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    Horkheimer- Einer der Väter des Zeitgeistes - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 09.05.04 17:12:11 von
    neuester Beitrag 09.05.04 21:50:52 von
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      schrieb am 09.05.04 17:12:11
      Beitrag Nr. 1 ()
      Die Ideologen der Frankfurter Schule

      Teil 1: Max Horkheimer (1895-1973)
      von J. Hoefele, M. Nestor

      Wenn von der «Frankfurter Schule» oder der «Kritischen Theorie» die Rede ist, dann denkt man an Namen
      wie Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuseu und Jürgen Habermas, aber auch an die
      Studentenrevolte von 1968, die in Theorie und politischer Praxis von der «Kritischen Theorie» der
      «Frankfurter Schule» genährt wurde. Durch die Studentenbewegung der 68er Jahre erhielt die «Kritische
      Theorie» der «Frankfurter Schule» ihre spürbare Breitenwirkung; die Protagonisten haben auf ihrem langen
      Marsch durch die Institutionen bis heute Politik und Gesellschaft auf allen Ebenen beeinflusst.

      Frankfurter Schule?
      Namhafte Exponenten der 68er Bewegung besetzen
      heute Führungspositionen und Institutionen und
      lenken mit ihren Entscheidungen das gesellschaftliche
      und politische Leben. Themen, die damals von der
      «Kritischen Theorie» vorgedacht wurden, bestimmen
      heute weit gehend das Denken in Gesellschaft,
      Wirtschaft und Politik.
      Deshalb - um Hintergründe, Absichten und Ziele
      der heutigen Meinungsmacher in Medien,
      Gesellschaft, Politik und Staat verstehen und
      einordnen zu können - sollen die Theorien der
      «Frankfurter Schule» oder eben, soll die «Kritische
      Theorie» dargestellt werden. Denn auch die junge
      Generation hat ein Recht zu erfahren, was die
      historischen, philosophischen, geistigen und radikalpolitischen
      Hintergründe derer sind, die heute das
      Ruder in Familien-, Schul- und Wissenschaftspolitik,
      in Wirtschaft, Gesellschaft und Staat in ihren Händen
      haben.

      «Kritisch» nennt sich die Theorie von Horkheimer,
      Adorno, Marcuse wegen ihrer grundsätzlichen
      Negation der bestehenden bürgerlich-kapitalistischen
      Gesellschaftsordnung, die angeblich die Menschen
      ihrer wahren Bedürfnisse entfremde und deshalb
      unterdrücke. Das kapitalistische Wirtschaftssystem
      zwinge die Menschen in Lohnabhängigkeit und
      soziale Unterdrückung. Es müsse deshalb überwunden
      werden - darin folgen sie Marx, Engels und Lenin.
      Neu ist jedoch, dass sie die revolutionäre Strategie
      gegen die kapitalistische Wirtschaft und Gesellschaft
      auf alle gesellschaftlichen und kulturellen
      Institutionen wie etwa Schule, Universität, Familie,
      Kirche und Staat ausdehnten. Denn, so meinten sie,
      der «subjektive Faktor», der Charakter des Menschen
      sei durch Familie und andere kulturelle Institutionen
      so an die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse
      angepasst, dass er die revolutionäre Veränderung der
      «objektiven» politisch ökonomischen Verhältnisse
      hemme. Die «Kritische Theorie» verbindet
      demzufolge marxistische Kritik am Kapitalismus mit
      Charakterpsychologie - namentlich mit der
      Triebtheorie Sigmund Freuds. Hinzu kommt
      gesellschaftskritische Philosophie, vermischt mit
      subversiven Strategien des Kulturkampfes, vor allem
      gegen die Autoritäten in Schule und Erziehung, in
      Familie, Kirche und Staat.

      Biographische Notiz
      Max Horkheimer (1895-1973) wurde als einziger
      Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten in Stuttgart
      geboren. Während des Ersten Weltkrieges war er
      Juniorchef im Betrieb seines Vaters und musste
      deshalb am Krieg nicht teilnehmen.` In
      Tagebuchaufzeichnungen und Novellen,
      veröffentlicht unter dem Titel «Aus der Pubertät»,
      wird eine früh empfundene Abneigung gegen die
      Welt seines Vaters, gegen die Welt der Fabrikanten,
      der bürgerliche Werte und Normen deutlich. In einer
      Erzählung, geschrieben im Jahr 1916, findet die
      Hauptperson, der Arbeiter Steirer, seine Geliebte in
      den Armen des Fabrikantensohnes, bringt diesen um
      und begibt sich mit dem Mädchen auf die Flucht.
      Dabei sagt er zu ihr: «Wenn Menschen wie er gut sein
      können, Menschen deren Vergnügungen und Bildung
      (...) mit soviel Unglück anderer erkauft sind, dann
      kann auch meine Tat nicht schlecht sein. Der
      Unterschied zwischen ihm und mir ist nur der, dass
      ich handeln musste ( ... ), während er bequem sein
      und geniessen durfte und nicht erfuhr, was der Genuss
      kostet und wie blutig, er ist.

      Gemeinsam mit seinem Jugendfreund Pollok holt
      Horkheimer das Abitur nach und beginnt 1919 das
      Studium der Psychologie, Philosophie und
      Nationalökonomie, zunächst in München, dann in
      Frankfurt. 1920 wird er von seinem Professor zu
      Husserl nach Freiburg empfohlen, wo er auch
      Heidegger kennenlernt, dessen
      existenzphilosophischer Ansatz nachhaltig sein
      Denken beeinflusst.

      1924 trifft Horkheimer mit Adorno zusammen.
      Dieser schreibt seinem Freund Leo Löwenthal,
      Pollock und Horkheimer seien «sehr ungewöhnliche
      Menschen», beide «übrigens Kommunisten». 3 1925
      habilitiert Horkheimer und wird Privatdozent. Da er
      zu gehemmt ist, seine Vorlesungen ohne genauestens
      ausgearbeiteten Text zu halten, begibt er sich in
      Psychotherapie bei dem Mitbegründer des
      «Frankfurter Psychoanalytischen Instituts», Karl
      Landauer.

      Das Institut für Sozialforschung
      Im Jahr 1930 übernimmt Horkheimer die Leitung des
      Instituts für Sozialforschung, wie sich das frühere
      Institut für Marxismus inzwischen nannte. Es war der
      Universität Frankfurt am Main angeschlossen und
      beschäftigte vorwiegend kommunistische Mitarbeiter
      und Doktoranden.` Dass Horkheimer die Leitung
      übergeben wurde, überraschte. Er gehörte bis dahin
      weder zum engeren Mitarbeiterkreis des Instituts,
      noch hatte er sich vor 1930 akademisch besonders
      hervorgetan. Ausser einer unauffälligen
      Habilitationsschrift und drei oder vier Gedenkartikeln
      hatte er bis dahin nichts veröffentlicht.
      Horkheimers gleichzeitige Berufung auf den
      Lehrstuhl für Philosophie an der Universität zu
      Frankfurt war - so Adornos Freund Löwenthal- eher
      das Ergebnis «strategischer Planung».` Sein Vorteil
      bestand darin, dass er auf die Universitätskollegen
      vertrauenswürdiger wirkte als sein Vorgänger, der
      sich offen zum Marxismus bekannt und damit dem
      Institut einige Unannehmlichkeiten politischer Art
      eingehandelt hatte. Horkheimer hingegen eignete sich
      besonders gut, weil er relativ unbekannt war und «den
      Namen Marx selten in den Mund nahm».6 Damit aber
      war es gelungen, einen Marxisten auf einen
      ordentlichen Lehrstuhl der Philosophischen Fakultät
      zu bringen, der gleichzeitig die Institutsleitung
      übernahm.

      Unter dem Dach des Instituts für Sozialforschung
      war auch das Frankfurter Psychoanalytische Institut
      untergebracht, in dem Erich Fromm lehrte, der bis
      zum Bruch mit Horkheimer auch mit dem Institut für
      Sozialforschung zusammenarbeitete. Fromm gehörte
      neben Wilhelm Reich in den späten 20er und frühen
      30er Jahren zu den radikalen Linksfreudianern, die
      die Freudsche Trieblehre mit dem Marxschen
      Klassenkampf verbanden. Deren Grundidee war,
      Gefühle der Unzufriedenheit im Menschen
      aufzuspüren und die entfesselten Triebe gegen die
      herrschende Klasse in Gesellschaft und Staat zu
      richten. So wurde die Triebtheorie Freuds zur
      Klassenkampfstrategie instrumentalisiert.
      Horkheimers theoretisches Konzept der frühen 30er
      Jahre, insbesondere die «Studien über Autorität und
      Familie», waren stark von diesem Gedanken
      durchdrungen.

      Zu den Aufgaben des Instituts gehörte die
      Herausgabe der Werke von Marx und Engels sowie
      die Veröffentlichung der Zeitschrift für
      Sozialforschung (ZfS). Darüber hinaus ging es vor
      allem um die Förderung junger kommunistischer
      Akademiker. Horkheimer wollte die «Krise des
      Marxismus» überwinden, indem er die marxistische
      Ideologie und Strategie den Zeiterfordernissen
      anzupassen versuchte.7Nach marxistischdialektischer
      Geschichtsauffassung, hätte nämlich im
      krisengeschüttelten Deutschland der 20er Jahre die
      proletarische Revolution ausbrechen müssen. Deshalb
      stellte sich nun die Frage, warum sie nicht gekommen
      war und wie sie hätte herbeigeführt werden können.
      Horkheimers Antwort: Die psychische Entwicklung
      der Individuen habe sich der revolutionären
      Umgestaltung der Gesellschaft entgegengestellt, weil
      die Menschen an die bestehende Gesellschaft
      angepasst waren. Deshalb müssten all jene Bereiche
      des kulturellen Lebens untersucht werden, die das
      Individuum an die bestehende Gesellschaftsordnung
      anpassten, allen voran die Familie, die Schule, die
      Kirche, Rechtsprechung und Politik.
      Damit sollte der Weg für das geebnet werden, was
      Michel Foucault in den 80er Jahren «kulturelle
      Attacke» nennen sollte. Zunächst mussten junge,
      marxistisch geschulte Intellektuelle in allen einzelnwissenschaftlichen
      Bereichen herangezogen werden,
      die dann den «Marsch durch die Institutionen»
      antreten sollten, wie von Dutschke später explizit
      `gefordert. Diese Strategie lief darauf hinaus, in einer
      nichtrevolutionären Situation Institutionen wie
      Familie, Schule, Universität, Wissenschaft, Kirche,
      Rechtsprechung und Politik zu unterwandern, die den
      verhassten Kapitalismus aufrecht erhielten. So sollte
      die revolutionäre Situation vorbereitet werden, die
      schliesslich zur Überwindung des kapitalistischen
      Wirtschaftssystems führen sollte.

      Der Angriff
      auf Autorität und Familie
      Horkheimers «Autorität und Familie» (1936) ist eines
      der Schlüsselwerke der «Frankfurter Schule». Bereits
      hier sind wesentliche Grundzüge der späteren
      Theorien Horkheimers, Adornos und Marcuses
      vorgezeichnet. Es greift Vorarbeiten Erich Fromms
      auf, der psychoanalytische Studien über die Familie
      mit der Marxschen Klassentheorie der Gesellschaft
      verbunden hatte.
      Horkheimer stimmt Marx zu, dass ökonomische
      Gesetzmässigkeiten die gesellschaftliche
      Entwicklung, bestimmten. Es liesse sich aber «die
      Handlungsweise der Menschen in einem gegebenen
      Zeitpunkt nicht allein aus ökonomischen Vorgängen
      erklären».8 Vielmehr sei es ihr Charakter, mit dem die
      Menschen auf die Entwicklungen in Wirtschaft und
      Gesellschaft reagierten. Und weil der Charakter vor
      allem durch Institutionen wie Familie, Schule, Kirche
      geprägt werde, müsse man auch sie in die
      gesellschaftskritische Betrachtung einbeziehen.
      Horkheimer sieht wie Marx die gesamte bisherige
      Geschichte als eine Geschichte der Herrschaft von
      Menschen über Menschen an. Die bisherige
      Geschichte sei «durch Über- oder Unterordnung von
      Klassen gekennzeichnet». Deshalb stehe bei der
      Mehrheit der Menschen das Fühlen, Denken und
      Handeln im Zeichen der Unterordnung. Diese habe
      nur durch Belohnung, oder Strafe durch eine Autorität
      erzwungen werden können. «Autorität ist daher eine
      zentrale geschichtliche Kategorie.»

      Die Autoritätsgläubigkeit, die zur Aufrechterhaltung der
      bestehenden gesellschaftlichen Ordnung nötig sei, werde
      vor allem durch Familie, Schule, Kirche, Religion und
      Philosophie in die Gemüter der Menschen eingepflanzt, sei
      es als Glaube an die Autorität des Vaters, als Glaube an die
      Allmacht Gottes oder als Glaube an ewig gültige
      metaphysische Prinzipien, denen der Mensch und die
      Gesellschaft unterworfen sei.
      Die Familie ist für Horkheimer «eine der
      wichtigsten erzieherischen Agenturen»," die das Kind
      bereits im zartesten Alter daran gewöhne, sich der
      Autorität des Vaters unterzuordnen. Das Kind habe
      grundsätzlich Gehorsam zu üben und die ihm
      auferlegte Pflicht zu erfüllen. «Der Eigenwille des
      Kindes soll gebrochen und der ursprüngliche Wunsch
      nach freier Entwicklung seiner Triebe und
      Fähigkeiten durch den inneren Zwang zur
      unbedingten Pflichterfüllung ersetzt werden.» So
      erziehe die Familie «zum autoritären Verhalten in der
      Gesellschaft», das nötig sei, um die von der
      bürgerlichen Gesellschaft erzwungene Über- und
      Unterordnung aufrechtzuerhalten.

      Dieses Verhältnis von Über- und Unterordnung sei
      in der «patriarchalischen Kleinfamilie» durch die
      Rolle des Vaters gegeben. «Er ist Herr im Haus, weil
      er das Geld verdient oder wenigstens besitzt»; «der
      Umstand jedoch, dass in der normalen bürgerlichen
      Familie der Mann das Geld, diese Macht in
      substantieller Form, besitzt und über seine
      Verwendung bestimmt, macht Frau, Söhne und
      Töchter auch in der neueren Zeit zu den «Seinen»,
      gibt ihr Leben weitgehend in seine Hand, zwingt sie
      zur Unterordnung unter Leitung und Befehl». 14
      Horkheimer spricht von der daraus resultierenden
      «Verzweiflung, von Frauen und Kindern», dem «Raub
      an ihrem Lebensglück» von der «materiellen und
      psychischen Ausbeutung» infolge «der ökonomisch
      begründeten Vormachtstellung des Vaters».15
      Und weiter: «Die Monogamie in der bürgerlichen
      Männergesellschaft setzt die Entwertung des
      Genusses aus reiner Sinnlichkeit voraus.» 16 So
      erzwinge die Familie - und hier knüpft Horkheimer an
      Fromms triebpsychologische Studien der 20er und
      30er Jahre an - die Unterdrückung der Sexualität, die
      es von der patriarchalischen Struktur und Moral der
      bürgerlichen Kleinfamilie zu befreien gelte.

      Wir sehen bei Horkheimer bereits alle
      Kampfthemen des Neomarxismus angesprochen, die
      bis in unsere heutige Zeit hineinwirken: Die Rede von
      der «Männergesellschaft», «Unterdrückung der Frau»,
      «sexueller Ausbeutung», «patriarchalischer
      Kleinfamilie» als «erzieherische Agentur» des
      Kapitalismus, Unterdrückung des «Genusses aus
      reiner Sinnlichkeit» usw. Daraus folgten Forderungen
      wie Auflösung und Ersatz der patriarchalischen
      Kleinfamilie durch andere Lebensgemeinschaften,
      Emanzipation der Frau, verstärkte Erwerbstätigkeit
      der Frau (zwecks Aufhebung der ökonomischen
      Abhängigkeit), Recht auf ausserehelichen
      Geschlechtsverkehr und sexuelle Befreiung ganz
      allgemein, antiautoritäre Erziehung, Kampf gegen die
      bürgerliche Moral, gegen die
      abendländisch-christliche Kulturtradition, Kampf
      gegen Autoritäten in Schule, Kirche, Gesellschaft und
      Staat.
      Der einzelne Mensch sollte so aus den Bindungen
      an Familie, Tradition, Religion und kulturelle Werte
      herausgelöst werden; denn die «Kritische Theorie»
      sah in ihnen nur Ketten, durch die jeder an das
      verderbte System gekettet sei.

      Alter Wein in neuen Schläuchen:
      Die «Kritische Theorie»
      Nach dem gleichen Schema, mit dem Horkheimer die
      Institution Familie und die trauenden Werte der
      abendländisch-christlichen Kultur einer Radikalkritik
      unterzieht, geht er auch gegen Wissenschaft und
      philosophische Tradition vor. Sein 1937
      veröffentlichter Aufsatz «Traditionelle und kritische
      Theorie» 17 zielt darauf ab, Akademiker und
      Intellektuelle «aus den Fesseln» ihres falschen, an die
      Tradition gebundenen Denkens zu lösen. Als
      «traditionelle Theorie» fasst Horkheimer alle
      philosophischen Ansätze seit der Antike zusammen,
      die sich auf objektive Aussagen, die (menschliche)
      Natur und absolut gültige Werte berufen.
      Die «Kritische Theorie», ein «Tarnbegriff» für
      Marxismus, lehnt alle objektiv gültigen Werte und
      Wahrheiten ab. Diese seien immer nur historisch
      bedingt und relativ. In schlechten Verhältnissen
      könne nur falsches Bewusstsein entstehen. Was als
      ewig, gültig, ausgegeben werde, verewige nur die
      schlechten Verhältnisse. Die «kritische Theorie»
      entlarve dies als Lüge und mache damit den Weg frei,
      aus dem falschen Bewusstsein herauszutreten, die
      wahren Ursachen der schlechten Verhältnisse zu
      erkennen und die «Herrschaft der Wirtschaft über den
      Menschen» zu überwinden. Das ist Marxsche
      Dialektik pur, getarnt als «kritische Theorie».
      Ganze Studentengenerationen bekamen die
      «Traditionelle und kritische Theorie» in den 60er und
      70er Jahren als Pflichtlektüre vorgesetzt. Die
      Marxschen Kampfbegriffe werden ersetzt:
      «Revolution» heisst jetzt «Negation des
      Bestehenden». «Diktatur des Proletariats» ist zu
      «Vergesellschaftung» des Menschen geworden,
      «Kommunismus» zu «vernünftige Gesellschaft». Als
      ob nicht schon in den 30er Jahren die Greuel der
      kommunistischen Diktatur deutlich gewesen wären!
      Die «Kritische Theorie» tut aber geschickt so, als
      stünde sie in der philosophischen Tradition seit der
      Antike, obwohl sie mit allen Grundlagen gebrochen
      hat. Sie behauptet - Marx folgend -, wahre Vernunft,
      Freiheit und Humanität, von der die bisherigen
      Philosophen nur geredet hätten, seien erst nach der
      Revolution in einer klassenlosen Gesellschaft
      praktisch möglich. In diesem Sinn, so Horkheimer,
      «bewahrt die kritische Theorie über das Erbe des
      deutschen Idealismus hinaus das der Philosophie
      schlechthin».11 Die «Kritische Theorie» entspreche
      dem Denken von Platon und Aristoteles, weil sie den
      Menschen in der Totalität der gesellschaftlichen
      Verhältnisse einordne und nicht
      einzelwissenschaftlich fragmentiert betrachte. Sie
      stehe in der Tradition des Deutschen Idealismus seit
      Kant und habe diese weiter entwickelt.
      Dabei könnte der Gegensatz nicht grösser sein:
      Platon und Aristoteles gehen von der Natur des
      Menschen aus. Marx und die «Kritische Theorie»
      leugnen die Natur des Menschen. Der deutsche
      Idealismus, Goethe, Schiller und Humboldt waren
      angewidert vom Terreur der zweiten französischen
      Revolution und der Diktatur Robbespierres. Marx sah
      sich in der Tradition der Jakobiner.

      Solche Vermischungen der Marxschen Lehre mit
      völlig entgegengesetzten Geistesströmungen lagen
      ganz in der Strategie der Frankfurter Schule. Liberale
      kritische Akademiker begeisterten sich so für die
      Ideen und revolutionäre Strategie des Marxismus,
      weil sie anscheinend etwas mit Mitmenschlichkeit,
      sozialer Gerechtigkeit und kritischem Denken zu tun
      hatten. Die Berufung auf die besten philosophischen
      Traditionen sollte die Herzen der Intellektuellen
      ansprechen. Das alte Marxsche Ziel ist letztlich
      geblieben: Revolution und Diktatur. Dazu bedürfe es
      aber zunächst der «Aufhebung der gesellschaftlichen
      Verhältnisse, welche die Entwicklung gegenwärtig
      hemmen».Denn die sozialistische Revolution werde noch durch
      die tragenden gesellschaftlichen und kulturellen
      Institutionen gehemmt.

      Die Studien über «Autorität und Familie» und der
      programmatische Entwurf einer «Traditionellen und
      kritischen Theorie» waren noch vor der Flucht aus
      Hitler-Deutschland im Entstehen begriffen. Sie
      wurden während des Exils in den USA weitergeführt
      und beendet.

      Nach dem Krieg
      Die Tarnung der revolutionären Strategie sollte
      Horkheimer nach dem Zweiten Weltkrieg konsequent
      fortsetzen. 1948 reiste er mit finanzieller
      Unterstützung der Rockefeller Foundation nach
      Deutschland, um - wie er Marcuse anvertraute -
      herauszufinden, ob es «drüben ein paar Studenten und
      sonstige Intellektuelle gibt, auf die man nachhaltigen
      Einfluss in unserem Sinn üben kann».20 offiziell
      deklarierte er als Ziel, durch Vorlesungen über
      «Sozialphilosophie» «zur Umerziehung der deutschen
      Jugend beitragen zu können» und «sie mit den Ideen
      des Individuums und des autonomen Subjekts vertraut
      [zu] machen». Er wolle so die «Mitarbeit
      Deutschlands am Aufbau eines friedlichen, geeinten
      Europa» und die «Wiedereinbindung Deutschlands in
      die wissenschaftlich-intellektuelle Weltgemeinschaft»
      fördern.21 In Wirklichkeit war das subversiv
      revolutionäre Ziel der «Kritischen Theorie» die

      «Aufhebung der gesellschaftlichen Verhältnisse» in
      «unserem Sinn».
      Den wohl schwersten Schaden unter den
      Intellektuellen dürfte die «Kritische Theorie» mit
      ihrem Vorwurf angerichtet haben, im
      Wissenschaftsbetrieb der heutigen Gesellschaft könne
      kein Fachwissenschaftler wirklich kritisch denken, es
      sei denn er sei Marxist. Hier hat das 68er
      Schimpfwort seinen Ursprung, der traditionelle
      Wissenschaftler sei ein «Fachidiot», der nicht
      erkenne, welchen gesellschaftlichen Interessen seine
      Forschung diene und wo die gesellschaftlichen
      Ursachen aller Probleme lägen. Die herrschende
      Wissenschaft sei die Wissenschaft der Herrschenden.
      Dieser Gedanke steht im Zentrum der «Kritischen
      Theorie».

      Kritisch könne nach Horkheimer der
      Wissenschaftler nur werden, wenn seine
      Wissensproduktion «mit dem Kampf um bestimmte
      Lebensformen in der Wirklichkeit zusammenfällt».
      Bei Marx hatte es geheissen, dass der Mensch nur im
      Kampf auf der richtigen Seite der Barrikade richtiges
      «praktisches» Wissen erwerben könne.
      Für Marx wie für Horkheimer gehe die «alte Welt
      an einem überholten wirtschaftlichen
      Organisationsprinzip zugrunde». Das bewirke einen
      kulturellen Verfall. Heute beherrsche die Wirtschaft
      den Menschen, weil die Produkte nicht in den Händen
      der Gesellschaft liege. Die Wirtschaft sei daher der
      Hebel zur Umwälzung. Die Veränderung einer
      Gesellschaft umfasse aber auch die Kultursphäre. In
      der zukünftigen «vernünftigen» Gesellschaft des
      Kommunismus müssten die Menschen daher nicht nur
      die Herrschaft über die Wirtschaft, sondern auch über
      ihre gesamten Beziehungen errungen haben. 1

      (Dieser Artikel erschien im Jahre 1999 in der schweizerischen Zeitschrift "Zeit-Fragen".)
      Avatar
      schrieb am 09.05.04 21:50:52
      Beitrag Nr. 2 ()
      Der Zeitgeist braucht keinen Vater,
      das waere ein Wiederspruch.
      Der Zeitgeist ist die geistige Manifestation
      der gegenwaertigen Epoche.

      Doch manche sind eben sehr in tune,
      schnappen diesen Zeitgeist auf
      und koennen ihn auswerten und rueberbringen.
      Erfolge und Erfindungen etc. kommen aus diesem
      Lesen des Zeitgeistes.


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