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    Ein Super-Artikel, den es sich lohnt zu lesen! - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 15.12.00 00:30:11 von
    neuester Beitrag 15.12.00 01:47:31 von
    Beiträge: 7
    ID: 316.455
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      schrieb am 15.12.00 00:30:11
      Beitrag Nr. 1 ()
      ....denn hab ich gefunden. Er trifft den Nagel auf den Kopf und verdient ein großes Lob! Bitte lesen!

      Brandrede gegen das Vergessen

      Meine sehr geehrten Damen und Herren!

      Immer wieder kocht die Wut in mir auf, wenn mir vor Augen geführt wird, wie sehr Menschen beeinflussbar sind. Der Mensch, stolzestes Geschöpf auf Erden (haha), das arrogant auf dem Rest der Schöpfung herumtrampelt, ist in Wahrheit beeinflussbarer als eine Herde Schafe. Glauben und Vergessen sind die Geißeln unserer schnelllebigen Welt, in der Wahrheiten problemlos ausgetilgt werden können, ohne dass jemand die Hand zum Widerspruch erheben würde. Entgegen dem voll gesellschaftsfähigen Sog des Vergessens, der dem Einzelnen ja so vieles erleichtert, erinnern Sie sich bitte schonungslos:

      Am 2. Oktober fragte ich an dieser Stelle: Nutzt der Markt seine Chance? Vor dem Eindruck einer hundsmiserablen Performance im September war diese Frage eigentlich mehr eine Feststellung. Ich war der Überzeugung, dass die baisseträchtigen Faktoren, welche zu den schwachen Notierungen geführt hatten, sich binnen weniger Wochen zum Guten wenden würden. Immerhin: Die Unternehmensgewinne waren letzten Endes doch nicht so negativ ausgefallen, wie die Gewinnwarnungen vorab suggerierten. Plötzlich geistert die Erwartung von Zinssenkungen über das Börsenparkett und führt zu einer bullishen Performance der Rentenmärkte. Der fußkranke Euro, zuvor Argument für massive Verkäufe in exportlastigen US-Aktien, arbeitet intensiv an der Trendwende nach oben. Der Rohölpreis hat sich, genau wie von mir vor knapp drei Monaten prognostiziert, trotz der vermeintlichen momentanen "Hochsaison" deutlich von seinen Hochs zurückgebildet und mindert so die Furcht vor einer nicht mehr kontrollierbaren Inflation. Die Rahmenbedingungen sprachen also in der Tat dafür, dass die Börse ihre Chance nutzen wird. Aber die Investoren haben sie vertan. Glauben und vergessen, die beiden Fähigkeiten, die den Menschen das Leben erträglich machen sollen, haben in diesem wohl nicht mehr zu rettenden Börsenjahr 2000 fatale Folgen gehabt. Um Ihnen darzulegen, wie heimtückisch diese Fähigkeiten der Menschheit sind und wie leicht ein jeder von uns sich selbst belügen kann, muss ich etwas ausholen:

      Helmut Kohl hat sein Tagebuch veröffentlicht. Sofort waren Spötter und Schmäher zur Stelle. Doch wer von denen hat sein Buch wirklich gelesen, die sich anmaßen, ein Urteil zu fällen? Und stellt sich eigentlich irgend jemand die Frage, wie es zu alledem kam? Nein, offensichtlich nicht. Sie werden sich erinnern: Herr Kohl war mal Bundeskanzler. Und zwar für die unwesentliche Zeitspanne von sechzehn Jahren. Nun hat sich dieser Mann natürlich nicht nur Freunde geschaffen. Sein patriarchalischer Führungsstil, seine bisweilen ruppige, aufbrausende Art und eine gehörige Portion Selbstgefälligkeit, die auch in seinem Tagebuch durch die Zeilen scheint, waren nicht dazu angetan, aus Helmut Kohl "everybody’s darling" zu machen. Keine Frage. Und doch, trotz aller berechtigten Kritik, waren seine Leistungen und seine Integrität gegenüber Deutschland, seine Ehrlichkeit und Offenheit auch bei seinen Gegnern unbestritten. Nicht umsonst wurde Herr Kohl von der Bevölkerung viermal zum Kanzler gewählt. Jetzt plötzlich stehen sie alle da und werfen mit Windbeuteln. Vom Altkanzler wird in den Medien das Bild eines Kriminellen gezeichnet, der käuflich war, der Unterlagen verschwinden ließ und im Geheimen sein böses Süppchen kochte. Und alle scheinen es widerspruchslos zu glauben. Ganz ohne Frage sind Dinge nicht so gelaufen, wie sie sein sollten. Aber das Ausmaß der Vernichtung der Person Kohl ist unvergleichlich. Und nur möglich, weil die Menschen nicht imstande sind, sich ihrer eigenen Ansichten zu erinnern. Weil sie unbewusst bereit sind, sofort die Richtung zu wechseln und willenlos hinter der Fahne dessen herzulaufen, der am lautesten schreit.

      Das mag zornig und verbittert klingen, und doch sind es Fakten, die mich zu dieser Aussage treiben. Erinnern Sie sich an Willy Brandt? Den Kanzler unserer Republik, den später plötzlich alle schmähten und einen Kommunisten nannten? In Windeseile hatten die Bürger sein Engagement und seine Verdienste vergessen, von denen sie zuvor profitiert hatten. Auch Michail Gorbatschow teilte dieses Schicksal. Gorbi – der Präsident, der für ein Ende der Furcht vor einem Atomkrieg stand, für den Fall des eisernen Vorhangs, für die deutsche Wiedervereinigung. Geschnitten und isoliert steht er heute da. Durch gezielte Medienaktivitäten wurde er zu einer Non-Person geformt. Aus Angst, er könnte zurückkommen, wenn alles schief läuft? Möglich, denn derartige Motive drängen sich auch in den Fällen Kohl und Brandt auf. Doch das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass die Menschen nur zu willfährig bereit sind, diesen Bestrebungen auf den Leim zu gehen, ohne zu hinterfragen oder sich zu erinnern. Und genau so erklärt sich das desaströse Bild, das die Börse heute bietet.

      Und hören Sie mir jetzt bloß mit der US-Wahl auf! Richtig ist, dass das Chaos, das an diesem Wochenende noch einmal einen Gang hochgeschaltet hat, als Argument für permanente Verkäufe herhält. Dabei ist auch diese Angelegenheit ein Beispiel dafür, was die Eigenschaften Glauben und Vergessen anrichten können. Eigentlich ist Al Gore derjenige, der im Recht ist. Die Mehrzahl der Unregelmäßigkeiten sind zu seinen Ungunsten gelaufen. Das Recht, diese aufzuklären und das tatsächliche Votum der Bürger darzustellen, kann ihm doch niemand ernsthaft streitig machen wollen – oder? Oder. Auf den Straßen schreien die Bürger, dass es endlich ein Ende haben solle. Und sie folgen damit dem lautesten Schreihals, namentlich G. Bush, der sich mit beispiellose Chuzpe bereits zum Sieger erklärt hatte und Gore zugleich geschickt in die Rolle eines schlechten Verlierers schlüpfen ließ. Die Mehrzahl der Bevölkerung ist ihm dabei auf den Leim gegangen. Frechheit siegt, und sofern Bush Präsident werden sollte, was man eigentlich als Europäer nicht hoffen darf, wird man schon in wenigen Wochen vergessen haben, dass das Recht und die Wahrheit auf Seiten Al Gores stand. Glauben Sie mir, man wird dafür sorgen.

      Angesichts dieser Erkenntnisse kann man sich nicht darüber wundern, dass die Börse immer noch auf Talfahrt ist. Eigentlich wäre es ja egal, wer US-Präsident wird. Die wirtschaftliche Orientierung ist bei beiden Parteien nahezu konform. Und doch: Als Gore am Freitag nach Börsenschluss „seinen“ Sieg vor dem obersten Gericht in Florida zugesprochen bekam, rasselten die noch gehandelten Futures haltlos in den Keller, nachdem die Märkte zuvor im Bush-Fieber nach oben geschossen waren. O tempora, o mores. Traditionell reagierten die Anleger je, Respekt. Demokraten = schlecht für die Börse, Republikaner = gut für die Börse. Einfach, aber dumm. Stellt sich nämlich die Frage, ob Kandidat Bush erklären kann, was eine Aktie eigentlich ist. Immerhin kennt er auch die Namen der wichtigsten europäischen Politiker nicht. Aber: Who cares?

      Glauben und Vergessen. Die Anleger haben vergessen, dass fallende Ölpreise und ein fester Euro gut für die Börse sind. Sie haben ebenfalls vergessen, dass sie viele Aktien noch vor Monaten im festen Glauben an immense Kurssteigerungen gekauft haben. Werte, die in „Zukunftsbranchen“ agieren. Titel wie AOL, Intel, Yahoo, Cisco, SAP oder Siemens werden immer weiter nach unten geprügelt, zertreten wie lästige Fliegen. Würden sie sich ihrer Motive im Frühjahr erinnern, würden sie angesichts der vorliegenden Bewertungen freudig einsteigen. Aber sie haben es vergessen. Jetzt wird freudig geglaubt, dass diese Aktien schlecht sind. Es wird willfährig geglaubt, dass das große Geld in den defensiven Aktien liegt, in der "Old Economy". Was hat sich an den Fakten geändert, das dazu geführt hat, dass heute schwarz plötzlich weiß ist? Nichts. Die Tatsache fallender Kurse hat zu Rechtfertigungen geführt. Zu einem Selbstbetrug, an den man gerne glaubt, um nur kein eigenes Fehlverhalten zugeben zu müssen, und sei es nur vor sich selbst, im Spiegel. Wer das erkennt, realisiert: Es kann passieren, was will. Wenn die Anleger in der Masse glauben wollen, das es gut ist, was geschieht, werden sie wieder kaufen. Ein gutes Beispiel sind die angedeuteten Zinssenkungen von Alan Greenspan. Man glaubt, Zinssenkungen sind immer gut. Stereotyp. Man vergisst, dass dies bedeutet, dass die US-Wirtschaft am seidenen Faden hängt und die Gewinne der Unternehmen sehr schnell dramatisch nach unten kippen könnten. Wenn die Investoren dies vergessen und zudem – vielleicht nach einem kurzzeitigen Kurseinbruch? – glauben, dass Al Gore ein guter Präsident wird, könnten die Aktien sehr schnell sehr weit nach oben laufen. Sie wissen nach den vorangegangenen Erläuterungen: Selbst Bush-Fans werden das binnen weniger Tage glauben und sogar vergessen, dass die den "anderen" gewählt haben. Schließlich hatte bei Umfragen 1999 zeitweise auch in der Wahl von 1998 niemand die SPD gewählt. Es ist nur offen, wann die Anleger das glauben werden. Und ich gehe hier eine Wette ein:

      Wenn die Rallye endlich losgeht, werden alle ebenso vergessen haben, welch fatale Folgen die Milchmädchen-Hausse 1999/2000 hatte. Sie werden wieder mal imstande sein, alle negativen Aspekte zu ignorieren (zu vergessen) und die Kurse auf irrationale Levels treiben. Andererseits: Wer hinter den Vorhang blickt, kann die Fahrt problemlos mitmachen und dann rechtzeitig aussteigen. Man darf es nur nicht vergessen!

      Mit besten Wünschen für eine (trotzdem) erfolgreiche Börsenwoche Ihr

      Ronald Gehrt

      Ronald Gehrt ist Chefredakteur der TM BÖRSENVERLAG AG in Rosenheim

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      schrieb am 15.12.00 00:37:14
      Beitrag Nr. 2 ()
      Hi Rolf Zacher,

      guter Artikel, bitte die Quelle posten


      Gruß F 50 !
      Avatar
      schrieb am 15.12.00 00:40:10
      Beitrag Nr. 3 ()
      Rally fällt einstweilen wohl aus - Msft-Gewinnwarnung!

      mfg
      thefarmer
      Avatar
      schrieb am 15.12.00 00:51:08
      Beitrag Nr. 4 ()
      guter Artikel!

      aber was hilft`s. Mit Fundamentals oder Psychologie
      ist in einer Baisse nicht zu argumentieren.

      Wenn der Schneeball mal zur Lawine wird, dann
      findet er immer neue Opfer. Erst wenn er alles
      abgegrast hat und im Tal zum Stehen kommt, wird
      sich der eine oder andere Überlebende wieder
      auf den Berg wagen. Unterwegs zum Gipfel findet
      er noch viele bereitwillige Wandersgefährten...

      :)vision11
      Avatar
      schrieb am 15.12.00 01:21:22
      Beitrag Nr. 5 ()
      Vieles was im Bericht steht kann ich unterschreiben, aber... Zu den Worten ueber unseren Ex-Kanzler muss ich hier einfach mal Stellung nehmen. Sowohl Brandt als auch Gorbatschow haben zur Oeffnung der Mauer (aktiv) wesentlich mehr geleistet, als Kohl allgemein zuerkannt wird. Er war eben zufaellig zum Zeitpunkt des Mauerfalls Kanzler und er hat zugegriffen, als sich ihm die Chance darbot. Dies haette jeder andere "Kanzler", egal welcher Parteizugehoergkeit, auch getan. Ihn nun immer und immer wieder als den, in die Geschichtsbuecher eingehenden, Architekt der Einheit zu feiern, ist meines Erachtens zuviel des Guten. Und der Mauerfall war ein "Gluecksfall" fuer Kohl, denn ohne diese haette er die naechsten Wahlen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr gewonnen. Hierzu sei die Lektuere des Buches von Wolfgang Schaeuble empfohlen. Mit Verlaub: Er ist fuer mich schon immer ein arroganter, machtbessener Drecksack gewesen. Und was jetzt Stueck fuer Stueck herausgekommen ist, beweist dies einmal mehr. Was fuer Wahrnehmungsstoerungen muss jemand haben, der sein Wort noch ueber das geltende Recht stellt?

      Gruss
      Bernd Mesterom

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      schrieb am 15.12.00 01:39:33
      Beitrag Nr. 6 ()
      CPU

      Deine Ansicht kann ich voll und ganz unterschreiben,
      vorallem, was den Dicken anbetrifft, Leute mit konstruktiver Kritik und Geist (Geißler, Späth usw.)
      hat er abgesägt und nur Schleimer in seinem Umfeld geduldet
      und großgezogen.

      Gruß F 50 !
      Avatar
      schrieb am 15.12.00 01:47:31
      Beitrag Nr. 7 ()
      Bernd,
      man spürt hier aber Deinen Hass Kohl gegenüber.

      Hätten alle Politiker soviel Rückgrad wie Kohl dann sehe es hier ganz anders aus. Ein Politiker stellt sich über das Gesetz, weil er ein Ehrenwort nicht bricht? Na gut. Würde ich auch machen für einen Kumpel. Das Geld war ja nicht gestohlen oder so.
      Aber der Zocker, der das Fa. bescheisst ist natürlich der bessere Mensch? Oder wie soll man das verstehen.

      Ich denke, es ist die Wut nicht die Namen der Spender zu kennen die die Gegner da auf den Plan ruft. Insgeheim lacht mein inneres darüber weil Kohl standhaft ist und die anderen sich ärgern. Aber eigendlich mag ich Politiker nicht so besonders. Auch Kohl nicht.....


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