"Bevormundung der Leser" Wahlempfehlung der FTD - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 16.09.02 14:28:37 von
neuester Beitrag 16.09.02 18:16:06 von
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Montag, 16. September 2002
"Bevormundung der Leser"
Wahlempfehlung der FTD
Der Wahlempfehlung der „Financial Times Deutschland“ kann Siegfried Weischenberg wenig abgewinnen. „Journalisten sollen informieren, kritisieren, kontrollieren und orientieren – nicht aber missionieren“ meint der Medienwissenschaftler, der von 1999-2001 auch Vorsitzender des Deutschen Journalistenbundes war.
Es gehe der Chefredaktion wohl darum, Aufmerksamkeit zu erregen, urteilt Weischenberg. „Die ‚FTD’ ist – was die Auflage betrifft – ja nicht gerade in aller Munde“ fügt der Leiter des Instituts für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg noch hinzu.
Umstritten ist das Votum der Wirtschaftszeitung aber nicht nur in der Presselandschaft. Auch die Redaktion selber fand die lang angekündigte Aktion am Sonntag offenbar nicht mehr so gelungen. Sechs Stunden sollen die Redakteure miteinander gestritten haben, bevor die Chefredaktion mit der Begründung „es gab keinen Konsens“ die Sache zur Chefsache machte – und sich im heute erschienenen Leitartikel mit der Überschrift „Zeit für einen Wechsel“ für eine Regierung mit Stoiber an der Spitze aussprach.
Insbesondere das Politik-Ressort war mit diesem Votum nicht einverstanden und wollte für den - im Namen der ganzen Zeitung – ausgegebenen Wahlaufruf nicht gerade stehen. Die Politik-Kollegen unterstützten mehrheitlich die Regierungskoalition und wollten insbesondere die Grünen als Motor politischer Reformen loben. In den kommenden Tagen sollen nun auch abweichende Meinungen zu Wort kommen.
In Amerika sind Wahlkampfempfehlungen der Zeitungen durchaus üblich. „Wir sollten aber nicht alles naiv aus Amerika kopieren, zumal selbst dort Wahlempfehlungen höchst umstritten sind“, sagte dazu Weischenberg. Die USA hätten zudem eine andere Zeitungslandschaft und ein anderes politisches System als Deutschland: „Die Amerikaner wählen ihren Präsidenten direkt, in Deutschland votiert man für Parteien.“ Eine Wahlempfehlung habe deshalb in Deutschland weniger Sinn.
"Bevormundung der Leser"
Wahlempfehlung der FTD
Der Wahlempfehlung der „Financial Times Deutschland“ kann Siegfried Weischenberg wenig abgewinnen. „Journalisten sollen informieren, kritisieren, kontrollieren und orientieren – nicht aber missionieren“ meint der Medienwissenschaftler, der von 1999-2001 auch Vorsitzender des Deutschen Journalistenbundes war.
Es gehe der Chefredaktion wohl darum, Aufmerksamkeit zu erregen, urteilt Weischenberg. „Die ‚FTD’ ist – was die Auflage betrifft – ja nicht gerade in aller Munde“ fügt der Leiter des Instituts für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg noch hinzu.
Umstritten ist das Votum der Wirtschaftszeitung aber nicht nur in der Presselandschaft. Auch die Redaktion selber fand die lang angekündigte Aktion am Sonntag offenbar nicht mehr so gelungen. Sechs Stunden sollen die Redakteure miteinander gestritten haben, bevor die Chefredaktion mit der Begründung „es gab keinen Konsens“ die Sache zur Chefsache machte – und sich im heute erschienenen Leitartikel mit der Überschrift „Zeit für einen Wechsel“ für eine Regierung mit Stoiber an der Spitze aussprach.
Insbesondere das Politik-Ressort war mit diesem Votum nicht einverstanden und wollte für den - im Namen der ganzen Zeitung – ausgegebenen Wahlaufruf nicht gerade stehen. Die Politik-Kollegen unterstützten mehrheitlich die Regierungskoalition und wollten insbesondere die Grünen als Motor politischer Reformen loben. In den kommenden Tagen sollen nun auch abweichende Meinungen zu Wort kommen.
In Amerika sind Wahlkampfempfehlungen der Zeitungen durchaus üblich. „Wir sollten aber nicht alles naiv aus Amerika kopieren, zumal selbst dort Wahlempfehlungen höchst umstritten sind“, sagte dazu Weischenberg. Die USA hätten zudem eine andere Zeitungslandschaft und ein anderes politisches System als Deutschland: „Die Amerikaner wählen ihren Präsidenten direkt, in Deutschland votiert man für Parteien.“ Eine Wahlempfehlung habe deshalb in Deutschland weniger Sinn.
Ich fühle mich auch nicht vom DGB bevormundet...
Ob die FTD eine offizielle Wahlempfehlung gibt oder nicht ist doch vollkommen egal. Ich finde dies in Ordnung. Eine Auswirkung auf das Wahlergebnis wird es nicht haben. Für alle, die die inoffiziellen Wahlempfehlungen von Medien nicht kennen kommt jetzt meine SUBJEKTIVE Liste.
Bild/Bild am Sonntag: Union
Süddeutsche Zeitung: SPD
Nürnberger Abendzeitung: SPD
Frankfurter Rundschau: SPD
Focus: Union
Stern: SPD
Bild/Bild am Sonntag: Union
Süddeutsche Zeitung: SPD
Nürnberger Abendzeitung: SPD
Frankfurter Rundschau: SPD
Focus: Union
Stern: SPD
Spiegel : SPD
"Bundeswehr" : SPD
"Bundeswehr" : SPD
Hat Herr Weischenberg denn den Artikel gelesen??
Die politische Empfehlung der Financial Times, diesen Stoiber zu wählen, ist genau so schlecht wie die Börsen- und Aktienempfehlungen dieser Zeitung.
An der SPD kann man durchaus einiges kritisieren. Aber ich verspreche euch - mit Herrn Stoiber als Kanzler wird alles noch viel schlimmer!
Die Union ist keine wirkliche Alternative!
Gruß,
Unreal
Die Union ist keine wirkliche Alternative!
Gruß,
Unreal
@unreal
Wenn du das versprichst, dann wird das wohl so sein!
Wenn du das versprichst, dann wird das wohl so sein!
..lest den Text der ftd. erstmal durch, da sind genügend Ohrfeigen für Stoiber und Co. drin, von Bevormundung kann keine Rede sein.
Ich wähle ganz anders als sie empfehlen, kann aber 90 % des Textes problemlos unterschreiben, überwiegend sogar mit dickem Ausrufezeichen (so ist es!!!)
Ich wähle ganz anders als sie empfehlen, kann aber 90 % des Textes problemlos unterschreiben, überwiegend sogar mit dickem Ausrufezeichen (so ist es!!!)
ich empfehle die union !
Ist doch ehrlicher als manch andere Zeitung:
Wie der „Spiegel“ Wahlkampf macht
Von Jörg Thomann
16. Sep. 2002 Die 80.000 Leser der „Financial Times Deutschland“ wissen nun, wen sie wählen sollen. Zumindest nach Ansicht der „FTD“-Chefredaktion, die an diesem Montag eine Wahlempfehlung ausgesprochen hat, die niemanden überrascht hat - außer vielleicht ihre eigenen Redakteure, die zuvor in einer sechsstündigen Diskussion mehrheitlich anders votiert hatten. Das Wirtschaftsblatt spricht sich, wer hätte das gedacht, für die CDU aus. Und die anderen Medien schreiben, ohne Ausnahme, die „FTD“ habe einen „Tabubruch“ begangen. Die „FTD“, über die sonst eher wenig geschrieben wird, dürfte ihr vorrangiges Ziel damit erreicht haben.
Die anderen brechen keine Tabus. Ihre politischen Präferenzen kennt man trotzdem. Wer würde sich ernsthaft darüber den Kopf zerbrechen, wen wohl die „Welt“ wählen würde? Oder „Focus“? Oder die „taz“? Es ist schließlich hierzulande kein journalistisches Tabu, seinen Lesern nicht nur durch Kommentare die Richtung vorzugeben, sondern auch durch die Nachrichtenauswahl, durch Schlagzeilen, durch den Abdruck von Interviews, durch - je nach Vorliebe - besonders vorteilhafte oder unvorteilhafte Fotos der Politiker. Manche, siehe Springers „Bild“ und noch viel mehr die „B.Z.“ gehen dabei ausgesprochen brachial vor, andere drücken ihre Haltung ungleich subtiler aus. Beispielsweise der „Spiegel“.
Zwei Sieger, ein Gewinner
Das aktuelle Titelbild seines Heftes, würde ein routinierter „Spiegel“-Mann sicher beteuern, gebe lediglich die derzeitige Stimmungslage im Volke wieder und habe daher rein nachrichtlichen Gehalt. Zu sehen sind Gerhard Schröder und Edmund Stoiber, beide in Siegerpose. Hinter beiden allerdings befindet sich eine Skala mit Prozentpunkten, und die zum Victory-Zeichen gespreizten Kanzlerfinger ragen deutlich über die 38-Prozent-Marke - während die des Kandidaten nur die 36 Prozent antippen. Wird hier eine Stimmung tatsächlich nur abgebildet? Oder wird sie, wenn schon nicht erzeugt, so doch eindeutig verstärkt?
Wer sich die „Spiegel“-Titelbilder der vergangenen Jahre betrachtet, den wird das jüngste Cover nicht überraschen. Was seinem Vorgänger Helmut Kohl widerfuhr, den der „Spiegel“ schon mal als Winzling und „Minus-Kanzler“ abqualifizierte, blieb Schröder selbst in seinen schwersten Zeiten erspart. Die gesamte Zeit seiner Kanzlerschaft begleiteten die Titelgestalter des Magazins, deren Werk Woche für Woche Millionen Betrachter findet, mit einer Mischung aus sympathisierender Anteilnahme und Kritik, mit der sich eine Aufforderung zum Handeln verbindet.
Siegfried Schröder
„Wo ist Schröder?“ fragte der „Spiegel“ etwa in seiner Ausgabe 46/1998, in der er über den rot-grünen Wirtschaftskurs rätselte, und zeigte den Kanzler durch ein Wolkenmeer lugen; mit beiden Händen in den Hosentaschen war Schröder Titelfigur der Ausgabe 33/2001, die sich über seinen Ausspruch „...mit ruhiger Hand“ mokierte. Lange dauerte es jedoch nie, bis sich Schröder an gleicher Stelle wieder als Macher präsentieren durfte. So kündete der „Spiegel“ in der Nummer 26/1999 vom „Kraftakt“, von der „großen Wende am Ende der Bonner Ära“ gar - und stellte den Bundeskanzler allen Ernstes als Drachentöter dar, der per Schwertstreich die furchterregende Bestie (den Reformstau? Die Bonner Republik? Die Opposition?) im Alleingang erlegte.
Auch der Lafontaine-Rücktritt stimmte den „Spiegel“ für den Kanzler optimistisch: „Schröders zweite Chance“ rief er in der Nummer 11/1999 aus. Schröders dritte Chance, wenn man so will, kam demnach mit der CDU-Spendenaffäre - und der „Spiegel“-Titelstory „Kohl saniert Schröder“. Neue Chancen wittert der „Spiegel“ zudem verlässlich immer dann, wenn Schröder endlich doch noch den Arbeitsmarkt zu sanieren verspricht: „Schröders spätes Erwachen: Radikal-Kur gegen die Arbeitslosigkeit“ bejubelte der „Spiegel“-Titel 26/2002 die Pläne der Hartz-Kommission. Für manchen Leser muss das ein Déjà-vu-Erlebnis gewesen sein. Genau dieselbe „Radikalkur gegen die Arbeitslosigkeit“ versprach schließlich schon die „Spiegel“-Titelstory 19/1999: „Aus Schröders Schublade: Der Plan“. Um welchen Plan auch immer es sich gehandelt haben mag - er scheint wieder in der Schublade verschwunden zu sein.
Die neue Republik und das Gestern
Politisch-gesellschaftliches Wunschdenken prägte bereits das erste „Spiegel“-Cover nach Schröders Wahlsieg (Ausgabe 41/1998), das die zuversichtlich blickenden Herren Schröder und Fischer über der Schlagzeile zeigte: „Die neue Republik“. Die dazugehörige Geschichte wirkt, liest man sie heute noch einmal, wie aus einer weit entfernten Zeit, nicht nur, weil darin Namen wie Stollmann, Naumann, Özdemir, Dressler, Hombach, Mosdorf oder Metzger auftauchen. Die einzige Prophezeiung, die aus heutiger Sicht noch aktuell scheint, stammt von - Oskar Lafontaine. Er warnt in einem Interview vor den Gefahren einer Weltwirtschaftskrise.
Das Gegenmodell zur „neuen Republik“ der Schröders und Fischers hatte der „Spiegel“ schon in seiner Nummer 11/1998 vorgestellt: „Abschied von gestern“ lautete die Schlagzeile auf dem Titelblatt, dessen Zentrum ein lachender Helmut Kohl bildete, umgeben von Rehkitzen, kleinen Mädchen in Trachten und zwei Volksmusikanten in Lederhosen. Unübersehbar sind die Ähnlichkeiten zum „Spiegel“-Titel 5/2002. Zu sehen ist hier eine Schneekugel, in deren Zentrum sich ein lachender Edmund Stoiber befindet, mit Bierglas, harfespielendem Engel und König-Ludwig-Bild. Darüber die zweifelnde Frage: „Bayern - Modell für Deutschland?“ Sicher nicht, wenn es nach dem „Spiegel“ geht. Der nämlich hat seine Wahl schon längst getroffen.
Wie der „Spiegel“ Wahlkampf macht
Von Jörg Thomann
16. Sep. 2002 Die 80.000 Leser der „Financial Times Deutschland“ wissen nun, wen sie wählen sollen. Zumindest nach Ansicht der „FTD“-Chefredaktion, die an diesem Montag eine Wahlempfehlung ausgesprochen hat, die niemanden überrascht hat - außer vielleicht ihre eigenen Redakteure, die zuvor in einer sechsstündigen Diskussion mehrheitlich anders votiert hatten. Das Wirtschaftsblatt spricht sich, wer hätte das gedacht, für die CDU aus. Und die anderen Medien schreiben, ohne Ausnahme, die „FTD“ habe einen „Tabubruch“ begangen. Die „FTD“, über die sonst eher wenig geschrieben wird, dürfte ihr vorrangiges Ziel damit erreicht haben.
Die anderen brechen keine Tabus. Ihre politischen Präferenzen kennt man trotzdem. Wer würde sich ernsthaft darüber den Kopf zerbrechen, wen wohl die „Welt“ wählen würde? Oder „Focus“? Oder die „taz“? Es ist schließlich hierzulande kein journalistisches Tabu, seinen Lesern nicht nur durch Kommentare die Richtung vorzugeben, sondern auch durch die Nachrichtenauswahl, durch Schlagzeilen, durch den Abdruck von Interviews, durch - je nach Vorliebe - besonders vorteilhafte oder unvorteilhafte Fotos der Politiker. Manche, siehe Springers „Bild“ und noch viel mehr die „B.Z.“ gehen dabei ausgesprochen brachial vor, andere drücken ihre Haltung ungleich subtiler aus. Beispielsweise der „Spiegel“.
Zwei Sieger, ein Gewinner
Das aktuelle Titelbild seines Heftes, würde ein routinierter „Spiegel“-Mann sicher beteuern, gebe lediglich die derzeitige Stimmungslage im Volke wieder und habe daher rein nachrichtlichen Gehalt. Zu sehen sind Gerhard Schröder und Edmund Stoiber, beide in Siegerpose. Hinter beiden allerdings befindet sich eine Skala mit Prozentpunkten, und die zum Victory-Zeichen gespreizten Kanzlerfinger ragen deutlich über die 38-Prozent-Marke - während die des Kandidaten nur die 36 Prozent antippen. Wird hier eine Stimmung tatsächlich nur abgebildet? Oder wird sie, wenn schon nicht erzeugt, so doch eindeutig verstärkt?
Wer sich die „Spiegel“-Titelbilder der vergangenen Jahre betrachtet, den wird das jüngste Cover nicht überraschen. Was seinem Vorgänger Helmut Kohl widerfuhr, den der „Spiegel“ schon mal als Winzling und „Minus-Kanzler“ abqualifizierte, blieb Schröder selbst in seinen schwersten Zeiten erspart. Die gesamte Zeit seiner Kanzlerschaft begleiteten die Titelgestalter des Magazins, deren Werk Woche für Woche Millionen Betrachter findet, mit einer Mischung aus sympathisierender Anteilnahme und Kritik, mit der sich eine Aufforderung zum Handeln verbindet.
Siegfried Schröder
„Wo ist Schröder?“ fragte der „Spiegel“ etwa in seiner Ausgabe 46/1998, in der er über den rot-grünen Wirtschaftskurs rätselte, und zeigte den Kanzler durch ein Wolkenmeer lugen; mit beiden Händen in den Hosentaschen war Schröder Titelfigur der Ausgabe 33/2001, die sich über seinen Ausspruch „...mit ruhiger Hand“ mokierte. Lange dauerte es jedoch nie, bis sich Schröder an gleicher Stelle wieder als Macher präsentieren durfte. So kündete der „Spiegel“ in der Nummer 26/1999 vom „Kraftakt“, von der „großen Wende am Ende der Bonner Ära“ gar - und stellte den Bundeskanzler allen Ernstes als Drachentöter dar, der per Schwertstreich die furchterregende Bestie (den Reformstau? Die Bonner Republik? Die Opposition?) im Alleingang erlegte.
Auch der Lafontaine-Rücktritt stimmte den „Spiegel“ für den Kanzler optimistisch: „Schröders zweite Chance“ rief er in der Nummer 11/1999 aus. Schröders dritte Chance, wenn man so will, kam demnach mit der CDU-Spendenaffäre - und der „Spiegel“-Titelstory „Kohl saniert Schröder“. Neue Chancen wittert der „Spiegel“ zudem verlässlich immer dann, wenn Schröder endlich doch noch den Arbeitsmarkt zu sanieren verspricht: „Schröders spätes Erwachen: Radikal-Kur gegen die Arbeitslosigkeit“ bejubelte der „Spiegel“-Titel 26/2002 die Pläne der Hartz-Kommission. Für manchen Leser muss das ein Déjà-vu-Erlebnis gewesen sein. Genau dieselbe „Radikalkur gegen die Arbeitslosigkeit“ versprach schließlich schon die „Spiegel“-Titelstory 19/1999: „Aus Schröders Schublade: Der Plan“. Um welchen Plan auch immer es sich gehandelt haben mag - er scheint wieder in der Schublade verschwunden zu sein.
Die neue Republik und das Gestern
Politisch-gesellschaftliches Wunschdenken prägte bereits das erste „Spiegel“-Cover nach Schröders Wahlsieg (Ausgabe 41/1998), das die zuversichtlich blickenden Herren Schröder und Fischer über der Schlagzeile zeigte: „Die neue Republik“. Die dazugehörige Geschichte wirkt, liest man sie heute noch einmal, wie aus einer weit entfernten Zeit, nicht nur, weil darin Namen wie Stollmann, Naumann, Özdemir, Dressler, Hombach, Mosdorf oder Metzger auftauchen. Die einzige Prophezeiung, die aus heutiger Sicht noch aktuell scheint, stammt von - Oskar Lafontaine. Er warnt in einem Interview vor den Gefahren einer Weltwirtschaftskrise.
Das Gegenmodell zur „neuen Republik“ der Schröders und Fischers hatte der „Spiegel“ schon in seiner Nummer 11/1998 vorgestellt: „Abschied von gestern“ lautete die Schlagzeile auf dem Titelblatt, dessen Zentrum ein lachender Helmut Kohl bildete, umgeben von Rehkitzen, kleinen Mädchen in Trachten und zwei Volksmusikanten in Lederhosen. Unübersehbar sind die Ähnlichkeiten zum „Spiegel“-Titel 5/2002. Zu sehen ist hier eine Schneekugel, in deren Zentrum sich ein lachender Edmund Stoiber befindet, mit Bierglas, harfespielendem Engel und König-Ludwig-Bild. Darüber die zweifelnde Frage: „Bayern - Modell für Deutschland?“ Sicher nicht, wenn es nach dem „Spiegel“ geht. Der nämlich hat seine Wahl schon längst getroffen.
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