checkAd

    [B]HURRA!!! DER NEUE MARKT IST EIN IRRENHAUS ! ! ![/B] - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 16.11.99 19:56:56 von
    neuester Beitrag 31.03.00 20:29:54 von
    Beiträge: 29
    ID: 41.820
    Aufrufe heute: 0
    Gesamt: 1.385
    Aktive User: 0


     Durchsuchen

    Begriffe und/oder Benutzer

     

    Top-Postings

     Ja Nein
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 19:56:56
      Beitrag Nr. 1 ()
      Die meisten fluchen über die teilweise extreme Volatilität am Neuen Markt:

      ICH LIEBE SIE!

      Vorbei die sicheren Zeiten, als der NM aus einer Handvoll von Werten bestand, die aufgrund konstant Nachfließender Liquidität stetig stiegen - das Geld MUSSTE ja irgendwo hin! (war übrigens GENAUSO an der NASDAQ am Anfang der 90er)

      Seit diesem Sommer scheinen sich die Regeln geändert zu haben, liesst man die Postings eines durchschnittlich verlaufenden Tages durch -
      Ich meine, sie sind der Realität etwas näher gerückt, und eröffnen uns einen HAUFEN Neuer Märkte/Chancen.

      TURBOKAPITALISMUS!!!


      Emissionsflut?

      JAAA!!! BITTE!!! GEBT MIR NOCH 200!

      Wieso gibt es denn an der NASDAQ diese (scheinbar) perversen Kursexplosionen (z.B. AOL + 100% in 4 Wochen)?
      Weil das ein EINSPRACHIGER Markt von 280.000.000 Menschen ist.

      Glaubt ihr im ERNST das die Europäischen Gegenstücke zum NM zufällig genauso heißen? (Nouvé Marché / Mercado Nuevo)?
      Findet Ihr es Normal, das wir keine z.B. Französischen oder Britischen Papiere traden, sondern stattdessen unser Geld nach Amerika schicken?

      Leute, dies ist erst der Anfang! Wer jetzt lernt wird nach Y2K profitieren!

      Je mehr Aktien, je mehr Teilnehmer, umso mehr Chancen!

      Jetzt entwickeln sich die Papiere WIRKLICH der realen Geschäftslage bzw. Massenpsychologie entsprechend!
      ENDLICH wird die ZUKUNFT gehandelt!

      In diesem Sinne:

      HAPPY MADNESS!!!

      :)
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 20:18:26
      Beitrag Nr. 2 ()
      Mein lieber Junge!
      Ich glaube, da geht irgendwas mit Dir durch!
      Bevor Du hier im totalen Überschwang vollkommen unreflektierter Gier den "totalen Turbokapitalismus" ausrufst, setze Dich erst mal irgendwo in ein stilles Eckchen, benutze Dein Hirn zu dem, zu dem es da ist - nämlich zum Denken, und male Dir mal aus, wie diese schöne neue Welt, von der Du da träumst, denn wirklich aussehen würde, wenn sie denn käme!
      Als kleine Denkhilfe mögen Dir dabei diverse Ereignisse der jüngeren Geschichte dienen: lies mal was über die Geschichte der Industrialisierung, speziell des Kapitalismus im England des 19. Jahrhunderts("Manchesterkapitalismus";), über die Geschichte der Arbeiterbewegung oder flieg mal in´s heilige Land des, von sämtlichen Hemmungen befreiten Kapitalismus, in die USA, und schau Dir an, wie dort der Überlebenskampf eines Durchschnittsmenschen aussieht, der sein Vermögen nicht hauptsächlich an der Börse macht. Ach was!! Red einfach mit Leuten, die hierzulande im Berufsleben stehen, die können Dir genug über die Auswirkungen des "Turbokapitalismus" erzählen!!
      Wenn ich so ein Gelaber höre, krieg ich Wutanfälle!!
      Trotzdem Grüsse von einem nicht ganz so unkritischen Aktionär!
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 20:22:59
      Beitrag Nr. 3 ()
      Hallo Leuchtbaer

      Klasse Contraposting. Ich stimme dir voll zu !!!!
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 20:24:10
      Beitrag Nr. 4 ()
      Ein Irrenhaus?
      willkommen zu Hause!
      Einer flog über das Kuckucksnest!!!
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 20:32:42
      Beitrag Nr. 5 ()
      Wie sieht denn die Alternative nach Ende des Kalten Krieges, mit Beginn der grenzenlosen Informationsfreiheit aus?

      Weiterhin Börse als Domäne eines oligarchischen Bankerkreises?

      Weiterhin die Totale Verhinderung von Innovationen?

      Europäischer Stillstand, während die Ausgaben für den Sozialstaat uns mit High-Tech-Konkurrenz überholt?

      Kollege, was Ich sagen will ist das der NM sich zu der Wirtschaftsplattplattform entwickelt, auf die Europa die letzten Jahrzehnte gewartet hat, und wir normale Bürger haben die Möglichkeit mitzuverdienen, anstatt nur anderen zuzusehen, wie `damals´, als es nur den Parketthandel gab und die Insider völlig unter sich waren!

      Grüße

      Trading Spotlight

      Anzeige
      JanOne
      3,9700EUR +3,66 %
      JanOne – Smallcap über Nacht mit Milliardentransaktionen!mehr zur Aktie »
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 21:46:15
      Beitrag Nr. 6 ()
      200 Unternehmen, a´ 100 Jobs macht 20.000 Jobs.

      Bei vier Millionen Arbeitslosen brauchen wir dann nur noch 40.000 Neue Unternehmen!

      mfg
      thefarmer
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 21:52:22
      Beitrag Nr. 7 ()
      Die `Schienen´, die u.a. von den NM-Firmen verlegt werden, werden die Welt dahingehend verändern, das neue Berufe in völlig neuen Berufsfeldern entstehen werden!
      Was hat die heutige Berufswelt noch mit der vor 50, 100, 200 Jahren gemein?
      Die haben ja auch die Industrielle Revolution verflucht.

      Jede Firma, von der du Aktien kaufst, macht irgendwo einen Arbeitsplatz kaputt
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 22:40:26
      Beitrag Nr. 8 ()
      Hallo Dateraider, was machen denn die Menschen die diese "neuen Berufe" nicht ausüben können?
      Hast Du mal überlegt was diese ganze schöne neue Welt mit der Gesellschaft anstellen kann? Was Shareholder Value auf kosten von Arbeitsplätzen, verlängerten Arbeitszeiten und Lohnsenkungen (oder Stagnation) für soziale Konsequenzen mit sich bringt.

      Versteh` mich nicht falsch, ich bin kein Gegner des NM und neuen Technologien und Arbeitsweisen aber jede sanfte Revolution braucht seine Zeit. Schau mal was im Namen des Schareholder Value in USA passiert. Die Gewerkschaften werden ausgebootet, die Menschen arbeiten viel mehr für weniger Geld - als Folge brechen die sozialen Strukturen allmählich auseinander und das Ergebnis läßt sich allmählich erahnen. Erziehung und Integration läuft nciht mehr über die Familie weil die Eltern soviel arbeiten müssen und die Schulen oder sonst. Einrichtungen versagen dabei. Es mag jetzt übertrieben klingen aber in gewisser Weise bewegt sich diese Gesellschaft in meinen Augen zurück. Es wird nicht mehr ein nachhaltiges Zusammenleben geplant und praktiziert, sondern auf Kosten der Gemeinschaft die Effektivität des Einzelnen im Berufsleben gesteigert. Dabei boomt die Medienindustrie und die Menschen werden druch alle möglichen oberflächlichen Dinge bei Laune gehalten.

      Die Gefahr liegt auch darin, dass sowas negative Folgen für das pol. System hat. Ein Mensch der vor lauter Arbeit keine Zeit hat nachzudenken, sich zu informieren und sich so eine Meinung zu bilden versagt als Mitglied einer demokratischer Gesellschaft weil er die Grundanforderungen nicht erfüllt.

      Und - auf die Spitze getrieben - ist das eine Gefahr für die Demokratien der Welt. Eine viel akutere und gefährlichere als sämtliche Terroristen und vermeintlichen Krisenherde des Planeten, sie ist nämlich hausgemacht!

      Nur eine Anregung...think about it.

      Grüsse timotei...
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 22:48:39
      Beitrag Nr. 9 ()
      Immer wieder das gleiche Gejammere über den Manchester-Kapitalismus über die angeblichen schlimmen Zeiten der Frühindustrialisierung. Da in Deutschland anscheinend alle von alten 68-er Lehrer aufgeklärt wurden und die Schulbücher keinen Deut besser sind. Will ich hier mal ein bisschen Aufklärung betreiben. Als erstes gehen wir das Thema Manchesterkapitalismus an.

      "Manchesterliberalismus" ist ein regelrechtes Schimpfwort. Allerdings wären die meisten wohl verlegen, auch nur einen Manchesterliberalen beim Namen zu nennen. Noch weniger könnten sie vermutlich erklären, was Manchesterliberale wie Richard Cobden oder John Bright erreichen wollten.
      Richard Cobden wurde 1804 als eines von elf Kindern einer armen Bauerfamilie geboren. Bereits im Alter von 15 Jahren begann er im Geschäft seines Onkels in London zu arbeiten.
      Ende der 1820er, nach Jahren harter Arbeit, versuchte Richard Cobden sein Glück in Manchester. Gemeinsam mit zwei Freunden hatte er sich ein wenig Geld zusammengeborgt und ließ davon Stoffe nach eigenen Mustern bedrucken, um diese auf Kommissionsbasis zu verkaufen. Binnen weniger Jahre florierte das Geschäft, und bis Mitte der 1830er Jahre hatte Cobden es zu einem gewissen Wohlstand gebracht.
      Er wandte sich nun vermehrt politischen Fragen zu. Als unabhängiger Radikaler kandidierte er 1837 für einen Wahlkreis nahe Manchester zum Unterhaus. Mit seinem Programm der Abschaffung der Staatskirche, Freihandel, Abrüstung und Rückzug aus den Kolonien hatte er allerdings keine Chance gegen die Tories.
      In den folgenden Jahren konzentrierte sich Richard Cobden dann auf den Kampf gegen die Getreidezölle (Corn Laws), die das Brot für die armen Leute verteuerten. In Cobdens eigenen Worten:
      "Ich weiß, daß der Hunger durch das Land schreitet und daß Menschen aus Mangel an den elementarsten Lebensbedürfnissen zugrundegehen. Wenn ich dies sehe und mich daran erinnere, daß es ein Gesetz gibt, das besonders dafür sorgt, unsere Bevölkerung in absoluter Not zu halten, kann ich nicht umhin, der Gesetzgebung dieses Landes Mord zuzuschreiben. Und, wo immer ich stehe, ob hier [im Unterhaus, dem Cobden ab 1841 angehörte] oder draußen, ich werde dieses System des gesetzgeberischen Mordes anklagen."
      1838 wurde in Manchester die Anti-Corn Law League gegründet, an der Cobden von Anfang an maßgeblich beteiligt war. Nach einer langen Kampagne fielen 1846 endlich die verhaßten Kornzölle unter dem Eindruck der irischen Hungersnot. Mittlerweile war Richard Cobden, der "Apostel des Freihandels", zu einem der populärsten Männer Englands geworden. Allerdings hatten sein Geschäft und seine Gesundheit unter der jahrelangen, unermüdlichen Agitation gelitten. Aus Dankbarkeit sammelten die Engländer für Cobden 75.000 Pfund, ein Vermögen für damalige Verhältnisse.
      Richard Cobden hatte sich zwar aus taktischen Gründen auf die Abschaffung der Kornzölle konzentriert, aber dabei andere Fragen nicht aus den Augen verloren. Er wandte sich nun insbesondere der Außenpolitik zu. Hier propagierte er das Konzept des "Little-Englandism". England solle seine Kolonien aufgeben und zur "Werkstatt der Welt" werden. Gegenüber anderen Ländern müsse das Prinzip der "Non-Intervention" gelten.
      Aus diesem Geiste heraus wandte Richard Cobden sich gegen den Krimkrieg, was ihn in der allgemeinen Kriegsbegeisterung isolierte. Er half, Friedenskongresse zu organisieren, und geißelte die brutale Kolonialpolitik in Indien und China. Diese entspreche etwa jemandem, der im Gefolge eines Einbrechers in ein Haus eindringe und anbiete, Geschäfte zu machen, während die Bewohner sich noch in ihrem Blut wälzten. An die Stelle einer solchen Politik solle das Prinzip des Freihandels treten, bei dem alle Menschen in Frieden miteinander die Früchte ihrer Arbeit austauschten.
      Richard Cobden starb 1865 wohl als der bedeutendste Politiker seiner Zeit, ohne je ein Regierungsamt innegehabt zu haben.
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 23:05:53
      Beitrag Nr. 10 ()
      Ein geiler Beitrag---WEG MIT DEN 68ern!!!

      Ich liebe Wirtschaftsgeschichte, also herzlich willkommen in meiner Zelle!

      ;)
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 23:20:42
      Beitrag Nr. 11 ()
      Ach ja, zu Timotei:

      In der Tat, eine Anregung:

      Die Gewerkschaften hatten in den USA noch nie was zu sagen. Wir haben einen Engländer bei uns, der uns über die Streiks vor der Bösen Margaret Thatcher erzählt hat - ist auch nicht so witzig Stundenlang auf die Metro in London warten zu müssen, weil den Fahrern irgendwas nicht passt.

      Das mit der Erziehung ist auch interessant, aber:
      Hat die `68´-Erziehung was getaugt?

      NEIN!

      Das `Pädagogisch Wertvolle´ Kartenlegen hat die Generationen nach der 68-Katastrophe vermasselt!

      Zur Gemeinschaft:

      Kannst du dir vorstellen, was für Beziehungsformen, -Netzwerke, ja, u.U. WELTWEITE `FAMILIEN´ mit den Nachfolgern des I-Nets auf z.B. Mobiltelefon-Basis möglich sein werden, z.B. zur Flatrate?

      Ja?

      Tut mir leid, Ich kanns nicht, aber ist das so wichtig?

      Derzeit entwickelt sich alles in eine `gute´ Richtung (Der Kommunismus ist TOT, HURRA!!!), wieseo soll Ich großartig pessimistisch sein?

      Akzeptier den Fortschritt, ist doch insgesamt immer noch besser als mit Feuersteinen zu jagen und Felle zu tragen, oder?

      Lass auch dich überrschen!

      ;)
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 23:27:14
      Beitrag Nr. 12 ()
      Ach ja, und die `oberflächlichen Dinge´ gab es ab dem Moment, in dem Unsere Vorfahren in der Toilette sich nach dem Sch****** den Hintern mit der Hand geputzt haben und zwecks entsorgung "damit" hübsche Figuren an die Wand gemalt haben!

      Jetzt werden wir halt älter als 30 und es gibt jetzt Klopapier und Fernsehen.

      :) :) :)
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 23:32:48
      Beitrag Nr. 13 ()
      Hi!
      Es geht nicht alleine darum, dass irgendwo Arbeitsplätze in Branchen, deren Zeit einfach vorbei ist, durch neue Arbeitsplätze in innovativen Branchen ersetzt werden, was ohne Zweifel für diejenigen, die ihre Arbeitsplätze verlieren, eine bittere Erfahrung darstellt. Dieser Evolutionsprozess, der in einer sozial strukturierten Marktwirtschaft durch soziale Einrichtungen abgefedert abläuft, ist in einer durch Wettbewerb und folglich Innovation geprägten Wirtschaftswelt natürlicherweise unvermeidlich und auf das Ganze betrachtet sogar ausgesprochen gesund, da er Motor des Fortschritts ist und nicht zuletzt deswegen u.a. Arbeitsplätze wegfallen, die hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen nicht mehr tolerierbar sind(monotone Fliessbandarbeit; gesundheitsschädliche Tätigkeiten in Lackierereien, Bergwerken, Stahlwerken, Chemiebetrieben etc.; Belastung durch Lärm, Staub, Schmutz, Gifte etc.)
      Das Problem ist, dass der massive Primat des Shareholder-Value dazu führt, dass die Gewinnmaximierung zur einzig massgeblichen Grösse wird und infolge der Globalisierung und Anpassungskrise das rein marktwirtschaftliche Denken auf die Dauer zu einem Gott erhoben wird, der nicht nur im wirtschaftlichen Bereich das Denken bestimmt, sondern zunehmend in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zur bestimmenden Grösse wird - auch dort, wo er natürlicherweise eigentlich nicht hingehört und nur Schaden anrichten kann (in Kunst , Bildung und Wissenschaft, z.B.).
      Wichtiger aber noch ist, dass die Entwicklung auch dazu führt, dass die Arbeitsbedingungen für diejenigen, die weiterhin Arbeit haben, sich auf der einen Seite zwar verbessern (s.o), auf der anderen gleichzeitig jedoch vielfach auch massiv verschlechtern, da den Arbeitnehmern zunehmend Rechte und Leistungen beschnitten werden, die sie sich zuvor über Jahrhunderte mühsam erkämpft hatten und im Rahmen der Produktivitätssteigerung (vielfach aber schlicht aus zügelloser Profitgier) mittlerweile zum Teil unmenschliche Anforderungen an die Arbeitsleistung gestellt werden.
      Es gehört ja schon fast zur Regel, dass gerade von neu eingestellten Mitarbeitern die Erbringung von Überstunden ohne Ausgleich durch Bezahlung oder Urlaub verlangt wird und derart aus einer 40- ganz schnell eine 50- oder 60-Stundenwoche bei gleichem Gehalt wird.
      Da werden Akkordzahlen rapide nach oben gesetzt oder Fliessbänder noch mal ein bischen schneller gestellt, obwohl die alten Planzahlen schon kaum zu schaffen waren.
      Da fährt plötzlich nur noch ein Fahrer eine Liefertour, wo früher zwei unterwegs waren, darf die ganze Ladung nun alleine abladen, hat aber ausserdem nun aber auch noch weniger Zeit dafür zur Verfügung.
      Es werden nur noch befristete Verträge zu Dumpingkonditionen angeboten, wo es früher eine Daueranstellung gab.
      Tarifvereinbarungen werden dadurch umgangen, dass man sich keiner Tarifgruppe zuordnet und einfach keinen Tarifvertrag unterschreibt. Gewerkschaftsarbeit wird massiv behindert oder ganz unterbunden, u.a. dadurch, dass man Gewerkschafter erst gar nicht einstellt. Die Bildung von Betriebsräten wird behindert oder untersagt etc., etc., etc.
      Von den Chefs, Meistern und Vorarbeitern kommt nur noch Druck, Druck, Druck und der Hinweis, auf die "Industrielle Reservearmee", die draussen auf der Strasse darauf wartet, die freiwerdenden Plätze einzunehmen.
      Vielfach wird die Arbeit an sich dadurch einfach zur reinen Hölle!!!
      Aber die meisten haben - im Gegensatz zu vielen von uns - einfach keine Wahl! - sie müssen da durch!
      Auch wenn bei der Bekanntgabe von Arbeitsmarktdaten die Börsenkurse einbrechen, weil die Zahl der Arbeitslosen niedriger ausgefallen war als erwartet...! Pervers!!!
      Das sind die Momente, in denen ich mich dafür schäme, Aktien zu besitzen!
      Deswegen weigere ich mich auch, Aktien nur danach zu bewerten, ob sie mir in ein paar Wochen maximalen Profit bringen!! Ich sehe mich mittlerweile lieber als Investor, der sich genau anschaut wo er investiert und der an "seinem" Unternehmen Anteil nimmt, indem er sich für die Unternehmenspolitik interessiert und versucht, darauf Einfluss zu nehmen.
      Als Aktionär bin ich Unternehmer, dass ist nach wie vor so! Aber das scheinen sich höchsten 0,1% der hier postenden Zeitgenossen klar zu machen!
      Unternehmer sein bedeutet, dass man Verantwortung innehat und sich dieser auch stellt!!
      Ich stamme selber aus einer Unternehmerfamilie mit einer VERDAMMT langen Tradition, die so ziemlich alle Entwicklungsstufen und Höhen und Tiefen der letzten 100 Jahre durchgemacht hat.
      Ich kenne das alles von vorne bis hinten, bis zum Erbrechen, und ich kann Euch sagen, dass es alles andere als ein Zuckerschlecken ist, selbständig zu sein! Vor allem, wenn man dabei nicht zum Schwein mutieren will!
      Aber das scheint ja in der derzeitigen Wirtschaftswelt nicht mehr möglich zu sein und das Gegenteil fast schon zum guten Ton zu gehören, wenn ich so das Ergebnis aus meinen Beobachtungen ziehe!
      Yeah! Zurück nach Manchester, es lebe die Ausbeutung!
      Daher kann ich so manches an falscher Erwartungshaltung hier in diesem Board ganz und gar nicht nachvollziehen.
      Was es bedeutet, ein Unternehmen über Jahrzehnte zäh und geduldig über alle Schwierigkeiten nach oben zu bringen, machen sich die meisten hier noch nicht einmal im Ansatz klar!
      Der menschliche Faktor wird dabei meistens völlig vergessen!!
      Wie viele von diesen "Rotzlöffeln" und Möchtegernkarrieristen hier, haben jemals für andere Verantwortung übernehmen müssen und hatten dabei Gelegenheit zu begreifen, wie sehr ein Unternehmer letztendlich von seinen Leuten abhängig ist, wie symbiotisch das Verhältnis Arbeitnehmer/Arbeitgeber ist und wieviel psychologischen Feingefühls es bedarf, Interesse an der Arbeit, Verbundenheit mit der Firma und Motivation zu wecken?
      Das sind alles Humanfaktoren, die bei der ganzen banalen Zahlenschieberei, die diese ganzen hippen Betriebswirtschaftler anstellen, nur allzuoft vergessen wird!
      Arbeitsplätze schafft man übrigens nur als Investor und nicht als Zocker - nur um mal diese Alibiargument hier auszuräumen!! Insofern passt Dein letztes Posting so ganz und gar nicht zu Deinem ersten, lieber Dateraider!!
      Gruss!!
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 23:40:51
      Beitrag Nr. 14 ()
      Ob es wichtig ist wie sich die gesellschaftlichen Beziehungen entwickeln werden? Ob es wichtig ist dass es in Zukunft noch stabile Familien gibt? Ob es wichtig ist ob Menschen mit Geborgenheit und Liebe oder im "Chat" aufwachsen?

      Ist das Dein Ernst? Natürlich ist es wichtig, das ist die Basis einer Gesellschaft, besonders der Demokratie. Wenn wir das soziale Leben zugunsten effektiverer Produktionsprozesse beschneiden zerstören wir langfristig die Demokratie und damit den Kapitalismus, denn die Demokratie ist die Basis dafür!

      Sieh es realistisch, es ist eine Gratwanderung! Mit "Juhu-Kapitalismus" haben wir nicht das Non-Plus-Ultra der Menschheit gefunden, er läuft elemtaren Bedürfnissen des Menschen entgegen. Und die Geschichte lehrt uns das eine solche Entwicklung langfristig zu Konflikten führt die in der Regel blutig ablaufen! Ist das Dein Ziel?

      Ok, um es gleich vorneweg zu sagen - ich bin kein Kommunist. Beileibe nicht, ich bin in einem solchen System aufgewachsen und kann, denke ich, die Mängel und Fehler recht gut beurteilen. Die zweite Hälfte meines Lebens habe ich in einem demokratischen System verbracht und habe gelernt wie wichtig persönliche Freiheit für eine Gesellschaft ist. Dein "Juhu-Kapitalismus" beschränkt diese Grundvorraussetzung und zerstört den sozialen Frieden. Und ich will mal sehen was Du mit einem Depotvolumen von 10n Mio DM machst wenn die Welt von Kriegen zerrüttet wird - wenn die Verlierer des Shareholder Value, die "Opfer" der Globalisierung Ihr "Recht zu leben" nachdrücklich einfordern.

      Es geht nicht um ein Kampf der Systeme - 69 gegen die Baby Boomers (oder wie auch immer). Es geht um eine nachhaltig gerechte Entwicklung die eine Gesellschaft geschlossen weiterbingt. Das mein Freund, ist das Geheimnis des europ. Friedens, nicht der Neue Markt. Wir brauchen in Deutschland mehr Freiheit - unternehmerische Freiheit. Wir brauchen weniger Burökratie aber wir brauchen auch ein funktionierendes Sozialsystem! Leistung muss sich lohnen aber nicht mit dem Preis das 50% der Gesellschaft dabei auf der Strecke bleibt. Nicht für den Preis das das allgemeine Bildungsniveau zurückgeht, nicht für den Preis höherer Kriminalität. Wie ich schon sagte, ich bin kein 69`er und auch kein Kommunist. Ich habe beide Seiten gesehen und plädiere für einen vernünftigen Kompromiss. Der Markt regelt nicht alles!

      Ich fürchte die Welt wird diese Erfahrung irgendwann machen müssen und sie wird uns teuer zu stehen kommen - in einer unbezahlbaren Währung!

      Grüsse timotei...
      Avatar
      schrieb am 16.11.99 23:51:22
      Beitrag Nr. 15 ()
      Hallo Leuchtbaer, danke für Dein Posting. Es freut mich dass es noch Menschen gibt bei denen die Vernunft die Gier dominiert!

      Ich schätze das wird noch eine interessante Diskussion. Übrigens, den einzigen "Vorteil" den Zocker der Menschheit bringen ist eine höhere Liquidität an den Börsen. Thats it!

      Grüsse timotei...
      Avatar
      schrieb am 17.11.99 00:03:03
      Beitrag Nr. 16 ()
      und zum Zweiten:

      Derzeit führt Deutschland eine Phantomdebatte über die vermeintliche Abkehr der Wirtschaftspolitik von den Grundideen der Sozialen Marktwirtschaft. Hier scheint eine erstarrte, auf sich selbst fixierte Gesellschaft jeden Maßstab verloren zu haben. Mit einer Staatsquote von 51% ist Deutschland dem Sozialismus näher als der Marktwirtschaft. Der Staat muß sich wieder auf seine eigentlichen Aufgaben konzentieren (etwa in der Außen-, Sicherheits- und Innenpolitik), und sich ansonsten auf die Setzung geeigneter Rahmenbedingungen beschränken. Übertreibungen vergangener Jahre gilt es zu korrigieren. Andere Länder haben dies längst begriffen und ernten inzwischen die Früchte ihrer Anstrengungen.
      In den Niederlanden entstehen pro Jahr 120.000 neue Arbeitsplätze. Die Arbeitslosigkeit ist auf 5,8% zurückgegangen. Entscheidend hierfür war die Lohnpolitik. Der Umbau des niederländischen Sozialsystems erfolgte dabei übrigens im sozialen Konsens zwischen Regierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften.
      Der Erfolg hat überall die gleichen Väter, egal ob in den Niederlanden, Großbritannien, den USA, Neuseeland oder selbst im einstigen “Wohlfahrtsmodell” Schweden: weniger Staat, niedrigere Steuern, realistische Lohnpolitik, flexiblere Arbeitsmärkte. Es wird Zeit, daß auch wir Deutschen endlich aus unserem Dornröschenschlaf erwachen.
      Die von der Regierung vorgeschlagene Steuerreform wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung: niedrigere Steuersätze, weniger Ausnahmen, unter dem Strich eine deutliche Nettoentlastung von 20-30 Mrd. DM. Gerade auch die Unternehmenssteuersätze sind im internationalen Vergleich viel zu hoch. Ein Unternehmen muß in Deutschland über 60% Steuern bezahlen, international üblich sind 30-40%. Bei diesen Rahmenbedingungen erstaunt kaum, daß 1996 nach Deutschland nur ausländische Direktinvestitionen in Höhe von 1,1 Mrd. DM geflossen sind, nach über 18 Mrd. DM in 1995.
      Die Politik darf sich freilich nicht nur auf wünschenswerte Ziele beschränken, wie etwa die Halbierung der Arbeitslosigkeit. Zu oft wird vergessen, daß wer Arbeitsplätze will, erst einmal für Unternehmen und Investitionen sorgen muß. Wer Unternehmer, die im Ausland investieren, als “vaterlandslose Gesellen” an den Pranger stellt, verwechselt Ursache und Wirkung.
      Durch die Globalisierung nimmt der internationale Wettbewerbsdruck immer weiter zu. Kapital ist heute weltweit so flüchtig wie ein Reh. Ein Unternehmen, das nicht auf den Shareholder value achtet und seinen Aktionären damit keine nachhaltig hohe Rendite bietet, kommt schnell in Finanzierungsschwierigkeiten. Damit steht die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel. Wird also der zunehmende globale Wettbewerb zwischen den Unternehmen auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen?
      Da nur ein Unternehmen, das investiert, auch Arbeitskräfte einstellen wird, ist die Sicherung einer langfristig hohen Rendite nicht nur im Interesse der Aktionäre, sondern gerade auch der Beschäftigten. Der oft postulierte Gegensatz zwischen an Gewinnmaximierung interessierten Aktionären und den Interessen der übrigen gesellschaftlichen Gruppen löst sich spätestens auf längere Sicht auf. Ein Unternehmen, das nur auf kurzfristigen Gewinn aus ist, sich auf den Abbau von Personal beschränkt und darüber z.B. Forschungsinvestitionen ver- nachlässigt, verstößt gegen die Interessen aller einschließlich der Aktionäre. Unmittelbar einsichtig sollte daher auch sein, daß der immer wieder postulierte Zusammenhang zwischen Rekorden am deutschen Aktienmarkt und bei der Arbeitslosigkeit ein Musterbeispiel für eine Scheinkorrelation darstellt. Der Rückgang der amerikanischen Arbeitslosigkeit auf 4,8% hätte an der Wall Street nach dieser Theorie schon längst einen Crash auslösen müssen - das Gegenteil ist der Fall.
      Es ist das große Plus der Globalisierung, den Zusammenhang zwischen nachhaltiger Gewinnorientierung, Wachstum und Beschäftigung klar herauszustellen. Der verschärfte Wettbewerb zwischen Unternehmen wie auch Standorten birgt dabei nur für die Zaudernden Risiken. Für diejenigen, die sich den neuen Herausforderungen offensiv stellen, bietet er hingegen ungeahnte Möglichkeiten.
      Avatar
      schrieb am 17.11.99 00:21:04
      Beitrag Nr. 17 ()
      Ok, über die Ziele sind wir uns wohl einig. Die Umsetzung ist der Knackpunkt!

      Dazu nur ein kleiner Ausflug in die Geschichte: Henry Ford zahlte seinen Arbeitern seinerzeit soviel Lohn, dass sie die hergestellten Autos irgendwann auch kaufen konnten. Das war damals ein Skandal und der mit ein Grundstein des Wirtschaftssystems wie wir es heute kennen. Interessanterweise gibt es in den USA Ansätze jetzt den entgegengesetzten Weg zu gehen. Weniger Lohnkosten bringen ja mehr shareholder value.

      Und ironischerweise glauben viele dass eine langfristig daraus resultierende 20:80 Gesellschaft (ist wohl klar welcher Prozentsatz die "Armen" repräsentiert) eine Chance zu überleben hat. Als ob die Geschichtschreibung gar nicht existent wäre.

      Grüsse timotei...
      Avatar
      schrieb am 17.11.99 00:25:46
      Beitrag Nr. 18 ()
      Ich finde eine tolle Diskussion!

      Da war das Mittel (Provokation) zum Zweck (Tiefergehende Diskussion) doch glatt gerechtfertigt, oder?

      Zu Leuchtbaer:

      Freut mich sehr zu sehen das es auch auf dem Neuer Markt Board Leute gibt wie dich die sich Zeit für Beiträge wie die deinigen geben!

      Mein Ziel war es genau so eine Diskussion zu führen, wie Sie derzeit im gange ist: eine Analyse der Gegenwart.

      Da mein Gehirn sich gleich 10 Stunden lang entspannen soll, hoffe Ich, das wir alle gemeinsam diese Diskussion weiterführen können, zu einem späteren Zeitpunkt.
      Werde mir diesen Thread zwecks Erfahrungsgewinn ausdrucken,

      Gute Nacht an alle, die Zeit fließt weiter...
      Avatar
      schrieb am 17.11.99 00:45:59
      Beitrag Nr. 19 ()
      Börse-Kapitalismus?Nein!BÖRSE IST KOMMUNISMUS!
      Eigentum des Proletariats an den Produktionsmitteln.Die Pansionsfonds sind doch erst der Anfang.Bald hat jeder gleiche Anteile an Volksaktien
      (Deutsche Telekom)Denkt das mal konsequent weiter...
      Avatar
      schrieb am 17.11.99 03:43:35
      Beitrag Nr. 20 ()
      Hi netnanny
      dass die Börse Kommunismus ist, möchte ich mal bezweifeln.
      1. Gibt es genug Arbeiter, die grad so ihre Familie über die Runden bringen und kein Geld für so ein risikoreiches (das ist es nämlich auch) Zeugs haben. Es zeugt schon von gewisser Realitätsferne, wenn Du denkst, dass alle am Erfolg mitverdienen.
      2. Zum anderen wird die Börse Unternehmen, die mitarbeiter-umelt-Dritte Welt-freundlich sind an der Börse gnadenlos abgestraft (hierzu zählt zum Beispiel Pfeiffer Vacuum). Es zählt nur der größte Gewinn, nur das interessiert die Börse und es ist ja wohl klar wie der erreicht wird, nämlich ohne Rücksicht auf Verluste.
      Ich hab zwar schon mal was von einer Vereinigung gehört die Aktien nur kaufen, wenn gewisse ethische Prinzipien erfüllt werden, aber es ist klar, dass hier Rendite auf der Strecke bleibt.

      Ergo: Es ist eigentlich völlig klar, daß der entfesselte Kapitalismus der ganzen Welt das Genick bricht und man kann nur hoffen, nicht mehr dabei zu sein.
      Alles andere ist für mich Wunschdenken
      dipsy

      P.S. toller Thread, ich bin echt überrascht, sowas mal zu lesen.
      Avatar
      schrieb am 17.11.99 06:20:07
      Beitrag Nr. 21 ()
      wow, endlich mal nichts von BLUT oder 1000 % zu lesen, dafür eine tiefgreifende diskussion...klasse und weiter so..
      gruss mischa
      Avatar
      schrieb am 17.11.99 12:33:45
      Beitrag Nr. 22 ()
      Hi!
      Hier kommt was ausgesprochen Spannendes in´s Rollen!
      Weiter so!
      Hallo "Freie Zeiten"!
      Dein Beitrag zum Manchesterkapitalismus schreit nach einer korrigierenden Erwiderung!
      Das kann ich so nicht stehen lassen, habe aber im Moment nicht die Zeit, einen längeren Beitrag zu schreiben, da ich mich gerade mit der frühen Neuzeit rumschlagen muss.
      Aber da kommt noch was!
      Grüsse!
      Avatar
      schrieb am 17.11.99 13:42:23
      Beitrag Nr. 23 ()
      Hallo Timo...,

      vorab will ich mich für meinen politisch unkorrekten Beitrag entschuldigen. So ist es doch in Deutschland ein Sakrileg, die Demokratie zu kritisieren. ;) Ich sehe mit einiger Skepsis auf die Demokratie. Denn so, wie das Wort heute verstanden wird, bedeutet Demokratie lediglich eine bestimmte Herrschaftstechnik, d.h. ein bestimmtes Verfahren, nach dem ermittelt wird, auf welche Weise das Eigentum welcher Menschen ungestraft verletzt wird. Ich will aber überhaupt keine ungestrafte Eigentumsverletzung dulden. Es kommt für mich nicht darauf an, wer das Eigentum anderer Menschen verletzt und aus welchen Gründen er das tut. Es spielt auch keine Rolle, ob viele oder wenige Menschen solches Unrecht gutheißen. Aus diesen Gründen kann ich der Demokratie im obigen Sinne wenig abgewinnen.
      Das macht mich den Freunden der Demokratie natürlich verdächtig. Gerade die Deutschen sind heutzutage eifrig bemüht, sich als gute Demokraten zu beweisen. Die meisten unserer Mitbürger denken, "die Nazi-Sache" sei nur schiefgelaufen, weil wir nicht demokratisch genug waren. Der Zusammenbruch der DDR hat diesen Eindruck noch verstärkt. Nach der mittlerweile herrschenden Auffassung ist die DDR nicht gescheitert, weil ihr Organisationsprinzip und ihre Moral von Grund auf falsch waren, sondern weil das Politbüro wie ein Tyrann herrschte. Hätten nur die Massen das Sagen gehabt - es wäre alles zum Guten gekommen!
      Daß diese Auffassung auf die meisten Mitbürger soviel Charme ausübt, ist in gewisser Hinsicht dem Sozialismus zu verdanken. Denn nachdem dieser in allen seinen Varianten gescheitert war, glaubte praktisch niemand mehr, daß Menschen mit Hilfe ihrer Vernunft die "richtige" Gesellschaftsordnung entdecken und umsetzen können. So sehr war es den Sozialisten gelungen, den Rest der Gesellschaft davon zu überzeugen, daß ihre Weltanschauung die Krönung des Rationalismus sei!
      Nun wird also das rationalistische Kind mit dem sozialistischen Badewasser ausgegossen. Wer seine fünf Sinne noch beisammen hat, kann dieser Entwicklung nur wenig abgewinnen. Am Sozialismus ist so ziemlich alles falsch und schlecht - nur eben nicht, daß er rationalistisch ist. Um sich davon zu überzeugen, genügt die einfache Gegenprobe. Wenn tatsächlich niemand im Besitz von absoluten Wahrheiten ist (oder sein kann) - wie steht es dann mit dieser Aussage selbst? Offensichtlich muß selbst ein Erzrelativist zumindest eines absolut behaupten, daß nämlich alles relativ ist. Mit anderen Worten kann es unmöglich bestritten werden, daß es so etwas wie absolute Wahrheiten gibt - auch wenn es schwierig sein sollte, diese zu erkennen. Wie schwierig das ist, dafür bieten die letzten hundert Jahre eine reiche Anschauung. Doch das Scheitern in der Vergangenheit bedeutet natürlich nicht, daß keine bessere Lösung verfügbar wäre. Das wissen insbesondere jene, die sich ohne sozialistische Vorurteile daran machen, die große liberale Tradition weiterzuentwickeln.
      Es führt kein Weg daran vorbei, daß wir unser Leben und unsere Gesellschaft nach bestimmten absoluten Grundsätzen ordnen. Es ist reine Augenwischerei, zu sagen, daß alles relativ ist, wenn man sich in der Tat doch immer entscheiden muß. In jeder Sekunde entscheiden wir nicht nur, was wir tun, sondern gleichzeitig, was wir nicht tun bzw. unterlassen. Wir kommen gewissermaßen gar nicht daran vorbei, in jedem Augenblick aufs Neue nach bestimmten Grundsätzen zu handeln, die dann - zumindest in diesem Augenblick - den Charakter von absoluten Maßstäbe tragen. Folglich hat jeder Mensch, dem am gesellschaftlichen Zusammenleben mit anderen Menschen gelegen ist, ein großes Interesse daran, nur die besten Grundsätze zur Anwendung zu bringen.
      Die skeptische Beurteilung der Demokratie entspringt nun ihrem Zweifel, daß Mehrheitsentscheidungen bzw. Demokratie zu diesem Zweck besonders geeignet sind. Denn letztlich geht es hier um eine Frage der Richtigkeit bzw. Gerechtigkeit. Zum Erhalt jeder Zivilisation muß erkannt werden, was die Grundsätze einer gerechten Gesellschaftsordnung sind. Ob eine Handlung gerecht ist oder nicht, ist aber keine Frage der Mehrheit. Entweder eine Handlung ist gerecht, oder sie ist es nicht. Wenn sie gerecht ist, ändert auch keine Mehrheit etwas daran. Wenn sie ungerecht ist (wie etwa Mord), wird sie auch dadurch nicht gerechter, daß sie von einer Mehrheit gutgeheißen wird.
      Trotzdem ist die Auseinandersetzung mit der demokratischen Regierungsform ein wichtiger Teil der großen kapitalistischen Revolution. Denn von den großen Ideen der Moderne - dem klassischen Liberalismus/Kapitalismus, dem Sozialismus und der Demokratie - hat einzig die Demokratie unser Jahrhundert einigermaßen unbeschadet überstanden. Dieser Erfolg ist jedoch alles andere als verdient. Die Demokratie hat uns ebensowenig vor Hitler geschützt wie sie die Vietnamesen vor der US-Army bewahrte. Sie hat uns weder Frieden noch Gerechtigkeit im Land gebracht, sondern Klassen und Interessengruppen geschaffen, die sich auf Kosten ihrer Mitbürger bereichern.
      Noch herrscht der Mythos, daß Demokratien einander nicht bekriegen, daß die Demokratie ein Grundbestandteil jeder Zivilisation sein muß. Doch es fehlt nicht an Gründen, diese Auffassung zu bezweifeln.
      Von vielen leidenschaftlichen Demokraten wird auf das antike Athen als Vorbild verwiesen. Freie Bürger hielten damals tagaus tagein ihre Beratungen auf dem Marktplatz und stimmten gemeinsam über alles und jeden ab. Dieses Bild läßt die Herzen der heutigen Kommunikationsenthusiasten höher schlagen. Es kann natürlich nur dann jeder "qualifiziert" über alles mitbestimmen, wenn er bestens "über alles informiert" ist. Das ewige Geblubbere in Radio, Fernsehen, Talkshows und Internet ist daher keineswegs ein Selbstzweck. Leider wird dabei übersehen, daß die Infromationsaufnahme und -verarbeitung heute wie damals keineswegs umsonst zu haben ist. Sie setzt voraus, daß einem die Angelegenheit entsprechend wichtig ist, so daß man sich die Zeit zur Teilnahme am multimedialen Gelabere nimmt. Trotz aller "Aufklärung" sind die meisten unserer Mitbürger allerdings nicht zu verstärkter Teilnahme am "öffentlichen Diskurs" zu bewegen. Wahrscheinlich wird sich daran nicht eher etwas ändern, bis wir - wie die Athener - die Sklaverei wieder einführen. Dann entfällt der lästige Broterwerb und wir können uns mehr darum kümmern, unseren Nachbarn per Gesetz auf den Leib zu rücken.
      Vor allem die mit sozialistischen Vorurteilen belasteten Befürworter der Demokratie begehen bei der Beurteilung gemeinschaftlicher Entscheidungen einen grundlegenden Fehler, der auch ihre weiteren Schlußfolgerungen verzerrt. Sie gehen davon aus, daß allen Beteiligten durch abstimmungs- oder verfahrenstechnischen Vorkehrungen der gleiche Einfluß auf diese Entscheidungen verschafft werden kann. In der Tat aber sind solche Formvorschriften für die Entscheidungsfindung weitgehend unerheblich. Solange Menschen in der Gemeinschaft leben, werden einige unter ihnen aufgrund ihrer Persönlichkeit, ihres Charakters, ihrer besonderen Kenntnisse, Fähigkeiten und Errungenschaften - kurzum: aufgrund des Ansehens, das sie bei ihren Mitmenschen genießen - einen hervorragenden Einfluß auf andere ausüben. Der Respekt, der ihnen entgegengebracht wird, steigert ihre Macht bei Entscheidungen der Gemeinschaft weit über die von anderen hinaus.
      Dieser Sachverhalt wird sehr treffend das "eiserne Gesetz der Oligarchie" genannt. Er ist an allen Orten und zu allen Zeiten anzutreffen. Er ist sogar unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Das eiserne Gesetz der Oligarchie wirkte in den vormaligen Ostblockstaaten, genau wie es in westlichen Demokratien zu beobachten ist. Überall bildet sich eine Elite, die das Geschick der jeweiligen Gesellschaft entscheidend prägt.
      Die bloße Einführung der Demokratie führt daher keineswegs zu der erhofften Gleichheit unter den Menschen. Sie begünstigt lediglich eine bestimmte Art der Elite. Das kann am besten veranschaulicht werden, wenn man den Vergleich mit einer rein bürgerlichen Gesellschaft hinzuzieht. Hier gelangen vor allem diejenigen Menschen zu Ansehen und Macht, die ihren Mitmenschen auf irgendeine Weise nützlich sind. Das können etwa besonders begabte Unternehmer sein oder Leute, die stets mit gesundem Rat beiseite stehen, oder auch Persönlichkeiten, die von Idealen nicht nur schwätzen, sondern sichtbar mit gutem Beispiel vorangehen.
      Anders verhält es sich, wo ein Staatsapparat existiert und insbesondere in der Massendemokratie. Hier setzen sich jene an die Spitze, die ein ausgeprägtes Talent dafür haben, sich bei fremden Leuten beliebt zu machen, die ein Gespür dafür haben, bei welchen vorgesetzten Bürokraten und Politikern sie sich am besten einschmeicheln, und die geschickt im Umgang mit dem staatlichen Gewaltapparat sind.
      Selbst dem oberflächlichen Betrachter können die unsinnigen Folgen nicht entgehen, die eine konsequente Umsetzung des demokratischen Gedankens mit sich bringen würde. Das erste Problem ist natürliche, welche Mehrheit das Sagen haben soll. Momentan wird die Demokratie nur innerhalb der Staatsgebiete ausgeübt. Doch solche Grenzen sind dem Gedanken der Demokratie fremd. Ein konsequenter Demokrat kann nur eine Herrschaft der Mehrheit der gesamten Menschheit gelten lassen. Dann aber ist nicht schwer vorauszusehen, daß das Schicksal der europäischen Völker nicht mehr in Paris, London, Brüssel usw. entschieden wird, sondern in Delhi und Peking.
      Es ist zumindest fraglich, ob es das ist, was die meisten Demokratiefreunde im Sinne haben. In der Regel verweisen sie an dieser Stelle auf das ominöse "Selbstbestimmungsrecht der Völker," um den besonderen Umständen Rechnung zu tragen, mit denen nur bestimmte Gruppen konfrontiert sind. Wie jedes andere Volk hätten die Deutschen nun einmal bestimmte Probleme zu bewältigen, an denen nur sie Interesse hätten und für die nur sie die nötigen Kenntnisse mitbrächten. Deshalb hätten die Deutschen auch das Recht, in diesen Fragen ganz allein für sich zu bestimmen. Das ist ein trefflicher Gedanke. Doch warum tauchen besondere Probleme erst bei der - recht großen - Gruppe der Deutschen auf? Warum nicht bereits bei der Gruppe der Berliner? Oder bei den Einwohnern der Meineckestr.? Es wird sich nicht bestreiten lassen, daß jede noch so kleine Gruppe mit besonderen Umständen konfrontiert ist. Jedes Individuum könnte diese Beweisführung zu seinen Gunsten anbringen. Mit anderen Worten führt die folgerichtige Umsetzung des Selbstbestimmungsrechts dazu, daß überhaupt kein Staat mehr existiert, in dem es zu Mehrheitsentscheidungen kommt. Denn immer wenn eine Minderheit sich übergangen fühlt, kann sie sich auf dieses Recht berufen und gesondert abstimmen. Folgerichtig angewendet, ist es daher die Grundlage aller Separatistenbewegungen.
      Die Demokratie ist als Organisationsform jedoch nicht nur in Bezug auf den Kreis der Entscheidungsberechtigten widersprüchlich. Noch schwerwiegender sind ihre Mängel, sobald man sich die Folgen ihrer Entscheidungsgewalt vor Augen führt. In einer echten Demokratie stimmt die Mehrheit über alles ab. Wenn es irgendeinen Bereich des Lebens gäbe, der ihren Anordnungen entzogen bliebe, so würde keine reine Demokratie herrschen. Es müßten dann andere Grundsätze zur Geltung kommen, mit denen wir uns hier nicht zu befassen haben, da einzig die Fähigkeit der Demokratie in Frage steht, als Organsiationsmodell zu dienen.
      Wenn die Mehrheit über alles entscheiden darf, dann kann sie natürlich auch bestimmen, daß die Demokratie abgeschafft und alle Macht einem Diktator überantwortet wird. Gewiß könnte die Mehrheit auch die Abschaffung des Staatsapparates beschließen. Diese Aussicht ist allerdings denkbar gering. Daher beschränken wir uns hier allein auf den Fall der Machtergreifung durch einen Tyrannen. Diese Möglichkeit behagt den Demokratiefreunden ganz und gar nicht. In Deutschland und anderen Ländern haben sie daher darauf geachtet, bestimmte "Sicherungen" gegen die von ihnen sonst so gelobten Mehrheitsentschlüsse in die Verfassung einzubauen. Nichts beweist wahrscheinlich mehr das Vertrauen, das sie selbst in ihre Prinzipien setzen.
      Nichts könnte die Mehrheit auch davon abhalten, die jeweilige Minderheit zu liquidieren. Dieses Verfahren könnte solange betrieben werden, bis nur noch zwei Menschen übrig bleiben. Erst dann entfällt die weitere Schlachterei - aus abstimmungstechnischen Gründen! Auch hier geht es nicht um die Frage, ob ein solches Ereignis wahrscheinlich wäre. Es geht lediglich um die Frage, ob die Verteidiger der Demokratie ernsthaft behaupten wollen, daß solch ein Vorkommnis "gerecht, da von der Mehrheit entschieden" sei. Die Konsequenteren unter ihnen müßten sich zu dieser Ansicht bekennen. Ein weiteres Mal würden sie dadurch zugeben, daß die Demokratie nicht in jedem Fall geeignet ist, eine Zivilisation zu erhalten, geschweige denn zu fördern. (Im übrigen ist es zweifelhaft, ob sie eine Mehrheit hinter sich scharen könnten.)
      Häufig nehmen die Verteidiger der Demokratie für sie wie selbstverständlich in Anspruch, anderen Regierungsformen in jeder Hinsicht überlegen zu sein. Es ist zumindest fraglich, ob man ihnen das zugestehen sollte.
      Zum Beispiel hat die heute vorherrschende Form der parlamentarischen Demokratie gegenüber reinen Monarchien den ausgeprägten Nachteil, daß der Zeithorizont ihrer Entscheidungsträger viel kürzer als bei der Monarchie ist. Für den Monarchen besteht im Gegensatz zu Parlamentariern keine Notwendigkeit, in den nächsten vier Jahren möglichst viel Steuern aus dem Land herauszupressen, um seine eigenen Ziele zu verfolgen. Er kann sich Zeit lassen und die Wirtschaft der Gesellschaft nur so stark belasten, daß ihre zukünftige Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt wird. Durch die geringere Steuerbelastung ergeben sich mithin größere Anreize zur Kapitalakkumulation, wodurch wiederum Produktivität und Einkommen höher sind als in der Demokratie.
      Möglicherweise werden die Demokratiefans darauf antworten: Vielleicht stimmt es, daß die Demokratie in gewissen Belangen anderen Regierungsformen nachhinkt. Doch was bedeutet das anderes, als daß es eben keine vollkommene Regierungsform gibt? Der Demokratie ist immer noch der Vorzug zu geben, denn alles in allem sie ist die am wenigsten schädliche.
      In der Tat glauben ich auch, daß es keine vollkommene Regierungsform gibt. Nur ziehe ich daraus andere Konsequenzen. Ich will nicht die unschädlichste Regierung, weil mir auch dieser Schaden noch zuviel ist. Wie sagen die amerikanischen Libertarians doch:
      Leave me alone!
      Avatar
      schrieb am 17.11.99 15:11:49
      Beitrag Nr. 24 ()
      Oh ja...es lebe die Anarchie!

      Klar, so lange ich reich bin und mir meinen privaten Schutzdienst leisten kann ist das leicht dahergesagt. Aber Du glaubst doch nicht im Ernst, dass Anarchie eine adäquate Basis eines Wirtschaftssystes (abgesehen vom Tauschhandel ;) ) ist. Lassen wir die Menschheit "frei", sie hat ja jahrtausendelang bewiesen dass sie voller Vernunft und willig ist, in Frieden und Prosperität zusammenzuleben. Wozu eine Altersversorgung, soll doch jeder arbeiten und sich von dem Geld einen Fond kaufen und die Sache läuft. Und die es nicht können - naja...der Herr Darvin hat schon ganz richtig gesagt dass nur die "Besten" überleben. Die werden das schon verstehen...


      Ich akzeptiere die Kritik an der Demokratie auch wenn Du sie in einer Form vorbringst die an der Realität vorbeizieht. Mit Begrifflichkeiten und Idealen zu argumentieren mag eine feine intelektuelle Herausforderung darstellen, produktiv ist sie nicht. Die Probleme der "real existierenden Demokratie" liegen auf der Hand, deswegen müssen Lösungen erarbeitet, praktiziert und regelmäßig adaptiert werden. Demokratie ist ein Prozess, eine Entwicklung, nicht eine statische Idee deren Umsetzung ab und an krankt. Und genau darin liegt der Vorteil der Demokratie, sie kann sich anpassen. Es mag zwar langsam sein und in Augen mancher "Turbo-Kapitalisten" ineffektiv aber Veränderungen laufen dadurch in der Regel ab ohne den sozialen Frieden nachhaltig zu gefährdern.

      Ok, das erstmal. Später mehr zu dem Thema,

      Grüsse timotei...
      Avatar
      schrieb am 17.11.99 15:36:11
      Beitrag Nr. 25 ()
      Ich hätte zwar nicht gedacht, dass wir jetzt so tief in die theoretische Materie reingehen, aber ich will versuchen in aller Knappheit die Theorien der Marktwirtschaft auf das Rechtsystem bezogen darzustellen. Der Knackpunkt der Diskussion ist es wohl, um es provokativ zu sagen, dass Gott und Staat miteinander verwechselt werden, bzw. Gott und Staat als eine „höhere“ Instanz in den Augen unserer Mitmenschen. Da Ausnahmen die Regeln bestätigen, schimpfen die Menschen regelmässig auf unseren Staat, die Regierung usw. Kaum aber jemand zweifelt das System als solches an, ausser er wird mit der ganzen Härte von denselben getroffen.
      Ich glaube, dass sich nur wenige der Gefahren bewusst sind, die solch ein Zwangsapparat mit sich bringt. Schließlich wird diese Organisation (Staat) nicht nur mit dem unerlässlichen Schutz des Eigentums betraut. (In diesem Fall würde sie sich nicht von privatwirtschaftlichen Sicherheitsproduzenten unterscheiden.) Ihr wird auch das Vorrecht eingeräumt, das Eigentum der Bürger ungestraft zu verletzen. Zumindest die Finanzierung des Staatsapparates durch Steuern erfolgt unter klarem Bruch dieses Grundrechts, auf dem jede Zivilisation beruht. Es sollte klar sein, dass die dunkelsten Gestalten jeder Gesellschaft von dieser Institution angezogen werden. Ich spreche von jenen Elementen, die darauf aus sind, sich die Güter ihrer Nachbarn zur Not auch mit Gewalt anzueignen. In keiner Gesellschaft wird es möglich sein, Übergriffe solcher Personen ganz zu vermeiden. Nur Entschlossenheit zur Verteidigung des eigenen Hab und Gutes schreckt sie ab. Allein die Sprache der Gewalt verstehen sie. Doch wenn es eine Gruppe von Menschen gibt, die über das fürchterliche Vorrecht verfügt, ungestraft die Grundfeste der Gesellschaft zu verletzen, dann wird den unverbesserlichen genau wie den latenten Kriminellen Tür und Tor geöffnet. Ihre Aufgabe ist nun um ein Vielfaches erleichtert. Sie müssen nicht mehr selber Hand anlegen und anschließend fürchten, in der Öffentlichkeit als das dazustehen, was sie in der Tat sind, nämlich als Verbrecher. Alles, was sie tun müssen, ist irgendwie Einfluß auf die Betätigungen des Staatsapparates zu gewinnen. Andere erledigen dann den schmutzigen Beruf für sie - im Namen des Gesetzes und ohne daß auch nur einer der dabei Beteiligten um seinen Ruf fürchten müßte. Wie ehrbare Leute leben sie unter Menschen, die nicht merken, wer ihnen das Blut aussaugt.
      Wir können uns darauf einigen, dass der Staatsapparat per se missbraucht werden kann. In absehbarer Zeit gibt es keine Möglichkeit, ganz auf ihn zu verzichten.
      Was man der Demokratie zugute halten könnte ist, dass kein Herrscher auf lange Sicht gegen den Willen der Mehrheit regieren kann. Letztere würde sich früher oder später mit einem blutigem Aufstand dem Tyrannen erledigen. Da die Demokratie aber noch über das Werkzeug der Wahlen verfügt, erscheint es als das ideale Werkzeug um einen friedlichen Regierungswechsel herbeizuführen.
      Oberflächlich gesehen, haben die Demokraten zumindest insofern Recht behalten, als es bislang noch in keiner Demokratie zum Aufstand gekommen ist. Ob das daran liegt, daß der Wille der Mehrheit sich stets durchsetzt, muß allerdings zumindest im Fall von parlamentarischen Demokratien bezweifelt werden. Viel wahrscheinlicher ist, daß die meisten unserer Mitbürger infolge der unerhörten Demokratiepropaganda bislang glaubten, daß der Wunsch der Mehrheit herrscht. Durch die Tasachen belehrt, wenden sie sich von dieser Überzeugung nun offensichtlich zunehmend ab.
      Der grundlegende Irrtum auf Seiten der Demokraten in diesem Zusammenhang liegt jedoch woanders. Er liegt in der Auffassung, die sie von einem staatlich gesicherten Frieden haben. Zwar stimmt es, daß der Frieden der Vater aller Dinge ist. Doch es ist ein Irrglaube, daß eine überlegene Waffengewalt der Mehrheit allein bereits für Frieden sorgt. Solange es Ausbeutung gibt, kann es keinen Frieden geben, sondern nur ein Stillhalten, bis sich die Gelegenheit zum Gegenschlag ergibt. Nur eine Handhabung der Waffen zum Schutz des Eigentums hat daher Aussicht, wirklich Frieden herbeizuführen. Wenn aber die Gewalt gegen das Eigentum selbst gerichtet wird, geschieht Unrecht, und Unrecht wird auch dadurch nicht zu Recht, daß eine Mehrheit sich seiner schuldig macht.
      Es ist offensichtlich, daß die Produktion von Brot und Kleidung nicht minder wichtig ist, als die von Sicherheit. Wenn man zugesteht, daß der Staat für letztere verantwortlich ist, wie will man seinen Vertretern dann den Anspruch ausreden, auch für erstere zuständig zu sein? In der Tat hat kein Staatsgebilde dieser Versuchung lange widerstehen können. Heute wie schon in der Antike hat sich ein wuchernder Wohlfahrtsstaat herausgebildet, an dem wir genauso zugrunde gehen werden wie einst das römische Reich - wenn wir uns nicht rechtzeitig eines Besseren besinnnen.
      Avatar
      schrieb am 17.11.99 22:32:05
      Beitrag Nr. 26 ()
      Solange es Ausbeutung gibt, kann es keinen Frieden geben, sondern nur ein Stillhalten, bis sich die Gelegenheit zum Gegenschlag ergibt

      Nichts für Ungut aber Deine Aussage impliziert doch im Gesamtkontext, dass der "totale Kapitalismus" eben dieses Problem nicht mit sich bringen wird. Nun möchte ich doch aber kurz anmerken dass es - betrachten wir nur die "Heimat" dieser Idee - in den USA zunehmend Arbeitsverhältnisse gibt die in meinen Augen durchaus als Ausbeutung bezeichnet werden können. Wollen wir nun den Teufel mit dem Beelzebub austreiben oder noch schlimmer?
      Es ist mir nicht ganz klar wie man gegen Ausbeutung und gleichzeitig für ein System sprechen kann, das eben diese Ausbeutung als eines seiner Hauptmerkmale in sich trägt.

      Grüsse timotei...
      Avatar
      schrieb am 17.11.99 23:55:11
      Beitrag Nr. 27 ()
      Und noch ganz kurz, die Antwort auf Deine Befürchtungen dass sich der Staat langfristig alle "Produktionstätten" von Grundbedürfnissen unter den Nagel reisst heisst Kartellrecht. Freier Wettbewerb um die Grundbedürfnisse findet nach und nach statt (Telekom-Markt, Strommarkt, Post, Bahn...) - diese einzige Einschränkung (Kartellbehörde) liegt darin begründet, dass es vernünftigerweise nicht im Sinne der Bevölkerung sein kann wenn z.B. die gesamte Versorgung mit Nahrungsmitteln in einer - nicht staatlichen - Hand liegt, die Gefahr einer Erpressung z.B. wäre zu hoch.


      Und was einen der Hauptkritikpunkte angeht: Viel wahrscheinlicher ist, dass die meisten unserer Mitbürger infolge der unerhörten Demokratiepropaganda bislang glaubten, daß der Wunsch der Mehrheit herrscht.

      so ist das eine extrem idealistisch gefärbte Ansicht. Ich teile diese Meinung nicht und halte sie für völlig übertrieben. Allerdings gibt es von Anhänger des sog. "Turbo Kapitalismus" Ideen die darauf hinauslaufen eben diese Illusion in Zukunft zu erzeugen um die Heerscharen der Opfer der Globalisierung "ruhig zu stellen". Wohlgemerkt, diese Worte stammen nicht von mir - sie erinnern mich aber stark an Zustände die von Menschen mit starken Idealen und realitätsfremden Ideen, als "Opium für das Volk" bezeichnet wurden.

      Grüsse timotei...
      Avatar
      schrieb am 31.03.00 20:29:54
      Beitrag Nr. 28 ()
      Leuchtbaer, die Erwiderung auf den Manchester-Kapitalismus-Artikel wuerde ich gerne noch lesen!

      Mit besten Gruessen,

      tosse
      Avatar
      schrieb am 31.03.00 20:33:06
      !
      Dieser Beitrag wurde vom System automatisch gesperrt. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an feedback@wallstreet-online.de


      Beitrag zu dieser Diskussion schreiben


      Zu dieser Diskussion können keine Beiträge mehr verfasst werden, da der letzte Beitrag vor mehr als zwei Jahren verfasst wurde und die Diskussion daraufhin archiviert wurde.
      Bitte wenden Sie sich an feedback@wallstreet-online.de und erfragen Sie die Reaktivierung der Diskussion oder starten Sie
      hier
      eine neue Diskussion.
      [B]HURRA!!! DER NEUE MARKT IST EIN IRRENHAUS ! ! ![/B]