus dem EM.TV-Fundus herausklaubt. Dafür überlässt er dem Merchandising-Spezialisten Haffa seine 50 Prozent am Gemeinschaftsunternehmen Junior TV – Gegenwert: etwa 600 Millionen Mark. Außerdem dürfte zusätzlich viel Bargeld fließen – finanziert von einem Bankenkonsortium. Schließlich zahlte EM.TV im März für den 50-Prozent-Anteil an der Formel 1 stolze 3,3 Milliarden Mark.

      Ganz gleich, wie die Verhandlungen ausgehen, klar ist: Thomas und Florian Haffa dürften die Kontrolle über ihr Unternehmen verlieren. Ein Unternehmertraum ist zu Ende.

      Ein Schuldiger steht bereits fest: Florian Haffa wird wohl nicht weiter wie bisher als für Investor Relations verantwortlicher Angestellter bei EM.TV bleiben dürfen. Haffa, damals noch zusätzlich Finanzvorstand, hatte am 9. Oktober behauptet: „Unsere Planzahlen gelten weiterhin.“ Zu diesem Zeitpunkt müsste dem „kleinen Haffa“ das Gegenteil eigentlich längst bekannt gewesen sein.

      Uli Dönch/Andreas Körner/Uli Martin/Heike Pöhlmann

      Focus Online
      Avatar
      schrieb am 02.12.00 17:39:24
      Beitrag Nr. 8 ()
      Die Haffas werden immer weniger werden, da der neue Markt als Geldmaschine nicht mehr funktionieren wird.
      Vor allem in diesem Segment wurden viele Privatanleger abgezockt, die nun keinen Euro mehr in Aktien investieren werden.
      Nur eine rigorose Zulassungsprüfung durch die Börsenaufsicht kann eine Verbesserung im Lauf der nächsten Jahre bringen.
      Avatar
      schrieb am 02.12.00 17:58:35
      Beitrag Nr. 9 ()
      :)

      Man könnte fast den Eindruck gewinnen, daß Kirch auch an Focus beteiligt ist. Gäbe es den Spiegel nicht, sähe es in Deutschland noch trüber aus als es sowieso schon ausschaut.
      Avatar
      schrieb am 02.12.00 18:41:00
      Beitrag Nr. 10 ()
      go
      Avatar
      schrieb am 02.12.00 18:49:55
      Beitrag Nr. 11 ()
      Ich verlange eine Haaprobe bei den Haffas.
      Avatar
      schrieb am 02.12.00 19:34:45
      Beitrag Nr. 12 ()
      Die Sonnenbanken werden uns rächen!
      Wenn nicht kurz-, dann mittel- oder langfristig!!
      Avatar
      schrieb am 03.12.00 01:48:38
      Beitrag Nr. 13 ()
      Hautkrebs für den Vorstand ist die Rache der Kleinaktionäre!
      Avatar
      schrieb am 03.12.00 03:28:26
      Beitrag Nr. 14 ()
      Surcher, eine verschärfte Zulassungsprüfung seitens der Deutschen Börse AG wäre zwar ein guter und richtiger Anfang, dürfte aber bei weitem nicht ausreichen. Das Problem bei EM.TV war wohl auch nicht, dass sie (damals noch zu einem relativ fairen Emi-Preis) am NM notiert wurden - das Desaster kam viel später.
      Die Zulassungsprüfung muß imho vielmehr einher gehen mit verschärften Regeln zur Ad-Hoc Publizität (so sollten z.B. mindestens Gewinnwarnungen Pflicht werden und für zu veröffentlichende Unternehmenskennzahlen bestimmte Mindestangaben definiert werden). Zusätzlich müssen schärfere Vorschriften (ähnlich wie bei der SEC in Amerika ) her um z.B. Insidergeschäfte in Zukunft zu verhindern. Warum Bawe und Deutsche Börse AG hier nicht aus dem Quark kommen, ist mir schleierhaft.
      Avatar
      schrieb am 03.12.00 04:23:31
      Beitrag Nr. 15 ()
      Entweder man hat Anstand oder Geld.
      Man kann halt alles nicht haben.
      Avatar
      schrieb am 16.12.00 18:46:10
      Beitrag Nr. 16 ()
      Tradie,

      ich finde Deinen Text treffend und brilliant formuliert. Habe ihn in den letzten 2 Wochen mindestens 10 mal gelesen und möchte ihn durch Hochziehen noch ein paar neuen Lesern erreichbar machen.

      Carlo
      Avatar
      schrieb am 17.12.00 11:21:33
      Beitrag Nr. 17 ()
      @ Tradie

      wirklich prima Beitrag, versucht, auf die Psychologie der Beteiligten einzugehen...

      Grüße,
      Law


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