checkAd

    HINTERGRUND – Kirch: Verhandlungen geraten ins Stocken - 500 Beiträge pro Seite | Diskussion im Forum

    eröffnet am 03.04.02 18:42:26 von
    neuester Beitrag 04.04.02 01:59:36 von
    Beiträge: 5
    ID: 573.537
    Aufrufe heute: 0
    Gesamt: 177
    Aktive User: 0


     Durchsuchen

    Begriffe und/oder Benutzer

     

    Top-Postings

     Ja Nein
      Avatar
      schrieb am 03.04.02 18:42:26
      Beitrag Nr. 1 ()

      Nach wochenlangen Verhandlungen zur Rettung des hoch verschuldeten Kirch-Konzerns scheint Leo Kirch nun doch über einen Insolvenzantrag nachzudenken. Zuletzt waren die zwischen dem Firmengründer, den Gläubigerbanken und den Minderheitsgesellschaftern geführten Gespräche am Dienstag ergebnislos abgebrochen worden. Aus Bankenkreisen verlautete, man sei dem Scheitern näher als einer Einigung.

      Aus Sicht der vier Gläubigerbanken HypoVereinsbank, Bayerische Landesbank, Commerzbank und DZ Bank ist vor allem die Finanzierungsfrage strittig. Sie haben verständlicherweise kein Interesse daran, ihre milliardenschweren Forderungen gegenüber dem angeschlagenen Münchener Unternehmen abzuschreiben. Angeblich sollen die an den Gesprächen beteiligten Kirch-Gesellschafter jedoch genau das gefordert haben. Ebenso hätten sie es abgelehnt, sich an einem finanziellen Überbrückungskonzept zu beteiligen. Im Gespräch war zuletzt eine zusätzliche Finanzspritze von 800 Mio. Euro.

      [Anzeige]
      Damit Sie besser informiert sind: Aktienanalysen von wallstreet:online

      Überdies forderten die Kirch-Gesellschafter - darunter auch der Medien-Tycoon Rupert Murdoch und der Mediaset-Konzern des italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi – die Mehrheitsbeteiligung an der Kirch-Gruppe für sich. Unter diesen Umständen erscheint eine positive Verhandlungslösung zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich.

      Murdoch und Berlusconi schielen schon seit längerer Zeit auf den lukrativen deutschen Medienmarkt. Eine Übernahme Kirchs mit den zugehörigen Privatsendern Sat.1, Pro Sieben, Kabel 1 und N24 sowie der größten Filmbibliothek Deutschlands durch die beiden Medienunternehmen erscheint jedoch in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zum einen gibt es schwerwiegende kartellrechtliche Bedenken. Ruport Murdoch, mit dem am Donnerstag Verhandlungen in den USA anberaumt sind, ist auch auf dem europäischen Medienmarkt bereits stark präsent. Im Falle Berlusconis ist die Sachlage noch bedenklicher, da sein medienpolitischer Einfluß als Medienunternehmer und italienischer Ministerpräsident ohnehin schon die Grenzen des Zulässigen überschritten zu haben scheint.

      Deshalb fordern deutsche Politiker nun erneut eine „nationale Lösung“ für den Kirch-Konzern. Monika Griefhahn (SPD), die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien, befürchtet eine „Gleichschaltung auf der europäischen, amerikanischen und australischen Ebene“, falls es im Falle Kirch zu einem Engagement Murdochs und Berlusconis kommen sollte. Griefhahn brachte ein Lösungsmodell ins Gespräch, wonach der Bund eine Sperrminorität bei Kirch übernehmen solle. Ob dieses Konzept als tragfähige Alternative verfolgt wird, darf indes bezweifelt werden. Zum einen stellt sich für den Bund das Finanzierungsproblem, da die von Griefhahn ins Spiel gebrachten UMTS-Milliarden durch das Bundesfinanzministerium anderweitig verplant sind. Zum zweiten hat die Bundesregierung bislang keine Anstalten erkennen lassen, für den Kirch-Konzern finanziell einzuspringen. Aller Voraussicht nach wird sie das auch künftig nicht tun.

      In jedem Fall aber wird sich der Firmengründer und bisherige Mehrheitseigner Leo Kirch schon bald von Teilen seines Konzerns verabschieden müssen. Vor allem der verlustreiche Bezahlfernseh-Sender Premiere, der sich als Totalflop erwiesen hat, müsste schleunigst verkauft werden. Immerhin „erwirtschaftete“ Premiere im Jahr 2001 ein negatives Ebit (Ergebnis vor Steuern und Zinsen) von 989 Mio. Euro. Seine 1,6 Milliarden Dollar schwere Formel-1-Beteiligung wollte Kirch zuletzt noch unbedingt behalten und gab bekannt, er sei lediglich zu einer Kooperation mit potentiellen Investoren bereit. Ein möglicher Verkauf seines 25prozentigen Anteils an dem spanischen Fernsehsender Telecinco könnte Kirch 500 Mio. Euro einbringen. Damit wäre jedoch nur ein Teil der Gesamtschulden von 6,5 Mrd. Euro gedeckt.

      Auch die ProSiebenSat.1-Gruppe könnte von dem anstehenden Ausverkauf betroffen sein. So erörterte Kirch zuletzt, die Fernseh-Verwertungsrechte für die Fußball-Bundesliga an die ARD zu verkaufen. Bisher liegt die Erstverwertung bei Sat.1. Damit würde jedoch ein vergleichsweise gesundes Element der Kirch-Holding spürbar geschwächt werden. Immerhin wurde die geplante Fusion zwischen ProSiebenSat.1 und der KirchMedia, in der das Kerngeschäft der Holding gebündelt ist, auf unbestimmte Zeit vertagt. Damit bleibt die Eigenständigkeit der Fernsehsenderfamilie gewahrt. Zumindest ein positiver Aspekt im Desaster um Leo Kirch und seine Kredite.

      Autor: Robin Jopp (© wallstreet:online AG),18:42 03.04.2002

      Avatar
      schrieb am 03.04.02 20:48:23
      Beitrag Nr. 2 ()
      byebye leo :laugh:
      Avatar
      schrieb am 04.04.02 01:52:18
      Beitrag Nr. 3 ()
      M O G U L 2



      Vorbild: Napoleon

      Wie Berlusconi nach der Macht griff

      Von Ulrich Ladurner



      Silvio Berlusconi kennt keine falsche Scham, wenn es um seine Person geht: Er hat sich schon mit Napoleon verglichen und mit Kaiser Justinian. Und das war durchaus ernst gemeint. Nun scheint es so, als sei er drauf und dran, sich wie sein Vorbild Napoleon über Europa herzumachen. Bald schon könnte Mediaset, die Tochter seiner Finanzholding Fininvest, sich bei der KirchMedia einkaufen. Es ist nützlich, Berlusconi zuzuhören, um zu verstehen, wer er wirklich ist. An Selbstaussagen mangelt es nicht: "Keiner verfolgt so wie ich die Utopie. Der Unterschied zu den anderen ist, dass deren Träume Träume bleiben, während meine Wirklichkeit werden"; "Ich bin ein einfacher Unternehmer, der Wunder vollbringt!"

      Das klingt zunächst alles recht komisch. Nur hat Berlusconi fast alles wahr gemacht. Heute ist er Regierungschef und Außenminister in Personalunion, reichster Mann des Landes und unumschränkter Herrscher über das Fernsehen. Seit seinem Amtsantritt als Ministerpräsident hat er auch den staatlichen Sender Rai an die Kandare genommen. Diese Karriere ist einmalig - besonders wenn man einen Blick auf seine Herkunft wirft.

      Er wurde 1936 als Sohn eines kleinen Bankbeamten geboren. Er hatte keinerlei eigenes Kapital, als er nach dem Studium der Rechtswissenschaften 1961 ins Baugeschäft einstieg. Bereits durch sein erstes Großprojekt, die Mailänder Satellitenstadt Milano 2, wurde er zu einem der bedeutenden Bauunternehmer Italiens. Die rund sieben Millionen Mark, die er für die Finanzierung benötigte, kamen von einer anonymen Immobilienanlagen AG mit Sitz im schweizerischen Lugano. Wer hinter dieser Gesellschaft stand, ist bis heute unklar.

      Milano 2 enthielt im Kern die Grundidee des "visionären Unternehmers" Berlusconi. Die Bewohner des Luxusviertels sollten alle Wohltaten der Konsumgesellschaft aus einer Hand entgegennehmen können. Wer dort lebte, konnte bei der Kaufhauskette Standa einkaufen, die Berlusconi gehörte. Er kam in eine Wohnung, die Berlusconi gebaut hatte. Er schaltete den Fernseher ein und sah höchstwahrscheinlich einen Berlusconi-Sender. Wenn er ins Kino ging, bekam er ziemlich sicher einen Film aus dessen Verleih geboten. Kaufte er am Kiosk eine Zeitung, war es mit einiger Sicherheit eine von Berlusconi. Und war er schließlich ein Fan des Fußballvereins AC Milan, landete er wieder bei dem Tycoon. Dieser hatte schon 1986 den krisengeschüttelten Traditionsklub gekauft. Der Kreis war geschlossen.

      Zu solch "totalitärer" Macht steigt in Italien nur auf, wer Verbindungen zur Politik hat. Berlusconi genoss ungewöhnliche Protektion und auch das nahezu grenzenlose Vertrauen der Banken. Schutzpatron Berlusconis war der italienische Sozialistenchef Bettino Craxi.

      Wie entscheidend Craxi für Berlusconi war, zeigte sich am 16. Oktober 1984. Damals war der Unternehmer bereits ins Fernsehgeschäft eingestiegen. Laut geltendem Gesetz war es Privatsendern nur erlaubt, lokal zu senden. Berlusconi kümmerte sich nicht darum. Er verbreitete seine Programme landesweit, indem er verschiedene Lokalsender gleichzeitig dasselbe Programm ausstrahlen ließ. Am 16. Oktober beschlossen drei Richter, das Gesetz anzuwenden. Sie ließen Berlusconis Sender "verdunkeln". Dieser mobilisierte daraufhin seine Medien. Ministerpräsident Craxi wurde mit Protestantrufen überhäuft und paukte kurz darauf ein Gesetzesdekret durch, welches das Vorgehen der Richter annullierte. 1992 kam sein Patron Craxi durch einen Korruptionsskandal zu Fall, gleichzeitig war Berlusconis Fininvest hoch verschuldet. Bis heute hält sich die Meinung, dass Berlusconi nur in die Politik ging, um den drohenden Bankrott abzuwenden. Das gelang ihm, auch wenn er 1994 nach nur sieben Monaten im Amt zurücktreten mußte: Fininvest überlebte.

      Zum zweiten Mal schaffte Berlusconi 2002 den Sprung auf den Ministerpräsidentensessel. Mehrmals hatte er vor der Wahl versprochen, er werde seine Unternehmen verkaufen. Geschehen ist bis heute nichts. Er selbst hat in seinem verschachtelten Unternehmen keine "formelle Funktion mehr". "Mein Verhältnis zu meiner Firma", sagt er, "beschränkt sich auf den reinen Besitz." Den freilich weiß er unter den Seinen aufzuteilen. Sein Sohn Silvio ist Vizepräsident der börsennotierten Mediaset, seine Tocher Marina ist Vizepräsidentin von Fininvest, die nicht an der Börse notiert ist. Sein Bruder Paolo und seine Ehefrau signieren als Medienunternehmer. Alles bleibt also in der Familie - und unter Kontrolle des Patrons.

      Was lässt Berlusconi nun nach KirchMedia greifen? Francesco Manacorda, ein langjähriger Beobachter Berlusconis, sagt dazu: "Er will seinen Kindern einfach möglichst viel Reichtum hinterlassen." Aber es gibt noch ein anderes Motiv für Berlusconis unstillbaren Hunger. Er hat die Erfahrung gemacht, dass Macht vor Recht schützt, und je mehr Macht einer hat, desto sicherer ist er. So einfach ist das.


      Quelle: DIE ZEIT 15/2002
      Avatar
      schrieb am 04.04.02 01:56:08
      Beitrag Nr. 4 ()
      M O G U L 1



      Haifisch-Taktik

      Wie Murdoch auf seine Chance wartete

      Von Jürgen Krönig



      Anders als sein potenzieller künftiger Partner Silvio Berlusconi hatte Rupert Murdoch es nie nötig, politische Ämter an zustreben. Er erreichte zumeist auch so, was er wollte. Ob in Australien, Großbritannien oder Amerika - Murdoch bediente sich der Politiker, um ans Ziel zu gelangen; baute sie publizistisch auf, um sie fallen zu lassen, wenn sie ihm nichts mehr zu bieten hatten.

      Nur Murdoch besitzt genügend finanzielle Mittel und die notwendige Expertise, um das Pleiteunternehmen Kirch Media zu übernehmen. Er wird nicht, wie Berlusconi, durch eine Doppelrolle in Politik und Medien behindert. Noch ziert er sich. Aus seinem Hauptquartier ließ er verlauten, er wolle nur seine Investition von rund 1,7 Milliarden Euro zurückholen. Mehr nicht. Doch das gehört zum Pokerspiel.

      Murdochs NewsCorp will schon lange auf dem Kontinent Fuß fassen, auch wenn dem Eigentümer die politische wie ökonomische Kultur Europas missfällt: zu reguliert, zu wettbewerbsfeindlich, nicht der ungezügelte freie Markt, auf dem sich ein globaler Player seiner Statur ungehindert entfalten kann. Doch nur in Europa kann ein weltumspannender Medienkonzern wie NewsCorp noch expandieren; nur in einer Region mit hoher Fernsehdichte und 320 Millionen relativ wohlhabenden, konsumfreudigen Verbrauchern lässt sich derzeit noch Geld verdienen. Der asiatische Markt einschließlich Chinas wird noch geraume Zeit brauchen, um profitabel zu werden.

      In Deutschland sollte man sich langsam auf einen ganz neuen Typ des Medienunternehmers einstellen: Der Anglo-Australier ist eine Mischung aus Crocodile Dundee und Citizen Kane, ein raubeiniger Entrepeneur aus jenem heißen, staubigen Land, in das die Briten einst ihre Gesetzesbrecher verfrachteten. Mit der gemütlichen korporativen Kungelei der Deutschland AG dürfte es fortan vorbei sein.

      Genugtuung über einen erfolgreichen deutschen Coup wird sich Murdoch nicht anmerken lassen. In seiner Umgebung klingt jedoch bereits leiser Triumph an. Jahrelang hatten Regierungen, nationale Wettbewerbshüter und Brüsseler Kommissare jeden Vorstoß Murdochs abgeblockt. Nun steht der verfemte Tycoon kurz vor dem Ziel.

      Zu den bestechendsten Eigenschaften Murdochs gehört die Fähigkeit, Trends frühzeitig zu erkennen und gewinnbringend zu nutzen. Er fiel nicht wie seine Konkurrenten - ob nun Time Warner, Vivendi Seagram oder Bertelsmann - auf die Verheißungen der Internet-Ökonomie herein. Nun kalkuliert der Australier ganz kühl geringere Kosten für die begehrten Fußball-Übertragungsrechte ein, nachdem sich das digitale Fernsehen überall in Europa daran verschuldet hat.

      Vor allem zeichnet sich der Mann, der seine Staatbürgerschaft dreimal wechselte, durch Geduld aus. Viele Jahre umkreiste er den Kontinent. Vox, Kirchs DF 1 und TM 3 samt den deutschen TV-Rechten für die europäische Champions League erwiesen sich als allzu kleine Happen. Weshalb er sie wieder abstieß. Nun hält "der Hai", wie Leo Kirch ihn nannte, einen großen Brocken zwischen seinen Zähnen. Mit einer bescheidenen Minderheitsbeteiligung von 22,5 Prozent war Murdoch vor drei Jahren bei Premiere eingestiegen. Schon bei der Unterzeichnung des Vertrages spekulierte er darauf, das Pay TV seines "Freundes Leo" werde bis zum Oktober 2002 nicht aus der Gefahrenzone herausgelangen. Seine Rechnung scheint aufzugehen.

      Mit dem maroden Premiere-Pay-TV allein wird Murdoch sich allerdings nicht abspeisen lassen. Er drängt ins frei zu empfangene Fernsehen (Free TV). Das Pay TV ist erst einmal ausgereizt. Das Publikum lässt sich nicht länger von der Aussicht auf noch mehr Kanäle zum Kauf eines Decoders oder einer Satellitenschüssel bewegen. Den Zuschauern dämmert, dass ein größeres Angebot meist miesere Programme bedeutet.

      In Deutschland bliebe Murdoch auf einen Sektor der Medienindustrie beschränkt, selbst wenn er die Kontrolle über Kirchmedia übernähme. Weitere Erwerbungen oder ein Vorstoß in die Printmedien ließen sich durch Regulierung verhindern, vorausgesetzt, der politische Wille dazu besteht. Das Argument drohender Verflachung der deutschen Fernsehlandschaft durch ein "Murdoch TV" lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Deutschland besitzt auf den kommerziellen Kanälen längst sein eigenes Unterschichten-TV, das Sex, Gewalt und vulgär-fröhlichen Exhibitionismus bietet. Ehrlicher wäre es, die wahren Einwände gegen einen Medienzaren wie Murdoch offen zu benennen.

      Murdoch will nicht das Volk erziehen und informieren; er bedient seine Bauchgefühle. Der Erfolg seiner Massenmedien in Amerika wie Großbritannien ist nicht so sehr, wie linke Kritiker bejammern, zuvörderst das Ergebnis raffinierter Manipulation der Massen durch einen zynischen Tycoon. Seine Gazetten werden gekauft, seine Sender eingeschaltet, weil sie ausdrücken, was viele Leser und Zuschauer empfinden. Letztlich beugt sich Murdoch der Macht der Massen.

      Das lässt immer noch genügend Manövrierraum, um Ideologie zu verbreiten und Parteien wie Politiker zu stützen, die Murdochs Credo vom Segen freier Märkte und der Globalisierung teilen. Dabei ist er weder zimperlich noch allzu wählerisch. Wenn es sein muss, frisst er Kreide und pfeift seine Reporterbluthunde auch schon mal zurück. Als die Sun zur Hatz blies auf eine "schwule Verschwörung" in Großbritannien und sich daran begeben wollte, Homosexuelle in führenden Positionen zu outen, stoppte der Boss per Anruf aus New York das Projekt.

      Sein Wirken als Medientycoon hat Murdoch sicherlich nicht in den Dienst menschlicher Veredelung gestellt. Doch ist er sich der Wirkung der globalen Populär- und Kommerzkultur bewusst, die sein Medienreich verbreiten hilft. Sein britisches Massenblatt Sun gilt zwar immer noch als garstigstes Boulevardprodukt Europas; doch in den vergangenen Jahren wurde deutlich, dass er zwar seine Massenpresse an kurzer Leine führt, den Redaktionen der Times und Sunday Times jedoch einen gewissen Spielraum lässt.

      Doch selbst die erfreulicheren Wendungen im Reiche des Rupert Murdoch können nicht davon ablenken, dass ausufernde Medienmacht ein ernstes Problem für eine demokratische Gesellschaft darstellt. Vierzig Prozent aller verkauften Zeitungen und ein nahezu vollständiges Monopol über das Bezahlfernsehen in Großbritannien bedeuten eine gefährliche Machtkonzentration. Weil Murdoch in den achtziger Jahren auf beiden Seiten des Atlantiks zum publizistischen Alliierten von Margaret Thatcher und Ronald Reagan wurde, konnte er in dieser Zeit ein verschachteltes Imperium errichten, das jeden Trick und jede Steueroase nutzte: NewsCorp zahlt selten mehr als sieben Prozent Steuern. Wer immer sich mit Murdoch einlässt, sollte wissen, dass der stets nach dem Monopol strebt.


      Quelle: DIE ZEIT 15/2002
      Avatar
      schrieb am 04.04.02 01:59:36
      Beitrag Nr. 5 ()
      M E D I E N



      Wer zittert, hat schon verloren

      Kirch vor dem Aus: Rupert Murdoch und Silvio Berlusconi kämpfen mit den Banken um das Erbe. Den Mitarbeitern wäre jeder Retter recht

      Von Wolfgang Gehrmann und Peter Littger




      © Igor Kravarik für DIE ZEIT

      Anfang März verschickten die drei Topmanager der KirchGruppe, Dieter Hahn, Klaus Piette und Urs Rohner, eine gewohnt ungenaue, aber ungewohnt offene Hauspost: "Wie Sie alle wissen, führt das Management mit verschiedenen Banken und Partnern Gespräche, um mit deren Hilfe Zukunftssicherheit für eine wettbewerbsfähige Unternehmensgruppe zu schaffen ... Sollten Entscheidungen getroffen werden, die eine Auswirkung auf Ihren Aufgabenbereich haben, würden wir Sie im Vorfeld umfassend informieren."
      Das war der Hausalarm: Leo Kirchs Medienkonzern mit den Fernsehsendern Sat.1, ProSieben und Premiere steckt in seiner vermutlich finalen Krise. Der Firmengründer wird sein mit sieben Milliarden Euro verschuldetes Imperium verlieren - offen ist, ob durch Konkurs, Übernahme oder Zerschlagung der KirchMedia GmbH und ihrer Beteiligungen. Vieles deutet darauf hin, dass dem italienischen Medienzaren und Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und dem australo-amerikanischen Presse- und Fernsehunternehmer Rupert Murdoch die Reste von Kirchs Reich in die Hände fallen werden. Minderheitsbeteiligungen halten sie bereits.

      Täglich rechnen die Mitarbeiter der Kirch-Firmen in München und Berlin mit der entscheidenden Hiobsbotschaft von oben. Wo im Flurfunk noch vor kurzem über die Ausstattung der nächsten Hausparty gegackert wurde, laufen jetzt Hinweise auf die Zahlungsunfähigkeit des Konzerns um. Alle wissen, sie sind die Verfügungsmasse eines riesigen Pokerspiels, das eine Hand voll Banken, Medienfirmen und die Tycoons Berlusconi und Murdoch spielen. Es sei eine "Abzocke", bei der alle Beteiligten den Hauptgewinn wollen, sagt ein Kirch-Vertrauter.

      Die Zockerei lief über Ostern in zahllosen Telefonaten rund um die Welt. Gründonnerstag waren Banker und Anteilseigner in der bayerischen Landesbank in München ergebnislos auseinander gegangen. Wenig drang über die Verhandlungen nach draußen. Nur, dass die Gespräche chaotisch und die Akteure weit auseinander seien. Es könne Wochen dauern, ehe man zu Stuhle komme, ließ ein Banker verlauten.

      Die Kirch-Aktionäre Murdoch und Berlusconi treiben das Spiel auf die Spitze, weil sie sich sicher sind, gute Karten zu haben. Lächelnd würden sie den Konkurs der KirchMedia AG in Kauf nehmen. Als Teilhaber haben sie Vorkaufsrechte - sie könnten sich im Räumungsverkauf billigst deutsche Fernsehmarken, Inhalte und Abonnentenkarteien sichern. Berlusconis Dachfirma Mediaset hatte schon früh verlauten lassen, man denke nicht daran, weiteres Geld in Kirchs Firmen einzuschießen. Und die Beteiligung an der KirchMedia habe man schon auf ein Fünftel abgeschrieben. Ein Berlusconi-Manager: "Die Pleite raubt uns nicht den Schlaf. Schwerer haben es die Gläubigerbanken."

      Stimmt. Murdoch und Berlusconi wollen nur einsteigen, wenn die Banken einen Überbrückungskredit von 200 Millionen Euro geben und auf den Großteil ihrer Forderungen verzichten. Am besten positioniert ist die Deutsche Bank, die sich aus den Verhandlungen auch weitgehend heraushielt. Ihren Kredit über 615 Millionen Euro hat sie durch die Verpfändung von 40 Prozent der Anteile besichert, die Kirch am Springer Verlag hält. Bei einem Bankrott des Münchner Medienzaren gehen die Aktien an die Bank, die dann einen genehmen neuen Anteilseigner suchen könnte. Relativ gut steht auch die Dresdner Bank da. Sie hatte sich kürzlich die Verlängerung eines Kredits über 460 Millionen Euro an Kirch bis April durch die Übertragung von 25 Prozent am profitablen spanischen Fernsehsender Telecinco besichern lassen. Der Chef der DZ-Bank, Ulrich Brixner, warf dem Kollegen Bernd Fahrholz von der Dresdner prompt vor, sich Sicherheiten auf Kosten anderer zu erschleichen. Alle übrigen Banken nämlich haben im Kirch-Poker ein schlechtes Blatt. Die Bayerische Landesbank ist mit zwei Milliarden Euro Kirchs größter Gläubiger. Sie hat, nicht ohne Zutun der bayerischen Staatsregierung, Kirchs überteuerten Einstieg in die Formel 1 und sein ewig kränkelndes Abofernsehen Premiere finanziert. Gemeinsam mit der HypoVereinsbank, die mit 460 Millionen Euro engagiert ist, kämpft die Landesbank deshalb am entschiedensten gegen die Kirch-Pleite.

      Der Insolvenzantrag aber kann täglich kommen. Allein die Hollywood-Studios Universal, Paramount und Columbia warten auf Kirch-Zahlungen von jeweils mehr als 100 Millionen Dollar. Auch die amerikanischen Filmbosse verhandeln deshalb mit. Den stärksten Triumph hält Rupert Murdoch. Am 1. Oktober kann er Kirch seine 22-Prozent-Beteiligung am Pay-TV-Sender Premiere zurückgeben, weil der Sender nachhaltig seine Geschäftsziele verfehlt. Kirch müsste Murdoch dafür 1,75 Milliarden Euro zahlen. Und dieses Ass wird Murdoch ganz sicher laut auf den Tisch knallen.

      Gerhard Schröder wagt sich vor

      Murdoch und Berlusconi als Erben Leo Kirchs - die Vorstellung, dass die beiden Großunternehmer den deutschen Medienmarkt aufmischen, ist ein Politikum. Auf ihren Heimatmärkten sind weder Murdoch noch Berlusconi als Sachwalter verantwortungsbewusster Publizistik aufgefallen. Ein paar Tage ließ Bundeskanzler Gerhard Schröder seinen Regierungssprecher Leerformeln verbreiten. Dann wagte er sich in einem Spiegel-Interview zu der Formulierung vor: "Ich glaube, wenn er (Murdoch - d. Red.) ähnlich erfolgreich wie in England Pay-TV macht, sollten wir keinen Einwand haben. ... Bei Berlusconi glaube ich, dass es nicht unproblematisch ist, wenn ein Ministerpräsident eines mit uns befreundeten Landes über seine privaten Unternehmen ausgerechnet im deutschen Medienbereich Einfluss hätte."

      Im Kanzleramt ist nun von "gesellschaftlicher Verantwortung der Banken" die Rede - es könne doch nicht sein, dass über die Zukunft der deutschen Medienlandschaft von ein paar Banken allein aufgrund von Renditekriterien entschieden werde, heißt es hilflos. Auch über föderalistischen Kompetenzwirrwarr der Medienpolitik wird geklagt - nach der Wahl müsse das reformiert werden. Mit diversen Interviews versuchten Vertreter des rotgrünen Lagers Stimmung gegen die unerwünschten Investoren zu schaffen. NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement nannte die Aussicht, dass Murdoch und Berlusconi kämen, "ungeheuerlich". Grünen-Vorsteher Fritz Kuhn gab bekannt, sein Parteivorstand werde einen Medienanwalt beauftragen zu prüfen, was sich rechtlich gegen Berlusconis Einstieg machen lasse. SPD-Fraktionschef Peter Struck wendete die drohende Invasion gleich zur Attacke auf Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber. Die bayerische Staatsregierung habe durch unverantwortliche Kreditvergabe an Kirch die Tore für Murdoch und Berlusconi aufgestoßen.

      Stoiber selbst ist auf Tauchstation. Aus seinem Umfeld heißt es nur, der Ministerpräsident wolle sich aus der Kirch-Krise heraushalten. Dem CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag, Alois Glück, blieb es vorbehalten, die weiß-blaue Position in diesem Teilaspekt der Einwanderungspolitik zu vertreten: Es gebe keinen grundsätzlichen Vorbehalt gegen den Einstieg ausländischer Investoren. Das Wichtigste sei, in München Arbeitsplätze zu erhalten.

      Die ersten sind schon verloren. In der nächsten Woche wird die Abwicklung der Abonnenten Service Gesellschaft (ASG) und ihrer 120 Mitarbeiter verhandelt. Es ist ein erstes kleines Feuer am Rande eines Krisenherdes, in dem mit jedem Tag die Gefahr eines Flächenbrandes wächst. Mehrere tausend Arbeitsplätze drohen unterzugehen, ein wichtiger Zweig der europäischen Medienindustrie und der Traum vom Bezahlfernsehen in Deutschland.

      Ursache des Debakels ist vor allem das Dahinsiechen der Pay-TV-Gesellschaft Premiere. Tag für Tag verliert sie zwei Millionen Euro. Die Gesamtschuld beträgt rund 3,2 Milliarden Euro - die Zahl der Kunden liegt mit rund 2,5 Millionen weit unter dem Plan von vier Millionen. Eilige Maßnahmen wie ein "Schnupperabo" zu fünf Euro sollen Premiere nun retten. Vor zwei Wochen wurde der Gratissaft für alle Mitarbeiter gestrichen. Der neue Chef Georg Kofler strich Anglizismen im Sendernamen und im Programmangebot, um deutsche Zuschauer besser anzusprechen. Premiere World heißt jetzt einfach Premiere. Und er will bis zu 800 Stellen streichen. Man kündige "Stock für Stock", heißt es lakonisch aus dem Unternehmen. Vor Ostern verloren Dutzende ihre Jobs - und am Dienstag mussten 44 Kollegen der Online-Redaktion gehen.

      Die Mitarbeiter sind für jeden Investor offen, deutsch muss er nicht sein. Und überhaupt, eine deutsche Lösung? "Das würde nur bedeuten, dass Springer oder die WAZ einsteigen", sagt ein leitender Nachrichtenredakteur in Berlin. "Ich bin mir sicher, dass 90 Prozent meiner Kollegen dagegen wären. Die TV-Erfahrungen in beiden Verlagen sind schlecht oder gar nicht vorhanden." Mehr Zustimmung erfahren Murdoch und Berlusconi: in München vor allem der Italiener, in Berlin mehr der Australier. Politische Bedenken haben kein Gewicht. "Wir sind ein kostenorientierter und kein politisch orientierter Sender mehr", hört man Kollegen sagen. Mit Rupert Murdoch werde man schon fertig. "Wenn er sich nicht dem deutschen Markt und unseren Arbeitsweisen anpasst, wird er mit uns keinen Erfolg haben", tönt es gar auf unterschiedlichen Etagen der ProSiebenSat.1 Media AG. Der Trotz der Verlierer?

      Unterschiedliche Auffassungen über den wahren Wert der AG, an der KirchMedia 52,5 Prozent hält, sind ein Streitpunkt bei den Investorengesprächen. Niemand wisse, welche Verpflichtungen die AG habe und welche unterschiedlichen Kräfte in ihr wirken, wurde kolportiert. Innerhalb der KirchGruppe hat sich seit Jahren ein reger Geld- und Warenumsatz entwickelt - immer nach der Devise: "Am Ende ist sowieso alles Kirch." Dass diese Geschäfte immer den realen Marktbedingungen entsprachen, wird bezweifelt. Sat.1 und ProSieben stehen offenbar auch gesund da, weil sie Filmrechte sehr günstig von Premiere erhalten. Gleiches gilt für technische Dienstleistungen, die ebenfalls durch Töchter der KirchMedia, etwa SZM studios oder Plaza, erbracht werden.

      Noch tückischer als die geschäftlichen Verstrickungen der AG sind ihre internen Konflikte. Zwar vereint die größte deutsche Fernsehfirma seit ihrer Gründung im Herbst 2000 die Sender ProSieben, Sat.1, Kabel1 und den Nachrichtenkanal n24 unter einem Dach. Doch die Sender haben sich nie richtig aufeinander abgestimmt. Wie so oft unter Leo Kirch dienen profitable Geschäftszweige dazu, nichtprofitable zu finanzieren. In anderen Branchen mag diese Strategie funktionieren - im Fernsehen erzeugt sie große Spannungen, die jedem Gesellschafter Schwierigkeiten bereiten würden - egal, ob er Murdoch oder Berlusconi heißt. Sollten sie schließlich die neuen Gesellschafter werden, müssten sie die schwierige Aufgabe meistern, bei ProSiebenSat.1 erstmals die innere Einheit herzustellen. Mit Kostendruck ist das nicht zu schaffen.


      Quelle: DIE ZEIT 15/2002


      Beitrag zu dieser Diskussion schreiben


      Zu dieser Diskussion können keine Beiträge mehr verfasst werden, da der letzte Beitrag vor mehr als zwei Jahren verfasst wurde und die Diskussion daraufhin archiviert wurde.
      Bitte wenden Sie sich an feedback@wallstreet-online.de und erfragen Sie die Reaktivierung der Diskussion oder starten Sie
      hier
      eine neue Diskussion.
      HINTERGRUND – Kirch: Verhandlungen geraten ins Stocken