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    FAZ: Die Sorgen aus Südamerika - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 23.06.02 11:24:58 von
    neuester Beitrag 24.06.02 20:24:12 von
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      schrieb am 23.06.02 11:24:58
      Beitrag Nr. 1 ()
      Die Sorgen aus Südamerika

      mos. Brasiliens Finanzkrise entwickelt eine gefährliche Dynamik, die in zunehmendem Maße auch andere Schwellenländer Lateinamerikas und sogar außerhalb dieser Region ergreift. Daß das kleine Nachbarland Uruguay seinen Wechselkurs freigeben mußte, ist eine weniger bedenkliche Folge. Mit dieser Entscheidung war seit langem gerechnet worden, war Uruguay doch das einzige Land der Region, das noch an fixen Bandbreiten festgehalten hatte. Aber der Zahlungsausfall in Argentinien hat die Anleger für die Gefahren sensibilisiert. Aufgrund der Besonderheiten des früheren argentinischen Währungssystems und infolge der Hilfen des Internationalen Währungsfonds für andere Schwellenländer konnte eine direkte Übertragung der Argentinien-Krise zunächst verhindert werden.

      Doch die Stimmung in der Region ist schlecht, sie verdeckt den Blick auf feine Unterschiede und schärft den für Gemeinsamkeiten. Wie in Argentinien ist in Brasilien die öffentliche Schuldenlast in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Viele Anleger befürchten, daß die nächste Regierung, die im Oktober zu wählen ist, nicht die Kraft oder den Willen haben wird, Maßnahmen gegen die von Zinsen und Dollarkurs getriebene Schuldenspirale zu ergreifen. Brasilien als größte Volkswirtschaft Südamerikas ist ein gefährlicher Ansteckungsherd für alle Finanzmärkte der aufstrebenden Länder.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.06.2002, Nr. 142 / Seite 11
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      schrieb am 23.06.02 11:30:08
      Beitrag Nr. 2 ()
      Die Finanzkrise in Brasilien droht auf andere Länder überzugreifen

      Ansteckungsgefahr für andere Märkte größer als im Fall Argentiniens / Uruguay gibt Wechselkurs frei


      mos./ctg. BUENOS AIRES/WASHINGTON, 21. Juni. Der Einbruch der Finanzmärkte in Brasilien führt zunehmend auch zu Turbulenzen in anderen Schwellenländern (Emerging Markets), nicht nur in Lateinamerika. Die Auswirkungen würden nun auch Länder erreichen, die als vergleichsweise sichere Häfen unter den Schwellenländern zählten, stellt die Bank UBS Warburg fest. Neben Mexiko gerieten auch Länder wie Bulgarien und Rußland unter Druck. Brasiliens Nachbarland Uruguay sah sich gezwungen, den Wechselkurs freizugeben.

      Das amerikanische Finanzministerium lobte die Entscheidung Uruguays, den Wechselkurs des Peso gegenüber dem Dollar künftig frei schwanken zu lassen. Der zuständige Staatssekretär John Taylor stellte zugleich finanzielle Hilfe durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Aussicht. Uruguay habe in den zurückliegenden Wochen bewiesen, daß es um einen soliden Kurs in der Wirtschafts- und Finanzpolitik bemüht sei mit dem Ziel, ein Überschwappen der schweren Wirtschaftskrise vom Nachbarland Argentinien zu verhindern. Der uruguayische Finanzminister Alberto Bensión hatte am Donnerstag mitgeteilt, daß das zehn Jahre alte Wechselkursregime, das eine schrittweise Abwertung des Peso innerhalb bestimmter Bandbreiten vorsah, aufgegeben werde. Im Handel unter Banken verlor der Peso daraufhin gegenüber dem Dollar rund 18 Prozent an Wert. Nach Angaben Taylors wird der IWF vermutlich am kommenden Montag eine Erhöhung der Kreditlinie für Uruguay um 1,5 Milliarden auf rund 2,27 Milliarden Dollar beschließen.

      In globaler Sicht spielt Uruguays Krise jedoch kaum eine Rolle. Die Sorgen konzentrieren sich auf Brasilien, das nach Einschätzung von Analysten gegenwärtig den Zugang zu privaten Krediten faktisch verloren hat. Am Donnerstag stiegen die Risikoaufschläge in den Renditen brasilianischer Anleihen auf einen neuen Rekordwert von rund 1600 Basispunkten gegenüber amerikanischen Staatsanleihen. Zuvor hatte die Ratingagentur Moody`s den Ausblick für die Einstufung der Bonität brasilianischer Staatsanleihen von "stabil" auf "negativ" herabgesetzt. Später zog die Ratingagentur Fitch mit einer Herabstufung Brasiliens nach.

      Moody`s begründete den Schritt mit der "scharfen Verschlechterung der Einstellung der Anleger" zu Brasilien und deren Auswirkungen auf die Dynamik der öffentlichen Verschuldung. Die gegenwärtige Regierung habe zwar an einer gesunden Wirtschaftspolitik festgehalten, doch in- und ausländische Investoren empfänden Unsicherheit angesichts der im Oktober anstehenden Präsidentenwahlen. Jüngste Wahlumfragen bestätigen einen großen und stabilen Vorsprung für den Oppositionskandidaten der linksgerichteten Arbeiterpartei, Luiz Inácio Lula da Silva. Viele Anleger befürchten, daß Lula von der bisherigen Stabilitätspolitik abweichen und die Bedienung der Staatsschulden in Frage stellen könnte. Auch eine Anfang der Woche gewährte Soforthilfe des IWF in Höhe von 10 Milliarden Dollar konnte nicht verhindern, daß Brasiliens Anleihen allein am Donnerstag rund 11 Prozent ihres Wertes verloren und der Kurs des Real schon wieder in die Nähe der bisherigen Tiefstwerte abrutschte.

      "Die Lage ist sehr, sehr ernst", urteilt Arturo Porzecanski von ABN Amro. Alle Investoren hätten das Drama in Argentinien frisch in Erinnerung. In Brasilien sei freilich "viel mehr Geld vergraben". Die Anleger wollten ihre Ersparnisse jetzt in Sicherheit bringen und "sehen, was nach den Wahlen in Brasilien passiert". Brasilien sei wesentlich stärker in lokaler Währung verschuldet als Argentinien und darum weniger von Dollarzuflüssen abhängig. Die Regierung habe bisher gute Reaktionen auf diese ebenso wie auf frühere Krisen gezeigt. Sie müsse aber nachlegen: "Helfen könnte vielleicht eine drastische Erhöhung der Leitzinsen, wie 1999 nach der Abwertung des Real."

      Larry Krohn, Lateinamerika-Experte bei ING Barings, sieht den brasilianischen Markt von "negativen Gefühlen" beherrscht. "Die positiven Fundamentaldaten Brasiliens werden scheinbar nicht mehr gesehen", sagt Krohn. Anders als noch vor zwei Monaten sei die Dynamik der inländischen Verschuldung nicht mehr tragbar. Der größte Teil der hohen Staatsschulden, die (brutto) bereits drei Viertel des Bruttoinlandsprodukts entsprechen, ist an die Entwicklung der kurzfristigen Zinsen und des Dollarkurses gekoppelt. "Leider müssen wir damit rechnen, daß in Brasilien eine ähnliche Entwicklung wie in Argentinien eintreten könnte", befindet Krohn.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.06.2002, Nr. 142 / Seite 11
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      schrieb am 23.06.02 11:31:04
      Beitrag Nr. 3 ()
      Hast Du die FAZ jetzt durch?
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      schrieb am 23.06.02 11:33:04
      Beitrag Nr. 4 ()
      Ach, du willst noch mehr? Kannst Du haben.
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      schrieb am 24.06.02 20:24:12
      Beitrag Nr. 5 ()
      Fed und EZB müssen Brasilien im Blick halten

      Beim vierten Mal klappt’s? Der Markt hat allen Grund zu der Sorge, dass Luiz Inácio Lula da Silva im Oktober im vierten Anlauf Präsident von Brasilien wird.

      Aber ausgemachte Sache ist das noch nicht, auch wenn der gefürchtete Linkspolitiker Lula die Meinungsumfragen weiterhin mit 38 Prozent anführt. Ein Blick auf die Details der jüngsten Befragungen zeigt, dass die Brasilianer skeptisch sind. Immerhin 49 Prozent fürchten, Brasilien könne dem Weg von Argentinien folgen, wenn die Opposition gewinnt. 39 Prozent denken, dass die Zinsen noch weiter steigen würden, 32 Prozent glauben, dass die Inflation anzieht.

      Die Zustimmungsquote für den aktuellen Präsidenten Cardoso ist infolgedessen von 40 auf 43 Prozent gestiegen. Das sollte auch dem von der amtierenden Regierung - und den Märkten - favorisierten Jose Serra zugute kommen, der in den Umfragen bei 19 Prozent auf Platz zwei verharrt und in der Stichwahl gute Aussichten hat. Nicht zu vergessen ist, dass sich die Werbepräsenz von Lula im freien Fernsehen und im Radio auf das zweite Quartal konzentriert. Ab dem 20. August wird Serra doppelt so viel Sendezeit für seine Kampagne haben wie Lula.

      Dennoch hat Lula natürlich Chancen, nachdem er seine extremen Drohungen zurückgenommen hat. Auch wenn er jetzt den Konsolidierungskurs fortsetzen und die Schulden bedienen will, kann man einem Mann seines Kalibers nie ganz trauen. Die Frage ist allerdings, was ihm anderes übrig bleibt, wenn er Brasilien nicht vom internationalen Kapitalmarkt abschneiden will. Schon jetzt steckt Brasilien in einer Kreditklemme. Das Land hatte 2001 vor Zinsen einen Budgetüberschuss in Höhe von 3,5 Prozent des BIP. Nach Zinsen errechnet sich ein Defizit von 5,2 Prozent, obwohl die Verschuldung des Staates in Höhe von rund 55,5 Prozent des BIP an sich weiter überschaubar wäre. In der Handelsbilanz erwirtschaftet das Land einen leichten Überschuss. Auf Grund der hohen Risikoprämien, die auf die Auslandsschulden von 210 Mrd. $ ohnehin schon fällig sind, klafft in der Leistungsbilanz aber ein Loch in Höhe von 4,6 Prozent des BIP. Zwar hat Brasilien kurzfristig genügend Liquidität, um die Schulden bis zum Jahresende zu bedienen. Doch sollte der mächtige Strom an Direktinvestitionen versiegen - 2001 waren es 22,6 Mrd. $ - drohte der Leistungsbilanz der Kollaps. Dasselbe gilt, wenn die jetzigen Turbulenzen anhalten, wodurch die Refinanzierung der Schulden empfindlich teurer würde. Das alles weiß auch Lula.

      Doch trotz des Kurswechsels könnte es im Falle seines Wahlsiegs zu einer Kapitalflucht kommen - im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Bitter für Brasilien ist auch, dass die Akteure an den Finanzmärkten zur Zeit ohnehin nervös sind. Neben den politischen Turbulenzen in Argentinien, Kolumbien, Venezuela sowie im Nahen und Mittleren Osten, hat auch der Skandal um Enron dazu beigetragen, dass die Risikoabneigung der Anleger zugenommen hat. Der seit Februar wieder gestiegene Ölpreis tut sein Übriges, um Brasiliens Zahlungsbilanzprobleme zu verschärfen. Sollten die Fed und die EZB im zweiten Halbjahr die Zügel straffen, würde das den Zugang zu den Kapitalmärkten für die Schwellenländer zusätzlich erschweren. Das Risiko, dass sich die Krise weiter auf Länder wie die Türkei oder Indonesien ausweitet, würde noch zunehmen.

      Im Westen würde das nicht nur Banken wie die Citigroup , SCH und ABN Amro belasten. Dazu kommen etwa die Autofirmen. Im Mai ist der Absatz in Brasilien um 26 Prozent gefallen, die Produktion um 18,8 Prozent. GM und Fiat haben schon Kürzungen angekündigt. VW hat 2001 sieben Prozent des Umsatzes in Lateinamerika erzielt und ist außer in Brasilien auch Marktführer in Osteuropa und China. Fiat erwirtschaftet 13 Prozent des Umsatzes in Schwellenländern.

      Für die EZB und die Fed wäre ein früher Zinsschritt unter all diesen Umständen noch riskanter, als es ohnehin der Fall ist.

      Ciao BigLinus :cool:


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