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    Der Anstifter - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 01.06.02 11:31:00 von
    neuester Beitrag 01.06.02 20:44:20 von
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      schrieb am 01.06.02 11:31:00
      Beitrag Nr. 1 ()
      Der Anstifter

      Fritz Goergen provoziert für Möllemann und Westerwelle. Ziel des kühl kalkulierenden FDP-Wahlstrategen ist die Macht - egal, was sie kostet

      Von Elisabeth Niejahr



      Fritz Goergen wohnt in Köln-Rodenkirchen in einem vierstöckigen Mehrfamilienhaus. Vor der Tür parken Mittelklasseautos - ein Golf, ein Fiat Panda, ein alter, etwas klappriger Mercedes. Nebenan gibt es ein paar schöne Gärten, aber auch ein hässliches Hochhaus. Eine unauffälige Wohngegend, die Goergen gerade deshalb gut gefällt. "In unserer Ecke wohnen kaum Akademiker", sagt er. "Wir leben im Volk."

      Auf seinen Abstand zum Berliner Politikbetrieb legt der FDP-Stratege allergrößten Wert. Schließlich will er bis zur Bundestagswahl im Herbst die Politikfernen gewinnen, die Enttäuschten und Verdrossenen. Diese Leute, sagt Goergen, würden ganz anders denken und reden als die politische Klasse in Berlin.

      Offiziell ist Fritz Goergen "Strategieberater" von FDP-Parteichef Guido Westerwelle. Eine Arbeitsgruppe unter Goergens Leitung "akzentuiert die inhaltlichen Themen und erarbeitet programmatische Aussagen in allen wahlkampfrelevanten Bereichen", heißt es auf der Internet-Seite der Partei lapidar. Goergen wurde von keinem Parteigremium gewählt, er hat auch keinen Funktionärsposten in der Zentrale, sondern arbeitet ausschließlich gegen Honorar. Dennoch verändert er die FDP wie kaum ein anderer in der Partei.

      Ein Ziehkind Genschers

      Fritz Goergen gehört zum innersten Machtzirkel um Westerwelle, den er schon seit dessen Zeit als Junger Liberaler kennt und mitunter väterlich "Guido" nennt. Er gilt als Erfinder der FDP-Kanzlerkandidatur und der "Strategie 18 Prozent". Er ist auch mitverantwortlich für die neue schrille Tonlage der FDP. "Die FDP wendet sich insbesondere an jene 50 Prozent, die der Politik nichts mehr zutrauen - an die Wechselwähler und potenziellen Nichtwähler", heißt es in neuen FDP-Wahlbroschüren.

      Auch bei der jüngsten Auseinandersetzung um den abtrünnigen Grünen-Abgeordneten Karsli, der der FDP beitreten wollte und Israel "Nazi-Methoden" vorwarf, spielte Goergen eine Schlüsselrolle. Er vermittelte zwischen FDP-Vize Jürgen Möllemann und Westerwelle; er sei das "Scharnier", sagt Möllemann.

      Goergens Name fällt immer, wenn Liberale von einer "Haiderisierung" ihrer Partei sprechen. Der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff etwa hat voller Sorge Fritz Goergen als treibende Kraft für den Kurswechsel der Partei ausgemacht - für einen Schwenk hin zum Rechtspopulismus, wie er sich in den Niederlanden, Dänemark oder Österreich ausbreite.

      Tatsächlich sind die Gemeinsamkeiten zur FPÖ des Jörg Haider oder zur niederländischen Partei des ermordeten Pim Fortuyn kaum zu übersehen: Verachtung des herkömmlichen politischen Diskurses bis zur Opferrhetorik, sobald nur ein Fünkchen Kritik aufkommt. Goergen selbst nennt Parallelen - andere allerdings als Lambsdorff und die meisten Gegner seines Kurses: Das Gemeinsame sei die Zukunft als Protestpartei. Denn "in Frankreich ist nicht Le Pen gewählt worden, sondern Jospin abgewählt worden. In Österreich ist nicht Haider gewählt worden, sondern die SPÖ abgewählt worden." Davon könne die FDP durchaus etwas lernen.

      Goergen sieht sich als Vertreter einer neuen Unbefangenheit, als Streiter gegen die angeblich in Berlin so weit verbreitete "falsche Political Correctness". Wie alle Populisten nutzt er für seine Zwecke gezielt alte Ressentiments. Ebenso wie Parteivize Möllemann wirft er Michel Friedman vor, Antisemitismus in Deutschland zu verursachen: "Natürlich fördert Friedmans Auftreten Ressentiments. Fragen sie doch mal im Zentralrat der Juden nach, die sehen das genauso."

      Kühl analysiert Goergen, dass die Friedman-Attacken der FDP neue Wählerschichten erschließen - eine Diskussion, auf die sich Parteichef Westerwelle vergangene Woche vor Journalisten nicht einlassen mochte. Goergen hingegen sagt es ganz klar: "Natürlich nützt die Debatte uns - vorausgesetzt, die Parteispitze streitet jetzt nicht weiter." Aufmerksamkeit erregen, um jeden Preis - darauf komme es an.

      Fritz Goergen ist keiner, dem solche Sätze aus Naivität entschlüpfen. Dafür kennt er das politische Geschäft zu lange und zu genau. Ähnlich wie Jürgen Möllemann gibt er zwar gern den empörten Grundsatzkritiker und pflegt sein Image als Außenseiter - und doch gehört er zum Inventar der alten Bonner Republik. Wie Möllemann verkörpert er gleichzeitig die alte und eine neue, andere FDP.

      Goergen und Möllemann - beide haben vor etwa 30 Jahren aus einem eher linken Milieu kommend in der Bundespolitik angefangen, beide haben seitdem schnelle Aufstiege, plötzliche Abstürze und überraschende Comebacks erlebt. Möllemann wurde 1972 als 27-Jähriger jüngstes Mitglied des Deutschen Bundestages, genoss fortan die Förderung des damaligen Parteichefs Hans-Dietrich Genscher und gehörte mehreren Kabinetten an, bis er 1993 als Bundeswirtschaftsminister zurücktreten musste.

      Goergen wurde von Genscher in die FDP geholt, wo er ebenfalls schnell Karriere machte. Mit 33 Jahren war er stellvertretender Bundesgeschäftsführer und drei Jahre später gleichzeitig Geschäftsführer Inland der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Ende 1982 organisierte Goergen, inzwischen Bundesgeschäftsführer, den Wahlkampf, und vermutlich rührt seine Dickfelligkeit gegenüber der öffentlichen Meinung aus dieser Zeit.

      Die Liberalen galten damals nach dem Koalitionsschwenk von der SPD zur CDU/CSU als Umfallerpartei, und Irmgard Schwätzer, in dieser Zeit Generalsekretärin, erinnert sich heute noch daran, wie Goergen die verbliebenen FDP-Mitstreiter zu motivieren versuchte: "Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom." Das war Goer- gens Credo und ist es bis heute.

      Als Geschäftsführer der Naumann-Stiftung eckte er mit dieser Haltung immer wieder an. Sein harscher Umgang mit Untergebenen bescherte seiner Stiftung eine Reihe von sehr unangenehmen Arbeitsgerichtsprozessen. Ein radikal-liberales Thesenpapier, in dem Goergen unter anderem die Privatisierung der Gefängnisse forderte, fand kaum Unterstützer.

      Als er Mitte der neunziger Jahre auch noch offen Sympathien für den österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider zeigte, schwand der Rückhalt in seiner Partei. "Herr Goergen hat immer ein offenes Ohr für Herrn Haider gehabt und uns gedrängt, diesem offen zu begegnen", erinnert sich Otto Graf Lambsdorff. "Für solche Positionen sollte es in unserer Partei keinen Platz geben." Er habe sich deshalb geweigert, mit Goergen zusammenzuarbeiten, als er selbst den Stiftungsvorsitz übernahm. Nach dem nordrhein-westfälischen Wahlerfolg warnte Lambsdorff Parteichef Westerwelle davor, seinem neuen Berater Goergen zu viel Einfluss zu geben. Für einen "hochintelligenten Strategen, einen politischen Kopf" hält er diesen gleichwohl.

      1996 verließ Goergen die Naumann-Stiftung, es war ein radikaler Abgang. Fritz Goergen, der bis dato Fritz Fliszar hieß, gab seinen bisherigen Familiennamen auf, übernahm stattdessen den Nachnamen seiner Frau Barbara Goergen und machte sich mit einer Agentur für Trendanalysen und Prognosen selbstständig. "Ich wollte ein neues Leben beginnen", erklärt er. Es folgte eine Zeit ohne Parteitage und Postenklüngel, die allerdings nicht allzu lange dauern sollte.

      Drei Jahre später, im Oktober 1999, kehrte Goergen auf Wunsch von Möllemann ins Politikgeschäft zurück. Er wurde Kampagnenmanager von dessen nordrhein-westfälischem Landtagswahlkampf, der im Mai vergangenen Jahres mit einem Triumph endete und die Liberalen nach fünf Jahren Auszeit mit 9,8 Prozent in den Düsseldorfer Landtag zurückkehren ließ.

      Frauenwitze und Hitler-Plakat

      Wieder waren Goergens Wahlkampfvorschläge radikal. "Unsere tägliche Kontroll-frage war: Haben wir heute schon eine Regel gebrochen?", erinnert er sich. Je spektakulärer der Regelbruch, desto besser: Erst formulierte Möllemann das irrwitzig scheinende Wahlziel von acht Prozent, später folgten Blondinenwitze in einem Kinospot und ein Wahlplakat zur Verkehrspolitik, das Frauen als schlechte Autofahrerinnen darstellte ("Wie soll ihre Frau anständig Auto fahren, wenn sie nur im Stau steht?"). Schließlich warben die Liberalen für eine kurze Zeit mit einem Hitler-Plakat für eine andere Bildungspolitik.

      Nach dem Sieg holte Westerwelle Goergen in sein Wahlkampfteam, seitdem gehört er zu der kleinen Runde von FDP-Strategen, die sich immer dienstags in der Parteizentrale versammelt. Und wieder einmal geht es Fritz Goergen vor allem ums Zuspitzen und Vereinfachen, ums Aufregen und Anstiften. Dabei schrickt er vor (fast) nichts zurück. "Das Prinzip des Tabubruchs verfolgt Goergen viel stärker als ich", sagt Möllemann - und will nicht sehen, dass es im Streit mit dem Zentralrat der Juden nicht um einen Tabubruch geht, sondern um die Entstigmatisierung rechter Ideologie.

      Fürs Erste allerdings sei es nun genug, sagt "Strategieberater" Goergen und will seine Parteioberen bremsen. Und im Ton der neuen Unbefangenheit fügt er hinzu: Nach Kanzlerkandidatur, Antisemitismusstreit und Israel-Reise könne die FDP über mangelnde Aufmerksamkeit nicht klagen.
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      schrieb am 01.06.02 12:07:29
      Beitrag Nr. 2 ()
      Rictig müßte es heißen: der "Brandstifter".:cry:
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      schrieb am 01.06.02 19:14:29
      Beitrag Nr. 3 ()
      Und wer ist der Biedermann?

      Guido oder Möllemann, oder beide?

      Bieder ist er ja unser Reservefallschirm, oder ist damit anbiedern gemeint?
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      schrieb am 01.06.02 20:44:20
      Beitrag Nr. 4 ()
      Gerhardt war als Biedermann ne Flasche, deswegen macht den Job jetzt der Guido.


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