1929 und heute - Vergleich? - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 04.10.02 18:00:10 von
neuester Beitrag 09.10.02 20:37:38 von
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Hi!
Irgendwo gab es mal einen Vergleich mit dem Chart von 1929 und dem Nasdaq Index und da sah man parallelen auf der Grafik. Leider finde ich den Beitrag nicht mehr kann mir da jemand weiter helfen?
John
Irgendwo gab es mal einen Vergleich mit dem Chart von 1929 und dem Nasdaq Index und da sah man parallelen auf der Grafik. Leider finde ich den Beitrag nicht mehr kann mir da jemand weiter helfen?
John
Das wird dir nix bringen, die heutige Situation ist mit 1929 gar nicht zu vergleichen. Diese sog. Charttechnischen Ähnlichkeiten ergeben sich nur aus kosmetischen Veränderungen in den Charts ( Zeitwertachse, Preisachse variieren ). Also im Prinzip nutzlos, weil reine Panikmache
Gruss
Naryx
Gruss
Naryx
Ich stimme #2 zu, vielleicht hilft Dir dieser Artikel weiter, die Frage ist nur, ob das Panikmache ist:
Der erfundene "Boom" der 90er Jahre
Von Dr. Kurt Richebächer
US-Wirtschaft. Dr. Kurt Richebächer ist Herausgeber des in den Vereinigten
Staaten erscheinenden Wirtschaftsbriefes "Richebaecher Letter". In den 70er
Jahren war er Generalbevollmächtigter der Dresdner Bank. Den folgenden
Redetext legte er einer Konferenz des Zayed-Zentrums für Koordination und
Abverfolgung vom 19.-20. August in Abu Dhabi vor, die unter dem Thema "Neuer
Wirtschaftsliberalismus" stand.
Zum ersten Mal in den 50 Jahren seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die
ganze Welt zeitgleich von einem wirtschaftlichen Niedergang erfaßt. Dafür
gibt es in der Geschichte nur einen Präzedenzfall: die Weltdepression der
30er Jahre. Die auffälligste Gemeinsamkeit beider Perioden ist die
vorherrschende Rolle der Vereinigten Staaten. Nachdem die USA an der Spitze
eines synchronen weltweiten Booms gestanden hatten, stehen sie nun
entsprechend an der Spitze des synchronen Abschwungs.
Zwischen den beiden Fällen amerikanischer wirtschaftlicher Vorherrschaft
existieren jedoch auffällige Unterschiede. In den 20er Jahren überschüttete
Amerika als "Kreditgeber der letzten Instanz" die Welt mit exzessivem Kredit,
in den 90er Jahren hingegen wurde es zum "Verbraucher der letzten Instanz"
und überschüttete den Rest der Welt mit einem ungekannten Übermaß an
Konsumausgaben. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre lag der Anteil der
Verbraucherausgaben am Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den USA
bei 82%, während es normalerweise zwei Drittel sind.
Tatsächlich handelte es sich bei dem Wirtschaftsboom der 20er Jahre in ganz
ähnlicher Weise hauptsächlich um einen Kredit- und Kaufrausch der
Verbraucher, ausgelöst durch die Erfindung der Teilzahlung. Aber verbliebene
Sparguthaben und schwache Investitionen sorgten für einen chronischen
Überschuß der Leistungsbilanz. Die jüngsten Exzesse überstiegen die der 20er
Jahre um ein Vielfaches und trieben die Leistungsbilanz in ein massives
Defizit.
Die Frage, wann die [amerikanische Notenbank] Federal Reserve ihre
entscheidenden politischen Fehler beging, die eine lange Depression
auslösten, ist ein alter Zankapfel zwischen amerikanischen und europäischen
Ökonomen. War es die übermäßige monetäre Lockerung Ende der 20er Jahre, vor
dem Aktienkrach? Diese Meinung herrscht in Europa vor und ist stark von der
österreichischen Theorie beeinflußt. Oder war es die übermäßige
Geldverknappung nach dem Crash, Anfang der 30er Jahre? Das ist die
vorherrschende amerikanische Meinung, wie sie seit den 60er Jahren von Prof.
Milton Friedman gelehrt wird.
Ich bin ein großer Anhänger der Logik der österreichischen Theorie. Sie
besagt, daß die Schwere und Dauer jeder Depression oder Rezession
entscheidend von zwei Bedingungen abhängt: erstens dem Ausmaß der
strukturellen Fehlanpassung, die sich in der Wirtschaft während des Booms
entwickelt hat, und zweitens der Anspannung und Belastung des Finanzsystems.
Das erscheint mir eine geradlinige Logik. Darüber hinaus spricht die
historische Erfahrung für sie. Meiner Auffassung nach ist der Schlüssel zur
Beurteilung der amerikanischen Wirtschaft darin zu sehen, daß sie Jahre des
maßlosesten Kreditexzesses der Geschichte hinter sich hat. Und wichtig ist,
daß dieser Kreditexzeß sich lange genug auswirken konnte, um bei der
Verteilung der Mittel schwere Störungen hervorzurufen.
Widerspruch zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit
Das Schicksal der amerikanischen Wirtschaft ist definitiv die Schlüsselfrage
für die Weltwirtschaft und für die Aussichten auf den globalen Aktienmärkten.
Früher in diesem Jahr herrschte die Konsensmeinung, die US-Wirtschaft habe
die Flaute des vorangegangenen Jahres gut gemeistert, und sie werde in diesem
Jahr mit einer Wachstumsrate von weit über 3% einen Aufschwung der
Weltwirtschaft anführen und entsprechend starke Gewinne an den weltweiten
Aktienmärkten anstoßen.
Die große Überraschung der letzten Monate war das Gemetzel an der Wall
Street, von dem alle Nationen der Welt betroffen waren, welches in einem
unheilvollen Gegensatz zu den optimistischen wirtschaftlichen Prognosen und
Erwartungen stand. Diese dramatische Diskrepanz zwischen dem kläglichen
Verhalten der Börsen und der optimistischen Wahrnehmung der
Wirtschaftsaussichten erklärte man allgemein wegwerfend mit einer
irrationalen Verschlechterung der Marktpsychologie wegen der verbreiteten
betrügerischen Praktiken bei den Unternehmensbilanzen. Diese Sicht schloß die
tröstliche Schlußfolgerung ein, alles werde bald wieder gut werden, sobald
die Regierungen ausreichenden Reformwillen beweisen.
Das ist barer Unsinn. Mein eigener Eindruck der Beziehung zwischen
wirtschaftlicher Wahrnehmung und wirtschaftlicher Realität in den USA ist das
genaue Gegenteil. Die immer noch vorherrschende Wahrnehmung, die Wirtschaft
sei im Kern stark und gesund, ist viel besser als die sehr häßliche
Wirklichkeit. Der maßlose Kreditexzeß der vergangenen Jahre hat die ganze
Struktur schwer geschädigt und veformt.
Der Versuch einer Einschätzung der Aussichten der US-Wirtschaft muß mit der
Erkenntnis beginnen, daß der gegenwärtige Niedergang radikal anders ist als
jeder andere, den man in der Nachkriegszeit erfahren hat. Diese hatten alle
ein und denselben Auslöser oder Grund: Alle früheren Rezessionen wurden durch
Geldverknappung ausgelöst, mit der die Federal Reserve auf steigende
Inflation reagierte. Sobald die Fed die Geldschraube wieder lockerte, lief
die Wirtschaft prompt wieder.
Der derzeitige Niedergang der amerikanischen Wirtschaft ist in der Geschichte
insofern einzigartig, als er sich vor dem Hintergrund einer zügellosen Geld-
und Kreditschöpfung vollzog. Als im Jahr 2000 der Wirtschaftsboom und die
Wirtschaft plötzlich einbrachen, wuchs das Kreditvolumen um 1700 Mrd. Dollar,
gegenüber einem realen Wachstum des BIP um 332 Mrd. Dollar. Doch dies stand
für eine ziemlich ausgeprägte Schwächung.
2001 war es noch seltsamer. Während die US-Notenbank ihre Zinsen im
beispiellosen Tempo senkte, ging es mit der Wirtschaft und den Börsen weiter
dramatisch abwärts. Die Fed konnte zwar das bereits hemmungslose Geld- und
Kreditwachstum noch erfolgreich beschleunigen, aber dieser monetäre Effekt
half der Wirtschaft und den Aktienmärkten überhaupt nicht.
Noch bis vor recht kurzer Zeit schien es, als sei die amerikanische
Wirtschaft nur von einer milden Rezession betroffen. Das war aber, bevor das
US-Handelsministerium kürzlich eine drastische Abwärtsrevidierung seiner
Wirtschaftsdaten für die vergangenen drei Jahre bekanntgab. Die neuen Zahlen
zeigten, daß die Wirtschaft im vergangenen Jahr nicht nur in einem Quartal,
sondern in allen drei letzten Quartalen geschrumpft war. Die Rezession war
nicht nur schwerer als früher angenommen, auch die erwartete Erholung fiel
deutlich schwächer aus, als man erhofft hatte.
Eine ähnlich drastische Abwärtskorrektur für frühere Jahre hatte es bereits
im Juli des Vorjahres gegeben. Den ursprünglichen Berechnungen zufolge hatte
das reale jährliche Wachstum des amerikanischen BIP seit 1995 im Durchnitt
bei 4% gelegen. Mit der letzten Berichtigung war dieser Durchschnitt auf 2,4%
gefallen. Im Vergleich dazu gab es in den 80er Jahren ein
Durchschnittswachstum von 2,7%, in den 70er Jahren 3,2% und in den 60er
Jahren 4,9%. Das Wachstumswunder der 90er Jahre hat nie stattgefunden.
"Gewinnwunder" wird zur Gewinnkatastrophe
Die schlimmsten Abwärtskorrekturen gab es jedoch bei den
Unternehmensgewinnen. Das ehemalige Gewinnwunder des neuen Paradigmas erwies
sich am Ende als eine für eine boomende Wirtschaft beispiellose
Gewinnkatastrophe. Bei der Beurteilung von Unternehmensgewinnen in den USA
mußte und muß man immer zwischen zwei Maßen unterscheiden. Das eine sind die
von den Unternehmen berichteten Gewinne, und das andere sind die Gewinne,
welche die Regierungsstatistiker aus ihren makroökonomischen Berechnungen
herauslesen.
Das angebliche Gewinnwunder, das von der Wall Street mit astronomisch
steigenden Aktienkursen gefeiert wurde, fand ausschließlich in den massiv
manipulierten Profitzahlen der Unternehmen statt. Im krassen Gegensatz zu
diesen Zahlen zeigen die offiziellen Statistiken seit Jahren Gewinne, die
gegenüber früheren Geschäftszyklen sehr schlecht aussehen. Diesen Zahlen
zufolge sind die Unternehmensgewinne schon seit 1997 nicht mehr angestiegen.
Ich habe auf diesen Zusammenhang in meinem Nachrichtenbrief seitdem immer
wieder hingewiesen. Aber was noch schlimmer ist, auch diese bereits
schlechten Zahlen mußten inzwischen noch weiter nach unten korrigiert werden.
Das Endergebnis ist, daß das Gewinnverhalten in den letzten Jahren das
schlechteste der gesamten Nachkriegszeit war. Die Gewinne fielen bereits, als
die Wirtschaft noch boomte. So etwas hat es niemals zuvor gegeben.
Den ursprünglichen Zahlen zufolge stiegen die Unternehmensgewinne im
Nichtfinanz-Bereich zwischen 1977-2000 von 504 Mrd. Dollar auf 578 Mrd.
Dollar oder um 4,5% jährlich. Die jüngsten revidierten Zahlen zeigen hingegen
einen Rückgang von 504 Mrd. Dollar auf 423 Mrd. Dollar. 2001 sanken sie noch
weiter auf 333 Mrd. Dollar.
Dies ist in zweierlei Hinsicht eine miserable Gewinnentwicklung: Erstens
begann der Rückgang bereits auf dem Höhepunkt des Booms, und zweitens ist der
Niedergang nach dem Boom ungewöhnlich steil.
Von 1997 bis zum ersten Quartal dieses Jahres brachen die Gewinne um 42% ein.
Da das BIP in dieser Zeit um 23% wuchs, sind die Gewinne im Verhältnis zum
BIP und zum Nationaleinkommen buchstäblich kollabiert.
Was diese Zahlen aber noch nicht enthüllen, ist der katastrophalste Aspekt
dieser Gewinnkrankheit, nämlich die extrem ungleiche Verteilung auf
verschiedene Wirtschaftssektoren. Am schlimmsten wurde der produzierende
Sektor getroffen: Hier brachen die Gewinne seit 1997 um 67% ein. Der
Einzelhandel dagegen erlebte aus offensichtlichen Gründen einen Anstieg der
Gewinne um 27%.
1997 betrugen die Einnahmen des produzierenden Gewerbes 195,5 Mrd. Dollar,
gegenüber 63,9 Mrd. Dollar im Einzelhandel. Anfang 2002, kaum fünf Jahre
später, waren die Gewinne in der Industrie auf 68,9 Mrd. Dollar geschrumpft
und im Einzelhandel auf 81,4 Mrd. Dollar gestiegen (beide Zahlen auf
Jahresbasis).
Es sollte offensichtlich sein, daß diese dramatische Umkehrung der
Rentabilität beider Sektoren weitreichende Auswirkungen auf die
Investitionspolitik hatte. Während der rentable Einzelhandel im Verhältnis
zum längerfristig aufrechterhaltbaren Wachstum der Verbraucherausgaben stark
überinvestierte und überexpandierte, investierte der weniger rentable
Industriesektor viel zu wenig in Fabrikation und Anlagen. Genauer gesagt, er
investierte zuviel in die Herstellung von Hochtechnologie-Ausrüstung, aber
zuwenig in die Produktion traditioneller Industrieanlagen.
Einbruch der Investitionen
Was bleibt von der paradigmatischen amerikanischen "Neuen Wirtschaft" nach
den diversen statistischen Bereinigungen noch übrig? Wie bereits erwähnt, war
das durchschnittliche BIP-Jahreswachstum das niedrigste in der gesamten
Nachkriegszeit. Das schlimmste ist aber die verheerende Gewinnentwicklung.
Sie ist schlicht der Hauptgrund für den verheerenden Einbruch der
Unternehmensinvestitionen.
Tatsächlich spiegelte der amerikanische "Wirtschaftsboom" der vergangenen
Jahre im Gegensatz zu einer verbreiteten Auffassung keinen Investitionsboom
wider. Er war hauptsächlich angetrieben vom größten Verbraucherkredit- und
Kaufrausch aller Zeiten. Dies zeigt sich am auffälligsten bei dem Anstieg des
Anteils der Konsumausgaben am BIP von normalerweise 67% auf 82%.
Ebenfalls entgegen einer verbreiteten Auffassung ist der Anteil der
Unternehmensinvestitionen am BIP gesunken. Hinsichtlich langfristigen
Wirtschaftswachstums und Gewinnschöpfung zählen vor allem die
Nettoinvestitionen, d.h. Bruttoinvestitionen abzüglich Abschreibungen. Da
Investitionen in Hochtechnologie allgemein kurzlebig sind, implizierten diese
rasch ansteigende Abschreibungen zulasten der Gewinne. Die Nettoinvestitionen
waren schon lange eher gering. Aber im vergangenen Jahr erreichten sie ein
Rekordtief von kaum noch 2,5% des BIP.
Nur wenige erkannten, daß der Verbraucherkredit- und Kaufrausch eine schwere
Gewinn- und Investitionskrise verhüllte. Angesichts der entscheidenden
Bedeutung von Gewinnen und Kapitalbildung für das langfristige
Wirtschaftswachstum sind die tieferen Ursachen mit Sicherheit für die
amerikanische Wirtschaft die wichtigste Frage überhaupt.
Die Beantwortung dieser Frage beginnt meiner Ansicht nach am besten mit der
Wiederholung einer Binsenweisheit über Gewinne. Betrachtet man die
Privatwirtschaft im ganzen, sind sie, allgemein gesprochen, die Differenz
zwischen Unternehmenseinnahmen und -ausgaben.
Wenn man an Profitschöpfung denkt, machen viele Menschen den Fehler, diese
nur aus der Sicht eines einzelnen Unternehmens zu beurteilen. Sicherlich kann
ein Unternehmen seinen Gewinn durch Kostensenkung steigern. Aber wenn viele
oder sogar alle Unternehmen diesem Rezept folgen, ist der Gesamteffekt genau
das Gegenteil, weil die Ausgaben des einen Unternehmens die Einnahmen eines
anderen Unternehmens sind. Für die Wirtschaft insgesamt sind
Ausgabensenkungen im Endeffekt auch Einnahmeausfälle.
Kostensenkungsmaßnahmen aller Art wurden in den letzten Jahren zur
bevorzugten Strategie amerikanischer Unternehmen auf der Jagd nach schneller
Gewinnsteigerung. Dies ist kläglich gescheitert, weil es aus den genannten
Gründen in der Summe keinen Sinn machte.
Ebenso fehlgeleitet war aus dem gleichen Grund auch die Manie der Fusionen
und Übernahmen. Für das einzelne Unternehmen mag dies ein wunderbares Mittel
erscheinen, kurzfristig den Gewinn zu steigern, verglichen mit der quälend
langsamen Gewinnschöpfung durch Neuinvestitionen. Aber in der Summe hat es
wiederum völlig versagt. Das mußte es, weil es dem gleichen logischen
Trugschluß aufsaß, daß das, was für ein einzelnes Unternehmen vorteilhaft
aussieht, auch für das Ganze vorteilhaft sein müsse.
Bei der Fusions- und Übernahmemanie ging es um astronomische Summen, welche
die Aktienkurse nach oben trieben, aber der Nachteil dieser Geldströme ist,
daß sie nichts zu den Unternehmenseinnahmen und dementsprechend auch nichts
zu den Unternehmensgewinnen beitragen. In dem Maße, wie die Fusions- und
Übernahmestrategien zulasten neuer Investitionen gingen - was mit Sicherheit
der Fall war - , schmälerten sie mit Sicherheit die Gewinne.
Dollar-Sturz steht bevor
Immer noch gesamtwirtschaftlich betrachtet, bilden in der kapitalistischen
Wirtschaft regelmäßige Investitionen die größte und wichtigste Profitquelle.
Der hauptsächliche Grund dafür ist die Tatsache, daß steigende Investitionen
die Gesamtheit der Unternehmenseinnahmen steigert, während Ausgaben erst
getätigt werden, wenn die erste Abschreibung erfolgt.
Volkswirtschaften mit hohen Investitionen sind in der Regel hochprofitabel,
Volkswirtschaften mit hohem Verbrauch dagegen in der Regel weniger
profitabel.
Seit den 20er Jahren ist die amerikanische Volkswirtschaft im Kern eine
konsumorientierte Wirtschaft, in der Verbraucherkredit eine Schlüsselrolle
bei der Nachfrage spielt. Aber dies hat sich in den letzten Jahren noch
dramatisch verschlechtert - mit verheerenden Folgen für die Gewinne. Der
Hauptgrund dafür ist, daß sich ein rasch wachsender Anteil der
Binnennachfrage an ausländische Produzenten richtete und deren Gewinne
erhöhte, wie das explodierende Handelsdefizit der USA zeigt.
Damit die Gewinne wieder steigen, ist eine Kombination aus höheren
Investitionen und höherem Verbrauch nötig. Keines von beiden ist jetzt in
Sicht oder machbar. Angesichts eskalierender Verluste und extrem niedriger
Einkommenszuwächse ist die wahrscheinlichste Veränderung auf der
Nachfrageseite eine Schwächung der Verbrauchernachfrage. Die Immobilienwerte
haben sich besser gehalten, was es den Verbrauchern ermöglichte, ihre
Wertpapieranlagen in Immobilien zu verlagern. Aber es gibt gute Gründe für
die Annahme, daß auch der Eigentumszyklus vor einer Wende steht.
Aus meiner Sicht bewegt sich die amerikanische Wirtschaft unvermeidlich auf
eine anhaltende Rezession im japanischen Stil zu. Aber es gibt einen
wesentlichen Unterschied zwischen beiden Ländern: Japan ist ein
Überschußland, während die USA ein Defizitland mit einem immensen
Zahlungsbilanzdefizit und einer astronomischen Auslandsverschuldung sind. Da
die amerikanische Wirtschaft weiter schrumpft, wird es über kurz oder lang
eine Flucht aus dem Dollar geben.
Ein kommender wahrscheinlicher Dollar-Kollaps ist zweifellos die größte
Gefahr für die amerikanischen Finanzmärkte und für die bedauernswerten
ausländischen Dollarinvestoren, die insgesamt Dollaranleihen in der Höhe von
mehr als neun Billionen Dollar halten. Das einzige, was den Dollar noch von
seinem "jüngsten Tag" trennt, ist die falsche Hoffnung auf einen
bevorstehenden Aufschwung.
Der erfundene "Boom" der 90er Jahre
Von Dr. Kurt Richebächer
US-Wirtschaft. Dr. Kurt Richebächer ist Herausgeber des in den Vereinigten
Staaten erscheinenden Wirtschaftsbriefes "Richebaecher Letter". In den 70er
Jahren war er Generalbevollmächtigter der Dresdner Bank. Den folgenden
Redetext legte er einer Konferenz des Zayed-Zentrums für Koordination und
Abverfolgung vom 19.-20. August in Abu Dhabi vor, die unter dem Thema "Neuer
Wirtschaftsliberalismus" stand.
Zum ersten Mal in den 50 Jahren seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die
ganze Welt zeitgleich von einem wirtschaftlichen Niedergang erfaßt. Dafür
gibt es in der Geschichte nur einen Präzedenzfall: die Weltdepression der
30er Jahre. Die auffälligste Gemeinsamkeit beider Perioden ist die
vorherrschende Rolle der Vereinigten Staaten. Nachdem die USA an der Spitze
eines synchronen weltweiten Booms gestanden hatten, stehen sie nun
entsprechend an der Spitze des synchronen Abschwungs.
Zwischen den beiden Fällen amerikanischer wirtschaftlicher Vorherrschaft
existieren jedoch auffällige Unterschiede. In den 20er Jahren überschüttete
Amerika als "Kreditgeber der letzten Instanz" die Welt mit exzessivem Kredit,
in den 90er Jahren hingegen wurde es zum "Verbraucher der letzten Instanz"
und überschüttete den Rest der Welt mit einem ungekannten Übermaß an
Konsumausgaben. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre lag der Anteil der
Verbraucherausgaben am Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den USA
bei 82%, während es normalerweise zwei Drittel sind.
Tatsächlich handelte es sich bei dem Wirtschaftsboom der 20er Jahre in ganz
ähnlicher Weise hauptsächlich um einen Kredit- und Kaufrausch der
Verbraucher, ausgelöst durch die Erfindung der Teilzahlung. Aber verbliebene
Sparguthaben und schwache Investitionen sorgten für einen chronischen
Überschuß der Leistungsbilanz. Die jüngsten Exzesse überstiegen die der 20er
Jahre um ein Vielfaches und trieben die Leistungsbilanz in ein massives
Defizit.
Die Frage, wann die [amerikanische Notenbank] Federal Reserve ihre
entscheidenden politischen Fehler beging, die eine lange Depression
auslösten, ist ein alter Zankapfel zwischen amerikanischen und europäischen
Ökonomen. War es die übermäßige monetäre Lockerung Ende der 20er Jahre, vor
dem Aktienkrach? Diese Meinung herrscht in Europa vor und ist stark von der
österreichischen Theorie beeinflußt. Oder war es die übermäßige
Geldverknappung nach dem Crash, Anfang der 30er Jahre? Das ist die
vorherrschende amerikanische Meinung, wie sie seit den 60er Jahren von Prof.
Milton Friedman gelehrt wird.
Ich bin ein großer Anhänger der Logik der österreichischen Theorie. Sie
besagt, daß die Schwere und Dauer jeder Depression oder Rezession
entscheidend von zwei Bedingungen abhängt: erstens dem Ausmaß der
strukturellen Fehlanpassung, die sich in der Wirtschaft während des Booms
entwickelt hat, und zweitens der Anspannung und Belastung des Finanzsystems.
Das erscheint mir eine geradlinige Logik. Darüber hinaus spricht die
historische Erfahrung für sie. Meiner Auffassung nach ist der Schlüssel zur
Beurteilung der amerikanischen Wirtschaft darin zu sehen, daß sie Jahre des
maßlosesten Kreditexzesses der Geschichte hinter sich hat. Und wichtig ist,
daß dieser Kreditexzeß sich lange genug auswirken konnte, um bei der
Verteilung der Mittel schwere Störungen hervorzurufen.
Widerspruch zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit
Das Schicksal der amerikanischen Wirtschaft ist definitiv die Schlüsselfrage
für die Weltwirtschaft und für die Aussichten auf den globalen Aktienmärkten.
Früher in diesem Jahr herrschte die Konsensmeinung, die US-Wirtschaft habe
die Flaute des vorangegangenen Jahres gut gemeistert, und sie werde in diesem
Jahr mit einer Wachstumsrate von weit über 3% einen Aufschwung der
Weltwirtschaft anführen und entsprechend starke Gewinne an den weltweiten
Aktienmärkten anstoßen.
Die große Überraschung der letzten Monate war das Gemetzel an der Wall
Street, von dem alle Nationen der Welt betroffen waren, welches in einem
unheilvollen Gegensatz zu den optimistischen wirtschaftlichen Prognosen und
Erwartungen stand. Diese dramatische Diskrepanz zwischen dem kläglichen
Verhalten der Börsen und der optimistischen Wahrnehmung der
Wirtschaftsaussichten erklärte man allgemein wegwerfend mit einer
irrationalen Verschlechterung der Marktpsychologie wegen der verbreiteten
betrügerischen Praktiken bei den Unternehmensbilanzen. Diese Sicht schloß die
tröstliche Schlußfolgerung ein, alles werde bald wieder gut werden, sobald
die Regierungen ausreichenden Reformwillen beweisen.
Das ist barer Unsinn. Mein eigener Eindruck der Beziehung zwischen
wirtschaftlicher Wahrnehmung und wirtschaftlicher Realität in den USA ist das
genaue Gegenteil. Die immer noch vorherrschende Wahrnehmung, die Wirtschaft
sei im Kern stark und gesund, ist viel besser als die sehr häßliche
Wirklichkeit. Der maßlose Kreditexzeß der vergangenen Jahre hat die ganze
Struktur schwer geschädigt und veformt.
Der Versuch einer Einschätzung der Aussichten der US-Wirtschaft muß mit der
Erkenntnis beginnen, daß der gegenwärtige Niedergang radikal anders ist als
jeder andere, den man in der Nachkriegszeit erfahren hat. Diese hatten alle
ein und denselben Auslöser oder Grund: Alle früheren Rezessionen wurden durch
Geldverknappung ausgelöst, mit der die Federal Reserve auf steigende
Inflation reagierte. Sobald die Fed die Geldschraube wieder lockerte, lief
die Wirtschaft prompt wieder.
Der derzeitige Niedergang der amerikanischen Wirtschaft ist in der Geschichte
insofern einzigartig, als er sich vor dem Hintergrund einer zügellosen Geld-
und Kreditschöpfung vollzog. Als im Jahr 2000 der Wirtschaftsboom und die
Wirtschaft plötzlich einbrachen, wuchs das Kreditvolumen um 1700 Mrd. Dollar,
gegenüber einem realen Wachstum des BIP um 332 Mrd. Dollar. Doch dies stand
für eine ziemlich ausgeprägte Schwächung.
2001 war es noch seltsamer. Während die US-Notenbank ihre Zinsen im
beispiellosen Tempo senkte, ging es mit der Wirtschaft und den Börsen weiter
dramatisch abwärts. Die Fed konnte zwar das bereits hemmungslose Geld- und
Kreditwachstum noch erfolgreich beschleunigen, aber dieser monetäre Effekt
half der Wirtschaft und den Aktienmärkten überhaupt nicht.
Noch bis vor recht kurzer Zeit schien es, als sei die amerikanische
Wirtschaft nur von einer milden Rezession betroffen. Das war aber, bevor das
US-Handelsministerium kürzlich eine drastische Abwärtsrevidierung seiner
Wirtschaftsdaten für die vergangenen drei Jahre bekanntgab. Die neuen Zahlen
zeigten, daß die Wirtschaft im vergangenen Jahr nicht nur in einem Quartal,
sondern in allen drei letzten Quartalen geschrumpft war. Die Rezession war
nicht nur schwerer als früher angenommen, auch die erwartete Erholung fiel
deutlich schwächer aus, als man erhofft hatte.
Eine ähnlich drastische Abwärtskorrektur für frühere Jahre hatte es bereits
im Juli des Vorjahres gegeben. Den ursprünglichen Berechnungen zufolge hatte
das reale jährliche Wachstum des amerikanischen BIP seit 1995 im Durchnitt
bei 4% gelegen. Mit der letzten Berichtigung war dieser Durchschnitt auf 2,4%
gefallen. Im Vergleich dazu gab es in den 80er Jahren ein
Durchschnittswachstum von 2,7%, in den 70er Jahren 3,2% und in den 60er
Jahren 4,9%. Das Wachstumswunder der 90er Jahre hat nie stattgefunden.
"Gewinnwunder" wird zur Gewinnkatastrophe
Die schlimmsten Abwärtskorrekturen gab es jedoch bei den
Unternehmensgewinnen. Das ehemalige Gewinnwunder des neuen Paradigmas erwies
sich am Ende als eine für eine boomende Wirtschaft beispiellose
Gewinnkatastrophe. Bei der Beurteilung von Unternehmensgewinnen in den USA
mußte und muß man immer zwischen zwei Maßen unterscheiden. Das eine sind die
von den Unternehmen berichteten Gewinne, und das andere sind die Gewinne,
welche die Regierungsstatistiker aus ihren makroökonomischen Berechnungen
herauslesen.
Das angebliche Gewinnwunder, das von der Wall Street mit astronomisch
steigenden Aktienkursen gefeiert wurde, fand ausschließlich in den massiv
manipulierten Profitzahlen der Unternehmen statt. Im krassen Gegensatz zu
diesen Zahlen zeigen die offiziellen Statistiken seit Jahren Gewinne, die
gegenüber früheren Geschäftszyklen sehr schlecht aussehen. Diesen Zahlen
zufolge sind die Unternehmensgewinne schon seit 1997 nicht mehr angestiegen.
Ich habe auf diesen Zusammenhang in meinem Nachrichtenbrief seitdem immer
wieder hingewiesen. Aber was noch schlimmer ist, auch diese bereits
schlechten Zahlen mußten inzwischen noch weiter nach unten korrigiert werden.
Das Endergebnis ist, daß das Gewinnverhalten in den letzten Jahren das
schlechteste der gesamten Nachkriegszeit war. Die Gewinne fielen bereits, als
die Wirtschaft noch boomte. So etwas hat es niemals zuvor gegeben.
Den ursprünglichen Zahlen zufolge stiegen die Unternehmensgewinne im
Nichtfinanz-Bereich zwischen 1977-2000 von 504 Mrd. Dollar auf 578 Mrd.
Dollar oder um 4,5% jährlich. Die jüngsten revidierten Zahlen zeigen hingegen
einen Rückgang von 504 Mrd. Dollar auf 423 Mrd. Dollar. 2001 sanken sie noch
weiter auf 333 Mrd. Dollar.
Dies ist in zweierlei Hinsicht eine miserable Gewinnentwicklung: Erstens
begann der Rückgang bereits auf dem Höhepunkt des Booms, und zweitens ist der
Niedergang nach dem Boom ungewöhnlich steil.
Von 1997 bis zum ersten Quartal dieses Jahres brachen die Gewinne um 42% ein.
Da das BIP in dieser Zeit um 23% wuchs, sind die Gewinne im Verhältnis zum
BIP und zum Nationaleinkommen buchstäblich kollabiert.
Was diese Zahlen aber noch nicht enthüllen, ist der katastrophalste Aspekt
dieser Gewinnkrankheit, nämlich die extrem ungleiche Verteilung auf
verschiedene Wirtschaftssektoren. Am schlimmsten wurde der produzierende
Sektor getroffen: Hier brachen die Gewinne seit 1997 um 67% ein. Der
Einzelhandel dagegen erlebte aus offensichtlichen Gründen einen Anstieg der
Gewinne um 27%.
1997 betrugen die Einnahmen des produzierenden Gewerbes 195,5 Mrd. Dollar,
gegenüber 63,9 Mrd. Dollar im Einzelhandel. Anfang 2002, kaum fünf Jahre
später, waren die Gewinne in der Industrie auf 68,9 Mrd. Dollar geschrumpft
und im Einzelhandel auf 81,4 Mrd. Dollar gestiegen (beide Zahlen auf
Jahresbasis).
Es sollte offensichtlich sein, daß diese dramatische Umkehrung der
Rentabilität beider Sektoren weitreichende Auswirkungen auf die
Investitionspolitik hatte. Während der rentable Einzelhandel im Verhältnis
zum längerfristig aufrechterhaltbaren Wachstum der Verbraucherausgaben stark
überinvestierte und überexpandierte, investierte der weniger rentable
Industriesektor viel zu wenig in Fabrikation und Anlagen. Genauer gesagt, er
investierte zuviel in die Herstellung von Hochtechnologie-Ausrüstung, aber
zuwenig in die Produktion traditioneller Industrieanlagen.
Einbruch der Investitionen
Was bleibt von der paradigmatischen amerikanischen "Neuen Wirtschaft" nach
den diversen statistischen Bereinigungen noch übrig? Wie bereits erwähnt, war
das durchschnittliche BIP-Jahreswachstum das niedrigste in der gesamten
Nachkriegszeit. Das schlimmste ist aber die verheerende Gewinnentwicklung.
Sie ist schlicht der Hauptgrund für den verheerenden Einbruch der
Unternehmensinvestitionen.
Tatsächlich spiegelte der amerikanische "Wirtschaftsboom" der vergangenen
Jahre im Gegensatz zu einer verbreiteten Auffassung keinen Investitionsboom
wider. Er war hauptsächlich angetrieben vom größten Verbraucherkredit- und
Kaufrausch aller Zeiten. Dies zeigt sich am auffälligsten bei dem Anstieg des
Anteils der Konsumausgaben am BIP von normalerweise 67% auf 82%.
Ebenfalls entgegen einer verbreiteten Auffassung ist der Anteil der
Unternehmensinvestitionen am BIP gesunken. Hinsichtlich langfristigen
Wirtschaftswachstums und Gewinnschöpfung zählen vor allem die
Nettoinvestitionen, d.h. Bruttoinvestitionen abzüglich Abschreibungen. Da
Investitionen in Hochtechnologie allgemein kurzlebig sind, implizierten diese
rasch ansteigende Abschreibungen zulasten der Gewinne. Die Nettoinvestitionen
waren schon lange eher gering. Aber im vergangenen Jahr erreichten sie ein
Rekordtief von kaum noch 2,5% des BIP.
Nur wenige erkannten, daß der Verbraucherkredit- und Kaufrausch eine schwere
Gewinn- und Investitionskrise verhüllte. Angesichts der entscheidenden
Bedeutung von Gewinnen und Kapitalbildung für das langfristige
Wirtschaftswachstum sind die tieferen Ursachen mit Sicherheit für die
amerikanische Wirtschaft die wichtigste Frage überhaupt.
Die Beantwortung dieser Frage beginnt meiner Ansicht nach am besten mit der
Wiederholung einer Binsenweisheit über Gewinne. Betrachtet man die
Privatwirtschaft im ganzen, sind sie, allgemein gesprochen, die Differenz
zwischen Unternehmenseinnahmen und -ausgaben.
Wenn man an Profitschöpfung denkt, machen viele Menschen den Fehler, diese
nur aus der Sicht eines einzelnen Unternehmens zu beurteilen. Sicherlich kann
ein Unternehmen seinen Gewinn durch Kostensenkung steigern. Aber wenn viele
oder sogar alle Unternehmen diesem Rezept folgen, ist der Gesamteffekt genau
das Gegenteil, weil die Ausgaben des einen Unternehmens die Einnahmen eines
anderen Unternehmens sind. Für die Wirtschaft insgesamt sind
Ausgabensenkungen im Endeffekt auch Einnahmeausfälle.
Kostensenkungsmaßnahmen aller Art wurden in den letzten Jahren zur
bevorzugten Strategie amerikanischer Unternehmen auf der Jagd nach schneller
Gewinnsteigerung. Dies ist kläglich gescheitert, weil es aus den genannten
Gründen in der Summe keinen Sinn machte.
Ebenso fehlgeleitet war aus dem gleichen Grund auch die Manie der Fusionen
und Übernahmen. Für das einzelne Unternehmen mag dies ein wunderbares Mittel
erscheinen, kurzfristig den Gewinn zu steigern, verglichen mit der quälend
langsamen Gewinnschöpfung durch Neuinvestitionen. Aber in der Summe hat es
wiederum völlig versagt. Das mußte es, weil es dem gleichen logischen
Trugschluß aufsaß, daß das, was für ein einzelnes Unternehmen vorteilhaft
aussieht, auch für das Ganze vorteilhaft sein müsse.
Bei der Fusions- und Übernahmemanie ging es um astronomische Summen, welche
die Aktienkurse nach oben trieben, aber der Nachteil dieser Geldströme ist,
daß sie nichts zu den Unternehmenseinnahmen und dementsprechend auch nichts
zu den Unternehmensgewinnen beitragen. In dem Maße, wie die Fusions- und
Übernahmestrategien zulasten neuer Investitionen gingen - was mit Sicherheit
der Fall war - , schmälerten sie mit Sicherheit die Gewinne.
Dollar-Sturz steht bevor
Immer noch gesamtwirtschaftlich betrachtet, bilden in der kapitalistischen
Wirtschaft regelmäßige Investitionen die größte und wichtigste Profitquelle.
Der hauptsächliche Grund dafür ist die Tatsache, daß steigende Investitionen
die Gesamtheit der Unternehmenseinnahmen steigert, während Ausgaben erst
getätigt werden, wenn die erste Abschreibung erfolgt.
Volkswirtschaften mit hohen Investitionen sind in der Regel hochprofitabel,
Volkswirtschaften mit hohem Verbrauch dagegen in der Regel weniger
profitabel.
Seit den 20er Jahren ist die amerikanische Volkswirtschaft im Kern eine
konsumorientierte Wirtschaft, in der Verbraucherkredit eine Schlüsselrolle
bei der Nachfrage spielt. Aber dies hat sich in den letzten Jahren noch
dramatisch verschlechtert - mit verheerenden Folgen für die Gewinne. Der
Hauptgrund dafür ist, daß sich ein rasch wachsender Anteil der
Binnennachfrage an ausländische Produzenten richtete und deren Gewinne
erhöhte, wie das explodierende Handelsdefizit der USA zeigt.
Damit die Gewinne wieder steigen, ist eine Kombination aus höheren
Investitionen und höherem Verbrauch nötig. Keines von beiden ist jetzt in
Sicht oder machbar. Angesichts eskalierender Verluste und extrem niedriger
Einkommenszuwächse ist die wahrscheinlichste Veränderung auf der
Nachfrageseite eine Schwächung der Verbrauchernachfrage. Die Immobilienwerte
haben sich besser gehalten, was es den Verbrauchern ermöglichte, ihre
Wertpapieranlagen in Immobilien zu verlagern. Aber es gibt gute Gründe für
die Annahme, daß auch der Eigentumszyklus vor einer Wende steht.
Aus meiner Sicht bewegt sich die amerikanische Wirtschaft unvermeidlich auf
eine anhaltende Rezession im japanischen Stil zu. Aber es gibt einen
wesentlichen Unterschied zwischen beiden Ländern: Japan ist ein
Überschußland, während die USA ein Defizitland mit einem immensen
Zahlungsbilanzdefizit und einer astronomischen Auslandsverschuldung sind. Da
die amerikanische Wirtschaft weiter schrumpft, wird es über kurz oder lang
eine Flucht aus dem Dollar geben.
Ein kommender wahrscheinlicher Dollar-Kollaps ist zweifellos die größte
Gefahr für die amerikanischen Finanzmärkte und für die bedauernswerten
ausländischen Dollarinvestoren, die insgesamt Dollaranleihen in der Höhe von
mehr als neun Billionen Dollar halten. Das einzige, was den Dollar noch von
seinem "jüngsten Tag" trennt, ist die falsche Hoffnung auf einen
bevorstehenden Aufschwung.
hi !!!! aus oegeat´s Archiv !!!!!
wie auch dies !!! die Blase 2 wird platzen erstellt Dezember 2001 nach der halbherzigen Kursrally ende letzten Jahres
http://mitglied.lycos.de/oegeat/tabellen-carts-prognosen/lan…
viel spaß beim stöbern !
http://mitglied.lycos.de/oegeat/tabellen-carts-prognosen/lan…
http://www.oeg.cc.nu/
wie auch dies !!! die Blase 2 wird platzen erstellt Dezember 2001 nach der halbherzigen Kursrally ende letzten Jahres
http://mitglied.lycos.de/oegeat/tabellen-carts-prognosen/lan…
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@erfg
Sehr gute Analyse wie mir scheint!
Doch etwas hat auch dieser Dr. Kurt Richebächer trotzdem versäumt:
Nähmlich zu erwähnen, dass der Erwerb von physischem Gold hilft den grössten Schaden, seines richtigerweise erkannten Szenarios, eines Dollar Preis Zerfall abzuwenden.
Gruss
ThaiGuru
Sehr gute Analyse wie mir scheint!
Doch etwas hat auch dieser Dr. Kurt Richebächer trotzdem versäumt:
Nähmlich zu erwähnen, dass der Erwerb von physischem Gold hilft den grössten Schaden, seines richtigerweise erkannten Szenarios, eines Dollar Preis Zerfall abzuwenden.
Gruss
ThaiGuru
mfg highlife
@Thaiboy
Derartigen Mumpitz wird sogar Dr.Richebacher nicht
ernsthaft glauben.
-SL-
Derartigen Mumpitz wird sogar Dr.Richebacher nicht
ernsthaft glauben.
-SL-
Ein kommender wahrscheinlicher Dollar-Kollaps ist zweifellos die größte
Gefahr für die amerikanischen Finanzmärkte und für die bedauernswerten
ausländischen Dollarinvestoren, die insgesamt Dollaranleihen in der Höhe von
mehr als neun Billionen Dollar halten. Das einzige, was den Dollar noch von
seinem "jüngsten Tag" trennt, ist die falsche Hoffnung auf einen
bevorstehenden Aufschwung.
--
geschrieben hat er das bevor der Dollar 12 % verlohr im Früjahr und sich die Nassi halbierte .....
was wollt ihr gebe dem Mann vollkommen recht -damals war von bilazskandal und all den mogelpakungen mit der küstlichen produktion noch gar keine rede !!
--------
Wirtschaftslage in den USA
Dr. Kurt Richebächer, früher Chefökonom der Dresdner Bank, hielt die folgende Rede auf einem Seminar der EIR-Nachrichtenagentur am 5. November 2001 in Berlin. Wir haben den Text hier etwas gekürzt. Die ganze Rede wird in einem EIRNA-Bericht zusammen mit den anderen Beiträgen veröffentlicht werden.
Wahn und Wirklichkeit
Die tatsächliche Lage der amerikanischen Wirtschaft
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
-- à propos Generationen. Ich bin groß geworden in einer Zeit, als die Volkswirte die Aufgabe hatten, nachzudenken. Sie müssen bedenken: Die alte Generation hatte wenig Statistik zur Verfügung, und schon das zwang zum Denken. Aber besonders unter amerikanischem Einfluß hat die Statistik so sehr um sich gegriffen, ist so überwältigend geworden, daß das Denken vollkommen aufgehört hat. Das intellektuelle Niveau in der ökonomischen Diskussion ist heute für mich das niedrigste seit 200 Jahren (vor etwas über 200 Jahren erschien Adam Smith mit seinem Wealth of Nations). Die Amerikaner haben schon in den 20er Jahren die Theorie aufgegeben. Es gibt nicht einen großen amerikanischen Nationalökonomen; es gibt jede Menge Nationalökonomen aus England, aus Schweden, aus Österreich -- aber nicht einen aus Amerika. Nun zur Sache.
Nach herrschender Meinung hat die amerikanische Wirtschaft in den vergangenen Jahren eine große Renaissance erlebt, die Wunder der Produktivität und der Gewinne vollbracht hat. Ich habe die Sache immer im Auge behalten, und ich habe festgestellt, daß die Wunder im Grunde nur in der Statistik, aber überhaupt nicht in der Wirtschaft stattgefunden haben.
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Gewinnentwicklung der letzten Jahre ist die mieseste der gesamten Nachkriegszeit. Jetzt werden Sie fragen: "Wie ist denn das möglich?" Das kann ich Ihnen sehr einfach sagen: Es gibt in dieser Sache zwei Zahlenreihen -- "Reihe" ist schon übertrieben: es gibt eine Reihe, und das andere ist Stückwerk. Also: Das worauf jeder schaut, was Schlagzeilen macht, das sind die Berichte der Unternehmen. Und diese Berichte sind in einem Maße frisiert, daß sie keinerlei Beziehung zur Realität haben. Die Amerikaner sind heute an dem Punkte, wo die Unternehmen sogenannte Pro-forma-Gewinne mitteilen. Pro-forma-Gewinne sind errechnete Gewinne, bei denen jede beliebige Kostenart weggelassen wird, vor allen Dingen Zinskosten und Abschreibungen, die ausgegliedert werden nach dem Motto, diese Kosten spiegelten nicht die organische Entwicklung wider. Vodafone machte neulich Schlagzeilen: "Gewinnanstieg 40%." Das war aber nur der "EBITDA-Gewinn", das heißt Einnahmen ohne Zinsen, ohne Steuern, ohne Abschreibungen, ohne Amortisation. Außerdem müssen Sie eines bedenken: Warum führen die amerikanischen Unternehmen alle diese Akquisitionen und Mergers durch? Das Ziel besteht darin, Gewinne zu kaufen. Die wollen keine Synergien. Die wollen Gewinne kaufen, und diese werden dann dem eigenen Gewinn zugeschlagen. Das macht man zehn Mal im Jahr. Dann wird das extrapoliert, und Sie erhalten die wunderschönsten Gewinnkurven und bewundern die ungeheure Rentabilität der amerikanischen Wirtschaft. Mich stört, daß nicht ein Mensch aufsteht und sagt: "Das ist doch alles Quatsch."
Denn es gibt eine andere Zahlenreihe. Und das ist die Zahlenreihe, an die ich mich als Volkswirt halte. Das ist die Zahlenreihe der amtlichen Statistik, der amtlichen Sozialprodukt- und Einkommensstatistik. Die kommt jeden Monat heraus und ist sehr ausführlich. Da können Sie, aufgeteilt nach 20 Branchen, in Details die Zahlen haben -- und dies sind die Zahlen, nach denen ich mich richte. Tatsache ist folgende: Die amerikanischen Gewinne sind scharf angestiegen von 1990, der Rezession, bis 1994. Mehr als 50% dieses Gewinnanstiegs von insgesamt 66% kam von Zinssenkungen. Der Rest kam von fallenden Abschreibungen, die ihren Grund darin hatten, daß die amerikanische Wirtschaft Ende der 80er Jahre aufgehört hatte zu investieren. Und das übersetzte sich jetzt in sinkende Abschreibungen, sinkende Zinsen und explodierende Gewinne. Aber der Gewinnanstieg hörte bereits im Jahre 1994 auf. In den nächsten fünf Jahren bis 2000 stiegen die Gewinne nur noch um 22%. Wie gesagt, das sind die amtlichen Gewinnzahlen. Und danach hatten die Amerikaner in den vergangenen fünf, sechs Jahren für eine "Hochkonjunktur" die mieseste Gewinnentwicklung aller Zeiten. In den Jahren 1998/99 gab es eine leichte Besserung. Aber seit dem 3. Quartal vergangenen Jahres erleben wir den steilsten Gewinnsturz aller Zeiten -- im übrigen auch bei den Gewinnen, welche die Unternehmen berichten. Denn diese Unternehmen haben in der Vergangenheit, aus ihren Akquisitionen, gewaltige Aktivposten in Form von "Goodwill" gebildet. Sie haben ja alle anderen Fabriken aufgekauft zu Überpreisen. Die mußten sie irgendwie in der Bilanz unterbringen, und das geschah, indem man sie auf die Aktivseite als einen immer größeren Posten "Goodwill" einsetzte. Und da nun die Gewinne einfach verschwinden, muß man den "Goodwill" abschreiben. Sie wissen, Nortel hat 49 Mrd. "Goodwill" abgeschrieben und andere Unternehmen 10 Mrd. Es sind unglaubliche Zahlen, sofern sie sich um die Wahrheit bemühen. Aber es gibt kaum jemanden, der sich um die Wahrheit bemüht.
Was ist mit dem Produktivitätswunder? Produktivitätswunder und Gewinnwunder sind ja in unseren Vorstellungen eng miteinander verkoppelt. Das eine Wunder fand so wenig statt wie das andere. Mir fiel als erstes auf: Es waren ja immer die Zahlen über den gewaltigen Investitionsboom. In den letzten Jahren lag die Investitionsquote der Amerikaner bei 35% der Wachstumsrate. Auf der anderen Seite gab es Null Ersparnisbildung, zusammenbrechende Ersparnisbildung. Für mich ist es logisch ein Unding, daß man zugleich einen Investitionsboom und zusammenbrechende Ersparnisse haben kann. Das ist nicht möglich, denn ich kann nur investieren, wenn ein anderer spart und mir dadurch die Ressourcen freigibt für meine Investition. Das war also von vorneherein ein totaler Unfug. Aber niemand nahm Anstoß daran, denn, wie gesagt, theoretisches Denken ist völlig abhanden gekommen. Als nächstes fielen mir die Computerinvestitionen auf. Es wird dauernd gesagt, gewaltige Computerinvestitionen bringen Produktivität. Ja, das tun sie auch. Aber wie? Ich verglich nominale Ausgaben für Computer und reale Ausgaben in den beiden Sozialproduktrechnungen. In der nominalen Statistik haben die Investitionsausgaben der amerikanischen Unternehmen für Computer in der Zeit von 1997 bis 2000 34 Mrd. Dollar betragen. Das ist gar nichts für eine Volkswirtschaft von 10000 Milliarden Dollar BIP. Aber in der Realrechnung des Sozialprodukts stehen keine 34, sondern 214 Mrd. Dollar. D.h. in der Realrechnung wurden aus einem für Computer ausgegebenem Dollar fast sieben Dollar. Wie ist das möglich?
Hedonischer Preisindex und andere Operationen
Die Amerikaner haben in den 80er Jahren beschlossen, bei der Berechnung der Investitionsrate mehr und mehr Qualitätsverbesserungen zu berücksichtigen, und das nennen sie den hedonischen Preisindex. Beim Computer war das nun schon seit Jahren im Gang, aber ab 1995 begann eine förmliche Explosion in den Computerleistungen. Ich bin da ein totaler Laie, aber es geht wohl um Memory (Speicherkapazität) und um Geschwindigkeit und alle diese Dinge. Das explodierte. Und mit der Computerleistung explodierte die Berechnung der Investitions- und Produktionszahlen für Computer: Sie versiebenfachte sich. Aus 34 Mrd. wurden in der Statistik 214 Mrd. Diese 214 Mrd. machten 20% des realen Sozialproduktwachstums aus. Das war also schon ein dicker Posten. Der zweite Schlag kam dann vor zwei, drei Jahren. Da beschlossen die amerikanischen Statistiker, daß Software-Ausgaben eigentlich nicht als Kosten, sondern als Investitionsausgaben zu betrachten seien. Das gab noch einmal 70 Mrd. in die Sozialproduktrechnung hinein. Sie müssen bedenken: Kosten gehen nicht ins Sozialprodukt. Ins Sozialprodukt gehen nur Endausgaben. Aber als Investitionsausgaben gehen sie nun ins Sozialprodukt, und insgesamt ergab sich dann aus hedonischem Preisindex plus Kapitalisierung der Software -- auf dem Papier -- ein Investitionsboom von 25% des Wachstums oder 1% des Sozialprodukts. Dann gab es eine dritte Operation. Im Jahre 1995 empfahl die Boskin-Kommission Verbesserungen der Berechnung der Inflationsraten unter stärkerer Berücksichtigung etwaiger Qualitätsverbesserungen. Da ging es sehr kompliziert zu. Insbesondere die Mieten wurden plötzlich ganz niedrig. Auf diese Weise kamen weitere 0,8% Sozialprodukt zustande.
Wenn Sie jetzt diese drei Dinge zusammenrechnen, dann kommen Sie zu dem Ergebnis, daß im Grunde der ganze Investitionsboom überhaupt nicht stattgefunden hat, außer in diesen statistischen Veränderungen.
Ich persönlich habe vor allen Dingen auch den hedonischen Preisindex abgelehnt. -- Die Idee scheint ja plausibel zu sein: Mehr Leistung muß berücksichtigt werden. Allerdings sind diese hedonischen Dollars, die immerhin eine gute Portion des Wachstums ausmachten, Dollars, die kein Mensch ausgibt, kein Mensch einnimmt und keiner sieht. Es sind Dollars ohne jede Spur von wirtschaftlicher Wirkung. Und deswegen habe ich diese Behandlung immer als groben Unfug betrachtet. Aber es führte zu diesen phantastischen Zahlen, nicht nur beim Sozialprodukt, sondern auch bei der Produktivität. Denn jede statistische Berechnung, die das Sozialprodukt erhöht, geht mit gleicher Menge von Dollars in die Produktivität hinein. Und so hatten sie plötzlich nicht nur ein Wachstumswunder, sondern auch das berühmte Produktivitätswunder.
Noch ein anderer Punkt: Die Amerikaner bauen keine Fabriken mehr. Der Investitionsboom fand nur auf dem beschriebenen Wege in Computern statt. Das hat nun aber zu einer gewaltigen Veränderung in der ganzen Investitionsstruktur geführt. Es wird immer weniger kurzfristig investiert, und langfristig überhaupt nicht mehr. Das erhöht zwar am Anfang das Sozialprodukt über Bruttoinvestitionen, aber dann kommen die Abschreibungen, und die schießen immer schneller in die Höhe, je länger dieser Prozeß dauert. Wir sind jetzt an dem Punkt, wo die Abschreibungen in Amerika die Investitionen überholt haben. Amerika hat heute negative Nettoinvestitionen, und das gesamte Sozialprodukt, ohne Abschreibungen, ist längst im Minus. Das amerikanische Sozialprodukt ist in den letzten drei Jahren um 14% gestiegen, aber die Abschreibungen sind um 34% gestiegen. Das heißt, Amerika ist hauptsächlich damit beschäftigt, seine Abschreibungen zu verdienen. Das bringt in der Statistik auch noch Wachstum, obwohl es eigentlich nur darauf hinausläuft, alte Maschinen zu ersetzen.
Produktivitätswunder hat nie stattgefunden
Was nun die Gewinne betrifft, so muß man bedenken, daß natürlich der hedonische Preisindex keinen einzigen Dollar in die Kasse bringt. Da kommt kein Gewinn zustande. Die Kapitalisierung der Software dagegen ging voll und ganz in die Gewinne. Denn plötzlich werden Kosten weggenommen und als Investitionsausgaben aktiviert. Das hat die Gewinne erhöht. Bemerkenswert ist, daß die Gewinnentwicklung trotz dieser Verschönerung einfach katastrophal ist. Insofern stellt sich die Frage: Wieso verlaufen die Gewinne so schlecht? Eine einfache Antwort ist: Das Produktivitätswunder hat nie stattgefunden. Es hat eben nur in der Statistik stattgefunden, aber nicht in der Wirtschaft. Es gab statistischen Zuwachs, aber keinen echten Produktivitätszuwachs für die Unternehmen. Prosperität kommt nicht von Produktivitätswundern, sondern sie kommt vom Sparen und vom Investieren. Die industrielle Prosperität hatte ihren Grund darin, daß man riesige Fabriken bauen mußte, um diese Maschinen herzustellen. Bedenken Sie, was man investieren mußte, um die Elektrizität herzustellen. D.h. die Prosperität kommt vom Investieren, und nicht ohne weiteres von der Produktivität. Wenn ich zusätzlich Produktivität erhalte, dann ist das prima. Aber die Prosperität kommt von der Kapitalbildung, die stattfindet: vom Bau der Fabriken und dem Bau der Maschinen. Es ist die Tätigkeit, die Einkommen entstehen läßt. Die Prosperität kommt von der Einkommensbildung und nicht automatisch von der Produktivität. Die Kapitalausgaben sind somit der Kernpunkt bei all diesen Dingen. Und die sind eben in Amerika minimal, wenn sie diesen statistischen Hokuspokus wegnehmen. Der andere Punkt ist der, daß in meinen Augen diese berühmte Shareholder-Value-Kultur die schlimmste Mißkultur darstellt, die es je im wirtschaftlichen Denken gegeben hat. Akquisitionen und Mergers sind schließlich kein Ersatz für Kapitalbildung und Investitionen. Diese Unternehmen haben en masse diese Akquisitionen betrieben, um nicht zu investieren. Ich sage immer: "Restrukturing" und "Downsizing" und all diese schönen Worte sind bloß Synonyme für "Nichtinvestieren". Und aus diesem Grunde fehlt es in den USA an Kapitalbildung. In einem Lande, wo nicht gespart wird, kann es ja auch gar keine Kapitalbildung geben, höchstens auf dem Papier.
Und daher bin ich der Meinung, daß diese Technik, die so gerühmt wird für ihre Produktivität, gar keine Profite generiert. Wenn Sie heute die Nasdaq-Unternehmen nehmen und all die Abschreibungen berücksichtigen, dann haben diese Unternehmen seit 1995 keinen Pfennig verdient. Sie sind alle in den roten Zahlen. Das waren Scheingewinne in der Vergangenheit, die sie großenteils aus dem Aktienmarkt geholt haben. Sie haben ihre Gewinne im Aktienmarkt gemacht, haben dann andere Unternehmen gekauft, und die Gewinne wurden aufeinandergetürmt. Das waren alles Papiergewinne, Scheingewinne, keine Gewinne aus Produktion und Produktivität. Es war alles Betrug. Und insofern sehe ich das Problem in der Technik. Die Amerikaner haben geglaubt, das muß doch eine wunderbare Technik sein, für die man so wenig tun muß. Da kann man 50% mehr produzieren, von heute auf morgen, und dann sind wir alle reiche Leute. Wir haben geglaubt, daß diese Technologie besonders gut sein muß, weil sie so wenig kostet. Aber das ist der Grund, warum sie auch keinen Gewinn bringt. Gewinne können nur über Ausgaben entstehen. Ich sage immer: Die Hauptgewinnquelle sind kapitalisierte Ausgaben. Und wenn ich keine kapitalisierten Ausgaben habe, kann ich keine Gewinne machen. Und diese Quelle fließt nicht bei dieser neuen Technik. Sie fließt auch nicht von dieser neuen Shareholder-Value-Kultur, die ja andere Transaktionen vorzieht. Ich lese immer wieder, was die amerikanische Notenbank alles unternimmt: neun Zinssenkungen, demnächst die zehnte Zinssenkung. Und dann sage ich: Aber liebe Leute, allmählich ist es doch Zeit, einmal darüber nachzudenken, warum diese Zinssenkungen überhaupt keine Wirkung haben -- abgesehen davon, daß sie im Moment den Aktienmarkt hochtreiben. Nebenbei gesagt, die Aktien werden immer teurer, da die Gewinne nämlich noch viel schneller als die Aktienkurse gefallen sind. Im Transportsektor zahlen sie das 800fache für die Gewinne, vielfach sind ja gar keine Gewinne mehr da, und bei Utilities (Versorgungsunternehmen für Wasser, Strom etc.) bezahlen sie das 60fache. Bei Dow-Jones-Firmen zahlen sie das 35fache, und das bezieht sich wohlgemerkt auf die frisierten Gewinne. Die Gewinne sagen mir, wohin die Wirtschaft geht, nicht der dämliche Index von der Michigan University über die Stimmung der Konsumenten. Nicht der Konsument, wie die Amerikaner glauben, sondern die Gewinne und die Investitionen der Unternehmen sind entscheidend. Der Konsum kommt dann von selber.
Die andere erstaunliche Sache: Alle Rezessionen der Vergangenheit hatten ein und dieselbe Ursache. Steigende Inflationsraten zwangen die Notenbank, die Bremse zu ziehen, und es kam zu drastischen Kreditrestriktionen. Scharf rückläufige Kredite führten zum Abschwung. Das ist die Ursache einer jeden wirtschaftlichen Rezession der Nachkriegszeit in Amerika und in Europa gewesen. In Amerika hat aber überhaupt keine Verlangsamung der Kreditexpansion stattgefunden. In den Boom-Jahren lag die Kreditexpansion des privaten Sektors in Amerika, also der Unternehmen und der Konsumenten, bei über einer Billion Dollar pro Jahr. Bis 1997 waren die Kredite um etwa 700 Mrd. Dollar gewachsen. Seit 1998 wachsen sie pro Jahr um über 1000 Mrd. Dollar. Aber diese tausend Mrd. Dollar bringen gar nichts mehr. Das Komische ist: Sie haben ein scharf rückläufiges Wirtschaftswachstum, sie haben zusammenbrechende Gewinne, sie haben zusammenbrechende Investitionen, aber sie haben eine Geld- und Kreditexpansion, die alle Rekorde schlägt. Die breite Geldmenge wächst um 13,5% -- Kreditwachstum von 1000 Mrd. Dollar im privaten Sektor -- im finanziellen Sektor ist auch noch eine gewaltige Kreditausweitung im Gange. Wir haben die tollste Kreditausweitung aller Zeiten, und dennoch bricht die Wirtschaft einfach zusammen. Es wäre nun an der Zeit, einmal darüber nachzudenken, wie es denn überhaupt zu dieser scharfen Konjunkturabschwächung kommen konnte, während die Kredite und die Geldmengen in unvermindertem Tempo weitergeflossen sind. Wie ist das möglich? Ich will Ihnen sagen, warum: durch den Zusammenbruch der Gewinne. Das ist die einzige plausible Erklärung. In Amerika fehlt kein bißchen Geldmenge, kein bißchen Kredit. Früher, also in den normalen Zeiten, kam auf einen Dollar Wachstum des Sozialprodukts 1,6 Dollar Kreditausweitung. Wir waren schon in den Jahren 1998/99 bei vier, fünf Dollar Kreditausweitung pro Dollar zusätzlichem Sozialprodukt. Heute sind wir bei Milliarden Dollar für nichts. Für mich lautet die ganze Frage daher nicht: "Wie können wir die Kredite ankurbeln?" Ja, wohin wollen sie denn noch mit den Krediten? Wir sind heute bei tausend Milliarden. Wollen sie morgen auf 1500 Milliarden gehen? Der Punkt ist: Die Kredite gehen nicht in die Wirtschaft. Und sie gehen nicht vom Unternehmen in die Wirtschaft, weil die Unternehmen nichts mehr verdienen. Deswegen sehe ich keine Besserung in dieser Beziehung. Der einzige, der bis jetzt noch immer mehr gepumpt hat und die Konjunktur noch einigermaßen hochgehalten hat, war der Konsument. Und die Amerikaner sind ganz stolz darauf, daß der Konsument sein Haus immer mehr bis zum Schornstein verschuldet. In Amerika ruft man seine Bank an und sagt: Der Wert meines Hauses ist wieder um 10% gestiegen, ich möchte meine Hypothek um 10% erhöhen. Drei Tage später haben Sie 30000 Dollar auf dem Konto. So einfach geht das. Abertausende von Amerikanern haben das in den letzten Wochen und Monaten gemacht. Und darauf sind die Amerikaner auch noch stolz.
Wo ist die Prosperität, wenn sie darin besteht, daß die Konsumenten ihre Ausgaben nur steigern können, indem sie ihre Haus beleihen? Das ist doch Schwachsinn. Ökonomisch ist das unglaublich. Wenn Sie sich die Statistik ansehen, dann stellen Sie fest, daß der amerikanische Konsument seit 20 bis 30 Jahren eine rapide steigende Verschuldung auf sein Haus besitzt. Ich habe noch die Generation der Amerikaner gekannt, die stolz darauf waren, wenn die Hypothek abbezahlt war. Heute sind sie stolz darauf, wenn sie sie erhöhen können. Und das steigt und steigt und steigt. Für mich ist das nun beim besten Willen kein Zeichen von Wohlstand. Es ist das Gegenteil. Greenspan ist im Kongreß gefragt worden: "Sagen Sie mal, ist das nicht problematisch, steigende Häuserpreise, steigende Hypotheken?" Und da sagt Greenspan: "Och, solange die Häuserpreise weitersteigen, steigt ja auch die Equity, das Eigenkapital." Der fand gar nichts dabei. Man muß sich das vorstellen: Die Häuserpreise erlauben steigenden Konsumkredit, und das wiederum soll die Konjunktur retten.
Heute morgen war von Lösungen die Rede. Ich gehöre zu denjenigen, die sagen: "Die Leute, die uns das eingebrockt haben, sind nicht in der Lage, uns da wieder herauszubringen." Und nebenbei gesagt: Es ist viel schwieriger, als wir glauben. Um nur ein Beispiel zu nennen: Sehen Sie sich Japan an. Da wird immer gesagt, die Japaner weigerten sich, zu restrukturieren. Das Problem Japans besteht darin: Die haben sich in den Bubble-Jahren ihre Investitionsdynamik zerstört. Endgültig zerstört. Aber auf der anderen Seite: Die Konsumenten sparen. Bei Nullzins muß ich ja noch mehr sparen als vorher, um meinen Lebensabend zu sichern. Im Grunde krankt Japan daran, daß es seine Investitionsdynamik nicht mehr in den Griff bekommt. Aber es hat Konsumenten, die noch sparen. Und wir haben sie in gemilderter Form ebenfalls. Wir haben immer noch Sparer, aber immer weniger Investitionen. Die Amerikaner und die Angelsachsen im allgemeinen sind in dieser Beziehung der krasse Gegensatz. Die sparen überhaupt nicht, investieren auch nicht, aber sie haben Kreditsysteme, die bis zum Exzeß darauf eingerichtet sind, Konsumkredit zu finanzieren. Die amerikanischen Banken schicken jedes Jahr in Milliardensummen Kreditkarten aus. Jeder Amerikaner bekommt jedes Jahr mindestens 50 Kreditkarten. Und jede Kreditkarte hat eine Kreditlinie. Die Besonderheit Amerikas besteht also darin, daß es ein Kreditsystem hat, das voll und ganz auf Konsumkredit ausgerichtet ist. Und die Scheinprosperität der Amerikaner besteht darin, daß sie immer weniger sparen, immer weniger investieren, immer mehr konsumieren. Die alten Ökonomen nannten diesen Prozeß Kapitalkonsum. Und das führt zwangsläufig zum wirtschaftlichen Niedergang. Aber die Amerikaner haben soviel dämliche Europäer und Japaner und andere Asiaten, die ihnen das Geld immer jeden Tag von neuem schicken. Insofern geht das weiter. Wenn Sie genau hinsehen, stellen Sie fest: Der Anstieg des Lebensstandards in den USA hat seinen alleinigen Grund in den Auslandskrediten. Das ist die einzige Möglichkeit, den Lebensstandard zu erhöhen. Denn der Durchschnittslohn des Amerikaners geht seit 1973 beständig zurück, und der Reallohn des Amerikaners liegt heute mindestens 25% unter dem Standard von 1973.
Quelle: Neue Solidarität Jg.28 Nr.46 21.11.2001
oder
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US-Unternehmensgewinne: Alles Betrug
Die Proforma-Berichterstattung weicht gravierend von den wirklichen Zahlen ab
In den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres haben vier der fünf, nach Marktkapitalisierung größten Nasdaq-Unternehmen zusammen 11,5 Mrd. Dollar an Proforma-Erträgen ausgewiesen. Dem entsprach nach US-GAAP-Bilanzierungsrichtlinien jedoch nur ein „realer“ Gewinn von 2,4 Mrd. Dollar, bei Cisco Systems, Dell, Intel und Microsoft.
Extrapoliert auf das gesamte Jahr ergibt sich ein Wert von 3,2 Mrd. Dollar. Bezogen auf die Marktkapitalisierung der vier Unternehmen von 840 Mrd. Dollar errechnet sich ein „US-GAAP“-KGV von sagenhaften 260. Legt man die Proforma-Erträge zugrunde, ermäßigt sich der Wert auf immer noch ordentliche 55.
Besonders gravierend fallen die Unterschiede bei Cisco ins Gewicht. Während das Netzwerk-Unternehmen nach US-GAAP in den ersten drei Quartalen 3,0 Mrd. Dollar Verlust anhäufte, konnte es mit „Proforma“-Erträgen von insgesamt 0,7 Mrd. Dollar stets die Erwartungen der Analysten erfüllen oder sogar schlagen. Während die Gesellschaft ein auf das Gesamtjahr hochgerechnetes KGV von rund 150 für 2001 aufweist, entfallen nach realen Zahlen auf jede Aktie 55 Cent „Miese“.
Noch verheerender wird das Bild, wenn man sich die Berichterstattung aller 100 Unternehmen aus dem Nasdaq100-Index anschaut. Der Börsendienst Smartstockinvestor hat für die ersten drei Quartale ermittelt, dass sie alle zusammen nach US-GAAP 82,3 Mrd. Dollar an Verlust ausgewiesen haben. In der selben Zeit meldeten sie jedoch Proforma-Gewinne in Höhe von 19,1 Mrd. Dollar. Das macht den „kleinen“ Unterschied von sagenhaften 101,4 Mrd. Dollar zwischen Fiktion und Realität.
Die nach Marktwert fünftgrößte Gesellschaft an der Nasdaq, Oracle, berichtet im Gegensatz zu den anderen vieren Erträge, die im wesentlichen konform mit US-GAAP sind. Und siehe da - die Aktie wird nur zum rund 33-fachen ihrer Gewinne gehandelt. Das ist ein deutlicher Abschlag gegenüber den Multiples von 260, bzw. 55.
Das Widersinnige: Anscheinend steigert die Berichterstattung von Proforma-Erträgen die Bewertung. Realität ist eben langweilig, Fiktion hingegen regt die Phantasie an. Oder?
Die Nachrichtenagentur Bloomberg zitiert Lynne Turner, scheidendes Mitglied der amerikanischen Börsenaufsicht SEC. Demnach dürfe der als zentrale Maßzahl für die Unternehmensentwicklung herangezogene "Gewinn je Aktie" nicht EPS für „Earnings per Share“ heißen, sondern EBS für „Earnings before the Bad Stuff", also Erträge vor Abzug alles Schlechten.
Präsident Bush hat kürzlich versprochen, dass die Berichterstattung amerikanischer Unternehmen den höchsten Bilanzierungsstandards entsprechen soll. Man darf gespannt sein, welchen Effekt das haben wird. Während amerikanische Medien im vergangenen Jahr immerhin zunehmend dazu übergegangen sind, neben den Proforma-Werten auch reale Nettoerträge zu berichten, halten die Analysten ungerührt an ihrem „EBS“ fest. Solange sich hier nichts ändert, werden die Schlagzeilen in der Gewinnberichterstattung auch weiterhin eher aus der Ecke der Fiktion kommen.
Autor: Klaus Singer, 19:47 31.01.02
Gefahr für die amerikanischen Finanzmärkte und für die bedauernswerten
ausländischen Dollarinvestoren, die insgesamt Dollaranleihen in der Höhe von
mehr als neun Billionen Dollar halten. Das einzige, was den Dollar noch von
seinem "jüngsten Tag" trennt, ist die falsche Hoffnung auf einen
bevorstehenden Aufschwung.
--
geschrieben hat er das bevor der Dollar 12 % verlohr im Früjahr und sich die Nassi halbierte .....
was wollt ihr gebe dem Mann vollkommen recht -damals war von bilazskandal und all den mogelpakungen mit der küstlichen produktion noch gar keine rede !!
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Wirtschaftslage in den USA
Dr. Kurt Richebächer, früher Chefökonom der Dresdner Bank, hielt die folgende Rede auf einem Seminar der EIR-Nachrichtenagentur am 5. November 2001 in Berlin. Wir haben den Text hier etwas gekürzt. Die ganze Rede wird in einem EIRNA-Bericht zusammen mit den anderen Beiträgen veröffentlicht werden.
Wahn und Wirklichkeit
Die tatsächliche Lage der amerikanischen Wirtschaft
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
-- à propos Generationen. Ich bin groß geworden in einer Zeit, als die Volkswirte die Aufgabe hatten, nachzudenken. Sie müssen bedenken: Die alte Generation hatte wenig Statistik zur Verfügung, und schon das zwang zum Denken. Aber besonders unter amerikanischem Einfluß hat die Statistik so sehr um sich gegriffen, ist so überwältigend geworden, daß das Denken vollkommen aufgehört hat. Das intellektuelle Niveau in der ökonomischen Diskussion ist heute für mich das niedrigste seit 200 Jahren (vor etwas über 200 Jahren erschien Adam Smith mit seinem Wealth of Nations). Die Amerikaner haben schon in den 20er Jahren die Theorie aufgegeben. Es gibt nicht einen großen amerikanischen Nationalökonomen; es gibt jede Menge Nationalökonomen aus England, aus Schweden, aus Österreich -- aber nicht einen aus Amerika. Nun zur Sache.
Nach herrschender Meinung hat die amerikanische Wirtschaft in den vergangenen Jahren eine große Renaissance erlebt, die Wunder der Produktivität und der Gewinne vollbracht hat. Ich habe die Sache immer im Auge behalten, und ich habe festgestellt, daß die Wunder im Grunde nur in der Statistik, aber überhaupt nicht in der Wirtschaft stattgefunden haben.
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Gewinnentwicklung der letzten Jahre ist die mieseste der gesamten Nachkriegszeit. Jetzt werden Sie fragen: "Wie ist denn das möglich?" Das kann ich Ihnen sehr einfach sagen: Es gibt in dieser Sache zwei Zahlenreihen -- "Reihe" ist schon übertrieben: es gibt eine Reihe, und das andere ist Stückwerk. Also: Das worauf jeder schaut, was Schlagzeilen macht, das sind die Berichte der Unternehmen. Und diese Berichte sind in einem Maße frisiert, daß sie keinerlei Beziehung zur Realität haben. Die Amerikaner sind heute an dem Punkte, wo die Unternehmen sogenannte Pro-forma-Gewinne mitteilen. Pro-forma-Gewinne sind errechnete Gewinne, bei denen jede beliebige Kostenart weggelassen wird, vor allen Dingen Zinskosten und Abschreibungen, die ausgegliedert werden nach dem Motto, diese Kosten spiegelten nicht die organische Entwicklung wider. Vodafone machte neulich Schlagzeilen: "Gewinnanstieg 40%." Das war aber nur der "EBITDA-Gewinn", das heißt Einnahmen ohne Zinsen, ohne Steuern, ohne Abschreibungen, ohne Amortisation. Außerdem müssen Sie eines bedenken: Warum führen die amerikanischen Unternehmen alle diese Akquisitionen und Mergers durch? Das Ziel besteht darin, Gewinne zu kaufen. Die wollen keine Synergien. Die wollen Gewinne kaufen, und diese werden dann dem eigenen Gewinn zugeschlagen. Das macht man zehn Mal im Jahr. Dann wird das extrapoliert, und Sie erhalten die wunderschönsten Gewinnkurven und bewundern die ungeheure Rentabilität der amerikanischen Wirtschaft. Mich stört, daß nicht ein Mensch aufsteht und sagt: "Das ist doch alles Quatsch."
Denn es gibt eine andere Zahlenreihe. Und das ist die Zahlenreihe, an die ich mich als Volkswirt halte. Das ist die Zahlenreihe der amtlichen Statistik, der amtlichen Sozialprodukt- und Einkommensstatistik. Die kommt jeden Monat heraus und ist sehr ausführlich. Da können Sie, aufgeteilt nach 20 Branchen, in Details die Zahlen haben -- und dies sind die Zahlen, nach denen ich mich richte. Tatsache ist folgende: Die amerikanischen Gewinne sind scharf angestiegen von 1990, der Rezession, bis 1994. Mehr als 50% dieses Gewinnanstiegs von insgesamt 66% kam von Zinssenkungen. Der Rest kam von fallenden Abschreibungen, die ihren Grund darin hatten, daß die amerikanische Wirtschaft Ende der 80er Jahre aufgehört hatte zu investieren. Und das übersetzte sich jetzt in sinkende Abschreibungen, sinkende Zinsen und explodierende Gewinne. Aber der Gewinnanstieg hörte bereits im Jahre 1994 auf. In den nächsten fünf Jahren bis 2000 stiegen die Gewinne nur noch um 22%. Wie gesagt, das sind die amtlichen Gewinnzahlen. Und danach hatten die Amerikaner in den vergangenen fünf, sechs Jahren für eine "Hochkonjunktur" die mieseste Gewinnentwicklung aller Zeiten. In den Jahren 1998/99 gab es eine leichte Besserung. Aber seit dem 3. Quartal vergangenen Jahres erleben wir den steilsten Gewinnsturz aller Zeiten -- im übrigen auch bei den Gewinnen, welche die Unternehmen berichten. Denn diese Unternehmen haben in der Vergangenheit, aus ihren Akquisitionen, gewaltige Aktivposten in Form von "Goodwill" gebildet. Sie haben ja alle anderen Fabriken aufgekauft zu Überpreisen. Die mußten sie irgendwie in der Bilanz unterbringen, und das geschah, indem man sie auf die Aktivseite als einen immer größeren Posten "Goodwill" einsetzte. Und da nun die Gewinne einfach verschwinden, muß man den "Goodwill" abschreiben. Sie wissen, Nortel hat 49 Mrd. "Goodwill" abgeschrieben und andere Unternehmen 10 Mrd. Es sind unglaubliche Zahlen, sofern sie sich um die Wahrheit bemühen. Aber es gibt kaum jemanden, der sich um die Wahrheit bemüht.
Was ist mit dem Produktivitätswunder? Produktivitätswunder und Gewinnwunder sind ja in unseren Vorstellungen eng miteinander verkoppelt. Das eine Wunder fand so wenig statt wie das andere. Mir fiel als erstes auf: Es waren ja immer die Zahlen über den gewaltigen Investitionsboom. In den letzten Jahren lag die Investitionsquote der Amerikaner bei 35% der Wachstumsrate. Auf der anderen Seite gab es Null Ersparnisbildung, zusammenbrechende Ersparnisbildung. Für mich ist es logisch ein Unding, daß man zugleich einen Investitionsboom und zusammenbrechende Ersparnisse haben kann. Das ist nicht möglich, denn ich kann nur investieren, wenn ein anderer spart und mir dadurch die Ressourcen freigibt für meine Investition. Das war also von vorneherein ein totaler Unfug. Aber niemand nahm Anstoß daran, denn, wie gesagt, theoretisches Denken ist völlig abhanden gekommen. Als nächstes fielen mir die Computerinvestitionen auf. Es wird dauernd gesagt, gewaltige Computerinvestitionen bringen Produktivität. Ja, das tun sie auch. Aber wie? Ich verglich nominale Ausgaben für Computer und reale Ausgaben in den beiden Sozialproduktrechnungen. In der nominalen Statistik haben die Investitionsausgaben der amerikanischen Unternehmen für Computer in der Zeit von 1997 bis 2000 34 Mrd. Dollar betragen. Das ist gar nichts für eine Volkswirtschaft von 10000 Milliarden Dollar BIP. Aber in der Realrechnung des Sozialprodukts stehen keine 34, sondern 214 Mrd. Dollar. D.h. in der Realrechnung wurden aus einem für Computer ausgegebenem Dollar fast sieben Dollar. Wie ist das möglich?
Hedonischer Preisindex und andere Operationen
Die Amerikaner haben in den 80er Jahren beschlossen, bei der Berechnung der Investitionsrate mehr und mehr Qualitätsverbesserungen zu berücksichtigen, und das nennen sie den hedonischen Preisindex. Beim Computer war das nun schon seit Jahren im Gang, aber ab 1995 begann eine förmliche Explosion in den Computerleistungen. Ich bin da ein totaler Laie, aber es geht wohl um Memory (Speicherkapazität) und um Geschwindigkeit und alle diese Dinge. Das explodierte. Und mit der Computerleistung explodierte die Berechnung der Investitions- und Produktionszahlen für Computer: Sie versiebenfachte sich. Aus 34 Mrd. wurden in der Statistik 214 Mrd. Diese 214 Mrd. machten 20% des realen Sozialproduktwachstums aus. Das war also schon ein dicker Posten. Der zweite Schlag kam dann vor zwei, drei Jahren. Da beschlossen die amerikanischen Statistiker, daß Software-Ausgaben eigentlich nicht als Kosten, sondern als Investitionsausgaben zu betrachten seien. Das gab noch einmal 70 Mrd. in die Sozialproduktrechnung hinein. Sie müssen bedenken: Kosten gehen nicht ins Sozialprodukt. Ins Sozialprodukt gehen nur Endausgaben. Aber als Investitionsausgaben gehen sie nun ins Sozialprodukt, und insgesamt ergab sich dann aus hedonischem Preisindex plus Kapitalisierung der Software -- auf dem Papier -- ein Investitionsboom von 25% des Wachstums oder 1% des Sozialprodukts. Dann gab es eine dritte Operation. Im Jahre 1995 empfahl die Boskin-Kommission Verbesserungen der Berechnung der Inflationsraten unter stärkerer Berücksichtigung etwaiger Qualitätsverbesserungen. Da ging es sehr kompliziert zu. Insbesondere die Mieten wurden plötzlich ganz niedrig. Auf diese Weise kamen weitere 0,8% Sozialprodukt zustande.
Wenn Sie jetzt diese drei Dinge zusammenrechnen, dann kommen Sie zu dem Ergebnis, daß im Grunde der ganze Investitionsboom überhaupt nicht stattgefunden hat, außer in diesen statistischen Veränderungen.
Ich persönlich habe vor allen Dingen auch den hedonischen Preisindex abgelehnt. -- Die Idee scheint ja plausibel zu sein: Mehr Leistung muß berücksichtigt werden. Allerdings sind diese hedonischen Dollars, die immerhin eine gute Portion des Wachstums ausmachten, Dollars, die kein Mensch ausgibt, kein Mensch einnimmt und keiner sieht. Es sind Dollars ohne jede Spur von wirtschaftlicher Wirkung. Und deswegen habe ich diese Behandlung immer als groben Unfug betrachtet. Aber es führte zu diesen phantastischen Zahlen, nicht nur beim Sozialprodukt, sondern auch bei der Produktivität. Denn jede statistische Berechnung, die das Sozialprodukt erhöht, geht mit gleicher Menge von Dollars in die Produktivität hinein. Und so hatten sie plötzlich nicht nur ein Wachstumswunder, sondern auch das berühmte Produktivitätswunder.
Noch ein anderer Punkt: Die Amerikaner bauen keine Fabriken mehr. Der Investitionsboom fand nur auf dem beschriebenen Wege in Computern statt. Das hat nun aber zu einer gewaltigen Veränderung in der ganzen Investitionsstruktur geführt. Es wird immer weniger kurzfristig investiert, und langfristig überhaupt nicht mehr. Das erhöht zwar am Anfang das Sozialprodukt über Bruttoinvestitionen, aber dann kommen die Abschreibungen, und die schießen immer schneller in die Höhe, je länger dieser Prozeß dauert. Wir sind jetzt an dem Punkt, wo die Abschreibungen in Amerika die Investitionen überholt haben. Amerika hat heute negative Nettoinvestitionen, und das gesamte Sozialprodukt, ohne Abschreibungen, ist längst im Minus. Das amerikanische Sozialprodukt ist in den letzten drei Jahren um 14% gestiegen, aber die Abschreibungen sind um 34% gestiegen. Das heißt, Amerika ist hauptsächlich damit beschäftigt, seine Abschreibungen zu verdienen. Das bringt in der Statistik auch noch Wachstum, obwohl es eigentlich nur darauf hinausläuft, alte Maschinen zu ersetzen.
Produktivitätswunder hat nie stattgefunden
Was nun die Gewinne betrifft, so muß man bedenken, daß natürlich der hedonische Preisindex keinen einzigen Dollar in die Kasse bringt. Da kommt kein Gewinn zustande. Die Kapitalisierung der Software dagegen ging voll und ganz in die Gewinne. Denn plötzlich werden Kosten weggenommen und als Investitionsausgaben aktiviert. Das hat die Gewinne erhöht. Bemerkenswert ist, daß die Gewinnentwicklung trotz dieser Verschönerung einfach katastrophal ist. Insofern stellt sich die Frage: Wieso verlaufen die Gewinne so schlecht? Eine einfache Antwort ist: Das Produktivitätswunder hat nie stattgefunden. Es hat eben nur in der Statistik stattgefunden, aber nicht in der Wirtschaft. Es gab statistischen Zuwachs, aber keinen echten Produktivitätszuwachs für die Unternehmen. Prosperität kommt nicht von Produktivitätswundern, sondern sie kommt vom Sparen und vom Investieren. Die industrielle Prosperität hatte ihren Grund darin, daß man riesige Fabriken bauen mußte, um diese Maschinen herzustellen. Bedenken Sie, was man investieren mußte, um die Elektrizität herzustellen. D.h. die Prosperität kommt vom Investieren, und nicht ohne weiteres von der Produktivität. Wenn ich zusätzlich Produktivität erhalte, dann ist das prima. Aber die Prosperität kommt von der Kapitalbildung, die stattfindet: vom Bau der Fabriken und dem Bau der Maschinen. Es ist die Tätigkeit, die Einkommen entstehen läßt. Die Prosperität kommt von der Einkommensbildung und nicht automatisch von der Produktivität. Die Kapitalausgaben sind somit der Kernpunkt bei all diesen Dingen. Und die sind eben in Amerika minimal, wenn sie diesen statistischen Hokuspokus wegnehmen. Der andere Punkt ist der, daß in meinen Augen diese berühmte Shareholder-Value-Kultur die schlimmste Mißkultur darstellt, die es je im wirtschaftlichen Denken gegeben hat. Akquisitionen und Mergers sind schließlich kein Ersatz für Kapitalbildung und Investitionen. Diese Unternehmen haben en masse diese Akquisitionen betrieben, um nicht zu investieren. Ich sage immer: "Restrukturing" und "Downsizing" und all diese schönen Worte sind bloß Synonyme für "Nichtinvestieren". Und aus diesem Grunde fehlt es in den USA an Kapitalbildung. In einem Lande, wo nicht gespart wird, kann es ja auch gar keine Kapitalbildung geben, höchstens auf dem Papier.
Und daher bin ich der Meinung, daß diese Technik, die so gerühmt wird für ihre Produktivität, gar keine Profite generiert. Wenn Sie heute die Nasdaq-Unternehmen nehmen und all die Abschreibungen berücksichtigen, dann haben diese Unternehmen seit 1995 keinen Pfennig verdient. Sie sind alle in den roten Zahlen. Das waren Scheingewinne in der Vergangenheit, die sie großenteils aus dem Aktienmarkt geholt haben. Sie haben ihre Gewinne im Aktienmarkt gemacht, haben dann andere Unternehmen gekauft, und die Gewinne wurden aufeinandergetürmt. Das waren alles Papiergewinne, Scheingewinne, keine Gewinne aus Produktion und Produktivität. Es war alles Betrug. Und insofern sehe ich das Problem in der Technik. Die Amerikaner haben geglaubt, das muß doch eine wunderbare Technik sein, für die man so wenig tun muß. Da kann man 50% mehr produzieren, von heute auf morgen, und dann sind wir alle reiche Leute. Wir haben geglaubt, daß diese Technologie besonders gut sein muß, weil sie so wenig kostet. Aber das ist der Grund, warum sie auch keinen Gewinn bringt. Gewinne können nur über Ausgaben entstehen. Ich sage immer: Die Hauptgewinnquelle sind kapitalisierte Ausgaben. Und wenn ich keine kapitalisierten Ausgaben habe, kann ich keine Gewinne machen. Und diese Quelle fließt nicht bei dieser neuen Technik. Sie fließt auch nicht von dieser neuen Shareholder-Value-Kultur, die ja andere Transaktionen vorzieht. Ich lese immer wieder, was die amerikanische Notenbank alles unternimmt: neun Zinssenkungen, demnächst die zehnte Zinssenkung. Und dann sage ich: Aber liebe Leute, allmählich ist es doch Zeit, einmal darüber nachzudenken, warum diese Zinssenkungen überhaupt keine Wirkung haben -- abgesehen davon, daß sie im Moment den Aktienmarkt hochtreiben. Nebenbei gesagt, die Aktien werden immer teurer, da die Gewinne nämlich noch viel schneller als die Aktienkurse gefallen sind. Im Transportsektor zahlen sie das 800fache für die Gewinne, vielfach sind ja gar keine Gewinne mehr da, und bei Utilities (Versorgungsunternehmen für Wasser, Strom etc.) bezahlen sie das 60fache. Bei Dow-Jones-Firmen zahlen sie das 35fache, und das bezieht sich wohlgemerkt auf die frisierten Gewinne. Die Gewinne sagen mir, wohin die Wirtschaft geht, nicht der dämliche Index von der Michigan University über die Stimmung der Konsumenten. Nicht der Konsument, wie die Amerikaner glauben, sondern die Gewinne und die Investitionen der Unternehmen sind entscheidend. Der Konsum kommt dann von selber.
Die andere erstaunliche Sache: Alle Rezessionen der Vergangenheit hatten ein und dieselbe Ursache. Steigende Inflationsraten zwangen die Notenbank, die Bremse zu ziehen, und es kam zu drastischen Kreditrestriktionen. Scharf rückläufige Kredite führten zum Abschwung. Das ist die Ursache einer jeden wirtschaftlichen Rezession der Nachkriegszeit in Amerika und in Europa gewesen. In Amerika hat aber überhaupt keine Verlangsamung der Kreditexpansion stattgefunden. In den Boom-Jahren lag die Kreditexpansion des privaten Sektors in Amerika, also der Unternehmen und der Konsumenten, bei über einer Billion Dollar pro Jahr. Bis 1997 waren die Kredite um etwa 700 Mrd. Dollar gewachsen. Seit 1998 wachsen sie pro Jahr um über 1000 Mrd. Dollar. Aber diese tausend Mrd. Dollar bringen gar nichts mehr. Das Komische ist: Sie haben ein scharf rückläufiges Wirtschaftswachstum, sie haben zusammenbrechende Gewinne, sie haben zusammenbrechende Investitionen, aber sie haben eine Geld- und Kreditexpansion, die alle Rekorde schlägt. Die breite Geldmenge wächst um 13,5% -- Kreditwachstum von 1000 Mrd. Dollar im privaten Sektor -- im finanziellen Sektor ist auch noch eine gewaltige Kreditausweitung im Gange. Wir haben die tollste Kreditausweitung aller Zeiten, und dennoch bricht die Wirtschaft einfach zusammen. Es wäre nun an der Zeit, einmal darüber nachzudenken, wie es denn überhaupt zu dieser scharfen Konjunkturabschwächung kommen konnte, während die Kredite und die Geldmengen in unvermindertem Tempo weitergeflossen sind. Wie ist das möglich? Ich will Ihnen sagen, warum: durch den Zusammenbruch der Gewinne. Das ist die einzige plausible Erklärung. In Amerika fehlt kein bißchen Geldmenge, kein bißchen Kredit. Früher, also in den normalen Zeiten, kam auf einen Dollar Wachstum des Sozialprodukts 1,6 Dollar Kreditausweitung. Wir waren schon in den Jahren 1998/99 bei vier, fünf Dollar Kreditausweitung pro Dollar zusätzlichem Sozialprodukt. Heute sind wir bei Milliarden Dollar für nichts. Für mich lautet die ganze Frage daher nicht: "Wie können wir die Kredite ankurbeln?" Ja, wohin wollen sie denn noch mit den Krediten? Wir sind heute bei tausend Milliarden. Wollen sie morgen auf 1500 Milliarden gehen? Der Punkt ist: Die Kredite gehen nicht in die Wirtschaft. Und sie gehen nicht vom Unternehmen in die Wirtschaft, weil die Unternehmen nichts mehr verdienen. Deswegen sehe ich keine Besserung in dieser Beziehung. Der einzige, der bis jetzt noch immer mehr gepumpt hat und die Konjunktur noch einigermaßen hochgehalten hat, war der Konsument. Und die Amerikaner sind ganz stolz darauf, daß der Konsument sein Haus immer mehr bis zum Schornstein verschuldet. In Amerika ruft man seine Bank an und sagt: Der Wert meines Hauses ist wieder um 10% gestiegen, ich möchte meine Hypothek um 10% erhöhen. Drei Tage später haben Sie 30000 Dollar auf dem Konto. So einfach geht das. Abertausende von Amerikanern haben das in den letzten Wochen und Monaten gemacht. Und darauf sind die Amerikaner auch noch stolz.
Wo ist die Prosperität, wenn sie darin besteht, daß die Konsumenten ihre Ausgaben nur steigern können, indem sie ihre Haus beleihen? Das ist doch Schwachsinn. Ökonomisch ist das unglaublich. Wenn Sie sich die Statistik ansehen, dann stellen Sie fest, daß der amerikanische Konsument seit 20 bis 30 Jahren eine rapide steigende Verschuldung auf sein Haus besitzt. Ich habe noch die Generation der Amerikaner gekannt, die stolz darauf waren, wenn die Hypothek abbezahlt war. Heute sind sie stolz darauf, wenn sie sie erhöhen können. Und das steigt und steigt und steigt. Für mich ist das nun beim besten Willen kein Zeichen von Wohlstand. Es ist das Gegenteil. Greenspan ist im Kongreß gefragt worden: "Sagen Sie mal, ist das nicht problematisch, steigende Häuserpreise, steigende Hypotheken?" Und da sagt Greenspan: "Och, solange die Häuserpreise weitersteigen, steigt ja auch die Equity, das Eigenkapital." Der fand gar nichts dabei. Man muß sich das vorstellen: Die Häuserpreise erlauben steigenden Konsumkredit, und das wiederum soll die Konjunktur retten.
Heute morgen war von Lösungen die Rede. Ich gehöre zu denjenigen, die sagen: "Die Leute, die uns das eingebrockt haben, sind nicht in der Lage, uns da wieder herauszubringen." Und nebenbei gesagt: Es ist viel schwieriger, als wir glauben. Um nur ein Beispiel zu nennen: Sehen Sie sich Japan an. Da wird immer gesagt, die Japaner weigerten sich, zu restrukturieren. Das Problem Japans besteht darin: Die haben sich in den Bubble-Jahren ihre Investitionsdynamik zerstört. Endgültig zerstört. Aber auf der anderen Seite: Die Konsumenten sparen. Bei Nullzins muß ich ja noch mehr sparen als vorher, um meinen Lebensabend zu sichern. Im Grunde krankt Japan daran, daß es seine Investitionsdynamik nicht mehr in den Griff bekommt. Aber es hat Konsumenten, die noch sparen. Und wir haben sie in gemilderter Form ebenfalls. Wir haben immer noch Sparer, aber immer weniger Investitionen. Die Amerikaner und die Angelsachsen im allgemeinen sind in dieser Beziehung der krasse Gegensatz. Die sparen überhaupt nicht, investieren auch nicht, aber sie haben Kreditsysteme, die bis zum Exzeß darauf eingerichtet sind, Konsumkredit zu finanzieren. Die amerikanischen Banken schicken jedes Jahr in Milliardensummen Kreditkarten aus. Jeder Amerikaner bekommt jedes Jahr mindestens 50 Kreditkarten. Und jede Kreditkarte hat eine Kreditlinie. Die Besonderheit Amerikas besteht also darin, daß es ein Kreditsystem hat, das voll und ganz auf Konsumkredit ausgerichtet ist. Und die Scheinprosperität der Amerikaner besteht darin, daß sie immer weniger sparen, immer weniger investieren, immer mehr konsumieren. Die alten Ökonomen nannten diesen Prozeß Kapitalkonsum. Und das führt zwangsläufig zum wirtschaftlichen Niedergang. Aber die Amerikaner haben soviel dämliche Europäer und Japaner und andere Asiaten, die ihnen das Geld immer jeden Tag von neuem schicken. Insofern geht das weiter. Wenn Sie genau hinsehen, stellen Sie fest: Der Anstieg des Lebensstandards in den USA hat seinen alleinigen Grund in den Auslandskrediten. Das ist die einzige Möglichkeit, den Lebensstandard zu erhöhen. Denn der Durchschnittslohn des Amerikaners geht seit 1973 beständig zurück, und der Reallohn des Amerikaners liegt heute mindestens 25% unter dem Standard von 1973.
Quelle: Neue Solidarität Jg.28 Nr.46 21.11.2001
oder
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US-Unternehmensgewinne: Alles Betrug
Die Proforma-Berichterstattung weicht gravierend von den wirklichen Zahlen ab
In den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres haben vier der fünf, nach Marktkapitalisierung größten Nasdaq-Unternehmen zusammen 11,5 Mrd. Dollar an Proforma-Erträgen ausgewiesen. Dem entsprach nach US-GAAP-Bilanzierungsrichtlinien jedoch nur ein „realer“ Gewinn von 2,4 Mrd. Dollar, bei Cisco Systems, Dell, Intel und Microsoft.
Extrapoliert auf das gesamte Jahr ergibt sich ein Wert von 3,2 Mrd. Dollar. Bezogen auf die Marktkapitalisierung der vier Unternehmen von 840 Mrd. Dollar errechnet sich ein „US-GAAP“-KGV von sagenhaften 260. Legt man die Proforma-Erträge zugrunde, ermäßigt sich der Wert auf immer noch ordentliche 55.
Besonders gravierend fallen die Unterschiede bei Cisco ins Gewicht. Während das Netzwerk-Unternehmen nach US-GAAP in den ersten drei Quartalen 3,0 Mrd. Dollar Verlust anhäufte, konnte es mit „Proforma“-Erträgen von insgesamt 0,7 Mrd. Dollar stets die Erwartungen der Analysten erfüllen oder sogar schlagen. Während die Gesellschaft ein auf das Gesamtjahr hochgerechnetes KGV von rund 150 für 2001 aufweist, entfallen nach realen Zahlen auf jede Aktie 55 Cent „Miese“.
Noch verheerender wird das Bild, wenn man sich die Berichterstattung aller 100 Unternehmen aus dem Nasdaq100-Index anschaut. Der Börsendienst Smartstockinvestor hat für die ersten drei Quartale ermittelt, dass sie alle zusammen nach US-GAAP 82,3 Mrd. Dollar an Verlust ausgewiesen haben. In der selben Zeit meldeten sie jedoch Proforma-Gewinne in Höhe von 19,1 Mrd. Dollar. Das macht den „kleinen“ Unterschied von sagenhaften 101,4 Mrd. Dollar zwischen Fiktion und Realität.
Die nach Marktwert fünftgrößte Gesellschaft an der Nasdaq, Oracle, berichtet im Gegensatz zu den anderen vieren Erträge, die im wesentlichen konform mit US-GAAP sind. Und siehe da - die Aktie wird nur zum rund 33-fachen ihrer Gewinne gehandelt. Das ist ein deutlicher Abschlag gegenüber den Multiples von 260, bzw. 55.
Das Widersinnige: Anscheinend steigert die Berichterstattung von Proforma-Erträgen die Bewertung. Realität ist eben langweilig, Fiktion hingegen regt die Phantasie an. Oder?
Die Nachrichtenagentur Bloomberg zitiert Lynne Turner, scheidendes Mitglied der amerikanischen Börsenaufsicht SEC. Demnach dürfe der als zentrale Maßzahl für die Unternehmensentwicklung herangezogene "Gewinn je Aktie" nicht EPS für „Earnings per Share“ heißen, sondern EBS für „Earnings before the Bad Stuff", also Erträge vor Abzug alles Schlechten.
Präsident Bush hat kürzlich versprochen, dass die Berichterstattung amerikanischer Unternehmen den höchsten Bilanzierungsstandards entsprechen soll. Man darf gespannt sein, welchen Effekt das haben wird. Während amerikanische Medien im vergangenen Jahr immerhin zunehmend dazu übergegangen sind, neben den Proforma-Werten auch reale Nettoerträge zu berichten, halten die Analysten ungerührt an ihrem „EBS“ fest. Solange sich hier nichts ändert, werden die Schlagzeilen in der Gewinnberichterstattung auch weiterhin eher aus der Ecke der Fiktion kommen.
Autor: Klaus Singer, 19:47 31.01.02
Aufgrund dieser Tatsachen ist nicht auszuschliessen, daß Dow und Nasdaq noch tief fallen können.
Könnte sein, daß der Nationalstolz der Amis, die besten der Welt zu sein, hart bestraft wird.
Und da wird auch kein Greenspan mehr helfen können, falls er das überhaupt noch erlebt...
Wird Zeit anzufangen zu sparen und sich mit 4% - 5% Zinsen im Jahr zu begnügen...
Könnte sein, daß der Nationalstolz der Amis, die besten der Welt zu sein, hart bestraft wird.
Und da wird auch kein Greenspan mehr helfen können, falls er das überhaupt noch erlebt...
Wird Zeit anzufangen zu sparen und sich mit 4% - 5% Zinsen im Jahr zu begnügen...
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