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    4,63 Mio. Arbeitslose: Zeit für noch mehr Konsumverzicht (Müntefering) - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 05.02.03 13:52:25 von
    neuester Beitrag 06.02.03 12:28:10 von
    Beiträge: 23
    ID: 692.208
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      schrieb am 05.02.03 13:52:25
      Beitrag Nr. 1 ()
      Bei 4,63 Mio. Arbeitslosen warte ich darauf, dass uns Müntefering heute abend auf ARD dann wieder zum verstärkten Konsumverzicht auffordert, damit wir alle die noch arbeiten, die steigenden Sozialversicherungsbeiträge für die Solidargemeinschaft aufbringen können.

      Und die Politik wird wieder nichts unternehmen. Der linke SPD-Flügel will nach dem Wahldesaster jetzt verstärkt auf Politik für Erwerbslose, Rentner und Arbeitnehmer setzen (am besten Kündigungsschutz weiter verschärfen - ist ja logisch, weil die Unternehmen dann niemand mehr ausstellen können und die Leute dann nur noch im Insolvenzfall auf der Straße stehen) und die Union will nicht mit der SPD kooperieren, um nicht für unpopuläre Entscheidungen in Regress genommen zu werden und so ein Traumergebnis der CSU bei den bayerischen Landtagswahlen zu vermasseln.

      Armes Deutschland!

      :cry:
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 14:03:18
      Beitrag Nr. 2 ()
      Also ich verstehe die Aufregung um den gesetzlichen Kündigungsschutz als Einstellungshemmnis nicht ganz. So gewaltig ist der Kündigungsschutz bei Neueinstellungen gar nicht:


      - In der Probezeit kann man ohne Begründung und ohne Betriebsrat monatlich kündigen. Geht ruckzuck.

      - Bei Neueinstellungen gilt in den ersten Jahren 30 Tage Kündigungsfrist, und zwar zur Monatsmitte und zum Monatsende. Also zweimal im Monat darf man zittern.

      - In Buden unter 20 Mann gibt es sowieso keinen Sozialplan und eine Abfindung kannst du vergessen.

      Leute, wie hättet`s Ihr denn nun gern: Tägliche Kündigungsfrist? Oder doch wöchentlich?
      Also wer vorgibt, wegen des moderaten gesetzlichen Kündigungsschutzes keine Neueinstellungen vorzunehmen, der hat entweder das Kündigungsschutzgesetz nicht drauf oder hat sich einen Tarifvertrag a la "Öffentlicher Dienst" aufschwatzen lassen und ist zu unentschlossen, aus dem Tarif auszusteigen, oder er hat ganz-ganz andere Gründe.

      Beispiel: Früher (vor der Wiedervereinigung) hatten die Angestellten eine gesetzliche Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende, die dann auf intensives Betreiben der Gewerkschaften auf 30 Tage zur Monatsmitte oder -ende abgebaut wurde. Und?

      Wurden anschließend mehr Angestellte eingestellt? NEIN! Nicht die Bohne...
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 14:07:27
      Beitrag Nr. 3 ()
      Wenn die Aufträge ausbleiben, die Leute immer weniger Geld ausgeben und im Unternehmen keine Arbeit da ist, ist der Kündigungsschutz ziemlich wurscht.

      Kündigungsschutz ist in großen Betrieben in Deutschland ohnehin recht theoretisch. Oder wieso kann die Telekom dann 40.000 Leute ausstellen?
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 14:08:05
      Beitrag Nr. 4 ()
      #2: Zustimmung, dass ein mehr an Hire&Fire unsere Probleme nicht im Geringsten lösen würde - ganz im Gegenteil.
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 14:08:43
      Beitrag Nr. 5 ()
      #2
      Also wenn er wie Du sagst, so unwichtig ist, wieso schafft man den Kündigungsschutz nicht ganz ab? Müßte dann doch Deine Rede sein.
      Wieso hat Schröder unter dem Jubelgeschrei der Gwewerkschaften die Kohlsche Änderung sofort revidiert???

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      Avatar
      schrieb am 05.02.03 14:18:37
      Beitrag Nr. 6 ()
      Der Kündigungsschutz ist sicher nicht das Problem ist.

      Das Problem ist, dass die Regierung mit ihren Steuerplänen große Verunsicherung bei den Unternehmen hervorgerufen hat, durch die Streichung von Abschreibungsvergünstigungen der Wohnungsbau zum erliegen gekommen ist und die Unternehmen heute halt einfach lieber im Ausland investieren, wo sich die Steuergesetze nicht jedes Jahr wieder ändern.
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 14:37:09
      Beitrag Nr. 7 ()
      #3
      Weil die Telekom mit richtig dicken Abfindungen die Leute zum Ausscheiden bewegt. Ich kenne zwei, die das gemacht haben. Der eine ist jetzt Frührentner ( mit 38), die andere hat sofort einen neuen Job gefunden, den sie ein Jahr ausgeübt hat, dann wurde sie von der Telekom wieder eingestellt. Die Abfindung blieb ihr natürlich. :(
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 14:47:31
      Beitrag Nr. 8 ()
      #6

      Jedes Jahr ist gut. Die wechselt hier jede Woche.
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 14:49:17
      Beitrag Nr. 9 ()
      "Weniger Geld für den privaten Konsum, und dem Staat mehr Geld geben, damit er seine Aufgaben erfüllen kann" Franz Münterfering
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 14:54:53
      Beitrag Nr. 10 ()
      Die Arbeitslosen könnten ja auch mal was abdrücken - gibt doch soviele davon... :)
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 15:01:38
      Beitrag Nr. 11 ()
      das problem der kleinen und mittleren unternehmen ist ja nicht das heute sondern die vergangenheit .

      in den boomjahren wie 1999 / 2000 oder in den frühen neunzigern hat niemand daran gedacht diese unternehmen zu entlasten damit diese eine solide eigenkapitalbasis schaffen konnten.

      nein wir wurden ausgesaugt von all den schmarozern - ihk , lva , aok und und und.


      hätt ich heute mehr rücklagen und hätte nicht über die jahre diese hohe abgabenlast zu tragen gehabt bräuchte ich heute nicht so schnell entlassen.

      so muß ich als untrnehmer schnellstens auf die kostenbremse drücken. sprich entlassungen.

      das passiert gerade auf breiter front auch wegen der politischen unsicherheit.

      der staat ist aufgrund seiner verschuldungslage nicht mehr handlöungsfähig und kann nur noch als ruhiger beobachter mit ruhiger hand zusehen wie das land gegen den baum fährt.

      ich wünsche viel spaß beim zuschauen
      :D :D :D
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 15:04:08
      Beitrag Nr. 12 ()
      #2:

      Um die Kündigungsfristen geht es doch gar nicht. Das Problem ist das Kündigungsschutzgesetz: Bei Betrieben ab 6 Arbeitnehmern können Arbeitnehmer, die mindestens 6 Monate im Betrieb sind, betriebsbedingt nur nach einer Sozialauswahl gekündigt werden. Die Kriterien für die Sozialauswahl sind so schwammig (und werden vor allem von den Arbeitsgerichten so schwer vorhersehbar angewandt), daß die Auswahl des am wenigsten sozial schutzwürdigen und damit kündbaren Arbeitnehmers auch für Juristen einem Lotteriespiel gleichkommt. Folge in 90% aller Fälle:
      (1) Arbeitgeber muß betriebsbedingt einem Arbeitnehmer kündigen
      (2) Arbeitgeber wählt einen Arbeitnehmer aus
      (3) Arbeitnehmer klagt vor dem Arbeitgericht mit der Begründung, die Sozialauswahl sei falsch
      (4) Arbeitsgericht prügelt Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einem Vergleich, wonach Arbeitnehmer gegen Zahlung einer dicken Abfindung die Kündigung akzeptiert
      (5) Arbeitgeber entstehen durch die Abfindung und die Gerichts- und Anwaltsgebühren Kosten in Höhe von leicht mehr als 10.000 Euro. Was das z. B. für einen kleinen Handwerksbetrieb in konjunkturell schlechten Zeiten bedeutet, kann sich jeder ausrechnen.

      Das Kündigungsgesetz ist schlicht Unsinn. Es erhält keinen einzigen Arbeitsplatz (das ist auch gar nicht sein Zweck), verhindert aber in Größenordnungen das Entstehen neuer Arbeitsplätze in Betrieben, die gegenwärtig knapp unter der Grenze von 6 Arbeitnehmern liegen. Seine Vorteile, daß sozial schwächere Arbeitnehmer, die geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, eine etwas höhere Arbeitsplatzsicherheit haben, wiegt die beschriebenen Nachteil nicht annähernd auf.

      Es gehört sofort, vollständig und ersatzlos abgeschafft!!!

      MfG

      John D.
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 15:26:15
      Beitrag Nr. 13 ()
      #2
      - In Buden unter 20 Mann gibt es sowieso keinen Sozialplan und eine Abfindung kannst du vergessen.


      Das kann nur einer sagen der noch nie unternehermisch Tätig war! Selbst die Putzfrau die eine geringfühige Tätigkeit nachgeht kann auf eine Abfindung klagen!:laugh:

      Für solche Pappnasen wie du es bist werde ich mich ganz bestimmt nicht anstrengen um neue Arbeitsplätze zu schaffen! Die Arbeitnehmer haben doch beinahe einen Beamtenstatus und sind nur noch wenn nachweislich ein Strafdelikt vorliegt noch zu entlassen! Lieber verzichte ich auf neue Aufträge und neue Geschäftsideen, es wäre doch nur Perlen für die Säue!:mad:

      Es ist immer noch besser zu zusehen wie die andere in die Insolvenz getrieben werden dank der Roten Barone im Lande!:p
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 16:08:19
      Beitrag Nr. 14 ()
      # 8

      Da hast Du recht. Jährliche Steueränderungen waren mal, jetzt kommen sie wirklich monatlich.
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 16:15:44
      Beitrag Nr. 15 ()
      # 11

      Stimme Dir voll und ganz zu.

      Es ist ja auch so, dass jeder Politiker von Entlastungen für den Mittelstand spricht, aber nur rüberkommen tut halt nichts.

      Mit dem Kostendruck gehen auch die steigenden Lohnnebenkosten einher. Zwar schimpft jeder Arbeitnehmer immer, wenn er wegen gestiegener Beiträge weniger in der Tasche hat, aber die Beitragserhöhungen gehen ja dann auch 1:1 auf den Arbeitgeber über und erhöhen im Unternehmen - neben Tarifabschlüssen und sinkenden Aufträgen - noch weiter den Kostendruck.

      Die Politik muss mal die Kranken-, Arbeitslosen und Rentenversicherungsbeiträge in den Griff kriegen.

      Es wird Zeit, dass endlich die steuerfinanzierte Grundrente kommt und jeder der später mehr will, muss sich halt dann privat zusatzversichern. Und für Rentenbezieher und z. B. für Leute über 50 müßte man halt eine Übergangsregelung schaffen.

      Und bei der Krankenversicherung platzt mir auch bald der Kragen. Ich zahle den Höchstbeitrag ein, zahle jedes Medikament eigentlich mit den Zuzahlungen selbst, Zahnersatz muss ich teilweise selbst zahlen und muss mich jetzt womöglich auch noch auf Ärztestreik einstellen. Das ist doch ein Witz. Da bin ich sofort für die Streichung sämtlicher Kuren - und dass die ganzen Kurorte dann pleite machen, werden wir mit mehr Konsum aus den geringeren KV-Versicherungsbeiträge dann volkswirtschaftlich schon wieder reinbringen.
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 16:17:15
      Beitrag Nr. 16 ()
      # 12

      Kündigungsschutz ist und war nie ein Arbeitsplatzbewahrer. Bringt alleine was für die Abfindung, wie schon mehrfach hier festgestellt.

      Bin zwar nicht für eine vollständige Aufhebung, aber doch für eine weitergehende Lockerung. Die Grenze von fünf Arbeitnehmern im Betrieb ist einfach ein Witz.
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 16:18:41
      Beitrag Nr. 17 ()
      # 13

      Vergiß den Betriebsrat nicht.

      Wie oft muss man sich in Unternehmen mit Betriebsräten rumärgern.

      Das ist in Deutschland neben dem Kündigungsschutz ein weiterer Witz.
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 16:26:24
      Beitrag Nr. 18 ()
      Hallo Publikumsjoker,

      #17
      wie konnte ich das nur vergessen!:rolleyes:

      Ich will nicht in Abrede stellen das es einen Kündigungsschutzgesetz geben muß, blos was diese Regierung daraus gemacht hat ist wirklich ein großer Witz! Um Beschäftigung nachhaltig zu schaffen bedarf es noch ein paar andere Korrekturen in unserem Gesetzesjungle!

      Gruß Albatossa
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 16:26:44
      Beitrag Nr. 19 ()
      #16:

      Wie hoch willst Du die Grenze denn setzen?

      Glaubst Du, daß das Kündigungsschutzgesetz in einem Betrieb mit 20 Mitarbeitern nichts bringt und in einem Betrieb mit 21 Mitarbeitern doch etwas?:confused:

      Das Kündigungsschutzgesetz ist für Betriebe aller Größenordnungen ein Problem, auch für Großkonzerne.

      Nochmals: Das Kündigungsschutzgesetz kann den Abbau keines einzigen Arbeitsplatzes verhindern, soll es nach seinem Zweck auch gar nicht.

      Kein Arbeitgeber feuert Arbeitnehmer aus Spass an der Freude.

      MfG

      Jon D.
      Avatar
      schrieb am 05.02.03 16:34:10
      Beitrag Nr. 20 ()
      Rot-grüne-Logik und Gewerkschaftslogik: Mache ein Gesetz, das die Ausstellung von Mitarbeitern untersagt oder nur unter ganz großen Auflagen zulässt, schaffe noch das Kriterium Sozialauswahl und schon steigt die Arbeitslosigkeit nicht weiter bzw. es werden nur "gerechte" Ausstellungen nach der Sozialauswahl getroffen. Und die Betriebe sollen dann mit den alleinerziehenden Müttern und Alten munter und solidarisch weiterarbeiten.
      Avatar
      schrieb am 06.02.03 08:16:54
      Beitrag Nr. 21 ()
      Genug gespielt

      Dt. Lang genug hat Schröder mit der Macht gespielt, einen Teil davon auch schon verspielt. Jetzt wird es Zeit, daß er sie zum Wohle des Landes gebraucht. Beim Stand von 4,6 Millionen Arbeitslosen muß Schluß sein damit, daß sich der Kanzler mal bei der bürgerlichen Mitte, mal bei den Traditionslinken anbiedert. Er kann sich nicht länger hinter Kommissionen und Konjunkturprognosen verstecken, mit Papieren rascheln, mit zweifelhaften Lockangeboten die Opposition vorführen. Die Verantwortung liegt bei der gewählten Regierung. Sie bestimmt die Richtung der Politik. Nur sie kann handeln.

      Schröder hat jüngst noch einmal die Aufgabe beschrieben, die er meistern will: "den Zusammenhang deutlich machen zwischen demographischen und wirtschaftlichen Herausforderungen und der Erhaltung unserer sozialen Sicherungssysteme". Auf diese Herausforderung gibt es mindestens zwei Antworten: eine marktwirtschaftliche und eine etatistische. Die rot-grüne Koalition neigt zwar zum Dirigismus, ist aber darin vielen ihrer Anhänger längst nicht konsequent genug vorgegangen. Die Gewerkschaften, die nun immer lauter nach Lafontaine rufen, schreiben den Mißerfolg der Regierung Schröder dem Umstand zu, daß Steuern und Schulden nicht noch mehr erhöht, politische Macht nicht noch mehr dazu genutzt wurde, die Wirtschaft zu lenken. Im Kanzleramt verstärkt sich indessen die Erkenntnis, daß man genau mit diesen Instrumenten auf dem falschen Weg sei. Daher die Aufgeregtheit im Berliner Regierungsapparat: Schröder spürt, daß er nicht länger zwischen Positionen lavieren kann, die einander ausschließen. Er steht vor einer Entscheidung. Gäbe er der Linken nach, könnte er das Feld gleich Lafontaine überlassen.

      Den marktwirtschaftlichen Weg wird die Koalition aber auch allein gehen müssen, denn er ist steinig. Den Erfolg, der am Ende winkt, will Schröder schließlich auch seinem Konto gutschreiben. Demokratie lebt vom Wettbewerb der Politikangebote. Konsensrunden, die die Regierungsverantwortung verwischen und die Handlungsunfähigkeit verlängern, mehren nur den Verdruß über die Politik. Die SPD hat mit Schröder eine historische Chance bekommen, Deutschland nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Sie hat diese Chance - das zeigen die Wählerurteile von Hessen und Niedersachsen - schlecht genutzt. Der zweite Wurf muß sitzen, wenn sich die SPD nicht für lange Zeit von der Regierung verabschieden will.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.02.2003, Nr. 31 / Seite 10
      Avatar
      schrieb am 06.02.03 11:05:02
      Beitrag Nr. 22 ()
      Guter Kommentar.

      Hoffentlich hat Schröder ihn auch in der FAZ gelesen.
      Avatar
      schrieb am 06.02.03 12:28:10
      Beitrag Nr. 23 ()
      Katastrophe am Arbeitsmarkt
      Zeit zur Wende

      Von Joachim Worthmann

      Wer die letzten Jahrzehnte der deutschen Politik vor seinem geistigen Auge Revue passieren lässt, der erkennt eine deprimierende Konstante: Seit den siebziger Jahren, seit der Ära Helmut Schmidt also, beherrscht das Thema Massenarbeitslosigkeit die öffentliche Debatte. Im konjunkturellen Auf und Ab stand es mal mehr, mal weniger im Vordergrund - aber alle Regierungen machten sich bei Amtsantritt anheischig, das fortdauernde Problem zu beheben, und taten: nichts oder nicht das Rechte. Man flickte hier, man flickte da, probierte dies, probierte das. Und ansonsten hoffte man, wenn es gar zu schlimm kam, auf einen erlösenden Wirtschaftsaufschwung, der von Zeit zu Zeit tatsächlich von der strukturellen Krise ablenkte.

      Nun steht Deutschland bei einer Zahl von mehr als 4,6 Millionen Arbeitslosen. Der Anstieg im Monatsvergleich ist der dritthöchste seit der Wiedervereinigung, und der Negativrekord unter Helmut Kohl von 4,8 Millionen ist in Sichtweite. Denn der Februar wird erfahrungsgemäß eine weitere Zunahme bringen, bevor der übliche Frühjahrsaufschwung einsetzen mag. Ein Aufschwung freilich, der nur mit der Saison zu tun hat, nicht etwa mit einer Trendumkehr, auch wenn sich jetzt schon voraussagen lässt, dass die Regierung genau diese dann behaupten wird. Das war schließlich schon immer so, seitdem das Phänomen der Massenarbeitslosigkeit die Deutschen begleitet. Dazu kommen die routinemäßigen Stellungnahmen der Gewerkschaften, die dringend staatliche Investitionen und eine höhere Neuverschuldung fordern, und die ebenfalls notorischen Einlassungen der Arbeitgeber, die exakt dies für falsch halten, Deregulierung und Befreiung der Marktkräfte sowie niedrigere Lohnabschlüsse und Lohnnebenkosten einklagen.

      Es ist bisher eine zutiefst unernste Debatte gewesen, eine Debatte, die nicht auf die nötige Wende aus war, sondern sich selbst genügte. Jetzt aber, da der Sozialstaat eben wegen dieser fatalen Entwicklung in allen seinen Fugen ächzt, da die Staatskassen leer sind und die Wirtschaft in einer tiefen Krise steckt, jetzt, da die Politiker mit dem Rücken zur Wand stehen, deutet sich erstmals die Chance an, dass sich diese Republik und ihre Parteien aufraffen, die Herausforderung endlich anzunehmen. An Verbündeten fehlt es nicht: Es sind nicht die Verbände, es sind die Bürger. Sie spüren mehr und mehr, dass es so nicht weitergeht, dass vieles auf den Prüfstand gehört und womöglich schmerzhafter Verzicht zu leisten ist.

      Die Union sollte sich nicht vertun: Der Wahltriumph vom Sonntag ist genauso wie das Desaster der SPD mit einem unmissverständlichen Auftrag an beide Seiten verbunden. Dem Auftrag, sich nicht in Machtspielen zu ergehen, sondern auf der Suche nach dem Weg aus der Krise konstruktive Beiträge zu leisten. Politisches Theater hat es - nicht nur unter Rot-Grün - genug gegeben, jetzt geht es um harte Arbeit, um vernünftige Entscheidungen, um Kompromisse, die in die Zukunft weisen. Und es geht um ein Konzept, das sich dem Bürger auch vermitteln lässt. Es muss nicht aus einem Guss sein - Patentlösungen gibt es ohnehin nicht -, aber es muss eine Richtung haben, eine überzeugende Linie, die die Menschen aus der grassierenden Orientierungslosigkeit erlöst, in die sich ja zunehmend Zukunftsängste mischen.

      Natürlich, die Opposition kann Rot-Grün hängen lassen, darauf setzen, dass sich nach einem Wort Hans-Dietrich Genschers die Probleme schon ihre Koalition, also eine neue Regierung, suchen werden. Doch die Zeit drängt, soll Deutschland nicht weiter zurückfallen. Die Zahlen vom Arbeitsmarkt sprechen für sich. Wenn es "gut" läuft, rechnet der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, mit im Schnitt 4,2 Millionen Arbeitslosen. Jeder kann sich ausmalen, was das für die öffentlichen Finanzen und die Sozialkassen bedeutet: eine Katastrophe.


      http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/363429…


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      4,63 Mio. Arbeitslose: Zeit für noch mehr Konsumverzicht (Müntefering)