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    Das Ei des Kostolay - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 06.07.01 18:08:30 von
    neuester Beitrag 20.10.03 22:00:00 von
    Beiträge: 29
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      schrieb am 06.07.01 18:08:30
      Beitrag Nr. 1 ()
      Das Ei des Kostolany
      Um beurteilen zu können, ob ein Markt übergekauft oder überverkauft ist, muß man zunächst die Anatomie einer Auf- und Abwärtsbewegung verstehen. Dabei müssen beide zusammen betrachtet werden. Sie sind an der Börse ein unzertrennliches Gespann. Erkennt man nicht das Ende einer Abwärtsbewegung, kann man auch den Anfang einer Aufwärtsbewegung nicht erkennen, und erkennt man nicht das Ende einer Aufwärtsbewegung, kann man nicht den Anfang einer Abwärtsbewegung voraussehen.

      Meiner Erfahrung nach besteht jede Hausse und jede Baisse an der Börse (sei es bei Aktien, Anleihen, Rohstoffen oder Edelmetallen, also all jenen Märkten, auf denen spekuliert wird) aus jeweils drei Phasen:

      Der Phase der Korrektur;
      Der Phase der Anpassung oder Begleitung;
      Der Phase der Übertreibung.
      Weil die verschiedenen Phasen der Aufwärts- und der Abwärtsbewegung einander ablösen, stelle ich sie in einem Kreisel dar, den ich das Ei des Kostolany genannt habe (siehe Abbildung). Am Beispiel der Hausse von 1982 bis August 1987 und der anschließenden Baisse von August bis zum 19. Oktober 1987 möchte ich die Anatomie eines kompletten Börsenzyklus erklären.

      A1 = Phase der Korrektur (kleiner Umsatz, Zahl der Aktienbesitzer gering)
      A2 = Phase der Begleitung (Umsatz und Zahl der Aktienbesitzer steigend)
      A3 = Phase der Übertreibung (Umsazu wird euphorisch, Zahl der Aktienbesitzer ist hoch, bei X am höchsten)
      B1 = Phase der Korrektur (kleiner Umsatz, Zahl der Aktienbesitzer geht langsam zurück)
      B2 = Phase der Begleitung (Umsatz ist steigend, Zahl der Aktienbesitzer nimmt weiter ab)
      B3 = Phase der Übertreibung (ganz großer Umsatz, Zahl der Aktienbesitzer ist niedrig, bei Y am niedrigsten)
      Kaufen in der Phase A1 und B3
      Abwarten und Papiere halten in der Phase A2
      Verkaufen in den Phasen A3 und B1
      Abwarten und Bergeld halten in der Phase B2


      Wir beginnen 1982 am tiefsten Punkt des Kreisels am Ende der Übertreibung nach unten. Die Kurse waren bereits über Jahre auf Talfahrt gewesen. Auf dem Tiefpunkt der Krise erschien in der Business Week eine Titelgeschichte mit der Überschrift >>Der Tod der Aktie<<. Niemand wollte mehr Aktien haben, die Leute würden sich nur noch für Gold, Immobilien und Sachwerte interessieren, war der Tenor der Geschichte. Die Situationsbeschreibung war nicht ganz falsch - die Inflationsraten waren aufgrund der Ölpreiskrise zweistellig und jeder versuchte sein Vermögen vor der Geldentwertung zu schützen -, doch sie war auch nicht ganz richtig. Und an der Börse ist eine halbe Wahrheit bereits eine ganze Lüge. Denn obwohl angeblich niemand mehr Aktien haben wollte, wurden an der Wall Street 50 Millionen Aktien pro Tag gehandelt. Das bedeutet, daß 50 Millionen Aktien verkauft, aber eben auch 50 Millionen Aktien gekauft wurden. An der Börse steht jedem Verkauf ein Kauf gegenüber, sonst würde es keinen Umsatz und auch keinen Kurs geben. >>Niemand wollte kaufen<< oder >>niemand wollte verkaufen<<, diese Sätze gehören zu den dümmsten Formulierungen in den Börsenkommentaren.
      Doch wer waren diese Käufer, die an den trüben Tagen 1982 die 50 Millionen Aktien gekauft haben? Ganz klar: die Hartgesottenen. Sie decken sich zu Ausverkaufspreisen mit Aktien ein, zu einem Zeitpunkt, an dem die Nachrichten aus der Wirtschaft noch extrem schlecht sind. Dann beginnt die erste Phase der Aufwärtsbewegung, die Korrektur.

      Während dieser werden die Kurse, die zu tief gefallen sind, bei geringen Umsätzen auf ein Niveau korrigiert, das gewissermaßen realistisch und berechtigt ist. Die Käufer sind immer noch die Hartgesottenen. Begünstigt wurde die Korrektur Ende 1982 vom Faktor Geld, der mittlerweile positiv war. Der US-Notenbank war es durch die vorherige Hochzinspolitik gelungen, die Inflation abzuwürgen, und sie hatte die Zinsschraube bereits gelockert, woraufhin auch die langfristigen Zinsen zurückgegangen waren.

      Dann wurden die Nachrichten aus der Wirtschaft und der Politik zunehmend besser. Amerika befreite sich aus der Psychose, in der es seit dem Vietnamkrieg und der Geiselnahme in der Teheraner Botschaft gesteckt hatte. Der Riese erwachte wieder. Die meisten hatten geglaubt, er sei tot. Ich persönlich war aufgrund meiner Erfahrungen als Flüchtling in New York während des Zweiten Weltkriegs immer davon überzeugt gewesen, daß er nur schlief. Ronald Reagan erweckte ihn wieder zum Leben und gab den Amerikanern ihr Selbstbewußtsein zurück. Zu diesem Zeitpunkt trat der Markt in die zweite Phase, die ich die Phase der Begleitung nenne. Während dieser zeit entwickeln sich die Kurse bei leicht steigenden Umsätzen parallel zu den laufenden Ereignissen. Sind sie gut, gehen die Kurse berechtigterweise weiter noch oben. Sind sie schlecht, bröckeln die Kurse wieder ab.

      Mitte der 80er-Jahre waren die Ereignisse äußerst positiv. Die Ölpreise brachen zusammen. Die OPEC, die die westliche Welt in die größte Energiekrise gestürzt hatte, war besiegt. Die Inflationsraten fielen auf fast Null. Paul Volker, der damalige Präsident der Federal Reserve Bank, konnte die Zinsen weiter senken. Die Wirtschaft wies kräftige Wachstumsraten aus und die Unternehmensgewinne explodierten, nicht zuletzt aufgrund einer wirklichen Steuerreform, die den Spitzensteuersatz auf 28 und den Körperschaftsteuersatz auf 32 Prozent senkte. Millionen neue Jobs wurden geschaffen.

      Diese positiven Nachrichten wurden von steigenden Kursen begleitet, die wiederum weitere Käufer anzogen. Die Käufer in der zweiten Phase, der Phase der Begleitung, nenne ich Mischlinge. Sie sind halb hartgesotten und halb zittrig. Es sind Anleger, die sich traditionell für Aktien interessieren und bereits eine gewisse Erfahrung haben. Sie erkennen noch rechtzeitig die wieder haussierenden Kurse und steigen ein. Diese Käufe lassen die Kurse weiter steigen.

      An diesem Punkt der zweiten Phase besteht nun die Gefahr, daß, begünstigt durch weitere positive Ereignisse, automatisch in die dritte Phase übergegangen wird. In dieser Phase des Bullenmarkts, der gemeinhin auch als Milchmädchen-Hausse bezeichnet wird, kaufen die Zittrigen. Die Kurse springen bei stark steigenden Umsätzen von Stunde zu Stunde in die Höhe. Die Kurse und die Stimmungen eskalieren wechselseitig. Die gestiegenen Kurse erzeugen eine rosige Stimmung, und diese treibt die Kurse jetzt noch weiter in die Höhe. Sie haben keine Bedeutung mehr, sind ausschließlich von der Masseneuphorie bestimmt.

      In einer derartigen Stimmung sagte Sir Isaac Newton, der selbst ein leidenschaftlicher Spekulant war und sein ganzes Geld in dem Londoner Seifenblasenkrach verloren hat: "Die Bahn der Himmelskörper kann ich auf Zentimeter und Sekunden berechnen, nicht jedoch, wohin eine verrückte Menge einen Kurs treibt."

      Zu Beginn des Jahres 1987 trat der Markt in die dritte, die Phase der Übertreibung. Die fünfjährige Hausse mit einem Kursanstieg von rund 200 Prozent übte eine enorme Anziehungskraft auf das breite Publikum aus. Die Zittrigen, die zwischen 1980 und 1982 der Aktie abgeschworen, ihre Papiere frustriert zu Tiefstpreisen verkauft und ihr Geld Sachwerte investiert hatten, wollten jetzt schnell wieder einsteigen. Sie kaufen immer dann, wenn in den Massenmedien von der großen Aktienhausse berichtet wird und auf jeder Party Aktien das Thema Nummer eins sind. Ihre Freunde prahlen mit großen Aktiengewinnen, und da wollen sie unbedingt dabei sein. Fast panisch kaufen sie alles, was bereits stark gestiegen ist. Sie suchen nicht nach unentdeckten, unterbewerteten Aktien, sondern steigen dort ein, wo ihre Freunde angeblich bereits das große Geld gemacht haben. Kurzum, sie kauften die Aktien, die gerade in Mode sind. Und wer verkauft den Zittrigen die Aktien zu Rekordpreisen? Natürlich die Hartgesottenen, die unten gekauft haben.

      Die Phase der Übertreibung kann eine Zeit lang andauern, und die Hausse kann noch weitergehen, vor allem solange der Faktor Geld noch positiv ist. Sie findet erst ihr Ende, wenn alle Papiere aus den starken Händen der Hartgesottenen in die schwachen Hände der Zittrigen gewandert sind. Dann haben die Zittrigen kein Bargeld mehr, sondern die Hände voll mit Papieren, die sie sogar auf Kredit gekauft haben, und die Hartgesottenen haben das Bargeld. Jetzt warten die Zittrigen auf noch Zittrigere, die ihnen die Papiere zu noch höheren Preisen abkaufen. Aber die gibt es nicht. Und die Hartgesottenen, die auf Bargeld sitzen, kaufen zu diesen Kursen nicht. Wenn dann der Faktor Geld noch negativ wird, ist der Zusammenbruch vorprogrammiert.

      Als ich Anfang 1987 in einem meiner Vorträge vor der Überhitzung warnte, weil sich meiner Ansicht nach zu viele Papiere in den Händen der Zittrigen befänden, stellte mir ein junger Mann eine provozierende Frage:

      "Herr Kostolany, wie ich lese und höre werden heutzutage 90 Prozent der Umsätze von Fondsmanagern und institutionellen Anlegern getätigt. Sollen das etwa auch Zittrige sein?"

      Meine Antwort war kurz: "Ja, natürlich sind das auch Zittrige. Sie sind keine Milchmädchen, aber sie verhalten sich wie diese. Sie laufen der Masse hinterher und haben weder das G für Gedanken noch das G für Geduld."

      Die bei den instituionellen Anlegern verantwortlichen Money-Manager waren die so genannten Golden Boys - die Symbolfiguren für die Yuppies der 80er-Jahre. Die Investmentbanken, Fondsgesellschafen und Versicherungen hatten sie mit Riesengehältern von Havard und der London School of Economics in ihre Handelsabteilungen geholt. Wer unterschrieb, konnte zwischen Mercedes, BMW, Jaguar oder Porsche wählen. Diese Grünschnäbel zwischen 25 und 30 Jahren hatten weniger Erfahrung als jeder Börsenlaufbursche und sollten Hunderte von Millionen verwalten. Und im August 1987 ging Ihnen auch noch das G für Geld aus. Sie waren sogar vollkommen überinvestiert - nicht am Aktienmarkt, sondern an der Terminbörse.

      Nachdem die Rohstoffhausse vorbei war, mußten sich die Terminspieler etwas Neues einfallen lassen. Und so begannen sie mit dem Handel von Terminkontrakten auf Aktienindizes. Aktienindizes gab es schon immer. Einer der ältesten und der wohl bekannteste ist der Dow-Jones Index. Er ist an sich ein kleiner Index, da er den Durchschnittskurs von nur 30 Unternehmen wiedergibt. Es handelt sich dabei zwar um die 30 größten amerikanischen Unternehmen, doch gibt es andere Aktienindizes, wie zum Beispiel den Standard & Poor´s 500, der diese 30 Aktien und noch 470 andere Werte umfaßt. Auf den S&P 500, wie der Index kurz genannt wird, hatte man einen Terminkontrakt kreiert. Er hat eine Kontraktgröße von 500 multipliziert mit dem Index. Zum damaligen Stand von rund 340 Punkten ergab sich ein Wert von rund 170.000 Dollar. Der Einschuß, den man hinterlegen mußte, um einen Kontrakt handeln zu können, betrug gerade mal 6.000 Dollar, was einer Kapitaldeckung von weniger als fünf Prozent entsprach. Das war genau genommen nichts anderes, als würde man mit weniger als fünf Prozent Eigenkapital und zu 95 Prozent auf Kredit spekulieren. Eine Relation, die noch perverser war als die 1929, wo zumindest zehn Prozent Eigenmittel hinterlegt werden mußten.

      Die Funktionsweise des Terminkontraktes ist jedoch viel schneller und effizienter als der Aktienmarkt 1929. Ist man zum Beispiel long (= Spekulation auf steigende Kurse) in einem Terminkontrakt und der Markt geht zurück, dann wird man umgehend vom Broker aufgefordert, die nötige Sicherheitsdeckung, die so genannte Margin, wieder aufzufüllen. Kommt man diesem Margin-Call nicht nach, wird die Position automatisch zwangsliquidiert. Ob der Kunde bei dem jeweiligen Brokerhaus mit anderen Sparguthaben oder großem Immobilienbesitz als solvent bekannt ist, was ihn in der Schweiz oder auch in Deutschland sicher retten würde, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Die Regeln der Terminbörsen zwingen die Broker zur sofortigen Exekution, wird die Margin nicht gleich wieder aufgefüllt.

      Diese neue Variante der Spekulation eröffnete auch der Arbitrage ein neues Spielfeld. Computergesteuert kaufen die große Investmentbanken Terminkontrakte in Chicago, wenn diese billiger sind als die Aktien in New York, und umgekehrt. Die Index-Arbitrage verbindet den New Yorker Aktienmarkt mit dem Terminmarkt in Chicago wie zwei kommunizierende Röhren.

      Die geringen Einschüsse entfesselten 1987 ein hemmungsloses Spiel in diesen Indexkontrakten. Fast regelmäßig war das Volumen der in New York umgesetzten Aktien geringer als das aller in Chicago an einem Tag gehandelten S&P 500-Kontrakte, was den Terminmarkt zur dominierenden Kraft werden ließ. Nicht mehr der Hund wedelte mit dem Schwanz, sondern der Schwanz mit dem Hund. Die Golden Boys waren voll engagiert und trieben mit ihren Indexkäufen den Markt weiter nach oben. Ein Rekord im Dow Jones nach dem anderen wurde mit Champagner begossen. Die Broker freuten sich über immer höhere Umsätze und versuchten, weitere Anleger in die Spielhölle hereinzulocken. Ein Börsenguru namens Robert Prechter, der mit Hilfe der Elliot-Wellen einen Dow Jones von 3686 für 1988 voraussagte, war der Star der Anleger. Seine Berühmtheit war ein klares Indiz dafür, daß sich die Papiere bereits überwiegend in den Händen der Zittrigen befanden. Jeder nur ein wenig erfahrene Börsianer würde niemals einem Guru hinterherlaufen, der behauptet, den Dow Jones auf den Punkt genau vorhersagen zu können. Man kann optimistisch oder pessimistisch sein, aber was Prechter machte, war eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes.

      In ihrer Euphorie bemerkten die Zittrigen nicht, daß der Faktor Geld mittlerweile negativ war. Die Geldmengenexpansion war in den vergangenen Jahren der Motor der Hausse gewesen. Der mittlerweile im Amt befindliche Notenbankpräsident Alan Greenspan wollte Inflationsgefahren vorbeugen und hob die Zinsen von Jahresanfang 1987 bis zum Sommer mehrmals an. Am Kapitalmarkt stiegen die Zinsen der lang laufenden Anleihen um rund zwei Prozentpunkte. Im August ging dem Dow Jones dann bei 2722 Punkten die Puste aus. Die Kurse begannen mit der ersten Phase der Abwärtsbewegung, der Korrektur. In dieser reichen wenige Verkäufe, um die Kurse abbröckeln zu lassen, da es an neuen Käufern fehlt. Von August bis Oktober gingen die Kurse zunächst langsam zurück. Die Börsianer wurden zunehmend nervös und die rückläufigen Kurse führten zu weiteren Verkäufen. Mitte Oktober trat der Markt dann in die Phase der Begleitung. Zwischen den USA und Deutschland gab es Spannungen. Amerika hatte gegenüber Europa und speziell gegenüber Deutschland ein großes Handelsbilanzdefizit. Sie forderten Deutschland auf, endlich die Binnenkonjunktur anzukurbeln, damit auch US-Unternehmen nach Europa exportieren könnten. Die Forderung war durchaus berechtigt, denn die Bundesbank, deren Vizepräsident damals Helmut Schlesinger war, fuhr einen übermäßig restriktiven geldpolitischen Kurs, der in der ganzen Welt Kritik erntete.

      Am Donnerstag und Freitag stürzten die Kurse bereits um jeweils 100 Punkte, was damals über vier Prozent bedeutete. Die Stimmung war nervös und auf das Äußerste gespannt. Als dann am Wochenende der damalige US-Finanzminister James Baker drohte, den Dollar noch weiter fallen zu lassen, wenn die deutsche Bundesbank nicht bereit sei, durch eine Zinssenkung die Binnenkonjunktur anzukurbeln, stürzte der Markt in die dritte Phase der Abwärtsbewegung, die Übertreibung.

      In dieser erzeugen allein die fallenden Kurse einen schwarzen Pessimismus, der wiederum auf die Preise drückt, und die Kurse fallen wie Blätter im Herbst. Die Baissewelle der letzten Phase dauert immer so lange, bis ein psychischer Elektroschock aus irgendeiner Richtung den Teufelskreis zu durchbrechen vermag. Wenn der Elektroschock nicht kommt, obwohl Argumente für die Gegenrichtung bereits vorhanden sind, dann toben sich die Kurse nach unten aus.

      Am 19. Oktober blieb der Elektroschock aus. Den Golden Boys ging auch noch das letzte für Glück stehende G aus. Durch die bereits in der Vorwoche stark gefallenen Kurse waren viele ihrer Terminpositionen nachschußpflichtig. Doch sie waren nicht willens oder konnten nicht nachschießen. Der 19. Oktober begann mit einer Reihe von Zwangsexekutionen, die den S&P-Kontrakt weiter in die Tiefe rissen. Die Kursverluste machten weitere Positionen nachschußpflichtig und lösten die nächste Welle von Zwangsverkäufen aus, die wiederum für weitere Kursverluste sorgten. Die Lawine war nicht mehr aufzuhalten. Zusätzlich zu diesen Verkäufen, die bestehende Long-Positionen schlossen, verkauften die Golden Boys weitere Kontrakte short (= Spekulation auf sinkende Kurse), um ihre Aktienpositionen, die sie an Wall Street hatten, abzusichern. Anstatt alle Aktienpositionen einzeln zu verkaufen, verkauften sie lieber leer den Betrag in Terminkontrakten, was wesentlich einfacher, schneller und vor allem spesengünstiger war.

      Diese Strategie ist auch heute noch die große Mode unter den jungen Money-Managern. Sie nennen es Portfolio Insurance (Portfolio-Versicherung). Ein Unsinn an sich. Denn die Versicherung funktioniert nach dem Motto: Ich verkaufe mein Haus, um es gegen Feuer zu versichern. Ich kann auch nicht verstehen, wie selbst erfahrene Kollegen davon sprechen, daß sie sich am Terminmarkt abgesichert hätten. Es reicht ein Satz: Ich habe verkauft. Versichern kann man sich nur durch den Kauf von Verkaufsoptionen, was auf Dauer jedoch sehr kostspielig wird.

      Die Portfolio-Insurance-Verkäufe trieben den Markt weiter nach unten. Die Index-Arbitrage lief derweil natürlich auf Hochtouren. Der Terminmarkt stand ständig tiefer als der Kassamarkt, was dementsprechend Verkäufe an der Wall Street und Käufe in Chicago auslöste. Doch diese Käufe waren nicht in der Lage, den Kursverfall auf dem Index-Terminmarkt, ausgelöst durch die Zwangsliquidation Tausender kleiner und großer Spieler, aufzuhalten. Alle wollten nur noch durch eine Tür. So wie im Kino, in dem einer Feuer schreit und alle durch die kleine Tür hinaus wollen. Am Ende gibt es sogar Tote und Verletzte, obwohl kein Zündholz gebrannt hat. Ich war am 19. Oktober zufällig bei einem Broker. Ich saß da und hörte wie ununterbrochen das Telefon klingelte. Die Kunden riefen aufgeregt an. Doch sie gaben nicht wie üblich den Auftrag: "Verkaufen Sie die Papiere X und halbieren Sie die Position Y!" Die Zittrigen, die zuvor bei den hohen Kursen eingestiegen waren, gaben nur noch einen Auftrag: Alles verkaufen! Zum Börsenschluß um 16:00 Uhr hatte der Dow-Jones-Index 508 Punkte verloren. Der Krach war da.

      Und wer kaufte die Papiere zu den Schleuderpreisen am 19. Oktober 1987? Ganz klar! Die Hartgesottenen. Sie hatten das Geld und die Nerven. Die Zittrigen hingegen hatten ausverkauft und leckten ihre Wunden. Man suchte einen Schuldigen. Denn gewinnt der Börsianer, schreibt er sich den Erfolg selbst zu. Verliert er jedoch, ist immer ein anderer schuld. Der Schuldige war schnell ausgemacht: die Computer, die den Programmhandel betrieben. Eine Täterrolle, die der arme Computer natürlich nicht ausfüllen konnte. Genauso wenig wie das Besteck, mit dem man einen schlechten Fisch gegessen hat, an der Magenverstimmung schuld ist. Schuld ist nur der faule Fisch oder, um in der Wall-Street-Sprache zu sprechen, die Golden Boys.

      Doch unbenommen, ob die Aussage James Bakers berechtigt oder unberechtigt war, sie war der Nadelstich in den geschwollenen Ballon und die Börse stürzte zusammen. Ein Ereignis, das ich unter diesen Umständen durchaus erwartet hatte. Wären die Papiere in den Händen der Hartgesottenen gewesen, hätte die Börse von Bakers Aussage wahrscheinlich überhaupt keine Notiz genommen. Was jedoch auch mich überraschte war die Tatsache, daß die dritte Phase an nur einem Tag ablief. Einen Kurssturz um 22 Prozent oder auch noch mehr habe ich unzählige Male erlebt, aber eben nicht in dieser Geschwindigkeit. Ich fühlte mich etwa so wie der Europäer, der in Amerika lebt und sich bei seinem New Yorker Freund über das amerikanische Wetter beklagt:

      "Der Winter ist zu kalt, der Sommer zu heiß und der Frühling und Herbst taugen eh nichts."
      "Habt Ihr denn nicht auch vier Jahreszeiten in Europa?", fragt ihn sein Freund. "Doch", entgegnete er, "aber nicht am selben Tag."

      Viele Journalisten fragten damals, ob ich viel verloren hätte. Ich entgegnete: "Verloren? Das ist ja ein Witz. Ich habe nichts verloren. Die Papiere, die ich habe, stehen auch heute noch ein vielfaches höher, als ich sie gekauft habe."

      Dem reichsten Mann Frankreichs, der Großaktionär bei mehreren französischen Unternehmen und gewichtigster Anteilseigner der größten Versicherung AGF ist, stellte man die gleiche Frage. Woran man erkennen kann, wie dumm viele, die sich im Börsenzoo tummeln, doch sind. Herr X verkauft seine Aktien doch nicht, weil die Börsen schwächer werden können. Wenn er verkaufen würde, dann gingen die Papiere allein deswegen zurück. Genauso könnte man die Familie Quandt, Großaktionär von BMW und eine der reichsten Familien in Deutschland, fragen, ob sie viel verloren habe, wenn die BMW-Aktie aus irgendeinem Grund zurückgeht. Verloren hat nur derjenige, der hoch kauft und tief verkauft. Das habe ich nie getan. Und deshalb war ich auch nicht nervös. Viele unserer Freunde erkundigten sich nach dem 19. Oktober 1987 bei meiner Frau nach meinem Wohlbefinden. Sie fragten: "Wie geht es André. Ist er nervös?" - "Nervös? Ich kann nichts feststellen. Er sitzt in seinem Sessel und hört Musik, so wie immer", antwortete meine Frau. Wenn ich voll bezahlte Papiere habe, was mir bereits seit vielen Jahren Gesetz ist, bin und war ich bei Kursstürzen eigentlich immer ruhig. Wenn ich merke, daß sich dennoch ein wenig Unruhe in mir breit machen will, denke ich immer an meinen guten alten Freund Eugène Weinreb, einen routinierten Börsenfuchs, der bereits im Alter von zehn Jahren mit dem Spekulieren begonnen hatte. Eines Tages kam sein Sekretär voller Aufregung zu ihm. "Die Papiere gehen dramatisch zurück, was sollen wir tun?" Er antwortete völlig gelassen: "Die Papiere gehen zurück? Soll ich mich aufregen? Ich war drei Jahre in Auschwitz..."

      Aber nicht alle meine Freunde waren so gelassen. Kurz nach dem Krach traf ich meinen lieben und intelligenten Freund Heiko Thieme auf dem Flughafen. Er war jahrelang der Wall-Street-Experte der Deutschen Bank und managt heute in New York einen eigenen Fonds. Ich schätze ihn sehr, weil er genau wie ich Optimist ist, wenn auch manchmal etwas überzogen. Das stört mich aber überhaupt nicht, und er ist mir tausend Mal lieber als die Schwarzmalerei der Crash-Gurus. Ich konnte mich allerdings nicht des Eindrucks erwehren, daß er gestreßt und nervös war. Ich weiß nicht, welche Engagements er hatte. Möglicherweise war mein Freund long in S&P 500-Kontrakten, was damals die neue Mode war, oder vielleicht hatte er Schulden auf seine Papiere. Und wie man dadurch ins Schwitzen kommen kann, habe ich durch meine eigenen Erfahrungen illustriert.

      Ich stand 1987 nicht mehr auf der Käuferseite und hatte Barreserven, was meine Position sehr komfortabel machte. Das eine oder andere Papier habe ich sogar verkauft, weil ich mit einem größeren Rückschlag rechnete. Das kann nachher natürlich jeder sagen, doch ich habe einen Beweis. In Capital, wo ich seit nunmehr 30 Jahre Kolumnist bin, schrieb ich im Oktoberheft 1987, daß am letzten Freitag im September erschien: "Auch die Wall Street ist keine Einbahnstraße. Der nächste Einbruch kommt deshalb bestimmt." Eine Binsenweisheit, mag man denken. Diese Aussage kann natürlich jeder machen, denn Einbrüche kommen immer irgendwann. Doch meine Leser wissen, daß ich solche Warnungen dann ausstoße, wenn ich auch eine Gefahr sehe. In den Kolumnen schrieb ich während der Hausse der 80er-Jahre häufig über die Wall Street, aber nie in diesen Tönen. Ich war jedenfalls seelisch, mental und materiell vorbereitet. Ich hatte Cash in Reserve. Das es dann weniger als einen Monat dauerte, bis der Krach passierte, war nur Glück. Das konnte ich auch nicht wissen. Ich spürte durch meine erfahrene Nase nur, daß es nach Pulver roch.

      Aber es war nicht die einzige Prognose, die ich in der besagten Kolumne machte. Der Vorspann ging folgendermaßen weiter: "Doch langfristig wird es am amerikanischen Aktienmarkt aufwärts gehen - den Sowjets sei Dank." Diese Prognose war ein wirklicher Volltreffer. Wie wir wissen, steht der Dow-Jones-Index heute bereits rund viermal so hoch wie vor dem Krach 1987. Die sich abzeichnende Entspannung zwischen den Sowjets und den Vereinigten Staaten machte mich so optimistisch.

      Einen Tag nach dem Krach hielt ich einen Vortrag im Deutschen Museum in München. Mein Koreferent war kein geringerer als der damalige Außenminister der Bundesrepublik, Hans-Dietrich Genscher. Er sprach über Außenpolitik und ich, wie sollte es anders sein, über die Börse. Ich verkündete großen Optimismus für die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft. Die Süddeutsche Zeitung widmete mir am nächsten Tag eine halbe Seite, weil es, wie sie in dem Artikel selbst zum Ausdruck brachte, so angenehm war, endlich mal einen Optimisten zu hören. Was mich bereits einen Tag nach dem Krach so optimistisch machte, war die damalige Äußerung des US-Notenbankpräsidenten Alan Greenspan: "Die Federal Reserve steht der Wirtschaft mit allen Mitteln zur Verfügung und wenn nötig werde ich die Banken in Liquidität baden." Damit war für mich die Krise gelöst. Eine Wiederholung von 1929 war ausgeschlossen. Diese Aussage Greenspans war für jeden Hartgesottenen das Signal zum Einstieg. Der Faktor Geld war wieder positiv und der nächste Aufschwung somit nur eine Frage der Zeit.

      Die Volkswirte sahen das ganz anders. Sie rechneten mit einer schweren Wirtschaftskrise. In Washington trafen sich 33 Wirtschaftsprofessoren. Mein damaliger Kommentar war kurz aber vielsagend: "33 Professoren, o schöne Welt, du bist verloren."

      Nach dem 19. Oktober pilgerten auch viele Sensationstouristen nach New York. Sie dachten die Wall-Street-Magnaten würden wie 1929 aus den Fenstern springen. Doch sie warteten vergebens. Niemand sprang. Rund 50.000 der Golden Boys verloren zwar ihre Jobs, doch ihr Leben verloren sie glücklicherweise nicht. Und die Kündigungswelle war nicht bedauerlich, sondern eine gesunde Bereinigung. Schließlich waren es die Golden Boys, die aus der Wall Street ein Spielkasino gemacht hatten.

      Auch Guru Robert Prechter schwenkte ins Lager der Pessimisten um. Fortan prognostizierte er einen Dows Jones von unter 1000 Punkten. Tatsächlich markierte der 19. Oktober bereits den tiefsten Stand. Es folgte die Korrektur, und da sich die Wirtschaft entgegen der Prophezeiungen der Professoren weiter nach oben entwickelte, konnten die Kurse weiter steigen und in die Phase der Begleitung durch gute Nachrichten übergehen. Und was waren das für Nachrichten? Zerfall der Sowjetunion, die deutsche Einheit und ein neues technologisches Zeitalter.

      1998 kam es dann wieder zu Übertreibungen. Jeder wollte mitmischen. Besonders am Neuen Mark in Deutschland tobte ein wildes Spiel. Selbst Leute, die zwei Jahre zuvor noch nicht wußten, was Börse überhaupt ist, bekamen Appetit und wurden zum Schluß freß-, sprich: börsensüchtig.

      Ein Rückschlag mußte kommen. Es fehlte nur der Nadelstich in den aufgeblasenen Ballon. Und tatsächlich kamen gleich drei Nadelstiche: Die Südostasienkrise, die verheerende Lage der russischen Finanzen und die berechtigte Warnung Alan Greenspans vor übertriebener Spekulation brachten die Kurse zum Einsturz. Wieder wurde eine weltweite Rezession und Deflation prognostiziert. Die amerikanische Notenbank öffnete die Geldschleusen, um einen Zusammenbruch des Weltfinanzsystems zu vermeiden. Dieser Schritt war für die hartgesottenen Börsianer das definitive Signal zum Einstieg. Der Faktor Geld war wieder positiv. Die Kurse erholten sich fast so schnell, wie sie gefallen waren, und wie es nicht anders zu erwarten war, blieben die von Volkswirten prognostizierten Rezessionen und Deflation aus.

      Und wo stehen wir heute? Der Krach von 1998 hat den Markt nicht so stark bereinigt wie der Krach von 1987. Die Übertreibungen sowohl nach oben als auch nach unten waren diesmal nicht so stark. Die Erholung kam zu schnell, um alle Zittrigen aus dem Markt zu werfen. Trotzdem, die Angst ist ein Jahr später größer als 1998, obwohl der Index seinen alten Rekord schon wieder überboten hat. Ich glaube, daß wir zur Zeit am Ende der zweiten Phase stehen. Euphorie kann ich nicht erkennen.

      Fürchteten sich die Börsianer vor knapp einem Jahr vor der Deflation, ist es jetzt die Furcht vor der Inflation und steigenden Zinsen. Erst wenn immer klarer wird, daß die Wirtschaft aufgrund der rasant steigenden Produktivität weiter inflationsfrei wächst, dürfte die Euphorie kommen und der Markt in die dritte Phase der Aufwärtsbewegung eintreten. Ein größerer Rückschlag wäre dann wie immer nach einem Boom unvermeidbar.

      Doch auch dann bleibe ich bei meiner Prognose vom Oktober 1987: Langfristig wird es am amerikanischen Aktienmarkt aufwärts gehen!



      Boom und Krach: Ein unzertrennliches Gespann

      Der Börsenverlauf zwischen ´82 und´87 ist beispielhaft für unzählige andere. Jeder Börsenzyklus, egal ob am Aktien-, Anleihen-, Rohstoff-, Devisen- oder Immobilienmarkt, verläuft nach dem gleichen Muster. Die Auf- und Abwärtsbewegungen mit ihren Übertreibungen nach oben und unten sind ein Spiegelbild der menschlichen Psyche - der Tanz zwischen Panik und Übermut. Boom und Börsenkrach sind ein unzertrennliches Gespann, der eine kann nicht ohne den anderen sein. Im Zeichen der Prosperität schwellen die Booms gemächlich an. Schließlich ist fatalerweise ein Ballon daraus geworden, der durch einen Nadelstich platzen kann. Es ist ein ewiges Gesetz: kein Börsenkrach, kein Knall, dem nicht ein Boom vorangegangen wäre, und kein Boom, der nicht mit einem Börsenkrach endet.

      Die 400-jährige Geschichte der Börse ist eine Folge von Booms und Börsenkatastrophen. Die meisten hat man längst vergessen. Einige aber haben die Welt verändert und Einzug in die Geschichtsbücher gefunden.

      André Kostolany: Die Kunst über Geld nachzudenken
      Econ Verlag, München, 2000
      Avatar
      schrieb am 06.07.01 18:24:10
      Beitrag Nr. 2 ()
      f50
      ausnahmsweise mal ein informatives posting, davon gibt es leider zu wenig
      Avatar
      schrieb am 06.07.01 19:19:29
      Beitrag Nr. 3 ()
      Ohne hier schwarzmalen zu wollen; die Frage ist nur, befinden wir uns jetzt bei X oder bei Y, wenn man den folgenden Chart und die schlechten Zunkunftsprognosen betrachtet und seine Schlüsse zieht?



      Gruß F 50!
      Avatar
      schrieb am 06.07.01 19:37:39
      Beitrag Nr. 4 ()
      Hier hätte ich noch etwas durchaus informatives:

      Headlines
      Die Spekulation in Aktien wird es immer geben - und das ist gut so. Sie wird auch niemals durch die Warnung vor Risiken unterbunden werden. Gleichgültig, wie fähig und erfahren ein Spekulant auch sein mag: Man kann Menschen nicht davon abhalten, zu irren. Sorgfältig ausgearbeitete Pläne mißlingen, wenn unerwartete, ja absolut unvorhersehbare Ereignisse eintreten. Erdbeben, ungünstige Witterungsbedingungen, die eigene Habgier und die Eitelkeit anderer, Angst und ungezügelte Hoffnung können in Katastrophen enden. Doch abgesehen von seinen "natürlichen" Feinden muß ein Spekulant auch noch gegen gewisse Praktiken und Mißstände ankämpfen, die moralisch und wirtschaftlich unhaltbar sind.

      Tausende kaufen und verkaufen Aktien spekulativ, doch die Anzahl derer, die auch einen Profit erzielen, ist äußerst gering. Da das Publikum stets am Börsengeschehen teilnimmt, erleidet es auch stets Verluste. Bei den Todfeinden des Spekulanten handelt es sich bekanntlich um Unwissenheit, Habgier, Angst und Hoffnung. Alle Gesetzbücher und Börsenordnungen der Welt sind gegen sie machtlos. Auch Gremien als kaltblütigen Wirtschaftlern oder warmherzigen Philanthropen sind nicht in der Lage Zufälle zu regulieren, die sorgfältig konzipierte Pläne zu Fall bringen. Eine andere Verlustquelle stellt die vorsätzliche Verbreitung von Fehlinformationen dar. Da diese dem Aktienspekulanten in vielerlei Gestalt begegnen können, sind sie umso heimtückischer, hinterhältiger und gefährlicher.

      Der durchschnittliche Outsider führt seine Trades in der Regel aufgrund von mündlich übermittelten, schriftlichen, direkten oder stillschweigenden Tips bzw. Gerüchten durch. Gegen manche Tips ist man machtlos - so z.B. wenn einem ein langjähriger Freund unbedingt zu Reichtum verhelfen will und erzählt, daß er es mit dem Kauf und Verkauf von Aktien geschafft hat, wohlhabend zu werden. Er hat sicherlich die besten Absichten. Doch wenn der Tip nun schief geht? Vor professionellen und unehrlichen Tipgebern kann sich das Publikum etwas ebenso gut schützen wie vor falschen Goldbarren und "bösen Waldgeistern". Den typischen Wall-Street-Gerüchten ist es jedoch schutz- und entschädigungslos ausgeliefert. Wertpapierhändler, Manipulatoren, Pools und Einzelpersonen bedienen sich verschiedener Instrumente, die ihnen helfen sollen, ihren überschüssigen Bestand zum bestmöglichen Kurs zu veräußern. Die Verbreitung von Hausse-Nachrichten seitens der Zeitungen und der Ticker stellt jedoch das heimtückischste aller einschlägigen Instrumente dar.

      Sieht man sich die Wirtschafts- und Finanzberichterstattung der Nachrichtenagenturen an einem beliebigen Tag einmal an, stellt man überrascht fest, wie viele indirekte, halboffizielle Meldungen sie doch verbreiten. Da ist von einem "bekannten Insider", einem "prominenten Vorstandsmitglied", einem "leitenden Mitarbeiter" oder auch von einem "autorisierten Vertreter" die Rede, von denen man annehmen möchte, daß sie wissen, wovon sie sprechen. Ich will aus den heutigen Meldungen eine willkürliche herausgreifen: "Ein führender Banker meint, daß es für einen Kursrückgang noch zu früh sei."

      Hat ein führender Banker dies nun wirklich gesagt, und wenn er es sagte, weshalb? Weshalb gestattet er nicht, daß man seinen Namen ebenfalls druckt? Hat er Angst, die Leute könnten ihm dann glauben?

      Und hier eine Meldung über ein Unternehmen, dessen Aktien in dieser Woche lebhaft gehandelt wurde. Diesmal gibt ein "prominentes Vorstandsmitglied" diese Erklärung ab. Doch welches der Dutzend Vorstandsmitglieder des Unternehmens - wenn überhaupt - nimmt nun eigentlich Stellung? Es liegt auf der Hand: Aufgrund der Anonymität kann keine Schuldzuweisung bei etwaigen Schäden, die Aufgrund der Erklärung entstehen, erfolgen.

      Abgesehen vom intelligenten Studium der Spekulation muß jeder Trader, egal wo er sich befindet, bestimmte Fakten in Zusammenhang mit der Spekulation an der Wall Street beachten. Es gilt also nicht nur herauszufinden, wie am besten Geld verdient werden kann, sondern auch, wie Verluste zu vermeiden sind. Es somit beinahe ebenso wichtig zu wissen, was man tun darf, wie, was getan werden muß. Daher sollte man auch nie aus den Augen verlieren, daß praktisch jede Manipulation auf steigende Kursbewegungen einzelner Aktien abzielt und daß der entsprechende Kursanstieg von Insidern einzig und allein deswegen inszeniert wird, um ihre Bestände mit dem größtmöglichen Gewinn an den Mann zu bringen. Der Durchschnittskunde eines Brokers hält sich für einen ganz normalen Geschäftsmann, wenn er auf einer Erklärung für den Kursanstieg einer Aktie besteht. Natürlich "erklären" die Manipulatoren den Kursanstieg auf eine - d.h. ihre - Art, die nach ihrer Einschätzung den Absatz erleichtert. Ich bin fest davon überzeugt, daß die Verluste des Börsenpublikums ganz erheblich verringert werden könnten, wenn anonyme Meldungen der Presse verboten werden würden. Ich meine damit Erklärungen, die in der Absicht abgegeben werden, das Publikum zum Kauf zu veranlassen oder von Glattstellungen abzuhalten.

      Die überwiegende Mehrheit der "bullischen" Zeitungsartikel, die unter Berufung auf namentliche nicht genannte Vorstandsmitglieder oder Insider etc. gedruckt werden, vermitteln dem Publikum unzuverlässige und irreführende Eindrücke. Dieses Publikum wiederum verliert jedes Jahr viele Millionen Dollar, da es diese Erklärungen und Aussagen als halboffiziell und daher vertrauenswürdig ansieht.

      Nehmen wir einmal an, ein Unternehmen in einer bestimmten Branche hat eine schwierige Zeit hinter sich. Die Aktie ist umsatzschwach. In der Notierung spiegelt sich die allgemeine und vermutlich auch die präzise Einschätzung ihres tatsächlichen Wertes wieder. Wäre die Aktie auf diesem Niveau zu billig, hätte dies jemand bemerkt und sie gekauft; daraufhin würde sie steigen. Notiert die Aktie zu hoch, würde sie dagegen verkauft; ihr Kurs würde fallen. Da jedoch nichts in der einen oder anderen Richtung geschieht, spricht niemand über den Wert und die Aktie weist keine Umsätze auf.

      In der Branche des Unternehmens bahnt sich nun eine Wende an. Wer erfährt es zuerst - die Insider oder das Publikum? Letzteres mit Sicherheit nicht. Was geschieht als nächstes? Setzt sich der Aufschwung der Branche fort, verbessert sich auch die Ertragslage und das Unternehmen kann auf die Aktie wieder Dividende zahlen. Falls die Dividende nicht ausgesetzt war, kann sie erhöht werden. Dies bedeutet, daß der Wert der Aktie steigt.

      Mit unserem Unternehmen geht es weiter aufwärts. Gibt das Management diese erfreuliche Tatsache bekannt? Teilt der Präsident den Aktionären dies mit? Gibt ein menschenfreundliches Vorstandsmitglied eine Erklärung unter Nennung seines Namens für den Teil des Publikums ab, das den Wirtschafts- und Finanzteil der Zeitungen und die Meldungen der Nachrichtenagenturen liest? Gibt ein bescheidener Insider unter Beibehaltung seiner bewährten Politik der Anonymität eine Erklärung ab, daß die Zukunftsaussichten des Unternehmens vielversprechend sind? Dieses Mal nicht. Niemand läßt etwas verlauten. In den Zeitungen werden keinerlei Erklärungen veröffentlicht und über den Ticker kommen ebenfalls keine entsprechenden Meldungen.

      Diese wertsteigernden, zudem wertvollen Informationen werden sorgfältig gehütet und der Öffentlichkeit vorenthalten, während die nunmehr wortkargen "prominenten Insider" alle Aktien, die sie bekommen können, billig aufkaufen. Da die gut informierten Leute weiterkaufen, aber bewußt im Hintergrund bleiben, steigt der Kurs der Aktie. Die für den Wirtschafts- und Finanzteil der Zeitungen zuständigen Reporter, die wissen, daß die Insider den Grund für den Kursanstieg kennen müssen, stellen Fragen. Die Insider, die sich darin einig sind, anonym zu bleiben, erklären einstimmig, daß sie keine Neuigkeiten mitzuteilen hätten. Sie wüßten nichts von einer "Garantie" für einen Kursanstieg. Gelegentlich teilen sie sogar mit, sie würde sich um die Launen des Aktienmarktes und um die Transaktionen von Aktienspekulanten nicht kümmern.

      Der Kursanstieg setzt sich fort. Schließlich kommt der glückliche Tag, an dem die Eingeweihten alle Aktien gekauft haben, die sie wollten, bzw. die sie in ihrem Bestand aufnehmen konnten. An der Wall Street sind sofort unzählige Gerüchte, die auf einen Kursanstieg abzielen, in Umlauf. Die Trader erfahren über die Ticker, daß "aus zuverlässiger Quelle" verlautet wird, daß es mit dem Unternehmen nun endgültig wieder aufwärts gehe. Dasselbe bescheidene Vorstandsmitglied, das seinen Namen in Zusammenhang mit der Bemerkung, daß es keine Garantie für einen Kursanstieg der Aktie gäbe, nicht genannt werden wollte, wird nun - natürlich ebenfalls anonym - zitiert und meint, die Aktionäre hätten allen Grund, sich über die guten Aussichten des Unternehmens zu freuen.

      Das Publikum - animiert von der Flut positiver Meldungen - beginnt mit seinen Aktienkäufen. Die Käufer tragen dazu bei, daß der Kurs noch weiter steigt. Die Prognosen der Vorstandsmitglieder, die sich einig waren, anonym zu bleiben, erweisen sich zum richtigen Zeitpunkt als zutreffend und das Unternehmen nimmt seine Dividendenzahlungen wieder auf bzw. erhöht die Dividende. Dadurch multiplizieren sich die Meldungen, die einen Kursanstieg begünstigen. Sie sind nicht nur zahlreicher als jemals zuvor - sie klingen auch viel enthusiastischer. Ein "an der Spitze stehendes Vorstandsmitglied", das um eine Stellungnahme zur Situation des Unternehmens gebeten wird, teilt mit, daß der Aufschwung nicht nur anhält, sondern daß es viel mehr als das sein. Ein "prominenter Insider" kann nach Aufbieten aller Überredungskünste schließlich von einer Nachrichtenagentur dazu bewegt werden zuzugeben, daß die Ertragslage geradezu phänomenal sei. Ein "bekannter Banker", der mit dem Unternehmen in Geschäftsverbindung steht, wird zu einer Erklärung dahingehend veranlaßt, daß die Ausweitung des Umsatzvolumens einfach einmalig sei. Bei dieser Auftragslage würde im Unternehmen - "wer weiß wie lange" - Tag und Nacht gearbeitet. Ein "Mitglied des Finanzausschusses" bringt in einer öffentlichen Erklärung seine Verwunderung über das Erstauen des Publikums über den Kursanstieg zum Ausdruck. Das einzige Erstaunliche sei die überaus moderate Kursanstiegslinie der Aktie. Wer den demnächst herauskommenden Jahresbericht analysiere, könne sofort feststellen, wie viel höher der Buchwert der Aktie im Vergleich zur Notierung sei. Doch in keinem Fall wird der Name des so kommunikationsfreudigen Philanthropen genannt.

      Solange die gute Ertragslage des Unternehmens anhält, sitzen die Insider auf ihren Aktien, die sie bei niedrigen Kursen aufgekauft haben. Weshalb sollten sie sie auch verkaufen, wenn es keinen Grund für ein Nachgeben des Kurses gibt? Werden Erklärungen abgegeben, Warnungen ausgesprochen oder wird auch nur die geringste Andeutung gemacht? Kaum. Nun hat man es mit einem Aufwärtstrend zu tun. Ebenso wie man still und leise kaufte, als sich die Situation des Unternehmens verbesserte, so wird nun verkauft. Natürlich fällt der Kurs der Aktie aufgrund der Insider-Verkäufe. Dann wird das Publikum mit den schon bekannten "Erklärungen" abgespeist. Ein "hochgestellter Insider" versichert, daß alles in Ordnung sei. Der Kursrückgang sei lediglich auf die Verkäufe von Baissiers zurückzuführen, die versuchten, den Markt auf breiter Front zu beeinträchtigen. Bricht der Kurs eines Tages stark ein, nachdem er über einen längeren Zeitraum gefallen ist, wird immer lauter nach "Gründen" und "Erklärungen" verlangt. Falls sich niemand zu einer Erklärung bereit findet, befürchtet das Publikum das Schlimmste. Der Nachrichten-Ticker bringt nun in etwa folgende Meldungen: "Als wir ein prominentes Vorstandsmitglied des Unternehmens um eine Erklärung für die Schwäche der Aktie baten, antwortete die befragte Person, daß der heutige Kursrückgang nur mit dem Manöver der Baissiers zu erklären sein. Die grundlegenden Bedingungen hätten sich nicht geändert. Die Ertragslage des Unternehmens sei noch nie so gut gewesen und es sei wahrscheinlich, daß auf der nächsten Sitzung, auf der die Dividende beschlossen wird, diese sogar erhöht wird - sofern in der Zwischenzeit nichts absolut Unvorhergesehenes geschähe. Die Baissiers legten ein aggressives Verhalten an den Tag, und die Schwäche der Aktie sei ganz klar auf den Druck, der auf ihren Kurs ausgeübt wird, zurückzuführen, was in der Absicht geschähe, weitere Aktien zu lokalisieren, von denen sich die Inhaber nicht allzu schwer trennten." Die Nachrichtenfernschreiber - das "Maß" aller Dinge - berufen sich weiterhin darauf, daß sie über "zuverlässige Informationen" verfügten, daß die meisten am Tag des Kurseinbruchs gekauften Aktien von Insidern aufgenommen wurden und daß die Baissiers feststellen würden, daß sie aufgrund ihrer Verkäufe schließlich in der Falle säßen. Der Tag der Abrechnung käme bestimmt.

      Zusätzlich zu den Verlusten, die das Publikum wegen der Hausse-Meldungen auf sich nahm, kommen die Verluste, die dadurch entstehen, daß von der Glattstellung abgeraten wird. Der beste Weg Aktien zu verkaufen, die der "prominente Insider" loszuwerden wünscht - besteht darin, das Publikum von einem Kauf zu überzeugen. Der zweitbeste Weg ist der, die Öffentlichkeit davon abzuhalten, eben diese Aktien wieder zu verkaufen, wenn die Insider sie nicht mehr stützen oder aufkaufen möchten. Was muß das Publikum denn glauben, wenn es die Erklärung des "prominenten Vorstandsmitglieds" liest? Was soll der durchschnittliche Outsider davon halten? Natürlich nur ein: Daß der Kurs der Aktie niemals hätte fallen dürfen, daß er alleine durch die Verkäufe der Baissiers gedrückt wurde und daß - sobald diese ihre auf den Kurs drückenden Verkäufe einstellen - die Insider schon für einen Kursanstieg, eine Strafaktion, sorgen werden, durch die die Baissiers zum Eindecken bei hohen Kursen gezwungen werden. Das Publikum glaubt dies wirklich, da dies auch geschehen würde, wenn der Kursrückgang tatsächlich durch entsprechendes Manöver der Baissiers ausgelöst worden wäre.

      Die Aktie, von der in unserem Beispiel die Rede ist, erholt sich jedoch nicht - ungeachtet aller Drohungen und Versprechungen hinsichtlich eines unausweichlichen Zwangs zum Eindecken der übergroßen Short-Bestände. Sie fällt weiter, der Kursrückgang ist nicht aufzuhalten. Die Insider haben zu viele Aktien auf den Markt geworfen, als daß dieser sie "verdauen" könnte.

      Die Insider-Bestände, die von den "prominenten Vorstandsmitgliedern" und "hochgestellten Insidern" verkauft wurden, werden zum Spielball der professionellen Trader. Der Kurs fällt weiter - wie es scheint, ins Bodenlose. Die Insider, die wissen, daß die Absatzbedingungen die zukünftige Ertragslage des Unternehmens beeinträchtigen wird, wagen es nicht, die Aktie zu stützen, bis sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens wieder bessert. Dann kaufen sie erneut - und schweigen.

      Ich habe mich lange genug mit dem Börsenhandel beschäftigt, und ich habe mich viele Jahre lang über den Aktienmarkt in jeder Hinsicht auf dem Laufenden gehalten. Ich kann mich jedoch an kein einziges Beispiel erinnern, bei dem das Drücken der Kurse durch die Baissiers wirklich zum starken Kursverfall einer Aktie geführt hätte. Bei dem Phänomen, das als "Druck auf die Kurse durch die Baissiers" bezeichnet wird, handelt es sich in Wirklichkeit um nichts anderes, als um Verkäufe aufgrund einer genauen Kenntnis der tatsächlichen Umstände. Doch ist es keineswegs damit getan, darauf hinzuweisen, daß der Kurs einer Aktie aufgrund von Insider-Verkäufen oder unterlassenen Insider-Käufen gefallen ist. Jeder würde sich mit dem Verkauf beeilen; doch wenn alle verkaufen und niemand kauft, müssen die Kurse fallen.

      Das Publikum muß eines wissen: Ein lang anhaltender Kursrückgang ist niemals auf das Manöver von Baissiers in der Absicht, die Kurse zu drücken, zurückzuführen. Fällt der Kurs einer Aktie immer tiefer, ist mit Sicherheit etwas nicht in Ordnung, entweder mit dem Markt, an dem die Aktie notiert oder mit dem Unternehmen selbst. Bei einem ungerechtfertigten Kursrückgang würde die Aktie schon bald unter ihren wirklichen Wert fallen; aus diesem Grunde würde sie neue Käufer finden, wodurch der Kursrückgang zum Stillstand käme. Ein Baissier kann nur dann das große Geld mit einer Aktie verdienen, wenn er in ihr bei zu hohem Kurs Short geht. Allerdings hängen die Insider diesen Umstand mit Sicherheit nicht an die große Glocke.

      Die Aktien, bei denen in den letzten zwanzig Jahren die stärksten Kurseinbrüche zu verzeichnen waren, sind nicht deshalb gefallen, weil sie Gegenstand von Manövern der Baissiers gewesen wären. Aber die Bereitschaft, diese Erklärung einfach so hinzunehmen, ist für Verluste des Publikums in Höhe von vielen Millionen Dollar verantwortlich. Sie hielt Aktionäre, denen das Verhalten ihrer Aktien nicht gefiel, immer wieder vom Verkaufen ab; sie hätten glattgestellt, wenn sie nicht erwartet hätten, daß der Kurs nach Beendigung der Manöver der Baissiers gleich wieder zurückkommt.

      In einem Bull-Markt - und insbesondere bei einer Hausse - verdient zuerst das Publikum das Geld, das es dann jedoch wieder "verspielt", da es den günstigen Glattstellungszeitpunkt im Bull-Markt verpaßt. Das Gerede von "Manövern der Baissiers" trägt dazu bei, daß es ihn versäumt. Es sollte sich vor Erklärungen hüten, die nur das erklären, was ihm namentlich nicht genannte Insider glauben machen wollen.

      Jesse Livermore: Das Spiel der Spiele (Titel der Originalausgabe: Reminiscences of a Stock Operator)
      TM Börsenverlag, Rosenheim, 8. Auflage 1999 (Erstausgabe 1923)
      Avatar
      schrieb am 06.07.01 19:50:33
      Beitrag Nr. 5 ()
      Endlich mal wieder etwas informatives von der Boerse (zumals von einem wirklich ausserordentlichem Mann (kostolany) )

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      schrieb am 03.09.01 18:17:16
      Beitrag Nr. 6 ()
      up,up and up...
      Avatar
      schrieb am 03.09.01 20:08:03
      Beitrag Nr. 7 ()
      Sentimenttechnik
      Wie einfach wäre es doch, an der Börse Gewinne zu erzielen, wenn man wüßte, wie sich die anderen Marktteilnehmer verhalten werden.

      Sicherlich: In der Regel ist es erfolgversprechend, mit der Masse der Anleger und damit mit dem vorherrschenden Trend zu handeln. Sitzen jedoch zu viele Anleger im selben Boot, droht die Gefahr eines Gegenschlages der Kurse in die andere Richtung. Denn wer soll beispielsweise noch kaufen, wenn alle Anleger optimistisch oder gar euphorisch und daher bereits im Markt investiert sind?

      Um diese wichtigen Zeitpunkte, die unmittelbar vor bedeutenden Trendwenden auftreten, ganz klar darstellen zu können, müssen wir den Blick auf die psychologische Stimmungslage der Marktteilnehmer (engl. Sentiment) richten! Denn: Nähert sich eine Hausse ihrem Ende, herrscht zumeist eine offensichtliche Euphorie, während gerade an den exzellenten Kaufpunkten am Tief einer Baisse niemand mehr Aktien haben will. Wie aber läßt sich die Stimmung der Marktteilnehmer feststellen?

      Dafür gibt es eine ganze Fülle von Möglichkeiten, von denen wir im folgenden einige vorstellen möchten:

      1. Der wohl bekannteste Indikator zur Identifizierung der psychologischen Stimmung der Marktteilnehmer ist die Put/Call-Ratio des Optionsmarktes, die börsentäglich die Anzahl gekaufter Puts mit der Anzahl gekaufter Calls in Beziehung setzt.



      Die dahinter stehende Logik ist einfach: Der Käufer eines Puts erwartet fallende Kurse, während der Käufer eines Calls von einem steigenden Kursniveau ausgeht. Statistisch erwiesen ist, daß ca. 80 % der Käufer einer Option den Markt falsch interpretieren. Somit lassen sich aus der aktuellen Vorliebe der Optionskäufer für Calls oder Puts oft wertvolle Hinweise auf bevorstehende Trendwenden des Marktes erkennen.

      Informationen über die Put/Call-Ratio finden sich im Wirtschaftsteil jeder guten Tageszeitung.



      2. Ein hervorragender Indikator für das im Markt vorherrschende Sentiment ist aber auch die Anzahl positiv gestimmter Berater, die eine hohe negative Korrelation zur tatsächlichen Kursentwicklung aufweist. Setzen beispielsweise nahezu alle Analysten auf einen Kursanstieg des Dollar oder einen Preisverfall des Goldes, entwickeln sich die Kurse häufig in die Gegenrichtung.



      Die Ursache dieses Phänomens liegt darin begründet, daß sich die Analysten häufig erst durch die jüngste Kursentwicklung zu ihren Prognosen bewegen lassen. Das heißt nichts anderes, als daß oftmals die Kurse die Prognosen "machen" - und nicht umgekehrt.

      Informationen zur Anzahl positiv gestimmer Börsenberater sind in Deutschland nur über Fach-Publikationen möglich.



      3. Als außerordentlich brauchbarer sentimenttechnischer Indikator hat sich auch der "Odd Lot Balance-Index" erwiesen, ein Indikator, der leider für die Deutsche Börse noch nicht berechnet wird. In diesen Indikator fließen lediglich Aktienkäufe und -verkäufe bis zu 100 Stück ein, also die Aufträge der Kleinanleger. Von der Erfahrung ausgehend, daß sich diese Anlegergruppe in der Regel auf der falschen Seite der Börse positioniert, lassen sich aus den Kauf- und Verkaufs-Transaktionen dieser Marktteilnehmer wertvolle Rückschlüsse auf die wahrschein-liche künftige Börsenentwicklung ziehen.

      Bitte beachten Sie jedoch: Während Chart- und Markttechnik eindeutige, punktuelle Signale generieren, bilden die sentimenttechnischen Indikatoren lediglich die vorherrschende Stimmungslage ab, die jedoch nach dem Erreichen von Extrempunkten keineswegs zwangsläufig zu einer Trendumkehr an der Börse führen muß. Denn gerade in Phasen überschäumender Kurseuphorie oder in einer lähmenden Baisse können anhaltende Übertreibungen den vorherrschenden Trend noch weiter ausreizen, bevor es zum unausweichlichen Gegenschlag kommt.
      Avatar
      schrieb am 06.01.02 23:36:41
      Beitrag Nr. 8 ()
      Folgende Weisheit from good old Kosto habe ich ausgegraben
      und diese Worte haben mich wachgerüttelt:

      Thema: Börsenpsychologie

      "Steigt die Börse, kommt das Publikum,
      fällt die Börse, geht das Publikum
      Wenn man es gan genau nähme, dürfte man gar nicht von "Börsenpsychologie" sprechen, denn die Börse ist Psychologie. "Die Verwirrung der Verwirrungen" heißt das erste Buch, das 1688 über die Börse erschien.
      Zyklen wie Ebbe und Flut, die Abfolge der Jahreszeiten, der beständige Wechsel der Mondphasen prägen die Natur; und auch im gesellschaftlichen Lenben begegnen uns Zyklen, etwa die Abfolge von Boom und Rezession in der Wirtschaft, Krieg und Frieden zwischen den Völkern, überhaupt der Pendelschlag zwischen Optimismus/Innovation und Pessimismus/Stagnation in der Geschichte menschlicher Gemeinschaften. An der Börse ist es genauso, und auch hier treibt die Massenpsychologie als entscheidenter Motor diese immerwährende Bewegung an.

      Ich habe - um das Geschehen an den Finanzmärkten etwas durchsichtiger zu machen - nach jahrzehntelanger Erfahrung und Beobachtung eine Theorie der zyklischen Kursentwicklungen an der Börse entwickelt:

      Jeder Börsenzyklus besteht aus drei Phasen:
      1. der Phase der Korrektur,
      2. der Phase der Anpassung oder Begleitung
      3. der Phase der Übertreibung

      Nehmen wir als Beispiel eine Aufwärtsbewegung. Während der neuen ersten Phase wird der Kurs, der zu tief gefallen war, auf ein Niveau korrigiert, das gewissermaßen realistisch und berechtigt ist. In der zweiten Phase entwickelt sich der Kurs parallel zu den laufenden Ereignissen. Sind sie für den Artikel ungünstig, geht der Kurs berechtigterweise wieder zurück. Sind die Ereignisse positiv, beleitet die Notierung sie in einer Aufwärtsbewegung. An einem gewissen Punkt der zweiten Phase besteht nun die Gefahr, daß, begünstigt durch weitere positive Ereignisse, automatisch in die dritten Phase übergegangen wird. In dieser Phase des Bullmarktes springen die Kurse von Stunde zu Stunde in die Höhe. Die Kurse und Stimmungen eskalieren sich gegenseitig. Die gestiegenen Kurse erzeugen eine rosige Stimmung, der Optimismus kennt keine Grenzen mehr und wird zu Euphorie, und diese treibt die Kurse jetzt noch weiter in die Höhe. Sie haben keine Bedeutung mehr, sind ausschließlich von der Massenhysterie bestimmt.
      In einer zyklischen Baissebewegung erzeugen die tiefen Kurse in der dritten Phase einen schwarzen Pessimismus, der wiederum auf die Preise drückt, und die Kurse fallen wie Blätter im Herbst. Diese Baisse- oder Haussewelle der letzten Phase dauert immer so lange, bis eine psychischer Elektroschock aus irgendeiner Richtung den Teufelskreis zu durchbrechen vermag. Wenn der Elektroschock nicht kommt, obwohl Argumente für die Gegenrichtung bereits vorhanden sind, dann tobt sich diese letzte rein psychologische Phase langsam aus. Und eines Tages wendet sich die Markttendenz ohne jede erkennbare Veranlassung zur größten Überraschung des Publikums uns sogar der Experten, die darauf nicht vorbereitet waren. Nun beginnt die zyklische Gegenbewegung (in unserem Falle die Korrektur, die Anpassung und die Übertreibung in einer Abwärtsbewegung). Das ist die ewige Rotation an der Börse.
      Wie soll sich nun der Spekulant in diesen drei Phasen verhalten? In der dritten, das heißt in der Übertreibungsphase des Bearmarktes, sollte er kaufen und auch nicht erschrecken, wenn die Preise weiter zurückgehen. Denn wie die alten Börsianer schon auf der Budapester Getreidebörse sagten: "Wer den Weizen nicht hat, wenn er zurückgeht, hat ihn auch nicht, wenn er steigt." In der ersten Phase der Aufwärtsbewegung sollter er weiterkaufen, denn der Tiefpunkt ist überwunden. In der zweiten Phase sollte er eigentlich nur Zuschauer sein, nur passiv mit der Bewegung gehen und sich seelisch darauf vorbereiten, in der dritten Phase bei der allgemeinen Euphorie aus dem Markt auszusteigen. Das heißt, bei der zyklischen Börsenbewegung soll man zu zwei Dritteln gegen die Tendenz und zu einem Drittel mit der Tendenz gehen.
      Es ist natürlich sehr schwierig für einen Spekulanten, gegen die dritte Übertreibungsphase der Baisse zu gehen, das heißt gegen den allgemeinen Konsensus zu handeln und zu kaufen, wo die Kollegen, die Massenmedien und Experten zu Verkaufen raten (und vice versa). Denn sogar jener, der diese Theorie kennt und ihr folgen möchte, ändert im letzten Moment unter dem Druck der Massenpsychose seine Meinung und sagt sich, theoretisch müßte ich zwar jetzt einsteigen, doch ist die Situation diesmal anders. Es stellt sich ja erst spät heraus, daß auch diesmal antizyklisches Handeln das beste gewesen wäre. Man muß sehr trainiert, mißtrauisch, zynisch und auch ein wenig eingebildet sein, um sich der Massenhysterie entziehen und sagen zuk können: "Ihr seid alle Dummköpfe, und nur ich weiß etwas, oder jedenfalls weiß ich es besser!" Zugegeben, das ist kein schöner Charakterzug, aber sehr nützlich, um selbständig zu denken und die condition sine qua non zum Erfolg. Deshalb gelingt es an der Börse auch nur einer Minderheit, erfolgreich zu spekulieren. Die Mehrheit zählt ja zu den Verlieren."
      Avatar
      schrieb am 15.06.02 00:05:03
      Beitrag Nr. 9 ()
      Zittrigkeit


      Immer dann, wenn bestimmte Börsenschlagwörter benutzt werden, gehen Meinungen, Gedanken und auch Verständnis häufig unterschiedliche Wege und führen damit oft zu unterschiedlichen Interpretationen und Missverständnissen zwischen Lesern und Autoren.

      Während man in der Chartlehre und auch bei den Unternehmensanalysten viele exakte nur eindeutig zu verwendende Begriffsbestimmungen findet, glaubt man, alles was sofort keine eindeutig nachvollziehbare Formel oder Begriffsdefinition aufweist, wäre somit für jedermann, je nach Lust und Laune für alles und jenes als Börsenautorenjoker beliebig einsetzbar.

      Hiervon gibt es eine ganze Reihe von Begriffen im Zusammenhang mit der Aktienanlage wie bsw. "Spekulation" - spekulativ - Bewertung - teuer - billig - usw.usw. Deren Bedeutung und Auslegung vielschichtig und innerhalb der Verwender sehr unterschiedlich sein kann.

      Vielleicht ist es sogar ein wichtiger von mehreren Gründen, weshalb Chartlehre und auch Buffetts Unternehmens-Value-Analyse mit überwiegend sofort eindeutigen unmissverständlichen Begriffsbestimmungen und nachvollziebaren Rezepten, so viele Anhänger gefunden hat.

      Börsenautoren wie Kostolany, die diesen Begriff "Zittrigkeig" in die Börsenliteratur eingeführt haben, und die ihn im laufe ihres langen Börsenlebens immer mehr mit Inhalten gefüllt haben, kennen somit auch die Tragweite und Wichtigkeit und ihre vielschichtigen offenen, häufig aber auch versteckten Facetten, die eine kurze und knappe allgemeinverständliche Definition oder etwa mathematische Formel nicht zulassen.

      Jeder von uns hat schon mal vor Kälte gezittert. Eine Schutzfunktion des Körpers, der die unterschiedlichen Temperaturen von Hautoberfläche und Körpertemperatur durch ein vibrieren (schnelles- und ungleichmäßiges richtungsloses Hin und Her) der oberen Hautschichten auszugleichen versucht. Das physische Zittern hat für den menschlichen Organismus Warn- und auch Schutzfunktion.

      Das psychische Zittern ist viel komplexer und vielschichtiger hat aber ebenfalls Warn- und auch Schutzfunktion.

      Auslöser sind hier nicht physische Faktoren wie Kälte, elektrischer Strom oder hohes Temperaturgefälle sondern psychische (z.B. Unkenntnis, Ungewissheit, Angst vor Schaden, fehlende Erfahrung), die dann dazu führen, dass bewusst aber auch unbewusste Prozesse im Hirn ablaufen, die keine eindeutige Entscheidung herbeiführen, sondern abwechselnd kurz für aber dann auch wieder gegen eine eindeutige Richtung votieren.

      In dieser Situation der Unbeholfenheit und Unentschlossenheit schaut der Mensch grundsätzlich fast immer nach seinen Mitmenschen und versucht hier Lösungen zu finden. Bei bsw. einer solidarischen Unentschlossenheit schreckt auch der Einzelne vor einer Entscheidung zurück, die im Widerspruch zur allgemeinen Gruppen-oder Massen-Meinung steht. Ja selbst das existieren von rational nachvollzieharen Normen und Gesetzen, die zuvor noch angewendet und befolgt wurden, sind dann nicht mehr gültig. Wenn dann bsw. im "Börsenkino" einer "Feuer" schreit, laufen sie alle und drängen durch den viel zu kleinen Ausgang ins Freie. Die "Ratio" ist abgeschaltet, denn kaum einer schaut nach, ob es wirklich brennt.

      Die Unentschlossenheit, nur für sich alleinig individuelle Entscheidungen gegen die Massenmeinung und der allgemeinen Stimmung zu treffen, das immer existierende und angestrebte Harmoniebedürfnis der Menschen sowie auch der Herdentrieb sind mitverantwortlich für die großen Ausschläge von Hausse und Baisse an der Börse .

      Gäbe es deshalb mehr Arbeitgeber oder Unternehmer in unseren Industriegesellschaften, dann wäre auch die "Zittrigkeit" im Anlegerverhalten der Massen zumindest weniger stark ausgeprägt.

      Die notwendigen unternehmerischen Wesensmerkmale wie Eigenverantwortung, Willensstärke und die Freude und der Drang zu selbständigen alleinigen Entscheidungen, um diese dann auch konsequent zu verfolgen. (Buffett)

      Alles das fehlt in der Regel aber dem Kleinanleger.

      Er sucht deshalb auch zwangsläufig nach Geborgenheit und Sicherheit und schließt sich auch deshalb gerne Gruppen, Foren, Methoden und auch Strategien an, die Eindeutige klare, am liebsten noch von allen solidarisch getragenen (Anlage)-Rezepte liefern.

      Ich habe mich selbst davon überzeugt, ja habe es früher oft erlebt , dass selbst riesige Verluste, ja selbst Betrug und Scharlatanerie diesen Bannkreis nicht durchbrechen können.

      Aus gleichem Grund sucht der Kleinanleger auch nach der vermeintlichen Mehrheits-Kompetenz von Börsenbriefen, Börsenclubs, Tips und Anlageempfehlungen.

      Diese dann in Wahrheit ja oft stark und oft nur fremdbeeinflussten Entscheidungsfindungen hemmen dann auch Willensstärke und Durchhaltevermögen, was wiedrum dann zur Zittrigkeit führt.

      So hat die "Zittrigkeit" sehr viele Ursachen, Gründe und Erscheinungsbilder und findet im normalen Alltag bereits in frühester Kindheit Nahrung, wenn Eltern ihren Kindern innerhalb ihrer wichtigen Entwicklungsphasen zu wenig kreatives Spielen und Denken gestatten und in ihren Erziehungszielen Individualität und Selbstbewusstsein nicht fördern und statt dessen nur auf Anpassung und Harmonie drängen.

      Während Wirtschaftsrezessionen oft nur um wenige Prozentpunkte im langfristig fortschreitenden Wachstum aussetzen sind Aktien und Indizes an den Börsen teilweise jedoch um bis zu 90% eingebrochen.

      Was noch vor gar nicht so langer Zeit vielen Anlegern noch wertvoll, lieb und auch teuer war, ist aus dem 99` Blickwinkel betrachtet, oft nunmehr jetzt noch zu einem Spottpreis zu haben.

      Hat sich denn eigentlich auf unserem Erdball und auch bei den Zukunftsaussichten der Weltwirtschaft so sehr viel im Vergleich zu 99` verschlechtert, dass dieser übertriebene Börsenabschlag zu rechtfertigen wäre?

      Auch wenn ich nun diese Frage bejahe und mir wie viele andere auch angeblich die momentanen Preise bsw. der großen Technologietitel noch immer zu teuer sind, dann muss ich mir zwangsläufig aber auch die Frage gefallen lassen, welche Ansicht und Meinung ich dann in 99/20 bei den gleichen Papieren hatte, die damals oft noch um ein vielfaches teurer waren als heute.

      Keine Methode oder Strategie hat hier eine wirklich logische und sinnvolle Begründung parat.

      - aber viel Zittrigkeit war mit Sicherheit immer dabei.

      Quelle
      http://www.wertpapier-investment.de/spezial6.php
      Avatar
      schrieb am 15.06.02 00:33:33
      Beitrag Nr. 10 ()
      @F50: Und jedes Wort trifft immer noch zu! Der Mann war einfach genial, auch wenn er sich in seinen Büchern oft wiederholt hat. Ich hatte 1995 mal das Glück, von Paris nach München neben im im Flugzeug zu sitzen. Er hat zwar nur dieselben Geschichten erzählt, die er auch in seinen Büchern schon mehrfach verwurstet hat, war aber trotzdem ein unvergessliches Erlebnis! :)

      Gruß, Mucker
      Avatar
      schrieb am 15.06.02 00:39:22
      Beitrag Nr. 11 ()
      P.S.: Meiner Meinung nach sind wire momentan in der unteren Hälfte bzw. im unteren Drittel von B2.

      Gruß, Mucker
      Avatar
      schrieb am 15.06.02 00:56:28
      Beitrag Nr. 12 ()
      Mucker,

      es ist schon erstaunlich wie wenig Teilnehmer diese Genialität seiner Aussagen erkennen bzw. wahrhaben wollen. Aber wenn es die Mehrheit erkennen würde, wäre die Börse nicht Börse, getreu der Tatsache: Fallen die Kurse geht das Publikum, steigen die Kurse kommt das Publikum.

      Allein die Tatsache, dass dieser Beitrag erst insgesamt 422 mal gelesen wurde, zeigt mir, dass - zum Glück - die Masse immer wieder die gleichen Fehler machen wird.

      Gruß F 50!
      Avatar
      schrieb am 16.06.02 19:22:42
      Beitrag Nr. 13 ()
      Interview Bernd Niquet



      Triumph der Gier

      Er selbst bezeichnet sich gern als „Moralist in einem unmoralischen Geschäft“: Der viel beschäftigte Börsenkolumnist Bernd Niquet kritisiert vehement die verheerenden Folgen des globalen Casino-Kapitalismus – und hofft auf eine heilsame Krise.



      Text: Michael Raff Foto: Martin Müller


      brand eins: Der Zusammenbruch der Hightech-Märkte hat auch zu einem Crash der Theorien geführt. Welche Form könnte eine von der üblichen Rhetorik unabhängige Bestandsaufnahme haben?
      Niquet: Vielleicht frei nach John Lennon und dessen Song „God“:
      The dream is over
      What can I say?
      The dream is over
      Yesterday
      I was the dreamweaver
      But now everything is new
      And so dear friends
      You’ll just have to carry on
      The dream is over!

      Das kann man sowohl von rechts als auch von links betrachten. Von rechts: Man hat die wirtschaftlichen Realitäten aus den Augen verloren. Oder von links: Die wirtschaftliche Realität völlig freier Märkte führt generell dazu, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden. Gott ist nicht tot, doch momentan hat ihn der Markt
      ersetzt.

      Ist das eigentliche Phänomen der neu entstandenen „Aktienkultur“, dass eine maßhaltende Vernunft völlig fehlt?
      Man könnte sicherlich auch argumentieren, dass in sehr spektakulärer Weise jahrtausendealte Gesetzmäßigkeiten abrupt ans Tageslicht befördert wurden: zupacken, nicht überlegen! Und: Wer kann abseits stehen, wenn der Nachbar feste zupackt. John Maynard Keynes hat bereits in den dreißiger Jahren die Uniformität des amerikanischen Denkens an der Börse gegeißelt. Doch wir Deutschen scheinen in Hinsicht auf derartige Mitläuferphänomene Weltmeister zu sein. Das wirklich Schlimme ist, dass gerade diejenigen, die am wenigsten nachgedacht haben, in der Zeit bis März 2000 am meisten verdient haben. Und natürlich, dass wir es mit einem riesigen Interessenkartell zu tun haben: auf der einen Seite die Banken, die die Aktien auf den Markt bringen und am Eigenhandel sowie an der Dienstleistung für die Kunden verdienen, und auf der anderen Seite die Medien, denen die Kursaufschwünge ebenfalls einen warmen Regen in Form von höheren Einschaltquoten, höheren Verkaufszahlen und einem höheren Werbeumsatz gebracht haben. Die Stars sind diejenigen, die dem Kartell genau das vorbeten, was es hören will.

      Teilen Sie George Soros’ Kritik am Marktfundamentalismus? Könnte die von ihm behauptete Instabilität der freien Finanzmärkte durch Reglementierungen ausgeglichen werden?
      Ich glaube, Soros hat empirisch Recht, ist jedoch theoretisch auf dem Holzweg. Mit der Feststellung, dass Finanzmärkte instabil sind, kann man den Marktfundamentalismus nicht aushebeln, das geben sogar die ärgsten Fundamentalisten zu. Der Hund liegt woanders begraben: Für die Marktfundamentalisten sind die Finanzmärkte der Appendix der Realwirtschaft, also der Schwanz, mit dem der Hund wackelt. Der Hintergrund hierfür findet sich in der Theoriegeschichte der vergangenen hundert Jahre, nach der man die Ökonomie als Realtauschwirtschaft versteht, damit jedoch die Rolle des Geldes unterbewertet.
      Betrachtet man allerdings die Entscheidung, Geld zu halten oder es auszuleihen, als Gravitationspunkt des Wirtschaftens, dann kommt den Finanzmärkten plötzlich eine zentrale Bedeutung zu. Mit Stabilität und Instabilität hat das allerdings wenig zu tun. Es ist ein theoretisches Defizit, unter dem wir heute leiden. Doch das ist nur die Erklärung. Handlungsbedarf haben wir mit Sicherheit. Ob sich allerdings der von allen Fesseln befreite, international orientierte Vermögensanleger noch mal an die Kette legen lässt? Da bin ich eher skeptisch.

      Der Aufstieg und Fall der Hightech-Märkte ähnelt historischen Spekulationskrisen: So ist der Kursverlauf der Mississippi-Kompanie von 1720 und der der meisten Neue-Markt-Aktien identisch. Warum wird aus der Geschichte nichts gelernt?
      Zunächst einmal, weil es sehr leicht zu bestreiten ist, dass sich ganz prinzipiell Ereignisse aus dem 18. Jahrhundert heute noch einmal wiederholen können. Hinzu kommt: Wenn etwas passiert, zu dem es durchaus eine Analogie in der Geschichte gibt, dann heißt es stets: Es ist eine völlig neue Zeit angebrochen! Und die Gesetzmäßigkeiten von früher sollen ab sofort nicht mehr gelten. So war es beispielsweise in den zwanziger Jahren in den USA – und zum Ende der neunziger Jahre auch bei uns.
      Doch das Wichtigste ist: Selbst wenn man den Tatsachen ins Auge sieht, kann man sich nur schwer der Euphorie entziehen. In der ersten Zeit, die sich manchmal, wie wir ja gerade erlebt haben, durchaus über Jahre erstrecken kann, haben nämlich immer die anderen Recht. Um sich dem entgegenzustellen, braucht man schon einige Standkraft. Und vielleicht auch Dummheit. Denn warum soll man auf Geschenke verzichten? Man muss nur sehen, dass man rechtzeitig wieder herauskommt. Doch wenn das alle denken, ist – schwupps – die ganze Gesellschaft in der Mausefalle gefangen.

      Ihre 1998 veröffentlichte „Generation X am Neuen Markt“ ist eine Art stenografische Mitschrift der frühen tollen Tage. Sind Sie überrascht, dass der Report – nur gut drei Jahre später – eine mittlerweile fern scheinende Vergangenheit beschreibt?
      Für mich liegt die Ironie in Folgendem: Ich habe die enorme Entwicklung des Neuen Marktes vom Start im März 1997 bis zum Juli 1998 verfolgt. Als ich das Buch beendet hatte, war ich bereits ziemlich skeptisch, denn was sich bis dahin ereignet hatte, war bereits Wahnsinn. Das Buch endet dann auch mit der Frage, ob der in meinem Buch inszenierte Abgang von Egbert Prior den ganzen Markt in den Abgrund ziehen würde. Irgendwie war ich schon damals davon überzeugt, dass jetzt eine heftige Krise kommen müsse. Doch anschließend hat sich der Markt noch einmal verfünffacht! Das, was ich bereits als unfassbaren Endpunkt gesehen habe, war erst der Ausgangspunkt. Man musste fast glauben, dass wirklich die Gravitation außer Kraft gesetzt worden ist. Wie heißt es so schön: Wer nicht an Wunder glaubt, der ist kein Realist.

      Eine Ihrer Thesen ist, dass sich die gierige Yuppie-Generation der Achtziger in den goldenen Börsenzeiten Ende der Neunziger verspätet, aber dafür umso gründlicher selbstverwirklichen konnte. Was sagen Sie zu den moralischen Gegenpositionen beispielsweise eines Michel Houellebecq?
      Das scheinen mir bestenfalls Nischenphänomene zu sein. Die Mehrheit will nur eines: voll drauf – immer größer, immer schneller, immer weiter. Und natürlich auch immer teurer. Doch je angespeckter sie damit von außen wird, umso leerer wird es in ihrem Inneren. Das scheint für mich die entscheidende Thematik der nächsten Jahre zu sein. Ich habe gerade mit dem Versuch begonnen, das literarisch umzusetzen. Gegenstand dieses Romans ist das Haus, in das ich vor kurzem mit meiner Familie gezogen bin. Schon wieder begegnet mir hier ein Zauberberg. Ein miefig stinkendes, abgeschlossenes Etwas, welches – ganz wie bei Thomas Mann – erneut auf das Ende einer Epoche schließen lässt. Es ging wohl noch nie einer Generation so gut wie der Erbengeneration von heute. Und dennoch hat man den Eindruck, dass die psychischen Schieflagen im Vergleich zur Abgesichertheit sogar überproportional angestiegen sind. Eine Krise könnte deshalb durchaus Heilwirkung haben und uns wieder ein Warum bringen. Das klingt natürlich zynisch. Doch wenn man sich das Geschehen an den Märkten derzeit anschaut, kann man durchaus auf die Idee kommen, das Ganze hätte zum Ziel, ein über Generationen angesammeltes Vermögen kollektiv zu verzocken.

      In Ihrem jüngst erschienenen Roman „Der Zauberberg des Geldes“ beschreiben Sie am Beispiel einer fiktiven Staatsgründung eine zauberhafte Vermögensvermehrung durch die Ausgabe von selbst emittierten Vermögenstiteln. Eine Allegorie auf den an der Grenze zur Hysterie operierenden Neuemissions-Boom von 1995 bis 1999?
      „Der Zauberberg des Geldes“ ist primär hassgetrieben. Ich wollte mal ein richtig böses Buch schreiben. Denn ich finde es beinahe unerträglich, in welcher Art und Weise die Aktien- und Finanzmärkte mittlerweile unser Leben regieren. Und wie unterschwellig das alles abläuft. Da wird dann der brave Familienvater zum Jobkiller, weil er durch seine Aktiengeschäfte über den Shareholder Value die Unternehmen zu ihrem Tun treibt. Ich übertreibe jetzt einmal bewusst: Meine Generation hat ihre Väter mit der Frage gequält, wie sie denn zum Nationalsozialismus gestanden haben. Ich hingegen gehe fest davon aus, meiner Tochter einmal die Frage beantworten zu müssen, wie es meine Generation geschafft hat, unser Land völlig zuzubetonieren, die Staatsfinanzen zu ruinieren und dazu auch noch den Zauberlehrling von der Leine zu lassen. Warum das so ist, das kann ich wohl beantworten. Leider jedoch habe auch ich keine Alternative zu bieten.

      Mit der Mega-Baisse hat sich die Euphorie am Neuen Markt ins Gegenteil verkehrt. Gibt es jetzt neue Chancen?
      Sicherlich gibt es im Einzelfall Unternehmen, die zu Unrecht geprügelt wurden und bei denen sich jetzt gute Zukunftschancen zu einem sehr günstigen Preis kaufen lassen. Doch wer bringt das Know-how dazu mit? Den Banken und Investmentfirmen ist nicht zu trauen, denn ihr Ziel ist die Maximierung der eigenen Gewinne und nicht die der Anleger. Was ist mit den Börsenzeitschriften? Hier wird die Börse tatsächlich zur Clownerie, denn kaum jemand der in der Hausse-Phase für viel Geld eingekauften Redakteure ist auch nur in Ansätzen in der Lage, eine Bilanz zu lesen. Ganz zu schweigen von der Fähigkeit, ein Unternehmen als Gesamtheit beurteilen zu können.
      Also bleibt der Anleger allein mit seiner Entscheidung. Die Crux: Ich würde es mir niemals zutrauen, entscheiden zu können, ob beispielsweise eine Software hinsichtlich einer bestimmten Problemlösung einzigartig ist oder nicht. Deshalb halte ich auch die Aufforderung an die potenziellen Aktienkäufer, sich ausgiebig über das Unternehmen zu informieren, für dummes Gequatsche. Wer also jetzt wirklich in den Markt einsteigen will, sollte aus meiner Sicht keinesfalls Einzelwerte, sondern immer den Index selbst, also Indexzertifikate kaufen, um damit die bestmögliche Streuung zu erzielen.

      Ein Schwenk zur Chart-Technik, der grauen Eminenz im Börsengeschehen, die viele Anhänger und wohl einen erheblichen Anteil am Tohuwabohu hat. Ist der Chart-Technik, die aus Kursverläufen die weitere Kursentwicklung vorhersagen will, überhaupt etwas entgegenzusetzen?
      Natürlich ist der Chart-Theorie nichts entgegenzusetzen, doch das ist es gerade, was ihr entgegenzusetzen ist! Eine Theorie, die alles erklären kann, erklärt letztlich nichts. Ich vergleiche das mit „Würfel-Charts“. Würfeln, da sind wir sicherlich alle einig, ist ein Zufallsprozess. Wenn ich jetzt eine Fünf würfle, dann ist damit nichts, aber auch gar nichts über die Augenzahl meines nächsten Wurfes ausgesagt. Nun stellen wir doch einmal das Würfeln grafisch dar. Ich habe dies in meinem Buch „Der Crash der Theorien“ gemacht – und ausgehend von einem willkürlich gewählten Ausgangswert stets die Augenzahl des Wurfes mit einem präparierten Würfel hinzuaddiert. Es ergibt sich ein Chart, der haargenau aussieht wie ein ganz normaler Aktien-Chart. Und das bedeutet: Die Chart-Theorie lässt sich auch hier wunderbar anwenden! Doch wenn eine Theorie Zufallsentwicklungen ebenso erklären kann wie vermeintlich nicht zufallsgesteuerte Prozesse, dann ist sie offensichtlich völlig unsinnig. Sie ist unangreifbar, doch sie bringt nichts.

      Die Verluste im Hightech-Sektor sind inzwischen erheblich höher als beim Aktien-Crash von 1929, der als Auslöser der Weltwirtschaftskrise gilt. Besteht die Chance, dass wir heute mit einer Rezession davonkommen? Ist Schlimmeres noch zu vermeiden? Und werden die Weltfinanzmärkte an ihrem mythischen Vertrauen zu Alan Greenspan festhalten?
      Bei Alan Greenspan wird es auch nicht anders sein als bei Harald Juhnke oder anderen öffentlichen Personen. Erst hebt man sie in den Himmel, anschließend holt man sie wieder herunter und macht sie fertig. Für viel entscheidender halte ich die Parallele zu den zwanziger und dreißiger Jahren: Eine auch nur annähernde Wiederholung einer derartigen Krise halte ich für nahezu ausgeschlossen. Was jedoch nicht bedeutet, dass sich die Muster nicht gespenstisch entsprechen: erst eine Riesen-Hausse mit gigantischem Überoptimismus, dann der Zusammenbruch der Märkte, verbunden mit einer Wirtschaftskrise. Und das Entscheidende: parallel dazu das Abkippen eines inflationären Szenarios in ein deflationäres, was jedoch keiner so recht wahrhaben will. Damals nicht und heute nicht.

      Mit welchen Auswirkungen für die Wirtschaft wäre denn dann zu rechnen?
      Im deflationären Szenario passiert im Grunde genommen genau das Spiegelbildliche zur Inflation. Also kein signifikanter Anstieg der Unternehmensgewinne, sondern eher ein Druck auf sie. Dafür jedoch keine steigenden Zinsen, sondern stabile und noch weiter fallende Zinsen. Und das bedeutet: Nicht derjenige, der Kredite aufnimmt und damit Sachwerte kauft, ist der König, sondern derjenige, der schuldenfrei ist und sein Pulver trocken hält. Oder literarisch gesprochen: Wer jetzt kein Haus hat, der sollte sich auch keines mehr bauen.

      Zum Abschluss noch eine aktuelle Börsen-Prognose?
      Da verweise ich auf Mark Twain: „Für Börsenspekulationen ist der Februar einer der gefährlichsten Monate. Die anderen sind Januar, März, April, Mai, Juni und Juli bis Dezember.“ -----|


      Zusatzinformationen:

      Bernd Niquet wurde 1956 in Berlin geboren. Er lernte Bankkaufmann, war als Anlageberater für Privatkunden tätig und studierte Volkswirtschaft an der Freien Universität Berlin. 1991 promovierte er über das Entstehen neuer wirtschaftlicher Strukturen, arbeitete im Anschluss unter anderem bei der Treuhand, bei der Commerzbank und als Projektleiter für Börsengänge junger Wachstumsunternehmen bei der Berliner Effektengesellschaft. Seit August 1998 ist er selbstständiger Publizist. Seine Börsenkolumnen erscheinen unter anderem bei www.boerse.de, im Doersam-Brief, in der Internet-Community von N24 und der Comdirect Bank sowie bei www.instock.de.

      Bernd Niquet: Der Zauberberg des Geldes. Finanz-Buch Verlag, 2002; 208 Seiten; 17 Euro


      http://www.brandeins.de/magazin/archiv/2002/ausgabe_03/was_u…
      Avatar
      schrieb am 16.06.02 19:58:15
      Beitrag Nr. 14 ()
      Darf man Bernd Niquet mit dem großen Kostolany auf eine Stufe stellen? (Ich würde es nicht tun.)
      Avatar
      schrieb am 16.06.02 23:47:09
      Beitrag Nr. 15 ()
      Ein Vergleich von Kostolany u. Niquet wurde a) nicht gemacht und b) stelle ich sie hiermit auch ausdrücklich nicht auf eine Stufe. Der Beitrag von N. dient lediglich dem interessierten Leser als Information einer Sichtweise der beschriebenen Marktphase.
      Avatar
      schrieb am 05.08.02 23:45:23
      Beitrag Nr. 16 ()
      @F50
      Ich glaube, wir sind gerade in Phase B3 eingetreten. Was meinst Du?
      Avatar
      schrieb am 06.08.02 00:54:47
      Beitrag Nr. 17 ()
      Es deutet vieles darauf hin, dass wir uns in Phase B3 befinden. Wobei ich der Meinung bin, dass wir in den kommenden Wochen (evtl. Monaten) den Bereich Y sehen werden.

      Zur Verdeutlichung habe ich den relativ repräsentativen 5- und 2-Jahreschart des S&P500 bzgl. der Umsätze und Kurskorrelation beigefügt:






      B2 = Phase der Begleitung (Umsatz ist steigend, Zahl der Aktienbesitzer nimmt weiter ab)
      B3 = Phase der Übertreibung (ganz großer Umsatz, Zahl der Aktienbesitzer ist niedrig, bei Y am niedrigsten)
      Avatar
      schrieb am 08.08.02 17:58:05
      Beitrag Nr. 18 ()
      Seit dem Höchststand des S&P 500 am 24.03.2000 bei 1552,9 Punkten verlor der Index bis zum 05.07.02 mehr als 36% an Wert.

      Der S&P 500, der über 75% der in Amerika notierten Aktiengesellschaften repräsentiert, verlor im Zeitraum vom 05.07.02 - 24.07.02, also in nur 13 Handelstagen über 21% an Wert.

      Der Börsenwert von mehr als 75% der in Amerika notierten Aktiengesellschaften ist seit seinem Hoch am 24.03.2000 bei 1552,9 Punkten somit bis zum 24.8.2002 bei einer Bewertung von 775,7 Punkten um mehr als die Hälfte geschrumpft.


      Der Kursverfall in den zuvor genannten 13 Handelstagen im Juli 2002 ist überproportional stark ausgefallen, womit in der Folge eine technisch bedingte Korrektur mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
      Avatar
      schrieb am 08.08.02 22:51:46
      Beitrag Nr. 19 ()
      @F50
      ich hatte heute eigentlich etwas anderes vor und bin dann zufällig auf deinen thread gestossen.
      diesen habe ich von a bis z durchgelesen und fand ihn sehr interessant.

      dafür ein herzliches danke
      Avatar
      schrieb am 08.08.02 23:27:51
      Beitrag Nr. 20 ()
      @aekschonaer

      Danke! Positives Feedback tut auch mal gut in diesen eher "negativen" Zeiten.

      Interessant finde ich auch die Summe derer, die unter "Gelesen gesamt" zu finden sind. Stand heute: 717(!) für einen Zeitraum von über 12 Monaten. Daran erkennt man gut, warum die Masse an der Börse offensichtlich kein Geld verdient.

      Eröffne mal zum Spaß einen Beitrag über MLP, dann beträgt die Anzahl der Leser in 24 Stunden mindestens das 3-fache.

      Gruß F 50!
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 19:03:37
      Beitrag Nr. 21 ()
      Börsenpsychologie

      Die Börse

      Zur Beurteilung und Einschätzung der Börse genügt es nicht, allein nur Daten und Fakten zusammenzustellen und auszuwerten. Wichtig ist vor allem auch die Einbeziehung der psycholgischen Stimmung der Marktteilnehmer, denn die Stimmung der Börsianer hat erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Börse. Allein am Kursverlauf ist sie nicht zu erkennen.

      Die emotionale Verfassung (Angst, Hoffnung und Gier) der Marktteilnehmner spielt eine große Rolle.

      André Kostolany sagte einmal: „Die Mehrheit hat immer Unrecht.“

      Für ihn galt das Prinzip: Kaufen, wenn die Stimmung unten ist und verkaufen, wenn sie zu sehr optimistisch erscheint.

      Zunächst scheint dieses Handeln nicht unbedingt logisch, aber dennoch steckt hinter diesem Prinzip ein Stück Börsenpsychologie.

      Damit die Kurse ansteigen, werden Käufer benötigt.

      Börsianer, die die Marktlage optimistisch bewerten, haben ihr Kapital aber meist schon investiert und kommen als potentielle Käufer nicht in Betracht. Daher ist ein stetiger Kursanstieg nicht zu erwarten. Teilnehmer mit pessimistischer Markteinschätzung hingegen erwarten keine Kurssteigerungen und haben ihre Anlagen daher veräußert. So kommen sie als potentielle Käufer in Frage, weil sie über ausreichend Bargeld verfügen, demnach ist auf längere Sicht wieder ein Kursanstieg zu erwarten.


      Zur Beurteilung der Börsenstimmung sind so genannte Stimmungsindikatoren hilfreich wie zum Beispiel der American Association of Individual Investor`s (AAII-Index ). Bei diesem Stimmungsindex werden optimistische und pessimistische Haltungen der Börsianer graphisch dargestellt. Bei der Erstellung wird der Prozentanteil der Pessimisten, von dem der Optimisten abgezogen. Eine Differenz über 40 Prozent wird als Verkaufssignal gewertet, eine Differenz von minus 20 Prozent als Kaufsignal.


      Gerade enorme Umsätze durch extreme Kursbewegungen sind auf psychologisch motivierte Reaktionen zurückzufüren. Sowohl Börsencrashs, als auch eine Haussephase sind damit erklärbar.

      Die größten Gewinnaussichten hat auf lange Sicht jedoch nur derjenige, der sich von den Stimmungstrend nicht beeinflussen lässt.

      Dennoch kauft die Mehrheit der Anleger immer erst dann Aktien, wenn die Kurse bereits eine längere Zeit gestiegen sind. Gleiches gilt bei fallenden Kursen. Die Meisten beobachten viel zu lange, bevor sie sich für einen Verkauf entscheiden und erleiden dadurch Verluste. Sinnvoller wäre es, sich bei geringen Verlusten von den Wertpapieren zu trennen und dann im richtigen Moment wieder einzusteigen.

      Doch die Masse geht mit dem Trend und gerade dieses Verhalten ist gefährlich.


      Um diesem entgegenzuwirken, benötigt ein Anleger im Grunde nur zwei Eigenschaften:


      1. Um auf den richtigen Kaufs - bzw. Verkaufmoment zu warten, bedarf es Geduld und Disziplin.

      2. Selbstbewusstsein, um den Mut aufzubringen, auch mal gegen den allgemeinen Trend zu agieren.


      Fazit: Die Börse wird nicht allein vom Geld beherrscht. Obwohl man davon ausgeht, dass insbesondere an der Börse emotionsloses Kalkül und Berechnung herrschen, werden die Marktteilnehmer dennoch von ihren Gefühlen geleitet.

      Erfolg hat nur der, der ein Gespür für das Verhalten der Marktteilnehmer entwickelt.



      20.06.2000 20:12:57
      Avatar
      schrieb am 19.02.03 13:18:57
      Beitrag Nr. 22 ()
      up
      Avatar
      schrieb am 19.02.03 13:36:07
      Beitrag Nr. 23 ()
      Markt-, Börsen- und Anlage-Psychologie / Psychofalle...
      Wenn 70 Prozent des Börsengeschehens von der Psychologie bestimmt wird und nur 30 Prozent von den fundamentalen Daten, dann muss die Psychologie besonders beachtet werden!

      Wer an der Börse erfolgreich sein will, der sollte sich unbedingt in diese Materie vertiefen...

      Von überquellenden Geldtöpfen und zugeknöpften Taschen: Warum Marktpsychologie so wichtig ist
      Einflußnahme auf das Marktgeschehen, aber auch umgekehrt: Die Pschologie im Marktgeschehen
      Fallstricke gibt es gleich im Dutzend: Schutz gegen die Psychofallen
      Mit Abstand die besten Aussichten auf Erfolg liefert ein funktionierendes... Geld-Risiko-Management
      Und Sondersituationen... Psychologie in spezifischen Fällen



      http://www.econo-my.de/psy999.html
      Avatar
      schrieb am 19.02.03 13:42:24
      Beitrag Nr. 24 ()
      Nachtrag zu #1



      Kaufen sollte man schon in der Übertreibungsphase der Abwärtsbewegung, wenn hohe Umsätze auf Panikverkäufe schließen lassen; aufstocken kann man diese Positionen in der ersten Phase der Aufwärtsbewegung, solange es mit niedrigen Umsätzen abgeht.

      Umgekehrt verkauft man schon in die letzte Haussephase mit hohen Umsätzen sowie bei bröckelnden Kursen (erste Baissephase) mit niedrigen Umsätzen.

      Folglich soll man in den Übertreibungsphasen gegen die Tendenz gehen, in den Korrekturphasen mit der Tendenz mitgehen und in den Phasen des Stimmungsumschwungs ruhig abwarten.

      Um im Bild zu bleiben: Die Börsenmanöver eines erfahrenen Spekulanten zielen darauf ab, das Ei möglichst weit unten (beim Kauf) und oben (beim Verkauf) abzukappen, ohne sich dabei in den Finger zu schneiden.
      Avatar
      schrieb am 19.02.03 14:26:24
      Beitrag Nr. 25 ()
      F50,
      was willst Du eigentlich mit den Weisheiten dieses Kostolany?
      Er hat sein Geld nicht mit dem Kauf von Aktien verdient, sondern mit seinen Büchern. Aktien hat Kostolany nämlich nie besessen. Und in seinen Schriftwerken machte er sich nur über die seiner Meinung nach recht `doofen` Aktionäre lustig.
      Avatar
      schrieb am 15.07.03 09:52:41
      Beitrag Nr. 26 ()
      Aktuell sehen die meisten Experten den DAX ambitioniert bis hoch bewertet. Kaum ein Investmenthaus billigt dem DAX - und den meisten übrigen Börsen - viel Luft nach oben zu. Ein neuer Bullenmarkt sei nicht in Sicht."
      Avatar
      schrieb am 08.09.03 16:43:44
      Beitrag Nr. 27 ()
      Warum Aktien langfristig attraktiv sein werden...
      Die Stimmung ist noch mies, die Staatsverschuldung läuft so hoch wie nie zuvor, die Arbeitslosigkeit erscheint unbezwingbar - und der Verteilungskrieg zwischen den Generationen bricht aus.
      So hoffnungslos stellt sich derzeit das sich uns bietende Bild. Aber was bedeutet das alles für die Finanzmärkte und für die langfristigen Aussichten?
      Arbeiten wir Punkt für Punkt ab:

      1. Das Löcherstopfen durch Kreditaufnahme und die Staatsverschuldung wird neben dem unbestrietbaren Reformbedarf verstärkt diskutiert werden.
      2. Die jüngeren Generationen werden sich wehren und eventuell sogar verweigern.
      3. Die betroffenen Staaten werden ein starkes Interesse an extrem niedrigen Zinsen haben, um die Belastung durch den Schuldendienst zu mindern.
      4. Kapital wird in genügendem bis überreichlichem Maße zur Verfügung stehen und nach Anlage suchen.
      5. Da die Zinsen dirkt oder indirekt entweder durch Inflation geschöpft oder durch realwirtschaftliche Überschüsse erwirtschaftet werden müssen, wird ein niedriges Zinsniveau auch hierdurch begünstigt.
      6.Rentenpapire werden an Attraktivität verlieren, während Aktien wieder der Vorzug gegeben wird.
      7.Die Notwendigkeit zur Eigenvorsorge wird die jüngeren Generationen ebenfalls in Aktien treiben.
      8. Dieser Effekt wird die Entnahme aus dem Liquiditätspool durch die ältere Generation mindern oder eliminieren.
      9. Ein Aktienboom ist langfristig trotz rückläufiger Demographie denkbar.

      Dies bedeutet nicht, dass damit ein langfristig gleichmäßiger Aufwärtstrend der Kurse ohne Schwankungen vonstatten geht, sondern dass zwischenzeitliche Rückschläge überwunden und in einen langfristigen Aufwärtstrend münden werden.

      http://www.econo-my.de/grd999.html
      Avatar
      schrieb am 20.10.03 21:43:52
      Beitrag Nr. 28 ()
      Gerade mal einen Artikel vom 19.02.2001 hervorgewühlt:

      Drastische Korrektur der Gewinnerwartungen deutet auf Rezession in USA



      von Dr. Hans-Dieter Schulz

      Der Mensch ist von Natur aus optimistisch. Er weigert sich zunächst, an das Schlechte zu glauben. Der nunmehr 18 Jahre währende Bullenmarkt hat die Menschen dazu verleitet, sehr optimistisch zu denken, was Aktien betrifft. Diese Denkweise wurde noch einmal tüchtig angeheizt durch den scharfen Anstieg der Aktienkurse seit 1995. Wie im Chart zu erkennen ist, hat sich der Index der 500 größten amerikanischen Unternehmen seit 1995 mehr als verdreifacht. Die Aktieneuphorie erlebte eine -wahrscheinlich finale- Überspitzung um den sogenannten Jahrtausendwechsel herum: Hier verdoppelte sich der Techno-Index Nasdaq innerhalb eines halben Jahres. Nun ist die Blase geplatzt und die letzte Verdoppelung im Nasdaq immerhin bereits rückgängig gemacht. Die Frage tut sich auf, ob es an der Zeit ist, daß auch die Verdreifachung, die seit 1995 im S&P 500 stattgefunden hat, korrigiert wird. Hierfür spricht der Bruch des fünf-jährigen steilen Aufwärtstrends. Wie im Chart ersichtlich, ist jetzt Raum für eine Korrektur um 40% bis auf derzeit 800 Punkte.





      Die unterste Kurve zeigt, in welcherm Maße die Analysten ihre eigenen 12-Monats-Gewinnerwartungen für die S&P 500-Unternehmen revidieren. Sie zeigt also, inwieweit die Realität den Erwartungen davongelaufen ist. Im Verlaufe des Jahres 1994 beispielsweise übertrafen die Ergebnisse der Unternehmen stets die Erwartungen der Analysten. Die Börse honorierte dies jedoch erst, als Anfang 1995 der langfristige Aufwärtstrend getestet wurde. Man erkennt hier schön das Zusammenspiel von Psychologie -vertreten durch das Verhalten* der Analysten-, Charttechnik -wegen des Tests des Trends- und fundamentaler Realität. Letztere wird durch die mittlere Kurve verkörpert. Man sieht hier das Wachstum des US-Bruttoinlandsprodukt auf Quartalsbasis. Von 1991 bis Ende 1994 war das BIP annualisiert um durchschnittlich 4% gewachsen. Diese florierende Wirtschaft wurde schließlich ab 1995 in steigenden Aktienkursen wiedergespiegelt (Pfeile 1 bis 3).
      Doch was passiert, wenn die Wirtschaft nicht läuft, wie aktuell?

      Die letzte Rezession fand in den USA 1990/91 statt, als am persischen Golf die Bomben fielen. Hier stellte sich die Kausalität der Ereignisse wie folgt dar: Zuerst lief die Wirtschaft nicht mehr so gut. Gleichzeitig mußten die Gewinnerwartungen nach unten revidiert werden. Dies geschah auf einem Niveau von 1% bis1,5%. Zu Beginn der unmittelbar folgenden Rezession kollabierten die Aktienkurse und erst danach mußten sich die Analysten sehr stark -also zwischen 1,5& und 3,25%- zurücknehmen (Pfeile A bis C). Zeitgleich mit dem Ende der Rezession erreichten die Gewinnkorrekturen ihr Maximum und die Börse schoß in die Höhe.

      Aktuell sind die Gewinnrevisionen innerhalb von nur sechs Monaten auf 2,8% angeschwollen. Die aktuellen Daten des US-Wirtschaftswachstums werden erst in einigen Monaten zur Verfügung stehen, deshalb muß man hier mutmaßen. Das abgeschwächte BIP zeigt mit weniger als 0,5% das schwächste Quartalswachstum seit 1995. Wegen der Datenverzögeung können wir nicht wissen, ob nicht vielleicht bereits jetzt das R-Wort seine Wirkung entfaltet.

      Wegen der einleitend angesprochenen menschlichen Affektion zum Optimismus und weil die Mehrzahl der Börsianer nichts anderes kennt als steigende Gewinne und steigende Kurse, ist zu befürchten, daß sich die Gewinnrevisionen noch fortsetzen werden. Nur wenige der mehr als 12000 überwachten Analysten sind länger als 18 Jahre berufstätig. Da sich die Selbsttäuschung auf historisch hohem Niveau befindet -wie eingangs dargelegt- und da der Mesch Ent-täuschungen nur ungerne akzeptieren mag, ist davon auszugehen, daß die Gewinnrevisionen noch etliche Quartale gen Süden weisen.

      Wenn man sich die Zeit um 1990 im Chart noch einmal anschaut, so erkennt man, daß sich die Gewinnrevisionen im Verlaufe der Rezession prozentual verdoppelten. Auf heute gemünzt bedeutet dies, daß wir schon bald durchschnittliche Revisionen von 5% sehen könnten. Wie sensibel die amerikanischen Börsen auf solche Nachrichten reagieren zeigt die gegenwärtige Korrektur im Nasdaq-Index. Es ist anzunehmen, daß der breite S&P 500 aus dem gleichem Grunde nachzieht, also ebenfalls korrigiert. 1990/91 war der S&P 500 förmlich in die Rezession hineingefallen. Ob die amerikanischen Börsen auf einen Krach zusteuern ist nicht abzusehen. Der Boden dafür ist insbesondere jetzt, am wahrscheinlichen Beginn einer Rezession, da, wie der Vergleich mit 1990/91 zeigt. Jedenfalls sprechen sowohl der Trendbruch im S&P 500 als auch die hohe Korrektur bei den Gewinnerwartungen für weiter schwache bis sehr schwache US-Börsen(s. Pfeile A bis C, ?).

      Da der Mensch zu Übertreibungen neigt, werden auch die Analysten ihre Gewinnrevisionen nach unten hin übertreiben. In der Rezession 1990/91 war das Maximum der Übertreibung ein Kaufsignal (s. vertikaler Balken im Chart). Leider sind solche Maxima erst ex post erkennbar.

      *Korrektur der durchschnittlich erwarteten Gewinnprognosen für sämtliche Unternehmen im S&P 500-Index. Mehr als 12000 überwachte Analysten. Quelle: First Call

      Dr. H.-D. Schulz/Felix Pieplow

      19.02.2001

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      S&P 500-Index heute, 20.10.2003, man beachte, die Herren hatten gar nicht so unrecht:



      Avatar
      schrieb am 20.10.03 22:00:00
      Beitrag Nr. 29 ()
      Hier die aktuelle Gewinnentwicklung ( quartalsweise prozentuale Veränderung ) der S&P500 - Unternehmen vom 1. Quartal 2002 bis 3. Quartal 2003. Das 4. Quartal 2003 ist als Schätzwert angegeben.



      Quelle: Wall Street Journal 13.10.2003

      --------------

      Ein Vergleich mit der Graphik aus v. g. Beitrag bzgl. Gewinnentwicklung der S&P500 - Unternehmen rechtfertigt die momentane Entwicklung an den Aktienmärkten. Schaun wir mal was die Zukunft bringt?


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