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    Das Erfurter Schulmassaker: Die "wahren" Ursachen ! (Eine traurige Satire) - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 29.04.02 18:15:04 von
    neuester Beitrag 26.04.03 14:33:45 von
    Beiträge: 57
    ID: 581.923
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      Avatar
      schrieb am 29.04.02 18:15:04
      Beitrag Nr. 1 ()
      Was mich aber traurig macht, ist die Tatsache, daß sich, kaum ist so ein schlimmes Ereignis geschehen, interessierte Kreise an das Thema festhaften, wie die Fliege am Leim und den "Amoklauf" als Postdienst benutzen, um ihr ideologisches Päckchen an den Mann/Frau zu bringen .


      - Für die CDU/CSU ist an der Bluttat die moderne Welt
      und der Zerfall der alten Familienstrukturen schuld.

      - Für die SPD ist, ganz sozialdemokratisch, das mangelnde Soziale an unserer Gesellschaft schuld.(Das sie nicht das Todschlagargument der Ellenbogengesellschaft gebraucht haben, ist ein Wunder.Aber nach der Abwahl von H.Kohl im Jahr 1998 ist wohl offiziell die Ellenbogengesellschaft für
      beendet erklärt worden.Wer weiß !?)

      - Für die Grünen wird wohl die Umweltverschmutzung und die Globalisierung schuld sein.

      -Die FDP wird wahrscheinlich dem überregulierten Staat die schwarzen Peter geben und mehr Liberalität fordern.

      -Die PDS wird im Monopolkapitalissmus die Schuld suchen
      und mutmaßen, ob nicht vielleicht der Schütze ein Agent des CIA war.

      -Für die Partei der rechtsstaatlichen Offensive, mit ihrem
      Alphamännchen Roland Schill, war es sowieso schon IMMER klar, daß es zuviel Kriminalität und Gewalt unter den Jugendlichen gibt.

      -Für die Rechtsradikalen sind vermutlich die Ausländer schuld.(Weder der 19jährige Abiturient war ein Ausländer, noch wird es irgendeinen Ausländer auf der Schule geben.Aber das ist egal.Dier Ausländer werden irgendwie schon schuld sein.)

      -Für die Lehrergewerkschaft sind in der Reizüberflutung, den großen Klassenstärken und in dem Erziehungsversagen der Eltern die wahren Ursachen verborgen.(Sie selbst, die Lehrer, tragen an der ganzen Maläisse natürlich nicht die geringste, allerallerklitzekleinste Mitverantwortung)

      -Für die Kirchen richtet ihre Aufmerksamkeit auf die Abwendung von Gott, den Materialismus(Haha, und daß, wo die Kirchen selbst milliardeneuroschwere Reichtümer angehäuft haben und ihre Geistlichen dicke Gehälter bekommen) und, natürlich, die sexuelle Freizügigkeit.

      -Und für die Zeugen Jehovas ist, vermutlich, das "Blutgericht" in Erfurt ein erster Fingerzeig des bevorstehenden Hamagedon.(Weltuntergang)



      Und bei mir kommt bei alledem nur das große Würgen.


      H_S
      Avatar
      schrieb am 29.04.02 18:19:32
      Beitrag Nr. 2 ()
      ...und was soll das werden???

      Ne Hetzkampgne, oder was???


      ...wahrscheinlich..... vermutlich....

      Willst wohl den Leuten was suggerieren???

      Bullshit, sonst nix!!
      Avatar
      schrieb am 29.04.02 18:30:53
      Beitrag Nr. 3 ()
      Wieso Bullshit. Ist doch immer so. Solche Anlässe werden grundsätzlich dazu benutzt, die eigene Ideologie zu rechtfertigen und zu propagieren (von den Kirchen und von der Politik)
      Avatar
      schrieb am 29.04.02 18:51:43
      Beitrag Nr. 4 ()
      @#2

      Hetzkampange ??? :confused:

      SyncMasterDesaster, du hast leider nichts verstanden ! :(


      H_S
      Avatar
      schrieb am 29.04.02 18:55:11
      Beitrag Nr. 5 ()
      Es heißt übrigens richtig: "Die Kirchen richten ihre Aufmerksamkeit auf die Abwendung....................................."


      Sorry !


      ......................

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      Avatar
      schrieb am 29.04.02 19:02:42
      Beitrag Nr. 6 ()
      H_S
      Du hast noch was vergessen: Die armen Eltern, die ihn 19 Jahre aufge-und erzogen haben und natürlich nichts falsch gemacht haben.
      Gruß Jack.
      Avatar
      schrieb am 29.04.02 21:19:44
      Beitrag Nr. 7 ()
      Genau DAS hatte ich gemeint !!! :mad::(


      ............................................


      Wahlkampfgeheul in Zeiten der Trauer

      In Erfurt halten Politiker inne und gedenken der Toten. Doch die leisen Töne drohen unterzugehen. Denn in Berlin nutzen die Parteivertreter die Tragödie als Kampfarena

      Von Peter Dausend



      Nach Besuchen von Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer kamen gestern auch CDU-Chefin Angela Merkel (2.v.l.) und Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (4.v.l.) nach Erfurt. Links: Bernhard Vogel.
      Foto: dpa



      Berlin - Eigentlich wollte Guido Westerwelle ja eine neue Spaßoffensive starten. Für gestern Morgen, 9.15 Uhr, lud er deshalb Kamerateams und Fotografen ins Thomas Dehler-Haus, der FDP-Zentrale in Berlin, um die jüngste Plakataktion der Liberalen vorzustellen: «Wie spielt Deutschland wieder weltmeisterlich?» Doch statt Westerwelle erschien eine Mitarbeiterin des Pressestabs. Der Termin sei abgesagt und der Parteichef unterwegs nach Erfurt - um bei einem Schülergottesdienst der Opfer vom vergangenen Freitag zu gedenken. Das politische Berlin, so dachte man, werde nun das tun, was angesichts der Ereignisse die einzig angemessene Reaktion ist: Innehalten. Wenigstens für diesen Tag. Falsch gedacht.

      Noch war Westerwelle nicht in Thüringen, da tobte in Berlin bereits wieder der Wahlkampf. CDU und CSU warfen der Regierung «skandalöse Untätigkeit» vor, die Regierung der Union «skandalöses Verhalten». Sie versuche, aus dem Erfurter Amoklauf politischen Profit zu erzielen. Als «unerträglich» und «unzumutbar» bezeichnete dies Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Wahlkampfgeheul in Zeiten der Trauer. Kein Wunder, dass da die leisen Töne untergehen. Selbst wenn sie, wie an diesem dritten Tag nach dem Blutbad, Chefsache sind.

      Bereits am Sonntag hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder angesichts der Ereignisse eine SPD-Wahlkampfveranstaltung in Duisburg abgesagt. Gestern folgten ihm die Granden von Union und FDP. Statt, wie geplant, in Berlin ihr Wahlkampfprogramm zu präsentieren, fuhren Edmund Stoiber und Angela Merkel - wie zuvor bereits Schröder und Joschka Fischer - nach Erfurt. Gemeinsam mit dem thüringischen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel legten CSU-Chef und CDU-Vorsitzende vor dem Gutenberg-Museum Blumen nieder und beteten im Gedenken an die Opfer. Dann trugen sie sich im Polizeipräsidium und im Rathaus in Kondolenzbücher ein. Erst danach traten sie vor die Presse - nachdenklich und leise. Stoiber regte eine «sachliche Debatte» über die Gewalt in der Gesellschaft an und sagte, es sei eine «höhere Intoleranz gegenüber Gewaltverherrlichung und der Akzeptanz von Gewalt» erforderlich. Merkel fand es «beeindruckend», wie die Menschen in Erfurt zusammenstünden, «vor allem die jungen Leute.»

      Weniger beeindruckend ist hingegen, wie die Politiker in Berlin auseinander rücken, vor allem Otto Schily und Günther Beckstein. Der Bundesinnenminister warf seinem Kollegen aus Bayern vor, er benutze «schamlos und unanständig» die Ereignisse von Erfurt, um Wahlkampf zu betreiben. Beckstein, seit der Zuwanderungsdebatte im Bundestag nicht mehr Schilys Freund, hatte zuvor die rot-grüne Regierung beschuldigt, beim Verbot von Gewalt verherrlichenden Videospielen «skandalös untätig» gewesen zu sein, was Familienministerin Christine Bergmann umgehend als «geradezu abenteuerliche Behauptung» zurückwies. Die Eindämmung solcher Programme, ließ sie wissen, sei Teil der Novelle des Jugendschutzgesetzes, die in ihrem Ministerium erarbeitet würde. Beckstein wisse das nur zu gut. Schily forderte Stoiber daraufhin auf, den Ex-Kumpel aus dem «Kompetenzteam» zu werfen.

      Innehalten ? Doch nicht im Wahlkampf.

      Bei so viel lauten Tönen wollte auch der niedersächsische CDU-Chef Christian Wulff nicht leise sein. Vehement klagte er «manche Politiker» an, die immer dann mit klugen Ratschlägen ankämen, wenn es zu spät sei. «Einige», sagte er mit Blick auf Schröder, «die jetzt in den ersten Reihen der Gottesdienste sitzen, haben noch vor Wochen Bürgern ein Kreuz zurückgeschickt, weil dafür im Kanzleramt kein Platz sei.»

      Starker Tobak. Dass es noch stärker - und ungleich absurder geht - hat bereits am Wochenende ein FDP-Landtagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen bewiesen. Ralf Witzel, ausgerechnet bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, sagte mit Bezug auf die Ermordeten in Erfurt: «Das ist nicht die Art, wie wir uns das Projekt 18 vorstellen.» Schwer vorstellbar, dass man da gelassen bleibt.

      Dem Kanzler gelang das gestern. Ungeachtet aller Anwürfe rief er zu Besonnenheit auf. «Hektische Reaktionen und Vorschläge helfen uns nicht weiter», sagte Schröder vor einer SPD-Vorstandssitzung. An «vorschnellen Debatten» werde er sich nicht beteiligen. Die Verschärfung des Waffenrechts und eine bessere Kontrolle von Internet-Angeboten zählt er offenbar nicht dazu. Denn die kündigte er nach der Sitzung an. Genauso wie ein Treffen mit den Intendanten der Fernsehsender am Donnerstag. Dann soll über Gewaltdarstellung im Fernsehen gesprochen werden.

      Wird der Erfurter Amoklauf nun Thema im Wahlkampf ? Die Kirchen haben davor bereits gewarnt. Es würde die Menschen «anwidern», wenn sich Parteien gegenseitig der Schuld für die Bluttat bezichtigten, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, der rheinische Präses Manfred Kock. Dass dies geschehe, hält er für möglich: «Im Wahlkampf kann man vor nichts sicher sein».


      .......................................................
      Avatar
      schrieb am 29.04.02 22:48:50
      Beitrag Nr. 8 ()
      H_S.
      Du kannst darauf wetten, daß das im Wahlkampf ein Thema wird! Und ganz besonders bei den beiden "C"-Parteien. Ist doch ein gefundenes Fressen für den designierten Innenminister Beckstein und seinem Herrchen!
      Gruß Jack.
      Avatar
      schrieb am 30.04.02 13:38:52
      Beitrag Nr. 9 ()
      Und hier mal ein paar realitätsnahere Ursachen, als der Unfug von den Politikern !


      ..............................................


      INTERVIEW MIT GEWALTFORSCHER HEITMEYER

      "Er wollte endlich mal stark sein"

      Nach dem Massenmord von Erfurt warnt der Bielefelder Konflikt- und Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer davor, den Leistungsdruck auf Schüler immer weiter zu erhöhen. "Wir suchen nach den Schwächen der Schüler, statt ihre Stärken zu entdecken und zu fördern", sagt der 57-jährige Soziologe.

      SPIEGEL ONLINE: Gibt es die oft beschriebene Gewaltwelle an den Schulen wirklich?

      Wilhelm Heitmeyer leitet das Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld


      Wilhelm Heitmeyer: Die Untersuchungen führen zu recht widersprüchlichen Ergebnissen. Von einem dramatischen Anstieg, einer echten Gewaltwelle kann kaum die Rede sein. Alltägliche Gewalt zum Beispiel in Form von Schlägereien galt bisher vor allem als typisch für Hauptschulen, die Gymnasien indes blieben immer im Windschatten. Dort sind die Mechanismen subtiler. Die Schüler werden etwa nicht durch Prügel, sondern durch stetige Hänseleien in ihrer Integrität verletzt.

      SPIEGEL ONLINE: Und das kann so verheerende Folgen wie in Erfurt haben?

      Heitmeyer: Für Jugendliche ist Anerkennung extrem wichtig. Sie können sich Respekt verschaffen durch Leistung, Attraktivität oder Stärke. Aber das ist ein außerordentlich fragiles Gebilde. Jugendliche brauchen Antworten auf ein paar ganz zentrale Fragen: Wer braucht mich? Bin ich gleichwertig? Fühle ich mich gerecht behandelt? Werden meine Gefühle akzeptiert? Wer darauf keine tragfähigen Antworten findet, gerät in eine schwierige Lage. Wenn es zum Beispiel mit der Leistung nicht so klappt und man mit der Attraktivität Pech gehabt hat, wenn man im Wettlauf nicht mithalten kann, bleibt nur eine Demonstration: endlich mal Stärke zeigen - und sei es ein einziges Mal.

      SPIEGEL ONLINE: Während die Täter etwa in Littleton wahllos auf Mitschüler gefeuert haben, hat der Erfurter Schüler gezielt Lehrer ermordet und die Abiturprüfungen als Termin gewählt. Kann man da noch von einem "Amoklauf" sprechen?




      Massaker in Littleton 1999: Dylan Klebold (r.) und Eric Harris töten
      zwölf Mitschüler und einen Lehrer, dann sich selbst



      Heitmeyer: Nach allem, was wir bisher wissen, war es keine Tat im Affekt, er ist nicht situativ außer Kontrolle geraten. Aber auch die beiden Schüler in Littleton waren präzise vorbereitet. Sie hatten sich zum Beispiel durch bodenlange Mäntel stilisiert und legten viel Wert auf Unterscheidung durch Überlegenheitsphantasien. Als sie in der Schule überhaupt nicht anerkannt wurden, radikalisierten sie ihre Position und suchten sich vor allem zwei Gruppen als Opfer aus: die allseits anerkannten Sportler und die Hispanics. Sie lachten und kicherten, während die Schüler vor ihnen auf dem Boden um ihr Leben flehten, bevor sie erschossen wurden. Die Täter wollten Überlegenheit offensichtlich zumindest in einer Situation empfinden gegenüber jenen, die ihnen Anerkennung verweigert hatten.

      SPIEGEL ONLINE: Für Robert Steinhäuser war der Abitur-Ausschluss offenbar der Auslöser...

      Heitmeyer: Bis zur zwölften Klasse war er gekommen und sollte nun ins Bodenlose stürzen, weil die Schulpolitik für mehrfaches Scheitern offenbar gar keinen Schulabschluss vorsieht. Eine kurze Lebensleistung wird entwertet. Für den Schüler waren die Lehrer Vertreter einer Institution, die ihn zerstört hat. Für irritierend halte ich auch, dass der Schüler beim ersten Anlauf durchgefallen war und unbedingt beim zweiten Mal mitmachen wollte, aber gleichzeitig Krankheitsbescheinigungen gefälscht haben soll, um Prüfungen zu vermeiden.

      SPIEGEL ONLINE: Wagen Sie ein Urteil, ob ein Schulverweis dafür eine überzogene Strafe war?

      Heitmeyer: Nein, dafür müsste ich die Abläufe genau kennen. Aber der Schüler muss das als massiv unfair empfunden haben. Wenn Menschen nicht genügend Anerkennung finden und sich sehr ungerecht behandelt fühlen, dann kann das extreme Folgen haben: Sie erkennen auch die soziale Norm der Unverletzlichkeit von anderen nicht mehr an. Denn Person und Norm stabilisieren sich wechselseitig - und das ist ein sehr störanfälliger Prozess. Setzen dann auch noch die Eltern einen Jugendlichen unter Druck, entwickelt der einen Tunnelblick, und es gibt oft kein Halten mehr. Ob das in Erfurt der Fall war, kann ich nicht beurteilen. Aber von den Schulproblemen wussten die Eltern offenbar nichts, der Schüler hat sie verborgen und die Eltern im Glauben gelassen, er bereite sich auf das Abitur vor.

      SPIEGEL ONLINE: Könnten mehr Psychologen in den Schulen solche Aggressionsentladungen vermeiden helfen?

      Heitmeyer: Heftige Konflikte an Profis zu delegieren mag in Sonderfällen hilfreich sein. Aber ein neues Selbstverständnis der Schulen können nicht Psychologen herbeireden oder herbeitherapieren. Feststeht, dass ein gutes Schulklima das Aggressionspotenzial mindert. In unserer Aufstiegsgesellschaft stehen jedoch gerade Gymnasiasten unter enormem Druck, weil die Gymnasien über eine enorme Selektionsmacht verfügen - für Bestrafungen wie für meist unklare Zukunftschancen. An den Schulen gilt bisher das Prinzip: Wir suchen nach den Schwächen der Schüler, statt ihre Stärken zu entdecken und zu fördern. Und ich befürchte, dass nach den miserablen Pisa-Ergebnissen die Anerkennungsmöglichkeiten in der Schule noch stärker verengt werden auf wirtschaftlich verwertbare Leistungen. Woher bekommen jene noch Anerkennung, die dann nicht mehr mithalten können?

      SPIEGEL ONLINE: Was halten Sie von der Forderung, Werteerziehung als Schulfach zu etablieren?

      Heitmeyer: Gar nichts. Das kann nur schief gehen. Es gibt einen verborgenen Lehrplan jeder Gesellschaft. Schüler haben diese Doppelbödigkeit längst durchschaut: Real zählt Leistung um jeden Preis, aber proklamiert werden Werte wie Mitmenschlichkeit oder Solidarität. Wenn man das zum Lerngegenstand macht und auch noch bewertet, werden Schüler so reden, dass die beste Note dabei herumkommt.

      SPIEGEL ONLINE: Und wie steht es mit schärferen Waffengesetzen, Sicherheitsmaßnahmen an Schulen, dem Verbot massiver Gewaltdarstellungen in Videos und Computerspielen -auch alles sinnlos?

      Heitmeyer: Das alles mag notwendig sein und ist doch keineswegs hinreichend. Restriktive Waffengesetze halte ich für vernünftig, nur darf man sich davon nicht viel versprechen, solange das Problem illegaler Waffen nicht gelöst ist. Die Schulen wird man durch Metalldetektoren und Videoüberwachung kaum in Hochsicherheitstrakte verwandeln können. Das fördert allenfalls die Raffinesse von Tätern, die unter Druck stehen und sich anders ein Ventil suchen werden. Und was die Medien angeht: Sie können die Billigung von Gewalt verstärken, ich plädiere durchaus für ein Verbot widerlicher Gewaltfilme. Aber solche Videos schauen vielleicht 100.000 Leute, und die werden nicht alle gleich zu wilden Schießgesellen. Öffentliche Gewaltdarstellung mag Teil des Problems sein. Es ist aber nicht der Kern.

      SPIEGEL ONLINE: Bedeutet das, es gibt kein letztlich kein Mittel gegen Massaker wie in Erfurt?

      Heitmeyer: Bei echten Amokläufen gibt es meist keine Vorwarnzeiten. Trotzdem habe ich Zweifel an der These, dass man singuläre Ereignisse wie in Erfurt einfach als Heimsuchungen durch psychisch schwer gestörte Täter interpretieren kann. In diesem Fall scheint es an der Kommunikation gehapert zu haben, in der Schule, vermutlich auch zwischen dem Schüler und den Eltern. Ich denke, dass sich der Anerkennungszerfall bei Schülern oft verhindern ließe. Dafür muss die Schule allerdings wieder intensivere Auseinandersetzung um Wertvorstellungen führen. Prinzipien wie Gerechtigkeit und Fairness müssen ja ständig neu ausgehandelt werden, weil es dafür keinen objektiven Maßstab gibt. Gibt es Zeit für diese Verhandlungen? Ich habe Zweifel.

      Das Interview führte Jochen Leffers


      .............................................
      Avatar
      schrieb am 30.04.02 13:59:57
      Beitrag Nr. 10 ()
      Also eigentlich sind doch die Opfer schuld, die wollten es doch so.
      Avatar
      schrieb am 30.04.02 14:40:53
      Beitrag Nr. 11 ()
      @#10

      Ach, wie kommst du denn da drauf ??;):)
      Avatar
      schrieb am 30.04.02 23:20:12
      Beitrag Nr. 12 ()
      H:S.
      "ins bodenlose stürzen,nicht genug Anerkennung u.s.w"
      Was soll das Geschwafel? Sind jetzt wieder die Opfer schuld?

      Fakt ist:
      Der Junge war letztes Jahr durchgefallen und sollte jetzt eine 2.Jance bekommen, ganz abgesehen davon, daß er auch ohne Abi eine Ausbildung hätte machen, oder einen Job hätte finden können.
      Nun gut, er hatte die 2.Jance( über die manch anderer froh wäre), und leistet sich dann mehrere Urkundenfälschungen, anstatt wie andere auch, fürs Abi zu lernen, worauf er von der Schule flog.( völlig zu Recht!!)

      Ergo: Er war ganz einfach zu faul zum lernen!!
      Wenn jetzt von einigen alle möglichen Entschuldigungen für den Täter gesucht und herbeigeredet werden, und auch noch den Lehrern eine Schuld gegeben wird( es wird mir doch keiner erzählen wollen, daß alle 13 Erschossenen Lehrer Robert unterrichtet haben), dann ist das in meinen Augen ganz einfach eine perverse Schweinerei!!

      Jack.
      Avatar
      schrieb am 01.05.02 01:17:43
      Beitrag Nr. 13 ()
      Danke Harry
      Schön zu sehn das es solche klardenker wie dich noch gibt;)
      Nach dieser grausamen Tat wusste ich ich unmittelbar danach das dieser Kranke mensch sich Quake u.ä. games reingezogen hat,diese grauenhafte Musik gehört hat,ein paar schwarze klamotten noch dazu und fertig : Schema F. und dann noch diese Politikergarde mit ihren bedauernden Gesichtern und immergleichen Geschwafel dazu...
      bin mal gespannt was unserer gesellschaft einfällt wenn ein 40jaehriger Heimatfilmliebhaber dieses Massaker topt.. Gut das unser Alter die Reife bestimmt :laugh: :laugh: schwachsinn !! mit 21 ist man nun erwachsen und darf ne knarre lagern ? wo ist der unterschied zu 19 ?? :mad:
      Avatar
      schrieb am 01.05.02 14:16:51
      Beitrag Nr. 14 ()
      @#12 von JACKYONE

      Ich habe den Text von der Site "www.spiegel.de" hier in den Threat reinkopiert.Die Meinungen und Ansichten in dem Interview, die mir selbst auch nicht gepasst haben, zB. "ins bodenlose stürzen", habe ich aber nicht rauszensiert, weil ich den Gesamtinhalt nicht verfälschen wollte.


      Wenn du sagst: "Er war zu faul", da kann ich dir nur sagen, da machst du es dir zu einfach.(Das ist übrigens auch die typische Eltern- und Lehrerausrede, um sich ihre Hände in Unschuld zu waschen.)

      Nein, er war vermutlich nicht zu faul, sondern schlicht und einfach, ich sag`s mal auf gut deutsch, zu "dumm" !
      Ich denke, er war mit den Leistungsanforderungen auf dem Gymnasium überfordert.

      Wenn er aber "dumm" war, dann fällt der schwarze Peter auf die Lehrer und Eltern zurück, weil sie in vieleicht nicht genug gefördert oder/und geholfen haben.Vieleicht war schon die Einschulung auf das Gymnasium ein Fehler ?
      Aber nein, da behält man lieber eine saubere Weste und unterstellt lieber, daß der Sohnemann halt faul war und
      an seinem Schicksal selber schuld.Außerdem, welche Eltern geben schon gerne zu, das ihr eigen Fleisch und Blut dumm ist ? Dann doch lieber faul.


      Er hatte die ärztlichen Atteste(Urkunden)
      aus Prüfungsangst gefälscht, weil er wohl befüchtete, daß er beim Abitur durchfällt.Das ist natürlich völlig irrational, weil er sich ja so letztentlich auch nicht vor der Prüfung retten kann.Man fälscht sicherlich keine Urkunden aus Faulheit zu lernen.Hier steht einfach nicht das Risiko und der Aufwand in einem propotionalen Verhältnis zum erwünschten Ergebnis.(Du überfällst sicherlich auch keine Bank, um dir im Plattenladen eine CD für 11,50 Euro zu kaufen, oder ?? )

      Weißt du welchen Leistungsdruck die Eltern gemacht haben ???Sie sind reich, besitzen das Mietshaus, in dem sie leben, vermutlich hat der Vater eine gehobene soziale Stellung.Klar, da muss natürlich der Sohn Abitur machen, denn erst mit dem Abitur fängt die Menschwerdung an, unter dem geht`s nicht.Der Bruder soll erfolgreich gewesen sein, nur er, er wäre dann das schwarze Schaf.
      Vielleicht hätten sich seine Eltern nach seiner durchgefallenen Prüfung, nach seinem Scheitern von ihm distanziert/entsolidarisiert.
      Weißt du was ich meine ???

      Aber das entschuldigt natürlich nichts.Du hast recht, er hätte viele andere Möglichkeiten im Leben gehabt.Deswegen
      war seine Tat auch so verbrecherisch und sinnlos, nicht nur für seine Opfer und ihre Angehörigen, sondern auch für ihn selbst und seine Familie.


      H_S
      Avatar
      schrieb am 01.05.02 18:08:31
      Beitrag Nr. 15 ()
      H_S.
      Ich glaube nicht, daß ich es mir zu einfach mache.
      Wenn er zu "dumm" gewesen wäre, hätte man ihm sicher rechtzeitig nahegelegt auf eine andere Schule zu wechseln. Übrigens kann man auch Dummheit durch lernen bekämpfen.
      Da er aber, um sich vor Prüfungen zu drücken, Atteste fälschte und seine Zeit lieber in zwei!! Schützenvereinen und bei seinen Computerspielen verbrachte anstatt zu lernen, war er meiner Meinung nach zu FAUL!!!
      Übrigens, die hier angesprochenen Prüfungen waren im Herbst und Winter letzten Jahres, hatten also unmittelbar nichts mit dem Abi zu tun.
      Und daß die "armen" Eltern natürlich "keine"Schuld haben, habe ich an anderer Stelle schon gesagt, da stimme ich dir zu.
      Gruß Jack.
      Avatar
      schrieb am 01.05.02 19:06:02
      Beitrag Nr. 16 ()
      @Jackyone


      "Wenn er zu "dumm" gewesen wäre, hätte man ihm sicher rechtzeitig nahegelegt auf eine andere Schule zu wechseln. "

      Vieleicht hat man man ihm nahegelegt auf eine andere Schule zu wechseln ?
      Vieleicht hat er sich nur so durchgemogelt ?


      "Übrigens kann man auch Dummheit durch lernen bekämpfen."

      Das ist eine idealistische Einstellung, gegen die ich eigentlich nichts sagen möchte.Trotzdem, wenn es an der Begabung mangelt, wird es schwer.Denn zwischen auswendig "lernen" und Zusammenhänge begreifen/verstehen
      gibt es einen Riesendifferenz.Siehe PISA !
      Und du musst doch zugeben, nicht jeder Mensch kann ein Einstein oder Ähnliches sein ???


      "Da er aber, um sich vor Prüfungen zu drücken, Atteste fälschte und seine Zeit lieber in zwei!! Schützenvereinen und bei seinen Computerspielen verbrachte anstatt zu lernen, war er meiner Meinung nach zu FAUL!!!
      "


      Nein, er war nicht zu faul,sondern hatte Atteste gefälscht, weil er Prüfungsangst hatte.Außerdem hatte er sich das letzte halbe Jahr nicht mehr im Schützenverein sehen lassen.Und ob er Tag und Nacht Computer gespielt hat, daß weiß man nicht.


      Glaub mir, faule Menschen bringen sich nie, nie, nie, nie, nie um, weil sie das Leben ohne Arbeit genießen wollen.
      Faulpelze sind Hedonisten und Hedonisten wollen gut leben, anstatt sich eine Kugel in den Kopf zu schießen.

      Seine Eltern sind reich.Er hätte sich also auf Kosten von Mammi und Pappi durchaus ein angenehmes Leben machen können, wenn er gewollt hätte, oder ???


      ...................................
      Avatar
      schrieb am 01.05.02 22:13:31
      Beitrag Nr. 17 ()
      H_S.
      Glaubst du wirklich,man kann sich bei Dummheit auf dem Gymnasium bis zum Abi durchmogeln? Und glaubst du auch,Schule und Eltern hätten bei Dummheit ein 2. Abi gefordert,bzw. zugelassen? Ich glaube das nun mal nicht!! Dummheit wäre schon längst vorher aufgefallen.
      Wie gesagt, die besagten Prüfungen waren letztes Jahr, und davon habe ich geredet,bzw. vom Zeitraum davor.
      Übrigens war er auch im letzten halben Jahr in den Vereinen, weil er da begann die Munition zu horten!
      Und normalerweise bringen sich auch dumme Menschen nicht um!
      Noch was zum Schluß: Ich glaube nicht, daß ein Dummkopf es schafft, ein halbes Jahr lang seine ganze Umgebung hinters Licht zu führen!!
      Gruß Jack.
      Avatar
      schrieb am 01.05.02 23:18:39
      Beitrag Nr. 18 ()
      Die Ursachen sind doch offensichtlich.
      Das kann/konnte doch jeder an sich beobachten.
      Wenn die Kreativitaet nicht fliessen kann,
      wird diese Urenergie "sauer"
      und wird destruktiv.

      Nur wenig Kinder koennen noch ihre Kreativitaet ausleben.
      Unter diesen Kindern wird man Vandalismus, Destruktivitàt
      oder kriminelles Verhalten vergeblich suchen.
      Avatar
      schrieb am 02.05.02 20:39:35
      Beitrag Nr. 19 ()
      @#18 von Ombaba


      Ja, du hast recht.Aber diese Kreativität braucht auch ein Feedback, eine Bestätigung, eine positive Anerkennung.
      Nur sehr in sich gefestigte Menschen, oder Leute, die kein so großes Bedürfnis(Zum Beispiel wegen ihres Alter)
      nach diesen Dingen (mehr)haben, können sich ohne seelichen Schaden dem entziehen.


      ......................


      @#17 von JACKYONE


      "Glaubst du wirklich,man kann sich bei Dummheit auf dem Gymnasium bis zum Abi durchmogeln?"

      Ja, das glaube ich.Der Begriff "Dummheit" oder "Intelligenz"
      ist doch nicht etwas Statisches, was man genau festschreiben kann, sondern etwas Relatives.
      Du und ich, wir wären unter lauter Nobelpreisträgern sicherlich unfassbar dumm, aber unter lauter Sonderschülern unendlich intelligent.Er war wohl begabt genug, um einigermaßen bis zur 12ten Klasse zu kommen, aber für die Abiprüfungen hat es offensichtlich mit seinem Verständnis nicht gereicht.Wieviele Schüler sind auch zu zu "dumm" für die Realschule oder für die Hauptschule.Schau dir mal die Statistiken an, die aufzeigen, wieviele Jugendliche die Bildungseinrichtungen ohne Abschluß verlassen.Das liegt selbsverständlich nicht nur an der "Dummheit", so monokausal denke ich natürlich auch nicht.
      Selbst in der Presse werden die schulischen Probleme des Täters aufgeführt.

      TEXTAUSZUG: "...........................Gleichzeitig wies Krapp Kritik am Thüringer Schulsystem zurück, nach dem Jugendliche ohne Abschluss die Schule verlassen müssen, wenn sie nicht zum Abitur zugelassen werden. Die Rekonstruktion der Schullaufbahn des 19-jährigen Todesschützen Robert Steinhäuser zeige vor allem die individuellen schulischen Schwierigkeiten des Attentäters auf................................."


      "Und glaubst du auch,Schule und Eltern hätten bei Dummheit ein 2. Abi gefordert,bzw. zugelassen?"

      Ja, man hat in so durchgezogen.Es kommt ja immer darauf an
      wie groß jemand ist und wie lang seine Arme, daß man ihn zum Apfelpflücken schickt.Dumm, wenn die Früchte zu hoch waren, oder wenn nur ein Stücken gefehlt hat.(Du weißt, was ich meine ??? :) )


      "Dummheit wäre schon längst vorher aufgefallen."

      Vielleicht haben seine Eltern gesagt: "Der Junge muss
      das Abitur machen !"


      "Übrigens war er auch im letzten halben Jahr in den Vereinen"

      Nachdem er die Waffenkarte und die Waffen hatte, hat man ihn in den Vereinen praktisch nicht mehr gesehen(Siehe Presse).


      "Und normalerweise bringen sich auch dumme Menschen nicht um!"

      Es gibt nach wissenschaftlichen Untersuchungen, glaube ich,
      keinen kausalen Zusammenhang zwischen Intelligenz und Suizidanfälligkeit bzw. -häufigkeit.


      " Ich glaube nicht, daß ein Dummkopf es schafft, ein halbes Jahr lang seine ganze Umgebung hinters Licht zu führen!!"

      Um Lehrer und Eltern hinter`s Licht zu führen, bedarf es keiner hohen Intelligenz.Was meinst du, wieviele Schulversager heute ihren Eltern die schlechte Klassenarbeit verheimlicht und ohne Wissen der Lehrer und Erziehungsberechtigten den Unterricht geschwänzt haben ???


      ....................................
      Avatar
      schrieb am 02.05.02 21:12:00
      Beitrag Nr. 20 ()
      Hi H_S
      Ich glaube, so kommen wir auf keinen grünen Zweig!
      Du hast deine Meinung, ich hab meine, belassen wir es dabei! Vielleicht kommt ja noch was raus bei den Ermittlungen(was ich allerdings nicht glaube)
      Gruß Jack.
      Avatar
      schrieb am 02.05.02 22:20:10
      Beitrag Nr. 21 ()
      an Harry Schotter,

      wenn das kreative Schaffen total ist,
      also der Schaffende verschwindet, oder geht in der
      Kreativitaet auf,
      ist eine Anerkennung seiner kreativen Leistung nicht notwendig, ja sogar, reduzierend.

      Diese Aufgehen in der kreativen Arbeit ist Belohnung genug,
      da es den Einklang, den Pulsschlag mit den kreativen
      Gestaltungskraeften darstellt.
      Es ist dann reine Meditation.
      Avatar
      schrieb am 03.05.02 01:39:08
      Beitrag Nr. 22 ()
      @#21 von ombaba

      Das hört sich schön an.:)
      Avatar
      schrieb am 03.05.02 14:08:24
      Beitrag Nr. 23 ()
      ESSAY

      Ich morde, also bin ich

      Von Prof. Herfried Münkler

      Die Bluttat von Erfurt offenbart ein verhängnisvolles Paradoxon moderner Gesellschaften: Je stärker Gewalt im öffentlichen Leben geächtet wird, umso höher ist der Gewinn an Aufmerksamkeit für die, die sie ausüben - ein Dilemma, dem keine Politik entrinnen kann.


      Kaum etwas bekommt in modernen Gesellschaften so hohe Aufmerksamkeitsprämien wie die Anwendung von Gewalt: je exzessiver die Gewaltanwendung, desto höher die Aufmerksamkeit der Medien und damit der gesamten Gesellschaft. Da Aufmerksamkeit in modernen Gesellschaften eine knappe Ressource ist, womöglich die knappste überhaupt, ist die Anwendung von Gewalt attraktiv, wenn es darum geht, das mediale Rauschen zu übertönen. Indem sie mit Gewaltanwendung verbunden werden, werden Probleme, Ereignisse oder menschliche Schicksale in die öffentliche Wahrnehmung gerückt.
      Diese Erfahrung haben bereits die Demonstranten der späten sechziger Jahre gemacht, sie ist grundlegend für das Agieren terroristischer Gruppierungen, und inzwischen scheint sie auch für die spektakuläre Inszenierung eines Suizids handlungsleitend zu werden. Gewalt ist dabei kein Instrument, mit dem bestimmte Ziele verfolgt und konkrete Absichten durchgesetzt werden sollen, sondern sie ist eine Botschaft, die oftmals nichts anderes besagt, als dass hier ein gescheitertes Leben zu Ende gegangen ist.

      Offenbar gilt die Regel: Je gewaltärmer eine Gesellschaft ist, desto nachdrücklicher sind die durch Gewaltanwendung zu erzielenden Effekte. Dieser fatale Zusammenhang wird übersehen, wenn Ausmaß und Niveau medial vermittelter Gewalt, etwa in bestimmten Videos oder Computerspielen, als Ursache der Gewaltanwendung ins Spiel gebracht wird. Im konkreten Fall mögen solche Gewaltdarstellungen und Gewaltspiele für den Einzelnen enthemmend und gewaltstimulierend sein, aber der gesellschaftliche Mechanismus, der die Gewalt als Botschaft attraktiv macht, wird damit nicht erfasst - genauso wenig im übrigen wie bei der Suche nach weiteren Begrenzungen für den Zugang zu Waffen. Im Gegenteil: je höher die Gewaltschranke einer Gesellschaft heraufgesetzt wird, desto größer sind die Aufmerksamkeitsprämien, die auf Gewaltanwendung ausgezahlt werden.


      Professor Herfried Münkler
      lehrt seit 1992 Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin. Münkler, Jahrgang 1951, promovierte über "Niccolò Machiavellis Antworten auf den Zusammenbruch der christlichen Geschichtsphilosophie" und habilierte sich mit einer Schrift über die Genese des Begriffs Staatsraison. Münklers Lehr-Schwerpunkte sind unter anderem die politische Ideengeschichte sowie die Theorie und Geschichte des Krieges.



      Das ist zugleich das Dilemma, in dem Politik und Gesellschaft stecken, wenn sie nach Mitteln und Wegen der Gewaltprävention suchen: Je erfolgreicher sie damit im Allgemeinen sind, desto attraktiver machen sie den Gewaltexzess im Einzelfall. In einer Gesellschaft, die sich an ein hohes Niveau von Alltagsgewalt gewöhnt hat, wie dies in vielen Ländern Lateinamerikas der Fall ist, fällt es schwer, durch individuelle Gewaltanwendung große Aufmerksamkeitsprämien zu erzielen. Freilich: So richtig diese Beobachtung der Sozialwissenschaft sein mag, so wenig lassen sich aus ihr irgendwelche akzeptablen Hinweise für gesellschaftliches und politisches Handeln ableiten.

      In Gesellschaften, die keine metaphysischen Verstrebungen mehr besitzen, also Gesellschaften ohne den gemeinsam geteilten Glauben an einen Gott und die daraus gewonnenen Gemeinschaftserfahrungen, sind gesellschaftliche Aufmerksamkeit und individuelle Bedeutsamkeit identisch geworden. Wer nicht wahrgenommen wird, kann sich des Eindrucks, bedeutungslos zu sein, kaum erwehren. Der Trost, den der Glaube an das Wahrgenommenwerden durch einen gütigen Gott lange geboten haben mag, ist für uns allenfalls individuell, aber nicht mehr gesellschaftlich verfügbar.

      Verzweifelte Suche nach individueller Bedeutung

      Unter diesen Umständen ist das verzweifelte Bemühen um die Erregung von Aufmerksamkeit ein Haschen nach Bedeutsamkeit, auch wenn deren Anerkennung in nichts anderem liegt als in dem öffentlichen Entsetzen über die Gewalttat und der in Talkshows zelebrierten Suche nach Erklärungen dafür. Das gilt für den Jugendlichen, der vor einigen Monaten in den USA seinem Leben ein Ende setzte, indem er sein Sportflugzeug in einem Hochhaus zerschellen ließ, das gilt wahrscheinlich auch für den Todesflieger von Mailand vor wenigen Wochen. Und es gilt schließlich für den Erfurter Todesschützen. Man wird schwerlich verhehlen können, dass sie in ihrem verzweifelten Bestreben nach öffentlicher Aufmerksamkeit erfolgreich gewesen sind. Die ihnen posthum zuteil gewordene Aufmerksamkeit ist, so gesehen, ein Anreiz für alle diejenigen, die sich mit ähnlichen Absichten tragen.

      Der Abbau der metaphysischen Verstrebungen einer Gesellschaft, durch den der Wert öffentlicher Aufmerksamkeit für das Bewusstsein individueller Bedeutsamkeit so sehr gesteigert worden ist, kann gesellschaftlich konkretisiert werden: Eine der kaum beachteten Begleiterscheinungen des gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses ist die schwindende Bedeutung von Friedhöfen als Stätten des Eingedenkens und Erinnerns. Was eine Stätte des Fortlebens im Gedächtnis einer sozialen Gruppe war, ist zu einem Ort für die Entsorgung der sogenannten sterblichen Überreste geworden. Das mag überspitzt formuliert sein, bezeichnet aber eine starke Tendenz moderner Gesellschaften, denen die Erinnerung an die Endlichkeit menschlichen Lebens zur Störung des Alltagsbetriebs geworden ist.

      Die Todes-Inszenierung als medienwirksames Ereignis

      Je stärker diese Gesellschaften am Auskosten des Augenblickes orientiert sind, desto unerträglicher ist ihnen das Bewusstsein des Todes. Also wird der Tod von denen, die ihn aus eigenem Entschluss suchen, als medienwirksames Ereignis in Szene gesetzt. Die Entwertung der Gräber und Gedenksteine wird beglichen durch die Inszenierung des Suizids als aufmerksamkeitsheischender Event. Das beginnt beim Sprung vor die U-Bahn, durch den ein Suizid als Eingriff in den öffentlichen Nahverkehr Aufmerksamkeit erlangt, und reicht bis zu spektakulären Flugzeugabstürzen und Amokläufen. Dabei kann sich der zur Selbsttötung Entschlossene sicher sein, dass ihm um so größere Aufmerksamkeit zuteil wird, je mehr Menschen er an der Beendigung des eigenen Lebens beteiligt. Er bedient sich der Logik einer Mediengesellschaft, die den Augenblick der Katastrophe notiert, für die die Gewöhnlichkeit eines misslingenden Lebens aber keine Zeile wert ist.

      Dabei folgen die Inszenierungsmodelle gewalttätiger Aufmerksamkeitserzielung häufig den Vorgaben politischer Gewaltanwendung: Die Schreckensbilder der im World Trade Center zerschellenden Flugzeuge sind ebenso wie die palästinensischen Selbstmordattentate zur Regieanweisung für die Lösung privater Aufmerksamkeitsprobleme geworden. Man kann von einer Privatisierung politischer Gewaltanwendung sprechen, und diese Privatisierung wird möglich, weil die Aufmerksamkeitszuwendung der Medien identischen Mustern folgt.

      Spektakuläre Selbsttötungen werden zunehmen

      Das gibt zu der Vermutung Anlas, dass exzessive Gewaltanwendung und spektakuläre Selbsttötungen in Zukunft häufiger und nicht seltener werden - so lange zumindest, wie sie nicht durch zu große Häufung selbst den zu erzielenden Aufmerksamkeitseffekt abschwächen. Sicherlich wird man in jedem Fall Ansätze finden, wo durch ein anderes Verhalten des gesellschaftlichen Umfeldes vor der Tat diese hätte verhindert werden können: hier durch schärfere Regelungen für den Besitz von Waffen, durch mehr pädagogische Zuwendung, oft durch mehr menschliche Aufmerksamkeit. Hier sind gesellschaftliche und politische Präventions-Möglichkeiten zu suchen und zu nutzen.

      Den Mechanismus der Prämierung von medienwirksam inszenierter Gewalt werden sie jedoch nicht aushebeln können. Und vor allem werden sie nichts daran ändern können, dass Gewaltanwendung als Botschaft um so attraktiver wird, je gewaltarmer eine Gesellschaft ist. Mit der Paradoxie, dass gerade erfolgreiche Gewaltprävention die Gewaltattraktivität steigert, werden wir leben müssen. Oder wir müssten, was aber ganz unwahrscheinlich ist, die Regeln unserer Aufmerksamkeitsverteilung ändern.


      .................................
      Avatar
      schrieb am 03.05.02 14:31:19
      Beitrag Nr. 24 ()
      Wenn ich das ganze vielleicht und wäre und hätte hier sehe, behaupte ich jetzt einfach mal:

      Robert Steinhäuser hatte keine Freunde. Seine Eltern waren es nicht, seine Mitschüler nicht, seine Lehrer nicht, seine Schützenkameraden nicht, und wenn ich das alles verfolge, gibt es keinen Hinweis auf eine Freundin, eine Liebe, eine Partnerin (oder einen Partner), irgendeine Form der Sexualität, nichts was auf eine "normale" Beziehung des Robert S. zu seiner Umwelt hindeutet.

      DAS IST DOCH AUFFÄLLIG FÜR EINEN 19JÄHRIGEN MANN!!! DAFÜR BRAUCHT MAN KEINEN PSYCHOLOGEN, SONDERN OFFENE AUGEN UND OHREN, UM DAS ZU ERKENNEN!


      Alle Interviewten, die ihn "kannten", geben doch nur oberflächlichen Smalltalk, Nichtigkeiten von sich, wenn sie etwas "über" Robert erzählen.

      ER WAR SCHLCIHT SEHR SEHR EINSAM.

      (Bitte informiert mich, wenn mir Informationen fehlen, die etwas anderes darlegen, Freundin etc.)

      fondast
      Avatar
      schrieb am 03.05.02 14:37:43
      Beitrag Nr. 25 ()
      Tausche CI gegen IC... ;) ergo: SCHLICHT

      fondast
      Avatar
      schrieb am 03.05.02 15:16:37
      Beitrag Nr. 26 ()
      Fondast du hast recht !

      Fassen wir `mal ein Fazit zusammen: Die Tat von Robert S. war ein erweiteter Selbstmord.

      Er hat sich umgebracht, weil er nach seinem Schulversagen keinen Sinn mehr in seinem Leben gesehen hat.Unterbewusst hat er vermutlich geglaubt, daß er wegen seinen schlechten Noten ein wertloser Mensch ist und er es deshalb im Leben auch zu nichts bringen wird.Er hatte, so wie ich es aus der Presse mitbekommen habe, auch keine richtigen Freunde und keine Freundin, die ihm von dieser Überzeugung, die ihm von seiner negativen Weltsicht durch positive Bestätigung und Zuneigung abgebracht haben.

      Getötet hat er die Lehrer aus Hass, weil er vermutlich geglaubt hat, daß sie, die Lehrer, ihn aus Ablehnung letztendlich mit in den Selbstmord getrieben haben.Er hat ihnen wohl die Mitschuld an seinem Schulversagen, an seinem Rauswurf von der Schule und an seinem Selbstmord gegeben.Er wollte seine "Peiniger" mit in seinen Tod nehmen.So wird wohl Robert Steinhäuser gedacht haben.Ob seine Gedanken falsch oder richtig waren, daß ist wieder eine ganz andere Sache.


      Klingt doch nachvollziehbar, oder ??? :)


      .........
      Avatar
      schrieb am 03.05.02 15:22:40
      Beitrag Nr. 27 ()
      Ist der Horst von N24 ein auch ein potenzieller Massenmörder?
      Einsam. Mir kommen ja glatt die Tränen :mad:
      Offenbar lebst du auch nicht im hier und jetzt. Was meinst du , wieviele alte Leute hundseinsam sind, die aber Gegensatz zu dem Kerl aber durchaus ansprechbar sind.
      Avatar
      schrieb am 03.05.02 15:34:12
      Beitrag Nr. 28 ()
      Wer ist Horst ??? :confused:

      Einsam.Das ist doch nur ein Teilaspekt.Wer "hundeeinsam" ist, begeht normalerweise "nur" einen "normalen" Suizid.Zu einem erweiterten Suizid gehört natürlich noch `ne ganze Menge mehr.


      .......................................
      Avatar
      schrieb am 04.05.02 19:13:19
      Beitrag Nr. 29 ()
      @Jackyone :)


      Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,194813,00.html


      "............................................................Die Eltern hatten jahrelang versucht, den exzessiven Fernseh- und Computerspielkonsum ihres Kindes einzudämmen. "Er saß immer vor dem Computer, das war wie eine Sucht", sagt Mutter Christel Steinhäuser. Einmal habe sie aus Verzweiflung alle Kabel aus den Wänden und Geräten gerissen. Heute macht sich die Mutter Vorwürfe, dass sie den Sohn nach der fünften Klasse aufs Gymnasium schickte, "ein grauenhafter Fehler", sagt sie: "Vielleicht war er auf dem Gymnasium all die Jahre überfordert und deswegen kreuzunglücklich. Wir haben das doch nicht geahnt............................................................................................."


      ...............................................
      Avatar
      schrieb am 04.05.02 21:41:50
      Beitrag Nr. 30 ()
      H_S.
      Danke, habs gelesen,stützt meine These von "zu faul".
      Gruß Jack.
      Avatar
      schrieb am 04.05.02 22:33:20
      Beitrag Nr. 31 ()
      @JACKYONE

      Ich glaube grob verstanden zu haben was du meinst:
      In etwa: Jeder ist seines Glückes Schmied, ergo selbstverantwortlich, ergo in diesem Fall `Zu faul`

      Was mich daran doch stört und wo ich es mehr wie Harry_Schotter halte ist, dass es nicht so einfach ist, positiv unter jedweden Rahmenbedingungen sein Selbst zu entfalten.
      Sicher er hat eine klare Schuld an den grauenhaften und für uns(!) sinnlosen Morden, aber ich halte es doch für realitätsverschoben, wenn man meint eine Person könne aus eigenem Antrieb immer jede (für diese Person) schwierige Lebenssituationen bewältigen.

      Mein Fazit:
      Für die Kinder unserer Gesellschaft sind nie die Kinder alleine verantwortlich und Kinder sind auch immer ein Spiegel der Gesellschaft. Des weiteren kann man sich trefflich über Schuld streiten, aber meiner Meinung nach ist es in diesem Fall unmöglich die Schuld des Jungen als Aussenstehender zu erfassen. Ich denke er hat weniger Schuld als viele meinen und mehr als er wohl gedacht haben mag.

      JH
      Avatar
      schrieb am 05.05.02 14:36:49
      Beitrag Nr. 32 ()
      J_H.
      Mit deinem Fazit bin ich einverstanden. Wenn du diesen Thread von Anfang an verfolgt hast, hast du sicher bemerkt, daß ich und Harry eigentlich nur über "dumm" oder "faul" verschiedener Meinung sind. Was hier m.M. nach zu kurz kommt, ist die Rolle der Eltern/Großeltern. Wenn ich heute in der BamS den Bericht von den Eltern lese, dann muß ich mich schon fragen, ob die ihr Kind überhaupt gekannt haben!
      Jack.
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 17:05:27
      Beitrag Nr. 33 ()
      @Jackyone

      Jap, ich wollte auch nicht damit sagen, dass deine Meinung einen Fehler hat. Ich fand euren Meinungsaustausch war sowieso eine differenzierter und angemessener. Hat mir richtig gut gefallen und Meinungen gibts schlieslich soviele wie Menschen.

      JH
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 17:18:21
      Beitrag Nr. 34 ()
      ich habe auch den bericht in der bams gelesen.
      wenn man sowas liest, kriegt man, besonders als werdender vater, die krise, denn dieser schnösel hat sich sehenden auges in richtung abgrund treiben lassen, und seinen eltern, die ihn durchaus unterstützt haben, hat er jede möglichkeit genommen, ihm zu helfen. natürlich hatten die keine ahnung, was in ihm vorging, denn ihr lieber sohn hat sie von vorne bis hinten beschissen. wenn ein typ den führerschein bezahlt kriegt, und es dann noch nicht mal schafft, den erst-hilfe schein zu machen, tut`s mir leid.

      hätte man das massaker verhindern können ? ja, natürlich, und zwar mit "zucht und ordnung"...

      euer felix
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 19:30:43
      Beitrag Nr. 35 ()
      @Jackyone

      Du willst nur nicht zugeben, daß ich recht habe. ;):)


      @Felix_Krull

      Die "Bild am Sonntag" ist ein erzkonservatives Blatt.Das die nicht die Schuld bei den Eltern, sondern bei dem "ungezogenen" Sohnemann suchen, ist doch klar.Im Notfall haben bei der Springerpresse sowieso immer die Autoritäten recht.(Staat, Kirche, Eltern, Chef, usw.)

      In der Regel sind suizidale Menschen depressiv.Wer sich
      so einfach das Hirn aus dem Kopf schießt, hat wohl keine rechte Freude mehr am Leben.Logisch, daß so jemand schon mal die Arbeitsdiziplin schleifen lässt und "faul" ist.Würde dir vermutlich nicht anders gehen.

      Was willst du denn damit sagen, daß der "Schnösel sich sehenden Auges in Richtung Abgrund hat treiben lassen" ???
      Meinst du, es hat im Spass gemacht, sich sein Leben kaputt zu machen ??? :confused:
      Wenn der Täter seine Eltern "von vorne bis hinten beschissen" hat, welchen Vorteil hat er denn davon gehabt, außer sich selbst vor Missachtung zu schützen, wenn man mal von der Planung der Mordtat absieht ???
      Ist es so ein großes Verbrechen zu versuchen zu verhindern, daß seine Angehörigen schlecht über einem denken ???


      "Hätte man das massaker verhindern können ? ja, natürlich, und zwar mit "zucht und ordnung"..."

      Wie wolltest du das denn bewerkstelligen ?
      Sollten die Eltern von leistungsschwachen Schülern ihre Filiusse mit Reitpeitsche und Kellerarrest bei Wasser und trocken Brot zu mehr Selbstvertrauen und Lebensfreude erziehen ???

      Das ist ja eine ganz neue, revolutionäre Theorie.
      Diese solltest du unbedingt mal in dem Fachblatt "Pädagogik-Heute" veröffentlichen. ;)


      .....................................................
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 19:38:26
      Beitrag Nr. 36 ()
      @Felix.Krull

      Im übrigen hat sich die Romanfigur des Hochstaplers Felix Krull durch "Beschiss" vor der "Zucht und Ordnung" des Wehrdienstes beim Militär entzogen.
      Da wundert mich deine Einstellung dann doch schon etwas. ;)


      .......................................
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 21:47:32
      Beitrag Nr. 37 ()
      gut, harry, alles zugegeben, aber die frage stellt sich immer noch, was hätten die eltern machen sollen ? abgesehen davon, dass die eigene probleme hatten (krankheit), um mehr an ihren sohn heranzukommen, hätten sie sich intensiv mit seinem privatleben beschäftigen müssen, und das hätte sich der verbeten. vielleicht hätten sie herausgefunden, dass er nicht mehr zur schule geht, aber was hätte das gebracht ? nur ein großes zerwürfnis. der zug war abgefahren.

      mein problem ist, dass mir genau da die gedanken kommen, ob ich als vater solchen aufgaben gewachsen sein werde, und ich zweifele sehr daran. ich kann das geschehen sogar ansatzweise nachvollziehen, denn während meines studiums habe ich mehrere semester auf eine ähnliche art verballert. aber soweit, dass aus lethargie selbstaufgabe wurde, kam ich dann doch nicht.

      robert steinhäuser hatte sich aus dieser unbefriedgenden realität in eine scheinwelt verabschiedet, und niemand konnte ihn daran hindern. man hätte ihn daran hindern können, aber nur dadurch, dass man ihn zwangsweise auf dieser seite des verstandes gehalten hätte. dazu ist unserem erzeihungssystem allerdings das mittel genommen.

      schade dass du mich jetzt für stockkonservativ hälst, aber ich versuche nur, lösungsorieniert zu denken.

      felix
      Avatar
      schrieb am 07.05.02 00:29:47
      Beitrag Nr. 38 ()
      @Felix.Krull

      Dich halte ich nicht für stockkonservativ, die Springerpostillen allerdings schon, aber das ist ein ganz anderes Thema.

      Wenn die Eltern tatsächlich so besorgt um ihren Sohn gewesen sind, wäre ja vielleicht eine Erziehungsberatung oder ein Psychologe/in eine Lösung gewesen.Jedenfalls die Hinzufügung einer dritten neutralen Person, jemand, der sich Robert Steinhäuser und seinen Problemen zuwendet, ohne in die familiäre Gemengelage involviert zu sein.
      Also, es gab bei mir sicherlich `ne Menge Probleme, die ich mit meinen Eltern nie hätte besprechen wollen.Bei einer aussenstehenden Person wäre das, vorausgesetzt bei gegenseitiger Sympathie sicherlich kein Problem gewesen.


      Die übliche Standartlebensweißheit lautet ja: Liebe dein Kind für das was es ist und nicht für das was es leistet.

      An den Spruch ist kein Wort falsch, nur solch eine Einstellung nicht nur für sich anzunehmen, sondern tagtäglich auch zu leben, daß ist das Schwierige, und offensichtlich erst recht für Pädagogen.Grade bei den Lehrern scheint diese Maxime wohl ein besonderes Problem zu sein.Sie verteilen ihre Sympathie allzuoft nach den schulischen Leistungen im Untericht.Sicherlich hast du das auch schon mal selbst während deiner Schullaufbahn bei dir oder anderen Klassenkameraden erlebt.


      ........

      Es gibt ja wirklich ernsthafte Wissenschaftler, die zweifeln
      vollständig an erzieherischen Bemühungen von Lehrern und Eltern und stellen die These auf, daß man ein Kind überhaupt nicht erziehen kann/braucht, weil die vererbten Gene das Kind aus sich selbst heraus in die Richtung lenken, die diese(Gene) vorgeben.



      Der Text des folgenden Artikels ist sehr lang, aber als Ex-Student dürfte das für dich kein Problem sein. :)
      Der interessante Teil kommt im unteren Drittel.Es lohnt sich wirklich alles zu lesen.Viel Spass ! :)


      ..................................................


      Ein Kind ist schwer zu verderben

      Es war nicht die autoritäre DDR-Schule, die Rechtsradikale heranzüchtete. Es war nicht der antiautoritäre Kinderladen, der Verwahrlosung gebar. Streitschrift wider den Glauben an die Allmacht der Erziehung

      von Dieter E. Zimmer


      Es war ein heftiger Wirbelsturm der Gefühle, der in diesem Frühjahr über Ostdeutschland fegte - brodelnde Großdiskussionen, Leserbriefe, Bekenntnisse, Rechtfertigungen in Mengen wie seit Jahren nicht mehr. Der Auslöser war unscheinbar: eine kurze Agenturmeldung über ein Radio-Interview, das der Hannoveraner Kriminologe Christian Pfeiffer tags zuvor gegeben hatte.
      Die Gewaltbereitschaft ostdeutscher Jugendlicher, hatte Pfeiffer gesagt, sei vor allem eine Folge der DDR-Erziehung. "Die `Gruppenerziehung Ost` habe Individualität und Kreativität unterdrückt, der Staat habe die Kinder und heutigen Jugendlichen zu Untertanen erzogen, die vor allem in der Gruppe funktionierten." Pfeiffer verwarf die Standarderklärung, die ausländerfeindliche Gewalt im Osten sei vor allem eine Folge von Arbeits- und Perspektivlosigkeit: Viele der Täter seien weder arbeits- noch perspektivlos. Zudem sollte seine These einige zusätzliche Tatsachen erklären: warum Gewalttaten gegen Ausländer in Ostdeutschland etwa viermal so häufig vorkommen wie im Westen und zu 55 Prozent aus der Gruppe heraus begangen werden, im Westen aber nur zu 20 Prozent.

      Kindererziehung in der DDR sei immer noch ein Tabu, meinte Pfeiffer. Allerdings, schon 1990 hatte der Hallenser Psychotherapeut Hans-Joachim Maaz in einer schleunigen Kollektivpsychoanalyse des ganzen DDR-Volks fast wortgleich, wenn auch viel wortreicher das Gleiche gesagt. Bei Maaz fand sich auch bereits jener Clou, ohne den keine Emotionen hochschlagen. In diesem Fall war es die "Töpfchenthese", ihrerseits ein ferner Niederschlag aus Freuds Theorie der "psychosexuellen" Entwicklung, die der "analen" Phase hohe Bedeutung für die Charakterentwicklung beimisst. Schon Einjährige, so Pfeiffer nun, seien in den Krippen der DDR zu festen Zeiten und gemeinsam auf den Topf gesetzt worden - ein Drill, eine "Vergewaltigung junger Seelen" mit verheerenden Folgen. Maaz` Diagnose war eine von jenem Schlag, der nie ganz falsch sein kann und alles wie nichts erklärt: "Gefühlsstau". Unter anderem führe er dazu, dass die aufgestauten Aggressionen an Ausgegrenzten abreagiert würden. Das Buch gleichen Titels war damals ein Bestseller gewesen. Pfeiffers Provokation bestand allein darin, dass ein Jahrzehnt später ein Westländer das alles noch einmal sagte. Nun verwendet Pfeiffer seinen Sommerurlaub auf eine Missionsreise in den deutschen Osten. Volle Säle sind garantiert.

      Die Diskussion ist eher ein gekränkter Aufschrei denn ein Austausch von Argumenten. Müssen wir uns das von einem Besserwessi sagen lassen? Gibt es nicht auch im Westen ausländerfeindliche Ausschreitungen? Ist die berühmte westliche Erziehung zum Individualismus nicht nur eine zum Egoismus? Was ist denn so falsch an einer Erziehung zu Ordnung, Disziplin, Sauberkeit? Ist die Erziehung zum Gruppenzusammenhalt nicht gerade eine zur Verantwortung für die Gemeinschaft? So schlimm war die Erziehung bei uns nicht! Oder: Sie war so schlimm wie behauptet, aber mir persönlich hat sie jedenfalls nicht geschadet. Waren die abgerichteten Untertanen nicht die Gleichen, die ihre Unterdrücker dann abschüttelten? Hatte die repressive Erziehung sie also doch nicht gründlich und irreversibel deformiert? War das gruppenweise "Töpfen" für die Kleinen nicht eher unterhaltsam? Was sollten die Krippenbetreuerinnen denn ohne Pampers anderes machen als die Kinder auf den Topf setzen!

      "Nun erklären Sie uns ausführlich und in Gottes Namen, warum der Gebrauch von Pampers nicht nur vor nassen Hosen schützt, sondern auch vor kriminellen Karrieren!", schleuderte die Gerwischer Bürgermeisterin Petra Michalski, CDU-Mitglied, in der Magdeburger Pauluskirche dem Professor aus dem nahen Hannover entgegen. In ihrem Einwurf artikulierte sich nicht nur der Protest gegen den Besserwessi, der schlechtmachte, worauf man in der DDR stolz gewesen war, die Krippenerziehung, die schließlich den Frauen die Berufstätigkeit ermöglicht hatte. Hier begehrte jemand gegen jenes uferlose Psychologisieren auf, das die Menschen in Ost wie West sonst so geduldig über sich ergehen lassen: Dieses oder jenes unerfreuliche Phänomen komme nur daher, dass ...

      Asoziales Verhalten zum Beispiel erkläre sich aus der Art der Sauberkeitserziehung im frühesten Kindesalter. So könnte es sein. Aber ist es so? Mit dieser Frage verlässt man den öffentlichen Diskussionsraum, in dem alle Katzen grau und alle Theorien gleich gut sind, weil niemand sie beim Wort nimmt, bloße "Denkanstöße", von denen nur verlangt wird, dass sie irgendwie interessant wirken. Zunächst ist die "Töpfchenthese" aber nicht mehr als eine Spekulation: eine Hypothese in Erwartung ihrer wissenschaftlichen Beglaubigung. Diese kann nicht im bloßen Sammeln positiver Beispiele bestehen, die die Hypothese zu bestätigen scheinen. Beweiskräftig wären nur systematische Untersuchungen, die von vornherein so angelegt sind, dass die Hypothese auch widerlegt werden könnte. Für die "Töpfchenthese" gibt es bisher nicht den Schimmer eines solchen Beweises.

      So mancher Populär-Psychologe verwickelt sich auf der Stelle in eklatante Widersprüche, die Rache der unterlassenen Gegenprobe. Ein anderer Grund für die Fremdenfeindlichkeit Ostdeutschland, so Maaz wie Pfeiffer, sei die Erziehung zum Feinddenken; die Glatzköpfe hätten nur den Klassenfeind gegen den Ausländer ausgetauscht. Aber genauso intensiv war die explizite Erziehung zum Freunddenken ("Völkerfreundschaft" ) - wieso blieb dann diese jahrzehntelange lückenlose Indoktrination so ganz und gar folgenlos, in der DDR und noch viel auffälliger im ehemaligen Jugoslawien? Und wieso war selbst die Erziehung zum Hass auf den Klassenfeind so wenig erfolgreich, dass das ganze Volk dessen Jeans tragen, dessen Autos fahren und dessen Zigaretten rauchen wollte und schließlich ganz zu ihm überlief? Auch in diesem Ost-West-Streit des Jahres 1999 einte die Gegner der implizite Glaube an die Allmacht von Erziehung. Wie repressiv die DDR-Erziehung wirklich war, ist umstritten. Unerschütterliche allgemeine Überzeugung ist hingegen, dass repressive Erziehung zu repressivem Verhalten führt; dass die autoritäre (fremdenfeindliche, gewaltbereite) Persönlichkeit durch autoritäre Erziehung entsteht - und eine andere Erziehung sie verhindern würde.

      Auf diesem Grundkonsens fußte auch die große Erziehungsdiskussion im Westen, die vor mehr als dreißig Jahren begann. Auch damals lautete die Frage: Wie müssten die Kinder erzogen werden, damit aus ihnen keine potenziellen Faschisten werden? Insofern wirkt die gegenwärtige Debatte wie eine Wiederaufführung unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen. Allerdings ging mit der Diskussion damals ein großes pädagogisches Experiment einher, aus dem nicht weniger hervorgehen sollte als ein anderer, der Neue Mensch. Die antiautoritäre deutsche Spielart der alternativen Kindererziehung der 60er und 70er Jahre war stark theorielastig. Die Urquelle ihrer Theorien war das Forschungsprojekt "Soziale Diskriminierung", das Theodor W. Adorno und Else Frenkel- Brunswik mit einigen Kollegen im kalifornischen Berkeley mitten im Zweiten Weltkrieg begonnen hatten. Die Gruppe stellte bis heute aktuelle Fragen: Wie entsteht Antisemitismus, wie entstehen überhaupt Vorurteile? Wie entsteht Ethnozentrismus? Was macht den Menschen zu einem tatsächlichen oder potenziellen Faschisten? Die Antworten standen 1950 in dem dicken Buch Der autoritäre Charakter. Zunächst verwarfen die Autoren einige naive Ansichten: implizit, dass sich der Prä-Faschist lediglich ein paar falsche Meinungen zu Eigen gemacht hätte, die man nur korrigieren müsste; explizit, dass die Menschen ihren momentanen ökonomischen Interessen folgten, wenn sie als Konkurrenten erlebten "Fremden" feindselig begegneten; vielmehr widersprächen die ethnozentrischen Einstellungen oft den eigenen Interessen. Sie säßen tiefer als bloße einzelne Meinungen. Autoritarismus trete immer als ein ganzes Bündel von Einstellungen zu Familie und Gesellschaft auf. Wer Fremden feindlich gegenüberstehe, sei meist auch für einen starken Staat und für die Todesstrafe, und in seiner Familie geriere er sich als Despot. Autoritarismus sei eine Art Charaktersyndrom. Es gebe den "autoritären Charakter".

      Woher aber kommt der "autoritäre Charakter"? Auf keinen Fall sei dieser angeboren. Woher also dann? "Charakter ist das Produkt der sozialen Umwelt der Vergangenheit." Aber Menschen aus sehr ähnlichen sozialen Umwelten haben doch sehr verschiedene Charaktere? Der entscheidende Faktor sei die frühkindliche Erziehung: Wer als Kleinkind von seinen Eltern autoritär (gefühlskalt, rigide, aggressiv) behandelt wurde, entwickele später selber einen autoritären Charakter, der dann nicht mehr belehrbar ist. Er verschiebe die eigentlich den Eltern zugedachten Rachegelüste auf Randgruppen der Gesellschaft. Warum aber sind die Eltern selbst autoritär? Weil sie konformistisch politische und soziale Einstellungen übernommen hätten, die ihren ökonomischen Interessen dienen und die in der Gruppe, der sie angehören, im Schwange sind. (Und vermutlich, weil sie ebenfalls autoritär erzogen worden waren.)

      Wie wäre diesem sich selbst perpetuierenden autoritären Charakter also beizukommen? Der elterliche Erziehungsstil müsste ein anderer werden: "Im Grunde müssten Kinder nur wirklich geliebt und als Individuen behandelt werden." Wie aber bringt man autoritäre Eltern dazu, ihre Kinder unautoritär zu erziehen? Wer erzieht die Erzieher? Eigentlich wäre eine Massenpsychoanalyse nötig - ein Ding der Unmöglichkeit. So bleibe nur, "die sozialen Verhältnisse und Institutionen einschneidend [zu verändern]" - also, leise angedeutet, die politische Revolution als Ausweg. Was dann in den 60er und 70er Jahren als "antiautoritäre Erziehung" in die Schlagzeilen geriet, wollte ebenfalls mit einer Fusion aus Marx und Freud dem autoritären Charakter den Garaus machen, aber der Ton war schärfer geworden, schneidend. Unmittelbare Paten waren nicht die Autoren des Autoritären Charakters, sondern Herbert Marcuse mit seinen Pamphleten für "eine Kultur ohne Unterdrückung und Verdrängung" und insbesondere der Marxist und abtrünnige Freudianer Wilhelm Reich. Er steuerte vor allem seinen unbändigen Hass auf die Kleinfamilie bei, in der er die Wurzel aller gesellschaftlichen Übel sah. Der milde Ratschlag des Adorno-Kreises, man müsse seine Kinder nur lieben, stand nicht mehr auf der Tagesordnung. Jetzt ging es nicht mehr um unautoritäre, sondern um antiautoritäre Erziehung. Die Kinder sollten zu Menschen gemacht werden, wie es sie noch nie gab, feind jeglicher Autorität und damit (meinte man) notwendig marxistische Revolutionäre.

      Voraussetzung für die wahrhaft sozialistische Revolution war in dieser Sicht die Auflösung der "völlig verrotteten" Familie, der "bedeutsamsten Sozialisationsinstanz des kapitalistischen Herrschaftssystem", die "durch autoritäre und lustfeindliche Erziehung den herrschaftskonformen, passiven bürgerlichen Charakter formt". So schrieb es 1969 die "Kommune 2" im Kursbuch 17. An die Stelle der Familie sollte das Kollektiv treten. Vor allem sollten die Kinder dort "Autonomie und Widerstandsfestigkeit gegen die Erwachsenen entwickeln".

      Entsprechend verbuchte es die "Kommune 2" triumphierend als Erfolg, ihren einzigen, dass die beiden Kommunekinder sich zunehmend an ihre Kita-Gruppe hielten und "die aggressiven Regungen gegen ihre Eltern aktiv [auslebten]": "Nessim, der früher keine Aggressionen gegen seinen Vater zu zeigen wagte, äußert heute offen seine negativen Affekte gegen Eike. Er schlägt ihn, will ihn erschießen oder äußert Todeswünsche, indem er ihm versichert: `Du hast nur noch einen Tag zu leben.` Bei dieser Befreiung ... hat mit Sicherheit die Kindergruppe und die Kommune einen günstigen Einfluss gehabt." In den zum Schießen befreiten Nessims sah man froh die Vorboten künftiger revolutionärer Recken.

      Bei den vielen Eltern, die ihre Kinder dann in antiautoritäre Kinderläden schickten, kam das "anti" der Botschaft stark verwässert an. Sie betrachteten die Kinderläden nicht unbedingt als sozialistische Kollektive und erwarteten nicht, dass ihre Kinder dort zu ihren Feinden erzogen würden. In ihre Erziehungsvorstellungen mischten sich die optimistischen Ideen des britischen Pädagogen A.S. Neill, dass Erziehung liebevoll und völlig zwangfrei sein sollte; die für ein Gemeinschaftsleben unerlässliche Disziplin würden sich die Kinder selber beibringen ("Selbstregulierung" ). Erst in der deutschen Taschenbuchausgabe von Neills Buch über seine Schule Summerhill wurde seinen Ideen das damals hoch im Kurs stehende Etikett "antiautoritär" aufgeklebt. Was in Deutschland unter der falschen Flagge antiautoritäre Erziehung Siege errang, bestand vorwiegend aus ein paar Daumenregeln, die Adorno und Neill viel näher waren als Reich und seinen militanten Adepten: Du sollst dein Kind nicht verprügeln! Du sollst dein Kind nicht herumkommandieren! Du sollst deinem Kind nichts verbieten (es sei denn, es geht einfach nicht anders)! Du sollst dein Kind als autonome Person achten! Sei lieb zu deinem Kind! Irgendwie, hoffte man, werde solche "Kuschelpädagogik", wie ihre Verächter sie später nannten, den Kindern eine Menge Kinderunglück ersparen und sie vielleicht irgendwie auch zu besseren Demokraten machen, die nicht vor jeder Amtsperson kuschen. Fortschrittliche Linksliberale erziehen zu fortschrittlichen Linksliberalen, indem sie ein Minimum dessen einsetzen, was ihren Eltern einmal als Inbegriff jeder Erziehung gegolten hatte: Disziplinierung. Nicht wenige mussten erleben, dass ihr Neuer Stil nicht immer aufging - dass ihre Kinder zu den Spießern oder Karrieristen wurden, die sie selber um keinen Preis hatten sein wollen, zu Drogensüchtigen, zu Skinheads und jedenfalls zu etwas unvorhergesehen Eigenem. Auch darum ist das Thema, obwohl seit langem aus den Debatten verschwunden, bis heute von hoher Empfindlichkeit. Eltern, die vermeintlich "antiautoritären" aus dem Westen so wenig wie die vermeintlich "autoritären" aus dem Osten, lassen sich verständlicherweise ungern sagen, dass in ihrem Erziehungsstil vielleicht ein Wurm war. Merkwürdigerweise haben sich in Deutschland Sozialwissenschaft, Psychologie und Pädagogik nicht sofort auf das spektakuläre Experiment gestürzt, um systematisch zu eruieren, ob und inwieweit es ein Erfolg war.

      In Deutschland scheint es bei einer einzigen empirischen, wenngleich reichlich von Marx, Freud, Marcuse und Reich überwucherten Studie geblieben zu sein. Franziska Henningsen verglich Anfang der 70er Jahre elf Kinder aus antiautoritären Kinderläden mit elf Kindern aus konventionellen Kindergärten und kam zu dem Ergebnis, dass die meisten der Kinderladenkinder etwas triebhafter, selbstsicherer, ideenreicher, einige aber überfordert waren. Die methodischen Mängel der Untersuchung waren indessen so eklatant, dass wenig auf sie zu geben war. Nicht nur waren die Unterschiede hauchdünn und elf Probanden etwas wenig, um signifikante Schlüsse zu ziehen. Vor allem hatte Henningsen unterlassen, alternative Erklärungen für ihr Resultat auszuloten; sie hatte nicht einmal nachgeprüft, welchem Erziehungsstil ihre Probanden zu Hause ausgesetzt waren.

      Ganz anders machten es in Amerika Mark Rothchild und Susan Berns Wolf. In ihrem Land gab es die theoriegeladene deutsche antiautoritäre Erziehung nicht einmal als Wort. Aber es gab zur gleichen Zeit eine starke Gegenkultur, deren Anhänger davon überzeugt waren, dass Kinder zwangfrei aufwachsen sollten. Ihr fühlten sich Rothchild und Wolf zugehörig, und jahrelang reisten sie mit ihren eigenen beiden kleinen Kindern, einem alten VW-Bus und einem Zelt durch die Gegenkultur, um zu beobachten, was dort aus den Kindern der Protestjahre wurde. Sie fanden einige, die weder mit anderen Menschen noch mit sich selbst zurechtkamen und auf sie einen psychisch kranken Eindruck machten. In einigen Landkommunen dagegen fanden sie ungewöhnlich offene, heitere, selbstständige, verantwortungsvolle Kinder, wie sie sie draußen in der Mainstream- Gesellschaft nie angetroffen hatten. Wie wurden diese erzogen? Ohne äußeren Zwang in der Tat. Den Kindern wurden keine Vorschriften gemacht, sie wurden vor keinen Konflikten und Gefahren behütet, sie wurden nie getadelt und auch nie gelobt, sie waren keinen moralisierenden Räsonnements ausgesetzt, niemand sorgte sich um ihre Zukunft. Andererseits übten die Erwachsenen eine unablässige Gefühlskontrolle aus. Jeder achtete darauf, dass sich die Kinder in die Gruppe einordneten und jederzeit ehrlich, direkt, umgänglich waren. Die Erwachsenen respektierten die Kinder wie Erwachsene, ließen sich von ihnen aber genauso wenig bieten. Es herrschte also eine ungewöhnliche Mischung aus Freiheit und Disziplin. Den Kindern bekam sie offenbar gut. Allerdings schienen sie völlig auf ihre Kommune angewiesen und der Welt draußen wahrscheinlich nicht gewachsen. Rothchild/Wolfs Bericht jedenfalls sprach für die permissive so wenig wie für die autoritäre Erziehung. Er lief auf ein Lob des Dritten Wegs hinaus.

      Die amerikanische Psychologie kam bei der systematischen Erkundung des Zusammenhangs von Erziehungsstil und Charakter schnell zum gleichen Schluss. Eine der ersten Studien, 1967 veröffentlicht, der Hunderte, vielleicht Tausende folgen sollten, war die von Diana Baumrind in Berkeley. Sie gab den Ton an, der in der Sozialisationsforschung bis heute nicht verklungen ist. Baumrind suchte sich drei sehr verschiedene Arten von Kindern und untersuchte dann, ob sich das Erziehungsklima bei ihnen zu Hause in seinen beiden Hauptdimensionen (Strenge/Permissivität und Kälte/Wärme) unterschied. Die gefühlskalt, fordernd und kontrollierend, also autoritär erzogenen Kinder, so stellte sie fest, waren relativ unsicher, ungesellig, aggressiv. Den permissiv und lieblos erzogenen Kindern fehlte es an Selbstbewusstsein und Selbstbeherrschung; permissive und dabei liebevolle Eltern fand Baumrind nicht. Am günstigsten schnitten die Kinder ab, die warm und dabei streng erzogen wurden: Sie und nur sie waren selbstständig, selbstbewusst, gesellig, zufrieden.

      Damit waren drei grundverschiedene Erziehungsstile definiert: der eine autoritär, der zweite permissiv; der dritte und einzige günstige erhielt das missverständliche Etikett autoritativ. 1983 fügte die Stanforder Psychologin Eleanor Maccoby einen vierten hinzu: weder streng noch permissiv, weder warm noch kalt, sondern in jeder Hinsicht gleichgültig. Aus den Kindern gleichgültiger Eltern schienen lebensuntüchtige Menschen mit den meisten Verhaltensproblemen zu werden. Dies denn wurde nahezu einhellige Meinung: Nur einer der vier Erziehungsstile führt nicht zu Problemen der Kinder mit sich selbst und der Umwelt. Nicht autoritär, nicht permissiv, nicht gleichgültig: Der Königsweg scheint seitdem die gleichzeitig warme und strenge, die "autoritative" Erziehung. "In den 90er genau wie in den 50er Jahren", schrieb der Sozialisationsforscher Laurence Steinberg, "sind Jugendliche, deren Eltern warm, entschieden und demokratisch sind, besser angepasst und lebenstüchtiger." (Dieses "besser angepasst" hätte ihm 1969 natürlich den Hohn der deutschen Antiautoritären eingetragen, die nicht Anpassung, sondern Auflehnung wollten.)

      Die Mehrheit der Eltern und Pädagogen in den westlichen Industrieländern scheint ohne die Nachhilfe der Wissenschaft, einfach durch den täglichen Umgang mit ihren Kindern zum gleichen Schluss gekommen zu sein: Sei nicht autoritär, aber erlaube deinen Kindern auch nicht alles; behandle sie liebevoll, aber verlange etwas von ihnen und setze ihnen wo nötig Grenzen. Darum wohl ist die antiautoritäre Erziehung heute kein brennendes Thema mehr. Eltern halten den autoritativen Erziehungsstil für das temperierte Vermächtnis ihrer antiautoritären Jugend. Sie geben nur einem Jahrhunderttrend in den verstädterten westlichen Gesellschaften Nachdruck, der den Akzent in der Kindererziehung immer weiter vom Gehorsam hin zur Selbstständigkeit verschiebt. Wahrscheinlich beschert diese Akzentverschiebung den Kindern eine glücklichere Kindheit, als sie ihre autoritärer erzogenen Eltern hatten. Zumindest wurde physische Gewalt in der Erziehung zwar leider nicht ausgemerzt, aber geächtet. Es war kein gering zu schätzender Erfolg jener Revolution im Kinderzimmer. Und auf dieser positiven Note könnte man den Fall beschließen.

      Das aber kann man nicht. Die Wahrheit ist, dass all die Studien, die dem Zusammenhang zwischen Erziehungsstil und Charakter nachgingen, keineswegs so klare und eindeutige Ergebnisse brachten, wie es zunächst schien. Oft war der Zusammenhang nur schwach, widersprüchlich, partiell oder fehlte ganz.

      Nicht einmal jene Korrelation, die alle Welt, auch der Kriminologe Pfeiffer, bis heute für eine Selbstverständlichkeit hält, hat sich ohne Abstriche bestätigt: dass es einen Zirkel der Gewalt gebe, der aus Kindern, die von ihren Eltern misshandelt oder grob vernachlässigt wurden, gewalttätige Erwachsene und schlechte Eltern macht. Zwar zeigte sich in Amerika, dass Vernachlässigung und Misshandlung das Risiko späterer Straffälligkeit tatsächlich nicht unerheblich zu erhöhen, von etwa 17 auf 26 Prozent. Aber diese Zahlen bedeuten auch, dass die große Mehrzahl jener, die als Kinder vernachlässigt oder misshandelt wurden, später nicht straffällig werden. Vernachlässigung und Misshandlung können also weder eine notwendige noch eine ausreichende Vorbedingung für spätere Delinquenz sein. Nur ein Zusammenhang erwies sich als stabil: Eltern, die mit ihrem eigenen Leben gut zurechtkamen, hatten oft Kinder, bei denen es genauso war. Irgendwie hatten sich das Wesen der Eltern den Kindern mitgeteilt. Aber wie?

      Wer meint, dass der Erziehungsstil ausschlaggebend ist, macht eine stillschweigende Voraussetzung. Er setzt die soziale Transmission der entscheidenden Wesensmerkmale voraus. Uneins ist sich die Sozialisationsforschung nur, wie sich diese vollziehe: durch Lernen (nämlich entweder durch Konditionierung, also "Verstärkung" mittels Belohnung und Strafe im Sinne des Behaviorismus, oder durch "Lernen am Modell" im Sinne von Albert Banduras modernerer Lerntheorie) oder durch Identifizierung mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil (im Sinne der Psychoanalyse).

      Die Sozialisationsforschung hatte sich strikt verboten, auch nur zu erwägen, dass es neben der sozialen Transmission eine ganz andere geben könnte: die genetische. Dass der Mensch nicht als unbeschriebenes Blatt auf die Welt kommt, sondern mit bestimmten, biologisch vorgegebenen Dispositionen, durfte nicht sein; jede solche Überlegung galt als reaktionär, wenn nicht gar faschistisch. Also wurde die Möglichkeit gar nicht erst mitgeprüft.


      Könnte etwas zwei verschiedene Arten von Ursachen haben, dann hilft jedoch alles Messen und Rechnen nicht, solange man immer nur eine von ihnen im Blick hat. Dass psychisch stabile Eltern oft psychisch stabile Kinder haben, mag darauf zurückgehen, dass sie ihnen die Ausgeglichenheit anerzogen haben; es kann aber ebenso gut sein, dass die Kinder die Ausgeglichenheit der Eltern geerbt haben; oder Erbe und Erziehung könnten in die gleiche Richtung gewirkt haben. Die Korrelation selbst beweist nicht, dass es an der Erziehung lag. Darum rächt es sich, dass sich diese Wissenschaft auf einem Auge blind gemacht hatte: Ihre Untersuchungen sind nicht direkt falsch, aber nichtssagend.

      Eine andere Wissenschaft, die Verhaltensgenetik, ließ sich von dem Tabu nicht einschüchtern und ersann Methoden, einem möglichen genetischen Beitrag zu Fähigkeiten und Charaktermerkmalen auf die Spur zu kommen. Sie wurde fündig. Natürlich stößt keine wissenschaftliche Erkenntnis je auf hundertprozentige Zustimmung, und eine ideologisch relevante schon gar nicht; dennoch besteht seit Anfang der 80er Jahre kaum mehr ein Zweifel daran, dass so gut wie allen Charakterzügen eine Erblichkeit von 40 bis 50 Prozent eigen ist (0,5 in anderer Schreibweise); dem IQ, der messbaren Intelligenz, eine etwas höhere, etwa 0,6. Dies zu behaupten ist keine Ketzerei mehr. Es steht inzwischen in den Lehrbüchern, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.

      Zum Beispiel die "Großen Fünf", nämlich die fünf Charakterdimensionen, die die Psychologie heute misst, wenn sie den Charakter eines Menschen in seinen zentralen Zügen beschreiben will. Die "Extraversion" (grob übersetzt: Geselligkeit) hat eine Erblichkeit von 0,49 Prozent - das heißt, wenn der eine mehr, der andere weniger extravertiert ist, rührt das zu 49 Prozent von Unterschieden in jenen Genen her, die auf eine bisher dunkle Weise am Ende diese Charakterdimension hervorbringen. Die Erblichkeit von "emotionaler Stabilität" beträgt 0,41, von "Freundschaftlichkeit" 0,39, von "Gewissenhaftigkeit" 0,4, von "intellektueller Offenheit" 0,45.

      Ein Merkmal, das zufällig schon sehr früh auf eine erbliche Komponente untersucht wurde, ist der Autoritarismus, der heute nicht mehr als Charaktermerkmal betrachtet wird, sondern als das, was er ja auch ist - eine "soziale Einstellung". Als eine viele Lebensbezirke durchtränkende Grundhaltung, so zeigte es sich, war der Autoritarismus (oder "Traditionalismus", wie er heute oft heißt) gut beobachtet, besitzt er Realität. Und er hat eine gewisse Erblichkeit, genau so hoch wie die der anderen Persönlichkeitsmerkmale!

      Die Entwicklungspsychologin Sandra Scarr, die das 1981 in einer der bahnbrechenden Studien feststellte, machte gleich noch eine andere Entdeckung: dass der Autoritarismus und seine Weitergabe eng an die ebenfalls teilweise erbliche sprachliche Intelligenz gekoppelt ist: Hohe Werte im Autoritarismus (in Frenkel-Brunswiks F-Skala) stand bei Eltern wie Kindern ein niedriger verbaler IQ gegenüber. "Zwar sind den Menschen keine sozialen und politischen Einstellungen angeboren, aber offenbar sind sie mit einem Genotyp ausgerüstet, der im Einklang mit ihrer Familienumwelt bestimmt, ob sie ihre Lebenserfahrungen intellektueller oder grobschlächtiger verarbeiten." Ohne Diplomatie übersetzt: Zwar gibt es auch intelligente fremdenfeindliche Gewalttäter, aber das Gros stammt aus der unterdurchschnittlich intelligenten Hälfte der Bevölkerung -und die Höhe des IQ ist überwiegend genetisch bedingt.

      Um solche Ergebnisse richtig zu beurteilen, muss man sich dem Begriff "Erblichkeit" zuwenden. Das Wort ist unglücklich gewählt, weil es Anlass zu endlosen Mißverständnissen gibt. Als technischer Begriff der Genetik hat "Erblichkeit" eine sehr viel engere Bedeutung als im Volksmund. Sie ist ein statistischer Wert, der besagt, welchen Anteil genetische Ursachen an der so genannten Varianz haben, der Gesamtheit der für ein bestimmtes messbares Merkmal in einer Population ermittelten Unterschiede. Ergibt sich beim IQ eine Erblichkeit von 0,6, so heißt das also keineswegs, dass jemand mit einem Durchschnitts-IQ von 100 Punkten 60 seinen Genen und 40 seiner Umwelt verdankt. Es heißt vielmehr: In einer bestimmten Population erklärt sich die vorhandene Gesamtvarianz zu 60 Prozent daraus, dass jene Gene, die gemeinsam am Zustandekommen der Intelligenz beteiligt sind, in verschiedenen Fassungen (Allelen) vorliegen; zu 40 Prozent dagegen haben die Unterschiede nichtgenetische Ursachen. Wie aus einem Genotyp ein Phänotyp wird, sagt die Erblichkeitsberechnung nicht. Das Genom ist nur eine Blaupause, eine Programmbibliothek für die lebenslange Produktion von Proteinen. Realisieren können sie sich nur im Zusammenspiel mit der Umwelt. Jedes genetisch begründete Merkmal, so könnte man sagen, braucht beides, Genom und Umwelt, zu 100 Prozent.

      Die Erblichkeit ist keine Naturkonstante, sondern ein in einer bestimmten Population gemessener empirischer Wert. Sie lässt sich darum nicht wie die Lichtgeschwindigkeit immer genauer ermitteln. Sie besagt nur: Zur Gesamtheit der gemessenen Unterschiede haben in dieser Population unterschiedliche Gene soundsoviel und unterschiedliche Umweltfaktoren soundsoviel beigetragen. Ganz andere Umweltfaktoren, wie sie in den untersuchten Populationen nicht vertreten waren, könnten die umweltbedingte Varianz und damit die Erblichkeit ändern.

      Je offener und durchlässiger eine Gesellschaft, desto höher werden die Erblichkeiten mancher Merkmale. Denn wo die Umwelt keine Unterschiede mehr erzwingt, ist die verbleibende Variation notwendig genetischer Herkunft. Man kann es auch so sagen: Jeder sucht sich die Umwelt, die seinen genetischen Anlagen am besten entspricht; je größer die Freiheit, die ihm die Gesellschaft dazu lässt (je größer also die Chancengleichheit), desto reiner sind etwa verbleibende Unterschiede das Werk der Gene. Der genetische Befund war vor allem darum so unwillkommen, weil er eine Einladung zum Fatalismus zu sein scheint. Wenn einer "es schon in den Genen hat", dann sei ja wohl nichts zu machen. Dazu gibt es mindestens dreierlei zu sagen.

      Erstens regieren die Gene kein Schicksal streng deterministisch. Sie begründen nur Dispositionen, legen für bestimmte Chancen und Risiken Wahrscheinlichkeiten fest.

      Zweitens sind genetisch verursachte Defekte und Defizite nicht grundsätzlich unkorrigierbar: Für eine ererbte Fehlsichtigkeit gibt es Brillen. Der Glaube an die unbegrenzte Erziehbarkeit des Menschengeschlechts andererseits kann sich nicht gerade auf überwältigende Erfolge berufen. Den Neuen Menschen haben bisher auch die hochgemutesten und rabiatesten Erziehungsanstrengungen nicht hervorgebracht. Eine falsche Diagnose kann nur eine falsche Behandlung nach sich ziehen. Die Vorbedingung dafür, irgendeinen Persönlichkeitszug des Menschen effektiv zu ändern, wäre ein realistisches Verständnis dafür, wie dieser sich im Zusammenspiel von Genen und Umwelt entwickelt.

      Wenn - drittens - Persönlichkeitsmerkmale zu einem beträchtlichen Maß das Produkt eines genetischen Programms sind, so wird der Mensch sich in jeder Situation immer nur selbst wiederfinden. Aber seine Persönlichkeit, das Ensemble seiner Dispositionen, ist sehr viel breiter, als dass er sie in einer Lebenssituation je erschöpfend ausleben könnte. In einer anderen Situation findet er zwar auch sich selbst wieder, aber möglicherweise so, wie ihn bisher keiner gekannt hat, auch er sich selbst nicht.

      Manche meinen, man müsse das alles von vornherein nicht ernst nehmen. Seit 125 Jahren schwinge das Pendel zwischen "Erbe" und "Umwelt" in und her, und die nächste Pendelbewegung, zurück zur "Umwelt", werde nicht auf sich warten lassen. Die Erblichkeitsberechnungen der Verhaltensgenetik sind jedoch keine Mode, die sich wieder verziehen wird. Sie haben jetzt dreißig Jahre Test auf Test bestanden, sind dabei immer raffinierter und nie widerlegt worden, obwohl der Mainstream der Wissenschaft auf nichts so erpicht war wie auf ihre Widerlegung. Welche Gene jeweils die wirksamen sind und wie sie wirken, ist ihnen nicht zu entnehmen. Aber die betreffenden Verwandtschaftskorrelationen, auf denen der Kalkül beruht, treten nicht durch Zufall auf. Wo es den Messwert "Erblichkeit" gibt, wird es auch die Allele geben, die sie hervorgebracht haben, und die Molekularbiologie hat angefangen, sie zu entschlüsseln.

      Erblichkeiten um 0,5, wie sie für die meisten mentalen Eigenschaften berechnet wurden, sind nicht hoch und nicht niedrig; sie gelten als "mäßig". Und damit könnte man abermals versucht sein, zufrieden einen Punkt zu setzen: Na also, dann haben eben beide Seiten Recht gehabt im dreißigjährigen Erbe-Umwelt-Krieg. Auch hier käme die Freude zu früh. Zum einen nämlich gehören zu den nichtgenetischen Quellen von Varianz, die auf der Umweltseite zu Buch schlagen, auch Unfälle, (nichtgenetische) Krankheiten und alle die Einflüsse, denen der Fetus im Mutterleib ausgesetzt ist - Ursachen also, von denen man einige "biologisch" nennen würde und deren Folgen teilweise im Wortsinn "angeboren" sind.

      Zum andern sind die Unterschiede im Genom die mit Abstand größte einzelne Varianzquelle. Die nichtgenetische Varianz erklärt sich dagegen aus vielen ganz verschiedenen Faktoren. Folglich hat kein einzelner von ihnen ein so hohes Gewicht, dass er allein dem genetisch bedingten Varianzblock Paroli bieten könnte. Die treibende Kraft hinter dem Jahrhundertstreit war die Frage, ob irgendeine Veränderung, die man an den Umweltbedingungen vornähme, dazu taugen würde, unerwünschte Varianz zu beseitigen, die dem Einzelnen oder der Gesellschaft zum Nachteil gereicht. Diese Frage ist beantwortet. Alle Patentrezepte, die mit "Man müsste nur ..." beginnen ("nur" die Armut beseitigen, "nur" alle auf gute Schulen schicken, "nur" lieb zu den Kindern sein), die sich also auf eine einzige und noch dazu hypothetische Umweltursache fixieren, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wenn sie überhaupt effektiv sind, dann jedes nur in geringem Maß.

      Nicht nur, dass die entscheidenden Umweltfaktoren viele und verschiedene sind: Man weiß bis heute schlechterdings nicht, welche es eigentlich sind, man weiß nur, dass es jene nicht sein können, die die Sozialisationsforschung immer im Auge hatte.

      Als die Versuchsanordnungen der Verhaltensgenetik in den 80er Jahren immer wählerischer wurden, ergab sich nämlich nebenbei ein Befund, den niemand gesucht oder erwartet hatte. Er kam für alle als ein Schock und ist bis heute nicht verkraftet. Verblüffenderweise zeigte sich in Adoptionsstudien, dass Kinder, die nicht miteinander verwandt sind, aber zusammen in einer Familie aufwachsen, einander in ihren messbaren Eigenschaften und Merkmalen kaum ähnlicher sind als beliebige Fremde. Eine gewisse Ähnlichkeit besteht dagegen zwischen ihnen und ihren in anderen Familien aufwachsenden, ihnen meist unbekannten leiblichen Geschwistern. Auf der anderen Seite ähneln sich eineiige, also genetisch identische Zwillinge, die zusammen in einer Familie aufwachsen, zwar stark, aber nicht völlig. Es muss also Umwelteinflüsse geben, die sie verschieden machen; das können jedoch nicht jene sein, die auf alle Mitglieder einer Familie gleichermaßen einwirken und sie einander angleichen. Man nennt diese Faktoren die "geteilte" - also der Familie gemeinsame - Umwelt. Im Falle der Adoptivkinder bewirkt die geteilte Umwelt so gut wie keine Ähnlichkeit; im Falle der getrennt aufgewachsenen eineiigen Zwillinge verhindert sie die geringen Unterschiede nicht. Nahezu alle Umweltfaktoren, die die Sozialisationsforschung im Verdacht hatte, gehören nun aber zu den geteilten: die Schichtzugehörigkeit, das Familieneinkommen, das Bildungsniveau, die Familiengröße, die Familienstruktur (Scheidung, alleinerziehende Elternteile), das Alter der Eltern, die familiäre Umgangsweise, die Religiosität, eine etwaige Depressionskrankheit der Mutter, die intellektuelle Stimulierung, die Zahl der Bücher im Haushalt ... Auch der Erziehungsstil, denn Eltern erziehen normalerweise nicht das eine Kind repressiv und das andere permissiv. Alle diese scheinbar großen, wichtigen, ausschlaggebenden Faktoren bringen die Unterschiede zwischen den Menschen also nicht hervor. Die Kinder könnten auch bei anderen Eltern aufwachsen, die ihnen ein normales Maß an liebender und leitender Fürsorge zuteil werden lassen, und gerieten keinen Deut anders.

      Dass die geteilte Umwelt nur einen geringen oder keinen Unterschied macht, gilt allerdings nur für die normale Bandbreite von Familienumwelten. Vernachlässigung, Deprivation, Misshandlung, Traumatisierung liegen außerhalb dieser Bandbreite, und sie machen einen Unterschied. Dass der Glaube an die Macht der geteilten Umwelt zerstoben ist, darf darum niemand zu dem Schluss verleiten, es wäre egal, wie er seine Kinder behandelt. Aber welches sind dann die entscheidenden Umweltfaktoren? Sie sind bis heute das große Rätsel, und die nötigen Untersuchungen sind so komplex, dass es noch Jahre dauern wird, bis die ersten Antworten eingehen, die mehr als Spekulationen sind.

      Es müssen Einflüsse sein, die die Kinder einer Familie unterschiedlich betreffen und sie einander unähnlich machen - "ungeteilte" eben. Sollte sich der reine lebensgeschichtliche Zufall als das Entscheidende erweisen, so wäre die auf Gesetzmäßigkeiten erpichte Wissenschaft in einer hoffnungslosen Lage. Ein Mädchen sieht mit zehn einen Naturfilm, der sie fasziniert, und verbringt den Rest des Lebens am liebsten in der einsamen Natur, die Schwester verpasst das Programm, weil sie an der Straßenecke auf ihre Clique gestoßen ist, und wird zum Disco-Typ ... Wäre es so (und eine gewisse Rolle spielen solche Zufälle sicher), dann ließen sich überhaupt keine systematischen Beziehungen zwischen Umweltbedingungen und Persönlichkeitsmerkmalen auffinden, und das Schicksal wäre die reine Lotterie. Wenn die geteilte Umwelt nicht den Ausschlag gibt, dann muss die ungeteilte es tun. Tatsächlich hat das Dilemma vielen Psychologen die Augen dafür geöffnet, dass die Eltern ihre Kinder durchaus nicht immer in allem gleich behandeln. Es kommt zum Beispiel vor, dass sie mit dem einen viel schäkern, mit dem anderen aber nicht - und in der Folge scheinen beide in verschiedenen Gefühlsumwelten aufzuwachsen. Eine andere Theorie, in den letzten Jahren besonders heftig propagiert von der amerikanischen Psychologin Judith Harris, verficht die Meinung, dass sich die eigentliche Sozialisation überhaupt nicht in der Familie abspiele, sondern in der Spielgruppe, der Clique, der Klasse, der Bande - also in der Altersgruppe.

      Beide Möglichkeiten wirken plausibel. Die Frage ist nur, wie viel Umweltvarianz damit wirklich erklärt werden kann. Kinder sind nicht nur das passive Produkt von Erziehung; sie bestimmen von Anfang an mit, wie sie erzogen werden. Wenn die Eltern viel mit einem Kind schäkern, dann wahrscheinlich, weil es selber gerne schäkert; während das stille und ängstlichere Kind in einer ernsteren und verschlosseneren Umwelt lebt. Und wenn ein Kind in vielen Cliquen zu Hause ist und den Ton angibt, dann weil es mit einem extravertierten Temperament gesegnet ist. Das heißt, die verschiedenen Temperamente suchen und schaffen sich innerhalb wie außerhalb der Familie die Umwelt, die ihnen die gemäßeste ist. Und da das Temperament zu einem erheblichen Teil erblich ist, spiegelte sich in dieser Umweltvariation nur die genetische wieder.

      Die wichtigen Fragen, auch die nach dem idealen Erziehungsstil, sind also noch offen. Antworten werden erst eingehen, wenn das Kriegsbeil begraben wird und Verhaltensgenetik und Sozialisationsforschung gemeinsam an ihren beiden Strängen ziehen.

      Wenn also Erziehungsdetails wie das "Töpfen" von vornherein nicht erklären können, warum jugendliche Gewalttäter im Osten Deutschlands zahlreicher sind als im Westen - was ist dann die Ursache? Ehrlicher, als ad hoc irgendwelche cleveren Pseudogründe in die Debatte zu werfen, wäre es zuzugeben, dass wir die Ursachen nicht kennen. Immerhin lässt sich soviel sagen: Da Persönlichkeitsunterschiede weitgehend unter genetischer Kontrolle stehen, und da es keine besonderen Ost-Gene geben dürfte, kommen sie als Ursachen kaum in Frage. Diese sucht man besser im Gesellschaftlichen. Die relativ größere Perspektivlosigkeit der Jugend im Osten scheint mir immer noch ein guter Kandidat - in Verbindung mit der Eigendynamik von Gruppenprozessen. Da der Mensch mit und ohne Kollektiverziehung ein gruppenorientiertes Wesen ist, wird eine autoritäre Disposition nur in einem Umfeld Ausdruck finden, das sie bestätigt und perspektivelosen Jugendlichen für ihren Autoritarismus Integration und Anerkennung verspricht.

      Hundert Jahre lang haben die verschiedensten Schulen der Psychologie Eltern Schuldgefühle aufgeredet, wann immer ihre Kinder Probleme bekamen: siehe die schizophreno- und sonstwas-gene Mutter der Psychoanalyse, das durch Verhätschelung deformierte Kind des Behaviorismus. Der Glaube an die Allmacht der Erziehung klang dann etwa so: "Eltern erschaffen ihre Kinder sowohl psychisch wie physisch ... Von ihnen lernt das Kleinkind, wie es denkt und spricht, wie es seine Erfahrungen deutet und benutzt, wie es seine Reaktionen beherrscht, wie andere Menschen zu beeinflussen sind. Kinder lernen von ihren Eltern, wie man sich mit den anderen stellt, wer einem gefällt und wen man nachahmt, wen man meidet und verachtet, wie man Zu- und Abneigung ausdrückt und wann man seine Reaktion unterdrückt. Wie die Eltern die Verstärkung einsetzen, ob Bestrafung oder Belohnung, ändert das Verhalten des Kindes und bestimmt seine künftigen Neigungen und Abneigungen" (Diana Baumrind). Wer das wörtlich nahm, konnte eigentlich nur auf Kinder verzichten. Wenn "kein Zornesausbruch ohne Einfluss auf das Kind" bliebe, da er sich später "wieder[findet] in seinem Charakter" (Neill), dann gäbe es nur verdorbene Charaktere. Und wenn der Mensch alles, was er ist, allein durch Erziehung würde, so hielte zudem nichts die Menschheit zusammen: Sie wäre fragmentiert in unzählige Erziehungssippen, unter denen es keinerlei Verständigung gäbe.

      Es ist darum kein Verhängnis, dass der Mensch durch Erziehung gar nicht leicht zu veredeln oder zu verderben ist; dass er seine Identität zu einem nicht unerheblichen Teil schon besitzt, ehe er sich durch Erziehung zu erschaffen versucht.


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      schrieb am 07.05.02 07:24:21
      Beitrag Nr. 39 ()
      Die Eltern des Mörders von Erfurt
      ”Wir haben versagt”



      Erfurt – „Wir haben nichts gesehen. Wir hätten es doch merken müssen. Wir haben alles falsch gemacht. Wir haben versagt, natürlich haben wir versagt.“ Christel und Günter Steinhäuser, Mutter und Vater des Killers von Erfurt.

      Still und anhänglich war Robert als Kind, sagen die Eltern.

      Mit 2 Jahren konnte er in seinem Gitterbett nur schlafen, wenn ihm die Mutter durch die Stäbe hindurch die Hand hält. Sie liest ihm „Felix der Pinguin“ vor. Mit 6 spielt er mit Lego aus dem Westen. Mit 8 baut er in seinem Zimmer Modelle der „Titanic“ und vom „Raumschiff Enterprise“. Er will Astronaut werden – wie Captain Kirk.

      Als er 11 ist, nehmen die Eltern den Sohn von der Realschule. Aus Fürsorge – weil es dort angeblich Drogen und Prügeleien gibt. Er kommt aufs Gutenberg-Gymnasium. Der strebsame und höfliche Schüler hat auf einmal schlechte Noten. Die Mutter: „Vielleicht war er dort überfordert und deswegen kreuzunglücklich. Wir haben das doch nicht geahnt.“ Ein „grauenhafter Fehler“ war das, sagt sie heute.

      Mit 14 schenken ihm die Eltern eine Katze. Robert kauft seinen ersten Computer. Von dem Geld, das er zur Jugendweihe bekommen hatte. Zum Schluss besaß er einen Pentium-II-Rechner. Mit Scanner, 17-Zoll-Monitor, großen Lautsprechern. Für „lebensechte“ Schussgeräusche seiner Brutalo-Spiele. Die Katze schläft in seinem Bett, wenn er noch spätabends am Computer spielt. Eine Freundin hatte er nie. Er raucht nicht, er tanzt nicht. Computer, TV, Videorecorder – alles stand auf einem weißen Metalltisch, alles lief gleichzeitig. „Roberts Altar“, schreibt der Spiegel.

      „Es ging immer ums Schießen, immer um Gewalt“, sagt der Vater (leidet an Multipler Sklerose und Diabetes). Verzweifelt baut er eine Sperre an den Fernseher: Robert muss eine Mark reinwerfen, sonst gehen Bild und Ton nicht an. Die Mutter reißt sämtliche Kabel ab und versteckt sie. Robert ist 16. Er bastelt alles wieder zusammen, kauft neue Spiele dazu. Die Mutter: „Das war wie eine Sucht.“ Hausaufgaben macht er längst nicht mehr. Sein Bett hinterlässt er zerwühlt, neben dem Computer Pizzareste.

      Er schafft die 11. Klasse nicht. Versucht es noch mal, schwänzt, fälscht Atteste. Er tritt dem Schützenverein „Domblick e. V.“ bei – die Eltern unterschreiben den Antrag. Die Gespräche zwischen ihnen und Robert werden immer kürzer.

      „Wie war dein Tag?“

      „Ganz okay.“

      Das Schweigen des Jungen wird zum Alltag. Robert ist 19, geht gar nicht mehr zur Schule, und die Eltern merken es nicht.

      Auch am Mordtag gaukelt er den Eltern vor, dass er zur Schule geht. Zur Abi-Prüfung in Englisch. Er streitet mit der Mutter, weil er eine bestimmte Jacke sucht. Sie ist in der Wäsche. Der Vater sagt. „Jetzt geht’s um die Wurst. Streng dich an!“ Die Großmutter sieht ihm nach. Er trägt einen Rucksack und raucht – zum ersten Mal.

      Zwei Stunden später hören die Eltern im Autoradio vom Massaker. Der Bruder (25) geht in Roberts Zimmer, findet in einer Tasche Hunderte Schuss Munition. Und die Quittungen für die Waffenkäufe – schweigsam hingelegt wie ein Abschiedsbrief.


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      schrieb am 07.05.02 17:05:14
      Beitrag Nr. 40 ()
      moin harry,

      zum glück habe ich nicht pädagogik studiert...

      gibt einem doch zu denken. eigentlich möchte man sagen, gelobt sei der dritte weg (sowieso meine meinung, ich wollte bloß noch ausprobieren, ob`s in der praxis auch klappt), aber dann geht ja ganz klar aus dem artikel hervor, dass jeder weg der erziehung eh nur die schönheitskur dafür darstellt, was als basismaterial sowieso vorhanden war. das bedeutet dann, dass ich nur hoffen kann, dass mein sohn sich nur den positiven teil meiner eigenschaften ausgesucht hat.

      wie auch immer, was sagt das nun über robert s. aus ? über den erziehungsstil seiner eltern ist ja nicht allzviel bekannt, nur dass sie sich um ihren sohn gesorgt haben. über ihre sonstigen eigenschaften auch nicht. aus dem zweiten artikel geht hervor, dass robert mit seinem wechsel aufs gymnasium nicht klar kam und genau dann anfing, sich hängenzulassen. natürlich hätten seine eltern versuchen können, ihn zu erreichen, oder ihn zu einem dritten zu schicken, damit der ihn erreichen konnte. Eins kann man ihnen ab er nicht vorwerfen, und zwar, dass sie ihn alleine gelassen hätten. er war es, der sich abgesetzt hat, und ob er sich einem dritten gegenüber geöffnet hätte, glaube ich nicht. das ganze ist und bleibt eine offene frage.

      nicht schlauer
      felix
      Avatar
      schrieb am 11.05.02 13:39:02
      Beitrag Nr. 41 ()
      @felix.krull


      Auf jeden Fall haben die Fachleute vom Landeskriminalamt schon mal festgestellt, daß die Tat eindeutig psychologische Ursachen hatte.Das tut gut, wenn ich mir die überflüssige Diskussionen über Gewalt in den Medien von den Meinungsträgern in unserer Gesellschaft in den letzten Wochen so ansehe.

      Vor ein paar Tagen lief auf "3SAT" ein bemerkenswert gute Dokumentation über Amokläufer, mit dem Titel: "Amok-Die tötliche Wut".
      All diese dort geschilderten Täter wären deutlich über 20 Jahre alt und hatten mit Sicherheit nie Gewaltcomputerspiele gespielt.Trotzdem hat sich was in den Leuten entwickelt, was zu diesem Ausbruch geführt hat.Und die Erziehung, die sie als Kind genossen haben, war wohl auch nicht schuld.Es waren eher die äußeren Lebensumstände und die inneren Konflikte, Nöte und Prädispostitionen, die man als Auslöser benennen kann.


      Schöne Grüße
      H_S :)


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      Quelle: www.welt.de

      LKA beendet Arbeit am Täterprofil des Erfurter Todesschützen

      Erfurt (dpa) - Spezialisten des LKA Thüringen haben ihre Arbeit an einem psychologischen Täterprofil des Amokläufers von Erfurt beendet. Danach sei die Sucht des 19-Jährigen nach Gewaltfilmen und brutalen Computerspielen nicht ausschlaggebend für die 16 Morde gewesen, berichtet das Magazin «Focus». Die Fahnder beschrieben sein Leben als eine Kette von Niederlagen und Enttäuschungen. Der Amokschütze wird heute an einem geheimen Ort beerdigt. Laut «Bild» soll er anonym, ohne Kreuz oder Grabstein, beigesetzt werden.


      11:55 am 11.05.2002 - Ressort: News


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      Avatar
      schrieb am 11.05.02 18:00:25
      Beitrag Nr. 42 ()
      P O L I T I K

      Amokläufer Steinhäuser beigesetzt



      Der Amokläufer von Erfurt ist an einem geheimen Ort beigesetzt worden. Wie ein Sprecher der Polizeidirektion Erfurt erklärte, erfolgte die Beisetzung am Samstag im engsten Kreis.

      Unterdessen wurde bekannt, dass der Erfurter Massenmörder offenbar dem von seinen Eltern ausgeübten Erfolgsdruck nicht gewachsen war. Dies geht aus einem psychologischen Täterprofil hervor, das das Landeskriminalamt Thüringen erstellt hat.

      Wie FOCUS berichtet, stellten die Ermittler in der 20-seitigen Analyse mit dem Titel „Massenmord des Robert Steinhäuser“ weiter fest, dass „innerhalb der Familie ein relativ kaltes Klima herrschte.“

      LKA-Profiler André Volk sagte zu FOCUS: „Die heile Welt, von der am Anfang die Rede war, bröckelte, je tiefer wir vorstießen.“ Es habe einen regelrechten „Abi-Druck“ gegeben.

      Die Fahnder beschreiben Steinhäusers Leben als Kette von Niederlagen und Enttäuschungen. „In den letzten Jahren gab es für ihn kein einziges Highlight“, so Volk. Letzter Tiefschlag sei der Verweis vom Gutenberg-Gymnasium gewesen. Die Summe der Negativerfahrungen habe Steinhäusers Psyche geprägt, so das Fazit der Profiler. „Da kam alles zusammen“, erklärte Volk.

      Steinhäusers Sucht nach Gewaltfilmen und brutalen PC-Spielen sei jedenfalls „nicht ausschlaggebend“ gewesen.


      11.05.02, 13:17 Uhr


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      Das LKA scheint wohl aus meinem Thread abgeschrieben zu haben. ;)

      MfG
      H_S
      Avatar
      schrieb am 11.05.02 19:35:41
      Beitrag Nr. 43 ()
      ich gebe dir absolut recht, dass die reaktionen aus der politik wie üblich aufgeregtes herumdoktern an symptomen sind. du wirst auch in zukunft einen psychopathen nicht daran hindern können, sich waffen zu beschaffen, wenn er es wirklich will, und auch an gewaltspiele wird er ohne schwierigkeiten kommen, selbst wenn es illegal sein sollte. hauptsache unsere politiker haben sich öffentlichkeitswirksam in erfurt gezeigt und ihre besorgnis geäußert, selbst wenn damit noch niemandem geholfen ist.

      bleibt die frage, könnte ein weiteres massaker dieses typs effektiv verhindert werden ? die antwort ist nein, es ist nicht möglich. und der gedanke macht angst.

      felix
      Avatar
      schrieb am 11.05.02 21:39:52
      Beitrag Nr. 44 ()
      @felix.krull

      Offensichtlich scheint es so zu sein, daß seine Eltern doch eine gewisse Mitverantwortung tragen.Aber wäre er ein anderer Mensch gewesen, hätten sie sich anders zu ihm verhalten, und er wieder zu ihnen.Das ist schon eine sehr schwierige Sache.


      Ich meine auch, daß man Leute, die einige derartige Tat begehen wollen letztendlich nicht stoppen kann.Das Menschen psychisch verletzt werden, oder/und Prädispostitionen haben, ihre inneren und äußeren Erlebnisse auf eine destruktive Art und Weise zu verarbeiten und sie durch einen Amoklauf "auszudrücken", kann man genausowenig vollkommen verhindern, wie Autounfälle, Flugzeugabstürze, Brände, Eifersuchtsdramen, "normale" Kriminalität, oder Sonstiges, daß auf menschlichen Verhalten beruht.


      H_S :)
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      Avatar
      schrieb am 14.05.02 14:28:48
      Beitrag Nr. 45 ()
      ROBERT STEINHÄUSER

      Ein verpfuschtes Leben



      »Steini« mit Schwarzenegger-Brille


      Seine Lehrer sahen in Robert Steinhäuser immer nur den hoffnungslosen Fall, so »dumm und grob gestrickt, dass selbst ein Nilpferdweibchen vor ihm davonrennen würde«. Für seine Mitschüler war er der kleine dicke Robert aus der Ottostraße, verpickelt und unsportlich, der Großkotz an der Raucherecke, ein blasser Verlierertyp, den man schnell wieder vergessen konnte. Bei seinen Eltern saß ein 19 Jahre junger Mann am Abendbrottisch, ein Fremder offenbar, aber wenigstens Nichtraucher, der seiner Mutter für Geld beim Fensterputzen half und in der Schule sein Bestes gab.

      So hatte jeder sein eigenes Bild von Robert Steinhäuser, dem Massenmörder von Erfurt. So lebte jeder neben ihm her, bis er am 26. April alle überraschte und mit seiner Bluttat vor ein unlösbares Rätsel stellte. Für den Freitagabend, den Tag der Tat, hatte sich Robert mit seinen besten Freunden noch gut gelaunt zum Saufen verabredet. Niemand hatte auch nur eine leise Ahnung davon, was in diesem Menschen vorging.

      Wer nach dem Motiv des Massenmörders sucht, wird dies nicht in den Wochen vor der Tat finden, auch nicht in den letzten Monaten. Er wird eintauchen müssen in eine Biografie, die komplexer ist, als viele ahnen, durchzogen von Demütigungen, Selbstbetrug und Lügen, die sich immer unlösbarer miteinander verstrickten und am Ende zu einem kaum auszuhaltenden Druck verdichtet haben müssen.

      Er wird aber auch einen scheinbar ganz normalen Jungen finden, der nicht gerade mit Talenten gesegnet war, aber von Mädchen träumte, Freunde hatte und Anerkennung suchte wie Millionen andere junge Männer auch. Er war kein Satanist. Kein Einzelgänger. Und schon gar kein computerkranker Psychopath, der ein reales Blutbad nicht mehr von Bildschirmgewalt unterscheiden konnte - wie Polizei und Politik den angeblichen »Amoklauf« nun zu erklären versuchen. Wahrscheinlich wäre es für alle leichter zu ertragen, wenn es so einfach wäre. Inzwischen steht für die Ermittler zweifelsfrei fest: Über 70 Mal hat Robert Steinhäuser abgedrückt. Er allein trägt Schuld am sinnlosen Tod von 12 Lehrern, einer Sekretärin, zwei Kindern und einem Polizisten. Aber versagt haben - mit ihm, neben ihm, an ihm - auch viele andere.

      Die falsche Schule

      Das Drama des Robert Steinhäuser beginnt lange vor seinem umstrittenen Rausschmiss am Erfurter Gymnasium Johannes Gutenberg. Es beginnt spätestens mit seinem ersten Tag an dieser Schule, für die er nie im Leben das Zeug hatte. Ihn aufs Gymnasium geschickt zu haben hält die Mutter heute für einen »grauenhaften Fehler«. Ihm fehlt es sowohl an Intelligenz als auch an Ehrgeiz, zudem ist er nicht gerade fleißig. Robert quält und schleppt sich von einem Schuljahr zum nächsten und versucht - strauchelnd bereits -, nach der zehnten Klasse wenigstens den externen Realschulabschluss zu schaffen. Er scheitert. Also muss er am Gymnasium bleiben, eine absurde, aussichtslose Zeitverschwendung. Aber noch immer will er dem großen Bruder nacheifern, dem sechs Jahre älteren Peter, der in der Schule so gut ist wie beim Handball und nach einem erstklassigen Abitur inzwischen Informatik studiert. Robert versucht, die elfte Klasse zu meistern, versagt, versucht es ein zweites Mal und wird gerade noch so in die zwölfte Klasse versetzt, die - alle wissen es - gleichzeitig die Endstation dieses Schülers sein wird.

      Die unsensiblen Lehrer

      Er war arrogant, störte den Unterricht. »Es war furchtbar. Eigentlich war Robert richtig dumm«, sagt sein ehemaliger Stammkursleiter Rainer Heise, »so dumm, dass er es nicht mal bemerkte, wenn sich Kollegen wie Frau Baumbach mit ihrer gespreizten Stimme ironisch und zynisch über ihn lustig machten.« Heise hält kurz inne. Die Deutschlehrerin Baumbach ist tot. Dann sagt er: »Einige Lehrer haben Robert ganz gern gestichelt.« Wie grausam auch er, Heise, ihn vor der Klasse gedemütigt hat, sagt er nicht. Dafür erinnert sich Roberts Freund und Banknachbar Stefan daran: »Wenn Robert einen Lehrer wirklich gehasst hat, dann den Heise.«

      Mit den Eltern hat kein Lehrer je Klartext gesprochen, nie erklärt, wie aussichtslos das Unterfangen Abitur für Robert war. Die Steinhäusers sagen heute, dass die Lehrer sie nie über Roberts Schulprobleme informierten. Ein Anruf hätte genügt. Die Schule wiederum wundert sich über das mangelnde Interesse der Steinhäusers an den Schulleistungen. »Es gibt regelmäßig Elternabende, Elternsprechtage, einen Tag der offenen Tür und jede Woche Lehrersprechstunden. Da kann man gern mal hingehen«, sagt Harald Dörig, Elternsprecher des Gutenberg-Gymnasiums. Dörig ist Bundesverwaltungsrichter, war früher Strafrichter und glaubt: »In dieser Familie kann die Kommunikation nicht gestimmt haben.« Keiner redet mit keinem, und Robert träumt weiter von einer Zukunft mit großen Perspektiven: Unbedingt Abitur, dann Zivildienst, später Informatik studieren, vielleicht mal einen Film drehen - auf jeden Fall berühmt werden. Manchmal ruft er Sätze aus wie: »Ich werde Politiker.« Dann lachen wieder alle.

      Die feixenden Schüler

      Seine Mitschüler lachen oft und gern über ihn. Wenn Robert ein Referat stammelt, voll mit Sätzen aus alter stalinistischer Fachliteratur. »Die Schüler haben auf dem Boden gelegen«, erzählt Rainer Heise. Der Kerl habe aber auch genuschelt und so verquast geredet. »Er wollte sich mit falschem Fachdeutsch schmücken - es war furchtbar.« So versucht der behäbige Junge mit dem schlurfenden Gang auf andere Weise etwas Aufmerksamkeit abzubekommen. Eine Zeit lang will er so etwas wie ein Klassenclown werden, ein Provokateur. Dem Bio-Lehrer Hans Lippe, den Robert später erschießen wird, legt er Regenwürmer auf den Tisch. Morgens kommt er regelmäßig und absichtlich zu spät, weil er glaubt, das sei ein cooles Ritual.

      Aber es hilft alles nichts: Robert bleibt unauffällig und blass - das wohl Schlimmste in einer Welt der good and bad news, der good and bad guys, der pickellosen Backstreet Boys und unerreichbaren Models auf dem Poster über seinem Bett.

      Robert wünscht sich eine Freundin, am liebsten eine blonde, aber sein Gesicht ist eher teigig, um die Hüfte schleppt er zu viel Speck mit sich herum. Robert ist nicht gerade klein, aber er will in allem größer sein, als er ist, und so steckt er sich auf Klassenfahrten gern mal eine Havanna in den Mund, setzt einen Cowboyhut auf und ahmt den Gang eines Westernhelden nach. Doch je stärker er den Starken spielt, desto lächerlicher kommt Robert Steinhäuser an, desto hämischer lachen alle über so viel Protzerei. »Robert war plump und ohne jedes Feingefühl«, sagt sein ehemaliger Stammkursleiter Heise.

      Die blauäugigen Schützen

      Beim Handball, dem Sport seines Bruders, darf er höchstens ins Tor. Weil er auch dort mit dem Ball nicht so recht umzugehen weiß, sich ungelenk und lahm anstellt, findet er schnell einen Stammplatz auf der Ersatzbank. Erst im Oktober 2000 entdeckt Robert einen Sport, der ihm mehr liegt und ihn schon immer fasziniert hat: Schießen. Robert Steinhäuser wird Mitglied im Schützenverein Domblick e.V., einer Unterabteilung des Polizeisportverbandes, einer illustren Gesellschaft: Hier ist der Thüringer Innenminister Ehrenmitglied, schießen Staats- und Rechtsanwälte, und ausgerechnet ein Oberkommissar der Bereitschaftspolizei gibt Robert wichtige Tipps zum Umgang mit der Waffe. Er gilt schnell als talentierter Schütze, aber als langweiliger Vereinskamerad. Auf dem Schießstand übt er jeden Monat, auf den Vereinsfesten lässt er sich kaum blicken. »So richtig gekannt hat ihn niemand«, sagt der Vereinsvorsitzende Martin Eilers, »aber er hat gleich ganz ordentlich geschossen.«

      Ein knappes Jahr trainiert der talentierte Neuling mit Vereinswaffen, besteht die schriftliche Waffenprüfung mit links und ist vor allem scharf auf eine eigene Flinte. Wettbewerbe dagegen, der Höhepunkt für jeden Sportschützen, interessieren ihn nicht. Der Vereinsvorsitzende wundert sich nicht darüber, staunt lediglich, dass Robert immer wieder für eine Pumpgun schwärmt, »weil es dafür bei den 17 Erfurter Schützenvereinen gar keine geeignete Disziplin gibt«. Martin Eilers streicht die Action-Waffe sogar noch einmal von einem Antrag, den ihm Robert unterschieben will. »Ich habe ihm gesagt: Das geht nur, wenn du zum Beispiel Polizist wirst. Und das hat er verstanden - dachte ich.«

      Die ahnungslosen Eltern

      Roberts Mutter, eine als »herzlich und ganz lieb« bekannte Frau, arbeitet im Schichtdienst in einer Hautklinik. Der Vater ist Ingenieur und hat als Abteilungsleiter bei Siemens auch nicht mehr Zeit für seinen Sohn übrig. Manchmal essen sie wenigstens zusammen Abendbrot, aber die meisten Tage vergehen ohne den Austausch vieler Worte. Robert redet nicht gern, schon gar nicht mit den Eltern, erst recht nicht über Probleme, und so lassen sie ihn lieber allein, lassen ihn vor sich hin schießen an seinem Computer, Spiele, die immer brutaler werden und laut aus dem kleinen Kinderzimmer hallen.

      Immer öfter zieht sich Robert in das Zimmer zurück, er hat ein Faible für indizierte Computerspiele wie »Soldier of Fortune« oder »Half-Life«, bei denen er seinen Aggressionen freien Lauf lässt und auch mal Champion sein darf, ein wahrer Held, der Gegnern jedes einzelne Körperteil abschießt und Bonuspunkte für Kopftreffer sammelt. Er lässt Blut spritzen und Gedärme quellen und metzelt in Rekordzeit Menschen nieder, mit einer Pumpgun und eben jener Glock 17, mit der er später 16 Menschen erschießen wird. Einer aus dem Schützenverein sagt: »Das Spiel läuft genau so ab, wie er es später gemacht hat. Es ist, was Blut angeht, das Realistischste auf dem Markt.«

      Die Eltern kommen an ihren Sohn schon lange nicht mehr heran. Sie lassen ihn gewähren und sorgen sich nur in aller Stille um ihn. Zum Schluss geht das Familienleben »kaum über die gemeinsame Nahrungsaufnahme hinaus«, wie die Ermittler später feststellen. »Das ist schon sehr schwer zu verstehen«, sagt Polizei-Chef Rainer Grube.

      Die ratlosen Freunde

      Ein totaler Einzelgänger, so wie es Polizei, Verhaltensforscher und Medien heute gern darstellen, ist Robert nie gewesen. Er hat eine Clique, mit der er sich trifft, zu Konzerten in die Engelsburg geht, im Luisenpark abhängt, Horrorfilme sieht. Ganz normale Typen, Studenten, Gymnasiasten, Wehrpflichtige. Peter, der mal Lehrer werden will und gerade Griechisch lernt. Diana, die auch die Schule abgebrochen hat, der Steini Geld für Vanille-Lollis im Schulbistro leiht und Killervideos überspielt. »Diese Filme gucken wir hier alle«, sagt Diana heute, »so was total Verstörtes.« »Kranke Seelen interessieren doch immer«, sagt Peter. »Steini kannte sich gut mit Charles Manson aus, diesem Massenmörder.«

      Ob sie eine Ahnung von seinen Plänen hatten? »Nein, alles normal. Das hat auch uns erschrocken. Steini ist kein Mythos.« - »Obwohl: Vor anderthalb Jahren hat Steini oft davon gesprochen, man müsse alle Lehrer erschießen. Das ging uns irgendwann mal auf den Keks.« Aus Spaß hat einer dann gesagt: »Dann mach`s doch!« Steini hat geantwortet: »Ich kann nicht, wegen meiner Eltern.« Stocki, ein anderer aus der Clique, der auch Musik macht, hat sich sogar mal nicht mehr in die Schule getraut wegen Steinis Sprüchen. »Ich meine, wir haben überlegt, was ist, wenn Steini es ernst meint«, sagt Diana. Also hat sie ihn gefragt. »Nee, nee«, sagte Robert, »das war nur Spaß.«

      Mit Christian, 19, den er auf einem Videoabend kennen gelernt hat, bei dem sie sich 8-mm-Filme mit Hinrichtungsszenen angeschaut haben, geht er ins Kino. »Steini hatte diese Bla-Haltung«, sagt Christian. Was bringt das? Was soll das? »So hat er immer gefragt und dann diesen Scheißegal-Schlenderschritt gehabt.«

      Das gnadenlose Schulgesetz

      Seit September 2001 ist Robert in der zwölften Klasse, und seine Situation in der Schule spitzt sich zu. Die Anforderungen haben seine Fähigkeiten längst überstiegen. Er lässt eine Klausur platzen, eine zweite, und als er versucht, sie zu wiederholen, wird er schon von der dritten überholt. Manchmal sind es drei Klausuren in einer Woche, er verliert den Überblick und weiß sich nicht anders zu helfen als mit gefälschten Attesten vom Arzt. Selbst das gelingt ihm nicht, selbst dabei ist er zu plump. Er fliegt auf - und von der Schule.

      Die Quälerei hat ein Ende, aber für Robert ist der Rausschmiss ein Sturz in die endgültige Hoffnungslosigkeit. Was soll er seinen Eltern sagen, die von all dem nichts wissen? Dem Großvater, der so stolz auf beide Enkel ist? Der Großmutter, die jeden Mittag nach der Schule für ihn kocht? Er hat nicht den Mut, sich und allen anderen die scheinbar größte Niederlage seines Lebens einzugestehen, diese Schmach, ohne jeden Abschluss - nach 13 Schuljahren, ein Nichts, ein Versager auf der ganzen Linie.

      Am 5. Oktober bekommt Robert seine Papiere ausgehändigt. Ein Gespräch der Schulleitung mit seinen Eltern lehnt er entschieden ab, sein gutes Recht als volljähriger Schüler. Auf dem Flur vor dem Sekretariat verliert er die Fassung, boxt und tritt gegen Spinde und schreit seine Wut heraus. »Das zahl ich euch heim!«, hören Mitschüler, bevor Robert wegrennt. Niemand nimmt diese Drohung ernst. Niemand nimmt Robert ernst. Man hat ihn erst mal rausgeworfen, bevor sich Schulamt und Direktorium plötzlich auf das Gesetz besinnen und ihm doch noch ein anderes Gymnasium anbieten. Doch da ist es zu spät. Robert gibt auf, und keiner vermisst ihn.

      Plötzliche Schulabgänge sind in Thüringen nichts Besonderes: Jedes Jahr verlassen hier mehr als 3000 Jugendliche ihre Schule ohne Abschluss. Das staatliche Gymnasium Johann Gutenberg hatte zuletzt mit 13,7 Prozent die zweithöchste Durchfallerquote im Land. Die meisten stehen wie Robert ohne Abschluss da, weil man in Thüringen - im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern - mit dem Ende der zehnten Klasse nicht automatisch die mittlere Reife hat. Robert Heise, einer von Steinhäusers guten Freunden, wird den Massenmord später so begründen: »Er war halt unzufrieden, weil er gar keinen Abschluss hatte.«

      Die externe Realschulprüfung hat Robert schon in der zehnten Klasse vergeigt. Auch bessere Gymnasiasten als er scheitern an dieser Hürde zu Hunderten, weil völlig andere Lerninhalte geprüft und verlangt werden als auf dem Gymnasium. Thüringen hat ein gnadenloses Schulgesetz, das reihenweise Versager produziert, aber davon will im Kultusministerium keiner etwas wissen. »Das ist eine Debatte zur Unzeit«, schnaubt ein Pressereferent ins Telefon. Es ist ihm »unbegreiflich«, ausgerechnet jetzt »ein erfolgreiches Schulkonzept« infrage zu stellen. »Schließlich können sich Schüler auch ohne Abschluss um eine Lehrstelle bewerben.«(Anmerkung: Ja, bewerben schon. :D )

      Die nachlässigen Behörden

      Etwa zur gleichen Zeit, als Roberts Schulkarriere endet, besorgt er sich die Tatwaffen. Die »Bedürfnisbescheinigung« seines Schützenvereins Domblick ist auf den 7. September 2001 ausgestellt. Danach besteht Bedarf für eine Pistole, Kaliber 9 Millimeter, und eine Flinte, Kaliber 12. Sein Vereinsvorsitzender hat unterschrieben. Einen Monat später bekommt er beim Ordnungsamt seine Waffenbesitzkarte und rüstet ganz legal auf. Am 18. Oktober kauft er einem Erfurter Sportschützen genau die Pistole ab, mit der er bisher nur am Computer geschossen hat: eine Glock 17 L, 9 Millimeter. Die 1200 Mark zahlt er bar.

      Der Verkäufer meldet das Geschäft innerhalb von 14 Tagen dem Ordnungsamt, so wie es das Waffengesetz vorschreibt. Robert Steinhäuser dagegen vertrödelt es, seine neue Waffe auf der Waffenbesitzkarte eintragen zu lassen. Auch das Ordnungsamt schläft. »Ein klares Versäumnis der Behörde«, sagt ein Sachbearbeiter im Thüringer Innenministerium. »Die Stadt hätte die Registrierung sofort anmahnen müssen.«

      Zwölf Tage später betritt Robert Steinhäuser Erfurts größtes Waffengeschäft nahe der Staatskanzlei. Im Untergeschoss von »Frankonia Jagd«, wo neben grünen Jägerumhängen die Waffen ausgestellt sind, kauft er für rund 1300 Mark eine Pumpgun der Marke Mossberg. Es ist eine Marina 590, Kaliber 12/76 und damit ein Gewehr, das Robert Steinhäuser nach den Vorgaben seines Vereins gar nicht besitzen dürfte. Die Polizei ermittelt noch, warum der Händler die Waffe trotzdem verkaufte und ob das Ordnungsamt tatsächlich nichts davon mitbekam. Die Behörde kontrolliert einmal im Jahr stichprobenartig die Verkaufsbücher der Waffengeschäfte - eine Verwaltungsvorschrift, die viele Schlupflöcher lässt. Robert Steinhäuser bringt die Waffen nach Hause in sein Kinderzimmer, auch das erlaubt das Waffengesetz.

      Die ausweglosen Lügen

      Danach lässt sich Robert Steinhäuser bei seinen Schützenkameraden nicht mehr blicken. Keine Übung mehr auf dem Schießgelände des Domblick e.V. Kein Eintrag in der Kartei des Schützenhauses an der Kalkreiße im Osten der Stadt, in dem er unter 300 Mitgliedern als Nummer 128 registriert ist. Seine Eltern glauben, das Abitur sei greifbar nahe. Tatsächlich geht Robert Steinhäuser seit Monaten nicht mehr zur Schule. Wenn er morgens das Haus verlässt, zieht er meist in die Altstadt, treibt sich in diversen Cafes herum und gibt das Geld aus, das ihm die Eltern regelmäßig zustecken. Er räumt sein Konto leer und kauft Munition. Mit seinen Freunden trifft er sich noch ab und zu, erzählt ihnen, dass er jetzt auf ein neues Gymnasium in Rieth geht, einem Plattenbauviertel am Rand der Stadt. Er lebt sein Leben vordergründig weiter wie bisher. Von einem Wandel des Jungen will keiner etwas gemerkt haben.

      Robert Steinhäuser lebt nun in mehreren Realitäten. Für die Eltern ist er auf dem Gutenberg-Gymnasium, für die Freunde auf einer neuen Schule, zu Hause killt er am Computer Tausende Menschen in U-Bahn-Schächten - und manchmal ist da auch noch das wahre Leben, eher leer und inhaltslos, ohne Perspektive. Schon bald, das weiß Robert Steinhäuser, lassen sich seine Lügen nicht mehr aufrechterhalten. Der Tag der Wahrheit rückt näher. »In dieser Zeit muss der Druck immer größer geworden sein«, vermutet der Erfurter Polizei-Chef Rainer Grube.

      Am Montag, vier Tage vor dem Massaker, trifft sich Robert mit seiner Clique bei Diana zum Musikhören. Peter erinnert sich, dass Robert »viel gelassener« wirkte als sonst. Dienstag sitzt Robert noch bei seinem Freund Marco in Marbach, mit dem er einen Film drehen will, ein »totales Gemetzel und Gesense«, in dem Steini mitspielen und am Ende sterben soll. Er berichtet Marco von seiner ersten Abiklausur, »die ganz gut gelaufen« sei. Und schlägt vor, sich am Freitagabend, nach der letzten schriftlichen Prüfung, auf ein paar Biere zu treffen. Am Donnerstag besucht ihn sein bester Freund Niko. Sie machen das, was sie immer machen: ballern. Steini fragte, so erinnert sich Niko, ob man einen Selbstmord wohl auch mit der Schrotflinte hinkriegt. Ein paar Stunden später erschießt er kaltblütig 16 Menschen. Von Ruhm hat er oft gesprochen. Eine traurige Berühmtheit ist er geworden. »Dass er das wirklich erreicht hat, das kotzt uns so an«, sagt Christian.

      Seine Lehrer sterben so, wie Robert und viele seiner Kumpel es tausendmal am Computer geübt haben. Die Kunstlehrerin Gabriele Clement versucht noch, dem Täter den Weg zu versperren, und wird von ihm mit mehreren Schüssen niedergestreckt. Ihre Kollegin Birgit Dettke rennt, obwohl sie sich selbst in Sicherheit hätte bringen können, wieder ins Gebäude, um ihren Schülern zu helfen - und wird erschossen. Und Monika Burghardt schließt schwer verletzt noch die Klassentür ab, um ihre Schüler vor dem Mörder zu schützen. Das Drama von Erfurt ist noch lange nicht zu Ende. Robert Steinhäuser hat die ganze Gesellschaft bis ins Mark getroffen, gezielt, verzweifelt und aus dem anonymen Hinterhalt des unscheinbaren Nachbarsjungen. Bei der zentralen Trauerfeier auf dem Domplatz spricht Bundespräsident Johannes Rau aus, was die Geschichte des Robert Steinhäuser auf tragische Weise bewiesen hat: »Wir leben miteinander und kennen uns häufig nicht.«


      ......................................


      " »Es war furchtbar. Eigentlich war Robert richtig dumm«, sagt sein ehemaliger Stammkursleiter Rainer Heise, »so dumm, dass er es nicht mal bemerkte, wenn sich Kollegen wie Frau Baumbach mit ihrer gespreizten Stimme ironisch und zynisch über ihn lustig machten.« Heise hält kurz inne. Die Deutschlehrerin Baumbach ist tot. Dann sagt er: »Einige Lehrer haben Robert ganz gern gestichelt.« Wie grausam auch er, Heise, ihn vor der Klasse gedemütigt hat, sagt er nicht. Dafür erinnert sich Roberts Freund und Banknachbar Stefan daran: »Wenn Robert einen Lehrer wirklich gehasst hat, dann den Heise.« "

      "Die feixenden Schüler
      Seine Mitschüler lachen oft und gern über ihn"

      "Mit den Eltern hat kein Lehrer je Klartext gesprochen, nie erklärt, wie aussichtslos das Unterfangen Abitur für Robert war. Die Steinhäusers sagen heute, dass die Lehrer sie nie über Roberts Schulprobleme informierten. Ein Anruf hätte genügt."

      "Das staatliche Gymnasium Johann Gutenberg hatte zuletzt mit 13,7 Prozent die zweithöchste Durchfallerquote im Land."



      So sieht es also auf dem Gutenberg-Gymnasium aus, daß als: "ziemlich leistungsorientiert geschildert" wird, aber: "eben auch die sehr gute Beziehung zwischen den Schülern und Lehrern erwähnt und die viele Solidarität unter den Schülern und die große Fürsorge durch die Lehrer gelobt wird".


      Harry_Schotter(gequält lachelt):(


      ..........................
      Avatar
      schrieb am 14.05.02 18:53:03
      Beitrag Nr. 46 ()
      moin harry..

      mal was ganz anderes. die normale presseveröffentlichung versuchte doch, das übliche disneysche scharz-weiß-schema zu erzeugen. aus diesem artikel geht nun hervor, dass doch einige etwas hätten tun können:
      - die mitschüler, aber die haben komischerweise nichts gemerkt.
      - die eltern, aber die haben offensichtlich zu frühzeitig aufgegeben, als es darum ging den kontakt zu ihrem sohn zu halten. es gibt genügend beispiele davon in unserem land.
      - die behörden, die ihre kontrollpflicht missachteten.
      - die schule, die leistungsorientierung mit härte verwechselte und dabei völlig vergaß, was pädagogik eigentlich bedeutete, und dass es möglich ist, informell den eltern mitzuteilen, wie es um den sohn steht, wenn man seine fürsorgepflicht ernst nimmt.
      - die schützenbrüder, die ihn gewähren liessen.
      - die landesgesetzgeber, die vor sich hin schliefen.
      insgesamt wäre das alles einzeln gesehen kein großes unglück gewesen, aber leider passierte alles demselben menschen.

      wie auch immer, ich war mal in einer ähnlichen situation wie robert, allerdings ohne die dazugehörige endgültigkeit. genau aus diesem sichtwinkel kann ich seine handlungsweise nicht verstehen, denn er hat es weder geschafft, sich anderen, auch freunden, anzuvertrauen, noch hat er alle hilfsangebote seitens seiner umwelt genutzt. und das massaker hat er auch alleine angerichtet. das er dabei nicht der einzige war, der egozentrisch nur an sich selbst dachte, ändert daran nichts.
      felix
      Avatar
      schrieb am 14.05.02 20:20:14
      Beitrag Nr. 47 ()
      Hallo felix,

      im Grundgesetzartikel Nr. 1 steht: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."

      Das gilt für Pädagogen gegenüber ihren Schülern, als als auch für Schüler gegenüber ihren Mitschülern und Lehrern.


      "Seine Lehrer sahen in Robert Steinhäuser immer nur den hoffnungslosen Fall, so »dumm und grob gestrickt, dass selbst ein Nilpferdweibchen vor ihm davonrennen würde«. Für seine Mitschüler war er der kleine dicke Robert aus der Ottostraße, verpickelt und unsportlich, der Großkotz an der Raucherecke, ein blasser Verlierertyp, den man schnell wieder vergessen konnte"

      " Eigentlich war Robert richtig dumm«, sagt sein ehemaliger Stammkursleiter Rainer Heise, »so dumm, dass er es nicht mal bemerkte, wenn sich Kollegen wie Frau Baumbach mit ihrer gespreizten Stimme ironisch und zynisch über ihn lustig machten.« Heise hält kurz inne. Die Deutschlehrerin Baumbach ist tot. Dann sagt er: »Einige Lehrer haben Robert ganz gern gestichelt.« Wie grausam auch er, Heise, ihn vor der Klasse gedemütigt hat, sagt er nicht. Dafür erinnert sich Roberts Freund und Banknachbar Stefan daran: »Wenn Robert einen Lehrer wirklich gehasst hat, dann den Heise.« " "

      "Die feixenden Schüler
      Seine Mitschüler lachen oft und gern über ihn"


      "Das staatliche Gymnasium Johann Gutenberg hatte zuletzt mit 13,7 Prozent die zweithöchste Durchfallerquote im Land."

      "Mit den Eltern hat kein Lehrer je Klartext gesprochen, nie erklärt, wie aussichtslos das Unterfangen Abitur für Robert war. Die Steinhäusers sagen heute, dass die Lehrer sie nie über Roberts Schulprobleme informierten. Ein Anruf hätte genügt."


      Diese Auszüge sagen doch schon alles. Offenbar nahmen Lehrer und Schüler des Gutenberggynasiums und die Schule selbst, es mit der Menschenwürde eines Verlierers eher locker.Macht ja nichts.War ja nur ein Verlierer.

      Die Lehrer stichelten ihn ganz gern ironisch und zynisch,
      die Mitschüler lachten oft und gerne über ihn, und der Schule war er nicht wert genug, daß man sich die Mühe machte, seine Eltern zu informieren.Am Ende schmiss das "fürsorgliche", "solidarische", auf "gute Beziehungen"
      wertlegende Gutenberggymnasium ihn, wie die anderen 13,7 Prozent Schulversager wie einen Sack Ballast von Board, damit man unbesorgt, von Problemen befreit, höher fliegen konnte.


      Felix, sag, wie soll man Kindern und Jugendlichen Werte beibringen, wenn man ihre Menschenwürde verletzt ??? :(


      ..............denn er hat es weder geschafft, sich anderen, auch freunden, anzuvertrauen...................

      Und doch hatte er vorher noch ein Hilferuf gesendet.

      Textzitat:"Steini fragte, so erinnert sich Niko, ob man einen Selbstmord wohl auch mit der Schrotflinte hinkriegt. Ein paar Stunden später erschießt er kaltblütig 16 Menschen."

      Vielleicht hatte er vorher noch gehofft, daß ihn jemand fragt: "Ja wie, willst du dich mit einer Schrotflinte erschießen ???"




      .................................................
      Avatar
      schrieb am 14.05.02 22:38:45
      Beitrag Nr. 48 ()
      sorry harry,
      aber dass padagogen vor allem menschen mit teilweise absolut miesen charakteren sind, solltest du auch mitgekriegt haben, das beschränkt sich nicht nur aufs gutenberggymnasium. und dass schüler hundsgemein sein können, ist auch bekannt. der schwache ist immer der dumme, und der gruppenzwang hilft da noch nach. willst du also grundsätzliche verhaltensregeln umwerfen ?

      es ist ja genau das gefährliche, dass das, was robert passiert ist, an jeder schule deutschlands jederzeit wieder passieren kann, weil die grundmuster des menschlichen verhaltens nunmal so sind, wie sie sind.

      aber es ist ja nicht nur roberts würde, die verletzt wurde. es ist auch nicht das problem, dass er in der schule nicht klar kam. das problem war, dass zwischen dem, was er wollte (Beruf, Freúndin, Träume), und dem, was er auf die Reihe kriegte (nichts), himmelweite Lücken klafften, und das er, in Gegensatz zu dem, was man von einem rational veranlagten Menschen verlangt, seine Ziele nicht den Möglichkeiten anpasste, sondern die Notwendigkeit sah, diese Erfolgslosigkeit durch Provokation auszugleichen. damit stellte er sich außerhalb des rahmens dessen, was normal, gesellschaftsfähig ist, und da wird, nicht nur in deutschland, zwangsläufig gemobbt. das kann man, gerade, wenn dieses verhalten von lehrern ausgeht, nur missbilligen, aber fass dich an diese eigene nase, machst du es anders ?

      und abgesehen davon, ich sehe es auch nicht ein. zugegebenermaßen, ich bin nicht vollständig sozial veranlagt. in meinem umkreis kann jeder so leben, wie er will, aber damit erwirbt er meine sympathie nicht. und ich sehe es auch nicht ein, dass sich eine gesellschaft auf jemanden einstellt, der nicht zu ihr passt und vor allem passen will. damit, dass mich jemand provoziert, macht er mich nicht offen für seine person. robert hätte das wissen können. offensichtlich war seine persönlichkeit aber so gestrickt, dass er den anderen weg ging.

      felix
      Avatar
      schrieb am 14.05.02 23:06:23
      Beitrag Nr. 49 ()
      @felix

      ".....willst du also grundsätzliche verhaltensregeln umwerfen ?"

      Es kommt nicht darauf an, was ich will, wir sollten diese "grundsätzlichen" Verhaltensregeln umwerfen. Ansonsten kannst du den ersten Artikel des Grundgesetzes gleich ganz in die Tonne treten.


      Ich würde sein Verhalten nicht unbedingt "provokativ" nennen.Es ist eher ein seelischer Selbstschutz, ein schlechter Versuch einer Selbstbehauptung, eine durchsichtige Form vorgetäuschten Selbstbewusstseins, nach dem Motto: "Pah, schaut her, ich bin wer, nicht die Null, für die ihr mich alle haltet."

      In einem gebe ich dir vollkommen Recht.Er war auf dem Gymnasium deplaziert, er passte auch nicht zur der Gesellschaft des schulischen Umfeldes. Er wäre auf der Haupt- oder Realschule besser aufgehoben gewesen.


      Nichts ist so tragisch, wie wenn man in einen Kreis von Menschen nicht reinpasst.
      Stell dir vor, Karl Lagerfeld unter lauter Bauarbeitern, oder ein Bauarbeiter unter lauter (schwulen)Modedesignern.
      Das würde nicht gutgehen. :D


      H_S
      Avatar
      schrieb am 20.05.02 03:46:52
      Beitrag Nr. 50 ()
      "Wie grausam auch er, Heise, ihn vor der Klasse gedemütigt hat, sagt er nicht. Dafür erinnert sich Roberts Freund und Banknachbar
      Stefan daran: »Wenn Robert einen Lehrer wirklich gehasst hat, dann den Heise.« "


      Jetzt weiß ich wenigstens warum mir immer wenn ich den Heise sehe so das absolute
      kotzen kommt - mein BK- und Geschichtslehrer waren ähnlich strukturiert und haben
      andauernd versucht zu beweisen, dass man eigentlich gar nicht das Zeug für die
      Leistungsgesellschaft besitzt. Hatten Sie sich erstmal auf einen eingeschossen waren
      natürlich Motivation und Mitarbeit am Arsch.
      Das theatralische Gebaren und der Hang zur Selbstdarstellung kommen mir beschissen
      bekannt vor :mad:

      Thx to Harry, dass wenigstens einer den Schutzmantel der pol.-corr.-Pietät von
      den Erfurter Pennern nimmt - mann, da kommen Erinnerungen hoch :mad:

      Fragt sich nur warum er den Heise nicht erschossen hat..??
      Das bleibt nach wie vor ein Rätsel...., die Antwort hat R.
      wohl mit ins Grab genommen....

      RK (:()
      Avatar
      schrieb am 16.06.02 04:42:20
      Beitrag Nr. 51 ()
      @Robert Steinhäuser






      H_S :laugh:


      ..........................
      Avatar
      schrieb am 17.06.02 00:07:23
      Beitrag Nr. 52 ()
      tip am rande:

      schafft euch kinder an und ihr werdet merken, wie unwichtig ihr eigentlich seid (und ihr werdet es geniessen...)
      y
      Avatar
      schrieb am 17.06.02 08:11:19
      Beitrag Nr. 53 ()
      Für mich bleibt der ein dummes, faules ignorantes Arschloch, ohne jedes Mitgefühl für diejenigen, denen er selber überlegen war. So einfach ist das.
      Wär dere doch nach Berlin-Wedding gezogen, da hätte er den Abschluss mit Bravour gemacht.
      Avatar
      schrieb am 17.06.02 14:34:11
      Beitrag Nr. 54 ()
      @Puhvogel

      Das da keine Missverständnisse aufkommen.

      Mein Posting #51 war eigentlich ironisch gemeint. :)


      H_S :)
      Avatar
      schrieb am 19.06.02 17:51:04
      Beitrag Nr. 55 ()
      Erfurter Terroranschlag - war mindestens ein Profi-Killer am Werk?

      CNN berichtete schon über das Massaker, als es in Deutschland nur Schlagzeilen in Bildschirmtext gab. Die müssen es wieder einmal gewusst haben, genau wie beim WTC. Dort richtet ein Kameramann, der in Südmanhatten filmt, die Kamera auf das WTC, ausgerechnet eine Sekunde bevor die erste Maschine (angeblich mit Atta) in den Nordturm kracht. Die Aufnahmen sind Copyright Gamma-Press, die gleiche Presseagentur, die als erste im Tunnel bei Lady Di´s tödlichem Unfall dabei war. Zufall? Werden hier schwarzmagische Mord-Rituale zur Schockierung und Manipulation grosser Massen effektvoll inszeniert?

      http://www.wasserauto.de/html/neu_.html


      Bewusstseinskontrolle durch das HAARP-Projekt
      Das HAARP Projekt von den Amerikanern ist ein "Antennen Wald" in Alaska, von dem aus sie Strahlungen in die Ionosphäre senden. Die Ionosphäre wird somit aufgeladen und es entstehen die von Tesla entdeckten ELF (Extremely Low Frequency) -Wellen, die zur Erde zurückgestrahlt werden. Die Ionosphäre wird somit selber zu einer Sendeantenne, Hunderte von Kilometern lang. Was die Leistung betrifft, muß man wohl von 100 Gigawatt (100.000.000.000 Watt = 100 Milliarden Watt) ausgehen. Mit diesem Projekt sind.....
      ...Wetterkontrollen
      ...Bewußtseinskontrollen (Mind Control)
      ...Entwicklung elektromagnetischer Waffen (Strahlenwaffen)

      ...flächendeckender Stromausfall
      ...Unterbindung jeglicher Funkkontakte (EMP)
      ...Erfassung und Vernichtung jeglicher Flugobjekte
      ...und eine gewaltige Anzahl weiterer Gräueltaten bis hin zu der Gefahr der Polverschiebung möglich.

      Der offizielle Stromverbrauch der NSA im Jahre 2000 betrug 409 000 840 kWh, was dem Stromverbrauch von Maryland`s Hauptstadt Annapolis entspricht. Das NSA HQ verfügt über eine eigene Stromerzeugung die mal eben schnell 26 Megawatt Strom liefern kann um Stromausfällen vorbeugen zu können.
      (Quelle: "Body of Secrets" v. James Bamford)

      Zum Punkt Bewußtseinskontrolle, zu dem das aus dem HAARP entwickelte Verfahren Mindcontrol gehört, möchte ich zum besseren Verständnis ergänzen, daß es eine Technik zur Fernhypnose beinhaltet, die ihre angepeilte Zielperson auf einige Tausend Kilometer genau erreicht. Dem Opfer kann dadurch ein hypnotischer Befehl, verbunden mit einem Auslöser und einem Kommando des Vergessens, eingepflanzt werden. Der hypnotische Befehl kann ferner auf sofortige Ausführung programmiert werden. Blutdruck und Herzfrequenz können abrupt gesenkt werden, was Ohnmachtsanfälle von einer Sekunde zur anderen auslöst und zu schweren Unfällen wie Treppenstürzen und Flugzeugabstürzen führt. Das Verfahren kann mit Ideen göttlicher Eingebung über die Verursachung hinwegtäuschen aber die hypnotischen Eingebungen kommen nicht von Gott, sondern von einem Geheimdienst.

      Der NSA ist im Besitz dieses Verfahrens.

      Mindcontrol ist ein umfassendes System von suggestiven Mitteln, kombiniert mit gruppen-dynamischen Prozessen, das darauf abzielt, die persönliche Identität einer Person (Glauben, Weltsicht, Verhalten, Denkweise und Emotionen) zu erschüttern und dann Schritt für Schritt mit einer neuen Identität zu ersetzen. Im Unterschied zur Gehirnwäsche wendet Mindcontrol keinen psychischen Zwang an, dem Betroffenen bleibt die Beeinflussung verschleiert.

      Die einfache Subliminaltechnik, mit der uns tägliche Werbespots vom Rundfunk direkt ins Gehirn übertragen werden, ist harmlos dagegen. Beide Verfahren funktionieren durch Übertragung von nicht wahrnehmbaren Frequenzen über Medien wie Satelliten oder Rundfunk, Fernsehen. Die Übertragung von hypnotischen Chiffrierungen in das Unterbewußtsein ist die Ursache von ferngesteuerten Morden, Selbstmorden und Amokläufen durch Fernhypnose. Mindcontrol ist eine bestialische Art der Überwachungsdiktatur, die von den Massen nicht erkannt wird. Nie zuvor in der Geschichte hatte eine Diktaturform, sei es Justiz, Gewerkschaft, Polizei oder Militär derart in die Wahrnehmungs- und Urteilsfähigkeit der Bürger eingegriffen.

      Wo keine Beweise sind, gibt es keine Richter und was möglich ist, wird auch gemacht. Alltäglich mitten unter uns und niemand stört sich dran, denn den verschleierten Diktatoren gehört der Einfluß auf unsere Massenmedien, unser kollektives Bewusstsein, das von amerikanischen Geheimdiensten unterwandert ist.

      Zur Unterscheidung von psychotronischen Waffen:
      Mindmachines sind gedacht zur Gesundheitsförderung, sie bewirken eine psychologische Tiefenentspannung und haben nichts mit den psychotronischen Waffen zu tun, bei denen die ELF-Wellen einer Mikrowellenstrahlung aufgepflanzt sind, um unruhige Bevölkerungsmassen durch Mindcontrol außer Gefecht zu setzen.

      Mind Control ist der Sammelbegriff, ein Beeinflussungsverfahren, dessen Anwendung auch Sekten nachgesagt wird, vor allem von Geheimdiensten gern nachgesagt wird, um eigene Aktivitäten zu vertuschen! Von allgemeinen Bewusstseinkontrollverfahren zu unterscheiden ist die Technik der chiffrierten Hypnose-Befehle.
      Die Technik der chiffrierten Hypnose-Befehle ist auf keinen Fall wie andere psychotronische Waffen käuflich, sondern es handelt sich dabei um ein streng gehütetes, militärisches Geheimnis aus einem Forschungsprojekt, das nur ein einziger Geheimdienst auf der Welt besitzt. Die Tatsache, dass es gegen die Zivilbevölkerung hierzulande eingesetzt wird, hat sich aus Beobachtungen herumgesprochen, offiziell erfährt man natürlich nichts davon.

      http://www.alaska-info.de/a-z/haarp/alaska_haarp1.html
      Wozu ist HAARP imstande?
      Geplante, z.T. vorbereitete Anwendungsmöglichkeiten
      · Bewußtseinsmanipulation (Mind Control Technik)
      Mit der Aussendung spezifischer physiologischer Muster (z.B. EEG-Signale) und unter Berücksichtigung der Reichweite der ELF-Wellen sind mit dieser Technologie weitgreifende Bewußtseinsänderungen großer Teile der Weltbevölkerung möglich.
      · Gezielte Induktion von Krankheitsmustern
      Ebenso wie es möglich ist mit entsprechend modulierten EM-Strahlungen psychische Veränderungen aufgrund der Interaktion dieser Felder mit unseren körpereigenen EM-Feldern zu erzeugen, ist es nach demselben Prinzip auch möglich direkt krankmachende Muster in lebende Systeme zu induzieren.

      Unter dem oben genannten Link stehen diese Verbrechen noch unter den geplanten Möglichkeiten. Der Bericht ist aber auf veraltetem Stand wie bei Theoretikern üblich. Die Möglichkeiten sind schon seit Jahrzehnten vertuschte Tatsachen. Die sachte Umschreibung „direkt krankmachende Muster in lebende Systeme zu induzieren“ heißt in der Praxis: es werden die schlimmsten Krankheitsbilder und Unfälle elektromagnetisch per ferngesteuerter Hypnose übertragen, vorstellbar in etwa, so wie man ein Handy programmiert.

      Die Anstifter und Flüsterer, die persönlich herumlaufen, dienen im Wesentlichen dazu, diese Fernsteuerungstechnik zu verschleiern und gegenüber beunruhigten Bevölkerungsteilen den Eindruck zu erwecken, als kämen die Invasionserscheinungen von allein Umtrieben einer Mafia. Würde sich die Erkenntnis in den Massen durchsetzen, daß es sich um hypnotische Fernsteuerung handelt, könnte das für unsere Diktatoren politisch sehr eng werden. Durch ihre Medienmacht haben sie nichts zu befürchten. Diese Unfälle durch plötzlichen Abfall von Blutdruck oder Herzfrequenz erklären auch die mysteriösen Flugzeugabstürze. Um es deutlich zu sagen: Krankheiten werden auf elektromagnetischem Weg übertragen, bei denen die Infektion biologisch nur durch Vireninfektion erfolgt.
      Wer hat denn das HAARP-Projekt in Alaska gegründet?
      Wer hat denn „geheime“ HAARP-Anlagen in Bad Aibling und Berlin-Tempelhof?
      Wer hat denn nach dem 2. Weltkrieg bis heute hier seine Truppen stationiert?
      Wer hat denn hier den größten politischen Fremdeinfluss?
      Wer besitzt denn dieses einzigartige militärische Geheimnis hypnotischer Chiffrierung?
      Wer spioniert hier täglich millionenfach unsere Daten aus?
      Wer läßt unsere Politiker wie Marionetten tanzen?
      Wer überschwemmt uns mit amerikanischen Filmen?
      Wer hat hier den Einfluß auf unsere Medien?
      Die Antwort liegt auf der Hand. Big Brothers rege Aktivität hatte Erfolg, wir sind von diesen Diktatoren unterwandert und unsere Massenmedien so beeinflusst, das die Massen ihre Manipulation nicht bemerken. Es ist alles noch schlimmer und durch Hochtechnologie verschleierter als im Dritten Reich.

      Die USA haben die Patente auf Subliminal Suggestion & Mind Control, nur ihnen gehört dieses militärische Geheimnis zur Bewusstseinskontrolle der Massen. Folglich sind es ihre Geheimdienste, die hinter dem versteckten Invasionsterror stecken.

      US Patente: Subliminal Suggestion & Mind Control


      http://www.rexresearch.com/sublimin/sublimin.htm

      Das Internet steckt voller Informationen über >HAARP und >Frequenzwaffen.
      Avatar
      schrieb am 18.03.03 15:00:45
      Beitrag Nr. 56 ()
      DEUTSCHE LEHRER - EINE POLEMIK

      Überfordert, allein gelassen, ausgebrannt?

      Das Lernklima ist an vielen Schulen miserabel: Wissen wird als bittere Medizin verabreicht, die tägliche Demütigung ist Programm. Die Lehrer unterrichten nach Schema F, die Schüler lernen wie in der Hundeschule. Und über die drittklassige pädagogische Ausbildung in Deutschland staunen unsere skandinavischen Nachbarn nur.

      Von Reinhard Kahl


      Achtung Oberlehreralarm: Deutschlands Pädagogen auf dem Prüfstand


      "Stellt euch vor", schwärmt eine Schülerin, "am ersten Tag nach den Ferien haben die Lehrer ihre Handynummern an uns verteilt!" Sie ist kurz zuvor von einem Auslandsschuljahr in Stockholm zurückgekehrt. Um sie herum stehen staunende Berliner Mitschüler und eher gelangweilt wirkende US-Amerikaner, Kanadier und Neuseeländer. "Und was ist daran so aufregend?", fragt eine Stimme mit englischem Akzent. "Die Lehrer waren jederzeit für uns da", sagt das Mädchen, "sogar nachmittags, und sie waren irgendwie..." - "Freunde!" - "Ja, man konnte mit ihnen über alles reden."
      Mittsommernacht in Berlin. Am Kleinen Wannsee feiern Austauschschüler von verschiedenen Kontinenten Abschied voneinander. Ein Amerikaner fragt die Deutschen: "Warum sind die Lehrer eigentlich eure Feinde?" Es wird still. Die Berliner Schüler suchen nach Worten. Diese Frage haben sie sich offenbar noch nie gestellt. Dann aber bricht es aus einem von ihnen heraus: "Ihr seid wie der Rotz an meinem Ärmel, hat unser Deutschlehrer mindestens einmal die Woche gesagt", zürnt der Abiturient von einem der vornehmsten Gymnasien der Stadt. "Ihr seid die blödesten Schüler auf der ganzen Welt, habe ich es euch nicht schon immer gesagt?", zitiert ein anderer Schüler eine auf die Pisa-Studie gemünzte Aussage seiner Mathematiklehrerin.

      Über die gereizte Stimmung an deutschen Schulen wundern sich Pädagogen in den skandinavischen Ländern. "Befehlsführende Lehrer" hat etwa der Pädagogikprofessor Mats Ekholm, der die schwedische Bildungsbehörde Skolverket leitet, als eine Erklärung für die Probleme ausgemacht.

      Beim letzten Gong schnell in den Golf

      "In Finnland ziehen Schüler und Lehrer viel mehr an einem Strang", sagt der deutsche Pädagoge Rainer Domisch aus Schwäbisch Hall, der seit vielen Jahren im finnischen "Zentralamt für Unterricht" arbeitet. "In Deutschland glauben Lehrer, Lernen sei eine bittere Medizin, die verordnet werden muss, und viele Schüler wehren sich gegen das Lernen, als wäre es eine Zumutung."


      Kein Wunder, dass sich die meisten Schüler und Lehrer darüber einig sind, nicht mehr Zeit als nötig an der Schule zu verbringen. "Beim letzten Gong sind viele meiner Kollegen schneller in ihrem Golf als die Schüler auf dem Fahrrad", räumt der Lehrer Ludwig Eckinger ein, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, einer der beiden großen Lehrergewerkschaften.

      Noch nicht publizierte Ergebnisse der deutschen Pisa-Studie lassen daran zweifeln, dass deutsche Lehrer ihre Schüler überhaupt einschätzen können. Die Bildungsforscher fragten beispielsweise die von ihnen als Elite definierte Lehrergruppe - jene, die an Lehrplänen mitwirkt und Schulbücher schreibt -, wie viele ihrer Schüler im Lesen wohl Aufgaben der höchsten Kompetenzstufe im Pisa-Test bewältigen würden.

      Erschnüffeln, welche Fährte der Lehrer gelegt hat

      Gymnasiallehrer trauten das fast 80 Prozent ihrer Schüler zu, Hauptschullehrer vermuteten das bei immerhin noch rund 60 Prozent. Tatsächlich jedoch konnte fast keiner der Hauptschüler (0,3 Prozent) die Aufgaben lösen, und unter den Gymnasiasten schafften das nur 29 Prozent.


      Verzweifelt, heruntergekommen, abgebrannt: Deutschlands Pauker vor den Offenbarungseid


      Viele Lehrer lernen offenbar ihre Schüler im Unterricht nicht richtig kennen. Das könnte zum Gutteil an dem schematischen Unterrichtsstil liegen, den die Bildungsforscher des Max-Planck-Instituts am Beispiel des Faches Mathematik beobachtet haben. Eine typische Stunde läuft so ab: Hausaufgaben präsentieren, neues Thema einführen, dieses im Gespräch nach einem fest stehenden Plan Punkt für Punkt durchnehmen, Übungsaufgaben lösen, Hausaufgaben stellen.

      Das Schema nennt sich "fragend entwickelnder Unterricht" und gilt als typisch deutsch. Der Lehrer hat ein Ziel fest im Blick und will, dass die Schüler seinem Weg folgen. Sie laufen mit wie in der Hundeschule, häufig an der kurzen Leine, und versuchen zu erschnüffeln, welche Fährte der Lehrer gelegt hat.

      Aus Fehlern lernen dürfen deutsche Schüler nicht

      "Wir haben bei dieser Art Unterricht keine zusammenhängenden Sätze von Schülern registriert", bilanziert Jürgen Baumert, Direktor am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Leiter der deutschen Pisa-Studie, "und keine Lehreräußerungen, die länger als eine Minute dauerten." Die Übungsaufgaben seien nicht nach Schwierigkeitsgraden differenziert. Aufgaben mit mehreren Lösungen oder zumindest unterschiedlichen Lösungswegen sind offenbar - anders als etwa in Japan - undenkbar.


      "In unserem Unterricht", so Baumert, "stören immer zwei Arten von Schüleräußerungen: die intelligente Antwort, die vorgreift und beiseite geschoben werden muss, und der Fehler." Dass sich jedoch aus Fehlern lernen lässt - und manchmal sogar am besten -, werde nur von wenigen Lehrern bedacht; das sei in Skandinavien und einigen asiatischen Ländern anders.

      Den wohl erstaunlichsten Befund lieferte der Erziehungswissenschafter Andreas Helmke, der die Mathematikleistungen von Grundschülern in München und Hanoi verglichen hatte. In Vietnam sind viele Schulen schlecht ausgestattet, mäßig ausgebildete Lehrer stehen vor großen Klassen und müssen mancherorts in drei Schichten unterrichten. Dennoch sind die dortigen Schüler denen aus München in Mathematik haushoch überlegen.


      Den hohen Stellenwert von Bildung und Leistung in Vietnam sehen die Forscher als wichtige, aber nicht ausschließliche Ursache für solche Unterschiede. Nun soll dort wie hier untersucht werden, wie es mit dem psychologischen Einwirken der Erwachsenen auf die Kinder steht. Ermuntern sie? Spornen sie an und geben sie Anerkennung? Oder senden sie an die nächste Generation die Botschaft: Auf euch haben wir gerade noch gewartet! "Im Grunde läuft doch alle Pädagogik auf das Verhältnis der Generationen hinaus", sagt Hartmut von Hentig, der Nestor der deutschen Pädagogik.

      Damit scheint es in Deutschland nicht zum Besten zu stehen. Vor kurzem hatte Jürgen Baumert an der Universität Fribourg in der Schweiz Videos von deutschem Mathematikunterricht gezeigt. Die Studenten reagierten geradezu empört. Weshalb, verstand Baumert zunächst nicht. "Dauernd fallen kränkende Bemerkungen seitens der Lehrer", sagte dann ein Student, "wie zum Beispiel `Schon wieder derselbe Fehler!` oder ,Habe ich das nicht schon viermal gesagt`?" Der Ton sei durchweg wenig respektvoll, abwertend und distanzlos, urteilten die Hochschüler.

      Internationale Vergleiche zeigen, dass andernorts das Verhältnis von Schülern und Lehrern besser ist. In der Schweiz stießen Forscher viel seltener auf eine Demütigung der Schüler durch Lehrer, im japanischen Unterricht gar nicht.

      "Die falschen Schüler" - eine Obsession

      Die Ausbildung der deutschen Lehrer tradiert den Umgang mit den Kindern - und lässt im Gegenzug viele Schüler den nötigen Respekt ihren Lehrern gegenüber vermissen. Viele Gymnasiallehrer sind während des Studiums nicht einmal mit den elementarsten jugend- oder lernpsychologischen Erkenntnissen in Berührung gekommen.

      Edelstein hält die Lehrerausbildung gar für eine der Erbsünden des deutschen Schulwesens: "Während es zum Beispiel für die Medizinerausbildung eigene Fakultäten gibt, ist die Lehrerausbildung bloß Anhängsel eines Fachstudiums, das einem anderen Zweck dient, nämlich der Ausbildung zum Wissenschaftler. Aber Physiker sind keine Physiklehrer, Germanisten keine Deutschlehrer."

      Angehende Pädagogen würden geradezu um ihre Professionalität betrogen, meint Edelstein. Sie lernten kaum etwas über das Lernen, schon gar nichts über "metakognitive Prozesse", also über das Lernen des Lernens, die Dynamik von Gruppen oder darüber, wie Kinder zum Selberlernen anzuregen sind. In ihrer Hilflosigkeit machten Lehrer das Fachwissen zur Prothese. Sie schützten sich gegen Schüler durch möglichst viel vor ihnen aufgehäuften Stoff. "In pädagogischen Fragen", sagt Wolfgang Edelstein, "haben Lehrer hierzulande ein Rezeptwissen, das sie von dem der Feldwebel Friedrichs des Großen kaum unterscheidet."

      In den Schulen kaum eines anderen Landes ist die Anerkennung von unterschiedlichen Persönlichkeiten so wenig selbstverständlich wie in Deutschland. Die Aufteilung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium entlässt den Lehrer aus der Verantwortung, sich um schwierige und eigensinnige Schüler zu kümmern. Kommt es zu Problemen, stellt der Lehrer nicht den Unterricht in Frage, sondern die Schüler. Und diese werden bei schlechten Leistungen vom Gymnasium in die Realschule und von dort in die Hauptschule exportiert, wo manche Pädagogen davon überzeugt sind, eigentlich Sonderschüler vor sich zu haben. Die falschen Schüler in der Klasse zu wähnen, ist geradezu eine Obsession deutscher Lehrer. "Es gibt kein anderes Land mit so homogenen Lerngruppen", stellt Jürgen Baumert fest, "und trotzdem sind sie uns immer noch zu heterogen."

      Speziell bei den deutschen Lehrern lässt sich mehr Selbstkritik, aber auch mehr Verzweiflung und Klage finden als in anderen Berufsgruppen. Ein Grund dafür ist, dass ihr Ansehen durch eine planlose Bildungsbürokratie, übertriebene Medienschelte und diffamierende Äußerungen von Politikern - Bundeskanzler Gerhard Schröder etwa sprach von "faulen Säcken" - systematisch kaputt geredet worden ist.

      "Impfprogramm, bei dem Kränkungen verabreicht werden"

      Weil Jammern das Klima vergiftet, spricht sich der Philosoph Peter Sloterdijk dafür aus, dass Kinder durch so etwas wie ein "Emissionsschutzgesetz" vor Lehrerpessimismus zu bewahren seien. Der begegne Schülern täglich in unterschwelligen Botschaften wie: "Ihr werdet euch noch wundern, ich selbst wundere mich schon lange nicht mehr."

      Damit würden Lehrer zum "Klimaschädling erster Größenordnung", denn bei den Kindern bleibe haften: "Was immer du von dir selbst halten magst, so wichtig bist du nicht." Sloterdijk kritisiert die deutsche Schule als eine Art "Impfprogramm, bei dem Kränkungen verabreicht werden". Habe man sie alle durchgemacht, erhalte man sein "narzisstisches Abiturzeugnis". Und dann verließen die Schüler "die Schule nach 13 Jahren wie Landsknechte eine aufgelöste Armee".

      Stattdessen gelte es, die Freude auf das eigene Werden zu erhalten: "Lernen ist Vorfreude auf sich selbst", sagt der Philosoph. Aber wenn sich ein Lehrer weit vorwage, dann dauere es nicht lange, und Eltern schritten ein. Aus Angst, es fehle die Härte, die auf das spätere Leben vorbereite, versuchten Mütter und Väter, "den Raum didaktischer Wunder klein zu halten". Dann dröhnten dem Lehrer Sätze entgegen wie: "Geben Sie den Kindern nicht ein falsches Bild vom Leben?" - "Könnten Sie nicht ein bisschen strenger sein?" Diesen Ansprüchen, so Sloterdijk, müsse man ein anderes Klima entgegensetzen - und womöglich auch andere Strukturen.


      Damit sind diverse Länder weiter, etwa Schweden. Die Gründe für die besseren Leistungen der dortigen Schüler sieht Mats Ekholm, Chef der nationalen Bildungsbehörde Skolverket, in drei Reformen: So sind erstens die Lehrer seit Anfang der 1990er Jahre 35 Stunden in der Schule und dort für die Schüler auch ansprechbar. Zweitens hat der Staat den Schulen mehr Selbstständigkeit gegeben; jede hat jetzt einen eigenen Etat und ist für Lehrergehälter wie für Reparaturen an den Gebäuden selbst verantwortlich. Die Lehrer werden von den Schulleitern eingestellt; ihr Gehalt ist Verhandlungssache, der Beamtenstatus abgeschafft.


      So macht unterrichten keinen Spass: Ein Hungerlohn, dafür aber viel "Sträzz"


      Und drittens sei es gelungen, die Zusammenarbeit der Schüler untereinander zu verbessern: "Schüler lernen am besten von Schülern", sagt Ekholm mit Verweis auf seine Untersuchungen. "Die Lehrer helfen nun den Schülern beim Lernen, statt sie zu belehren."

      Durch die im Herbst 2001 begonnenen Reform der schwedischen Lehrerausbildung soll eine mehrere hundert Jahre alte Tradition vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Auch schwedische Schulen hatten - wie fast überall in der Welt - mit ihren Fächern das System der universitären Disziplinen kopiert. Was an den Hochschulen als vielbändige Enzyklopädie zusammengetragen wurde, sollte die Dorfschulen zumindest noch als einbändiges Volkslexikon erreichen; Lehrer wurden dabei zu Stoffvermittlern.

      Eine kleine schwedische Kulturrevolution

      Doch das hat sich als Sisyphosarbeit erwiesen, der die Pädagogen umso weniger gerecht werden, je mehr die Wissensmenge angewachsen ist. "So wie die Schule normalerweise lehrt", sagt Eskil Frank von der pädagogischen Hochschule Stockholm, "so lernt kein Mensch." Und seine Kollegin Gunilla Dahlberg, Spezialistin für die Vorschule, ergänzt: "Jedes Gehirn ist eine Baustelle, auf der anders gearbeitet wird."

      Wohin die schwedische Kulturrevolution - vom Belehren zum Lernen - führen soll, lässt sich in Balsta nördlich von Stockholm besichtigen. Dort wurden sämtliche Schulen nach diesem so genannten "Futurum Modell" umgewandelt. Ehemals große Schulen sind in kleine unterteilt, jede mit nur noch rund 160 Kindern von Klasse Null, der Vorschulklasse, bis Klasse Neun. In den Atelier-Räumen und Labors lernen Schüler still für sich oder in Gruppen, jüngere und ältere Schüler meist gemischt, damit sie voneinander lernen. Die Räume sind um runde, lichtdurchflutete Areale gebaut, die an Markt- oder Dorfplätze erinnern.

      In Futurum-Schulen gibt es kaum noch herkömmlichen Frontalunterricht, in dem ein Lehrer vor der Klasse steht und die Schüler an festen Plätzen sitzen. Anderseits kommt es aber durchaus vor, dass ein Lehrer oder ein externer Experte einen klassischen Vortrag vor mehr als hundert Schülern hält.

      Pädagogen verdienen in Schweden zwar ein Drittel weniger als ihre deutschen Kollegen, ihr Beruf steht dennoch in hohem Ansehen. Beim Pisa-Sieger Finnland kommen auf einen Lehramtsstudienplatz sogar zehn Bewerber.

      Mehr Lehrer, mehr Unterricht ist keine Lösung

      Auch in Deutschland sehnen sich viele Lehrer nach besserer Zusammenarbeit untereinander und mit den Schülern. Die Pädagogen der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden haben sich nach dem schwedischen Vorbild in "Schulen in der Schule" aufgeteilt. Sie ließen Wände einreißen, damit Schülertreffs entstehen konnten; sie arbeiten in Teams und treffen sich in eigens dafür eingerichteten Büros. In der Verbesserung der Kommunikation unter den Lehrern sieht die langjährige Schulleiterin Enja Riegel den wichtigsten Grund für die exzellenten Pisa-Leistungen ihrer Schüler.

      Die nach dem Pisa-Schock häufig verlangte Therapie "mehr Geld, mehr Lehrer, mehr Unterricht" allein kann nicht erfolgreich sein. "Mehr schlechter Matheunterricht ist schlechter als weniger schlechter Matheunterricht", sagt Jürgen Baumert und kann das anhand der TIMS-Studie über den Mathematik- und Naturwissenschaftsunterricht nachweisen. Der Leistungsstand der Schüler ist auch nicht vorrangig von der Klassengröße oder der Systemfrage Gesamtschule oder Gymnasium abhängig.

      Viel wichtiger sind das Klima, der Geist, ja der Eigensinn der jeweiligen Schule. Die entscheidende Lektion für die deutschen Schulen und ihre Lehrer lautet: Wir müssen eine Kultur gegenseitiger Anerkennung und Aufmerksamkeit entwickeln; die Unkultur von Missachtung und Beschämung muss beendet werden. Dass dafür auch Eltern und Schüler einen Großteil an Verantwortung tragen, ist selbstverständlich.

      Die deutsche Schule ist auf diesem Weg noch nicht sehr weit vorangekommen, meint Wolfgang Edelstein: "Derzeit verhält es sich mit der Schule wie mit der Armenpolitik der katholischen Kirche im Mittelalter. Die war auch verheerend. Aber es gab Heilige. Ohne die hätte die Kirche nicht überlebt. Die Heiligen der Schule sind einige wenige Lehrer." Und er ergänzt: "Aber auf solche Glücksfälle darf sich eine Institution mit Millionen Schülern nicht verlassen."

      Von Reinhard Kahl / GEO WISSEN


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      Den Artikel sollte man sich mal in Erfurt reinziehen !!!


      H_S
      Avatar
      schrieb am 26.04.03 14:33:45
      Beitrag Nr. 57 ()
      Die Eltern des Attentäters von Erfurt geben sich eine Mitschuld an der Tragödie

      Ein Jahr nach dem Amoklauf von Erfurt, bei dem der 19-jährige Robert Steinhäuser 16 Menschen und sich selbst tötete, geben sich die Eltern des Täters eine Mitschuld an der Tragödie. "Ich denke immer, dass ich gerade in den letzten Monaten nicht wirklich für Robert da war", sagt Christel Steinhäuser, seine Mutter. Wenige Monate vor der Tat habe Robert gesagt: "Es hat alles keinen Sinn." Sie habe nur geantwortet: "Was redest du für einen Quatsch?" Heute, so Christel Steinhäuser, "sage ich mir ständig, dass ich nur ein einziges Mal hätte reagieren müssen". Günter Steinhäuser, der Vater, versteht die Motive seines Sohnes noch immer nicht: "Da ist etwas in ihm vorgegangen, was ich mir nicht erklären kann. Das wirkt schizophren, krank, ich erkenne ihn nicht wieder." Robert Steinhäuser war im Oktober 2001 vom Gutenberg-Gymnasium verwiesen worden, weil er Atteste gefälscht hatte. "Wer gekonnt belogen wird, kann die Lüge nicht erkennen", so Günter Steinhäuser. Nach Meinung der Eltern trifft die Schule keine Schuld. "Vorwürfe zu machen steht uns einfach nicht zu", sagt der Vater. "Die Schule ist im Recht", ergänzt die Mutter. Sie weisen allerdings darauf hin, dass "ein Quäntchen Menschlichkeit", etwas mehr Fürsorge und zum Beispiel der Anruf eines Lehrers die Bluttat möglicherweise verhindert hätten. "Dann wäre Robert nicht in diese Gedankenwelt abgeglitten, die aberwitzige Idee von Rache", sagt Günter Steinhäuser.



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      Zumindestens sie sind kritikfähig. Also kann der Stamm anders als der Apfel sein. Auch irgendwie tröstlich. Na ja.


      H_S


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