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    I love Berlin - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 10.11.99 00:07:43 von
    neuester Beitrag 04.07.03 22:27:57 von
    Beiträge: 23
    ID: 2.088
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      schrieb am 10.11.99 00:07:43
      Beitrag Nr. 1 ()
      Hi Leute,

      wahrscheinlich gehöre ich zu den wenigen hier am board, der Tränen in den Augen stehen, wenn sie vom Fall der Mauer die vielen Berichte sieht, die heute und in den letzten Tagen ausgestrahlt werden und wurden.

      Am 8.11.89 - ich war knapp ein Jahr verheiratet und mein Mann lebte noch woanders - hat er mich in Berlin besucht und wir sind Essen gegangen. "Lecker" Chinesisch - direkt gegenüber vom EuropaCenter. Auf einmal wurde die Tauentzienstraße immer voller. Lauter Menschen mit Jeans-Hosen und Jeans-Jacken.
      Wat´n hier los, dachten wir? Schon wieder ´ne Demonstration? Dieses Mal von der Levis-Fraktion?

      Ehrlich, wir haben´s nicht fassen können. Die Straßen wurden immer voller und voller. Wir nach Hause und erstmal Glotze angestellt.

      Es war so unfaßbar.

      Das Leben veränderte sich in Berlin. Zunächst einmal haben die Westdeutschen den ehemaligen Osten wirtschaftlich als Selbstbedienungsladen aufgefaßt, die Euphorie stieg zunächst, bevor die berechtigte (von allen Seiten aus betrachtet) Ernüchterung einzog.

      Die Immobilienpreise stiegen, um kurze Zeit später wie ein Stein herunterzufallen (das sage ich nur, weil wir Makler sind/waren - wie auch immer...).

      Die Mauer war gefallen, die Menschen umarmten sich, um kurze Zeit später teilweise wieder böse Ressentiments aufzubauen.

      Aber es hat sich gelohnt, sich für Demokratie und Freiheit einzusetzen.
      Meine Hochachtung den mutigen, für die Freiheit kämpfenden Menschen der ehemaligen DDR.

      I love Berlin (trotz des vielen Verkehrs und der Stau`s), V.

      Und ich sage außerdem einfach: Danke.

      Grüße aus Berlin
      :)
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 00:45:42
      Beitrag Nr. 2 ()
      Berlin ist imme eine Reise wert und ich stimme Dir zu, Vagabundin, daß Berlin einfach "geil" ist.

      Gruß olcapri, der auch schon öfters da war.
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 00:49:17
      Beitrag Nr. 3 ()
      Jau, Berlin is echt in Ordnung.
      Habe die Möglichkeit gehabt Berlin vor der Öffnung und danach zu erleben.
      Die Faszination ist geblieben.

      Gruß
      Pulpman
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 02:32:07
      Beitrag Nr. 4 ()
      Ich kann der positiven meinung zu Berlin nur zustimmen,mir gefällt es dort ebenfalls sehr gut.:)

      Ich erinnere mich aber,als an Bahngrenzübergängen wie Bebra damals die Züge aus dem Osten ankamen,es haben sich dort Szenen abgespielt,die man wohl so schnell nicht vergessen wird.Ich bin damals extra aus dem Ruhrgebiet zu den Grenzen gefahren,um das ganze etwas zu beobachten.

      Wir sollten alle dankbar sin,daß dieser dunkele Teil deutscher Geschichte ein Ende genommen hat.Ich bin froh,daß die deutsche Einheit wieder vollzogen wurde,auch wenn dadurch große Belastungen entstanden sind.

      Einigkeigkeit,Recht und Freiheit für das wiedervereinte Deutschland.Ich hoffe,daß es immer so bleiben wird.


      Grüße
      Lokomotive
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 02:58:17
      Beitrag Nr. 5 ()
      ich habe zwei Brüder in Berlin
      und ich habe es so auch intensiv verfolgt
      gut, daß wir die geogarphische, politische Einheit wieder haben

      Brüder und Schwestern (wie es immer pathetisch hieß;) in der ehemaligen DDR habe ich nicht: dort wohnen Menschen, gute und andere, friedliche und andere, Menschen die mir näher stehen und andere, so wie auch im Westteil

      ich hoffe, daß die Einheit dahin führt, daß der Mensch nach seiner selbst und nicht danach beurteilt wird, in welchem teil des Landes er wohnt.

      nette grüße
      laotzu

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      Avatar
      schrieb am 10.11.99 10:47:15
      Beitrag Nr. 6 ()
      Guten Morgen !!

      Leider habe ich gestern von diesem Thread nichts mitbekommen!

      Ich wäre froh wenn noch mehr Leute wie Ihr denken würden. Gebürtig bin ich aus dem sogenannten " Dunkeldeutschland" lebe und arbeite aber schon seit Jahren an der Küste.
      Oft höre ich Leute (meißtens die noch nie dort waren bzw.niemanden von dort kennen) über die Zeit vor dem Mauerfall reden. Alle haben scheinbar in "Saus und Braus" und im totalen Wohlstand gelebt. Bis der böse OSSI
      kam.

      Aber Wehmut nützt allen nichts. Ich kann auch die nicht verstehen, die ständig nur jammern. Da nehmen sich alle nichts ob OST oder WEST(wenn ich das mal so ausdrücken darf).Keinem flogen die gebratenen Tauben vor dem Mauerfall und auch niemandem danach in den Mund.

      Ich liebe meine Freunde aus dem Osten und ich habe genauso liebe Freunde hier gefunden. Ganz einfach ich bin inzwischen ein "WOSSI"

      Aber was mich immer noch tierisch aufregt ist der Satz " Man merkt gar nicht, daß Du aus dem Osten kommst!"
      "Ja woher denn auch? Selbst wir haben schon mit Messer und Gabel gegessen!"
      Mehr fällt mir zu solchen Bemerkungen nicht ein.

      Es grüßt eine sich bei Euch sehr wohlfühlende PA

      Privat PS: Auch der WESTMann gefällt mir besser!!!
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 12:58:52
      Beitrag Nr. 7 ()
      Vagabundin,
      machst Du Threadspringen?
      Habe Dir im ProMailerthread geantwortet. Hier löst es sich also auf.
      Du bist ne waschechte??!!
      Dann kennen wir uns bestimmt ;)
      Liebe Grüße
      MM

      Hallo Panino,
      schön zu lesen :)
      Übereinstimmende Grüße eines Ex-berliner Zugereistennordlichts
      MM
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 13:52:06
      Beitrag Nr. 8 ()
      Liebe Vagabundin,

      beim Lesen Deiner Zeilen bekam ich eine Gänsehaut. Erinnerung an meine Empfindungen damals ... Ich bin unmittelbar an der Grenze aufgewachsen, in Helmstedt - erinnere mich noch gut an die Zeit VOR dem Mauerbau ... und an die danach. Es geht mir ganz ähnlich wie Dir - ich bin froh (und dankbar), daß es ist wie es ist - und ich wehre mich entschieden gegen eine Differenzierung Ossi/Wessi! Für mich gibt es nur Deutsche :D:D:D

      Liebe Grüße

      Dummi
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 17:03:54
      Beitrag Nr. 9 ()
      Hi Dummi,
      Helmstedt? - Ach deshalb hast Du mal in dem grauenhaften Wolfsburg gearbeitet...;)

      Sag´mal panino, Ihr habt taaaaaatsächlich schon mit Messer und Gabel gegessen? Aber das Besteck war doch bestimmt aus Plaste???:D:D;)
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 17:23:58
      Beitrag Nr. 10 ()
      Ja Vagabundin - Helmstedt! Ein ziemlich verschlafenes Städtchen. Gearbeitet habe ich auch in Braunschweig (brrrrrrr) und Königslutter (niedlich) .... von da nach Hamburg - das war mörderisch! Am meisten hat mich der Straßenverkehr beeindruckt .... und der Kiez ;););)
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 17:29:20
      Beitrag Nr. 11 ()
      Königslutter - da war ich ums Abi herum häufig. In der Nähe vom Bahnhof
      hatten die Eltern von nem Kumpel einen Stall als Ferienhaus ausgebaut. Schöne Zeit gewesen.
      Ich weiß ja nicht, warum Du nicht mehr mit mir sprichst, Dummi, aber ich finde es auf jeden Fall nicht richtig :(
      Beleidigte Grüße MM
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 18:10:15
      Beitrag Nr. 12 ()
      Hääää???????? Habe ich irgendwas verpennt????? Wieso spreche ich nicht mehr mit Dir? MM, Du träumst ;)

      völlichmißverstandengrüßt

      Dummi
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 18:34:50
      Beitrag Nr. 13 ()
      Hei Dummi ;)
      Jedenfalls meidest Du den Thread "Jugendstrafvollzug". Fakt.?????
      Brummige Grüße (aber nicht
      übellaunig ;)
      MM
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 18:49:55
      Beitrag Nr. 14 ()
      :) ...und eine besonders liebevolle Einladung für die BERLIN-Fans :)

      Das 2. Berliner WO-Board-Treffen
      findet am 20.11.1999 (Sa.)
      im Caffee Bilderbuch(CaBiBu)
      in der Akazienstrasse (Berlin-Schöneberg) statt.

      Bitte meldet Euch im Thread
      http://ws3.webfactory.de/board2/postings.php3?thread=42414&a…
      damit Midas für ausreichend Plätze sorgen kann !

      -curious-
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 19:46:24
      Beitrag Nr. 15 ()
      MM, ich habe meine Gedanken und Ansichten dazu gesagt - zwischen Theorie und Praxis liegen manchmal Welten ... ich habe ein wenig Praxis. Darüber kann ich mir ein Urteil erlauben - und habe es getan. Mehr möchte ich dazu einfach nicht sagen - das hat nichts "Persönliches" auf sich.

      Liebe Grüße

      Dummi
      Avatar
      schrieb am 10.11.99 21:02:30
      Beitrag Nr. 16 ()
      O.K. Dummi :)
      akzeptiere ich natürlich schweren Herzens, obwohl ja noch ein paar Aspekte dazugekommen sind ;)
      Grüße vom
      ebenfallseinwenigpraxishabenden
      MM :)
      Avatar
      schrieb am 25.06.03 16:18:29
      Beitrag Nr. 17 ()
      I love Berlin

      Icke och
      Avatar
      schrieb am 25.06.03 16:46:05
      Beitrag Nr. 18 ()
      Berlin ist pleite - Berlin lebt


      Diese Stadt ist eine Zumutung. Ihre Straßen sind kaputt, ihre Schulen schlecht. Es riecht nach Hundekacke. Das Schwimmbad an der Ecke haben sie dichtgemacht, weil für so was schon lange kein Geld mehr da ist. Bei der Fahrt durch die selbst ernannte Metropole: hektargroße Industriebrachen, die still in der Frühsommersonne liegen. Ganze Hochhausblöcke - menschenleer. Überall Zeichen des Niedergangs, als sei diese Hauptstadt von einer seltsamen, leprösen Schwindsucht befallen.

      An vielen Stellen einfach nur grandiose Leere: kein Blumenbeet, kein Spielplatz und kein Geschäft. Nichts. Nur Leere und Hundekacke und "Siggis Bierschwemme". An solchen Plätzen kann man schon ins Grübeln kommen: Ist das hier noch Berlin? Oder ist das schon Bukarest?

      Dann wieder kleine heile Welten. Man kann am Gendarmenmarkt sitzen und Bier trinken und sich langsam wegträumen, nach Italien vielleicht - bis die resolute Kellnerin die Rechnung eintreibt: "Ham Se `s nich` kleiner? Dit is` hier keene Wechselstube!" Dann weiß man wieder: Das hier ist Berlin, unverwechselbar.


      Berlin hat die höchsten Einnahmen aller Bundesländer
      "Beware of the schnauze", warnt der "Economist" englischsprachige Touristen, die eine Reise in Deutschlands Hauptstadt planen. Sie kommen trotzdem. Elf Millionen Hotelübernachtungen zählten die Statistiker vergangenes Jahr in Berlin - mehr als in Hamburg oder München. Alle kommen. Trotz Schnauze und Hundekacke.

      Was, um Himmels willen, ist das für eine Stadt? Thilo Sarrazin, der Finanzsenator, würde sagen: das Armenhaus Deutschlands. Ein Sanierungsfall, reif für den Konkurs: 312.000 Arbeitslose, defizitäre Opern und Krankenhäuser, dazu das Geldgrab der landeseigenen Bankgesellschaft. 50 Milliarden Euro Schulden. Sarrazin ist Volkswirt, er zieht mit einem kleinen Aktenköfferchen durch Volkshochschulen und Handwerkskammern und schildert den Ernst der Lage. "Berlin ist pleite", sagt Sarrazin, wenn er sein Köfferchen abgestellt hat. "Da braucht man nicht mal mehr nen Dreisatz zu." Von einem Steuer-Euro, den der Senator einnimmt, gehen 28 Cent direkt an die Banken, für Zinsen und Zinseszinsen. Er hat ja schon einiges erlebt, sagt Sarrazin, vorher war er immerhin Staatssekretär für Finanzen in Rheinland-Pfalz und sogar im Vorstand der Deutschen Bahn. Aber das hier ist neu.

      Warum wird in Berlin jede Opernkarte mit 160 Euro bezuschusst, in München dagegen nur mit 100? Warum zahlt eine Familie mit einem Monatseinkommen von 2.900 Euro in Hamburg 364,14 Euro Kita-Gebühren, in Berlin aber nur 122,71? Die Berliner glauben, dass ihre Stadt arm dran ist, aber das stimmt nicht. Berlin nimmt dank üppiger Bundes- und Landeshilfen pro Kopf 5.213 Euro ein - mehr als das reiche Hamburg oder das auch nicht arme Bayern. Die Hauptstadt hat die höchsten Einnahmen aller Bundesländer.

      Berlin: "Potemkinsche Hauptstadt ohne Substanz"

      Aber sie lebt über ihre Verhältnisse - oder, um mit Sarrazin zu reden: "Die Einnahmen kümmern sich nicht um die Ausgaben, und das schon seit Jahren." Im Vergleich zu Berlin sei "der Staatshaushalt von Argentinien solide finanziert". Kein Mensch weiß, wie Deutschlands Hauptstadt jemals aus dieser Schuldenfalle herauskommen kann. Der Bundesfinanzminister hat kein Geld und ließ Berlin kühl abblitzen. Jetzt zieht die Stadt vors Bundesverfassungsgericht, um Hilfen einzuklagen, was Hans Eichel ganz recht ist. Bei einem positiven Bescheid müssen wenigstens auch die Bundesländer zahlen. Ähnlich dem Solidaritätszuschlag für den Osten werden wir wohl bald einen Extra-Beitrag abdrücken müssen, um Berlin zu entschulden - rein rechnerisch jeder Deutsche 608 Euro. Fast 60 Jahre nach dem Krieg ein neues "Notopfer Berlin". Unglaublich.

      Ausgerechnet Berlin. Was haben sie uns nicht alles erzählt nach dem Fall der Mauer, all die Investoren, Stadtplaner und Metropolenträumer: Olympiastadt Berlin, Boomtown, fünf Millionen Einwohner, "Drehscheibe zwischen Ost und West", "größte Industriestadt zwischen Atlantik und Ural". Ganz dickes Ding.

      Aber nichts davon ist wahr geworden. Zwar glitzert inzwischen der Potsdamer Platz in seiner ganzen synthetischen Architektenseligkeit. Reichstag und Brandenburger Tor sind hauptstadttauglich herausgeputzt, und in der Friedrichstraße tummeln sich die Spesenritter. Doch das ist Kulissenzauber: Die Stadt hat seit 1995 kein Wirtschaftswachstum mehr hervorgebracht, seit dem Fall der Mauer sind 300.000 Industriearbeitsplätze weggefallen. Bissig kürte die "Frankfurter Allgemeine" Berlin zur "Potemkinschen Hauptstadt ohne Substanz". Der Wirtschaftswissenschaftler Meinhard Miegel findet, die Stadt liege "sowieso am falschen Ort, zu weit östlich im märkischen Sand, umgeben von armen Dörfern".

      Mit Kürzungsorgien spart Sarrazin

      Tatsächlich ist das Berlin, von dem die Wirtschaftsförderer seit Jahren träumen, die dynamische Dienstleistungsmetropole mit mulitkulturellem Anstrich, Fantasterei geblieben. Boomtown Berlin? Eine Million Quadratmeter Gewerbefläche steht leer, 100.000 Wohnungen sind nicht vermietet. Und von wegen "Ost-West-Drehscheibe": Baden-Württemberg treibt mit Polen mehr Außenhandel als Berlin.

      Am Ende ist aber auch das verfettete Berlin der Nachwendezeit, jene unnachahmliche Mischung aus westdeutscher Parteibuchwirtschaft und ostdeutscher Subventionsmentalität, in der bräsige CDU-Kiezkönige vom Schlage eines Peter Landowsky die Stadt fröhlich ruinieren konnten. So sehr hatte sich die staatliche (Parteibuch-)Wirtschaft in dieser Stadt breit gemacht, bis hin zu landeseigenen Bauernhöfen und einer staatlichen Porzellanmanufaktur, dass sogar der gelernte DDR-Bürger Gregor Gysi staunte, als er das Amt des Wirtschaftssenators übernahm. "Wohin ich meinen Fuß auch setzte", erinnert sich Gysi, "ich setzte ihn auf Volkseigentum."

      Mit Kürzungsorgien spart Sarrazin, der Konkursverwalter, den sich jetzt gigantisch auftürmenden Schuldenbergen hinterher - für Berlin eine neue Erfahrung. Neun Schwimmbäder wurden schon zugemacht, einen der beiden Zoos würde der Finanzsenator am liebsten auch sofort schließen. Sarrazin steigt aus der Förderung für den sozialen Wohnungsbau aus, Eltern sollen künftig die Schulbücher ihrer Kinder mitbezahlen.

      "Sollen sie doch streiken"

      Überflüssige Angestellte im öffentlichen Dienst werden in "Stellenpools" zusammengefasst und müssen künftig Kindergärten renovieren oder die Mülltrennung überwachen. Zwar drohen die Funktionäre von Verdi schon mit Streik, doch Sarrazin bleibt cool. "Sollen sie doch streiken. Wenn Busfahrer und Lehrer streiken, muss ich sie nicht bezahlen. Dann spare ich noch mehr." Sogar auf die Unis geht der Mann los. Von 2006 an will Sarrazin den Berliner Hochschulen die Landeszuschüsse um 20 Prozent kürzen - das wären 250 Millionen Euro im Jahr. Schon droht die Humboldt-Universität mit einem Aufnahmestopp für Studienanfänger vom Wintersemester an.

      Mit der kühlen Leidenschaft eines Käfersammlers beugt sich Sarrazin über dieses kaputte, überschuldete Gemeinwesen. Er pikst ab und zu in den Käfer und guckt nach: Krabbelt er noch? Und stellt dann jedes Mal fest: Ja, er krabbelt noch.

      Ganz zu Anfang seiner Zeit in Berlin stand Sarrazin mit einer Autopanne an der Siegessäule. In der Nähe hockten zwei Polizisten im Streifenwagen und kauten auf Wurststullen. Der Herr Senator bat um Hilfe, aber die Beamten erklärten sich für nicht zuständig und kauten weiter. "Was für eine Stadt", sagte sich Sarrazin. "Schier unglaublich!" Irgendwann in dieser Zeit kaufte er ein Haus in Charlottenburg und holte seine Frau nach Berlin.

      Hauptstadt der Verkehrsberuhigung

      Manchmal möchte er einfach nur weg, dahin, wo die Menschen besser gekleidet und die Grünanlagen gepflegter sind. Aber dann bleibt er doch. Wahrscheinlich ist der Mann mit dem Aktenköfferchen der Faszination seines morbiden Gegenstandes längst erlegen. Wahrscheinlich ist es sogar so, dass er dieses Berlin inzwischen ziemlich liebt.

      Natürlich marschiert Verdi, natürlich demonstrieren Studenten und Krankenschwestern, aber immer öfter staunt auch Sarrazin: Denn hinter den abgestandenen Protestritualen zeigt diese schrundige, abgelebte Stadt gerade jetzt ungeahnte, fast schon subversive Vitalität.

      Edel sanierte Ladenflächen stehen leer. Also werden sie zum Billigpreis an junge Maler vermietet, die ihre Bilder ausstellen können, bis sich jemand findet, der mehr zahlt - was dauern kann. Für die Reparatur der Straßen fehlt das Geld - Schlaglochpisten werden von Amts wegen zu Tempo-30-Zonen erklärt, was Berlin bald zur Hauptstadt der Verkehrsberuhigung machen könnte, aber ganzen Wohnquartieren auch neues Straßenleben einhaucht. Sogar die allgegenwärtige Bürokratie, die die Stadt bis vor kurzem fest im Würgegriff hatte, kapituliert. Angesichts von Stellenstreichungen und Kürzungsplänen haben die Beamten andere Sorgen und lassen immer öfter Leine. Zwar gibt es noch Fälle von kafkaesker Absurdität wie der einer Charlottenburger Buchhändlerin. Die arme Frau wollte nur ein einfaches Schild an ihrem Laden anbringen und musste dafür einen Lageplan, zwei Bauzeichnungen und eine Baubeschreibung einreichen, dazu noch Unterschriften im Original vom Grundstückseigentümer, Bauherrn und Entwurfsverfasser sowie eine Vollmacht.

      Berlin macht Schwächen zu Stärken

      Doch andererseits schießen derzeit überall in Berlin "Freizeitheime" aus dem Boden, in denen junges Volk fröhliche Partys feiert. Die Bars firmieren als "eingetragener Verein" und brauchen daher keine Gaststättenkonzession. Unter dem Siegel der Gemeinnützigkeit verdienen viele inzwischen gutes Geld damit. Irgendwie nicht ganz legal - aber die behördlichen Aufseher gucken systematisch weg.

      Ein seltsames Sozialexperiment ist im Gange in Deutschlands Hauptstadt, geboren aus der Not: Der Obrigkeitsstaat kollabiert und eröffnet ungeahnte Freiheiten. Sogar der "Wurstmaxe" im Stadtteil Wedding schöpft jetzt neue Hoffnung. Jahrelang traktierten die Behörden den Imbissbudenbesitzer, weil sein Stand 80 Zentimeter zu weit auf den Gehweg ragte, was niemanden störte, aber gegen die Vorschriften war. Jetzt will man "Wurstmaxe" endlich gewähren lassen - gegen Zahlung einer kleinen Gebühr, so viel Ordnung muss dann doch noch sein.

      Merkwürdige Stadt, steht einfach auf und macht Schwächen zu Stärken. Sogar die jahrzehntelange Misswirtschaft bei der staatlichen Wohnungsbauförderung wird zum Plus. Es gibt viel zu viel und deshalb billigen Wohnraum. Deshalb können sich junge Leute Berlin leisten - sie kommen in Massen. Eine halbe Million Menschen zogen seit 1989 in die Stadt, die meisten davon jung, flexibel, neugierig und abenteuerlustig. 40 Prozent aller Berliner sind unter 35. Viele von ihnen kommen, weil man sie hier in Ruhe lässt und nicht mit umfassender Staatsbegleitung betüdelt. "Jeder Berliner macht sich seine Stadt selbst", erkannte schon vor Jahren der Schriftsteller Sten Nadolny.

      "Hier ist der Ort, wo was passiert"

      Groß einmischen kann sich die Politik ohnehin nicht mehr. Vorbei die Zeit, als der Senat noch überlegte, angesichts des abflauenden Techno-Booms legendäre Clubs wie das "E-Werk" mit Staatsknete durchzufüttern. Ein subventioniertes Reservat jugendlicher Subkultur? Das kann sich Berlin nicht mehr leisten. Das "E-Werk" ist dicht. Ungelenk und lächerlich wirken auch alle Versuche städtischer Tourismusförderer, der Szene hinterherzuhecheln und etwa die überständige Love-Parade am Leben zu erhalten. Da tanzt nur noch die Jugend aus Herford oder Suhl - Berlin tanzt anderswo.

      Eine neue Chance tut sich auf - ungeordnete Verhältnisse mitten in Deutschland. Keiner der jungen Modedesigner, Nachwuchsarchitekten, Plattenaufleger und Szene-Haarschneider, die hier ihre Nische suchen, erwartet mehr etwas von der öffentlichen Hand. Es macht sich eine illusionslose, fast schon italienisch anmutende Entflechtung zwischen Staat und jungen Kreativen breit. Man lebt in Parallelwelten - und Thilo Sarrazin stellt sich schon die Frage: "Gibt es überhaupt ein Gemeinwesen, das jemals visionär gesteuert wurde?" Selbstbescheidung - das ist neu für die Politik, gerade in Berlin, wo man mit pompösen Visionen und raumgreifenden Zukunftsentwürfen immer schnell bei der Hand war.

      "Die wollen ja gar keine Subventionen", stellte das Stadtoberhaupt Klaus Wowereit kurz nach seiner Wahl verdutzt fest. "Die machen ihr Ding und wollen höchstens schnell mal `ne Genehmigung." Unglaublich, aber wahr: Im vergangenen Jahr war das Interesse an öffentlicher Förderung so gering, dass das Land Berlin nicht mal alle Fördermittel des Bundes abrufen konnte.

      Es sind Leute wie die drei Jungs von "Bread & Butter", die jetzt in Berlin ihre Chance suchen. Vor zwei Jahren starteten Wolfgang Ahlers, Kristyan Geyr und Karl-Heinz Müller in Köln ihre Streatwear-Messe - mit riesigem Erfolg. Aber Köln stagnierte, sie fühlten sich nicht wohl - und zogen 2003 mit der gesamten Messe nach Berlin. "Hier ist der Ort, wo was passiert", finden sie. "Hier sind die Leute kreativ, hier bewegt sich was, hier zieht jeder an, was er will: streetig und urban."

      Ungeregelte Verhältnisse - die können sie in Berlin haben
      16.000 Besucher aus der Modebranche lockten sie im Januar in die schöne alte Siemens-Kabelhalle nahe dem Flughafen Tegel. 270 Aussteller zeigten dort Hosen, Shirts und Sneakers. Die Großen von Levis bis Diesel waren dabei, aber auch viele "kleine, junge und hippe Firmen", so Müller. Ihnen bot man "Festivalstimmung mit guter Musik und anspruchsvollem Essen". Müller: "Wir sind Fashion-DJs, die die Sachen zusammenmischen." Für die Sommermesse im Juli mussten "Bread & Butter" bereits mehr als doppelt so viele Hersteller ablehnen, als sie zulassen konnten. Angepeilter Umsatz: fünf Millionen Euro.

      Kleinteiliges, selbst organisiertes Wachstum von unten also - mit der Chance auf mehr. VW lässt seine Computerprogramme für Navigationsgeräte in Berlin machen, die Softwarefirma SAP hat ihre Mitarbeiterzahl in Berlin verdoppelt. Die hoch qualifizierten Tüftler stellen Ansprüche ans Umfeld, sie hassen die Provinz und hegen eine stille Verachtung für geregelte Verhältnisse. Ungeregelte Verhältnisse - die können sie in Berlin haben. "In solchen Konzernen sagen die Personalchefs: Nach Walldorf oder Wolfsburg kriege ich keinen von den richtig Guten", hat Klaus Wowereit festgestellt. "Also gehen sie mit ihren Kreativabteilungen nach Berlin."

      Dass Berlin nun auch an seiner reichhaltigen Kultur- und Wissenschaftslandschaft rumkürzt, könnte sich da noch als verhängnisvoll erweisen - jedenfalls dann, wenn das Ganze in einem Kahlschlag endet. Ohne exzellente Schulen, renommierte Unis und gute Theater kommen auch die jungen Selbstverwirklicher nicht.

      Der große Traum: ein eigenes Haus für Fotografie

      "Einfach mutig ins kalte Wasser gesprungen" ist auch der Fotograf Stephan Erfurt. Er und seine beiden Freunde, der Designer Marc Naroska und der Architekt Ingo Pott, vermissten schmerzlich das längst angekündigte Berliner "Centrum für Fotografie". Wegen verschiedener Streitereien und Finanzprobleme der Berliner Kulturinstitutionen wollte es einfach nicht Realität werden. Die Folge: 80 Prozent aller großen und wichtigen Fotoausstellungen gingen an Berlin vorbei.

      Weil die drei einfach keine Lust mehr hatten zu warten, bis andere endlich in Gang kommen, gründeten sie C/O Berlin. In der Linienstraße 144, nicht weit von der Museumsinsel und vom Bahnhof Friedrichstraße, gibt es nun auf drei Stockwerken feine Ausstellungen und Vorträge, Partys und Lounges, auf denen man sicher sein kann, Menschen aus der Foto-, Architektur- und Designszene zu treffen.

      Der große Traum: in fünf oder sechs Jahren ein eigenes Haus für Fotografie zu bauen und zu einer richtigen Institution zu werden. Bisher größter Coup: Im schicken grün-blauen Veranstaltungsraum von C/O Berlin hielt der Baumeister Daniel Libeskind seinen einzigen Vortrag zur Bebauung von Ground Zero in New York - noch bevor er den Wettbewerb tatsächlich gewann.

      "Finanzpolitik als schöpferische Zerstörung"

      "Berlin wird die Metropole in Europa, daran glauben wir ganz fest", sagen die Macher der Streetwear-Messe. Das beste Zeichen: Amerikanische und japanische Modemacher finden Berlin aufregend und wichtig. Der Name "Bread & Butter" ist den dreien beim Frühstück eingefallen. "Einfach und gut, so wie Brot und Butter. Allerhöchstens darf noch ein bisschen Salz drauf - mehr braucht man nicht."

      Mehr braucht man nicht - vielleicht ist das auch das Erfolgsrezept für die Hauptstadt. Am Ende könnte dann sogar Thilo Sarrazin, der brutale Kürzer und Sanierer, Recht bekommen - mit einer Vision, die er schon 1996 in einer Fachzeitschrift niederschrieb. Titel seines damaligen Aufsatzes: "Finanzpolitik als schöpferische Zerstörung."

      Tilman Gerwien, Anja Lösel
      Avatar
      schrieb am 03.07.03 20:53:52
      Beitrag Nr. 19 ()
      berlin

      Der Kotti kommt vom Tropf

      Berlin-Kreuzberg, Kottbusser Tor: Deutschlands älteste Sanierungs-Story geht nach fast vier Jahrzehnten zu Ende. Die Hoffnung, mit Städtebau Sozialpolitik betreiben zu können, ist gescheitert. Spaziergang durch ein aufgegebenes Biotop

      Von Andreas Molitor






      Der Hausbesetzer Schorsch wohnt jetzt in Brieselang. Falkensee war zu teuer, wer will schon 300000 Euro für ein Reihenhaus bezahlen? Also ist Schorsch mit seiner Frau noch ein paar Kilometer weiter hinaus ins märkische Land gezogen. Brieselang liegt zwanzig Kilometer Luftlinie von Berlin-Kreuzberg entfernt, Lichtjahre weg. Der Weg zu Schorschs Doppelhaushälfte, mit offener Küche und Kamin im Wohnzimmer, führt zuerst über Asphalt, dann über Kopfsteinpflaster, schließlich über Schlammwege. Im Hausflur reicht Schorsch Filzpantoffeln. Der Holzfußboden, sagt er, sei so empfindlich.

      Georg „Schorsch“ Uehlein, 47 Jahre, alter Kreuzberger Hausbesetzeradel, kam vor sieben Jahren im Einfamilienhausidyll an. Er hat Berlin-Kreuzberg verlassen, wie so viele der Weggefährten aus alten Kampftagen, die nun an die fünfzig Jahre alt sind. Am Nachmittag kommt einer von ihnen zum Kaffee vorbei, der wohnt in Kleinmachnow. Einen hat es nach Lichtenrade verschlagen, einen anderen nach Frohnau. Und Ulrike, ach, die wohnt irgendwo hinter Pankow, Schorsch hat vergessen, wie das Dorf heißt. Sie haben Abschied genommen von Kreuzberg, von wilden Zeiten und krausen Träumen, von alledem.

      1980, im Februar, besetzte Schorsch mit seinen Kumpeln das Haus in der Kohlfurter Straße 46. Es war die achte Hausbesetzung in Kreuzberg, vielleicht auch die neunte, wer weiß das noch? Schorsch, heute Politiklehrer an einem Gymnasium, stand damals „eher gegen die Gesellschaft“. Gegen die Spekulanten und die Abrissbagger natürlich. Ein paar Jahre lang führte er ein Leben zwischen Blockrat, Blockkasse und Blockfesten, Nachtwachen und Funkwachen, Barrikadenausschuss und Handwerkerausschuss. Manche Aktionen waren „bisschen kriminell“, sagt Schorsch heute grienend. Da gab es die „Frühstücksguerilla“, die sich beim Sekt fantasievolle Anschläge überlegte, Pudding-Attentate auf Politiker, die aber nie realisiert wurden.

      Daheim hat Schorsch noch die alten Agitprop-Broschüren, mit Schreibmaschine verfasst und zu DIN-A4-Heften geklammert. Zwischen den Broschüren steht ein Buch des Berliner Architekturkritikers Dieter Hoffmann-Axthelm. Es heißt Straßenschlachtung und beschreibt, was damals passierte in Schorschs Revier, dem Viertel rund um den U-Bahnhof Kottbusser Tor: Ganze Straßen wurden hingerichtet, planmäßig exekutiert. Hier standen Schorsch und die Seinen, dort Politik und Wohnungsbau mit ihrer Logik von Abriss und Neubau. Fast zwei Jahrzehnte hatten die Schlächter damals schon gewütet und ihre geschichts- und gesichtslosen Wohnwürfel tief in die Kreuzberger Stadtlandschaft gerammt. „Sanierung“ nannte man das.

      Jetzt, noch einmal zwei Jahrzehnte später, herrscht wieder Frieden am Kottbusser Tor. Die Abrissbagger sind lange abgezogen, der Feind ist irgendwie abhanden gekommen. Frühere Hausbesetzer wohnen in behutsam modernisierten Altbauten, man trifft sich gegen Mittag zum Frühstück im Café und geht anschließend zur Weinhandlung Suff, um einen Rosso Toscano für den Abend zu kaufen. Die neue Kreuzberger Welt ist postmodern, weltoffen und multikulturell. Einerseits. Andererseits ist Kreuzberg und besonders das Viertel am Kottbusser Tor die ärmste Gegend von ganz Berlin – mit dem niedrigsten Durchschnittseinkommen, den meisten Sozialhilfeempfängern und der höchsten Arbeitslosenquote. Und Schorsch, der seinerzeit gegen die „soziale Durchmischung“ und die „Schickimickisierung“ des Viertels kämpfte, „weil die parasitär ist“, sitzt in Brieselang, ein Lupo steht in der Einfahrt, und drinnen duftet es nach Apfelkuchen. „Na ja, nur Armutsbevölkerung bringt’s irgendwie auch nicht“, sagt er. Das ist wohl die Brieselanger Sicht der Dinge. „Dass Leute nach Kreuzberg kommen, die genug soziales Potenzial haben, das Viertel nach vorn zu bringen, da bin ich nicht mehr so dagegen.“

      Kein anderer Stadtwinkel im ehemaligen West-Berlin ist so symbolträchtig wie Schorschs früheres Biotop rund um das Kottbusser Tor, das „wirkliche“ Kreuzberg: Kiezidyll und Turkish Town, Betontristesse und Drogensumpf, kaputte und reparierte Stadt, Szene-Boheme und deutsche Bierdimpfligkeit. Am Kottbusser Tor wurde alles ausprobiert, was irgendwann einmal als Sanierung galt – man hat abgerissen und neu gebaut, zerstört und repariert, modernisiert und verschönert, mal brachial, mal behutsam. Nirgendwo sonst in Deutschland lassen sich die verschiedenen Phasen, Philosophien und Strategien von Stadtsanierung mitsamt allen Irrwegen und in Beton verewigten Paradigmenwechseln auf so engem Raum erleben.

      Die wohl endgültig letzte Kehrtwendung erfolgte im vergangenen Jahr: Nach fast vier Jahrzehnten wurde Deutschlands ältestes und berühmtestes Stadterneuerungsgebiet „aus der Sanierung entlassen“, wie es im Planungsdeutsch heißt. 39 Jahre Staatshilfe sind genug, fand Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) und beschied: „Schluss mit dem Sozialismus in Kreuzberg!“

      Das Kreuzberg Museum in der Adalbertstraße95 ist eine Art Grenzkontrollpunkt. Genau bis hierhin ist die Kahlschlagsanierung Mitte der Siebziger geschwappt, von Süden die Straße hoch, und hat ihr Treibgut angespült: uniforme Neubauten in Quadern und Zeilen. Das wohl eindrucksvollste Zeugnis des Machbarkeitswahns jener Jahre, ein Wohnlindwurm für tausend Menschen, dem man seinerzeit den Namen Neues Kreuzberger Zentrum (NZK) verpasste, liegt wie ein Riegel quer über der Straße. Direkt im Schatten dieses architektonischen Sündenfalls zeigt das Kreuzberg Museum derzeit eine Ausstellung über die lange Geschichte der Sanierung rund ums Kottbusser Tor, von manchen liebevoll-schnoddrig „Kotti“ genannt.

      In der Ausstellung erinnert ein elektrischer Zimmerspringbrunnen aus Vollplastik daran, dass es am Kotti einmal Dutzende von Kleinfabriken gab. Tränengasdose und Autonomen-Lederkluft als Reminiszenz an vergangene Krawallzeiten dürfen natürlich nicht fehlen. Zwischen all den Reliquien hängt auch die erste Single der Rockband Ton, Steine, Scherben, Macht kaputt, was euch kaputt macht, 1970 in einem Hinterhofstudio ein paar Straßenzüge weiter aufgenommen.

      Die Sanierung am Kotti ist nur noch ein Fall fürs Museum. 23 Sanierungsgebiete konnte sich das bankrotte Berlin nicht länger leisten. Anderthalb Milliarden Euro öffentlicher Mittel wurden am Kottbusser Tor verbaut, 30000 Wohnungen abgerissen, neu gebaut oder modernisiert. Mit welchem Erfolg? „Eine Abfolge von Vergeblichkeiten“ könne man am Kottbusser Tor studieren, urteilt der Berliner Architekt Erhart Pfotenhauer, der hier fast jeden Hinterhof kennt. „Bei mir kommt immer wieder Empörung hoch, wie der träge Berliner Apparat jahrzehntelang plant und plant und am Ende Ruinen dabei rauskommen.“

      Der zuständige Senator, der Kreuzberg nicht länger alimentieren will, sieht das naturgemäß völlig anders. „Ohne Zweifel war die Sanierung erfolgreich“, sagt Peter Strieder. Aber hätte man mit dem vielen Geld nicht Besseres zuwege bringen können? „Ach, was sind anderthalb Milliarden Euro“, entgegnet Strieder, „wenn Sie dafür einen Stadtteil retten?“

      Wie sieht ein Stadtviertel aus, dem man fast vier Jahrzehnte Sanierung hat angedeihen lassen und von dem nun behauptet wird, es sei gerettet worden? Erfolgreich saniert – was heißt das? Gibt es einen Wohnviertel-Zufriedenheitsindex? Misst man den Erfolg einer Sanierung an der Zahl modernisierter Wohnungen, an der Quote eingebauter Innenklos, der Versorgung mit Kita-Plätzen, dem durchschnittlichen Haushaltseinkommen, der Kriminalitätsrate, der Anzahl blumenkübelgeschmückter Spielstraßen? Wird man zusätzlich die Sushi- und Cocktailbar-Dichte als Indikator heranziehen?

      Am Anfang stand die Vision von der neuen, zeitgerechten Stadt. Gemäß dem städtebaulichen Leitbild von Licht, Luft und Sonne war geplant, die Altbauquartiere im Mietskasernengürtel um die Berliner Innenstadt weitgehend abzureißen und durch moderne Großwohnanlagen zu ersetzen. 1963 wurden zehn Viertel im Westteil der Stadt zu Sanierungsgebieten erklärt – darunter das am Kottbusser Tor. Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister, sah in der Sanierung eine „unaufschiebbare Verpflichtung, mit deren Erfüllung auch nicht einen Tag zu früh begonnen wird“. Mit Sanierung im großen Stil gab es in Deutschland bis dahin keine Erfahrungen. Fasziniert schauten die Städteplaner und Architekten nach Amerika. Dort wurden zu jener Zeit etliche der verfemten Elendsquartiere weggefräst, neue Wohngebirge für Zehntausende geschaffen. In Chicago entstand mit den Robert Taylor Homes damals die größte Sozialsiedlung der Welt.

      Das im Schatten der erst zwei Jahre zuvor errichteten Mauer dahindämmernde Viertel Kottbusser Tor in Berlin, mit 37000 Einwohnern und 17000 Wohnungen das größte Sanierungsgebiet der geteilten Stadt, war eine tote Zone. Wer von „Mietskasernen“ sprach, meinte solche Gegenden: enge, uniforme Korridorstraßen mit düsteren Hinterhöfen und verschatteten Seitenflügeln, Bombenkrater dazwischen. Dieses Kreuzberg sollte untergehen. Einen Vorgeschmack auf das neue Kreuzberg, warm, sauber und bequem, lieferte das erste neue Hochhaus am Kottbusser Tor, bereits 1955 errichtet. Mit Müllschlucker, Teppichabsauganlage und Waschzentrale – vorbildlich.

      Herzstück der Sanierungspläne war der Bau eines Tangentensystems von Stadtautobahnen um das alte, im Osten gelegene Berliner Zentrum herum. Zwei Trassen sollten quer durch Kreuzberg geschlagen werden, größtenteils als Viadukte über dichter Bebauung. So sahen es die Planungen für die „Hauptstadt Berlin“ aus den fünfziger Jahren vor. Auch nach dem Mauerbau hielt man an dem Konzept einer von Asphaltpisten durchschnittenen, autogerechten Stadtlandschaft fest. „Jede zweite Wohnung erhält einen Parkplatz“, heißt es Anfang der Siebziger in einer Sanierungsbroschüre, „entweder unterirdisch oder in einem Parkhaus. Sollte später einmal zu jeder Wohnung ein Auto gehören, kann die fehlende Hälfte der Parkplätze nachgebaut werden.“ So rückten die Bagger an.

      Neue Sünden wurden begangen, frische Wunden in das Fleisch der Stadt gerissen. Die „Straßenschlachtung“ begann, jene „historisch einmalige Großaktion der vorsätzlichen Stadtzerstörung“, wie der Kritiker Dieter Hoffmann-Axthelm schrieb, und zwar „langsam, bei lebendigem Leibe“. Die Sanierungsträger, in der Mehrzahl gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften, entwickelten sich zu Abriss- und Neubaumaschinen. Ihr Werk verrichteten sie zu Preisen, die im Schnitt 40 Prozent über dem westdeutschen Niveau lagen. Sanierung hieß vor allem Selbstbedienung. Es gab keine Synthese zwischen Alt und Neu. Wie Hohn klingt aus heutiger Sicht folgende Passage aus einer Broschüre des Senats von 1974: „Nicht jedes Haus wird abgerissen. Die Neubauten bleiben grundsätzlich erhalten.“

      Die Altbauquartiere lagen in Agonie. In einem Block durften amerikanische Soldaten im neunundsiebziger Herbst Häuserkampf trainieren. Nachts standen die Panzer mit laufendem Motor auf der Straße. Nicht selten erging es Bewohnern so wie den Mietern in der Skalitzer Straße 114. Eines Morgens wurden sie wach, weil die Wände zitterten und der Fußboden bebte. Sie schauten aus dem Fenster und sahen gerade noch, wie das Nachbarhaus unter den Schlägen der Abrissbirne in einer Staubwolke zusammenfiel.

      Rollkommandos halfen nach, als Altbaumieter sich sträubten

      Die Mieter in den Abrisshäusern waren variable Masse im Kalkül der Sanierungsträger. Zu gegebener Zeit teilte man ihnen den Auszugstermin mit. Irgendwo mussten sie ja untergebracht werden, bis die Neubauten fertig waren. Viele zogen auch ganz weg aus Kreuzberg. Die Wohnungsbaugesellschaften spendierten Bus-Schnupperfahrten nach Gropiusstadt oder ins Märkische Viertel, um den Menschen aus den Altbauten das Wohnen in der modernen Trabantenstadt schmackhaft zu machen. An manchen Tagen standen die Mieter vor den Büros der „Umsetzer“ Schlange.

      Von einer adretten Wohnung träumte damals auch Horst Wiessner. Mit seiner Frau lebte er in einer großen Altbauwohnung in der Oranienstraße in Kreuzberg. Genau vor seinem Wohnzimmerfenster, hatte man ihm gesagt, würde künftig der stete Strom von Blechkarossen auf dem Autobahnviadukt entlangfließen. Die Wiessners zogen aus.

      Ihr neues Domizil lag nur wenige Schritte entfernt. Jene Trutzburg des sozialen Wohnungsbaus, die gerade direkt am U-Bahnhof Kottbusser Tor emporwuchs, faszinierte Horst Wiessner. Neues Kreuzberger Zentrum, das klang modern, nach Aufbruch und Zukunft. „NKZ“ dagegen, das bald geläufigere Kürzel, verhieß bereits Unheilvolles.

      Der 1970 vorgestellte Komplex, seinerzeit geplant mit Lesehof, Schwimmbad, Terrassencafé und Kino, sollte das Meisterstück der Sanierung werden. „Handels-, Kultur- und Wohnbereich bilden eine zwanglose Einheit mit Künstlern, Hofsängern, Leierkastenmännern und Büchereibesuchern“, versprachen die Bauherren. Niemand hätte damals geglaubt, dass ernst zu nehmende Politiker knapp 30 Jahre später fordern würden, das NKZ abzureißen. Am allerwenigsten wohl jene Ärzte und Anwälte aus Westdeutschland, die ihr Geld in das Projekt gesteckt hatten, angelockt von sagenhaften 200 Prozent Abschreibequote.

      Am Bau des NKZ entflammte erstmals Kritik gegen die Stadterneuerung per Abrissbirne. Zehn Sanierungsjahre waren vergangen und mit ihnen die Euphorie vom Bau der neuen Stadt. So mancher Kreuzberger begann beim Anblick der Planungen für das Betonband mit 295 Wohnungen daran zu zweifeln, dass es tatsächlich keine Alternative zum Abriss eines ganzen Stadtviertels geben könnte.

      Schon bald kursierten die ersten Flugblätter gegen Sanierungsträger und Spekulanten. Etwa jenes, das den Chef der Neues Kreuzberger Zentrum GmbH als „Feind der Bevölkerung Kreuzbergs“ anprangerte, verantwortlich „für die Vertreibung von 250 Arbeitern, Rentnern und kleinen Ladenbesitzern“ und außerdem schuld an der „Verteuerung der Lebensmittel in der Zukunft, weil sich seine hohen Mieten auf die Lebensmittelpreise auswirken werden“.

      Auch Horst Wiessner zahlte nun deutlich mehr Miete – 345 Mark statt wie bisher 75. Von seiner Terrasse aus beobachtete er, wie Rollkommandos der Sanierer nachhalfen, wenn Altbaumieter sich gegen den Abriss sträubten. „Von hier oben sahen wir Rauch, und wir hörten es scheppern. Die haben einfach die Dachstühle angezündet und in den Häusern die Sanitäranlagen kaputtgeschlagen.“ Wiessner wurde Zeuge des rapiden Verfalls seines kleinen Garten Eden. Mit den Jahren zogen immer mehr anständige Mieter weg. Für sie kamen neue Leute, die den Abfall manchmal aus dem Fenster schmissen.

      Der Platz im Schatten des NKZ verkam zur Niststätte des Elends. Die vielen Winkel dienten den neonbleichen Heroinsüchtigen vom Kottbusser Tor als Unterschlupf. Morgens trat man auf den Treppen in Kot, Erbrochenes und gebrauchte Spritzen. Hin und wieder lag auch eine Leiche im Hausflur. Schon 15 Jahre nach seiner Fertigstellung war das Prunkstück der Sanierung selbst schon wieder ein Sanierungsfall und wurde von der Presse als „verkommenes Monstrum“ gegeißelt. Direkt gegenüber sekundierte die Aufschrift auf einer Hauswand symbolträchtig: „Revolution ist die einzige Lösung!“

      Vor fünf Jahren verlangte der damalige Berliner CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, man müsse „den Mut haben, das Neue Kreuzberger Zentrum zu sprengen“. In dem Gebäude lebe „nur noch Restbevölkerung, die nicht mehr stadttypisch ist“. Statt des Sprengmeisters kam Peter Ackermann. Der damals 59-jährige Wirtschaftsanwalt mit Büro in bester Lage am Kurfürstendamm übernahm 1999 die soziale Intensivstation NKZ und begab sich daran, das „Burgghetto der Sozialfälle“ umzukrempeln. Der Kotti soll wieder Eingangstor zum hinteren Kreuzberg werden – und das meistgehasste Gebäude Berlins sich zu dem Modell-Sanierungsbau mausern, den seine Schöpfer sich einst erträumt hatten. Wenn auch ohne Hofsänger.

      Ökonomisch gesehen, führt Ackermann einen fast aussichtslos erscheinenden Kampf. Der mit rund 20 Millionen Euro verschuldete Komplex „ist nichts wert, nicht mal die Kosten des Abrisses“. Allein die Mieteinnahmen, knapp zweieinhalb Millionen Euro jährlich, lassen sich gegen die Schulden aufrechnen. Seit Jahren managt er eine Firma am Rande der Insolvenz. Manchmal haben seine Hausmeister nicht mal Geld für ein paar Eimer Farbe.

      Wer seine Miete nicht zahlen kann, fliegt raus

      Umso wichtiger waren anfangs symbolische Schritte. Als Erstes verpasste Ackermann dem NKZ einen neuen Namen. „Zentrum Kreuzberg – Kreuzberg Merkezi“, steht jetzt mit Leuchtschrift auf der bordeauxviolett gestrichenen Betonbrücke über der Adalbertstraße. „Das Gebäude ist wie ein Engel mit ausgebreiteten Armen“, hat Ackermann früher gesagt, „ein Engel, der hier steht und den Platz umfasst.“ Er ließ 150 Abfallkörbe aufstellen, die täglich geleert werden, stellte zwei neue Hausmeister ein, eine Architektin, einen Elektriker und eine Ingenieurin. Ackermann ist froh, wenn die Heizungsanlage mal wieder einen Winter überstanden hat. An der Platzspitze würde sich ein Straßencafé gut machen, meint Ackermann, ein schicker Italiener könnte die triste Galerie aufwerten. Es kursierten sogar schon Pläne mit Gucci- und Cartier-Läden.

      Ohne Leute wie Horst Wiessner stünde Peter Ackermann auf verlorenem Posten. Der mittlerweile 80-Jährige, die grauen Haare zum Pferdeschwanz gebunden, ließ sich nicht zur „Restbevölkerung“ aussortieren, sondern entwickelte sich zum Chef-Kümmerer des Hauses. Wiessner übernahm den Vorsitz des Mieterbeirats, putzte die Hausflure, machte jeden Tag stundenlang den neuen Spielplatz sauber, räumte den Müll weg, beseitigte Heroinspritzen, Kanülen und Kot.

      Aber schon wieder ist der Friede gefährdet. Im Zentrum Kreuzberg ist die Zeit des gemütlichen Kotti-Kapitalismus jetzt vorbei. Nachdem der Komplex 30 Jahre am Subventionstropf gehangen hat, muss er es ab Anfang 2005 ohne öffentliche Finanzhilfen schaffen. Das Land Berlin kann sich die Hilfe nicht mehr leisten. Für Peter Ackermann bedeutet das: Er muss jeden Euro eintreiben, der ihm zusteht, und die Szene schimpft auf ihn wie einst auf die Spekulanten.

      Vor zwei Wochen hat ihm die Landesbank Berlin mit einer Zinsstundung Luft verschafft. Ackermann kann in den nächsten anderthalb Jahren 600000 Euro in das Gebäude investieren und einige Ladenlokale überhaupt erst in einen vermietbaren Zustand bringen.

      Das Fürsorgliche ist ihm abhanden gekommen, die Strenge ist geblieben. Konsequent treibt er Mietrückstände ein. Wer nicht zahlen kann, fliegt raus. Schon bei einem Monat Mietrückstand lässt Ackermann den Strom abstellen, pfänden und räumen. Auch wer gegen vereinbarte Nutzungen verstößt, beispielsweise Dosenbier verkauft statt Bücher, erhält sofort die Kündigung. Sogar mit Horst Wiessner hat sich Ackermann jetzt überworfen. Wiessner, der Ackermanns Sanierungskurs jahrelang unterstützt hatte, empörte sich derart über eine Betriebskosten-Nachzahlung, dass er alle Mieter zum Boykott aufrief. Ackermann konterte mit einer Klage. Nun reden die beiden nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander.

      Im Zentrum Kreuzberg steht selten eine Wohnung leer. Peter Ackermann weiß trotzdem, dass er dringend neue Mieter braucht – andere als jene, die alte Kühlschränke und Waschmaschinen einfach in den Aufzug stellen und dann auf „EG“ drücken. Es fehlen Menschen, denen es nicht egal ist, wie es in ihrem Haus aussieht. Und Leute, die das Wohnen im Beton en vogue finden.

      Niemand bezweifelt heute, dass Bauten wie das Zentrum Kreuzberg Modell stehen für das totale Scheitern der in den Siebzigern praktizierten Kahlschlagsanierung. In den fast drei Jahrzehnten nach seiner Fertigstellung war man unablässig – und meist vergeblich – bemüht, die städtebaulichen und sozialen Folgeschäden einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Vieles blieb irreparabel. Angesichts einer derart vernichtenden Bilanz wundert man sich fast, wie viel Normalität das Zentrum Kreuzberg trotz allem beherbergt. Isabella Scheel, eine junge Fotografin, hat für die Kotti-Ausstellung im Kreuzberg Museum Mieter mitsamt ihres Wohnzimmer-Interieurs abgelichtet. Fast über-all fand sie Einlass.

      Die Fotos zeugen vom rührenden Bemühen, einen guten Schuss Behaglichkeit in das Innere der abgenutzten Betonästhetik zu injizieren. Vor allem die Migrantenfamilien klotzen mit schweren Clubgarnituren und beleuchteten Schrankwänden aus dem Mitnahmemarkt. Erstaunlich, wie sauber und sortiert es aussieht. Auf keinem Tisch fehlt ein Deckchen. Eine türkische Familie hat sich teures Parkett legen lassen, auf eigene Kosten. „Ich lasse meine Tochter unten nicht spielen“, sagt die Mutter. Sie hat Angst, das Kind könnte sich an einer weggeworfenen Heroinspritze verletzen. „Es ist so schade“, sagt sie zum Abschied, „dass fast alle anständigen Deutschen von hier weggezogen sind.“

      Ende der Siebziger glaubte niemand mehr an jene Visionen, die einst als raison d’être der Stadterneuerung hergehalten hatten. Trotzdem drehte sich das Sanierungskarussell immer schneller – ohne Frage nach dem Sinn.

      Die stellte ein Mann, der sich als Zweifler aus Prinzip schon einen Ruf erworben hatte: Hardt-Waltherr Hämer, volksnaher Architekt und Stadtplaner. Nach einem vergeblichen Versuch im Berliner Stadtteil Wedding Ende der Sechziger war es ihm zehn Jahre später erstmals gelungen, das Interessenkartell aus Politik, Bauverwaltung und Sanierungsträgern auszuhebeln und in Charlottenburg einen Altbaublock mit 415 Wohnungen vor den Abriss-baggern zu retten. Der Block 118 am Klausener Platz war seine Generalprobe. Hämer hatte die „behutsame Stadterneuerung“ erfunden und bewiesen, dass sein Credo „Altbausanierung vor Abriss“ in der Praxis funktioniert – auch ökonomisch: Die vorsichtige Modernisierung kostete ein Drittel weniger als Abriss und Neubau.

      Die Sanierung sorgte für neue Innenklos und dichte Dächer

      Was Hämer dann am Kottbusser Tor vorfand, nannte er „kaputte Stadt“. Unter seiner Leitung nahm Ende 1979 die Internationale Bauausstellung (IBA) Berlin ihre Arbeit auf. Hämers Leute hatten einen einzigen Auftrag: „Kaputte Stadt retten!“ Er forderte die totale Kehrtwende in der Sanierungspolitik. Behutsame Modernisierung in enger Abstimmung mit den Mietern, statt sie zu vertreiben oder anschließend mit horrenden Mieterhöhungen zu drangsalieren. Hämer, der „Beteiligungsarchitekt“, versuchte die Wünsche der Bewohner zu erspüren, verstand Sanierung als einen auf Konsens beruhenden Prozess. Der kettenrauchende einäugige 81-Jährige mit der Einstein-Frisur und dem knarrenden Vornamen übernahm selbst den Part des Inkubators. Mit der Verve eines guten Staubsaugervertreters warb er für Kreuzberg.


      Ohne den Druck der Straße wäre sein Traum von der Rettung Kreuzbergs allerdings an den Betonmauern der Sanierungsfraktion zerschellt. Anfang 1979 wurde in Kreuzberg das erste Haus „instandbesetzt“, bis Ende 1981 mehr als weitere 80 Häuser. Die Besetzer warteten nicht auf gute Einsicht bei den Sanierern, irgendwann, sondern nahmen sich, wovon sie dachten, dass es ihnen zustand: Häuser, die auf der Abrissliste standen. Der Rest ist bekannt. Der Traum von der „Freien Republik Kreuzberg“ blühte. Eine eigene Szene-Infrastruktur wuchs heran, mit Besetzer-Bauhof, Kinderbauernhof, Frauenstadtteilzentrum. Manche Blocks organisierten einen Finanzausgleich zwischen den Hausgemeinschaften. Das funktionierte allerdings nicht mit den Punkerhäusern, weil ihre Insassen jede Mark gleich in Dosenbier umsetzten.

      Im Juli 1981 verkündete der Berliner Senat die neue Sanierungslinie: „Instandsetzung vor Modernisierung und Modernisierung vor Abriss und Neubau“. Nach fast zwei Jahrzehnten und dem Abriss von 42 Prozent der Wohnungen am Kottbusser Tor wurde die bisherige Sanierung für gescheitert erklärt. Ihre Resultate – etwa das NKZ – trugen jetzt den offiziellen Makel des sozialen und städtebaulichen Irrwegs. Das Zeitalter der behutsamen Stadtsanierung begann. Sie brachte dem Kotti ungezählte neue Badezimmer, Innenklos, Etagenheizungen, dichte Dächer und Fenster.

      „Ein Drittel Wracks in ’nem Haus, das geht so gerade noch“

      Hämers IBA-Leute und die Besetzer bildeten durchaus keine Einheitsfront. Im Gegenteil: Die Hardliner unter den Besetzern witterten Verrat an der Idee. Weil die IBA auf Verhandlungslösungen setzte und die Besetzer zu legalen Mietern machen wollte, galt sie bei manchen aus der Szene als „Agentur der gewaltsamen Umstrukturierung Kreuzbergs“. Eine Besetzer-„Kiezpolizei“ kämpfte mit wüsten Methoden gegen alles, was nach „sozialer Durchmischung“ aussah.

      Dass sie es nicht nur bei Drohungen beließen, lässt sich in alten Besetzer-Pamphleten nachlesen. Unter der Schlagzeile Weg mit die Scheiße! wird dort die Frage aufgeworfen: „15 Liter edelwürzige Scheisse-Pisse! Wohin damit?“ Die Antwort lieferte die „Kiezpolizei“ selbst: ins Feinschmecker-Restaurant Maxwell in der Oranienstraße, „wo sich betuchte Architekten und edle Schickis ein Stelldichein geben“. Drei Eimer Fäkalien kippten die Maskierten im Lokal aus, das danach nicht mehr öffnete.

      Im Sommer 2003 haben die Exbesetzer in den einst okkupierten Häusern ganz andere Probleme. Dass es keine Fahrstühle gibt, zum Beispiel. Andreas Büsching, Geschäftsführer der „Luisenstadt“, zu der 270 Wohnungen und Gewerbeeinheiten gehören, sagt: „Als vor 20 Jahren modernisiert wurde, wollten die Mieter Podestklo und Ofenheizung unbedingt behalten, weil sie weiter billig wohnen wollten. Jetzt sind sie knapp 50, und der eine oder andere hat Probleme, die Treppe zum fünften Stock hochzukommen. Da wär ein Aufzug schon eine feine Sache.“

      Behutsame Stadterneuerung ist ein Prozess, der nie zu Ende geht. Viele erleben ihre ganz persönliche Sanierung – als Abfolge sozialer Häutungen. Anfangs hat die Luisenstadt noch Großküchen für bis zu 40 Leute eingerichtet, später wurden wieder Zwischenwände eingezogen, der Rückzug ins Private stand an, der Weg vom Wir zum Ich. Statt Lambrusco für alle nun Barolo für mich und meine Liebste.

      In manchen Häusern, erzählt Büsching, seien Leute, die sozial stabil waren, schnell wieder ausgezogen, weil sie nicht „bei den Wracks“ wohnen wollten. „Ein Drittel Wracks in ’nem Haus“, sagt Büsching, „das geht so gerade noch.“ Mit den Flüchtenden zerbröckelte auch der Traum von der klassenlosen Republik Kreuzberg. „Die sozial Starken haben es geschafft, ihr Leben in den Griff zu kriegen und ihr Geld nicht gleich in die nächste Kneipe zu tragen“, sagt Büsching. Ein paar Punks wurden Kleinunternehmer, andere bekamen nichts hin.

      „Das Zwischenergebnis erzeugt die Illusion, nun sei alles gelaufen.“ Nicht einmal zehn Jahre waren seit Beginn der behutsamen Stadtsanierung vergangen, als Hardt-Waltherr Hämer sich zu dieser Warnung genötigt sah. „Es ist doch heiter geworden! Also muss es in Ordnung sein! Das Bild wird für die Wahrheit genommen.“ Wiederum 15 Jahre später ist die Wahrheit amtlich, statistisch belegt und mit dem Stempel der zuständigen Senatorin versehen. Das seit jeher arme Kreuzberg ist – trotz 40 Jahren teurer Sanierung! – im Vergleich zum Rest der Stadt noch ärmer geworden. Unter allen Berliner Stadtteilen ist Kreuzberg heute jener mit dem höchsten Armutsanteil (26,4 Prozent) und den kümmerlichsten Haushaltseinkommen. Die Menschen im vornehmen Berlin-Zehlendorf etwa verdienen im Schnitt doppelt so viel. Mit einer Arbeitslosenquote von 24 Prozent hält Kreuzberg einen weiteren Negativrekord. Vor allem die Türken, die mehr als ein Drittel der Einwohner Kreuzbergs ausmachen, haben nach 1990 ihre Jobs zu Tausenden an die billigeren Kollegen aus dem Ostteil der Stadt und dem Umland verloren. 42 Prozent der Kreuzberger Türken sind ohne Arbeit.

      Im Kerngebiet der Sanierung am Kottbusser Tor findet sich sozusagen das Konzentrat aller Probleme: Beim Vergleich der sozialen Situation zwischen allen 171 Wohngebieten Berlins landet das Viertel auf Platz 171. Im zuerst brachial und später sanft sanierten Kotti-Viertel scheinen also die Armseligen zu hausen, die Überflüssigen, die Habenichtse; jene also, die den Anschluss verloren haben.

      In sozialer Hinsicht erscheint die Sanierung als Desaster. Die kühne Hoffnung von einst, den Städtebau als Instrument der Sozialpolitik zu nutzen, social engineering zu betreiben, wurde enttäuscht. Aber konnte man ernsthaft erwarten, dass soziale Benachteiligung, Arbeitslosigkeit und Armut sich durch das Wirken von Architekten und Bauarbeitern abschaffen lassen? „Eine naive Vorstellung“, urteilt Peter Strieder, der für die Sanierung verantwortliche Senator.

      Strieder, als ehemaliger Kreuzberger Bezirksbürgermeister mit der Lage vertraut, vermisst „arrivierte Mittelschichtleute“. Er meint damit Menschen, die ein Quartier wie den Kotti sozial stabilisieren. „Man ist keine offensive Strategie gefahren, die soziale Mischung in Kreuzberg zu verbessern.“ Recht hat er: All die Jahre hat seine Partei, die SPD, gut verdienende Mieter in Sozialwohnungen kräftig Fehlbelegungsabgaben zahlen lassen und dadurch vertrieben. Das hat aber nichts mit Sanierung zu tun, sondern mit falsch verstandener Sozialpolitik. Manche Experten in Strieders Senatsverwaltung sticheln, man habe „irre viel Geld für Nichtmobile ausgegeben“, für „sozial schwache Deutsche und für Ausländer mit Großfamilien“. Denen habe man es hübsch gemacht, sie zum Bleiben ermuntert und „sich gescheut zu definieren, ob eine Bevölkerungsstruktur gut oder schlecht ist“. Die Kritisierten reagieren empört: „Was ist denn die Alternative?“, fragt ein zorniger Hardt-Waltherr Hämer, „die Schwachen wegräumen? Das hat man doch damals von uns erwartet. Wir sollten schicke Wohnungen für die Mittelschicht bauen.“

      Möglicherweise erscheint die sanfte Sanierung der Achtziger und frühen Neunziger heute auch deshalb in so mildem Licht, weil die vorangegangenen Sanierungsdekaden nichts dauerhaft Präsentables hervorgebracht hatten. Zur Kehrtwende gab es nur eine Alternative: die endgültige städtebauliche und soziale Zerstörung des gesamten Stadtviertels. So gesehen ist die behutsame Sanierung natürlich ein Erfolg – weil sie Schlimmeres verhindert und die Bewohner wieder an den Entscheidungen über ihr Wohnviertel beteiligt hat.

      Jedes nicht abgerissene Gründerzeithaus war ein kleiner Sieg. „Sozial aufbessern“ ließ sich die Gegend dadurch trotzdem nicht, jedenfalls nicht statistisch nachvollziehbar. Darf man, soll man, kann man das überhaupt? Gibt es „falsche“ Bevölkerung? Wenn ja, wie sieht denn eine „ideale“ Einwohnerschaft aus? Und wer soll ihn spielen, den weisen Oberaufseher über die Sozialstruktur, auf dass er das Kleine-Leute-Quartier am Kottbusser Tor zu dem mache, was es nie war: einem Viertel, so clean wie aus der Waschmittelwerbung.

      Der gestrenge Herr über das Zentrum Kreuzberg hält die Debatte über die unheilverkündende Sozialstatistik ohnehin für völlig überzogen. Die Wirklichkeit am Kotti sei ganz anders als die Horrorzahlen vermuten lassen, glaubt Peter Ackermann. „Mein Kiez ist der reichste in Berlin“, sagt er lapidar. Wo immer er hinschaut, sehe er Geld in Hülle und Fülle. Der versteckte Wohlstand ist Folge der Ladenstruktur im Schatten des Zentrums Kreuzberg, wo man alles mit Bargeld regelt. Viele seiner Gewerbemieter hätten nicht mal eine Registrierkasse, behauptet Ackermann, aber trügen große Geldscheine stoßweise mit sich herum. „Ich rede nicht über 50 Euro“, sagt er, „ich rede darüber, dass sie ihre Miete für ein halbes Jahr bar bezahlen.“ Und er zeigt mit Daumen und Zeigefinger, welche Bündel er meint: gut anderthalb Zentimeter. Einer seiner Dönerbudenbesitzer habe sich erst kürzlich einen dicken Mercedes gekauft, „so ’n Geländepanzer, und den Kaufpreis dem Händler zack, zack auf den Tisch geblättert“.

      Die Sanierung sanieren – das kann niemand bezahlen

      Die Statistik stimmt – und Ackermann hat trotzdem Recht. Niemand bestreitet, dass in Kreuzberg sehr viele Menschen wohnen, die sehr wenig Geld haben. Andererseits ermöglicht eine Miete von fünf Euro kalt pro Quadratmeter in hübsch sanierten Altbauten einer bestimmten Klientel einen gemütlichen Lebensstil: Gemeint sind Menschen, die einst der Widerstand gegen die Kahlschlagsanierung nach Kreuzberg gespült hat und die jetzt mittags bei einem Glas O-Saft frühstücken in einem Café. Diese Szene ist ein Produkt der Sanierung – Antithese und Synthese gleichermaßen. Man kauft getrocknete Tomaten und Süßkartoffelpaste bei „Knofi“, den Wein dazu bei „Suff“ und Salami bei Feinkost-Hillmann. Auch die vielen Restaurants auf der Oranienstraße sind durch Sozialhilfeempfänger allein nicht finanzierbar. Kinder sind beim Essen dabei, Hunde auch. Heute schon gearbeitet?

      Kreuzberg ist eine wunderbare Nische für Menschen geblieben, die mit wenig Geld auskommen und trotzdem gut leben wollen, das Lieblingswohnrevier des linksalternativen Bürgertums. Das Viertel am Kottbusser Tor ist ein Idealbiotop für jene, die man früher „verkrachte Existenzen“ genannt hätte. Hier ist es gesellschaftlich akzeptiert, wenn man seine Miete nicht pünktlich zahlt. Außerdem wählt man hier Hans-Christian Ströbele, den grünen Rebellen. Nirgendwo holte der Altlinke so viele Stimmen wie in den Wahllokalen des Sanierungsgebiets zwischen Bethaniendamm und Fraenkelufer – über 60 Prozent. Die New Economy und ihre Highflyer dagegen haben hier nie Fuß gefasst, www.schnellerreich.de blühte und verblühte im hippen Berlin-Mitte, weit weg.

      Nach vier Jahrzehnten hat die Politik entschieden, Deutschlands älteste Sanierungs-Story zu beenden. Die Zeit der großen teuren Sanierungsentwürfe zur Beglückung der Kreuzberger ist endgültig vorbei. Geblieben ist ein Viertel mit der höchsten Sozialprojekt-Dichte der Stadt – derzeit noch großzügig gesponsert vom Senat. 925 Einzelinitiativen, öffentlich bezuschusst, wurden einmal gezählt. Das Viertel am Kottbusser Tor ist gewissermaßen von der Intensivstation in ein normales Krankenzimmer verlegt worden. Wenn der Berliner Senat demnächst die Sparschraube weiter anzieht, wird der dauerkranke Patient möglicherweise ganz aus der Fürsorgeklinik entlassen. Aber ist er dann genesen? Was hätte man noch mit diesem Kranken anstellen können? Weitersanieren, bis vielleicht doch alle glücklich sind und keiner mehr arm oder arbeitslos? Natürlich könnte man die Bausünden aus der Pionierzeit der Sanierung, den städtebaulichen Schrott der Sechziger und frühen Siebziger, wieder abreißen, die Sanierung sanieren. Aber das kann niemand bezahlen.

      Am Kottbusser Tor sind anderthalb Milliarden Euro Staatsgeld verbaut worden. Wer das Viertel jetzt völlig sich selbst überlässt, der gestattet, dass nach und nach alles verrottet. So wie in den Robert Taylor Homes in Chicago. Das größte Sozialquartier der Welt, einst Vorbild für die Sanierung am Kottbusser Tor, ließ man im Lauf der Jahrzehnte zum Nistplatz von Elend, Kriminalität und Drogen verkommen. Schließlich half nur der Bagger. Im vergangenen Jahr wurde das letzte der 28 Hochhäuser abgerissen.


      Unter dem Titel „Geschichte wird gemacht. Berlin am Kottbusser Tor“ ist bis zum 28. September im Kreuzberg Museum, Adalbertstraße 95/96, 10999 Berlin, eine Ausstellung zu sehen; Mittwoch bis Sonntag 12–18 Uhr, www.kreuzbergmuseum.de


      (c) DIE ZEIT 03.07.2003 Nr.28


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      schrieb am 04.07.03 12:30:53
      !
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      schrieb am 04.07.03 12:31:25
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      schrieb am 04.07.03 12:32:53
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      schrieb am 04.07.03 22:27:57
      Beitrag Nr. 23 ()
      @technostud

      Mein absolutes Lieblingslied in den 80zigern.......

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      Ideal




      Ich steh auf Berlin

      Bahnhof Zoo, mein Zug fährt ein,
      ich steig aus, gut wieder da zu sein.
      Zur U-Bahn runter am Alkohol vorbei ,
      Richtung Kreuzberg, die Fahrt ist frei,
      Cottbuser Tor, ich spring` vom Zug ,
      zwei Kontrolleure ahnen Betrug.
      Im Affenzahn die Rolltreppe rauf,
      zwei Türken halten die Beamten auf.
      Oranienstraße, hier lebt der Koran,
      dahinten fängt die Mauer an.
      Mariannenplatz rot verschrien,

      ich fühl` mich gut, ich steh` auf Berlin!
      Ich fühl` mich gut! (Wir steh`n auf Berlin)
      Ich fühl` mich gut! (Wir steh`n auf Berlin)


      Graue Häuser, ein Junkie im Tran,
      es riecht nach Oliven und Majoran.
      Zum Kanal an Ruinen vorbei,
      dahinten das Büro der Partei.
      Auf dem Gehweg Hundekot,
      ich trink Kaffee im Morgenrot.
      Später dann in die alte Fabrik,
      die mit dem Ost-West-Überblick.
      Zweiter Stock, vierter Hinterhof,
      neben mir wohnt ein Philosoph.
      Fenster auf, ich hör` Türkenmelodien,

      ich fühl` mich gut, ich steh` auf Berlin!
      Ich fühl` mich gut, wir steh`n auf Berlin!
      Ich fühl` mich gut!
      Ich fühl` mich gut! (Wir steh`n auf Berlin)
      Wir fühl`n uns gut! (Ich steh` auf Berlin)


      Nachts um elf auf dem Kurfürstendamm
      läuft für Touristen Kulturprogramm,
      teurer Ramsch am Straßenstand,
      ich ess` die Pizza aus der Hand.
      Ein Taxi fährt zum Romy Haag,
      Flasche Sekt hundertfünfzig Mark,
      fürn Westdeutschen, der sein Geld versäuft.
      Mal sehn, was im Dschungel läuft,
      Musik ist heiß, das Neonlicht strahlt.
      Irgendjemand hat mir `nen Gin bezahlt,
      die Tanzfläche kocht, hier trifft sich die Scene,

      ich fühl` mich gut, ich steh` auf Berlin!
      Ich fühl` mich gut! (Wir steh`n auf Berlin)
      Ich fühl` mich gut! (Wir steh`n auf Berlin)

      Berlin, Berlin, Berlin, ...
      Berlin, Berlin, Berlin, ...
      Ich fühl` mich gut! (Wir steh`n auf Berlin)
      Ich fühl` mich gut! (Wir steh`n auf Berlin)



      ............



      H_S


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