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    "Bastard des Völkerrechts": "Willkommen in Guantanamo" - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 08.01.04 23:13:47 von
    neuester Beitrag 28.01.04 05:11:55 von
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      schrieb am 08.01.04 23:13:47
      Beitrag Nr. 1 ()
      Willkommen in Guantanamo
      James Meek

      Verhaftet, verfrachtet und als «feindliche Kombattanten» auf unbestimmte Zeit eingesperrt: Der britische Journalist James Meek sprach mit ehemaligen Insassen des umstrittenen Gefangenenlagers und gibt Einblick ins kafkaeske Justizsystem des Pentagons.


      «In den Maschendrahtzellen sind die Gefangenen keinen Moment unbeobachtet»: das inzwischen geschlossene Camp X-Ray.
      Ein Sommertag 2002 im Gefangenenlager Guantanamo. Der 31-jährige Pakistaner Abdul Razaq, von Beruf Englischlehrer, bemerkt etwas Ungewöhnliches in einem der benachbarten Drahtkäfige. Ein pakistanischer Mithäftling, Shah Mohammed, versucht, sich mit einem Stück Stoff am Zaun aufzuhängen. Andere Häftlinge sehen das, schlagen Alarm. «Erst riefen wir ihm zu, er solle aufhören», sagt Razaq, der im Juli aus der Haft in Guantanamo entlassen wurde und nach weiteren drei Monaten Haft in Pakistan im Oktober nach Hause zurückkehrte. «Die Wärter kamen herbei und retteten ihn. Er schien bewusstlos.»

      Das war der erste von vier Selbstmordversuchen, die Shah Mohammed in Guantanamo verübte. Der 23-Jährige wurde im Mai entlassen und lebt jetzt in der Nähe von Peschawar. Seit seiner Heimkehr plagen ihn Alpträume. Zehnmal wurde er in Kandahar und Guantanamo verhört. «Meine körperliche und seelische Verfassung ist schlecht. Ich habe mich sehr verändert», sagt er. «Ich lache nicht mehr, habe keine Freude mehr am Leben.»

      40 Nationalitäten, 18 Sprachen

      Auf die Frage, warum er so oft versucht habe, sich das Leben zu nehmen, antwortet er ausweichend. Er habe sich Sorgen gemacht, um die Familie, die Gesundheit der Mutter, das Geschäft des Bruders und um seine «eigenen Probleme». Die Suizidversuche in Guantanamo begannen jedoch, nachdem man ihn, ohne Erklärung, für einen Monat in eine Isolationszelle gesteckt hatte – aber nicht weil er gegen irgendwelche Vorschriften verstossen hatte, sondern weil die Amerikaner keine andere Unterbringungsmöglichkeit hatten. Im «India Block», wie die Strafabteilung genannt wird, «gab es keine Fenster. Vier Wände und ein Dach aus Blech, eine Glühbirne und Klimaanlage. Die Klimaanlage wurde angestellt, es war unwahrscheinlich kalt. Morgens wurde die Glühbirne herausgeschraubt und abends wieder eingeschraubt. Einen Monat verbrachte ich in dieser Zelle. Auf die Frage, ob das eine Strafe sei, antwortete der Dolmetscher: ‹Nein, das hat der General angeordnet.›» Mohammed bekam wegen seiner labilen Verfassung ein unbekanntes Mittel injiziert, gegen seinen Willen. «Sieben, acht Leute hielten mich fest, während sie mir die Spritze gaben. Ich konnte nicht zu Boden schauen, nicht hochschauen. Einen Monat war ich wie gelähmt, ich konnte nicht denken, nichts. Sie haben mir Beruhigungstabletten gegeben und nur gesagt: Dein Gehirn funktioniert nicht richtig. Sie haben mir diese Medikamente und Spritzen gegen meinen Willen gegeben. Einige von uns bekamen jeden Monat eine Spritze.»

      Wer wissen will, wie der Alltag im US-Gefangenenlager Guantanamo aussieht, kann sich eigentlich nur an die wenigen mittlerweile entlassenen Häftlinge wenden, fast durchweg Pakistaner und Afghanen. Journalisten dürfen das Lager besichtigen, haben aber, ebenso wie Familienangehörige, Anwälte und Menschenrechtsaktivisten, keinen Zugang zu den Inhaftierten selbst. Doch die Aussagen dieser Ex-Häftlinge, dazu einige wenige Informationen aus zensierter Post, offizielle Erklärungen und Äusserungen von Wärtern und anderen Personen, die im Lager waren, fügen sich zu einem Bild. In den zwei Jahren seines Bestehens hat sich dieses hastig und provisorisch eingerichtete Lager zu einem Bastard des Völkerrechts entwickelt.

      Die ausländischen Insassen bekommen dort die ganze Härte der US-Justiz zu spüren, geniessen keines der Rechte, wie sie amerikanischen Häftlingen zustehen. Dazu kommt die psychologisch verheerende Aussicht auf zeitlich unbegrenzte Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren und Einspruchsmöglichkeit. Eine der wenigen politischen Äusserungen, die der Aufmerksamkeit des Zensors entgingen, findet sich auf einer Postkarte, die der französische Häftling Nizar Sassi im August 2002 an seine Familie schrieb: «Wenn man Guantanamo definieren wollte: Hier ist man völlig rechtlos.»

      Nach den Anschlägen vom 11. September reagierte die US-Regierung schnell. Binnen 26 Tagen fanden die Luftangriffe in Afghanistan statt, Kabul fiel binnen neun Wochen. Elf Wochen später war der Widerstand der Taliban und ihrer nichtafghanischen Verbündeten in Nordafghanistan gebrochen. Während sowohl Osama Bin Laden als auch dessen Taliban-Mitstreiter Mullah Omar flüchtig blieben und auch das Terrornetzwerk al-Qaida längst nicht zerschlagen war, errichteten die Amerikaner auf einer karibischen Insel ein Sammellager. Dorthin wurden Personen aus der ganzen Welt verfrachtet, die man als Terroristen verdächtigte.

      Da die rund 660 Häftlinge von Guantanamo keine Stimme haben und die Amerikaner in keinem einzigen dieser Fälle eine Begründung für die Inhaftierung vorgelegt haben, verfügt die Aussenwelt nur über die Berichte von Familienangehörigen und die pauschale US-Definition «feindlicher Kombattant». Die meisten wurden in Afghanistan verhaftet, viele wurden aber von anderen Ländern an die US-Behörden ausgeliefert. «Es ist eine äusserst heterogene Gruppe. Etwa vierzig Nationalitäten, achtzehn verschiedene Sprachen», sagt der Gerichtspsychiater Daryl Matthews, der im Mai eine Woche in Guantanamo war. «Auf der einen Seite die Arabisch-Sprechenden, auf der anderen die Urdu- beziehungsweise Paschtu-Sprechenden. Es gibt hochgebildete und völlig Ungebildete. Manche sind blutjung, manche sehr alt und weise. Manche sprechen ausgezeichnet Englisch, andere überhaupt nicht. Manche sind sehr religiös, manche völlig säkular.»

      Zum Beispiel Mohammed und Razaq

      Viele Häftlinge, darunter auch die wenigen, die seitdem freigelassen wurden, geben an, zum Zeitpunkt ihrer Festnahme keiner militärischen Aktivität nachgegangen zu sein. Mohammed arbeitete als Bäcker für die Taliban, Razaq war Bote. Die beiden wurden von der Nordallianz in Nordafghanistan festgehalten, von US-Sondereinheiten oder CIA-Angehörigen verhört, dann nach Kandahar geflogen, wo sie wochen- oder monatelang festgehalten und von wo sie schliesslich nach Guantanamo geschafft wurden. Razaq ist überzeugt, wie er mir in seinem ersten Gespräch mit einem Journalisten erklärte, dass er nur wegen seiner Englischkenntnisse nach Guantanamo gekommen sei. Im überfüllten Gefängnis Shebergan, wo ihn die Nordallianz gefangen gehalten habe, seien die pakistanischen, arabischen und usbekischen Häftlinge gefragt worden, wer von ihnen Englisch spreche. Razaq meldete sich. Man führte ihn mit gefesselten Händen in einen kleinen Raum, in dem zwei Amerikaner sassen. Das Verhör dauerte drei, vier Minuten und bestand aus zwei Fragen: «Wie heisst du? Warum bist du nach Afghanistan gekommen?» Dann wurde er wieder hinausgeführt. Er konnte gerade noch eine Gruppe gefesselter Männer mit verbundenen Augen sehen, bevor ihm selbst die Augen verbunden wurden. Sie alle wurden zu einem Flugfeld gebracht und nach Kandahar geflogen. Zwischen seinen Vernehmern und den Soldaten, die ihm die Augen verbanden, sei kein Wort gefallen. Die Amerikaner hätten also schon beschlossen, ihn nach Kandahar zu bringen, weil er Englisch sprach – ganz gleich, was bei seinem Verhör herausgekommen sei.

      Ein zweiter entlassener Pakistaner, Mohammed Saghir, 53 Jahre alt, erklärt, dass er in Shebergan nicht einmal verhört wurde. Man habe ihn, gefesselt und mit verbundenen Augen, in einem Helikopter nach Kandahar geflogen. Shah Mohammed wurde in einem Gefängnis in Mazar-i-Scharif, unweit Shebergan, gefangen gehalten, bevor er nach Kandahar kam. Dort begegnete er einem Australier namens Hicks. Schon bald zeigte sich, dass die Gefangenen – offenbar je nach Nationalität und Hautfarbe – unterschiedlich behandelt wurden. «Ich habe mit dem Australier gesprochen, er konnte ein bisschen Urdu», sagt Mohammed. «Er sagte, er sei gekommen, um am Dschihad teilzunehmen. Die Amerikaner haben ihm viele Fragen gestellt, mehr als uns. Er wurde auf ein Schiff gebracht, mich brachten sie nach Kandahar.» Mohammed sollte Hicks in Guantanamo wiedersehen.

      Die Freigelassenen berichten, wie brutal sie in Kandahar behandelt wurden. «Die Amerikaner sind extrem hart mit den Leuten umgegangen, die sie abtransportiert haben», sagt Razaq. «Mir haben sie die Hände so straff gefesselt, dass ich die rechte Hand zwei Monate lang nicht benutzen konnte. Sie haben uns aus dem Flugzeug rausgeworfen. Wir wussten lange nicht, dass wir in Kandahar waren. Wir dachten, sie würden uns dort töten.» «Sie haben uns einfach gepackt und aus dem Flugzeug rausgestossen», sagt Saghir. «Manche haben sich dabei verletzt, zum Teil schwer.»

      Die Unterbringung in Kandahar war sehr primitiv. Die Gefangenen schliefen in kleinen Gruppen auf der blanken Erde unter Zeltplanen, umgeben von Stacheldraht und ständig beobachtet. Jeder erhielt eine Decke. Es war Winter. Das Wasser, das sie in Plastikflaschen zu trinken bekamen, war morgens gefroren, sagt Razaq. In den ersten zwanzig Tagen waren Gespräche streng verboten. Niemand, sagt Saghir, durfte länger als eine Stunde schlafen. Die Gefangenen wurden regelmässig vernommen, mit langen Abständen zwischen den Verhören. Mohammed sagt: «Wir haben die Amerikaner gefragt: ‹Warum haltet ihr uns fest?› Sie antworteten: ‹Wir werden euch verhören, und wer sich als unschuldig erweist, kommt frei.› Niemand hat uns gesagt, dass sie uns nach Kuba bringen würden.»

      Hungerstreiks und Zwangsernährung

      Razaq hat Kandahar als einer der Letzten verlassen. Er sah, wie sich das Lager leerte. Seine Aussage legt die Vermutung nahe, dass die Amerikaner die nach Kandahar überstellten Gefangenen offenbar nur nach Guantanamo schicken konnten. «Ich weiss nicht, warum sie mich verdächtigt haben, aber Gerüchten zufolge hielten sie mich für einen hohen Vertreter des Taliban-Regimes», sagt Razaq. «Bei meinem letzten Verhör in Kandahar gab mir der amerikanische Vernehmer aber Wasser zu trinken und versicherte mir, dass ich freigelassen würde. Mehrmals wurde mir dies versprochen. Ich hatte keine Ahnung, wohin die Leute kamen, die aus dem Lager verschwanden. Wir haben das Rote Kreuz gefragt, aber die haben uns nichts gesagt. Ich war in der letzten Gruppe, die nach Kuba kam.»

      Vor dem Abtransport wurde den Gefangenen der Bart abrasiert. Das geschehe, erfuhr Razaq, weil die Gefangenen Läuse bekommen hätten. «Wir wehrten uns, aber vier, fünf Soldaten hielten uns fest, sie hatten ein Instrument dabei, mit dem sie uns einfach den Bart schoren», sagt Saghir. Für den Flug bekamen die Gefangenen die orangefarbenen Overalls, die von Fernsehbildern ihrer Ankunft in Guantanamo bekannt sind. Sie wurden an Händen und Füssen gefesselt, man verband ihnen die Augen, knebelte sie und verstopfte ihnen sogar die Ohren. An Bord des Militärflugzeugs wurden die Füsse angekettet, die Hände auf den Lehnen festgebunden, sie selbst festgeschnallt. «Der Dolmetscher sagte: ‹Bleibt ruhig sitzen, seid unbesorgt, ihr kommt nach Hause.›», sagt Mohammed. «Irgendwann in der Nacht verliessen wir Kandahar, abends kamen wir in Kuba an. Irgendwo war ein Zwischenstopp, wo wir in ein anderes Flugzeug umstiegen.»

      Auf Kuba, sagt Saghir, wurden die Gefangenen, gefesselt und mit verbundenen Augen, aus dem Flugzeug geworfen. Manche brachen sich die Nase. «Ich hatte einen Bluterguss unter dem linken Auge, wo ich mit dem Gesicht aufgeprallt bin.» Die ersten Gefangenen wurden vom Rollfeld zu einem Lastwagen geschafft, von dort zu einem Boot, das sie auf die andere Seite der Bucht brachte, und dann ging es weiter in das Camp X-Ray, in die kahlen Drahtkäfige, die in den ersten Monaten des Jahres 2002 ihre Unterkunft waren.

      Die ersten Fotos von gefesselten, geknebelten Menschen in leuchtend orangefarbenen Overalls wurden eine mächtige Waffe in den Händen all jener, die den amerikanischen Krieg gegen den Terrorismus ablehnten. Ein Staat, der nichts von einem internationalen Strafgerichtshof wissen wollte, errichtete hier ein brutales internationales Gefängnis – das schienen die Fotos auszudrücken. Die bizarre Lage von Guantanamo selbst, dieser befestigte amerikanische Brückenkopf auf einem der letzten Vorposten des Kommunismus, verstärkte den Eindruck, dass die Gefangenen an einem völlig isolierten Ort gelandet waren.

      In den ersten Wochen von Camp X-Ray ging es noch härter zu, als es die Fotos von den engen Käfigen nahe legten. Die Gefangenen durften nicht miteinander sprechen, nicht einmal flüstern. «Den ersten Monat habe ich in völligem Schweigen verbracht», sagt Mohammed. In der Anfangsphase wurde auf die islamischen Gebetsvorschriften keine Rücksicht genommen. «In den ersten sechs Wochen durften wir mit niemandem sprechen und auch nicht beten», sagt Saghir. «Für die Mahlzeiten hatten wir nur zehn Minuten. Als ich einmal beten wollte, kamen vier, fünf Mann und schlugen mich. Nach sechs Wochen machten wir Hungerstreik.»

      US-Offizielle in Guantanamo räumen ein, dass es tatsächlich zu Hungerstreiks kam und manche Häftlinge zwangsernährt wurden – doch aus Sicht der Häftlinge waren es erfolgreiche Proteste. Laut Saghir wurde das absolute Redeverbot erst nach einem massiven viertägigen Hungerstreik aufgehoben, ein Lautsprecher wurde angebracht, mit dem zum Gebet gerufen wurde, für die Mahlzeiten wurde mehr Zeit gelassen. Und es wurden Exemplare des Korans und andere Bücher verteilt.

      Keine Informationsmöglichkeiten

      Mohammed berichtet von einem achttägigen Hungerstreik, der stattfand, nachdem ein Wärter einen Koran auf die Erde geworfen hatte. Am Ende entschuldigte sich ein Vorgesetzter und versprach, dass derlei nicht wieder passieren werde. Für Razaq gehörten Proteste zum Lageralltag. «Anfangs gab es einen Massenhungerstreik, später waren es nur Einzelne, die das Essen verweigerten.» Manchmal rissen die Insassen ihre Plastikschilder mit der Häftlingsnummer ab und warfen sie den Wärtern vor die Füsse oder schlugen auf die Bänke. Manchmal reagierten die Wärter mit dem Einsatz von Tränengas.

      Das Leben in X-Ray wurde leichter, nachdem das Sprechverbot aufgehoben war. Die Insassen sollten also miteinander reden können, aber sie wurden so verteilt, dass nicht allzu viele eine Gruppe bildeten, die eine Sprache sprachen. Mohammeds unmittelbare Nachbarn waren Hicks, ein Bangladescher, zwei Araber, an deren Namen er sich nicht mehr erinnert, sowie Rokhanay, ein Nordafghane. Etwas weiter entfernt waren Asif Iqbal aus England, der Araber Abu Nakar sowie zwei Südafghanen, Wasiq und Nurullah. «Asif hatte einen Vorteil, weil er mit den Amerikanern Englisch sprechen konnte. Er war sozusagen mein Dolmetscher. Er war auf Besuch nach Pakistan gekommen und nach Afghanistan weitergereist, wollte sich aber dort nicht an Kämpfen beteiligen. Er hat die Wärter von Zeit zu Zeit beschimpft. Aber die Amerikaner haben nicht reagiert. David Hicks konnte etwas Urdu, also habe ich mit ihm gesprochen, und er hat es an Asif weitergegeben.»

      In Guantanamo gibt es keine Informationsmöglichkeiten. Die Häftlinge wissen nicht, was draussen in der Welt passiert. Kontakt haben sie, abgesehen von den Wärtern und Vernehmern, nur mit Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes und gelegentlichen Besuchern von Geheimdiensten und diplomatischen Vertretern ihrer jeweiligen Länder. Das IKRK äussert sich nicht über die Verhältnisse in Guantanamo, und überhaupt ist kaum etwas über das Lagerleben nach draussen gedrungen.

      Schwedische Aktivisten, die sich für die Entlassung eines Häftlings eingesetzt haben, konnten sich dank der schwedischen Informationsrechte Zugang zu der zensierten Version des Berichts des Geheimdienstoffiziers Bo Eriksson verschaffen, der Guantanamo im Februar 2002 gemeinsam mit einem anderen Schweden besucht hatte. Aus diesem und anderen Dokumenten geht hervor, dass bei den Gesprächen zwischen den Schweden und dem Häftling ein eigens herbeibeorderter schwedischsprachiger US-Offizier anwesend war. Und trotzdem verlangten die Amerikaner eine Kopie von Erikssons Bericht. Eriksson schrieb: «Die Zellen sind ca. 2 · 3 Meter gross, die Wände sind aus Maschendraht, der Boden ist aus Beton, die Decke aus Metall. Im Innern haben die Häftlinge eine Matratze, eine Decke, ein Handtuch, zwei Eimer und Wasserflaschen aus Plastik. Ausserhalb ihrer Zellen tragen die Häftlinge orangefarbene Overalls und Plastiksandalen. Innerhalb der Zellen können sie sich frei bewegen, aber ausserhalb tragen sie Hand- und Fussschellen. Die Handschellen sind am Gürtel befestigt, so dass sie Hände und Arme nur eingeschränkt bewegen können. Mit seinen Handschellen konnte der Häftling nur sehr mühsam Wasser aus einem Becher trinken. Die Fussfesseln lassen nur ganz kleine Schritte zu. Ein Wärter legt dem Gefangenen eine Hand auf den Nacken, drückt den Kopf herunter, so dass der Betreffende die ganze Zeit zu Boden schaut. Die Gefangenen werden nicht gefoltert oder anderweitig entwürdigend behandelt. In den Maschendrahtzellen sind sie keinen Moment unbeobachtet. Einmal hatten Insassen eine Plastikverkleidung an den Draht gehängt, um sich vor Blicken zu schützen, doch sie mussten sie wieder entfernen, weil es trotz des kühlen Meereswinds unerträglich heiss wurde.»

      «Richtige» Antworten werden belohnt

      Im April 2002 wurde Camp X-Ray geschlossen. Die Häftlinge wurden nach Camp Delta verlegt. Ihre Bärte wuchsen wieder. Die neue Unterkunft, bis heute der Hauptteil des Lagers, besteht aus Blöcken zu je 48 Käfigen, zwischen denen ein schmaler Gang verläuft. Die Blöcke haben keine Aussenwände, nur ein schräges Dach; sie stehen auf Betonplatten, und das ganze Areal ist umgeben von hohen, undurchsichtigen grünen, stacheldrahtbewehrten Zäunen. Die Käfige sind so lang und breit wie ein ausgewachsener Mann, sie sind ausgestattet mit einer Metallpritsche, einem Wasserhahn und einer Toilette. Neben diesem Standardtyp gibt es noch mindestens sechs andere Käfigarten.

      In Camp Four, wo gefügige, kooperationswillige Häftlinge untergebracht sind, geht es etwas lockerer zu. Die Häftlinge können sich in den schlafsaalähnlichen Unterkünften frei bewegen. Innerhalb von Camp Four gibt es eine weitere Kategorie von Gefangenen, die zur Vorbereitung auf ihren bevorstehenden Prozess von den anderen isoliert werden.

      In Camp Delta gibt es eine besondere Abteilung für drei jugendliche Häftlinge, deren Haftbedingungen weniger hart sind. Ausserdem gibt es Block Delta, wo psychisch auffällige Häftlinge unter besonderer Beobachtung stehen, sowie den India Block und vielleicht noch einen weiteren Block mit Einzelhaft-Strafzellen. Einige wenige Gefangene, vermutlich zwischen zwei und fünf, werden in einem Hochsicherheitstrakt in Camp Delta in ständiger Isolationshaft gehalten.

      Mohammed, Saghir und Razaq haben allesamt Bekanntschaft mit den Strafzellen gemacht. Saghir sagt, er habe mehr als eine Woche in einem der fensterlosen Metallkästen zugebracht, nachdem ein Araber einen der Wächter angespuckt hatte und die gesamte Reihe von 24 Käfigen mit Einzelhaft bestraft wurde.

      Dass die Häftlinge so lange in Isolation gehalten werden, wird offiziell unter anderem damit begründet, dass sie als wichtige Informationsquellen verhört werden müssen. Es haben ausserordentlich viele Verhöre stattgefunden: Jeder Gefangene wird üblicherweise zwischen zehn- und zwanzigmal verhört, das entspricht, bei einer durchschnittlichen Verhördauer von neunzig Minuten, etwa 15000 Stunden Verhörprotokollen, vielleicht 200 Millionen Wörtern oder dem Umfang von 250 Bibeln. Die Häftlinge sagen aber ausnahmslos, dass sie jedesmal von einer anderen Person verhört und ihnen jedesmal dieselben Fragen gestellt wurden.

      Das Vernehmungszimmer beschreiben die Häftlinge als ein kleines fensterloses Zimmer mit Klimaanlage und Neonlicht an der Decke. Ein, zwei oder drei Amerikaner stellen Fragen, nötigenfalls über einen Dolmetscher. An Mobiliar gibt es nur einen Holztisch mit Metallbeinen und Metallstühle. Die Verhöre werden auf Band aufgenommen und protokolliert. Auf dem Boden gibt es einen Metallring, an dem die Häftlinge fixiert werden. Saghir sagt: «Sie fragen beispielsweise: ‹Wo ist Osama? Kennst du einen Anführer von al-Qaida? Bist du ihnen persönlich begegnet?› Meine Antworten haben sie nicht kommentiert. Und wenn ich sie fragte, antworteten sie: ‹Wir wissen nicht, wann du freikommst. Das wissen nur unsere Chefs, wir tun hier nur unsere Arbeit.›»

      Manchmal hatte es den Anschein, als sollten die Häftlinge Mitgefühl mit den Opfern des 11. September erkennen lassen. Saghir erfuhr einmal von einem Dolmetscher, dass er mit einer «richtigen» Antwort seiner Entlassung näher gekommen sei. «In meinem letzten Verhör wurde ich gefragt: ‹Würdest du die Leute, die die Zwillingstürme angegriffen haben, als Muslime bezeichnen?› Ich antwortete: ‹Nein, aber ich bin kein Religionsgelehrter. Ich kann diese Leute nicht beurteilen.› Daraufhin sagte der Dolmetscher: ‹Du bist einen Schritt weiter. Für dich gibt es keine Verhöre mehr.›»

      Nach Aussage der entlassenen Häftlinge hat es nach Kandahar keine Folter gegeben, nicht einmal aggressives Verhalten seitens der Vernehmer, doch Razaq sagt, dass Häftlinge, die auf bestimmte Fragen keine Antworten gaben, zur Strafe in Einzelhaft gesteckt wurden. Manche Verhöre scheinen eher mentalen Spielchen zu gleichen. Einmal wurde Razaq faktisch erklärt, dass er frei sei. «Also, deine Akte ist okay. Wohin sollen wir dich bringen?» Razaq antwortete hoffnungsvoll: «Peschawar?» Sofort wurde er weiter verhört, sogar einem Lügendetektortest unterzogen. «Vielleicht gehört das zu ihren Methoden», sagt Razaq. «Zuerst bringen sie mich dazu, mich zu freuen, und dann geht alles wieder von vorn los.»

      Die Gefängnisindustrie

      Guantanamo ist ein trostloser, bedrückender Ort. Aber für Europäer, die die Sicherheitsmassnahmen, die Ketten und die demütigenden Käfige, irritierend finden, ist vielleicht nicht auf den ersten Blick klar, dass es nicht viel anders zugeht als in einem rauen US-Gefängnis. Wenn man sich nur auf die äusseren Bedingungen konzentriert, besteht die Gefahr, dass man die Besonderheit von Guantanamo aus den Augen verliert: Dort werden auf Anordnung von Präsident Bush in für westliche Verhältnisse beispiellos willkürlicher Weise Hunderte von Personen gefangen gehalten, die weder wissen, wie lange ihre Haft dauert, noch ihren Fall vor einem Gericht darlegen können. Ebendies finden Juristen in Amerika und Europa so besorgniserregend. Es sind vor allem diese Verhältnisse, unter denen die Gefangenen und ihre Angehörigen am meisten leiden. Und die eigenartigen Gebilde, die das Pentagon zur Aburteilung einiger Häftlinge eingerichtet hat, die Militärkommissionen, bereiten offenbar selbst den Militärverteidigern Kopfzerbrechen.

      «Die amerikanischen Gefängnisse sind eine grosse Industrie», sagt Daryl Matthews. «Wir stecken viele Leute hinter Gitter. Kaum jemand weiss, wie viele Gefängnisse es gibt und welch schlimme Verhältnisse dort herrschen. Leuten, die als besonders gefährlich gelten, werden Ketten angelegt. Ich war in US-Gefängnissen, die sehr viel sicherer sind als Guantanamo. Ich habe auf dem Festland mit maskierten und gefesselten Leuten gesprochen. Diese Gefängnisse sind schreckliche Orte. Ich glaube nicht, dass es den Insassen von Guantanamo in erster Linie um die Haftbedingungen geht. Aber es geht um Menschenrechte.»

      Matthews, ein Gegner der Todesstrafe, tritt bei Strafprozessen als psychiatrischer Berater auf. Er weiss nicht, ob er es mit seinem Gewissen vereinbaren könnte, seine Dienste auch den Militärkommissionen anzubieten, die über die Guantanamo-Häftlinge urteilen sollen. Die Kommissionen können die strengsten Urteile sprechen, einschliesslich Todesstrafe. Anders als Vergewaltiger, Kindesentführer und Serienmörder, anders als Timothy McVeigh, der Oklahoma-Bomber, anders als Sowjetspione während des Kalten Krieges oder Nazi-Kriegsverbrecher, selbst anders als der Schuhbomber Richard Reid, der sich als Al-Qaida-Anhänger zu erkennen gab, wissen die Hunderte von Häftlingen in Guantanamo nicht, weshalb sie seit zwei Jahren festgehalten und wann sie, wenn überhaupt, freigelassen werden, ob man ihnen den Prozess machen wird oder ob sie jemals die Chance haben, ihren Status vor einem ordentlichen Gericht anzufechten. Matthews weist darauf hin, dass diese Isolation und Ungewissheit eine ungeheure Last für die Häftlinge ist. «Belastungen gibt es auch in jedem Hochsicherheitsgefängnis in den USA. Die Insassen langweilen sich, sie haben keine Privatsphäre. Sie können sich etwas bewegen, aber nicht sehr viel. Sie sind mit Fremden konfrontiert, die ihnen nicht wohlgesinnt sind, mit Wärtern und anderen Insassen. Sie haben keinen Zugang zu persönlichen Dingen. Das Häftlingsdasein ist furchtbar... Wenn ich von den britischen Gefangenen lese, deren Angehörige sich Sorgen machen, dass Häftlinge gefoltert werden, weil sie Depressionen haben, dann würde ich diesen Angehörigen gern sagen, dass man im Gefängnis auch ohne Folter Depressionen bekommt. Schon eine normale Gefängnisumgebung führt zu tief greifenden seelischen Veränderungen, zu Depression und gar zu Selbstmord. In Guantanamo gibt es aber noch eine zusätzliche, ganz besondere Belastung: Gefangene in normalen Haftanstalten denken daran, wie lange sie noch absitzen müssen, sie denken an das nächste Gespräch mit ihrem Anwalt, was sie tun können, um bald herauszukommen. Das sind wichtige Möglichkeiten, mit dem Haftstress fertig zu werden. Die Leute in Guantanamo können da überhaupt nichts machen.»

      Uniform als Killer-Kriterium

      Nach den Anschlägen vom 11. September zeigte sich, dass Bush und Justizminister Ashcroft dazu neigten, das Böse mit gnadenloser Justiz zu bekämpfen. Sie forderten die Richter auf, möglichst strenge Urteile zu sprechen, und sahen in Anwälten Hindernisse. Die «Krieg gegen den Terror»-Rhetorik passte zu dem rechten Politikverständnis, wonach rückgratlose Liberale, die für die Rechte von Angeklagten eintreten, die Opfer von Gewaltverbrechen verraten. Ashcroft machte die Parallele deutlich, als er darauf hinwies, dass die Regierung im Kampf gegen den Terrorismus genauso vorgehe wie bei der Verbrechensbekämpfung. «Fast zwei Jahrzehnte predigten einige Leute in Washington Defätismus und Kapitulation im Kampf gegen Drogenschmuggler, Kriminelle und Gesetzesbrecher. Sie glaubten, dass mit Strafverfolgung nichts auszurichten sei. Sie glaubten, wir seien dazu verurteilt, mit der zunehmenden Kriminalität zu leben. Sie argumentierten, dass Straftaten das Ergebnis von Umständen und Verhältnissen seien, auf die wir keinen Einfluss hätten... Wir haben die ideologischen Kritiker widerlegt. Wir haben bewiesen, dass die richtigen Ideen – strenge Gesetze, strenge Urteile und ständige Kooperation – stärker sind als der Straftäter oder die Terroristenzelle.»

      Ein Vorgeschmack dessen, wie die Regierung Bush «Defätismus und Kapitulation» bei der Verfolgung von Terroristen zu vermeiden gedachte, war die Verhaftung von mehr als eintausend ausländischen Muslimen unmittelbar nach dem 11. September. Technisch gesehen wurden sie wegen ungültiger Visa und Verstosses gegen andere Einwanderungsvorschriften festgehalten, doch gegen 762 Personen wurde wegen vermuteter Kontakte zu terroristischen Zellen ermittelt. Nur wenige, wenn überhaupt, wurden offiziell beschuldigt, aber alle kamen erst nach Wochen oder Monaten wieder frei. Wer in Brooklyn festgehalten wurde, durfte anfänglich nicht einmal Kontakt zu Anwälten oder Familienangehörigen aufnehmen, und manche berichteten von brutalen und rassistischen Übergriffen.

      Die Anordnung des Präsidenten, die die Grundlage für die Errichtung des Camps in Guantanamo war und derzufolge alle Personen, die wegen terroristischer Aktivitäten oder Kriegsverbrechen inhaftiert waren, von Militärkommissionen abzuurteilen seien, wurde am 13. November 2001 erlassen, dem Tag, als die Nordallianz Kabul eroberte. Nach dem unerwarteten Fall von Masar-i-Scharif wenige Tage zuvor war der Regierung schlagartig klar geworden, dass man auf Hunderte, vielleicht Tausende von Talibankämpfern Zugriff haben würde, unter denen sich Terroristen befinden könnten. Plötzlich stellte sich die Frage, welchen Status man diesen Gefangenen geben sollte, um sie verhören, beliebig lange festhalten und verurteilen zu können. Washington hätte seine Ziele durchaus unter Beachtung des Völkerrechts verfolgen können. Stattdessen schuf es sein eigenes Recht. Der erste Schritt, mit dem man sich von den internationalen Normen entfernte, war die Weigerung, die afghanischen Gefangenen als Kriegsgefangene zu betrachten.

      Ein Informant erzählte mir eine Geschichte, wonach Präsident Bush und seine Berater beim Studium der Genfer Konvention auf den Punkt stiessen, dass Kriegsgefangenen täglich ein Betrag zwischen 8 und 75 Franken zustehe. Da soll Bush die Beherrschung verloren und seinen Mitarbeitern aufgetragen haben, einen Weg zu finden, der die Möglichkeit bietet, diese Gefangenen nicht als Kriegsgefangene einzustufen. Offiziell versteckt man sich hinter der Tatsache, dass die afghanischen Widerstandskämpfer keine Uniform trugen. Es stimmt, die Taliban und die nichtafghanischen Kämpfer trugen keine Uniform, doch das bedeutet nicht, dass sie keine Kriegsgefangenen sind. In Artikel 5 der Dritten Genfer Konvention heisst es eindeutig: Jeder gefangen genommene Kämpfer, dessen Status ungeklärt ist, soll so lange als Kriegsgefangener betrachtet werden, bis über seinen Status von einem «kompetenten Tribunal» entschieden wurde.

      Während des Golfkriegs von 1991 und im Irak-Krieg haben die USA Hunderte solcher Tribunale abgehalten. Aber nicht in Afghanistan. Warum? Major John Smith, Militärstaatsanwalt jener Abteilung im Pentagon, die die bevorstehenden Prozesse gegen die Guantanamo-Häftlinge vorbereitet, erklärt, dass dies nicht erforderlich gewesen sei: «Für den Präsidenten stand ausser Zweifel, dass diese Personen nicht als Kriegsgefangene anzusehen und Tribunale daher nicht notwendig sind.»

      «Feindliche Kombattanten» überall

      Eugene Fidell, ein ehemaliger Militärverteidiger, heute Präsident des National Institute of Military Justice, ist der Ansicht, dass die Entscheidung, keine Tribunale abzuhalten, den hohen moralischen Anspruch Amerikas geschwächt habe. «Ob die Entscheidung des Präsidenten in Bezug auf Al-Qaida- oder Taliban-Angehörige richtig oder falsch oder sagen wir teilweise falsch war, sie stellte einen Scheideweg dar. Und der Weg, der dann beschritten wurde, hat unserem Ansehen in der Welt erheblich geschadet.»

      Selbst mit offiziellen Tribunalen hätten die Kriegsgefangenen verhört und vor Gericht gestellt werden können. Man hätte auch einige der kümmerlichen Figuren aussondern und ihnen Guantanamo ersparen können, wie etwa Mohammed Hagi Fiz, einem zahnlosen, gebrechlichen Afghanen in den Siebzigern, der im Oktober 2002 freigelassen wurde, oder Abdul Razeq, einem an Schizophrenie leidenden Afghanen, der im Mai 2002 mit Medikamenten für ein halbes Jahr entlassen wurde.

      Der amerikanische Standpunkt ist insofern merkwürdig, als die Guantanamo-Häftlinge zwar nicht im Sinne der Genfer Konvention, aber doch in bestimmter Hinsicht als Kriegsgefangene betrachtet werden – sie können bis Kriegsende festgehalten werden. Washington bezeichnet sie als «feindliche Kombattanten» – ein Terminus, der im Völkerrecht nicht anerkannt wird. Auf die Frage «Welcher Krieg?» antwortet die US-Regierung: Der Krieg gegen den Terror. Mit anderen Worten, die Gefangenen können so lange festgehalten werden, wie es Präsident Bush gefällt. Im Grunde auf unbestimmte Zeit, denn dieser Krieg, anders als normale Kriege, in denen es um ein Territorium und einen konkreten militärischen Gegner geht, existiert nur als Begriff.

      Den «Krieg» gab es ja schon vor dem 11. September (in fast jedem Jahr der letzten Dekaden waren US-Bürger oder US-Einrichtungen Ziel terroristischer Anschläge geworden). Und dass ein amerikanischer Politiker das Risiko eingeht und den «Krieg gegen den Terror» für beendet erklärt, ist kaum vorstellbar. «Jemanden als feindlichen Kombattanten festzuhalten, ist nicht verboten, man nimmt ihn aus dem Schlachtfeld heraus», sagt Militärstaatsanwalt Major Smith. «Wir führen Krieg gegen al-Qaida. Das ist ein realer Krieg, kein Krieg im übertragenen Sinn. Ich bin überzeugt, wir werden al-Qaida besiegen können. Es ist eine politische Situation und eine schwerwiegende Entscheidung, aber ich glaube, irgendwann werden wir sagen können, dass al-Qaida keine Bedrohung mehr für uns darstellt. Irgendwann werden al-Qaida und der Terrorismus besiegt sein.» Der Status «feindlicher Kombattant» und die Nichtanwendung der Genfer Konvention besagen jedoch, dass die Häftlinge von Guantanamo bis zum Ende eines potenziell endlosen Kriegs festgehalten werden, ohne die Chance, vor einem Gericht beweisen zu können, dass sie mit diesem Krieg nichts zu tun hatten. Da sich die USA nicht verpflichtet sehen, sie vor ein Gericht zu bringen, müssen sie ihnen auch keine Anwälte zur Verfügung stellen. Und selbst wenn jemand bei einem Verfahren freigesprochen würde, könnte man ihn einfach erneut festsetzen.

      «Unsere Regierung misst mit zweierlei Mass», sagt Anwalt James Harrington, der einen US-Bürger vertritt, der (nicht in Guantanamo) auf seine Verurteilung wegen Terrorismus wartet. «Wir sagen, es sind keine Kriegsgefangenen, und sie werden auch nicht als solche behandelt, und gleichzeitig sagen wir, wir führen Krieg. Wir müssen uns für eines entscheiden. Wenn wir verkünden, dass wir das beste Rechtssystem der Welt haben, sollten wir diese Leute nicht so unfair behandeln. Diese Burschen werden irgendwo aufgegriffen, in ein anderes Land verfrachtet, festgehalten, aber nicht in den USA, so dass sie nicht dieselben Rechte wie in den USA haben, und werden nach Bestimmungen behandelt, die die Regierung zu ihrem eigenen Nutzen erlassen hat.»

      Die Art und Weise, wie die US-Regierung mit dem Begriff «feindlicher Kombattant» umgeht, erfüllt Anwälte und Menschenrechtsaktivisten mit grosser Sorge. Inzwischen, so scheint es, kann jeder, ob US-Bürger oder nicht, jederzeit zum «feindlichen Kombattanten» erklärt und damit auf unbestimmte Zeit festgehalten werden. Dieser Status schleicht sich sogar auf dem Festland ein.

      Allmächtiger Wolfowitz

      Mittlerweile sitzen schon drei «feindliche Kombattanten» in US-Militärgefängnissen. Einer ist Ali Saleh Kahlah al-Marri, ein katarischer Student in Illinois, der wegen einfacher Straftaten (mit nur indirektem terroristischem Hintergrund) festgenommen worden war. Als sich zeigte, dass der Staatsanwalt Mühe mit der Anklage hatte, wurde al-Marri zum «feindlichen Kombattanten» erklärt und sofort in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt. Nun konnte der Prozess ausgesetzt und der Angeklagte für unbestimmte Zeit festgehalten werden.

      Laut Präsident Bushs Verfügung vom 13. November 2001 sollen alle «feindlichen Kombattanten» human behandelt werden, Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Geburt, Reichtum oder ähnliche Kriterien sollen keine Rolle spielen. Dieses Bekenntnis lässt sich aber kaum mit der höchst unterschiedlichen Behandlung von drei Personen vereinbaren, die als angebliche Talibankämpfer verhaftet wurden. Der einzige weisse Amerikaner in dieser Kategorie, John Walker Lindh, wurde vor ein ordentliches Gericht gestellt und verurteilt. Ein zweiter Amerikaner, allerdings von saudischer Herkunft, Yasser Hamdi, wurde von Guantanamo in ein Marinegefängnis in den USA verlegt und wird dort noch immer als «feindlicher Kombattant» isoliert festgehalten. Mohammed Tariq, ein Pakistaner aus Shah Mohammeds Dorf, ist noch immer in Guantanamo. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, er könnte etwas getan haben, was Lindh oder Hamdi nicht getan haben. Die Spekulationen über eine bevorstehende Entlassung europäischer Häftlinge, so willkommen sie auch ist, unterstreichen nur die willkürliche Behandlung der Häftlinge.

      Nichts zeigt den neuen Umgang der US-Behörden mit Verdächtigen und die unfaire Behandlung der Guantanamo-Häftlinge besser als der Fall der «Lackawannna Six» – einer Gruppe von jemenitischen Amerikanern aus Buffalo, die der Unterstützung von al-Qaida beschuldigt wurden. Am Ende plädierten alle auf «schuldig» – aber erst, nachdem die Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen hatte, dass man die Angeklagten andernfalls als «feindliche Kombattanten» bezeichnen werde. «Natürlich hat uns das nicht kalt gelassen», sagt Harrington, der Verteidiger eines der Angeklagten. «Ich finde dieses Vorgehen zweifelhaft.»

      Für die Angeklagten änderte sich letztlich nichts. Ihr Fall wurde weiterhin von einem Zivilgericht an ihrem Wohnsitz verhandelt, und sie hatten weiterhin ihre Anwälte.

      Die Häftlinge von Guantanamo haben diese Rechte nicht. Sie kommen vor Militärkommissionen und werden nach einem System abgeurteilt, das weltweit auf Ablehnung stösst, von amerikanischen Juristen abgelehnt wird und sogar von einigen der Militäranwälte, die in diesen Kommissionen mitwirken, mit Missfallen betrachtet wird. Um Vorbilder für die Kommissionen zu finden, musste die US-Regierung sechs Jahrzehnte zurückgehen, in eine Zeit, als die Genfer Konvention noch nicht existierte, und zwei Nazi-Agenten-Fälle ausgraben.

      Mindestens zwei andere Optionen hätten sich angeboten – die zivilen Gerichte, vor denen in der Vergangenheit Terroristenfälle (der Anschlag auf das World Trade Center 1993) verhandelt wurden, und Kriegsgerichte, vor denen sich beispielsweise der abgesetzte panamaische Diktator Noriega verantworten musste. Warum Militärkommissionen? Die Regierung Bush rechtfertigt ihre Entscheidung damit, dass den Guantanamo-Häftlingen wegen vermuteter «Kriegsverbrechen» der Prozess gemacht werden soll und dass die Kommissionen die Gewähr dafür bieten, dass geheime Informationen nicht an die Öffentlichkeit dringen.

      Kritiker bezeichnen beide Argumente als nicht stichhaltig und sagen, dass die Militärkommissionen in Wahrheit deswegen eingesetzt werden, weil sie die Möglichkeit bieten, kurzen Prozess zu machen. Kritisiert wird vor allem, dass der Staat die Gespräche zwischen Verteidiger und Mandant überwachen lässt und dass die Angeklagten nach einer Verurteilung durch eine Militärkommission keine Möglichkeit haben, vor einem unabhängigen Gericht Berufung einzulegen.

      Aber es gibt noch weitere Aspekte, die sich geradezu kafkaesk ausnehmen. Das Erste, was einem Beobachter der Militärkommissionen auffällt, ist die enorme Macht des stellvertretenden US-Verteidigungsministers. Paul Wolfowitz ernennt die Mitglieder der Kommissionen. Er kann jeden Richter – noch im letzten Moment – durch einen anderen ersetzen. Er ernennt die Militärstaatsanwälte. Er bestimmt, wer vor diesen Kommissionen erscheint und welche Anklage erhoben wird. Jeder Angeklagte erhält einen Verteidiger – aus einem Pool, der von Wolfowitz nominiert wird. Jeder Angeklagte darf einen Zivilverteidiger hinzuziehen, den er aber aus eigener Tasche bezahlen muss, und er muss angeben, wo dieses Geld ist, und riskiert, dass es – auf Anweisung von Wolfowitz – wegen des Verdachts der Verwendung für terroristische Zwecke beschlagnahmt wird. Verurteilte Angeklagte müssen aber nicht alle Hoffnung aufgeben. Sie können sich an einen Ausschuss wenden, dessen drei Mitglieder von Wolfowitz ernannt werden. Die Empfehlung dieses Ausschusses wird zur endgültigen Entscheidung an Wolfowitz überwiesen.

      «So funktioniert das System», sagt der Anwalt Clive Stafford-Smith, der einige der britischen Guantanamo-Häftlinge vertritt. «Es ist eine vielköpfige Hydra, und jeder Kopf trägt das Gesicht von Paul Wolfowitz.»

      Angesichts der Hindernisse, die zivilen Anwälten in den Weg gelegt werden – der Betreffende muss US-Bürger sein, sich auf eigene Kosten überprüfen lassen, er muss seine Kanzlei aufgeben und für lange Zeit nach Guantanamo umziehen –, dürften es fast nur gewissenhafte Militärverteidiger sein, die vielen der Inhaftierten die Hoffnung auf einen fairen Prozess bieten. Unter den wenigen erfahrenen Militärverteidigern, die dem Pentagon zur Verfügung stehen, herrscht offenbar grosser Unmut. Sie empören sich über die Einschränkungen, die ihnen auferlegt werden, und verstehen nicht, warum die Regierung auf Präzedenzfälle in den vierziger Jahren zurückgegriffen hat und sechs Jahrzehnte Entwicklung der US-Militärgerichtsbarkeit ignoriert.

      Sechs Militärverteidiger arbeiten für das Office of Military Commissions im Pentagon. Namentlich bekannt ist nur der Chefverteidiger, Colonel Willie Gunn. Nach Erkenntnissen der britischen Tageszeitung Guardian sind die übrigen fünf nicht die ursprünglich berufenen Anwälte. Diese wurden entlassen, nachdem sie sich geweigert hatten, die Einschränkungen ihrer Tätigkeit hinzunehmen.

      «Im Frühjahr 2003 wurden Militärverteidiger gesucht», sagt einer der ursprünglichen Kandidaten. «Es gab ein Auswahlverfahren, und es wurden die richtigen Leute ausgewählt. Alles tüchtige, fähige Anwälte. Schon am ersten Tag erklärten mindestens zwei, dass sie mit diesen Einschränkungen ihre Mandanten nicht vernünftig verteidigen können. Auch die übrigen beschlossen dann, dass sie nicht mitmachen würden. Am nächsten Tag wurden sie gefeuert.»

      Das Office of Military Commissions bestreitet dies. «Derlei ist nie passiert», sagt Major Smith. «Die Militärkommission ist ein Instrument der Justiz.» Doch nach Erkenntnissen des Guardian scheint in der Kommission grosse Unzufriedenheit zu herrschen – eine beunruhigende Situation, da hier möglicherweise die Todesstrafe verhängt wird.

      Eugene Fidell sagt, dass die Militärjuristen – in der US-Armee gibt es etwa fünftausend aktive Pflichtverteidiger – empört sind über Alberto Gonzalez, einen Berater des Weissen Hauses, der in einem Zeitungskommentar erklärte, dass Militärjustiz und Militärkommissionen ein und dasselbe sind. Und Anwalt Clive Stafford-Smith: «Ein Militärstaatsanwalt sagte mir, dass vermutlich dreissig Prozent der Leute in Guantanamo keinen Dreck am Stecken haben. Sie waren einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Wenn der Staatsanwalt dreissig Prozent sagt, glaube ich eher an siebzig Prozent. Aber letzten Endes geht es nicht um 600 der übelsten Schurken auf der Welt, sondern um mindestens einige hundert, die überhaupt nichts getan haben. Man kidnappt Menschen, die vielleicht völlig unschuldig sind, schafft sie ans andere Ende der Welt, hält sie zwei Jahre gefangen, sagt ihnen nicht, was man ihnen vorwirft, und gibt ihnen keinen Anwalt. Die Frage ist nicht, was an diesem Verfahren falsch ist, sondern, was daran richtig ist.»

      Aus dem Englischen von Matthias Fienbork The Guardian

      http://www.weltwoche.ch/ressort_bericht.asp?asset_id=6727&ca…
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      Ein Staat, der jedem anderen Staat der Welt überlegen sein will, der muß keine solchen Methoden anwenden.

      USA - Ihr belügt euch doch selbst - wo es nur geht.
      Avatar
      schrieb am 08.01.04 23:36:43
      !
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      Avatar
      schrieb am 09.01.04 11:07:09
      Beitrag Nr. 3 ()
      Bei den Nürnberger Prozessen gab es Unterbrechungen, weil
      der Verteidiger eines Angeklagten krank geworden war.
      Der russische Ankläger protestierte dagegen und meinte:
      "Das ist ein Massenmörder, der braucht keinen Anwalt!"
      Der Einspruch scheiterte aber am amerikanischen Ankläger,
      der klar erklärte: "Jeder Angeklagte bekommt IMMER einen Anwalt!"
      Dieses Recht haben die Amerikaner definitiv abgeschafft
      und damit sind die KEINE Demokratie mehr.

      :cool: :cool: :eek: :( :mad:
      Avatar
      schrieb am 09.01.04 14:57:06
      Beitrag Nr. 4 ()
      #3

      Ich weiß zwar nicht, was das mit ,,Demokratie" zu tun hat - aber eines Rechtsstaats ist ein solches Verhalten sicher nicht würdig.
      Avatar
      schrieb am 26.01.04 22:39:12
      Beitrag Nr. 5 ()
      Wo endet das Recht?

      Einige rasten einfach aus, rennen mit dem Kopf gegen Zellenpfosten oder versuchen, sich das Leben zu nehmen. Hunderte von „Terroristen“ sitzen in einem US-Lager weitab von der Welt – ein Besuch in Guantanamo Bay.

      Von Volker Skierka,


      Guantanamo Bay


      Die Farbe Orange. Seit dem 11. September 2001 steht sie in Amerika für den Verlust von Freiheit. Als Synonym für ein Leben in ständiger Bedrohung. Bei Terroralarm der Stufe „Code Orange“ droht überall Gefahr. Und Reisen in den Zeiten von „Code Orange“ bedeutet: Jeder ist verdächtig. Doch als der Autor an einem Januarmorgen im Marinestützpunkt Jacksonville in Florida sein Ticket mit der Nummer „VS206804PRC000“ in die Hand gedrückt bekommt, weiß er, dass er keine Gefahr für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten darstellt. Schon vor Wochen musste sich sein Name auf eine Odyssee durch die Computer des Pentagon sowie der US-Sicherheits- und Geheimdienste begeben, ehe er die Erlaubnis erhielt, auf dem Militärflug BLM3 mitreisen zu dürfen. „Allein neun Tage dauerte es, bis Ihre FBI-Überprüfung vorlag“, wird ihm später jemand verraten. „Checked and cleared“, und „embedded“ in die von ihm unterschriebenen Verhaltensregeln der Public-Relations-Abteilung des US-Verteidigungsministeriums ist er schließlich unterwegs an ein für gewöhnliche Reisende verbotenes Ziel.


      Nach gut zwei Stunden Flug übers Meer landet die Boeing 737 auf der Leeward-Side jener malerischen Bucht in der Karibik, die Christopher Kolumbus auf seiner zweiten Reise 1494 entdeckt und „Puerto Grande“, „Großer Hafen“, getauft hatte. „Welcome To U.S. Naval Base Guantanamo Bay“, heißt es auf der am Rollfeld angebrachten Begrüßungstafel des Stützpunkt-Kommandeurs und Bürgermeisters – Navy-Captain Leslie McCoy. Guantanamo Bay, die 117 Quadratkilometer große, zur Hälfte aus Wasser und Sumpfland bestehende Basis der US-Marine ist seit über 100 Jahren eine amerikanische Exklave am Ost-Ende Kubas, der „Perle der Antillen“. Mit politischem und militärischem Druck hatte Washington 1903 der jungen kubanischen Republik dieses Landschaftsidyll abgetrotzt.


      Mit Ende des Kalten Krieges versank die einstige Versorgungsbasis der amerikanischen Atlantikflotte in einen Dornröschenschlaf. Bis der 11. September 2001 passierte und die amerikanischen Heimatschützer um US-Präsident George W. Bush in ihrem „globalen Krieg gegen den Terror“ eine neue, spektakuläre Verwendung für den verkümmernden Stützpunkt fanden. Sie machten Guantanamo Bay zum sichersten und abgeschiedensten Gefängnis ihrer Welt. „Derzeit sitzen etwa 660 verdächtige Terroristen und Taliban-Kämpfer mit 44 Nationalitäten in Camp Delta. Alle wurden in Afghanistan gefangen genommen. Der Jüngste ist zwölf, der Älteste 70 Jahre alt“, sagt General Geoffrey Miller, der Chef der 2200 männliche und weibliche Soldaten zählenden „Joint Task Force Guantanamo Bay“ (JFT-GTMO). Miller ist ein mittelgroßer, hochdekorierter Armeeoffizier mit festem Blick und einem Panzer aus Höflichkeit, Freundlichkeit, Eloquenz, Humor und auch Verständnis um einen harten Kern von Loyalität, Disziplin und festem Willen, der durch kein Mitleid angreifbar scheint. Er ist fest davon überzeugt, seine Häftlinge sind keine Unschuldslämmer. „Sie wurden bei den Vernehmungen von 8000 in Afghanistan Festgenommenen herausgefiltert.“


      Alles ganz entspannt

      Auf den ersten Blick wirkt Guantanamo Bay wie eine amerikanische Kleinstadt in der Karibik, die sich mit ihren typisch amerikanischen Vorortsiedlungen, einer Shopping-Mall und Selbstbedienungsrestaurants von McDonalds und Pizza Hut entlang der Bucht in die wellige Tropenlandschaft einschmiegt. Annähernd 7000 Militärs, Angehörige der US-Coast-Guard, Medizin-Personal, zivile Mitarbeiter, viele mit ihren Familien, leben hier. Die Atmosphäre ist entspannt, „Code Orange“ ist von einer anderen Welt. Es beschleicht einen der Verdacht, man sei in einer Fortsetzung der „Truman-Show“ gelandet. In dieser Filmsatire wird ein ahnungsloser Kleinbürger zum Opfer einer Heile-Welt-Show jenseits der realen Welt. Guantanamo Bay wirkt manchmal wie eine militarisierte Version des künstlichen „Seaheaven“.


      Die andere Wirklichkeit von Guantanamo Bay liegt hinter einer halbkreisförmigen Hügelkette im Osten des Stützpunktes versteckt. Über den steil zum karibischen Meer abfallenden Klippen steht Camp Delta als weitläufiger Komplex moderner Stahlkäfige mit bald 1000 Häftlingszellen. Als der Kleinbus mit den „embedded journalists“ durch die Straßensperren rumpelt und der Blick auf die in der Sonne metallisch glänzende Anlage frei wird, ist die erste Assoziation die eines Konzentrationslagers in höchster technischer Vollendung, auch wenn dieser Begriff sich hier verbietet, weil er seit Hitlers Holocaust besetzt und Guantanamo kein Todeslager ist. Aber schon von außen ist leicht zu erkennen, dass die Ingenieurskunst bei der Firma Brown & Root, die das Camp in Rekordzeit errichtet hat, auf solide Kenntnisse und Erfahrung baut. Die Firma gehört zum Halliburton-Konzern?, der überall im Geschäft ist, wo die Regierung Bush Kriege führt. Vor seinem Wechsel als Vizepräsident ins Weiße Haus hieß der Chef Dick Cheney.


      „Welcome inside Camp Delta“, ruft Camp-Superintendent Major Anthony Mendez. Der Weg zu Block Alpha, dem Vorzeigetrakt für Besucher, führt durch drei breite, meterhohe, mit dunkelgrünen Sichtblenden verhängte Sicherheitsschleusen aus verstärktem Maschendraht. Fotografieren ist verboten. Unter einem flachen Satteldach befinden sich links und rechts eines breiten Mittelgangs jeweils 24 karge Zellen. Die Zellenwände bestehen aus Stahlnetz-Elementen. Sie sind von allen Seiten einsehbar, auch für die Gefangenen. Sie dürfen auch miteinander reden, manchmal palavern sie lautstark durch den Block. Wenn die Meeresbrisen ausbleiben und es heiß und schwül wird, werden Ventilatoren angeworfen, die wie große, glänzende Kochtöpfe auf den Dächern sitzen. In den Türen sind in Höhe der Brust und der Fussgelenke Klappen angebracht, zum Anlegen der Hand- und Fußfesseln von außen und zum Hineinreichen der Verpflegung.


      Die Käfige sind kaum größer als ein gewöhnliches Doppelbett, haben eine Pritsche mit einer dünnen Matratze, ein im Boden eingelassenes Hockklo „asian style“ sowie ein Waschbecken in Kniehöhe. Mendez bittet in eine Musterzelle: Auf der Pritsche liegen ein Brettspiel, ein Koran, Gebetsutensilien, eine zusammengerollte Gebetsmatte und ein mehrteiliger „Jumpsuit“, wie Mendez die Häftlingskleidung nennt: Unterhose, Hose, T-Shirt, Hemd in leuchtendem Orange. Auf einmal bekommt „Code Orange“ etwas Wirkliches, Greifbares. Aber es fehlen Gesicht und Kontur. Die Taliban und Terroristen, die seit dem 11. September 2001 die Bedrohung dieses Landes verkörpern und in der signalfarbenen Kluft das Camp bevölkern, bleiben für die Journalisten weggeschlossen.


      Auch nachts ist das Licht in den Zellenblöcken an. Wer auf seiner Toilette sitzt, darf sich umständlich ein dünnes Tuch vor den Schambereich halten. Die im Mittelgang patrouillierenden Wachen lassen keinen der Insassen länger als 30 Sekunden aus den Augen. Es gibt nicht die geringste Intimität. Nur Anonymität. Die Häftlinge haben keine Namen mehr. Jeder ist nur eine „Individual Serial Number“. In kurzen Abständen werden die Zellen durchsucht. Ein Ausbruch ist unmöglich, erst recht als orangefarbene Zielscheibe.


      Alles voller Baumratten

      Genau zwei Jahre ist es jetzt her, dass die Bilder der ersten orangenen Taliban- und Al-Qaida-Verdächtigen in Camp X-Ray, um die Welt gingen. Camp X-Ray wurde nur von Januar bis April 2002 genutzt, es liegt nicht weit von Camp Delta in einer heißen Mulde versteckt. X-Ray hieß es, weil die Drahtgitterkäfige – ähnlich denen im moderneren und größeren Camp Delta – wie auf einem Röntgenschirm „durchsichtig“ waren. Es war unhygienisch und primitiv. Inzwischen überwuchern Schlingpflanzen und Unkraut das Lager, verwandelt die Natur die Zellen in grüne Lauben und überwuchert langsam auch die meterhohen, mit rasiermesserscharfen Stacheldrahtrollen bewehrten Maschendrahtzäune. Leguane, von denen es hier wimmelt, und vor allem Banana-Rats, eine Opossum-ähnliche Art Baumratten, die sich durch alles durchzubeißen verstehen und als echte Plage zu zehntausenden den Stützpunkt terrorisieren, haben sich jetzt als neue Bewohner auf den verlassenen Wachtürmen und in den schattigen Zellen eingerichtet. Und über ihnen kreisen „turkey-voltures“, blutorange-köpfige „Truthahn-Geier“ und halten nach Opfern Ausschau.


      Wo Camp X-Ray Vergangenheit ist, wächst Camp Delta in die Zukunft. Es heißt, eines Tages solle es bis zu 2000 Häftlinge fassen können mit einem erweiterten Verhör-Komplex. Für das JTF-Team baute Brown & Roots hurrikanfeste Mannschaftsquartiere. Und das, obwohl seit dem vorigen Jahr der Statistik zufolge immer weniger Orangene aus Afghanistan eintreffen. Gibt es neue, noch geheime Nutzungspläne?


      Fünfmal am Tag – das erste Mal um fünf Uhr früh – ruft in Camp Delta der Muezzin vom CD-Player über die Lagerlautsprecher die Moslems zum Gebet, zweimal am Tag, morgens und abends um acht, lässt die amerikanische Nationalhymne die Soldaten strammstehen. Dreimal die Woche 10 Minuten Duschen und 30 Minuten Sport. Ansonsten hocken die Häftlinge in ihren Zellen, lesen im Koran. Sie dürfen sich auch Bücher ausleihen. Post wird streng zensiert. Niemand darf erfahren, was aktuell in der Welt los ist. Nur wenn die Amerikaner es wollen. Zum Beispiel als die Kriege in Afghanistan und Irak „gewonnen“ waren und sie Saddam Hussein „gekriegt“ haben. Da triumphierte es in den Lautsprechertüten. „Nach solchen Meldungen geht die Zahl derjenigen, die beim Verhör kooperieren, immer nach oben“, schwärmt Mendez. Die Verhöre finden zu jeder Tages- und Nachtzeit in 17 Sprachen und 19 Dialekten statt. Der „global war on terror“ kennt in Guantanamo keine Pause. 29 kleine Hafterleichterungen – von der eigenen Plastikflasche Wasser bis zu Extra-Rationen Essen und Extra-Sport mit anderen – werden für jene bereitgehalten, die ihr Wissen preisgeben, egal welches. Die größte Belohnung ist der Umzug ins Camp 4.


      Camp 4 liegt auf halbem Weg zur Freiheit. Die derzeit etwa 100 Häftlinge sind dort nicht mehr weggesperrt, sondern zu besichtigen. Mit ihnen zu sprechen ist jedoch verboten. Die Käfige sind hier geschlossene Bungalows mit jeweils vier Zehn-Betten-Zimmern und Außentüren, separierten Toiletten und Duschen. Vor den Häuschen rustikale Picknick- und Freizeit-Areale mit Sonnendach, in denen die Häftlinge vor den Augen der Besucher entspannt und laut schwatzend flanieren. Die Gebetsmatte ist hier ein kleiner orientalischer Teppich und nachts wird das Licht abgedunkelt. Aber vor allem trägt hier keiner mehr orange, sondern, wie in der Heimat, den traditionellen weißen Kaftan. Hier scheint man guter Dinge.


      In den Camps 1, 2 und 3 gibt es dagegen viele, die unter Depressionen leiden. Dort dösen sie in völliger Ungewissheit über ihr weiteres Schicksal vor sich hin. Der Chefarzt des Lagerhospitals, Captain John Edmonson, berichtet, bisher hätten in Camp Delta 21 Personen 34 Selbstmordversuche unternommen, einige also mehr als einmal. Den letzten Selbstmordversuch hat es erst vor ein paar Tagen gegeben. Edmonson gibt zu, dass dies eine hohe Quote ist. Inzwischen wird anders gezählt. Wenn neuerdings jemand versucht, sich das Handgelenk aufzuschlitzen, ist es nur noch eine „sich selbst zugefügte Verletzung“. Das ist dann kein Suizidversuch mehr und besser so für die Statistik.


      Chronisch Geisteskranke

      Es gibt auch Hungerstreiks. Andere rasten einfach aus, rennen mit dem Kopf gegen Zellenpfosten oder rempeln ihre Wärter an, schon auch mal mit dem Kopf voran, schreien und brüllen in ihren Käfigen aus Wut und Verzweiflung. „Zwölf bis 15 Prozent hatten geistige und psychische Probleme als sie hier ankamen“, sagt Doktor Edmonson, ein Chirurg, der ein wenig gequält und müde wirkt. Als ob ihm nicht wohl ist bei dem Ganzen. „Einige leiden auch unter ernsten chronischen Geisteskrankheiten.“ Aber was tun die hier, welchen „geheimdienstlichen Nutzen“ haben die? Wie kommen die überhaupt hierher? „Das müssen Sie den General fragen“, heißt es. Die Einsamkeit, Sehnsucht nach der Familie können irgendwann auch den stärksten Terroristen in die Depression treiben. „Aber andererseits“, so Edmonson, „wissen die: Hier will sie wenigstens niemand umbringen.“ Für einen herzkranken Häftling habe man sogar für 100 000 Dollar eine kardiologische Rettungsstation geleast und samt Team eingeflogen.


      Den härtesten Job machen die in vorderster Reihe, die Wärter. Sie kommen von der Militärpolizei, aus der Army oder sind Reservisten der National-Garde. Jeden Tag haben sie mit den Gefangenen Kontakt. „Ungezwungene Gespräche mit den Häftlingen sind jedoch untersagt“, sagt Major Mendez – außer in Camp 4. Gefühle oder gar Mitleid sind tabu. Die 27-jährige Juanita R., Seargent bei Militärpolizei, meint kühl: „Wenn Du anfängst zu glauben, der Typ da ist unschuldig, nur weil er im Käfig sitzt, dann wird er nur versuchen, aus allem einen Vorteil für sich herauszuholen.“ Als Frau hat sie es schwer, von den Häftlingen respektiert zu werden. Für „die meisten“ sei es eine Erniedrigung, „von einer Frau angefasst“ zu werden. „Sie drehen sich weg, wenn ich erscheine.“ Der Job ist nichts für Leute mit schwachen Nerven, zumal man als Soldat die meiste Zeit praktisch auch eingesperrt ist: Im Zellenblock, in den Mannschaftsquartieren. Die Beziehungen zu den Familien leiden. Der Führer einer Infanteriepatrouille erzählt: „Letzten Monat hat sich einer unserer Kameraden umgebracht. Es war wohl zu viel für ihn.“


      Trotzdem, General Miller ist mit seiner Truppe zufrieden: „Ich bin stolz auf alles, was in Camp Delta geschieht.“ Gewissensbisse scheint niemand zu haben. Auch deshalb wollen Präsident Bush und sein Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nicht, dass ihnen jemand in ihre „Truman-Show“ auf Guantanamo hineinredet. Sie verfügten, dass die amerikanische Rechtssprechung hier nichts zu sagen haben soll, und die internationale schon gar nicht. Guantanamo Bay sei das „juristische Äquivalent zum Weltraum“ lautete kurz und bündig der Kommentar eines Washingtoner Regierungsmitarbeiters. Höchste Richter, die Bush schon bei der Stimmenauszählung zu seiner Präsidentenwahl freundlich gesinnt waren, meinten auf einmal, weil Guantanamo Bay auf Kuba liege und nur „gepachtet“ sei, falle es leider auch unter die kubanische Jurisdiktion. Ein Zynismus und eine Spitzfindigkeit, über die der alte Patriarch in Havanna nur lachen kann. Aber inzwischen hat „ein Haufen Anwälte“ (Rumsfeld) die Position Washingtons ins Wanken gebracht. Im November vorigen Jahres sprach der Oberste Gerichtshof 16 Guantanamo-Gefangenen das Recht zu, ihre Inhaftierung vor amerikanischen Gerichten anzufechten.


      Miller beharrt jedoch darauf, dies hier seien „enemy combattants“, irreguläre, feindliche Kämpfer ohne Uniform. „Unser Präsident hat in seiner Rede am 13. November 2001 dargelegt, was ein ‚enemy combattant‘ ist. Trotzdem gewähren wir ihnen alle Rechte der Genfer Konvention – mit Ausnahme des Rechts, einen Anwalt zu sehen.“ Was viele Angehörige nicht daran gehindert hat, Anwälte zu verpflichten. So auch im Fall des 21-jährigen Deutsch-Türken Murat Kurnaz aus Bremen, der am 3. Oktober 2001 heimlich nach Pakistan geflogen war, um angeblich eine Koranschule zu besuchen und nun in Guantanamo sitzt.


      Sind sie nun wirklich alle „enemy combattants“? Bisher sind 88 Gefangene aus Camp Delta entlassen worden. 48 hat man an die Regierungen ihrer Heimatländer überstellt, und die übrigen 40 sind wieder frei. Darunter jener Taxifahrer, der nun behauptet, mit seinen Fahrgästen von Kopfgeldjägern eingefangen und als Taliban an die Amerikaner verkauft worden zu sein. Miller schüttelt milde den Kopf. Was der Mann behaupte, sei „nicht zutreffend“. Na ja, „manche hier sind extrem gefährlich, manche weniger“.


      So wie die drei Kinder und Jugendlichen im Alter von 12 bis 15 Jahren, die trotz internationaler Proteste, vor allem des Roten Kreuzes, seit Februar vorigen Jahres hier weggesperrt wurden – allerdings unter humaneren Bedingungen. Ihr „Iguana House“, ein Offiziers-Cottage mit zwei kleinen Appartements und einem großen Rasengrundstück über den Klippen, hat Meeresblick. In die dunkelgrüne Sichtblende vor dem umlaufenden hohen Drahtgitterzaun, ist ein großes Panoramafenster geschnitten. „Zwei dieser Jungen sind in den Terrorismus gekidnappt worden. Aber keiner von ihnen hat gekämpft oder gar einen US-Soldaten getötet“, korrigiert Miller anderslautende Gerüchte. Schon im August drängte Miller Washington, die Jungen zu ihren Familien zurückzuschicken. Im Januar saßen die drei aber immer noch im „Iguana House“. Warum? Weil der Oberste Befehlshaber George W. Bush hart sein wollte. Immerhin haben die drei einigermaßen lesen, schreiben und rechnen gelernt. Aber sie haben in dieser Zeit auch 49 Sportbälle über den sehr hohen Zaun ins Meer befördert. Aus Wut, weil sie lieber zu Hause in Khandahar kicken würden?


      Hochsensible Geständnisse

      Es wäre ein Missverständnis zu glauben in Guantanamo sollten Terroristen „resozialisiert“ werden. Der Hauptzweck des Unternehmens ist, wie General Miller zugibt, „das Sammeln von taktisch, operationell und strategisch relevanten Geheimdienstinformationen, um den USA und ihren Alliierten zu helfen, den globalen Krieg gegen den Terrorismus zu gewinnen“. Amerikanische Medien berichten immer öfter, der Ertrag sei für die Terrorbekämpfung in Wahrheit kaum von Nutzen. Die Befragungsteams seien zu jung und unerfahren. Manche Häftlinge erzählten ihnen das Blaue vom Himmel oder nur das, was diese hören wollten, bloß, um in den Genuss einiger Privilegien zu kommen. General Miller muss das natürlich anders sehen, sonst machte nämlich die gigantische „Mission“ auf Guantanamo keinen Sinn mehr: „Die Erkenntnisse, die wir gewinnen, sind enorm. Allein im letzten Monat konnten wir 300 hochsensible Informationen zusammenfügen.“ Und wie? „Wir wenden jedenfalls keine physischen Techniken an, keinen Schlafentzug, auch keine Medikamente“, versichert Miller. Vielleicht sitzen deshalb die wirklich „dicken Fische“, echte Drahtzieher des 11. September wie Ramzi Binalshibh oder Chalid Scheich Mohammed, nicht hier.


      Unterdessen tickt Bushs „Clockwork Orange“ weiter, treiben er und das Pentagon den Plan voran, in Guantanamo bald Militär-Tribunale abzuhalten. Miller spricht von sechs Fällen, die verhandlungsreif seien. Das Militär will Pflichtverteidiger stellen. Kosmetik, denn die Beschuldigten bleiben dennoch ohne Rechte. Das Verfahren wäre eine rechtsstaatliche Farce auf dem Niveau früherer mittelamerikanischer Diktaturen. Im Strafkatalog ist ausdrücklich auch die Todesstrafe vorgesehen. Sollte sie verhängt werden, ist die Frage, wo und wie sie vollstreckt werden soll. „In Guantanamo gibt es keine Todeszelle, und es ist auch keine Todeszelle geplant“, betont General Miller. Wenn es anders wäre, bräuchte man auch noch einen Henker. Denn der einzige „Henker“, den es bislang auf Guantanamo Bay gibt, ist ein harmloser Wildhüter. Zu seinem Job gehört es, wie der Stützpunkt-Chef und Bürgermeister Captain McCoy beiläufig erzählt, die von Helfern mit einem orangefarbenen Punkt auf dem Fell markierten Banana-Rats zu beseitigen. Im vorigen Jahr waren dies laut McCoy ungefähr 26000, die Hälfte der sich beängstigend schnell reproduzierenden Population.


      Die geplanten Militärtribunale in der US-Exklave beunruhigen weltweit Juristen und Regierungen, die sich dem demokratischen Rechtsstaatsprinzip verpflichtet fühlen. Es muss schon viel passieren, ehe sich einer so äußert wie Lord Johan Steyn, einer der zwölf höchsten Richter in Großbritannien. Es ist schockierend, dass Präsident Bush „im Vorhinein seine persönliche Ansicht über die Gefangenen…publik gemacht“ und „sie alle als ‚Killer‘“ bezeichnet hat. In der „International Herald Tribune“ sprach er von einem „monströsen Scheitern des Rechts“. Doch Präsident Bush glaubt, für alles, was er tut, die Mehrheit seines Volkes hinter sich zu wissen.


      Auf dem langen Weg nach Guantanamo Bay las der Passagier Nummer VS206804PRC000 in Alexis de Tocquevilles 1835, mithin also vor 170 Jahren veröffentlichtem Standardwerk „Über die Demokratie in Amerika“. Darin schrieb der damals erst 30-jährige französische Jurist, der zu den klügsten Analytikern seiner Zeit gehört, nach einer langen Amerikareise: „In den Vereinigten Staaten hat…die Mehrheit eine enorme…Macht der Überzeugung; und sobald über eine Frage die Mehrheit erst einmal zustande gekommen ist, gibt es nichts, was ihren Gang hemmen, geschweige denn zum Stillstand bringen könnte, nichts, was ihr Zeit ließe, die Klagen derer anzuhören, die sie auf ihrem Wege zermalmt… Sobald ich daher sehe, dass man das Recht und die Möglichkeit, schlechthin alles zu tun, irgendeiner Macht zugesteht, man mag sie nun Volk oder König, Demokratie oder Aristokratie nennen…, sobald ich das sehe, sage ich: Das ist der Keim zur Tyrannei.“


      http://www.tagesspiegel.de/dritte-seite/index.asp?gotos=http…

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      Avatar
      schrieb am 26.01.04 23:37:38
      Beitrag Nr. 6 ()
      .....Einige rasten einfach aus, rennen mit dem Kopf
      gegen Zellenpfosten oder versuchen, sich das Leben zu
      nehmen.Hunderte von „Terroristen“ sitzen in einem
      US-Lagerweitab von der Welt – ein Besuch in Guantanamo
      Bay....


      ...und hier ein kleiner Besuch in Manhatten , ....
      ................
      ...nur an einigen Orten gibt es da gar keine
      Pfosten mehr, wo mal welche waren...:rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 26.01.04 23:54:57
      Beitrag Nr. 7 ()
      Und was hat das jetzt mit Guantanamo zu tun?

      In Manhatten gab es ja angeblich auch Flugzeuge! Aber natürlich keine Teile davon!

      Black-Boxen, Voice-Recorder ????????? Was ist das denn für ein Schrott!Wer fliegt mit so etwas ...

      Alles nur vermutungen - die gab es in diesen Flugzeugen scheinbar nicht - oder?

      Ihr armen, ... :( :( :(
      Avatar
      schrieb am 27.01.04 00:07:16
      Beitrag Nr. 8 ()
      @ wolaufensie

      und im Irak, da gibt es teilweise keine Menschen mehr, wo welche mal waren! :mad: :mad: :mad:

      Aber jetzt ist es ja so gut wie sicher, dass die Sache mit dem Irak ein Missgeschick war. Die Sache wurde halt einfach aufgeblasen. So ein Bech "für die Kuh Elsa - frei nach Diddi Hallervorden"! :mad: :mad: :mad: :mad:

      Der "007 - James Bond - Geheimdienst" rudert nach allen Seiten zurück, das es so nicht war!

      Der Mr. Bush, meinte dann, " ja dass das ja nur vorbeugent" war, usw.

      Hat dafür jetzt der Iran die "zwei Türme geklaut" so wie du es meist?! :mad: :mad: :mad:

      So etwas ist keine Politik - das ist ................:mad: :mad: :mad:

      ----------------------------------------------------------

      Mir persönlich kommt das bekannt vor? Hat der Iran nicht auch "nur" ein bischen Oel?!! :eek: :eek: :eek:

      Und wie gehts danach weiter?
      Avatar
      schrieb am 27.01.04 00:22:54
      Beitrag Nr. 9 ()
      #8, DmComeBack,

      Frag den bloß nicht, wie es danach weitergeht...
      Der liefert Dir glatt eine Berechnung, wieviele Atombomben für eine "Endlösung" nötig wären! :mad:

      Ronald
      Avatar
      schrieb am 28.01.04 00:22:49
      Beitrag Nr. 10 ()
      So wird das Völkerrecht "umgedreht" bzw. so benützt wie sie es wollen!

      Leitartikel

      Geheim und gefährlich

      VON HANS LEYENDECKER



      Pannen und Fehleinschätzungen hat es in der Geschichte der Geheimdienste immer wieder gegeben. Den bevorstehenden Bau der Berliner Mauer hatten die westlichen Geheimdienste ebenso verschlafen wie später die Implosion des Ostens. Der 11. September war das wohl größte Debakel der amerikanischen Dienste, weil wichtige Hinweise unbeachtet geblieben waren. Gibt es für die Dienste jetzt ein Irak-Gate?


      In diesen Tagen räumte der amerikanische Außenminister Colin Powell ein, dass möglicherweise im Irak keine Massenvernichtungswaffen gefunden würden. Ausgerechnet Powell, der am 5. Februar 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat das angebliche Waffenarsenal des Saddam Hussein aufgelistet hatte: Biowaffen, Chemiewaffen und von der Atomwaffe sei Saddam Hussein nicht weit weg. Außerdem arbeite der Diktator mit der Terror-Organisation al-Qaida zusammen. Keine der Behauptungen hat gestimmt.


      Dies aber ist kein gewöhnliches Geheimdienstdebakel. Es ist ein Polit-Krimi. Die amerikanischen Nachrichtendienste, aber auch der britische Geheimdienst sind politisch eingesetzt worden und sie haben sich einsetzen lassen, um Kriegsgründe zu finden. Wenn es sein musste, wurde mit Bluff und Lügen gearbeitet. Der Fall zeigt, dass klebrige Nähe von Politik und Geheimdienst verheerend sein kann. Mitgemacht haben führende Geheimdienstler – CIA-Chef George Tenet vorneweg. Da ist niemandem etwas unterlaufen, es war Vorsatz. Weil Menschenrechtsverletzungen im Irak nicht als Kriegsgrund gereicht hätten, wurde die Gefahr durch angebliche Massenvernichtungswaffen maßlos hochgerechnet.


      Das Primat der Politik über amerikanische Geheimdienste ist keine Erfindung der Regierung Bush. Im Vietnamkrieg wurde es den Geheimdiensten 1964 untersagt, die Wahrheit über einen Zwischenfall im Golf von Tonkin zu berichten. Sie hätte den Kongress irritieren können, der für eine Fortsetzung des Krieges gewonnen werden sollte. Drei Jahre später ermittelte ein Mitarbeiter der CIA verlässlich, der Vietcong habe 500000 Mann unter Waffen. Der Krieg sei kaum zu gewinnen. Die Analyse wurde von General William Westmoreland in Saigon auf 188000 bis 208000 Kämpfer heruntergerechnet. Das klang besser.


      Aber im Irak-Fall rechnete kein General die Lage schön, es unterlief niemandem ein Fehler. Der Fehler lag im System. Eine kleine Truppe leistete die Drecksarbeit. Sie war nach dem Massenmord vom 11. September im Pentagon installiert worden und nannte sich „Office of Special Plans“. Das OSP sollte die Gründe für den Krieg sammeln, und die von der CIA aus Langley waren aus Sicht der OSP „Ignoranten“ ,die beispielsweise Verbindungen Saddam Husseins zu Osama bin Laden herunterzuspielen versuchten.


      Das OSP war eine Gruppe von Hardlinern und Neokonservativen. Einige von ihnen kannten sich schon seit den siebziger Jahren. Damals gehörten sie einem „Team B“ an, dessen Aufgabe es war zu belegen, dass die CIA die Gefahr durch die Sowjetunion fahrlässig unterschätzte. „Team B“ erfüllte einst die Vorgabe. Das alte Muster wurde nun neu aufgelegt. Das OSP, das Zugang zu allen Geheimdienstmaterialien hatte, kochte ungeprüftes Rohmaterial nach dem Rezept der Politik zurecht. Nach Art von Verschwörungsfanatikern wurden Informationen frisiert oder passend gemacht.


      Zudem wurde mit den Briten über Bande gespielt. Der britische MI6 ließ es zu, dass Geheimdienst-Analysen von Vertrauten Tony Blairs zugespitzt wurden. Das kann für den britischen Premierminister noch zu einem Problem werden, wenn der Lordrichter Hutton in dieser Woche seinen Bericht zur so genannten Kelly-Affäre vorlegt.


      In den USA gelangten ohne Überprüfung durch den sonstigen Geheimdienstapparat, dem mehr als ein Dutzend Nachrichtendienste angehören, OSP-Informationen wie durch ein Ofenrohr direkt an den Präsidenten. Keine Überprüfungen, keine Zweifel, keine Analysen. Nicht gesicherte Erkenntnisse wurden zu Beweisen aufgeblasen. Die CIA-Spitze, die nach dem 11. September die Ablösung befürchten musste, nahm die Vorgaben auf, als handelte es sich um neue, eigene Erkenntnisse.


      Atomwaffen? Eigentlich ging die CIA davon aus, dass Saddam Hussein allenfalls in fünf bis sieben Jahren in der Lage sein könnte, eine Atombombe zu bauen. Daraus wurden auf Empfehlung des OSP ein bis zwei Jahre. Die CIA, die nach dem Rauswurf der UN-Inspektoren aus dem Irak im Jahr 1998 keine eigenen Quellen mehr hatte, wollte nicht hinderlich sein.


      Das Primat der Politik gab den Ausschlag und es fehlte bei den Geheimdienstlern an Mut, offen Widerstand zu leisten. US-Vizepräsident Dick Cheney tauchte regelmäßig bei der CIA in Langley auf, was einschüchternd sein kann. Alle relativierenden Begriffe in den Geheimdienst-Analysen wurden von der Regierung Bush übersehen oder gestrichen. Das Ziel stand ja fest: Krieg. Nachrichtendienste aber, die nur herausfinden sollen, was die Politik vorgibt, legen nicht nur den Feind herein, sondern täuschen die eigene Bevölkerung. Wenn der Verdacht zur Waffe wird, sind Geheimdienste gemeingefährlich.

      http://www.sueddeutsche.de/sz/meinungsseite/red-artikel1896/

      :eek: :eek: :eek: :mad: :mad: :mad:
      Avatar
      schrieb am 28.01.04 00:54:44
      !
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      Avatar
      schrieb am 28.01.04 02:05:20
      Beitrag Nr. 12 ()
      Dienstag 27. Januar 2004, 10:12 Uhr

      Juristen für Ermittlungen gegen USA und Großbritannien

      New York/Bagdad (AP) Eine Gruppe internationaler Juristen befürwortet Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs gegen die USA und Großbritannien wegen möglicher Kriegsverbrechen in Irak. Die acht Professoren aus Großbritannien, Frankreich, Irland und Kanada kommen in einem am Montagabend in New York vorgestellten Bericht zu dem Schluss, dass der Einsatz von Streubomben in Wohngebieten, Angriffe auf Journalisten und die Zerstörung der zivilen Infrastruktur gegen das Völkerrecht verstoßen hätten.

      Der Internationale Strafgerichtshof hat allerdings schon angedeutet, dass er wohl nicht zuständig ist, da Irak das dem Haager Tribunal zu Grunde liegende Abkommen von 1998 nicht ratifiziert hat. Die Juristen äußerten jedoch die Ansicht, dass es genügend Gründe gebe, zumindest gegen Mitglieder der britischen Regierung zu ermitteln. Großbritannien hat das Abkommen im Gegensatz zu den USA ratifiziert.

      Angesichts der bislang ergebnislosen Suche nach irakischen Massenvernichtungswaffen und dem Rücktritt von US-Waffeninspekteur David Kay rückt auch die Regierung in Washington nun offenbar von ihren Versicherungen ab, in Irak würden solche Waffen noch gefunden. Der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, erklärte am Montag lediglich, es sei wichtig, dass die Waffeninspekteure ihre Arbeit beendeten, damit «ein möglichst vollständiges Bild» entstehe. Die vor dem Krieg bekannt gewordenen Geheimdienstberichte sollten dann mit den aktuellen Ergebnissen verglichen werden.

      Kay hatte zuvor den Geheimdiensten indirekt Versagen vorgeworfen. Es bestünden Zweifel an ihrer Fähigkeit, stichhaltige und wahrheitsgetreue Informationen zu erlangen, sagte er.

      Im Stadtzentrum von Bagdad schlug am Montagabend eine Rakete ein. Die von den USA kontrollierte so genannte Grüne Zone wurde von einer schweren Explosion erschüttert, verletzt wurde aber niemand. Das Geschoss ging auf einem leeren Parkplatz nieder, wie ein US-Militärsprecher mitteilte. Am Dienstagmorgen detonierte vor einem Getränkeladen im Süden von Bagdad ein Sprengsatz, wobei ebenfalls niemand zu Schaden kam.

      Bei einem Feuergefecht mit Aufständischen in Kerbela wurde ein irakischer Polizist getötet. Nach Polizeiangaben feuerten die Angreifer auf das in einem Hotel untergebrachte Hauptquartier des polnischen Truppenkontingents in Irak. Zwei Rebellen seien festgenommen worden.

      Der Innenminister der irakischen Übergangsverwaltung, Nuri Badran, machte das Terrornetzwerk El Kaida für die anhaltenden Angriffe auf die Besatzungstruppen verantwortlich. Darauf verweise die Art der zahlreichen Selbstmordanschläge, sagte er vor Journalisten, ohne konkrete Beweise vorzulegen. Zugleich bekräftigte Badran seine Auffassung, dass die prekäre Sicherheitslage im Lande die baldige Direktwahl einer neuen Regierung unmöglich mache.

      http://de.news.yahoo.com/040127/12/3uun5.html

      Haben meine "leiben Freunde" wirklich etwas anderes gesucht wie -- >O E L !!!! :eek: :eek: :eek:

      Ich glaube nicht!

      Danke Mr. Bush
      Avatar
      schrieb am 28.01.04 05:11:55
      Beitrag Nr. 13 ()
      @ dcb,

      ein Ami-Freund bist Du ja nicht gerade!


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      "Bastard des Völkerrechts": "Willkommen in Guantanamo"