checkAd

    DER - SPIEGEL: NEUER - MARKT -- FIRMEN - IN - DER - TODESZONE !!! - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 23.04.01 16:29:27 von
    neuester Beitrag 23.04.01 17:07:39 von
    Beiträge: 7
    ID: 387.375
    Aufrufe heute: 0
    Gesamt: 911
    Aktive User: 0


     Durchsuchen

    Begriffe und/oder Benutzer

     

    Top-Postings

     Ja Nein
      Avatar
      schrieb am 23.04.01 16:29:27
      Beitrag Nr. 1 ()
      N E U E R M A R K T

      Hightech-Firmen in der Todeszone

      Die Frankfurter Wachstumsbörse verkommt zum Tummelplatz für Hochstapler und unseriöse Geschäftemacher. Immer mehr Hightech-Firmen trudeln in der Todeszone. Börsenexperten prophezeien: Nur jedes fünfte Unternehmen am Neuen Markt wird überleben.

      Es war 17.35 Uhr, als am Mittwoch vergangener Woche die Sonne von "Sunburst" unterging. In einer dürren Pflichtmitteilung gestand das Unternehmen aus Osnabrück, das versucht hatte, mit den Rechten für die Berliner Love Parade Geld zu machen, die "drohende Zahlungsunfähigkeit" ein.

      In letzter Minute gerettet: Letsbuyit.com in München

      Doch die neuerliche Pleite am Neuen Markt scherte in diesem Augenblick offenbar niemanden. Aus New York nämlich vermeldeten die Nachrichtenagenturen, dass kurz zuvor eine weitaus mächtigere Börsensonne aufgegangen war: Alan Greenspan, der amerikanische Notenbankchef, hatte überraschend die Zinsen gesenkt.
      Allein dieser Schritt genügte, um auch die deutschen Kleinanleger wieder in einen wahren Rausch zu stürzen. Binnen weniger Minuten schoss der Nemax, das Kursbarometer des Neuen Markts, beinahe lotrecht nach oben. "Greenspan, wir danken Dir", schrieben verzückte Anleger im Chatroom der Comdirect-Bank.
      Heiß begehrt waren ausgerechnet jene Werte, die die Börsianer in den Wochen zuvor, nach teils desaströsen Geschäftszahlen, besonders heftig abgestraft hatten. Heyde, der krisengeschüttelte IT-Dienstleister: plus 92 Prozent. Internolix, das marode Software-Haus: plus 76 Prozent. Brokat, der verlustreiche Finanzsoftware-Anbieter: plus 52 Prozent. Börse verrückt.
      Wieder einmal wurde der Wahnsinn sichtbar, der im letzten Jahr an den Finanzmärkten regiert hatte. Wieder einmal offenbarte sich jener Mangel an Vernunft, der die Aktienkurse bis zum Frühjahr 2000 auf schier astronomische Höhen klettern ließ. Ein kleiner Funke genügte - und schon kehrte die Gier zurück.


      Niemand interessierte sich mehr für all die schlechten Nachrichten der vergangenen Tage. Die Massenentlassungen in den USA? Die Gewinnwarnungen von Intel oder Cisco? Vergessen, verdrängt. Und auch die graue Realität am Neuen Markt erschien den Spekulanten mit einem Mal wieder rosarot. Adieu, Tristesse!
      Tatsächlich vergeht kaum eine Woche, in der nicht eines der deutschen Start-ups in die Todeszone trudelt. Kaum eine Woche, in der nicht gleich mehrere Finanzvorstände einräumen, dass ihre Unternehmen - sorry, sorry - die Planzahlen nicht erreichen werden. Die Börseneuphorie der vergangenen Woche täuscht, die Fundamentaldaten der deutschen Hightech-Börse sehen katastrophal aus.
      Eine nicht repräsentative SPIEGEL-Umfrage bei rund 150 Unternehmen des Neuen Markts zeigt das ganze Ausmaß der Misere: Das beim Börsengang kassierte Geld wird von vielen Firmen regelrecht verbrannt, die Umsätze vieler selbst ernannter Marktführer sind minimal.


      Erstaunlich ist vor allem das Tempo, mit dem das eingesammelte Kapital wieder verbraucht wird. Verfügte etwa der Chiphändler CE Consumer zu Hoch-Zeiten noch über 153,9 Millionen Mark liquider Mittel, so sind es nach Abschluss des Geschäftsjahrs 2000 nur 39,3 Millionen Mark. Mit dem Geld hat Firmengründer Erich Lejeune vor allem andere Firmen gekauft, deren liquide Mittel wurden in der Bilanz konsolidiert. Immerhin: CE Consumer erwirtschaftet einen bescheidenen Gewinn.
      Viele Neue-Markt-Firmen können davon nur träumen. Das Internet-Kunstportal Artnet machte im vergangenen Jahr 7,8 Millionen Mark Umsatz - und weist einen Jahresfehlbetrag von 38,2 Millionen Mark aus. Auch die Zahlen von FortuneCity sind beeindruckend: Bei 24,2 Millionen Mark Erlösen aus Bannerwerbung und E-Commerce-Geschäften schreibt die Internet-Firma 87,8 Millionen Mark Verlust. Wie aus diesen Firmen jemals normale Profitbetriebe werden sollen, ist völlig unklar.
      Da das Internet bisher für nahezu niemanden ausreichend Erlöse abwirft - nicht für die Inhalteanbieter, auch nicht für Web-Agenturen, erst recht nicht für die Portale - ist mit einer schnellen Trendumkehr nicht zu rechnen. Ohne neues Anlegergeld können die meisten Firmen ihren Verlustbetrieb wohl nicht mehr lange finanzieren.
      Dem Neuen Markt, sagen seriöse Beobachter, droht ein beispielloser Ausleseprozess. "Viel Schrott" hat der Unternehmensberater Roland Berger ausgemacht und prophezeit angesichts der bisherigen Pleiten: "Das wird mit Sicherheit erst der Auftakt sein." Analysten der Investmentbank J. P. Morgan Fleming befürchten gar, dass auf mittlere Sicht rund 80 Prozent aller heutigen Firmen vom Kurszettel verschwunden sind - pleite, verkauft oder zwangsfusioniert mit einem Ex-Rivalen.
      Das deutsche Hightech-Wunder war ein Traum, in der Realität steht das bevor, was die Stahlindustrie hinter sich hat: Rationalisierung, Kostensenkung, Entlassungen, Übernahmen und viele, viele Konkurse.
      Auch nach dem Greenspan-Coup ist das deutsche Segment für Wachstumswerte immer noch Lichtjahre von seinen Höchstständen entfernt. Auf abenteuerliche 8500 Punkte war der Nemax im März 2000 gestiegen, über 6700 Punkte hat er seither verloren. Selbst Fondsmanager wie Kurt Ochner haben 70 Prozent des verwalteten Kapitals eingebüßt - deswegen wurde er vom Bankhaus Julius Bär inzwischen geschasst.
      Keine bedeutende Wachstumsbörse der Welt, auch nicht die Nasdaq in New York, ist in so kurzer Zeit derart heftig abgestürzt. Der Neue Markt habe sich, höhnt das "Handelsblatt", "von der Gelddruck- zur Geldschluckmaschine" entwickelt.

      © DER SPIEGEL

      Der Hype ist der Depression gewichen. So waren die rund 250 Unternehmen, die im Mai 2000 am Neuen Markt gelistet waren, zusammengenommen über 250 Milliarden Euro wert, jetzt sind es nicht einmal mehr 90 Milliarden - und dies, obwohl 91 neue Firmen auf den Kurszettel drängten.
      Schmerzhaft müssen vor allem die Kleinanleger erfahren, dass selbst jene Firmen, die ihnen als "Blue Chips" verkauft wurden, in Wahrheit oft nichts anderes sind als ganz normale Mittelständler. Pixelpark? Tief in den roten Zahlen. Mobilcom? Bis zum Es-geht-nicht-Mehr verschuldet. Intershop? Rückzug aus Amerika.
      Denn mittlerweile haben auch in der Neuen Ökonomie die Gesetze der alten Wirtschaft Einzug gehalten. Reichte noch vor wenigen Monaten eine gute "Story", um für die nötige Kursphantasie zu sorgen, rücken jetzt so altmodische Kriterien wie Ertrag und Rendite in den Vordergrund. Was nützt etwa das prächtigste Wachstum, wenn die Verluste noch schneller wachsen? Und was ist von Gründern zu halten, die allenfalls etwas von PR, nichts aber von Kostenrechnung verstehen? Gleichzeitig hat sich bei einigen Firmen ein Geschäftsgebaren eingebürgert, das im besten Fall als dubios, im schlimmsten Fall als kriminell zu bezeichnen ist.



      Seit fünf Monaten sitzen die Infomatec-Gründer Gerhard Harlos und Alexander Häfele in U-Haft, weil sich bei der Augsburger Staatsanwaltschaft der Verdacht der Kursmanipulation und des Insiderhandels erhärtet hat.
      Wie sehr die Sitten verfallen sind, wissen vor allem jene Kanzleien zu berichten, die sich auf das komplizierte Börsenrecht spezialisiert haben. "Am Neuen Markt", urteilt Rechtsanwalt Dietmar Kälberer, "werden die Anleger teilweise richtig betrogen."
      Über 2000 düpierte Aktionäre haben sich seit Jahresbeginn in Kälberers Kanzlei in Kirchentellinsfurt, einem Nest bei Tübingen, gemeldet. Gegen rund 20 Firmen prüft die Sozietät inzwischen rechtliche Schritte. "In einigen Unternehmen", lautet Kälberers ernüchternde Erkenntnis, "herrschen Wildwestmethoden."
      Da werden Bilanzen geschönt und Aufträge erfunden, da wird in manchen Adhoc-Mitteilungen viel heiße Luft verblasen - und merkwürdigerweise, so wundern sich Anlegerschützer, kommt die Wahrheit oft erst dann ans Licht, wenn die Gründer längst Kasse gemacht haben.
      Beispiel Sunburst: Noch im Februar verkündete Firmengründer Hero Alting, sein Unternehmen werde selbstverständlich die gesetzten Gewinn- und Umsatzziele einhalten. Das hielt Alting allerdings nicht davon ab, sich aus der Firma zurückzuziehen.

      © DER SPIEGEL

      Sieben Wochen später stellt sich heraus, dass die Planzahlen Makulatur sind. Eine Gruppe von Aktionären hat bei der Staatsanwaltschaft in Osnabrück Strafanzeige eingereicht. Sie werfen den Verantwortlichen Insiderhandel und Betrug vor.
      Beispiel CAA: Mitte März verkauften zwei Vorstände des Filderstädter Software-Anbieters, der sich auf Computer im Auto spezialisiert hat, insgesamt 15 000 Aktien - damaliger Kurs: 28 Euro. Im April folgte dann die Gewinnwarnung, die Aktie rauschte auf 3 Euro herunter.
      Dabei hatten die Macher des Neuen Markts, als sie das Wachstumssegment vor vier Jahren aus der Taufe hoben, eigentlich ein ehrenwertes Anliegen: Sie wollten einen Gründerboom entfachen, ganz so wie in den USA.
      Denn vor allem die Unternehmen aus Technologiebranchen klagten darüber, dass sie nur schwer an Kapital kamen, um ihre Geschäftsideen umzusetzen. Der traditionelle Bankenkredit blieb ihnen verschlossen, weil sie keine Sicherheiten vorweisen konnten: keine Maschinen, keine Immobilien, nur die Köpfe der Mitarbeiter.
      Die neue Börse erhob den Anspruch, diesen Widerspruch aufzulösen, sie sollte, ähnlich wie ihr großes Vorbild, die Nasdaq in New York, "eine Plattform für Wachstumsunternehmen schaffen", wie es Reto Francioni beschreibt.
      Francioni, damals Vorstand der Börse, gilt als der eigentliche Vater des Neuen Markts. Rund 20 Unternehmen wollte er im ersten Jahr etablieren, in den Jahren danach jeweils weitere 30. Doch inzwischen sind 341 Unternehmen notiert.
      Es waren die Signale aus Amerika, die dem Neuen Markt plötzlich solche Anziehungskraft verliehen. Dort erfasste das ganze Land eine beispiellose Aufbruchstimmung. Rund um das Internet entstanden zahllose neue Unternehmen, die an der Nasdaq Steigerungsraten hinlegten, wie sie bis dahin undenkbar erschienen. AOL legte in der Spitze um 78 000 Prozent zu. Firmen wie EBay oder Yahoo verkauften, was an den Aktienmärkten am höchsten gehandelt wird: die Hoffnung auf eine goldene Zukunft.
      Schnell sprang diese überbordende Begeisterung auf Deutschland über. Studenten brachen ihre Ausbildung ab, um bloß nicht diese historische Gelegenheit zu verpassen. Wagniskapitalfirmen investierten bereitwillig in Gründerteams, deren Geschäftsmodell im Wesentlichen darin bestand, an den Neuen Markt zu gehen.



      Denn nach dem IPO, dem "Initial Public Offering", wie der Börsengang heißt, verfügten die flotten Newcomer über ein scheinbar magisches Instrument - Aktien. Mit dieser virtuellen Währung konnten die Möchtegern-Millionarios Berater, Werbeagenturen und Rechtsanwälte bezahlen, mit Aktien ließen sich Mitarbeiter ködern, vor allem aber: Mit Aktien konnten sie im großen Stil Konkurrenten aufkaufen.
      Und so starteten etliche Firmen eine geradezu abenteuerliche Einkaufstour: Mit jeder Übernahme schraubten sie ihre Geschäftsprognosen nach oben, der Börsenwert stieg weiter, die nächste Übernahme wurde so möglich. Eine schier wundersame Kapitalvermehrung kam in Gang.
      Allein der Bad Nauheimer IT-Dienstleister Heyde raffte in zwei Jahren fast 20 Firmen zusammen, erst in Deutschland, dann in Polen, Brasilien, Uruguay und den USA - finanziert vor allem durch Aktien. Aber ausgerechnet bei der "Integration Company" (Eigenwerbung) klappte es nicht mit der Zusammenführung.
      Irgendwann verlor Vorstandschef Dieter Heyde den Überblick. Und so musste die Firma einräumen, dass statt des geplanten Gewinns - ursprünglich ging Heyde für das Jahr 2000 von 43 Millionen Mark aus - ein Verlust in gleicher Größenordnung droht. Schamvoll räumte der Firmengründer seinen Posten, aber auch 160 Mitarbeiter müssen gehen.
      Bei anderen Start-ups scheint ein ähnliches Desaster nur noch eine Frage der Zeit zu sein. 65 Prozent aller Übernahmedeals, fand die Beratungsgesellschaft Apcon Business Consulting in einer Studie heraus, wurden nämlich ohne externen Sachverstand durchgezogen: "Es wurde viel gekauft, aber offensichtlich wenig darüber nachgedacht, was und warum."
      So lieferten sich etwa die IT-Dienstleister wie Pixelpark oder Kabel New Media eine wahre Schlacht um Größe und Macht. Allein Kabel kaufte seit dem Börsengang ein Dutzend Unternehmen, die Zahl der Mitarbeiter stieg in einem Jahr von 487 auf 1066. Jeder wollte als Erster in die Liga der internationalen Beratungsriesen wie Boston Consulting oder McKinsey aufsteigen.
      Geschafft hat das keiner. Pixelpark muss das Büro in den USA schließen und konzentriert jetzt sein Geschäft, so der Gründer Paulus Neef, auf "Kerneuropa" - was wohl wörtlich zu nehmen ist: In der Schweiz erwirtschaftet das Unternehmen, das einst einen globalen Anspruch verfolgte, ein Viertel des Gruppenumsatzes.
      Nach und nach entpuppte sich die Vision von globaler Marktführerschaft als Illusion, die Firmen müssen einräumen, dass sie ein zu großes Rad drehen wollten. Vor einem Jahr zum Beispiel wurden US-Unternehmen wie CMGI bewundert, die ein Netzwerk von Internet-Beteiligungen um sich scharen. Die Firmen glaubten, so am Geschäft maximal zu profitieren, ihr Risiko aber durch die Vielzahl an Beteiligungen zu minimieren. In Deutschland verfolgte Ralph Dommermuth mit United Internet eine ähnliche Strategie. In nur drei Monaten explodierte der Börsenkurs von 7 auf 50 Euro, heute liegt die Aktie wieder bei rund 3 Euro. "Wir haben die Luken dichtgemacht", sagt Dommermuth.
      Im Sog der Internet- und Biotech-Revolution drängten zudem etliche Firmen an den Neuen Markt, die an einer Wachstumsbörse eigentlich gar nichts zu suchen haben: Klamottenhändler und Altenheimbesitzer etwa. Den Weg ebnete ein willfähriges Geflecht aus Beratern und Banken, Emissionshäusern und PR-Agenturen.
      So organisierte allein Dietrich Walther, Chef der Mettmanner Gold-Zack AG, in vier Jahren 28 Börsengänge. Nur ein Viertel dieser Firmen notiert heute über dem Ausgabekurs. Besonders trübe sieht es beim Seniorenheim-Unternehmen Refugium aus Königswinter aus: Das Unternehmen schreibt tiefrote Zahlen, die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die 1999 geschassten Alt-Vorstände wegen Bilanzfälschung, und nun droht auch der jüngste Sanierungsplan zu scheitern.





      So stoppte der für das Handelsregister in Königswinter zuständige Richter vor wenigen Tagen eine dringend benötigte Kapitalerhöhung über 180 Millionen Mark, weil zwei Aktionäre wegen "erheblicher formeller und materieller Einwände" beim Bonner Landgericht klagen. Der Registerrichter will jetzt erst das Urteil dieser Instanz abwarten - doch das kann Monate dauern. Inzwischen räumt Walther selbstkritisch ein, dass "wir ein paar Unternehmen heute wohl nicht mehr an die Börse bringen würden."
      Für die meisten Kleinanleger, die ihr Vermögen verloren haben, kommen solche Einsichten zu spät. Viele Neuaktionäre hatten nämlich nicht nur den flotten Botschaften der Gründer vertraut, sondern auch den vollmundigen Sprüchen, mit denen die Deutsche Börse einst für ihr Wachstumssegment warb. "Der Neue Markt", versicherte Börsenchef Werner Seifert immer wieder, "ist der am schärfsten regulierte Markt in Europa."
      Tatsächlich wurden etliche Regeln erst nachgeschoben, als es schon zu spät war. Bis Ende Februar durften die Vorstände und Aufsichtsräte der Neue-Markt-Firmen etwa nach Belieben eigene Aktienpakete verkaufen, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Nun sollen die Verkäufe immerhin gemeldet werden - wenn auch erst drei Tage im Nachhinein. In den USA dagegen müssen die betroffenen Manager solche Transaktionen schon vorab publizieren.
      Recht freigiebig verfährt die Deutsche Börse offenbar auch bei einer weiteren Regel: So müssen die Firmen spätestens nach drei Monaten ihren Bericht für das letzte Quartal einreichen. Doch zum jüngsten Stichtag kamen gleich 29 Unternehmen dieser Pflicht nicht nach.
      Börsenexperten wie der Frankfurter Bankrechtler Theodor Baums halten das Regelwerk des Neuen Markts deshalb weiterhin für stark verbesserungswürdig. "Was nützen die wunderbarsten Regeln, wenn keine echten Sanktionen drohen?", fragt Baums. Er rät: Die Börse sollte die Unternehmen, die gegen das Regelwerk verstoßen, mit saftigen Vertragsstrafen belegen oder "beherzter rausschmeißen" - ähnlich, wie dies die Nasdaq macht.
      Gleichzeitig will Baums sich in der Regierungskommission zum Unternehmensrecht, die er derzeit im Auftrag des Kanzlers leitet, für eine weitere Regel stark machen, wie sie sich in ähnlicher Form bereits in den USA bewährt hat: Dort können düpierte Aktionäre mit einer Sammelklage gegen zwielichtige Unternehmen und Vorstände vorgehen; in Deutschland muss jeder einzeln klagen. "Wir müssen verhindern", fordert Baums, "dass es an der Börse drunter und drüber geht. Nur wenn die Regeln stimmen, gewinnt der Neue Markt wieder das Vertrauen der Anleger."
      Den heutigen Akteuren ist das offenbar völlig schnuppe. Sie haben sich einen lockeren Umgang mit dem Anlegergeld angewöhnt, nur zu gern gönnen sie sich einen Schuss Größenwahn. "Große Summen inspirieren mich", tönte Sunburst-Chef Benjamin Gawlik, 28. Noch wenige Wochen vor dem jetzt beantragten Insolvenzverfahren, der Aktienkurs befand sich bereits im freien Fall, hatte er für die Anleger nur Hohn und Spott übrig: "Letztendlich ist es alles nur ein großes Spiel."
      BEAT BALZLI, ALEXANDER JUNG, ULRICH SCHÄFER





      So stoppte der für das Handelsregister in Königswinter zuständige Richter vor wenigen Tagen eine dringend benötigte Kapitalerhöhung über 180 Millionen Mark, weil zwei Aktionäre wegen "erheblicher formeller und materieller Einwände" beim Bonner Landgericht klagen. Der Registerrichter will jetzt erst das Urteil dieser Instanz abwarten - doch das kann Monate dauern. Inzwischen räumt Walther selbstkritisch ein, dass "wir ein paar Unternehmen heute wohl nicht mehr an die Börse bringen würden."
      Für die meisten Kleinanleger, die ihr Vermögen verloren haben, kommen solche Einsichten zu spät. Viele Neuaktionäre hatten nämlich nicht nur den flotten Botschaften der Gründer vertraut, sondern auch den vollmundigen Sprüchen, mit denen die Deutsche Börse einst für ihr Wachstumssegment warb. "Der Neue Markt", versicherte Börsenchef Werner Seifert immer wieder, "ist der am schärfsten regulierte Markt in Europa."
      Tatsächlich wurden etliche Regeln erst nachgeschoben, als es schon zu spät war. Bis Ende Februar durften die Vorstände und Aufsichtsräte der Neue-Markt-Firmen etwa nach Belieben eigene Aktienpakete verkaufen, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Nun sollen die Verkäufe immerhin gemeldet werden - wenn auch erst drei Tage im Nachhinein. In den USA dagegen müssen die betroffenen Manager solche Transaktionen schon vorab publizieren.
      Recht freigiebig verfährt die Deutsche Börse offenbar auch bei einer weiteren Regel: So müssen die Firmen spätestens nach drei Monaten ihren Bericht für das letzte Quartal einreichen. Doch zum jüngsten Stichtag kamen gleich 29 Unternehmen dieser Pflicht nicht nach.
      Börsenexperten wie der Frankfurter Bankrechtler Theodor Baums halten das Regelwerk des Neuen Markts deshalb weiterhin für stark verbesserungswürdig. "Was nützen die wunderbarsten Regeln, wenn keine echten Sanktionen drohen?", fragt Baums. Er rät: Die Börse sollte die Unternehmen, die gegen das Regelwerk verstoßen, mit saftigen Vertragsstrafen belegen oder "beherzter rausschmeißen" - ähnlich, wie dies die Nasdaq macht.
      Gleichzeitig will Baums sich in der Regierungskommission zum Unternehmensrecht, die er derzeit im Auftrag des Kanzlers leitet, für eine weitere Regel stark machen, wie sie sich in ähnlicher Form bereits in den USA bewährt hat: Dort können düpierte Aktionäre mit einer Sammelklage gegen zwielichtige Unternehmen und Vorstände vorgehen; in Deutschland muss jeder einzeln klagen. "Wir müssen verhindern", fordert Baums, "dass es an der Börse drunter und drüber geht. Nur wenn die Regeln stimmen, gewinnt der Neue Markt wieder das Vertrauen der Anleger."
      Den heutigen Akteuren ist das offenbar völlig schnuppe. Sie haben sich einen lockeren Umgang mit dem Anlegergeld angewöhnt, nur zu gern gönnen sie sich einen Schuss Größenwahn. "Große Summen inspirieren mich", tönte Sunburst-Chef Benjamin Gawlik, 28. Noch wenige Wochen vor dem jetzt beantragten Insolvenzverfahren, der Aktienkurs befand sich bereits im freien Fall, hatte er für die Anleger nur Hohn und Spott übrig: "Letztendlich ist es alles nur ein großes Spiel."
      BEAT BALZLI, ALEXANDER JUNG, ULRICH SCHÄFER


      mfg keniam.
      Avatar
      schrieb am 23.04.01 16:33:53
      Beitrag Nr. 2 ()
      Ist ja schön viel Text!!! Das die Hälfte der Firmen am NM die nächsten 2 Jahre nicht übersteht ist kein Geheimnis!!!

      Der Spiegel hat nunmehr wiederholt bewiesen, daß er die Konkurrenz zu Bild ist!!!
      Avatar
      schrieb am 23.04.01 16:36:05
      Beitrag Nr. 3 ()
      CE MACHT GEWINN
      Avatar
      schrieb am 23.04.01 16:42:39
      Beitrag Nr. 4 ()
      ;)

      Da kann ich dem Spiegel nur zustimmen. Ich würde ab noch weiter gehen und sagen das der NM bis zum Ende des nächsten Jahres abgeschafft wird. Die 3 "guten Unternehmen" am NM können auch in den amtlichen Handel wechseln
      Avatar
      schrieb am 23.04.01 16:50:50
      Beitrag Nr. 5 ()
      aha der Spiegel, is ja schön und recht was die schreiben, aber wer wusste das nicht, was in dem Artikel stand, DANKE lieber SPIEGEL Ihr Beweist es uns immer wieder aufs neue!!

      Trading Spotlight

      Anzeige
      InnoCan Pharma
      0,2170EUR +3,33 %
      Unfassbare Studie – LPT-Therapie bewahrt Patient vor dem Tod!mehr zur Aktie »
      Avatar
      schrieb am 23.04.01 16:52:43
      Beitrag Nr. 6 ()
      jetzt kommt die Insolvenzwelle, damit wird der Index
      auf unter 1000 Pkt. fallen


      mfg a.head
      Avatar
      schrieb am 23.04.01 17:07:39
      Beitrag Nr. 7 ()
      @a.head

      eine Insolvenzwelle dürfte den Index wenig belasten,
      da die potentiellen Pleitekandidaten nur noch eine
      verschwindend geringe Marktkapitalisierung (Ausnahme
      Intershop) haben und damit im Index kaum ins Gewicht
      fallen.


      Beitrag zu dieser Diskussion schreiben


      Zu dieser Diskussion können keine Beiträge mehr verfasst werden, da der letzte Beitrag vor mehr als zwei Jahren verfasst wurde und die Diskussion daraufhin archiviert wurde.
      Bitte wenden Sie sich an feedback@wallstreet-online.de und erfragen Sie die Reaktivierung der Diskussion oder starten Sie
      hier
      eine neue Diskussion.
      DER - SPIEGEL: NEUER - MARKT -- FIRMEN - IN - DER - TODESZONE !!!