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    prosaische amusements - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 01.02.02 05:37:08 von
    neuester Beitrag 12.07.03 09:20:31 von
    Beiträge: 5
    ID: 543.988
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      schrieb am 01.02.02 05:37:08
      Beitrag Nr. 1 ()
      ein herr liebte eine junge frau drei tage lang wahnsinnig und wurde während einer entsprechenden zeitspanne wiedergeliebt. er begegnete ihr zufällig am vierten tag, als er seit zwei stunden aufgehört hatte, sie zu lieben. anfänglich war es eine etwas peinliche begegnung; das gespräch belebte sich jedoch, als sich herausstellte, daß auch die frau aufgehört hatte, den herrn zu lieben, genau vor einer stunde und neunundfünfzig minuten. die differenz von einer minute löste einen kurzen schmerz in ihr aus, aber die entdeckung, dass ihre wahnsinnige liebe in jedem falle eine sache der vergangenheit war und sie voraussichtlich aufhören würden, sich mit törichten, schmerzlichen und unvermeidlichen fragen zu quälen, versetzte den mann und die frau in eine gewisse euphorie...



      giorgio manganelli: zwanzig minuten ;)
      Avatar
      schrieb am 01.02.02 05:41:04
      Beitrag Nr. 2 ()
      :laugh::laugh:
      Avatar
      schrieb am 01.02.02 06:03:26
      Beitrag Nr. 3 ()
      Was macht ihr um die Zeit noch / schon? auf :laugh::laugh:
      Avatar
      schrieb am 01.02.02 06:09:04
      Beitrag Nr. 4 ()
      die gelegenheit dinosaurier zu essen ist heutzutage eher selten. es ist schade, denn ihr fleisch ist, wie die leider nicht mehr zu kostende milch des mammuts, das einzig wirksame mittel gegen das schuldgefühl, also das bedauern darüber, was wir alles angerichtet haben.
      ich habe jedoch einen passenden ersatz für meine geheimwaffe gegen das schuldgefühl gefunden.

      es gibt einen fisch, der seltsamste fisch, den man sich vorstellen kann, der ein zeitgenosse des dinosauriers war. er ist ein lebendes fossil, das sich schwerfällig durch die tiefen des indischen ozeans in der nähe der komoren bei madagaskar bewegt.
      wie ihre versteinerten vorfahren von vor 60 millionen jahren haben die lebenden exemplare vom coelacanthus schweres, öliges fleisch, den unvergänglichen alten geruch und den herben geschmack, der damals die gaumen anderer, inzwischen ausgestorbener arten erfreute.

      ein stück von seinem fleisch (gekocht oder eingelegt) genügt, um sich von der unheilbaren krankheit des schuldgefühls zu befreien. die höchste konzentration dieser wohltuenden wirkung seiner substanz liegt in den phosphorisierenden augen, die es gewohnt sind, zu sehen, wo es kaum licht gibt.

      mit einem marinierten filet vom coelacanthus machte ich meinen ersten versuch mit einem vorsintflutlichen rezept, und ich muss sagen, das ergebnis war erstaunlich. ich kann versichern, dass die konzentrierte brühe vom coelacanthus latimiser von schuldgefühlen heilt, die wirkung der brühe hält mindestens 38 monate an, dann muss eine weitere dosis verabreicht werden.

      das problem ist nur, wie man an einen coelacanthus herankommt. lebe in der hoffnung, dass irgendwann ein coelacanthus gefangen wird. setze dich mit den wenigen fischern von madagaskar in verbindung, die um das geheimnis wissen, und zögere nicht, dorthin zu reisen, sobald ein verirrter haken ein nicht weniger verirrtes exemplar eines coelacanthus zutage fördert. du kommst vielleicht noch rechtzeitig dazu, von ihm zu kosten, bevor das schuldgefühl dich ganz überwältigt. bestelle einen für das nächste jahrzehnt und beruhige dich mit dem gedanken, dass du mit einem einzigen filet seines uralten fleisches für den rest deines lebens alle gewissensbisse gezwingen kannst.


      hector abad: geheimwaffe gegen schuldgefühle
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      schrieb am 12.07.03 09:20:31
      Beitrag Nr. 5 ()
      lalalalaloveparade
      McDonalds marschiert

      Kommentar
      von WIGLAF DROSTE

      Das Bedürfnis, zu Klumpen geballt herumzujubeln, ist nicht totzukriegen. Seitdem es in Berlin nicht mehr durch Allierte Siegesparaden befriedigt werden kann, gibt es die Love Parade. Hier kommt die Winkelementsorte Mensch in Schweiß, hier fasst die Love Parade Berlin GmbH säckeweise Moneten ab, und nur deshalb meldet sie die organisierte Trostlosigkeit als politische Demonstration an. Hält jemand zu Recht dagegen, die lästige Angelegenheit sei so politisch wie Nasepopeln, nur leider nicht so leise, beginnt Chefmarschierer Dr. Motte alias Matthias Roeingh zu toben: "Mein Eindruck ist, dass irgendjemand versucht, die Versammlungsfreiheit zu beschränken. Das ist eine Kampfansage an uns und die Demokratie."

      Es zählt zu den Besonderheiten der Demokratie, dass jeder Esel und jeder Halunke sich auf sie berufen darf, wenn es um seine Geschäftsvorteile geht - Matthias Roeingh ebenso wie der Rennfahrer Michael Schumacher, dessen Definition von Demokratie ebenfalls gedruckt vorliegt: "Wir leben in einer Demokratie, und jeder kann frei entscheiden, welche Sportart er machen möchte."

      Dessen ungeachtet fraternisiert das politische Personal ungeniert mit dem Ramschkorso. Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit feierte nach seinem Amtsantritt aktiv beim Deppenkarneval mit und trug dazu eine Kappe, die mit Dauerlutschern gespickt war. Bild brachte das Foto und lobte: "Atemberaubend selber mal ein bisschen verrückt sein." So unfreiwillig schön wurde sich selbst applaudierender Konformismus selten auf den Punkt gebracht.

      Verstand heißt die Hürde, die nehmen muss, wer das viel gepriesene positive Denken hinkriegen möchte. Bei Dr. Mottes Parademarsch ist das Hindernis niedrig und wird einfach überrannt. Dieser Vorgang heißt bis heute Love Parade. Andere Aufmarschierer haben von der Konsumismusparade gelernt. Als beim Christopher Street Day vor 14 Tagen die plumpe Behauptung laut wurde, eine sexuelle Orientierung sei an sich schon politisch, hatte die Homosexuellendemo die kopfmäßigen Niederungen der Love Parade endgültig erreicht. Wieder war der Regierende Bürgermeister Wowereit mit von der Party. Eingeführt hat er sich mit dem Satz: "Ich bin schwul, und das ist auch gut so!" Mittlerweile folgt er derselben abgeschmackten Massendevise wie CSD und Love Parade: Mc Donalds ist einfach gut so.


      taz vom 12.7.2003


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