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    "Die Zeit": "Mr. Dausend" und andere Gurus - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 28.12.00 17:33:08 von
    neuester Beitrag 30.12.00 10:05:09 von
    Beiträge: 14
    ID: 321.209
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      schrieb am 28.12.00 17:33:08
      Beitrag Nr. 1 ()
      Wenn ihr euch ein gutes, ausgewogenes Allgemeinwissen aneignen wollt, abonniert die Zeit. Hier ein aktueller Beitrag zum Thema "NEUER Markt". Ich bin weder verwandt noch verschwägert mit dieser Zeitung, lese sie aber schon seit 15 Jahren regelmäßig. Wer diese Zeitung kennt, bestellt sie nicht mehr ab!

      "Mr. Dausend" und andere Gurus

      Am Ende eines enttäuschenden Börsenjahres fragen sich viele Anleger, wessen Rat sie noch trauen dürfen. Was bringt 2001?

      Von Marc Brost, Götz Hamann, Marcus Rohwetter, Wolfgang Uchatius



      Jeder große Guru braucht eine kleine Marotte. Also verzichtet Hans Achim Bernecker auf vier Buchstaben des zweiten Vornamens - und nennt sich kurz Hans A. Ein richtiger Guru hat erfahren zu sein, und weise. Also wirbt der 62-Jährige Bernecker mit "40 Jahren Börsenerfahrung" und posiert dazu in ganzseitigen Anzeigen: die Arme verschränkt, die hohe Stirn vom Denken zerfurcht, die Augen fest in die Kamera gerichtet. Ein glaubwürdiger Guru muss selbst Erfolg haben, daher besitzt Bernecker die Symbole des Erfolgreichen: die goldene Uhr am Handgelenk, den Bentley in der Garage, die Millionen auf der Bank. Vor allem aber braucht ein Guru eine Botschaft - und eine Bühne, von der er sie verkündet. Also meldet sich Bernecker einmal die Woche. Per Post. "Wer etwas zu sagen hat", so sein Motto, "schreibt einen Börsenbrief."

      In der jungen Börsenrepublik Deutschland haben offensichtlich viele sehr viel zu sagen. Immer neue Magazine drängen auf den Zeitschriftenmarkt und erklären, wie man "300 Prozent Gewinn mit der nächsten Technik-Revolution" macht oder besser noch "1000 Prozent mit Optionsscheinen". Der Fernsehsender n-tv lässt Experten vor die Kamera, die beim Blick auf Kursgrafiken von "abschreckenden Double-Tops" orakeln und mit fester Stimme behaupten, dass der Dax wieder steige, wenn nur die "maßgebliche Unterstützungslinie" halte. Wer gern telefoniert, kann bei Börsen-Hotlines anrufen, um sich für 2,42 Mark pro Minute einflüstern zu lassen, wo die nächste "Geld-Dusche" wartet und welche Aktie demnächst zur "Bio-Tech-Rakete" wird. Ob im Sportverein, am Stammtisch oder am Arbeitsplatz: Fast jeder kennt jemanden, der einen Tipp parat hat.

      Die Gier nach Geld hat die Kurse im Frühjahr 2000 in ungeahnte Höhen getrieben: Von Januar bis März stieg der Deutsche Aktienindex um ein Viertel, der Neue Markt verdoppelte sich in dieser Zeit sogar. Jetzt liegt die Börse am Boden. Viele Aktien sind nur noch einen Bruchteil ihrer einstigen Höchstkurse wert. Die Anleger fragen sich, ob sie nun aussteigen sollen oder ob gerade jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um wieder einzusteigen. Wird 2001 ein besseres Börsenjahr als 2000? Darf man den Prophezeiungen der Aktiengurus noch glauben? Wem darf man überhaupt trauen, wenn es um die Börse geht?

      Von wegen "Aktienkultur": Viele Anleger haben keine Ahnung

      Zunächst einmal: Es sind die ahnungslosen Aktionäre selbst, die das Heer der Möchtegernexperten zu Propheten machten. "Weil die Anleger die verschiedenen Einflussfaktoren des Kapitalmarktes nur teilweise durchschauen, folgen sie Vorbildern", sagt der Nürnberger Börsenprofessor Wolfgang Gerke. "Vorbilder, von denen sie annehmen, sie besäßen intimere Kenntnisse über die von ihnen empfohlenen Unternehmen." Dass dem nicht so ist, hat Reinhart Schmidt ermittelt. "Da ist viel Zufall dabei", sagt der Professor für Bankbetriebslehre an der Universität Halle-Wittenberge. "Es werden einfach Vermutungen in die Welt gesetzt, die fundamental überhaupt nicht begründet sind."

      Das Perfide daran: Je mehr Leute die empfohlenen Aktien kaufen, desto höher treiben sie die Kurse - und damit treten auch die Weissagungen der Propheten ein. Entziehen die Anleger dem Börsenguru jedoch die Gunst, ist es mit der Herrlichkeit schnell vorbei (siehe Grafik). Das heißt aber auch: Die These von der Aktienkultur in Deutschland ist bloß ein Schlagwort. Viele, die sich aufs Parkett trauen, haben keine Ahnung, auf was sie sich einlassen. Das Ergebnis: Die Börse fährt Achterbahn.

      Guru ist freilich nicht gleich Guru, auch das mussten die Anleger im Jahr 2000 lernen. Die einen bewegen Kurse, die anderen vor allem die Gemüter. Egbert Prior war der Erste, der beides konnte. Der Düsseldorfer Exjournalist - Werbespruch: "Setzen Sie Prioritäten" - gilt als einer, der die Mobilcom-Aktie nach oben gebracht hat. Und wieder nach unten. Als Prior die Aktie propagierte, stieg der Wert binnen weniger Monate um über 100 Prozent. Am Nikolaustag 2000 packt Prior dann die Rute aus: Als er in seinem Börsenbrief schreibt, dass dem Unternehmen "ohnehin das Geld an allen Ecken und Enden" fehle, stürzt der Kurs um knapp 20 Prozent. Der Guru mit dem Bubengesicht strotzt vor Selbstbewusstsein, seitdem er sich nicht mehr vom Staatsanwalt verfolgt fühlt. Jetzt greift er am liebsten die Kollegen an - und am allerliebsten Bernd Förtsch.

      Der Außenseiter aus dem kleinen Kulmbach hat freilich schon Ärger genug. Kaum ein anderer Börsenguru spaltet die Anlegerschaft so sehr wie der Franke Förtsch. Er hat all jene reich gemacht, die frühzeitig auf Kleinstwerte wie Infomatec und Gigabell setzten - und dann rechtzeitig ausstiegen. Wer zu spät kam oder den Absprung verpasste, sitzt heute dagegen auf einem Haufen fast wertloser Papiere. "Mister Dausend", verspotten ihn seine Gegner, weil Förtsch im Fernsehen mit breitem Akzent das Kursziel der Morphosys-Aktie auf 1000 Euro hochschraubte - und das Papier mittlerweile auf rund 140 Euro abgerutscht ist. Im Internet nennen sie ihn "0190-Förtsch", weil er nebenbei eine teure Hotline betreibt. Vor allem aber wird immer wieder moniert, dass Förtsch auch noch Investmentfonds berät, die pikanterweise in jene Aktien investieren, die der Guru in seiner Zeitschrift empfiehlt. Der Vorwurf seiner Kritiker: Bestimmte Aktien würden nur empfohlen, um die Performance der Fonds zu verbessern.

      Für das kommende Jahr hängt alles von der US-Konjunktur ab

      Der Boden, auf dem diese Saat aufgeht, wird seit 1997 bestellt: der Neue Markt in Frankfurt, die Wachstumsbörse für junge Unternehmen. Die dort gehandelten Aktien sind allesamt marktenge Werte - also Aktien mit relativ geringer Stückzahl, deren Kurse leicht um zweistellige Prozentzahlen nach oben springen, wenn eine Schar Kleinanleger kauft. Während ein alter Börsenprofi wie Bernecker den Neuen Markt skeptisch sieht, spezialisiert sich manch neuer Prophet gerade auf dieses Risikosegment.

      Der Zulauf der Gurus hat aber noch einen anderen Grund: das Fernsehen. Bei Prior war es die 3satBörse, in der er als Gast auftrat und Mobilcom-Aktien empfahl. "Die Leute haben dem charmanten Prior geglaubt und dann gekauft", sagt Peter Nemec, der Leiter der Sendung. Ein Dilemma: Ohne Gäste mit einem gewissen Günther-Jauch-Appeal lässt sich keine gute Fernsehsendung machen. "Lieber einen Charismatiker als einen professoralen Langweiler, der die Leute nicht für das Thema Aktie begeistern kann", sagt Nemec. Dass Prior freilich die empfohlenen Mobilcom-Aktien zuvor selbst gekauft hatte, spaltete die Investorenschaft. Insidergeschäfte, schimpften die einen, andere wiederum fanden das in Ordnung: Nur wer selbst die Papiere besitze, zu denen er rät, dem könne man trauen. Hauptsache, selbst reich werden. Wenn andere dabei noch reicher werden - was soll`s.

      Irgendwann waren alle ärmer. Ein Schuldiger musste her. Viele Zuschauer, sagt Nemec, haben der 3sat-Redaktion dann Briefe geschrieben wie: "Sehr geehrte Damen und Herren. Sie haben in Ihrer Sendung eine Aktie empfohlen, mit der ich 4000 Mark verloren habe. Bitte überweisen Sie den Betrag auf mein Konto." So denken die Menschen eben, seufzt Nemec.

      Von neuem steigende Kurse würden sie vermutlich trösten. Tatsächlich sagen die Marktauguren schon den nächsten Boom vorher. "Bis Februar" erwarte er den-Neuen Markt-Index Nemax All Share bei 7000 Punkten, jubelte Prior Mitte November. Hat er diesmal Recht?

      Bevor den Anlegern der Rausch der New Economy zu Kopf stieg, hatten Aktien vor allem mit Unternehmensgewinnen zu tun. Jetzt ist das Delirium vorüber, der Blick nüchtern und wieder frei für Zahlen. Und die sind tatsächlich ganz gut, eigentlich. "Wir erwarten ein Wachstum der Unternehmensgewinne von zehn Prozent und darüber", sagt Ulrich Ramm, Chefvolkswirt der Commerzbank.

      Zwar gehen die Wirtschaftsforscher davon aus, dass sich das Wachstum in Deutschland leicht abschwächt - von 3,0 auf irgendwo zwischen 2,4 und 2,8 Prozent (siehe ZEIT Nr. 52/00 sowie Forum Seite 25). Doch für die Börse sind auch das keine schlechten Zahlen, im Gegenteil. Ein milderes Wachstum bedeutet geringere Inflationsgefahr. Und wenn keine Inflation droht, wird die Europäische Zentralbank wohl auch die Zinsen nicht erhöhen. Ein Vorteil für die Aktionäre, denn steigende Zinsen erhöhen die Attraktivität von Rentenpapieren, die Investoren schichten um, und die Aktienkurse fallen.

      Am Ende solcher Gedankengänge angekommen, könnten Privatanleger zuversichtlich Aktien kaufen, egal, was die Gurus sagen. Wenn, ja wenn da nicht Amerika wäre und diese Flugzeug-Metapher, die Analysten wie Ökonomen in diesen Wochen ständig zitieren. Demnach befindet sich die US-Ökonomie im schnellen Sinkflug wie eine Boeing 747 vor der Landung. Im ersten Quartal lag die Wachstumsrate bei 5,6 Prozent. Vergangene Woche wurde der Wert für das dritte Quartal bekannt: nur noch 2,2 Prozent. Die Frage, die alle beschäftigt, ist nun: Wie wird die Landung - hart oder weich? Aufprall oder Ausrollen? Lange Rezession oder schnelles Durchstarten in den nächsten Aufschwung?

      "Wenn die USA in die Rezession geraten, kann man sich leicht Horrorszenarien ausmalen", sagt Thomas Meyer, Chefvolkswirt der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs. Auf einen Schlag wären auch die positiven Prognosen für Deutschland Makulatur. Die Nachfrage aus Amerika bliebe aus, der Euro stiege schlagartig an, die Exportraten fielen, die Unternehmensgewinne auch. Aus einem guten Aktienjahr würde ein katastrophales.

      Auf 20 bis 30 Prozent schätzen Ökonomen die Wahrscheinlichkeit einer harten Landung der amerikanischen Wirtschaft. Wer optimistischer ist, begründet das meist mit einem Namen: Alan Greenspan. Der 73-Jährige ist Präsident der amerikanischen Zentralbank. Er kann der Wirtschaft Geld zuführen oder entziehen, je nachdem, was sie nötiger hat. Er sei der Pilot, sagen die Experten, er steuere das Flugzeug, er wisse am besten, wie es in der Luft liegt. Als er am Dienstag vor Weihnachten die Sorge äußerte, eine Rezession sei womöglich nicht zu vermeiden, stürzten die Aktienkurse in die Tiefe. Obwohl er das Wort Rezession selbst gar nicht in den Mund nahm. Die Fachleute hatten es aus seiner Rede nur herausgelesen. Dieser Einfluss macht Greenspan zum Guru der Gurus. Seine Worte interpretieren die Börsenexperten wie Gläubige die Heilige Schrift. Natürlich interpretiert sie jeder anders. Und jeder hat dabei seine eigenen Interessen. Das gilt für die meisten Börsengurus genauso wie für die Unternehmen, die sich selbst und ihre Aktien mit rosigen Wachstumsversprechen anpreisen. "In diesem Jahr haben am Ende alle, wirklich alle Meinungsbildner falsch gelegen", sagt ein hochrangiger Banker aus Frankfurt. "Und was die Zukunft angeht, fischen wir derzeit alle im Trüben."

      Gurus wollen selbst reich werden, Unternehmen ihre eigenen Kurse nach oben treiben. Wem also kann der Privatanleger trauen? Den Analysten? Auch deren Untersuchungen - zu Hunderten im Internet oder in den Medien zu finden - sind durchaus nicht immer unabhängig. Erst recht nicht, wenn die Analysten bei der Bank arbeiten, die das untersuchte Unternehmen an die Börse gebracht hat. Die Banken beraten die Aktiengesellschaft regelmäßig noch ein Jahr nach dem Börsengang. In dieser Zeit ist eine ehrliche Aussage nicht immer zu erwarten.

      Statt Beratung wollen die Leute den Tipp fürs schnelle Geld

      Aber auch eine noch so objektive Studie birgt Gefahren für Privatleute, sagt Volker Hergert. Er war zehn Jahre lang selbst Analyst, jetzt leitet er die Research-Abteilung der Bankgesellschaft Berlin. "Analysten wenden sich in erster Linie an institutionelle Anleger", sagt er. "Privatanleger als Nichtprofis verstehen nur selten die komplexen Zusammenhänge, die dort beschrieben werden." Das Übersetzen ist Aufgabe der Medien. Aber auch die tun sich schwer damit, sagt Hergert. "Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und inhaltlich falsch wiedergegebene Aussagen führen oft zu Fehlinformationen."

      Die Folge ist häufig eine falsche Anlage-Entscheidung. Oder sogar die Pleite. Bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz melden sich inzwischen immer mehr Menschen, die Aktien auf Kredit gekauft haben. Ihr Depot diente als Sicherheit. Jetzt, da die Kurse sinken, liquidieren die Banken die Aktien für kleines Geld. "Viele gehen jetzt mit einem ordentlichen Soll-Betrag auf dem Konto nach Hause", sagt Geschäftsführer Carsten Heise. Und geben womöglich allein den Börsengurus die Schuld, auf deren Empfehlung sie hörten. Unbedingt hören wollten.

      Selbst einen alten Börsenfuchs wie Hans A. Bernecker lässt die Gier vieler Privatanleger inzwischen zweifeln. "Heute wollen die Leute keine ernsthafte Beratung mehr", klagt er. "Sie wollen nur noch wissen, wo man die nächsten 100 Prozent holt."
      Avatar
      schrieb am 28.12.00 17:44:56
      Beitrag Nr. 2 ()
      DANKE!
      Avatar
      schrieb am 28.12.00 18:09:09
      Beitrag Nr. 3 ()
      Ich bedanke mich auch!!!
      Das hat Nagel auf den Kopf getroffen!
      Im Grunde haben wir es ja alle schon immer gewußt;allerdings ist eine menschliche Reaktion,sich an jeden Strohhalm zu klammern.
      Was wir aus den letzten Monaten gelernt haben,wird hoffentlich von der breiten Masse auch in der Zukunft umgesetzt.Wenn wir etwas gelernt haben........
      Nur: droht in den USA wirklich ein wirtschaftliches Desaster,dann nutzen auch die besten Vorsätze nichts.

      M.
      Avatar
      schrieb am 28.12.00 18:11:23
      Beitrag Nr. 4 ()
      Danke für die Mühe die du dir gemacht hast.

      Vor allem der Satz,"Es sind die ahnungslosen Aktionäre selbst, die das Heer der Möchtegernexperten zu Propheten machten", trifft genau den Punkt.
      Avatar
      schrieb am 28.12.00 18:19:18
      Beitrag Nr. 5 ()
      Gracias, amigo!!

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      schrieb am 28.12.00 18:24:18
      Beitrag Nr. 6 ()
      sehr richtig, und wie sollen wir zukünftig verfahren ? wieder zum Bankberater gehen, der eh nichts taugt ?
      Avatar
      schrieb am 28.12.00 18:37:30
      Beitrag Nr. 7 ()
      Kann "Die Zeit" auch nur empfehlen, wirklich oft sehr interessante Berichte, außerdem kann man in schlechten Börsenzeiten im Teil "Reisen" von besseren Zeiten träumen, mein Winterurlaub ist nämlich ins Depot gefallen und da ist er tief gefallen...
      Avatar
      schrieb am 28.12.00 19:26:41
      Beitrag Nr. 8 ()
      Die Hamburger "Die Zeit" verkauft sich gut, dass stimmt.
      Wer es dagegen etwas konservativer mag, der kauft "Die Woche".
      Dieses Phänomen haben wir übrigens auch bei den beiden Nachrichtenmagazinen "Der Spiegel" und "Focus".

      Einziges Manko: "Die Zeit" ist, aufgrund ihres Formates, so unhandlich, dass man sie kaum zum Lesen auf den Frühstückstisch packen, oder mit auf´s Stille Örtchen nehmen kann.

      Meine Kunden erhalten immer ein kunstvoll zusammengefaltetes Exemplar von mir, was widerum an der Grösse meines Kioskfensters liegt.;)
      Avatar
      schrieb am 28.12.00 19:30:07
      Beitrag Nr. 9 ()
      Wunderbarer Beitrag!!
      Danke!!

      Aber wenn man hier im Board eine Umfrage machen würde
      hätte mit Sicherheit keiner Hotlines angerufen,
      Tips von Gurus angenommen und schon gar nie und nimmer
      Aktien von denen er selber wußte das die Bewertung
      jenseits von Gut und Böse war gekauft zu haben.
      Das Wort Gier, nein auch das war in keinen Köpfen.

      Es ist an der Börse wie bei McDonalds. Da geht nähmlich
      auch keiner hin.

      In diesem Sinne warten alle Anleger auf die nächste
      Hausse und wollen ganz ohne Gier 200-1000% machen.
      Alles völlig normal denn so ist eben die Börse und sonst
      hätten wir bei einem folgenden Crash ja auch nichts zu
      jammern.

      by lister
      Avatar
      schrieb am 28.12.00 20:40:12
      Beitrag Nr. 10 ()
      Danke für Deine Mühe !

      Limit Up
      Avatar
      schrieb am 28.12.00 21:00:31
      Beitrag Nr. 11 ()
      Ein herzliches Danke schön.
      Dieser Beitrag enthält viel wahres !
      Avatar
      schrieb am 28.12.00 21:14:49
      Beitrag Nr. 12 ()
      Vielen Dank für den Beitrag, ich kenne ihn zwar schon , da auch ich die ZEIT regelmässig lese,

      wenn ich Zeit(jaja) habe, aber für das Board hier wichtig!!

      Meiner Meinung nach die beste deutsche Wochenzeitung.

      Gruss

      GABAC
      Avatar
      schrieb am 30.12.00 09:58:26
      Beitrag Nr. 13 ()
      Die Meinung der Wirtschaftswoche:

      Nach einer Bruchlandung zum Jahresende hoffen die Börsen auf neues Glück in 2001. Der Dax schloss nach Nerven aufreibender Berg- und Talfahrt das Jahr 2000 am Freitag mit 6433,61 Punkten. Dies war ein Minus von rund acht Prozent binnen Jahresfrist. Gemessen am Höchststand im März mit 8136 Zählern büßte der Dax gut 20 Prozent ein.

      Deutlich schlechter sah es am Neuen Markt aus, wo der Traum vom schnellen Reichtum jäh platzte. Der Nemax All Share ging mit nur 2743,42 Punkten aus dem Handel. Seit seinem Höchststand von 8559 Zählern im März verlor er fast 70 Prozent.

      Selbst der 99er Rekord Ende Dezember von 4572 Punkten liegt in weiter Ferne. Mit einer Zinssenkung Ende Januar könnte vor allem die US-Notenbank bei ihrer nächsten Sitzung die Aktienmärkte aber wieder aus dem Tal der Tränen holen und einen Aufwärtstrend einleiten. „Das wäre das Manna, das uns dringend fehlt“, argumentierte ein Aktienhändler auf dem Frankfurter Börsenparkett am Freitag.

      An allen deutschen Wertpapierbörsen wurde 2000 unter dem Strich mit 6,1 (1999:5,1) Billionen Euro ein Umsatzrekord erzielt. Davon entfielen 4,7 Billionen Euro auf den Handel mit Aktien. Dem fiebrigen Börsenwahn zu Jahresbeginn mit Kursexplosionen auf breiter Front folgte aber ebenso rasch das böse Erwachen.

      Auch prominente Schwergewichte wie die Deutsche Telekom, Infineon, DaimlerChrysler oder ThyssenKrupp kamen nach überzogenen Erwartungen von Anlegern und zum Teil krassen Fehleinschätzungen von Analysten schwer unter die Räder. Größter Einzelverlierer der Dax-Werte war die Aktie der Deutschen Telekom, die seit Ende Dezember 1999 mehr als die Hälfte ihres Wertes (52,8 Prozent) abgeben musste. Klassenbester unter den Dax-Werten war der Pharmakonzern Schering. Wer vor einem Jahr in dessen Aktie investierte, kann sich nun über einen Kursgewinn von 53,4 Prozent freuen.

      Das Debakel am Neuen Markt

      Für zahlreiche Kleinanleger wurde jedoch vor allem das Abenteuer Neuer Markt zum Albtraum. Viele spielten Roulette - und verloren. Sie kauften noch bei astronomischen Bewertungen Aktien von Unternehmen, deren Firmensitz sie auf der Landkarte nicht gefunden hätten. Doch Pleiten, frisierte Geschäftszahlen und sogar der Verdacht auf kriminelle Machenschaften einiger Firmenvorstände haben das Image des Marktes schwer ramponiert.

      Kursnieten wie Gigabell, Infomatec oder EM.TV bescherten manchen Aktionären fast Totalverluste. „Der Neue Markt ist für viele eine ganz große Enttäuschung“, urteilt der Chefstratege für Privatkunden bei der Deutschen Bank, Alfred Roelli.

      Unter den im Nemax-50-Werten haben die Aktien von Biodata mit 301,87 Prozent das größte Plus verzeichnet. Die stärksten prozentualen Verluste verbuchten Intertainment mit einem Rückgang von 96,44 Prozent. EM.TV schnitten am drittschlechtesten ab.

      Sieger und Verlierer am Neuen Markt:

      BIODATA INFO TEC +301,87
      THIEL LOGISTIK +229,72
      D LOGISTICS +224,71
      COMROAD AG +124,10
      KONTRON EMBEDDED +114,10
      ADVA +113,33
      QIAGEN NV +97,61
      LION BIOSCIENCE +86,36
      MEDIGENE AG N +77,14
      PFEIFFER VACUUM +72,55
      INTERTAINMENT -96,44
      FANTASTIC DTZ -91,32
      EM TV & MERCHAND -91,20
      EDEL MUSIC -87,19
      SENATOR ENTMNT -81,94
      PRIMACOM -81,30
      IXOS SOFTWARE -81,24
      CARRIER 1 INTL -78,85
      BROADVISION INC -75,70
      STEAG HAMATECH -74,90
      Und schon wieder locken die Prognosen

      Dennoch machen die Banken Anlegern schon wieder den Mund wässrig. Auf 8200 bis 8700 Punkte könnte der Dax nach Einschätzung der Deutschen Bank im neuen Jahr steigen. Auch Dresdner, Commerzbank und DG Bank halten gut 8000 Zähler für möglich. Das Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken sieht sogar den Neuen Markt vor Höhenflügen: 8000 Punkte könnte der Nemax nach Ansicht von DG Bank-Chefanalyst Karl-Eugen Reis bis Sommer schaffen - plus 200 Prozent.

      Entscheidend dürfte erneut die Entwicklung an der Wall Street sein. Zunehmend dunkle Wolken am US-Konjunkturhimmel hatten zuletzt an der Weltleitbörse in New York die Stimmung verhagelt. Zwar lag der Dow-Jones-Index zum Jahresende mit rund 10.900 Punkten nur rund fünf Prozent unter dem Stand Ende 1999. Die Nasdaq verlor aber mehr als ein Drittel auf rund 2600 Punkte. Im Vergleich zum Jahreshoch hat sich der Index-Stand sogar halbiert.

      Hoffnungsvoller Blick auf Greenspan

      Weltweit hoffen die Aktienmärkte nun, dass US-Notenbankchef Alan Greenspan beim nächsten Treffen der amerikanischen Währungshüter Ende Januar erstmals nach eineinhalb Jahren wieder die Leitzinsen senkt. Dies könnte den Börsen neues Leben einhauchen.

      Für Europa erwarten die meisten Bankhäuser aber ohnehin ein gutes Börsenjahr 2001. Die Konjunktur läuft zunehmend besser als in den USA, was frisches Kapital auf den Kontinent locken sollte. Aktienstratege Roelli von der Deutschen Bank hält für vorausschauende Anleger gar schon einen Tipp für 2002 parat: „Die Börsenstory wird dann Japan sein.“

      Neue Handelszeiten und abgesagte Börsengänge

      Zu den 2000 erstmals bis auf 20.00 Uhr verlängerten Handelszeiten erklärte die Deutsche Börse, das Abendangebot werde vor allem von Privatanlegern genutzt. Im Feiertagshandel Himmelfahrt, Pfingstmontag und Fronleichnam sei bis zu 65 Prozent eines durchschnittlichen täglichen Handelsvolumens erreicht worden.

      Die Zahl der Neuemissionen ging laut Deutscher Börse von 168 im Vorjahr auf nun 153 zurück. Ursprünglich hatten Experten mit einer deutlich höheren Zahl gerechnet, einige Prognosen hatten mehr als 200 vorhergesagt. Wegen des vor allem in der zweiten Jahreshälfte schlechten Börsenumfelds legten aber viele Unternehmen ihre Börsenpläne auf Eis. Prominentester Fall ist die Telekom-Tochter T-Mobile International, die eigentlich im Herbst ihr Debüt geben sollte. Knapp konnte der Neue Markt einen Rekord bei den Neuemissionen aufstellen. Mit 133 Firmen lag die Zahl um einen Börsengang höher als 1999.
      Avatar
      schrieb am 30.12.00 10:05:09
      Beitrag Nr. 14 ()
      ...und noch ein aktuelles Spiegel-Interview mit Herrn Breuer:

      D R U C K V E R S I O N



      29. Dezember 2000 P O L I T I K | W I R T S C H A F T | N E T Z W E L T




      D E U T S C H E - B A N K - C H E F B R E U E R

      "Ich misstraue den Gurus"

      Im SPIEGEL-Gespräch redet der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Rolf Breuer, über Fusionswahn, Börsenabsturz und seine Prognose für das neue Jahr.


      © DPA

      Rolf Breuer

      SPIEGEL: Herr Breuer, der Börsencrash, die Euro-Krise und eine gigantische Fusionswelle mobilisieren die Ängste von Millionen, die sich wehrlos diesen Urgewalten der Globalisierung ausgesetzt fühlen. Sie und Ihre Bank gehören zu den wichtigen Mitspielern im weltweiten Monopoly - können Sie das wachsende Unbehagen überhaupt verstehen?
      Breuer: Ich registriere das sehr genau und gehöre keineswegs zu denen, die sagen, diese Ängste sind alle irrational. Im Gegenteil: Ich kenne die Vorteile der Globalisierung und kenne auch genau deren Nachteile. Ich denke da vor allem an die Schwellenländer, die mit der gesellschaftlichen Umbruchsituation vielfach überfordert sind. Ich denke aber auch an die Beschäftigten von fusionieren Firmen, über deren Köpfe hinweg entschieden wird. Wir dürfen diese Ängste nicht ignorieren, wir müssen sie sozialverträglich managen.

      SPIEGEL: Manager glauben immer, alles ließe sich managen. Dabei wird selbst im deutschen Sozialstaat, mit seinem eingespielten Interessenausgleich, der Wandel von der nationalen Ökonomie zur Weltwirtschaft als schmerzhafter Prozess erlebt.


      © DER SPIEGEL

      Breuer: Man darf den Menschen eben nicht das Gefühl geben, die alte Zeit sei rückholbar. Das ist sie nicht. Wir haben hier nach Kriegsende in vielfältiger Art wie in einem Kokon gelebt. Dieser Kokon umschloss einen Konsensus zwischen Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und der Wissenschaft. Damit ist es - nicht zuletzt durch die Einführung des Euro, und der Euro ist wiederum nur ein Teil der Globalisierung - zu Ende. Die Bevölkerung hat wahrgenommen - und die Übernahmeschlacht um Mannesmann war dafür ein Signal -, dass die Zeit des deutschen Kokons für immer vorbei ist.

      SPIEGEL: Der Kokon, von dem Sie sprechen, umgab immer auch die Spitzen von Industrie und Banken, die sich gegenseitig stützten und nach außen zusammenhielten. Nun machen andere die Regeln: die internationalen Investoren, die US-Konzerne mit ihren Expansionsstrategien. Sind Sie und Ihre Kollegen nicht längst auch Getriebene der Globalisierung?

      Breuer: Das hängt davon ab, wie weit man sich zum Getriebenen machen lässt. Wenn wir allem nachgeben würden, was aus den USA kommt, lebten wir längst im Turbo-Kapitalismus. Das kann nicht richtig sein. Aber es gibt auch andere, die treiben: die Gewerkschaften, die das Soziale oft über alles stellen; die Kunden, die am liebsten sämtliche Finanzdienstleistungen kostenlos hätten. Sie sehen also: Wir sind von allen Gruppen, die ein Interesse am Tun der Deutschen Bank haben, vielfältig Getriebene.


      SPIEGEL: Sie haben die Finanzmärkte kürzlich als "fünfte Gewalt" im Staate bezeichnet, weil sie ein treffsicheres Urteil über Märkte und Menschen abgeben würden. Wenn das richtig ist, befindet sich die Managerkaste auf Abwegen. Denn das Urteil der Märkte über die Fusionitis fällt verheerend aus, die Zusammenschlüsse der jüngsten Zeit führten fast ausnahmslos zur Wertvernichtung in Milliardenhöhe.

      Breuer: Ein Gegenbeispiel ist der Zusammenschluss Deutsche Bank und Bankers Trust. Der wurde zunächst mit einem Kursrückgang quittiert, mit skeptischen Kommentaren und dramatisch düsteren Voraussagen. In diesem Fall ist es uns aber gelungen, die Skeptiker Lügen zu strafen, und die Kursentwicklung der Deutschen Bank war entsprechend positiv. Das heißt für mich: Der Markt ist gegenüber der reinen Fusionsankündigung skeptisch, er besteht heute darauf, dass Ergebnisse abgeliefert werden.

      SPIEGEL: Angesichts des immer gleichen Versprechens auf Marktführerschaft und gigantisches Einsparpotenzial eine verständliche Reaktion, oder?

      Breuer: In der Tat, ich kann die Reaktion der Märkte gut verstehen. Wir wissen ja heute, die Statistik zeigt es, dass zwei Drittel der annoncierten Fusionen den Aktionären beider beteiligten Unternehmen nicht das bringen, was versprochen wurde. Offensichtlich spricht die Erfahrung in der Mehrheit der Fälle gegen den erwünschten Erfolg.

      SPIEGEL: Die Deutsche Bank ist einer der großen Berater im weltweiten Fusionspoker. Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus für Ihr Geschäft?

      Breuer: Wir alle müssen begreifen, dass es verschiedene Formen der Partnerschaft zwischen Firmen gibt, die wahrscheinlich zielführender sind als eine Totalfusion. Die Fusion ist eine Form des Zusammenführens von Unternehmen, die zur Aufgabe der Identität mindestens eines Partners führt. Es gibt verschiedenste Formen unterhalb dieser Totalfusion, nennen Sie es Kooperationen, nennen Sie es Partnerschaften, nennen Sie es Allianzen, die wahrscheinlich zu besseren Ergebnissen führen und weniger internen Widerstand produzieren.


      © DER SPIEGEL

      SPIEGEL: Hätte Daimler-Benz demnach besser daran getan, Kooperationspartner in aller Welt zu suchen, statt mit der US-Firma Chrysler zu fusionieren?

      Breuer: Der Automobilbereich ist da sicher ein untypisches Beispiel. Die Automobilbranche befindet sich in einem globalen Konsolidierungsprozess, man ist als Vorstandschef nicht Herr des Timings. Wenn man selbst nicht zugreift, greift jemand anderes zu.

      SPIEGEL: Chrysler und Daimler stellen zwar beide Autos her, aber ansonsten haben sie nicht viel miteinander gemein. Worin liegt der Sinn einer solchen Fusion?

      Breuer: Gerade in der Unterschiedlichkeit der Partner liegt der Reiz, hier ein hochpreisiges Unternehmen, dort eines, das am unteren Ende der Produktskala arbeitet. In einem Markt, der sich offensichtlich mehr zu Gunsten preisgünstigerer Autos entwickelt, ist das aus Sicht eines erfolgreichen Herstellers von Luxuslimousinen eine vernünftige Risikostreuung.

      SPIEGEL: So weit die Theorie. In der Praxis führte genau diese Risikostreuung zur Erhöhung des Risikos - und zu Verlusten. Bei BMW haben wir doch gesehen: Kaum trennten sich die Münchner von Rover, haben sie das erfolgreichste Jahr ihrer Geschichte absolviert.

      Breuer: Wir sollten uns durch kurzfristige, allerdings erhebliche Schwierigkeiten bei einigen Fusionsfirmen, darunter eben auch DaimlerChrysler, nicht aus dem Takt bringen lassen. Wir dürfen nicht nervös werden.

      SPIEGEL: Das heißt, DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp besitzt weiter Ihre Unterstützung?

      Breuer: Er hat die volle Unterstützung des Aktionärs Deutsche Bank, und wir glauben, dass er und sein Managementteam die Richtigen sind, um die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu meistern.

      SPIEGEL: Hat denn der Mann, den Sie in den Aufsichtsrat geschickt haben, Herr Kopper ...

      Breuer: ... er sitzt dem Aufsichtsrat sogar vor ...

      SPIEGEL: ... auch alles richtig gemacht und die Dinge rechtzeitig gesehen, analysiert und mit Ihnen gesprochen?

      Breuer: Ich bin nicht Teilnehmer an Aufsichtsratssitzungen von DaimlerChrysler. Ich weiß aber, dass ein Aufsichtsratsvorsitzender in der Beaufsichtigung und der Beratung des Vorstands natürlich nicht verhindern kann, dass derartige Dinge passieren - das ist bei der Deutschen Bank genauso; da haben wir im Übrigen denselben Aufsichtsratsvorsitzenden. Wenn Märkte sich zu Ungunsten des Unternehmens entwickeln, dann ist vor allem das Management herausgefordert, sich mit Eleganz aus der Affäre zu ziehen.

      SPIEGEL: Und es gibt nicht irgendwann einen Kursverlauf, bei dem Sie im Falle DaimlerChrysler sagen müssen, jetzt ist aber Schluss?

      Breuer: Es gibt eine andere Überlegung, die ich sowohl dem Management von DaimlerChrysler als auch der Öffentlichkeit nie vorenthalten habe: Die Deutsche Bank möchte sich ganz generell von ihren Industriebeteiligungen verabschieden. Das ist verkündete Politik, und zwar eine, die auch auf DaimlerChrysler Anwendung findet. Die gegenwärtigen Kurse sind dazu allerdings nicht geeignet.

      SPIEGEL: Der lädierte Autoriese ist kein Ausnahmefall. Bei anderen Fusionen, siehe AOL/Time Warner, siehe Thyssen- Krupp, läuft es ebenfalls schlecht. Muss das Jahr 2000 nicht im Rückblick als das Jahr der gescheiterten oder zumindest missglückten Großfusionen gelten?

      Breuer: Ich glaube, das ist eine gewisse Verzeichnung eines zu Ende gehenden Wirtschaftsjahres. Sie greifen einige Fälle heraus, bei denen sich die Dinge nicht so entwickelt haben wie ursprünglich erwartet. Dafür gibt es Gründe, und die Gründe muss der jeweils Verantwortliche auch erklären. Aber generell gesehen, können wir auf das Jahr 2000 doch mit Befriedigung zurückblicken, die Deutsche Bank sogar mit großer Befriedigung.

      SPIEGEL: Warum so unkritisch in eigener Sache? Die gescheiterte Fusion der Deutschen Bank mit der Dresdner Bank war doch die größte Niederlage Ihrer Karriere.

      Breuer: Niederlage würde ich das nicht nennen, aber Ihrem Aufruf zur Selbstkritik folgend, sage ich Ihnen klipp und klar: Natürlich würde ich, wenn ich all das gewusst hätte, was ich heute weiß, diese Fusion nicht angefangen haben.

      SPIEGEL: Das letzte SPIEGEL-Gespräch mit Ihnen fand als Doppelinterview statt. Da saß Herr Walter, damals der Chef der Dresdner Bank, neben Ihnen. Warum musste er gehen, warum durften Sie bleiben?

      Breuer: Ob er gehen musste, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe es bedauert, dass er gegangen ist, weil ich ihn geschätzt habe und weiter schätze. Wir auf Seiten der Deutschen Bank waren durchaus willens und in der Lage, die Verhandlungen weiterzuführen. Mein Gegenüber aber konnte und wollte einem Verkauf seiner Investmentbank-Tochter nicht zustimmen. Wenn es im weiteren Verlauf zu einem Kollaps der Fusion kommen würde, so seine Befürchtung, stünde er ohne Investmentbank da und wäre dann nicht mehr bewegungsfähig. Das ist der historische Tatbestand, den der SPIEGEL in einer Titelgeschichte akribisch nachgezeichnet hat.

      SPIEGEL: Insgesamt war es für die Anleger kein glückliches Jahr. Weltweit stürzten die Kurse ab, die Hightech-Aktien verloren bis zu 90 Prozent ihres Wertes. Obwohl die spekulative Übertreibung zumindest für Experten deutlich erkennbar war, rieten Sie und Ihre Kollegen von den anderen Banken immer weiter zum Aktienkauf. Haben Sie die Anleger bewusst getäuscht?

      Breuer: Ich kann mich sehr wohl erinnern, dass eine ganze Reihe von Leuten zur Bescheidenheit an den neuen Märkten, zur Zurückhaltung bei Wertpapieren der New Economy geraten haben. Angefangen bei Alan Greenspan.

      SPIEGEL: Der ist Chef der US-Notenbank, nicht Angestellter der Deutschen Bank.

      Breuer: Was ich natürlich sehr bedauere, denn Greenspan ist ein exzellenter Fachmann. Aber im Ernst: Es gab durchaus auch Mitglieder der Deutschen Bank, ich nehme mich da selbst gar nicht aus, die immer wieder vor Übertreibungen gewarnt haben.

      SPIEGEL: Uns ist vor allem Ihr Investmentstratege Ed Yardeni in New York in Erinnerung: Der hat vor dem Weltuntergang im Gefolge der Computerumstellung des Jahres 2000 gewarnt und eine Weltrezession prophezeit.

      Breuer: Er wollte ja sogar das Jahresende im Iglu in der Wüste von Texas verbringen.

      SPIEGEL: Warum darf selbst ein solch falscher Prophet auf seinem Posten bleiben?

      Breuer: Er hat seine Fehler zugegeben, seine Kunden haben ihm das verziehen und folgen ihm in Scharen. So ist die Welt.

      SPIEGEL: Das Heer der Analysten lag ähnlich daneben. Nur ein Prozent ihrer Hinweise waren Verkaufsempfehlungen, trotz erkennbarer Spekulationsblase. Daher noch mal die Frage: Haben die Banken nicht die Anleger mehr oder minder systematisch ausgenommen?

      Breuer: Ich glaube, wir sollten einen Unterschied machen zwischen dem, was landläufig Old Economy heißt, und der New Economy. Bei den Blue Chips war und ist eine im Grundton positive, optimistische Einstellung gerechtfertigt. Ich würde auch heute nicht sagen, der Weltuntergang ist da, der Crash hat begonnen, rette sich, wer kann. Denn wir schauen in ein Wirtschaftsjahr 2001, das auf beiden Seiten des Atlantiks nicht schlecht aussieht.

      SPIEGEL: Widerspruch: Gerade die jüngsten Konjunkturdaten aus den USA, die ein Ende des Booms anzeigen, könnten auch für Europa negative Auswirkungen haben. Der Euro wird steigen, der Export hat es dann deutlich schwieriger. Hinzu kommt: In den Boomjahren wurden die zu hoch bewerteten Aktien vieler Firmen von den Banken beliehen. Besteht da nicht die Gefahr, dass die Schwierigkeiten des Aktienmarktes auf die reale Volkswirtschaft überspringen?

      Breuer: Ich gebe Ihnen so weit Recht: Das sind Punkte, die dazu beitragen, dass eine gewisse Anzahl von Beobachtern, denen ich mich anschließe, von einer Winterdelle sprechen. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Ertragslage der Unternehmen im Durchschnitt des kommenden Jahres recht ordentlich ausfällt. Ich denke, dass die Old-Economy-Aktien in Europa eine gute Chance für 2001 bieten, nicht zuletzt auf dem inzwischen billig gewordenen Einstiegsniveau.

      SPIEGEL: Heute steht der Dax bei rund 6300 Punkten. Wo sehen Sie den deutschen Aktienindex Ende des Jahres 2001?

      Breuer: Jenseits von 8000 Punkten.

      SPIEGEL: Schon im Vorjahr lag Ihre Bank mit einer ähnlich positiven Einschätzung gründlich daneben.

      Breuer: Wenn Sie sagen, Sie liegen immer deswegen falsch, weil Sie zu Anfang eines Jahres etwas sagen, was im ganzen Jahr nicht eintritt, dann würde ich sagen: Jawohl, dumm bleibt dumm. So war es aber nicht. Das Jahr 2000 hat sich zunächst so entwickelt, wie wir das zu Beginn des Jahres prognostiziert hatten. Dann ist es zu Ereignissen gekommen, die den Datenkranz verändert haben. Entsprechend haben die Märkte auch ihre Konsequenzen daraus gezogen, das ist eine ganz normale Entwicklung.

      SPIEGEL: Was den Dax in der Vergangenheit getrieben hat, waren vor allem die Hightech-Titel. Man kann zu der von Ihnen genannten positiven Dax-Prognose eigentlich nur dann kommen, wenn die Hightech-Aktien wieder voll durchstarten.


      Breuer: Genau damit rechne ich. Ich denke, dass der Markt in seiner niedrigen Bewertung zum Beispiel der Deutschen Telekom übertrieben hat. Ich denke, dass SAP weiterhin zu den besonders attraktiven Werten im Dax zählen wird. Ich denke, dass Siemens ein Programm vorgestellt hat, das absolut dazu geeignet ist, Potenzial für Kurseinstiege zu beinhalten.

      SPIEGEL: Gilt Ihr Optimismus auch für den Neuen Markt?

      Breuer: Klares Nein. Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Wir sollten uns zurückbesinnen auf mehr oder minder traditionelle, aber in Vergessenheit geratene Weisheiten, zum Beispiel die, dass Cashflow allein nicht glücklich macht. Gewinne sollte es auch mal geben.

      SPIEGEL: Es waren die Banken, die dem Anleger jene Firmen zum Kauf anpriesen, die wenig mehr als eine Idee besaßen.

      Breuer: Ich darf von der Deutschen Bank sagen: Wir haben mehr Emissionswünsche abgelehnt als durchgeführt. Wir nahmen zumindest im abgelaufenen Jahr eine im Branchenvergleich zurückhaltendere Einstellung ein.

      SPIEGEL: Müssten Sie als Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Börse AG nicht generell für neue und das heißt strengere Standards sorgen?

      Breuer: Es ist wünschenswert, dass die Börse neues Blut bekommt. Insofern darf man nicht zu restriktiv sein, andererseits aber auch nicht so generös, dass die Sünder durch die Maschen schlüpfen. Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, hier Qualitätskriterien anzulegen. Aber wir versuchen derzeit, die Regeln zu verschärfen.

      SPIEGEL: Die Banken konkurrieren um lukrative Börseneinführungen, weil sie hier fast ohne jedes Risiko saftige Provisionen verdienen. Die Selbstkontrolle in Ehren, aber ist hier nicht der Gesetzgeber gefragt?

      Breuer: Davon halte ich nicht viel: Wir Deutschen haben immer den Hang, gleich nach dem Staat zu rufen.

      SPIEGEL: Der Anleger will zumindest die Gewähr, dass er nicht dubiosen Machenschaften ausgeliefert ist. In Deutschland kann er sich dessen nicht sicher sein: Aus einem angekündigten Gewinn von rund 600 Millionen Mark wird - wie im Falle EM.TV - plötzlich ein Verlust. Warum werden solche Firmen nicht vom Handel ausgeschlossen?

      Breuer: Würde das dem Anleger wirklich helfen?

      SPIEGEL: An jeder Spielbank gelten strengere Regeln. Wer mit gezinkten Karten spielt oder am Roulettetisch manipuliert, fliegt raus und hat für immer Hausverbot. Warum gilt das nicht für die Deutsche Börse?

      Breuer: Ich kann zu diesem Vergleich nichts sagen. Sie müssen nämlich wissen: Banker werden in der Spielbank gar nicht zugelassen. Und zwar nicht, wie Sie jetzt denken, weil sie als unzuverlässig gelten.

      SPIEGEL: Sondern?

      Breuer: Weil man sie nicht in Versuchung bringen möchte.

      SPIEGEL: Warum sollte der Staat, wenn er schon bei den Spielbanken derart präzise Regeln geschaffen hat, ausgerechnet bei den Börsen auf Regulierung verzichten?

      Breuer: Ich glaube, dass wir gut beraten sind, zunächst den Weg der Selbstregulierung zu beschreiten. Allerdings: Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir leider nicht besonders gut sind in der Selbstregulierung. Das war beim Thema Insiderwesen so. Da haben wir trotz bester Insiderregeln nicht alle einbinden können und mussten am Ende doch nach dem Gesetzgeber rufen. Dann kam das Nächste, der Übernahmekodex, zwei Dax-Unternehmen haben bis heute nicht zugestimmt. Da musste ebenfalls nach dem Gesetzgeber gerufen werden, und der ist jetzt auch unterwegs. In beiden Fällen habe ich das als Niederlage empfunden.

      SPIEGEL: Viele Anleger sitzen derzeit auf massiven Verlusten, und Besserung ist nicht in Sicht. Der renommierte US-Ökonom Robert J. Shiller sagt sogar eine jahrelange Baisse voraus, er vergleicht die Hightech-Märkte mit dem Japan-Crash Ende der achtziger Jahre. Bis heute hat sich der dortige Aktienmarkt nicht vom Platzen der Spekulationsblase erholt.

      Breuer: Ich misstraue diesen neuen Untergangspropheten genauso wie jenen Gurus, die mir vor einem Jahr weismachen wollten, dass sich die Welt dank der New Economy nur noch geradlinig nach oben bewegt. Das sind alles Extrempositionen. Die sind interessant, aber sie treffen nicht die Wirklichkeit.


      SPIEGEL: Wird die US-Hightech-Börse Nasdaq innerhalb der nächsten zwei Jahre zu den alten Höchstständen zurückkehren?

      Breuer: Nein. Das glaube ich nicht.

      SPIEGEL: In 20 Monaten verlassen Sie den Vorstand der Deutschen Bank, und Josef Ackermann wird Ihr Nachfolger. Warum haben Sie sich schon so früh festgelegt?

      Breuer: Es wurde zu viel spekuliert. Solche Nachfolgediskussionen können sich schädlich entwickeln. Wenn mehrere Personen in die Diskussion gebracht werden und nur einer es werden kann, bleiben immer Wunden übrig. Da aber der Vorstand dieses Hauses wusste, wen er zu meinem Nachfolger wählen würde, habe ich vorgeschlagen, dass wir es jetzt schon bekannt geben. Das ist ein Zeichen der Stärke, wie wir meinen, und der Kontinuität.

      SPIEGEL: Ihr Investment-Profi Ed Mitchell ist kurz vor Weihnachten mit einem Privatflugzeug tödlich verunglückt. Wer wird ihn im Vorstand ersetzen?

      Breuer: Mein Kollege Ackermann wird zunächst die Gesamtverantwortung für den Unternehmensbereich "Globale Unternehmen und Institutionen" übernehmen, den beide bisher gemeinsam geführt haben. Ob es im Zuge der angekündigten Neustrukturierung des Konzerns zu personellen Erweiterungen im Konzernvorstand kommt, bleibt abzuwarten. Unmittelbaren Handlungsbedarf gibt es jedenfalls nicht, die Führungsstrukturen in der Bank sind intakt. Dies ist nicht zuletzt auch das Verdienst meines leider so tragisch verstorbenen Vorstandskollegen Ed Mitchell.

      SPIEGEL: Und für Sie selber bleibt es dabei: Sie wechseln im Jahr 2002 in den Aufsichtsrat?

      Breuer: So ist es.

      SPIEGEL: Nach jetzigem Stand hält Hilmar Kopper den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden auch in 20 Monaten noch besetzt. Werden Sie dann mit einem normalen Aufsichtsratssitz vorlieb nehmen?

      Breuer: Ich stehe nur für den Vorsitz zur Verfügung.

      SPIEGEL: Herr Breuer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.




      Stormy wünscht allen ein gutes Börsenjahr 2001. Seid etwas vorsichtiger mit Euerer Kohle und glaubt nicht jedem Hanswurst!!!
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