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    Karussell-Geschäfte - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 11.06.03 11:18:14 von
    neuester Beitrag 11.06.03 11:40:03 von
    Beiträge: 2
    ID: 741.642
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      schrieb am 11.06.03 11:18:14
      Beitrag Nr. 1 ()
      Habe gestern Plusminus gesehen.
      Ist es eigentlich so einfach unseren Staat zu bescheißen?

      Unglaublich um welche Summen es da geht.
      Avatar
      schrieb am 11.06.03 11:40:03
      Beitrag Nr. 2 ()
      14 Milliarden Euro an Umsatzsteuer werden jährlich hinterzogen, auch durch so genannte Karussellgeschäfte. Die Steuerfahnder sind machtlos, weil die Betrüger immer wieder neue Maschen aufziehen.

      Wenn die Steuerfahnder ausrücken, sind die Täter und ihre ergaunerten Steuergelder oft schon über alle Berge. Meistens spurlos. Im Westfälischen, in Dülmen-Buldern, sind sie allerdings endlich einmal fündig geworden. Hier auf dem platten Land, zwischen Bauernhöfen und mittelständischen Handwerksbetrieben bei Münster, versteckte sich ein international tätiger Händlerring. Die unauffällige Halle - ein Verschiebebahnhof für indische Teppiche zwischen Europa, der arabischen Halbinsel und Indien.

      Eine Sonderkommission hat sich drei Jahre lang mit dem Fall beschäftigt. Als die Fahnder zuschlugen, waren aber schon 29 Millionen Euro weg. Steuer-Gelder, von deutschen Finanzämter an die Betrüger ausgezahlt.
      "Aus Indien gesteuert wurden in Dülmen-Buldern Personen installiert, die ausschließlich die Funktion hatten, neben den echten Geschäften so genannte Umsatzsteuerkarusselle bundesweit unter der Zwischenschaltung von EU- Staaten aufzubauen. Das Ziel dieser Umsatzsteuer-Karusselle war ausschließlich die Erschleichung von Vorsteuererstattung in erheblichem Umfang" erklärte Steuerfahnder Andreas Schnieders vom Finanzamt Münster.

      Minderwertige Teppiche wurden nur zur Tarnung verkauft. Ansonsten waren es "Luftgeschäfte". Verträge wurden vorgetäuscht, Rechnungen gefälscht. Die Finanzämter mussten Millionen Euro an Umsatzsteuer erstatten.

      Dem Vermieter kam eigentlich alles ganz normal vor, bis auf die Tatsache, dass die Firmenbetreiber ungewöhnlicherweise die Büroräume auch zum Schlafen genutzt hatten. Sie erklärten dies dem Vermieter damit, dass sie dadurch den Wachdienst für ihre wertvollen Teppiche sparen würden.

      So funktionieren Karussell-Geschäfte
      Die Händler betrieben ein so genanntes Karussellgeschäft - und das funktioniert folgendermaßen:

      Die Ware wird aus dem Ausland - dank EU-Binnenmarkt - ohne Umsatzsteuer an eine Firma A in Deutschland geliefert. A verkauft diese Ware, z.B. Handys, an Firma B. Gegen Rechnung mit Umsatzsteuer. Diese Umsatzsteuer, die sie in Wirklichkeit nie zahlt, fordert Firma B bei ihrem Finanzamt ein - als Vorsteuer-Erstattung, wie es immer gehandhabt wird, wenn Waren nicht an den Endverbraucher verkauft werden. Dann wird die Ware an Firma C geliefert. Gegen Rechnung mit Umsatzsteuer natürlich. Wieder zahlt das Finanzamt. Dann liefert C die Ware umsatzsteuerfrei über die Grenze zurück. Und das Geschäft geht mit derselben Ware von vorne los. Als Karussell.

      Es braucht viel Erfahrung und Zeit, um die kriminellen Organigramme zu knacken. "Am Anfang hat man erst mal ein weißes Blatt, sonst nichts. Dann haben wir hier, ausgehend von Prüfungsdiensten des zuständigen Finanzamts, gewisse Vermutungen", erläutert Hans Gralla von der Steuerfahndung im Finanzamt Münster. Fiktive Rechnungen zu erstellen und den Ausdruck als Original beim Finanzamt vorzulegen, ist leicht. So sind fingierte Lieferungen an der Tagesordnung.
      Hans Gralla: "Die Fahnder sehen es einem Beleg nicht an. Sie können nur Plausibilitätsprüfungen machen. Sie können auch Finanzströme untersuchen, die finden tatsächlich statt, versickern letztlich im Ausland, so dass sie nicht mehr nachvollziehen können, wo sie denn verbleiben. Und dass Finanzströme stattfinden, wird den Fahndern so perfekt vorgespiegelt, dass sie es nicht als Fälschung erkennen können."

      Erschwerend ist die mangelhafte Kommunikation der Finanzämter über die Grenzen der Bundesländer hinweg. Wenn sie dann nach oft mühseligen und jahrelangen Recherchen zuschlagen können, gehen den Fahndern oft meist nur die Strohmänner der untersten Stufe ins Netz. Gescheiterte Existenzen, die sich für ein Handgeld von der Straße weg als Geschäftsführer anheuern lassen und in der Regel nicht durchschauen, was sie da eigentlich tun. Die Hintermänner bleiben unerkannt und reich im Ausland und denken sich eine neues Karussellgeschäft aus.

      "Grundsätzlich eignet sich jede Warengruppe dazu. Besonders lukrativ sind Waren der Mikroelektronik, die schwer zu identifizieren sind. CPU`s also, Mikroprozessoren, Chips, Steuerungselemente aber auch aus anderen Warengruppen, insbesondere PKW der gehobenen Luxusklasse" fügt Hans Gralla noch an.

      Beispiel Baden-Württemberg
      Beim Export Stuttgarter Edelkarossen nach Japan wurden, so die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, auf dem Papier innereuropäische Umwege eingeschlagen. Die Konsequenz: Ein Schaden von acht Millionen Euro. Ausgezahlt wurden die Steuergelder zum großen Teil vom Finanzamt Heilbronn.

      Die Täter suchten nach Schwachstellen in der Finanzverwaltung, wo Überlastung und Personalmangel auffällig sind. So nahmen sie offenbar die freundliche Einladung des Finanzamtes Heilbronn, die im Foyer als gerahmte Schautafel hängt, wörtlich: "Wir wollen es Ihnen leichter machen" steht da zu lesen.

      Beispiel Bayern
      1700 Fahnder durchsuchten rund 300 Objekte im In- und Ausland. Erst eine konzertierte Aktion mehrerer Staatsanwälte und des Bundesamts für Finanzen über mehrere Monate führte schließlich zu einem Teilerfolg: das Betrugskarussell flog auf. Seit zwei Jahren beschäftigen sich nun die Gerichte mit dem Verfahren. Es ging um den Handel mit Computerprozessoren.

      Die teure Ware wurde über ein undurchsichtiges Firmengeflecht aus Belgien und den Niederlanden per Karussell immer wieder auf den Weg durch Deutschland und zurück geschleust: "In diesem Fall können wir für den Zeitraum 1999-2000 von einem Schaden von mindesten 45 Millionen. Euro ausgehen. Bei einer realistischen Betrachtungsweise und aufgrund der Erkenntnisse, die wir gewonnen haben, müssen wir davon ausgehen, dass diese Firmen, die in unser Karussell eingebunden werden, zum Teil auch in andere Karusselle eingebunden sind und das noch in einem weit größeren Umfang hier Umsatzsteuer hinterzogen wird", erklärt Oberstaatsanwalt Alfons Obermeier von der Staatsanwaltschaft Landshut. Vier Täter sitzen hinter Gittern, weitere Anklagen werden vorbereitet.

      Ein europaweites ein Problem
      Auch in Oldenburg wird in Sachen Umsatzsteuerbetrug mit Computer-Chips ermittelt. Erschlichene Steuerauszahlung hier: geschätzte 20 bis 30 Millionen Euro. Letztlich ist es also so, dass die Finanzämter vor Ort oft genug in die Röhre schauen, wenn es nur geschickt gemacht wird mit den Karussellverfahren.

      Das betrugsanfällige Umsatzsteuersystem macht es den Gaunern leicht. Mindestens vier Milliarden Euro zahlten die deutschen Finanzämter 2001 allein an Betrüger mit Karussellgeschäften aus - auf Nimmerwiedersehen. Das hat das Münchener IFO-Institut in einem aktuellen Gutachten für das Bundesfinanzministerium ermittelt.

      Die Steuerfahnder sind nahezu machtlos. Am Umsatzsteuersystem in Europa können sie nichts ändern, nur die Politiker. Andere europäische Nachbarländer haben dieselben Probleme. Allein Österreich hat mit der Einführung eines geänderten Umsatzsteuerschuldsystems für die Baubranche einen kleinen Schritt zur Eindämmung des Betrugs gemacht. Um allerdings wirksam vorgehen zu können, muss in allen EU-Ländern die Umsatz- und Vorsteuersystematik geändert werden, und zwar für alle Branchen, sonst werden mit der EU-Osterweiterung auch weiterhin die Kassen der Finanzämter mit Karussellgeschäften geleert.


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