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    Feuer frei ohne Reue - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 06.05.02 12:21:11 von
    neuester Beitrag 12.07.02 11:11:55 von
    Beiträge: 26
    ID: 583.788
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      schrieb am 06.05.02 12:21:11
      Beitrag Nr. 1 ()
      Amerika will mit dem Strafgerichtshof nichts mehr zu tun haben

      "Es war ein Fehler, den Vertrag zu unterschreiben" / Kritik an Regierung

      gel. WASHINGTON, 5. Mai. Die Regierung Bush will mit den Plänen zur Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag nichts mehr zu tun haben. Wie am Wochenende in Washington bekannt wurde, will sie sich offiziell von der Unterschrift, die die Regierung Clinton kurz vor dem Ablauf ihrer Regierungszeit unter das Vertragswerk gesetzt hatte, lossagen. "Wir glauben, daß es ein Fehler war, den Vertrag zu unterschreiben", ließ sich ein Regierungsvertreter in Washington vernehmen. Amerika werde weder die Rechtsprechung des Strafgerichtshofes akzeptieren noch würden die Vereinigten Staaten seinen Anweisungen Folge leisten. Das Strafgericht, dessen Einrichtung vor allem von den Europäern energisch vorangetrieben wird, soll schwerwiegende Straftaten wie Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgen, wenn die Staaten dazu nicht willens oder in der Lage sind. Nach Berichten der Zeitung "New York Times" sieht die Regierung sich auch nicht länger an das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge gebunden, das Amerika ebenfalls unterzeichnet, aber nicht ratifiziert hat. Die Wiener Vertragskonvention von 1969 bestimmt, daß Staaten, die einen Vertrag unterzeichnet haben, bis zur Ratifikation - die manchmal erst nach Jahrzehnten erfolgt - nichts unternehmen dürfen, was die spätere Erfüllung des Vertrages erschweren oder gar unmöglich machen könnte. Diesen Vorgaben läuft ein Gesetzesvorschlag konservativer Republikaner zuwider, der dem amerikanischen Kongreß vorliegt. Danach soll der amerikanischen Regierung jegliche Kooperation mit dem Strafgerichtshof untersagt und amerikanische Militärhilfe an die Bedingung geknüpft werden, daß die begünstigten Staaten amerikanische Soldaten vor einer Verfolgung durch das internationale Strafgericht schützen. Weiter ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen, dem amerikanischen Militär eine Teilnahme an UN-Einsätzen nur dann zu gestatten, wenn der UN-Sicherheitsrat sie ausdrücklich von einer möglichen Verfolgung durch den Strafgerichtshof ausnimmt.

      Die Regierung in Washington fürchtet, daß amerikanische Soldaten zu Unrecht ins Visier des Strafgerichtshofs geraten könnten, weil sich Amerika mehr als andere Staaten in internationalen Konflikten engagiere und dabei auch "unangenehme Jobs" zu erledigen habe. Schon die Regierung Clinton hatte Bedenken, der Internationale Strafgerichtshof könne amerikanischen Interessen zuwiderlaufen. Deshalb waren mit Rücksicht auf Washington Vertragsänderungen vorgenommen worden, die es nach Ansicht der Befürworter des Strafgerichtshofs äußerst unwahrscheinlich machen, daß amerikanische Soldaten eine Anklage zu befürchten haben.

      Völkerrechtler in den Vereinigten Staaten werteten die Entscheidung der Regierung Bush, sich von der amerikanischen Unterschrift unter das Vertragswerk loszusagen als außergewöhnlichen Schritt, für den es keine historischen Vorbilder gebe.
      Kritiker in den Vereinigten Staaten sprachen von einem "unnötigen" Vorgehen, das zudem "schädlich" für die internationalen Beziehungen der Vereinigten Staaten sei. Aufhalten kann Washington die Arbeiten zur Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs jedenfalls nicht. Denn es gibt schon genügend Staaten, die die Ratifikationsurkunde in New York hinterlegt haben, so daß der Strafgerichtshof womöglich schon 2003 mit der Arbeit beginnen kann.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.05.2002, Nr. 104 / Seite 6
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 12:24:32
      Beitrag Nr. 2 ()
      liegt vielleicht auch etwas hieran:

      Die IQ-Rangliste der zwoelf US-Praesidenten nach 1945

      Bill Clinton 182
      Jimmy Carter 175
      John F. Kennedy 174
      Richard Nixon 155
      Franklin D. Roosevelt 147
      Harry S. Truman 132
      Lyndon B. Johnson 126
      Dwight D. Eisenhower 122
      Gerald Ford 121
      Ronald Reagan 105
      George Bush 98
      George W. Bush 91
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 12:26:14
      Beitrag Nr. 3 ()
      Dumme Menschen glauben eher, es gäbe für sie persönlich eine Rechtfertigung, außerhalb des Gesetztes zu stehen.
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 12:27:12
      Beitrag Nr. 4 ()
      Es sollte "außerhalb des Gesetzes" heißen.
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 12:53:38
      Beitrag Nr. 5 ()
      zu #1
      was willst du mit deiner liste zum ausdruck bringen?
      im übrigen ist die entscheidung der us-administration zu begrüssen.

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      schrieb am 06.05.02 13:03:55
      Beitrag Nr. 6 ()
      #5 Vermute mal deine Bewunderung für G.W.B.91 als Vorbild.
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 13:07:21
      Beitrag Nr. 7 ()
      mit der IQ-Liste wollte nur nur unterstreichen, daß ich den Schritt Bushs tatsächlich für dumm und verblendet halte, die vorherige zustimmung clintons zu einem intern. Strafgerichtshof für richtig.

      Warum sollte die Entscheidung der US-Administration zu begrüßen sein? Ich sehe keinen Grund.
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 13:27:53
      Beitrag Nr. 8 ()
      stimmt diese Liste echt? Ist ja der (J)Hammer!
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 14:10:35
      Beitrag Nr. 9 ()
      zu #7
      für dich noch mal zum mitschreiben: clinton & seine boys haben verträge wie diesen oder das kyoto-protokoll unterschrieben, vom dem sie im vornerein wussten, das diese papers in den staaten nie und nimmer ratifiziert werden.
      die gründe für die ablehnung hast du in deinem copy/paste werk selbst aufgeführt. und diese gründe sind für mich absolut nachvollziehbar.
      zu deiner liste: der erdnussfarmer und blow-job-billy auf den ersten plätzen - was soll man da noch sagen ...
      auch wenn du es noch nicht mitbekommen hast, die amerikanische administration besteht aus mehr als dem präsidenten. diese entscheidung wurde nicht von g.w. im alleingang gefällt. und was den iq von staatschefs betrifft, nun da würde mich mal eine liste europäischer häuptlinge interessieren. im übrigen muss ein staatschef keine intellektuelle leuchte sein, hauptsache er hat fitte und fähige minister und staatssekretäre. clinton mag der liebling aller westeuropäischen linken und linksliberalen sein. seine aussenpolitik und deren ergebnisse wird in den usa allerdings anders bewertet. und für die harten clinton fans im forum, der grosse börsensturz u. die rezession begann im märz 2000 - 8 monate vor den wahlen. tja der ganze dotcom bubble u. die hightech blase -mehr schein wie sein- passt schon ganz gut zur clinton-ära und das ende ebenfalls.
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 14:49:58
      Beitrag Nr. 10 ()
      @exit4me
      leider geht das fast alles am thema vorbei.
      Die Frage ist, ob es die "weltpolitische Lage" vornanbringt oder zurückwirft, einen internationalen Strafgerichtshof zu haben.
      Es gibt leider nicht viele, sondern laut Artikel für mich nur einen einzigen erkennbaren Grund, den die USA für ihre Ablehnung anführt, nämlich
      "daß amerikanische Soldaten zu Unrecht ins Visier des Strafgerichtshofs geraten könnten, weil sich Amerika mehr als andere Staaten in internationalen Konflikten engagiere"
      Dieses Argument ist jedoch überhaupt nicht stichhaltig, denn der Sinn von Gesetzen ist es gerade, daß sie für alle, (somit bei intern. Gesetzen auch für Amerikaner) gelten und sich eben auch alle bezüglichen möglicher Verstöße daran messen lassen müssen und "ins Visier genommen" werden können.

      Das Argument entspräche analog in etwa einer Regelung gegen den widerrechtlichen Gebrauch von Schusswaffen, von dem allerdings Polizisten von vornherein ausgenommen wären, mit der Begründung, daß diese sich ja mehr als normale Bürger mit kriminellen Elementen auseinander setzen müssten und demnach befürchtet werden muß, daß Polizisten, fielen sie unter ein solches Gesetz, verschärft durch solche Regelungen "ins Visier genommen würden".
      Dies würde aber niemand ernsthaft befürworten, weil sich eben auch Polizisten an Gesetzen messen lassen müssen und keinen Freibrief besitzen.
      Die Bush-Regierung scheint für die USA allerdings eine solche illegitime Ausnahme heraushandeln zu wollen und sich weiterhin im rechtsfreien Raum bewegen zu wollen.

      Das Argmuent der Bush-Regierung ist einfach Unsinn. Nenn mir ein besseres gegen einen int. Strafgerichtshof, wenn du eins hast.

      leary99
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 15:15:41
      Beitrag Nr. 11 ()
      .
      es wäre wohl nicht unwahrscheinlich, daß die USA vor dem Strafgerichtshof angeprangert würden. Da ist es
      nur natürlich, sich dem von vorneherein zu entziehen. Zwingen kann man die USA wegen ihrer Wirtschafts-
      und Militärmacht nicht.

      Die sind halt eben gleicher als die anderen.
      .
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 15:46:27
      Beitrag Nr. 12 ()
      zu #10
      unabhängig von jeglicher subjektiver und "moralischer" bewertung, eine ganz einfache frage: wer legt die gesetze fest, auf welcher moralischen u. ethischen grundlage und wer soll sie durchsetzen?
      versuchen wir es mal ganz einfach:
      ein parlament oder der diktator eines staates kann ein gesetz beschliessen. ob das gesetz u. der geltungsbereich wirksam wird, hängt davon ab ob es durchgesetzt werden kann.
      sprich, die büttel des staates u. die justiz. du hast vielleicht schon mal den berühmten vergleich mit "einem zahnlosen" tiger gehört? jedes gesetz kann natürlich jederzeit geändert bzw. abgeschafft werden. was heute recht in einem staatsgebilde ist, kann morgen unrecht sein u. umgekehrt. juristei ist profanes menschenwerk das die interessen von gruppen schützen und durchsetzen soll und nicht die göttliche ewige wahrheit u. offenbarung.
      zwischen staaten funktioniert dieses modell logischerweise nicht, es sei denn du hast einen überstaat mit justiz u. polizei/militär. diesen staat gibt es nicht. du hast weiterhin nationalstaaten. zwischen staaten gibt es dann verträge u. abkommen welche juristische abläufe in einem genau definierten rahmen zwischen diesen staaten regeln soll. bekanntestes beispiel: auslieferungsabkommen.
      und wenn diese verträge nicht existieren - dann kannst du das rechtsfreien raum nennen. daher ist dein vergleich der berühmte "apfel - birne". im übrigen ist der abschluss
      oder die kündigung von verträgen zwischen staaten ein ausdruck politischer souveränität eines staates.
      simpel formuliert, wenn ein staat an dieser scharade, egal aus welchen gründen, nicht teilnehmen will, dann ist das alleinige sache dieses staates. kleines beispiel: theoretischerweise könnte jeder eu-staat seine mitgliedschaft kündigen und damit die wirksamkeit von eu-gesetzen innerhalb seines staatsterritoriums sofort ausser kraft setzen. und der rest könnte dagegen nichts machen. wenn du es jetzt noch nicht kapiert hast was nationale rechtssysteme und internationale juristische regelungen zwischen staaten unterscheidet, dann ist dir auch nicht zu helfen.
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 16:35:25
      Beitrag Nr. 13 ()
      @exit
      im übrigen ist der abschluss
      oder die kündigung von verträgen zwischen staaten ein ausdruck politischer souveränität eines staates.


      klar, und sobald einem staat internationale Verträge nicht mehr passen, kann er sie sanktionslos einfach so brechen oder sofort kündigen. Falls Du Jurist bist, solltest Du mal darüber nachdenken, was ein Vertrag eigentlich ist und das ein Vertrag ohne jegliche Bindungswirkung nicht allzuviel sinn macht. Es ist einfach Blödsinn, zu behaupten, es gäbe keine internationalen Verträge mit Bindungswirkung.
      Noch nie was von den Genver Konventionen gehört?

      Es geht ja gerade darum, endlich eine übergeordnete Instanz zu schaffen, die die Einhaltung internationalen Rechts überwachen kann und notfalls sanktionieren kann.

      Außerdem weichst du dauernd vom Thema ab und hast noch kein einziges Wort dazu geschrieben, warum der Boykott der USA bezüglich der Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs deiner Meinung nach "zu begrüßen" sei.

      Als kleine Nachhilfe

      1. Völkerrecht,
      auch internationales Recht; die vertraglich und gewohnheitsrechtlich normierten Rechtsgrundsätze, die im Wesentlichen die Rechte und Pflichten der Staaten, mit Einschränkungen auch anderer Völkerrechtssubjekte (internationale Organisationen, nationale Minderheiten) enthalten und ihr Miteinander regeln. Das Völkerrecht ist mangels einer mit herrschaftlicher Gewalt ausgestatteten Instanz auf den Konsens der Staatengemeinschaft als seinen Geltungsgrund angewiesen ? Grundprinzip des Völkerrechtes ist die Gleichheit und Souveränität der (National-)Staaten. Als Quelle des Völkerrechtes fungieren insbesondere Verträge sowie die von den meisten Staaten anerkannten, im Artikel 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes niedergelegten, allgemeinen Rechtsgrundsätze. Die völkerrechtlichen Regeln für Verträge sind im Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 kodifiziert.

      Hinsichtlich des Verhältnisses des Völkerrechtes zum nationalen Recht bestehen zwei unterschiedliche theoretische Konzepte. Die monistische Theorie behauptet einen grundsätzlichen Vorrang des Völkerrechtes vor dem nationalen Recht. Demgegenüber sieht die dualistische Theorie im Völker- und im nationalen Recht zwei voneinander grundsätzlich zu unterscheidende Rechtsordnungen, wobei völkerrechtliche Regelungen Rechtsverbindlichkeit im Innern nur dann zukomme, wenn sie in nationales Recht überführt sind. So sind etwa allgemeine Regeln des Völkerrechtes in Deutschland Bestandteil des Grundgesetzes und haben Vorrang vor einfachen Gesetzen, die in ihnen normierten Rechte und Pflichten sind geltendes nationales Recht. Innerhalb des Völkerrechtes kann zwischen Kriegs- und Friedensrecht unterschieden werden. Wichtige Spezialgebiete des Völkerrechtes sind u. a. die Menschenrechte, Abrüstung und Friedenssicherung sowie das See-, das Luft- und das Raumfahrtrecht.

      2. MENSCHENRECHTE IM VÖLKERRECHT

      2.1 Anfänge
      Das internationale Recht, das sich auf der Souveränität der Einzelstaaten begründet, bezieht sich in der Regel auf die Beziehungen zwischen Staaten und betrachtet die Beschäftigung eines Staates mit dem Schicksal der Bürger eines anderen als unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Ansätze der Staatengemeinschaft, sich dennoch des Schutzes des Menschen anzunehmen, zeigten sich schon im Sklavereiverbot des Wiener Kongresses (1815), in den Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 und in den Aktivitäten des Völkerbundes. Eine Wende brachten die Enthüllungen der deutschen Kriegsverbrechen und des Holocaust im 2. Weltkrieg. Erstmals urteilte ein internationales Gericht in den Nürnberger Prozessen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ab und bezog sich dabei ? nicht unumstritten, weil international nicht kodifiziert ? auf allgemein geltendes Menschenrecht.

      2.2 Vereinte Nationen

      Am 10. Dezember 1948 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Sie enthält einen Katalog der Freiheitsrechte und politischen Rechte (Artikel 3-21), denen Gleichheitsrechte in Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur folgen (Artikel 22-28). Auf dieser Grundlage überwacht der Hohe Kommissar für Menschenrechte (UNHCHR) die weltweite Menschenrechtslage und fördert die Durchsetzung besserer internationaler Standards. Da die UNO-Deklaration von 1948 rechtlich unverbindlich ist, wurden später Teilaspekte des Menschenrechtskomplexes in mehreren internationalen Vertragswerken kodifiziert. Zu den wichtigsten gehören die Genfer Konventionen von 1949/51 und die Pakte über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie über bürgerliche und politische Rechte von 1966, die seit 1976 in Kraft sind. Die Allgemeine Erklärung und die beiden Pakte werden als ?Internationale Menschenrechtscharta? zusammengefasst. 1993 und 1994 ließ der Weltsicherheitsrat Ad-hoc-Tribunale zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (mit Sitz in Den Haag; siehe Internationales Tribunal für Verbrechen im früheren Jugoslawien) bzw. in Ruanda (mit Sitz in Arusha; siehe Internationales Tribunal für Kriegsverbrechen in Ruanda) errichten. Im Juli 1998 beschloss eine internationale Staatenkonferenz in Rom die Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs mit Sitz in Den Haag. Für seine Verwirklichung müssen mindestens 60 Staaten seine Statuten ratifizieren.


      leary99
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 17:07:37
      Beitrag Nr. 14 ()
      zu #13
      du kannst dir die fleissarbeit mit copy/paste sparen.
      deine aufgeführten beispiele sind alles beispiele für abkommen, absprachen und regelungen zwischen staaten. in einem staat, welcher diesen vereinbarungen und abkommen nicht zugestimmt hat oder die abkommen kündigt, sind damit diese "rechte" makalatur. völkerrecht basiert auf der grundlage der freiwilligkeit der einzelnen vertragspartner, sprich staaten. im gegensatz zum nationalen recht eines staates, welche diese freiwilligkeit der rechtssubjekte ausschliesst. das heisst, du kannst es dir als bürger/jurist. person halt nicht aussuchen ob der "vertrag gesetze/recht" für dich gültig ist oder nicht. die einzig mögliche vertragskündigung besteht in der aufgabe der staatsbürgerschaft und dem verlassen des landes.

      ein gesetz welches nicht durchgesetzt wird oder durchgesetzt werden kann, ist das papier nicht wert auf dem es gedruckt wird - "ein zahnloser tiger". wenn dir dieser simple sachverhalt nicht begreifbar zu machen ist ...
      ist dir die inhaltliche bedeutung solcher begriffe wie konventionen und landkriegsordnung tatsächlich geläufig?
      wenn ein vertrag gekündigt wird, kann es selbstverständlich sanktionen und folgen geben. das gilt im nationalen recht eines staates und in den beziehungen von staaten. aber auch hier gilt - sind diese sanktionen durchsetzbar und wer tut es -
      Avatar
      schrieb am 07.05.02 12:53:09
      Beitrag Nr. 15 ()
      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.05.2002, Nr. 105 / Seite 1
      (zur Archivierung)

      Die amerikanische Sorge vor Souveränitätsverlust

      Warum die Regierung Bush den internationalen Strafgerichtshof ablehnt / Von Reinhard Müller


      FRANKFURT, 6. Mai. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Mit dieser Formel trennt der amerikanische Präsident Gut und Böse im Kampf gegen den Terror. Im Ringen um den internationalen Strafgerichtshof gibt es nun eine neue Frontstellung: Amerika gegen den Rest der Welt. Zwar ist die Supermacht nicht der einzige Staat, der dem künftigen Haager Gericht ablehnend gegenübersteht. Doch die amerikanische Regierung hat sich zu einem Schritt entschlossen, der nicht nur eine endgültig gemeinte Abkehr von einer ständigen internationalen Strafgerichtsbarkeit darstellt, sondern zudem als ein Rückschlag für eine Weltordnung des Rechts gedeutet werden kann. Die Regierung Bush will sich von der Unterschrift unter das Statut des Strafgerichtshofs lösen, die Präsident Clinton kurz vor dem Ende seiner Amtszeit geleistet hatte. Das sei ein Fehler gewesen, heißt es nun. Man werde das Abkommen ohnehin niemals ratifizieren.

      In der Tat steht es jedem Staat frei, sich durch einen Vertrag völkerrechtlich zu binden. Diese Bindung tritt regelmäßig nicht schon mit der Unterzeichnung eines Abkommens etwa durch das Staatsoberhaupt ein, sondern erst mit der Ratifizierung. Manche Verträge werden jahrzehntelang nicht ratifiziert. Doch verpflichtet die Wiener Vertragsrechtskonvention, die das Recht internationaler Übereinkünfte regelt, jeden Unterzeichnerstaat, sich aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck des Vertrages vereiteln würden. An diese auch gewohnheitsrechtlich geltende Treuepflicht fühlen sich die Amerikaner nicht mehr gebunden. Das ist nicht nur ein in der amerikanischen Außenpolitik einmaliger Fall. Auch Mitarbeiter der Vertragsabteilung der Vereinten Nationen können sich an einen derartigen Vorgang nicht erinnern.

      Wovor hat die amerikanische Regierung Angst? Schließlich waren die Vereinigten Staaten als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats an der Schaffung der Tribunale für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda beteiligt. Doch das sind Ad-hoc-Gerichtshöfe mit räumlich begrenzter Zuständigkeit. Warum nun die förmliche Distanzierung von dem Statut eines Gerichts, das noch nicht einmal seine Arbeit aufgenommen hat? Wer kann ernsthaft etwas dagegen haben, daß künftig in Den Haag Völkermord, Vertreibung, Massenvergewaltigung und andere schwere Verbrechen durch Richter aus der ganzen Welt strafrechtlich geahndet werden? Den Amerikanern paßt die ganze Richtung nicht. Sie sind, wie ein deutscher Diplomat sagt, "unilaterale Überzeugungstäter".

      Durch den präzedenzlosen Akt will die Regierung Bush offenbar den Weg frei machen für einen aktiven Kampf gegen das Statut, das 1998 von 120 Staaten verabschiedet wurde und das - nach der Ratifizierung durch 60 Länder - am 1. Juli in Kraft tritt. (Fortsetzung Seite 2.).

      Nach dem Willen des amerikanischen Kongresses sind sogar Sanktionen der Vereinigten Staaten gegen Staaten möglich, die mit dem Gerichtshof zusammenarbeiten. Die amerikanische Sorge vor Souveränitätsverlust und die Abneigung, Hoheitsrechte auf internationale Instanzen zu übertragen, äußert sich in dem unbedingten Willen zum Schutz der eigenen Bürger vor ausländischer Gerichtsbarkeit. Gemeint sind vor allem die zahlreichen Soldaten, die überall auf der Welt zum Einsatz kommen können. Die Regierung Bush fürchtet, sie könnten wegen einer militärischen Aktion dem Haager Gerichtshof überantwortet werden. Doch das ist höchst unwahrscheinlich. Zwar ist das neue internationale Gericht für Taten zuständig, die auf dem Gebiet eines Staates begangen werden, der dem Statut beigetreten ist. Insofern könnte theoretisch auch das Verhalten einer amerikanischen Interventionstruppe vom Strafgerichtshof untersucht werden, obwohl die Vereinigten Staaten das Statut ablehnen. Doch der Haager Gerichtshof ist nur dann zuständig, wenn ein Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, den Täter zur Verantwortung zu ziehen.

      Die amerikanische Regierung signalisiert, sie wolle lieber die nationalen Gerichte stärken und an der staatlichen Souveränität nicht rühren. Sie verzichtet damit auf die Möglichkeit, die Tätigkeit des Gerichts mitzugestalten, die sie während der Ausarbeitung des Statuts noch eifrig genutzt hatte. Ein Statut, das sich nicht nur gegen die Pinochets und Milosevics von morgen richtet, sondern auch terroristische Attacken unter Strafe stellt. Die Europäer gehen geschlossen einen anderen Weg, Deutschland ist hier Führungsmacht. Jedenfalls kommt die Staatengemeinschaft mit dem Strafgerichtshof einem völkerrechtlichen Traum näher, der viel älter ist als die Nürnberger Prozesse: Daß ein Weltgericht Verbrechen ahndet, die sich gegen die Menschheit richten.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.05.2002, Nr. 105 / Seite 1
      Avatar
      schrieb am 07.05.02 23:27:18
      Beitrag Nr. 16 ()
      heidiho leary, schön das du noch mal so fleissig warst.
      ich hoffe du hast den artikel auch genau gelesen.
      ich verweise nur auf die überschrift - da steht die begründung kurz u. knackig drin. wenn du den ganzen schmonsens weglässt, bringt ein satz das ganze auf den punkt: " ... Jedenfalls kommt die Staatengemeinschaft mit dem Strafgerichtshof einem völkerrechtlichen Traum näher ..." . und genau das ist diese veranstaltung "ein traum" . wenn sich in den nächsten 20 - 50 jahren die politischen konstellationen sich ändern, und das werden sie und zwar drastisch, fällt die ganze show wie ein kartenhaus zusammen. ich möchte nur darin erinnern, hätte einer vor 20 jahren den schnellen zusammenbruch des sowjet-imperiums oder den bürgerkrieg in jugoslawien prognostiziert, wäre er als totaler spinner und kriegspropagandist bezecihnet wurden, speziell natürlich aus der gesamten linken "intellektuellen" und "experten" szene. die tendenzen und symptome waren übrigens schon in 70-zigern erkennbar, natürlich für den der sehen wollte. es gab auch damals schon so schöne show-veranstaltung wie osze & ksze mit unmassen von papier.
      Avatar
      schrieb am 08.05.02 00:33:28
      Beitrag Nr. 17 ()
      #16 da gebe ich dir Recht,nur bei Jugoslavien wussten doch
      eigentlich alle was mit Titos Tod kommen wird.Leicht lässt sich auch die Zukunft bzgl. Bevölkerungswachstum,Wasser,
      Medizin etc. voraussehen,nur mag sie keiner oder nur wenige
      hören.
      Avatar
      schrieb am 08.05.02 00:51:31
      Beitrag Nr. 18 ()
      @exit4me
      sorry, aber ich wollte inhaltlich über die WÜNSCHBARKEIT eines intern. Strafgerichtshofes reden und darüber, ob die Entscheidung der USA weltpolitisch segensreich ist oder eben eher als Rückschritt angesehen werden muß und nicht darüber, ob einzelne Staaten die juristische Möglichkeit haben, wenn sie es darauf anlegen, sich selbst von der mögl. Verurteilung von eigenen Verstößen gegen die Menschenrechte a priori auszuschließen und ihr souverän-nationales Süppchen weiter zu kochen aber sich darin zurückzuziehen, trotzdem aber meinen, international überall als Eingreiftruppe fungieren zu müssen.

      Jedenfalls kommt die Staatengemeinschaft mit dem Strafgerichtshof einem völkerrechtlichen Traum näher ..." . und genau das ist diese veranstaltung "ein traum" .

      Wenn "die Staatengemeinschaft mit dem Strafgerichtshof einem völkerrechtlichen Traum näher" kommt, ist dies nicht, wie Du denkst, allein deshalb schon verkehrt, weil es ein Traum ist, dem man näher kommt.
      Denn die Zustände verbessern sich immerhin, wenn man dem Gewünschten, einem "Traum", wie es hier genannt wird, näherkommt.
      Und per Definitionem ist es genau das, was man versucht, anzustreben: das Wünschenswerte, nicht etwas anderes.
      Das kann doch nicht so schwer zu verstehen sein.

      Es ist eben eine Sache, zu erkennen, wie die Dinge sind (wie sich die USA eben verhält; hierauf scheinst Du pausenlos rumzuhacken) und eine ganz andere, zu erkennen, wie es zu verbessern ist (hierüber wollte ich reden und darüber, ob die USA mit ihrer Entscheidung die Situation verbessert oder nicht)

      NATÜRLICH verbessert es nicht IHRE Position, wenn sie sich aus einer völkerrechtlich-strafrechtlichen Verantwortung von vornherein rausziehen, gleichzeitig aber nicht bereit sind, ihre Eingreifmöglichkeiten zu mindern.
      Aber deshalb ist dies nicht unbedingt das weltpolitisch Wünschenswerte.
      Verstehst Du diesen Unterschied nicht?

      wenn sich in den nächsten 20 - 50 jahren die politischen konstellationen sich ändern, und das werden sie und zwar drastisch, fällt die ganze show wie ein kartenhaus zusammen. ich möchte nur darin erinnern, hätte einer vor 20 jahren den schnellen zusammenbruch des sowjet-imperiums oder den bürgerkrieg in jugoslawien prognostiziert, wäre er als totaler spinner und kriegspropagandist bezecihnet wurden, speziell natürlich aus der gesamten linken "intellektuellen" und "experten" szene. die tendenzen und symptome waren übrigens schon in 70-zigern erkennbar, natürlich für den der sehen wollte. es gab auch damals schon so schöne show-veranstaltung wie osze & ksze mit unmassen von papier.

      Du scheinst in mir irgendeinen politischen Feind erkennen zu wollen, den Du in eine vermeintlich verblendete links-intellektuelle Ecke derjenigen schieben willst, die die harten politischen Realitäten nicht wahrhaben wollen. Ich bin weder linksintellektuell, noch verdränge ich die brutale weltpolitische Realität, vielmehr versuche ich darüber nachzudenken, ob die zukünftige Situation auf diesem Planeten durch einen intern. strafgerichtshof besser oder schlechter aussieht als ohne ihn.
      Darüber hast du bisher noch gar nichts gesagt; immer nur, DASS die USA sich rausziehen KANN, um eben souveräner bleiben zu können.
      Wie wärs, Du sagst mal was zu der eigentlichen Frage?
      Avatar
      schrieb am 08.05.02 02:04:50
      Beitrag Nr. 19 ()
      zu #18
      also leary, der meister okto hat schon ein paar teilaspekte dargelegt, welche konditionen und katalysatoren die politischen entwicklungen bestimmen werden. du solltest jetzt auch nicht auf die dauer-propaganda von der auflösung der national-staaten zum opfer fallen. in den nächsten jahren wird die idee des nationalstaates noch erheblich an attraktivität gewinnen (siehe ostblock, balkan, asien). die meisten eu-mitglieder sind allein aus rein wirt-schaftlichen gründen in der eu. und welcher staat besteht in allen dingen auf absolute souveränität in allen dingen, auch bei solchen trivialitäten wie dem tv/radio-programmen, und ist der grösste profiteur ? richtig - "vorzeige-eu-nation" frankreich. sollten sich in old-europe die wirtschaftlichen und sozialen konditionen ändern, dann ist auch da schluss mit lustig. die ersten tendenzen sind in eu-europa zu erkennen, auch wenn unsere politschranzen lauthals das gegenteil behaupten.
      ich pflege meine analysen und meine meinungsbildung nicht nach irgendwelchen "feindbildern" auszurichten. allerdings halte ich die menschheit und den einzelnen auch nicht für fromme lämmer und reinkarnationen vom lieben jesulein. wenn du verstehst was ich meine. und speziell wenn auf dem klavier der emotionen gespielt wird, nun dann bin ich wirklich äusserst misstrauisch. ich denke, deine reaktionen sind emotionell begründet. so eine "tolle" , "herzensgute" und "gerechtigkeit bringende idee" und da ist ein staat der einfach sagt - nö, danke nix für uns. statt sich mit den rationalen gründen für eine solche entscheidung zu beschäftigen, kommt es zur typischen trotzreaktion - die bösen warum wollen die nicht? die müssen doch!
      es hat in der geschichte der menschheit immer ideologien, modelle, ideen und kühne konstrukte gegeben ala "traum von einer besseren welt", "irdisches paradies" , "der idealen staat", "die idee vom neuen menschen", "grosse völkergemeinschaft" usw. und die wird es auch in zukunft geben. tja, wenn`s dann um die umsetzung von theorie in die praxis ging - schitt happens, in der regel endete das in blutbädern, massakern und zerstörungen. und warum? ganz einfach, weil es neben den "gutmeinenden" auch welche gibt die keinen bock drauf haben. was machen dann die "guten", insofern sie die mittel dazu haben? richtig - erst mit propaganda und dann gibts eine auf die schnauze und zwar kräftig. ich habe mich nur deshalb so lange über die juristische aspekte ausgelassen, um dir aufzuzeigen, woran dieses konstrukt krankt - entweder ist es ein zahnloser tiger und damit überflüssig (spart auch noch kosten - kannst ja mal raten wer das bezahlen soll) oder wenn man gegen staaten/personen klagen u. urteile durchsetzen will, gibts zusätzliche konflikte, inklusive kriege.

      zum schluss:
      du hast doch deine frage an mich schon selber beantwortet. die usa haben die potentiellen gefahren und konsequenzen einer solchen einrichtung erkannt und ihre entscheidung nach rein logischen und pragmatischen gesichtspunkten getroffen, und das betone ich: nicht nach irgendwelchen emotionen oder im namen höherer "werte". ich kann die gründe sehr gut verstehen und daher die entscheidung logisch nachvollziehen. für mich ist sie die richtige entscheidung.
      logischerweise halte ich die teilnahme germanys und dessen rolle darin, für langfristig politisch falsch.
      du kannst den usa keinen vorwurf machen, dass sie an dieser "show" nicht teilnehmen (siehe oben) . nenn mir doch einfach mal ein paar pragmatische und rationale gründe für eine beteiligung - keine höheren werte und emotionen bitte! ich lass mich gerne vom gegenteil überzeugen.
      Avatar
      schrieb am 08.05.02 16:25:41
      Beitrag Nr. 20 ()
      @exit4me
      hier der nächste Artikel, der Wasser auf Deine Mühlen sein wird. Endlich finde ich mal über emotionale Ablehnung hinaus GRÜNDE, die gegen einen internationalen Strafgerichtshof sprechen sollen.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.05.2002, Nr. 106 / Seite 54

      Kein Rechtsschutz ohne staatliche Souveränität

      Der Internationale Strafgerichtshof / Von John Laughland

      Der Vertrag zur Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) hat, auch wenn die Amerikaner jetzt ihre Unterschrift zurückgezogen haben, die erforderliche sechzigste Ratifizierung erhalten. Dieses Gericht wird allgemein als Nachfolger des Internationalen Militärtribunals dargestellt, vor dem die nationalsozialistische Führung in den Nürnberger Prozessen angeklagt wurde. Aber das Gegenteil ist der Fall. Weit davon entfernt, an die damals etablierten juristischen Prinzipien anzuknüpfen, verläßt der IStGH diese Tradition. Weit davon entfernt, den Geist der Charta der Vereinten Nationen zu wahren, wird die Existenz des IStGH das gesamte, nach dem Weltkrieg entstandene System internationaler Beziehungen zerstören. Weit davon entfernt, eine neue Stufe der Legalität in die Beziehungen der Völker einzuführen, wird der IStGH auf brutale Weise die Herrschaft des Rechtes aus der Weltpolitik entfernen.

      Es ist doppelt falsch, zu behaupten, Nürnberg habe den Präzedenzfall für internationale Tribunale geschaffen, die über die "inneren Angelegenheiten" eines Staates zu Gericht sitzen. Nürnberg war keineswegs ein internationales Tribunal in dem Sinne, in dem der IStGH eines ist. Das Nürnberger Gericht war aus den alliierten Mächten zusammengesetzt, die nach der bedingungslosen Kapitulation Träger der nationalen Souveränität Deutschlands waren. Es gab keinen Versuch, so zu tun, als repräsentierten die Alliierten "die Menschheit" oder "die Völker der Welt". Im Gegenteil: Die Nürnberger Richter bestanden darauf, daß mit der Verkündung der Charta des Internationalen Militärtribunals von 1946 "die souveräne legislative Macht der Länder, vor denen das Deutsche Reich bedingungslos kapituliert hat", ausgeübt werde.

      Bei dem "Justice Trial" von 1947 (Vereinigte Staaten gegen Alstoetter und andere) lag den Richtern daran, zu erklären, daß ihr Recht von der einmaligen Tatsache der bedingungslosen Kapitulation abgeleitet sei. "Nur unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen und vorübergehenden Situation in Deutschland", hieß es, "kann dieser Prozeß mit den etablierten Prinzipien nationaler Souveränität vereinbart werden." Mit anderen Worten: Diese Prinzipien mußten respektiert werden, damit die Nürnberger Prozesse Gültigkeit hatten. Die Richter betonten, daß "die Universalität und Superiorität des Völkerrechts nicht die Universalität seiner Durchsetzung bedeutet": Die einzelnen Staaten hätten "die alleinige Befugnis, innerhalb ihrer Grenzen Sanktionen anzuwenden oder nicht". Der Alliierte Kontrollrat sei "eine Macht, die keine internationale Autorität ohne Zustimmung innerhalb eines Staates beanspruchen oder ausüben könnte, der eine nationale Regierung hat, die seine souveräne Gewalt ausübt".

      Diese deutliche Ablehnung eines rechtlichen Supranationalismus steht ganz im Gegensatz zum Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, dessen Artikel 17 die Jurisdiktion des IStGH erlaubt, wenn ein Staat "nicht willens" ist, die Strafverfolgung selbst durchzusetzen. Diese eine Bestimmung hebt den Charakter des IStGH als vertraglich bestimmte Einrichtung des Völkerrechts auf und schafft eine Institution, die sich umgehend so benehmen wird, als genieße sie autochthone supranationale Autorität. Staaten, die das Abkommen zur Errichtung des IStGH ratifiziert haben, haben ihr eigenes Rechtssystem verstümmelt, indem sie die übergeordnete Jurisdiktion eines Gerichtes geschaffen haben, das keiner demokratischen, parlamentarischen oder rechtlichen Kontrolle unterliegt.

      Der zweite Grund, warum der IStGH nicht in der Nürnberg-Nachfolge steht, ist untrennbar mit dem ersten verbunden. Die peinliche Beachtung der Souveränitätsfrage in den Nürnberger Prozessen war nicht einfach eine rechtliche Haarspalterei. Sie bestimmte ihren Kern, ihre Grundidee. Denn das Hauptverbrechen, dessen die Alliierten die Nazi-Führer schuldig glaubten, war die Planung und Ausführung eines Angriffskrieges - also die Verletzung der Souveränität Polens und der anderen Länder, in die die Deutschen einmarschierten. Genau an diesem Punkt - und nicht beim Begriff der Verbrechen gegen die Menschlichkeit - war Nürnberg innovativ.

      Der Begriff der "Verbrechen gegen den Frieden" - also der Verletzung nationaler Souveränität - stand in Nürnberg an erster Stelle, weil, in den Worten des Richters am amerikanischen Supreme Court, Robert H. Jackson, "das Verbrechen, das alle geringeren Verbrechen umfaßt, das Verbrechen ist, nicht zu rechtfertigenden Krieg zu führen". Als Jackson die Nürnberger Prozesse eröffnete, führte er nicht "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" an, sondern, daß dies "der erste Prozeß in der Geschichte über Verbrechen gegen den Frieden in der Welt" sei. Alle Kriegsverbrechen, so seine Überlegung, entstammten der ursprünglichen Entscheidung, überhaupt einen Krieg anzuzetteln. Daß Nürnberg hier Neuland beschritt, beweist die Tatsache, daß in diesem Betreff, nicht bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das Verbot des Ex-post-facto-Gesetzes aufgehoben wurde. Von dem Verbrechen des Angriffskrieges abgesehen, wurde in Nürnberg über keine Tat geurteilt, die vor dem 1. September 1939 begangen wurde. Der Grund war, daß die ganze Jurisdiktion auf der Auffassung vom Krieg zwischen einzelnen Staaten beruhte. In klarem Kontrast zu Nürnberg hat der Internationale Strafgerichtshof die Definition von "Verbrechen gegen den Frieden" auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.

      Die Einrichtung des IStGH bedeutet de facto und de jure die Schaffung eines neuen internationalen Systems auf den Ruinen des alten. Anstelle eines sehr begrenzten Rechts auf Kriegführung (nur im Zuge der Selbstverteidigung oder durch Autorisierung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen) werden wir jetzt ein sehr flexibles jus ad bellum haben. Die großen Länder der Welt werden fortan bedeutende rechtliche Waffen zu ihrer Verfügung haben, wenn sie sich entscheiden, ein kleines Land im Namen der Menschenrechte anzugreifen. Schon jetzt ist die Idee, daß große Staaten das Recht haben, die nationale Souveränität kleinerer Staaten zu verletzen - also die Völkerrechtsdoktrin, an die auch die Nazis glaubten -, eine idée reçue in den Staatskanzleien der mächtigen Staaten des Westens geworden. Daß die Nationalsozialisten 1947 verurteilt wurden, weil sie die Legalität den Imperativen einer von ihnen als höher angesehenen Sache opferten, reicht offenkundig nicht aus, um Menschen davon abzuschrecken, sich heute eine vergleichbare Rechtfertigungsstrategie zurechtzulegen - selbst wenn, heute wie damals, ihre Entscheidungen in der Tötung unschuldiger Menschen resultieren.

      Aber warum sollte die nationale Souveränität von Staaten überhaupt verteidigt werden? Es gibt mindestens drei Gründe: Erstens ist es wünschenswert, daß die Welt in einzelne Rechtsprechungssysteme aufgeteilt bleibt. Alles andere wäre eine Weltdiktatur. Denn nirgends könnte man Zuflucht finden vor diesem Weltstaat, wenn seine Macht mißbraucht würde. Schon jetzt haben Politiker wie Tony Blair geäußert, es gebe keinen Unterschied zwischen Außenpolitik und Innenpolitik - was gleichbedeutend mit der Aussage ist, die Welt müsse einer einzigen politischen Autorität unterworfen sein.

      Zum anderen ist staatliche Souveränität die Voraussetzung für Demokratie und Gerechtigkeit im einzelnen Staat. Sie ist keine Option, sondern unvermeidlich: Bei jeder Form politischer Assoziation gibt es immer einen Punkt, an dem Macht unanfechtbar ist. Macht kann nur kontrolliert werden, wenn dieser äußerste Punkt deutlich erkennbar und dem Gesetz unterworfen ist. Gerechtigkeit jedoch ist die Ausgleichung konkurrierender Ansprüche von Bürgern: Diese Balance kann nur erreicht werden, wenn die Ansprüche in einem deutlich abgegrenzten Raum dargelegt werden. Weil die neue Weltordnung die Klarheit der Souveränität durch die Verschwommenheit abstrakter Moralität ersetzt, ist sie durch eine Ungleichheit der angelegten Maßstäbe gekennzeichnet. Staatliche Souveränität, in der Rechtsstaatlichkeit begründet, ist aber die unabdingbare Bedingung für die Geltung von Gesetzen.

      Und ferner beruht Rechtsprechung auf Gegenseitigkeit. Das Recht des Souveräns, Kriminelle zu verfolgen und zu bestrafen, ist Teil des Gesellschaftsvertrages: Es wird ausgeübt im Rahmen der Aufgabe des Souveräns, seine Bürger zu schützen, einer Garantie, für die er gewisse Dinge zurückbekommt, wie Gehorsam und Steuern. Die Einrichtung einer supranationalen Macht zur Verfolgung von Kriminellen, abgetrennt von allen anderen Aspekten der Staatlichkeit und folglich immun gegenüber jedweder politischen Verantwortung für die Folgen ihrer Entscheidungen, ist nicht der Anbruch einer neuen Ära der Legalität. In grotesker Weise wird vielmehr das Prinzip willkürlicher Machtausübung zum Status einer internationalen Norm erhoben. Und darum sollte diese neue Macht mit aller Entschlossenheit abgelehnt werden.

      Aus dem Englischen von Johan Schloemann.

      Der Autor ist Direktor bei der "European Foundation" in London und Verfasser des Buches "The Tainted Source: the Undemocratic Origins of the European Idea" (Warner Books).

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.05.2002, Nr. 106 / Seite 54
      Avatar
      schrieb am 08.05.02 18:07:34
      Beitrag Nr. 21 ()
      zu #20
      hi leary, die naja h2o auf meine mühlen - bin nicht im müller-busines tätig (hihi). der inhaltliche extrakt dieses artikels widerspiegelt exakt meine auffassung zu diesem thema wieder. der typ hat das ganze nur erheblich detailierter und natürlich in der `fachlich` korrekten sprache wiedergegeben.
      Avatar
      schrieb am 13.06.02 00:31:51
      Beitrag Nr. 22 ()
      nächste Stufe:


      SPIEGEL ONLINE
      12.06.2002
      ---------------------------------------------------------------------
      Internationales Strafgericht: US-Kongress droht Niederlanden mit
      Invasion
      ---------------------------------------------------------------------

      Parlament und Regierung in den Niederlanden sind empört: Beide Häuser
      des US-Kongresses haben einem Gesetz zugestimmt, das, falls
      amerikanische Bürger vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den
      Haag angeklagt werden, sogar die Invasion im Nato-Partnerland
      vorsieht.

      Von Steven Geyer, Washington

      Den vollständigen Artikel erreichen Sie im Internet unter der URL


      http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,200430,00.html
      Avatar
      schrieb am 21.06.02 00:56:17
      Beitrag Nr. 23 ()
      aus dem SPIEGEL:

      US-VORSCHLAG

      Weltgericht ja, aber nur für andere

      Die Vereinigten Staaten haben im Weltsicherheitsrat einen eigenwilligen Resolutionsentwurf eingereicht. Danach unterstützen sie die Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshof - aber nur, wenn Amerikaner davor Immunität haben. Ihre Forderung unterstrichen die USA mit einer Drohung an die Uno.

      Nicht für meine Amerikaner: US-Präsident Bush hält nichts von dem Internationalen Strafgerichtshof
      New York - Indirekt drohten die USA mit einem Rückzug aus Friedensmissionen der Vereinten Nationen, sollten sich die Uno ihrem Wunsch entgegenstellen. Der stellvertretende US-Botschafter Richard Williamson erklärte am Mittwoch in New York, Washington werde US-Bürger während Uno-Friedensmissionen nicht dem Zugriff des Strafgerichtshofs aussetzen.

      An dieser Haltung werde sich nichts ändern. "Die Quintessenz ist, dass die Vereinigten Staaten US-Bürger keiner Gefahr aussetzen werden." Der Schutz vor Festnahme und Verfolgung durch das Gericht soll sich nach dem Willen der USA auf alle Teilnehmer - auch Nicht-Amerikaner - an Missionen erstrecken, die vom Uno-Sicherheitsrat gebilligt wurden. Dies würde auch für die Teilnahme an Einsätzen wie in Bosnien und im Kosovo oder die Schutztruppe in Afghanistan gelten.

      Der Sicherheitsrat reagierte zurückhaltend auf den Vorstoß der USA. Der norwegische Uno-Botschafter Ole Peter Kolby erklärte, der Rat werde sich bemühen, auf die US-Bedenken einzugehen. "Ich weiß aber nicht, ob das möglich ist", fügte er hinzu. Der kolumbianische Botschafter Alfonso Valdivieso sagte, der Antrag der USA untergrabe den Geist und die Formulierungen des Vertrags zur Schaffung des Gerichtshofs. Der Direktor des Programms für Internationale Justiz der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Richard Dicker, erklärte, die USA versuchten nun, durch die Hintertür zu bekommen, was sie bei den Verhandlungen über die Schaffung des Gerichtshofs nicht erreicht hätten: eine Ausnahme für US-Bürger. `"Diese Art von Immunität widerspricht dem einfachsten Rechtsprinzip, nämlich dass das Gesetz für jedermann gleichermaßen gilt."

      Der 1998 in Rom ausgehandelte Vertrag wurde inzwischen von genügend Uno-Mitgliedsländern ratifiziert, um am 1. Juli in Kraft zu treten. Der frühere US-Präsident Bill Clinton hatte sich seinerzeit der Idee eines Internationalen Strafgerichts für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeschlossen. Das entsprechende Abkommen wurde während seiner Regierungszeit aber nicht mehr dem Senat zur Billigung vorgelegt.

      Clintons Nachfolger George W. Bush hatte sich von Anfang an gegen das neue Rechtsgebilde ausgesprochen. Die USA haben stets befürchtet, amerikanische Soldaten könnten dort aus politischen Motiven heraus willkürlich angeklagt werden. Die Befürworter des Strafgerichtshofs weisen jedoch darauf hin, dass der Vertrag dem Gericht nur dann die Rechtsprechung über Bürger eines anderen Staates einräumt, wenn dieser sich weigert, einem Verdacht nachzugehen.

      Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,201734,00.html
      Avatar
      schrieb am 29.06.02 19:58:28
      Beitrag Nr. 24 ()
      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.06.2002, Nr. 148 / Seite 1


      Ein uramerikanischer Wert

      Von Reinhard Müller


      Am Montag wird Wirklichkeit, was Regierung und Kongreß in Washington nicht akzeptieren wollen: Das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs tritt in Kraft. In Den Haag sollen demnächst Täter verurteilt werden, deren Verbrechen die Weltgemeinschaft als ganze betreffen. Völkermörder, Massenvergewaltiger und Folterknechte, seien sie Gefreiter oder General, Kompanie- oder Regierungschef, werden sich dann nicht mehr verstecken können. Soweit zunächst die Theorie. Denn erst im nächsten Jahr wird der Gerichtshof seine Arbeit aufnehmen und sich der Wirklichkeit stellen können. Doch schon mit Inkrafttreten des Statuts wird ein Traum vieler Völkerrechtler wahr, auf den nicht wenige Staaten seit Jahrzehnten hingearbeitet haben - auch Amerika.

      Die Vereinigten Staaten waren nicht nur maßgeblich am Nürnberger Kriegsverbrechertribunal nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligt. Sie traten zudem dafür ein, die damals entwickelten Grundsätze fortzuschreiben. Washington hatte sich auch auf der Staatenkonferenz 1998 in Rom engagiert, die das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs erarbeitet und verabschiedet hatte. Schon damals, während der Verhandlungen, hatten die anderen Teilnehmer amerikanischen Änderungswünschen immer wieder nachgegeben. 120 Staaten verabschiedeten schließlich das Statut; die Vereinigten Staaten und andere Länder, die noch weniger gute Gründe dafür hatten, das Statut abzulehnen, waren nicht darunter. Nachdem Präsident Clinton schließlich doch noch seine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hatte, waren vor allem die Europäer guter Hoffnung, die Supermacht doch noch ins Boot holen zu können.

      Diese Hoffnung trog. Unter Bush sind die Vereinigten Staaten zur offenen Konfrontation übergegangen: In einem völkerrechtlich einmaligen Akt erklärten sie, sie fühlten sich nicht mehr an die Unterschrift unter das Statut von Rom gebunden. Ein neuer Gesetzentwurf läßt sogar Raum für eine Befreiung amerikanischer Soldaten aus Haager Gewahrsam, sollten sie dort unter internationale Anklage gestellt werden.

      Wie läßt sich das erklären? Warum nennen einflußreiche amerikanische Senatoren und Abgeordnete den Gerichtshof ein Monster oder sprechen von einem Femegericht, von dem Schauprozesse gegen amerikanische Staatsbürger zu erwarten seien?

      Das ist ein Grund für die Ablehnung des Gerichts: Seine Gegner fürchten eine politisierte Anklagebehörde und ein Marionettentribunal. Doch die Wirklichkeit ist vielschichtiger, komplexer. Gewiß besteht die Möglichkeit, daß die Ankläger aufgrund einer Anzeige aus einem der vielen Länder tätig werden, in denen amerikanische Soldaten im Einsatz sind. Wenn es tatsächliche Anhaltspunkte für Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit gibt und ein aus Richtern besetztes Gremium zugestimmt hat, kann ein Verfahren eingeleitet werden. Doch die Vereinigten Staaten können eine Anklage abwenden, wenn sie den Vorwürfen selbst gerichtlich nachgehen. Der Gerichtshof wird nämlich nur tätig, wenn die Staaten dazu nicht willens oder nicht in der Lage sind. Er hat eine "Reservefunktion" und soll so der Abschreckung dienen. Zudem hat - auf Drängen Amerikas - der UN-Sicherheitsrat im Statut eine starke Stellung: Er kann zum einen dem Gerichtshof eine bestimmte Lage zur Untersuchung zuweisen. Zum andern kann er Verfahren zeitweilig blockieren. Und im Sicherheitsrat haben die Vereinigten Staaten als ständiges Mitglied ein Vetorecht.

      Doch geht es nur vordergründig um die Gefahr politischen Mißbrauchs, um die Sorge, Saddam Hussein könne den amerikanischen Präsidenten als Oberbefehlshaber einer Interventionsarmee in Den Haag zur Verantwortung ziehen lassen. Auch die Anstrengungen der Vereinigten Staaten, Immunität für ihre Soldaten bei multinationalen Einsätzen zu erreichen, deuten nur an, was aus amerikanischer Sicht wirklich auf dem Spiel steht: Demokratie und souveräne Staatlichkeit.

      Im Zuge der allgemeinen Begeisterung über Globalisierung, Multilateralismus und Weltinnenpolitik geraten tatsächlich wichtige Fragen in Vergessenheit: Fragen nach der Verantwortlichkeit gegenüber dem Bürger, nach der Legitimation internationaler Gremien, nach den Grenzen ihrer Rechtsetzungskompetenz. Die Warnungen amerikanischer Politiker vor einer Herrschaft nicht gewählter Bürokraten ähneln den Vorbehalten der Euroskeptiker gegenüber Brüsseler Beamten. Amerika will daher die Verfolgung schwerer internationaler Verbrechen nationalen Gerichten und Ad-hoc-Tribunalen überlassen, die der UN-Sicherheitsrat von Fall zu Fall einrichtet, so wie das bisher für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda geschah.

      Doch dieser Auffassung liegt ein traditionelles, vermutlich historisch überholtes Verständnis von Souveränität zugrunde. Der Internationale Strafgerichtshof hat (wie im übrigen letztlich auch die Europäische Union) nur die Rechte, die ihm die Staaten geben. Es kann gerade im nationalen Interesse liegen, sich auf die Wahrung gemeinsamer Werte vertraglich zu verständigen. Das haben auch die Vereinigten Staaten so gesehen, als sie internationale Verträge zum Schutz der Menschenrechte ratifizierten. Schon jetzt kann ein Staat seine Strafgewalt ohne Rücksicht auf den Tatort und die Nationalität des Täters ausüben, wenn sich die Tat gegen internationale Rechtsgüter richtet, die zu schützen alle Staaten ein Interesse haben. Kein Staat, der sich künftig ernsthaft um die strafrechtliche Verfolgung von Kriegsverbrechern bemüht, muß eine Einflußnahme des Internationalen Strafgerichtshofs fürchten. Es widerspricht zudem einem uramerikanischen Wert, Täter, die universelle Verbrechen begehen, nur in ausgewählten Fällen zur Verantwortung zu ziehen: Es widerspricht der Gleichheit vor dem Recht.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.06.2002, Nr. 148 / Seite 1
      Avatar
      schrieb am 01.07.02 16:02:27
      Beitrag Nr. 25 ()
      In Zukunft wird man leicht unterscheiden können, wer ein Schurkenstaat ist und wer nicht: Schurkenstaaten boykottieren den internationalen Gerichtshof und ratifizieren das Abkommen über den ICC nicht


      aus Heise telepolis von heute
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      USA und Israel boykottieren den Internationalen Gerichtshof

      Florian Rötzer 01.07.2002
      Heute tritt das Statut von Rom in Kraft, während die US-Regierung alles daran zu setzen scheint, eine globale Jurisdiktion auszuhebeln

      Nicht nur die USA, China, Russland, Indien, Pakistan, Saudi-Arabien, der Iran oder der Irak, auch Israel schätzt den Internationalen Gerichtshof ( ICC) nicht. Die israelische Regierung hat gestern entschieden, dem Vorbild der USA nachzugehen und das Statut von Rom nicht zu ratifizieren. Möglicherweise werde man auch die bereits geleistete Unterschrift unter das Abkommen wieder zurückziehen, wie dies die US-Regierung auch gemacht. Die hatte gestern, pünktlich zum Start des ICC, einen weiteren Schritt unternommen und im UN-Sicherheitsrat ein Veto gegen die Verlängerung der Bosnien-Mission eingelegt.

      Heute ist das Statut von Rom, der Vertrag über die Einrichtung des ICC, in Kraft. Damit können von heute an schwere Verbrechen wie Völkermord, Krfiegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit geahndet werden, wenn diese nicht von den nationalen Gerichten, die für die Beschuldigten zuständig sind, verfolgt werden. Der ICC ist der Auftakt für eine globale Jurisdiktion, die auch für die Mächtigen, die sich bislang hinter der Souveränität der Staaten verstecken konnten und aus diplomatischen oder politischen Gründen gedeckt wurden, den Zustand eines rechtsfreien Raums beendet.

      Wieviel Macht der ICC schließlich auch wirklich haben oder ob er ein Papiertiger sein wird, wird sich erst in Zukunft herausstellen. Bislang haben 73 Staaten das Statut ratifiziert, 139 haben es unterschrieben. Die vornehmlich auf Druck der USA eingebauten Sicherheitsmaßnahmen, die vor willkürlichen Klagen schützen sollen, lassen viel Freiraum, denn der ICC kann erst dann mit einem Verfahren beginnen, wenn der Staat, aus dem der Beschuldigte stammt, keine Anstrengungen unternimmt, den Klagen nachzugehen. Scheinprozesse an den nationalen Gerichten würden mithin genügen können, um den ICC auszuschalten. Voraussetzung für ein Einschreiten des ICC ist überdies, dass der Staat, auf dessen Boden die Straftaten begangen wurden, das Statut ratifiziert oder die Gerichtsbarkeit des ICC anerkannt hat, oder dass der Täter aus einem Vertragstaat stammt.


      Will die US-Regierung mit ihrem Vorgehen die globale Jurisdiktion aushebeln?


      Die US-Regierung unter Präsident Bush hat nicht nur in einem einmaligen Vorgang die Unterschrift unter das Statut von Rom wieder zurückgezogen, sondern auch den UN-Sicherheitsrat unter Druck gesetzt, eine Resolution zu verabschieden, in der allen an friedenserhaltenden Missionen im Auftrag der UN Beteiligten Immunität garantiert wird. Das wurde von den Mitgliedern des Sicherheitsrats bislang abgelehnt und hat auch bereits zu Verstimmungen zwischen den USA und Großbritannien, dem engsten Verbündeten, geführt. Allerdings haben die an der ISAF in Afghanistan beteiligten Staaten unter britischer Führung zu Beginn des Jahres für ihren Einsatz auch Immunität durchgesetzt. Von der US-Regierung angesichts des doppelten Maßstabs kritisiert, wurde dies als einmalige Schutzmaßnahme in einer unübersichtlichen Situation verteidigt ( Doppelter Maßstab?). Allerdings wurde US-Bürgern im Rahmen von US-Missionen von den jeweiligen Ländern in aller Regel bereits Immunität zugesichert, so dass der Eindruck sich verstärkt, dass es der US-Regierung mit ihrem Veto gegen die Verlängerung der Bosnien-Missionen ums Prinzip oder um die Macht geht.

      Von den Unterstützern des ICC erstaunlicherweise noch kaum hervorgehoben wurde das von Senat und vom Repräsentantenhaus verabschiedete und von der US-Regierung begrüßte Gesetz, das jede Mitwirkung am ICC verbietet und sogar den Präsidenten ermächtigt, zur Befreiung von Angeklagten alle Mittel bis hin zur militärischen Gewalt einzusetzen. Damit könnten nicht nur US-Bürger, sondern auch Angeklagte aus anderen Ländern, die für die USA von Interesse sind, eventuell sogar durch eine Invasion Den Haags, wo der ICC eingerichtet wird, vor der globalen Jurisdiktion "befreit" werden ( US-Bürger und Alliierte sollen auch mit Gewalt vor dem Zugriff des Internationalen Gerichtshofs geschützt werden).

      Die jetzt erfolgte Drohung, sich aus UN-Friedensmissionen und deren Finanzierung zurückzuziehen, macht nur noch einmal die Entschlossenheit der US-Regierung deutlich, sich keinen internationalen Regelungen unterwerfen zu wollen, um die absolute Souveränität zu wahren und frei gemäß der eigenen Interessen handeln zu können. Auch wenn die US-Regierung für ihr Veto gegenüber der Verlängerung der Bosnien-Missionen einen Aufschub von drei Tagen bis zum 3. Juli gewährt hat, ist der erneute Vorstoß, welche Folge auch immer entstehen wird, für die UN geradezu zerstörerisch - und soll er wohl auch sein. Die US-Regierung hatte nämlich europäische Vorschläge zurückgewiesen, die UN-Missionen noch besser rechtlich zu schützen und beispielsweise die Zuständigkeit des ICC für diese noch 12 Monate zu verschieben. Doch die US-Regierung scheint an Verhandlungen nicht interessiert zu sein und den Sicherheitsrat nur als Hebel für die Durchsetzung der eigenen Wünsche, beispielsweise für die Bekämpfung des "internationalen Terrorismus", zu benutzen.

      Gewährt der Sicherheitsrat allen an UN-Missionen Beteiligten Immunität, verliert der ICC automatisch an Legitimität. Das wäre so, als wenn nach nationalem Recht Polizisten Immunität genießen würden. Verweigern die übrigen Sicherheitsratmitglieder die von der US-Regierung geforderte Resolution, so ist nicht nur die Bosnien-Mission in Gefahr, auch wenn es vorerst nur um die Verlängerung des Polizeiausbildungsprogramms geht, an dem 1500 Menschen, darunter 46 US-Amerikaner, beteiligt sind. Die friedenssichernde Mission unter Leitung der Nato, an der 18.000 Soldaten, darunter 2.500 US-amerikanische, beteiligt sind, könnte zwar auch von der Nato ohne UN-Auftrag weitergeführt werden. Deutschland aber käme dann beispielsweise in Schwierigkeiten, weil es eine Mitwirkung nur unter der Bedingung eingegangen ist, dass die Mission von der UN beauftragt ist. Und weitergehend riskiert die US-Regierung, dass nicht nur weitere friedenssichernde Maßnahmen ausgehebelt werden könnten, sondern letztlich auch der Sicherheitsrat. Aber vielleicht zielt ja die Bush-Regierung auch letztlich darauf, die von den Konservativen in den USA ungeliebten Vereinten Nationen zu unterminieren. Wenn es tatsächlich nur um den Schutz der beteiligten US-Bürger ginge, könnte die US-Regierung die 46 Amerikaner einfach zurückziehen, ohne deswegen gleich die Mission platzen lassen zu müssen.


      Israel schließt sich an, weil Siedlungen in besetzten Gebieten als Kriegsverbrechen gelten


      Dem Vorbild der USA hat sich nun auch deren Schützling im Nahen Osten angeschlossen. "Gegenwärtig und in vorhersehbarer Zukunft" werde man sich am ICC nicht beteiligen und überlege, auch die Unterschrift wie die USA unter das Statut wieder zurückzuziehen. Die israelische Regierung hat damit den Rat des Generalstaatsanwalts Elyakim Rubinstein übernommen, der in einem Brief an das Kabinett geschrieben hatte:

      "Wir wissen nichts über das Gericht, was die Frage betrifft, wer die Strafverfolger sein werden, wer die Richter sein werden und wie sich diese verhalten werden. Es besteht die Gefahr, dass das Gericht politisiert wird, selbst wenn manche Staaten versuchen, dies zu verhindern. Zweitens enthält das Statut von Rom einen Paragrafen, der weitgehend gegen Israel hinsichtlich der Siedlungen gerichtet ist. Der Paragraf bezieht sich auf die Ansiedlung von Menschen in besetzten Gebieten, was als Kriegsverbrechen definiert ist."

      Auch Außenminister Rabin steht hinter der Entscheidung. Er kritisierte vor allem Belgien und Schweden scharf, die sich besonders stark für den ICC eingesetzt hatten. Dabei scheute er sich nicht, die Vergangenheit zu instrumentalisieren und dem Land vorzuwerfen, dass es sich nicht im Zweiten Weltkrieg dem Kampf gegen die Nazis angeschlossen habe. Überdies würden die Schweden nicht verstehen, was hier wirklich vor sich gehe: "Es ist unvorstellbar, dass ein Land über ein anderes im Hinblick auf eine Situation urteilt, die es nicht versteht." Belgien hielt Peres die Kolonisierung des Kongo im 19. Jahrhundert vor, aufgrund derer 10 Millionen Menschen wegen der Zwangsarbeit, an Hunger oder durch Erschießungen gestorben seien.
      Avatar
      schrieb am 12.07.02 11:11:55
      Beitrag Nr. 26 ()
      Ein großes Vermächtnis

      Amerikas Kampf gegen den Internationalen Strafgerichtshof / Von Dr. Claus Kreß

      Der Verfasser war Mitglied der deutschen Regierungsdelegation bei den Verhandlungen zum Internationalen Strafgerichtshof.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.07.2002, Nr. 159 / Seite 6

      Am 1. Juli 2002 hat der erste ständige Internationale Strafgerichtshof (IStGH) von Rechts wegen das Licht der Weltgeschichte erblickt. Damit kann es nach mehr als 100 Jahren Diskussion ernst werden mit der Androhung von Strafe für schwerste Verbrechen gegen Interessen der Völkergemeinschaft, wo auch immer und von wem auch immer sie begangen werden. Ernst ist es bereits jetzt den Vereinigten Staaten - sie wollen die nun möglich gewordene Zäsur in der Geschichte des internationalen Rechts verhindern. Dazu unternimmt die Weltmacht pünktlich zum glücklichen Ende der erstaunlich kurzen Geburtswehen des Weltstrafgerichts einen Frontalangriff auf den Neuankömmling. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen soll amerikanischen Soldaten Immunität von der neuen Gerichtsbarkeit garantieren. Dabei geht es im Hinblick auf den unmittelbaren Anlaß des Streits, den Bosnien-Einsatz, nur um Symbolik. Denn hier ist die Völkerstrafgerichtsbarkeit längst präsent: Der Jugoslawien-Strafgerichtshof ist auch für amerikanische Soldaten zuständig. Doch das amerikanische Verlangen geht weit über Bosnien hinaus. Es geht um eine kategorische Ausnahme für Amerika. Die soll gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit der Staatengemeinschaft durchgesetzt werden. Dazu sollen die Mitglieder des Sicherheitsrats, darunter das Vereinigte Königreich und Frankreich, einer Resolution zustimmen, die den von 76 Staaten ratifizierten und von 139 Staaten unterzeichneten Gründungsvertrag zum Internationalen Strafgerichtshof, das Statut, in einem Kernpunkt verändern würde. Dieses Ansinnen hat eine ungewöhnliche Reaktion des Generalsekretärs der Vereinten Nationen hervorgerufen: Er sieht die Autorität des Weltsicherheitsrats in Gefahr. Der Schein trügt nicht - bei dem Ringen um den Internationalen Strafgerichtshof geht es um die Grundfesten der internationalen Ordnung in der anbrechenden amerikanischen Völkerrechtsepoche.

      Die Bedenken
      sind nicht neu

      Den Vereinigten Staaten kann man nicht den Vorwurf machen, mit ihren Bedenken zu spät zu kommen. Vielmehr kulminiert derzeit eine Kontroverse, die bereits mit dem Zeugungsakt des Strafgerichtshofs ihren Ausgang nahm. Am 17. Juli 1998 wurde nach mehrjährigen Verhandlungen der Entwurf des Statuts zur Annahme vorgelegt. Die Vereinigten Staaten lehnten ab und stellten den Text zur nächtlichen Abstimmung der Staatenkonferenz. Unverbrämt verlangten sie damals exakt dasselbe wie heute: keine Zuständigkeit der internationalen Richter über ihre Soldaten ohne die Zustimmung ihrer Regierung. Nur sieben Staaten, darunter China und der Irak, stimmten mit Washington. 120 Delegationen votierten für den Kompromißtext, darunter außer Israel alle engen Verbündeten der Vereinigten Staaten.

      Zu einer Änderung der amerikanischen Haltung führte das nicht. Vielmehr hieß das Ziel nun, das Beschlossene nachträglich zu ändern. Juristischer Ansatzpunkt für den ersten Anlauf der Vereinigten Staaten war Artikel 98 des Statuts. Der Inhalt der komplizierten Norm ist in den Einzelheiten umstritten. Unhaltbar war jedoch die von den Amerikanern ersonnene "Auslegung". Diese wurde denn auch im Juni des Jahres 2000 von den in der Vorbereitungskommission für den Strafgerichtshof versammelten Staaten fast einmütig zurückgewiesen.

      Die nun begonnene zweite Offensive der Vereinigten Staaten setzt bei Artikel 16 des Statuts an; genauer: sie zielt darauf, diese Bestimmung auf den Kopf zu stellen: Nach Artikel 16 kann der Sicherheitsrat Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs suspendieren. Das ermöglicht die Vorschrift jedoch nur in Ansehung der konkreten Situation und auch dann nur mit der Mehrheit seiner Stimmen sowie bei ausbleibendem Veto. Nach der Vorstellung Washingtons dagegen soll jedes ständige Mitglied des Sicherheitsrats das Recht erhalten, Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs gegen eigene Soldaten zu verhindern.

      Formal scheinen die Erfolgschancen der Vereinigten Staaten, mit ihrer Vertragsänderung durchzukommen, jetzt besser als beim ersten Versuch. Denn die Diskussion ist in den Sicherheitsrat verlagert worden. Hier brauchen die Vereinigten Staaten lediglich neun Staaten, um eine Resolution zu verabschieden, sofern nicht ein ständiges Mitglied von seinem Vetorecht Gebrauch macht. Da ein Beschluß des Sicherheitsrats völkerrechtlichen Verträgen vorgeht, erscheint eine Überlagerung des Statuts denkbar. Dem Schein zum Trotz wäre die Rechtmäßigkeit der intendierten Sicherheitsresolution jedoch zweifelhaft: Nach Artikel 39 seiner Satzung handelt der Sicherheitsrat zur Wahrung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit. Inwiefern es zur Verwirklichung dieses Ziels erforderlich sein soll, amerikanischen Soldaten für alle Zukunft Immunität bei Friedenseinsätzen zuzusichern, ist nicht ersichtlich.

      Wie ist der diplomatische Frontalangriff der Vereinigten Staaten auf den Internationalen Strafgerichtshof zu erklären? Und warum unterstützt eine Mehrheit des Kongresses für den Fall der Überstellung eines amerikanischen Soldaten sogar den Vorschlag, unter Mißachtung des völkerrechtlichen Gewaltverbots zum militärischen "Befreiungsschlag" auszuholen? Sicher nicht, weil man die Grundidee des Völkerstrafrechts, Einzelpersonen für völkerrechtliche Verbrechen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, für falsch hielte. Denn es waren die Vereinigten Staaten, die dieser Idee mit Vision und Führungskraft zum Durchbruch verholfen haben. Sie haben den Präzedenzfall "Nürnberg" gesetzt, dessen vielleicht berühmtestes Vermächtnis folgende Erkenntnis ist: "Verbrechen gegen das Völkerrecht werden von Menschen und nicht von abstrakten Wesen begangen, und nur durch Bestrafung jener Einzelpersonen, die diese Verbrechen begehen, kann den Bestimmungen des Völkerrechts Geltung verschafft werden."

      In der Folgezeit hat sich die Haltung der Vereinigten Staaten zum Völkerstrafrecht nicht grundsätzlich verändert. Mitunter anzutreffende Thesen, wonach Nürnberg ein Irrweg war, weil Strafe im Fall von Angriffskrieg, Völkermord und Kriegsverbrechen weder der Gerechtigkeit noch - bei Verzicht auf Metaphysik - einem legitimen äußeren Zweck zu dienen vermöge, haben sich die Vereinigten Staaten nie zu eigen gemacht. Ganz im Gegenteil haben die Amerikaner die Kodifizierung der Nürnberger Prinzipien unterstützt und diese Prinzipien schließlich wieder aktiviert - auch der Präzedenzfall Jugoslawien ist maßgeblich von Washington angestoßen worden.

      Doch nun sollen vitale amerikanische Interessen der Fortsetzung dieser Linie entgegenstehen. Dabei richtet sich der Blick vor allem auf die Völkerstraftat der Aggression: Die globale Verantwortung Amerikas, so heißt es, gestatte es nicht, sich einem Gericht zu unterwerfen, das diesen Tatbestand zur Anwendung bringen könnte. Nun wird das Aggressionsverbrechen so lange kein Thema für den Internationalen Strafgerichtshof sein, wie sich die Vertragsstaaten nicht auf eine Definition einigen können - Skeptiker meinen, daß es nie geschehen wird. Aber diese Skeptiker mögen irren. Deshalb stellt sich für die Vereinigten Staaten natürlich die Frage, ob eine Aggressionsdefinition im Bereich des Möglichen liegt, auf deren Grundlage der Strafgerichtshof wegen einer humanitären Intervention vom Typ Kosovo 1999, wegen der Bekämpfung globalen Terrors vom Typ Afghanistan 2001 oder wegen einer gewaltsamen Verhinderung der weiteren völkerrechtswidrigen Aufrüstung mit Massenvernichtungswaffen vom Typ Irak 1998 zu ermitteln hätte.

      Doch die bisherigen Verhandlungen belegen zur Genüge, daß es unter den Vertragsstaaten des Statuts keine Mehrheit für eine Definition der Aggression gibt, die den Kernbereich des Angriffskrieges vom Typ Hitler oder Saddam Hussein verließe. Ein Konsens in Sachen Aggression nach dem Statut ist demnach auf absehbare Zukunft bestenfalls auf dem geltenden Stand des Völkergewohnheitsrechts denkbar. Und dieses entspricht nicht friedensbewegten Blütenträumen, sondern rechtfertigt unverändert die traurige Auszeichnung "schwerstes Verbrechen nach Völkerrecht", die der Nürnberger Strafgerichtshof dem Angriffskrieg verliehen hat.

      Daraus folgt: Wie auch immer man das Für und Wider zu der Frage beurteilen mag, ob die Vereinigten Staaten (und ihre Partner) in den Fällen Kosovo, Afghanistan und Irak gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot verstoßen haben - ein Angriffskrieg im Sinne des Völkerstrafrechts steht (entgegen einem in Deutschland verbreiteten Mißverständnis) in keinem der drei Fälle in Rede. Der neue Weltstrafgerichtshof zwingt die Amerikaner demnach nicht zum Verzicht auf das aus ihrer Sicht Unverzichtbare: die Option der militärischen Reaktion auf schwerste Menschenrechtsverletzungen durch eine Regierung, auf globalen Terror Privater und auf die atomare, bakteriologische oder chemische Bedrohung durch einen hartleibigen Aggressor.

      Die Definition
      von Kriegsverbrechen

      Bleibt die Sorge, das Statut könnte Washington daran hindern, die entsprechenden militärischen Operationen erfolgreich und ohne untragbare eigene Verluste durchzuführen. Dabei rücken die Kriegsverbrechen in den Mittelpunkt. Um genau zu sein: Das Gros der Kriegsverbrechen wie etwa die Ermordung oder Verstümmelung von Kriegsgefangenen, die Vergewaltigung von Frauen in oder die Vertreibung ethnischer Gruppen aus besetztem Gebiet muß Washington nicht fürchten. Denn die Streitkräfte Amerikas sind mit einer Praxis dieser Art Verbrechen nicht in Verbindung zu bringen, und die nie auszuschließende Exzeßtat eines einzelnen Soldaten wird der Strafgerichtshof nicht aufgreifen. Der kritische Blick der Vereinigten Staaten richtet sich denn auch nur auf diejenigen Kriegsverbrechen, die den Rand des strafbaren Bereichs der militärischen Kampfführung abstecken. Inhaltlich gilt jedoch auch hier, daß die Vereinigten Staaten mit den entsprechenden Verbrechenstatbeständen im Statut keinerlei Probleme haben, schließlich bestanden sie in Rom - zusammen mit den anderen führenden Militärmächten - in allen Fällen auf Formulierungen, die beim harten Kern des Völkergewohnheitsrechts verharren. Der Umfang der Strafdrohung im Statut entspricht daher im Ergebnis auch hier nicht pazifistischen Idealen, sondern der tristen militärischen Realität ziviler Begleitschäden: Die Strafdrohung setzt bei dem gegen ein militärisches Ziel gerichteten Angriff erst dann ein, wenn der Täter in dem sicheren Wissen handelt, hierdurch zivile Verluste in einem Ausmaß herbeizuführen, das in Ansehung des erwarteten militärischen Vorteils als "eindeutig unverhältnismäßig" bewertet werden muß.

      Diese hohe Anwendungsschwelle zeigt, daß beim sogenannten Recht im Kriege wie bei Gewaltverbot und Aggression zwischen völkerrechtlicher Unzulässigkeit eines Verhaltens und seiner Strafbarkeit nach dem Statut scharf zu trennen ist. Man nehme als Beispiel die völkerrechtlichen Bedenken, die unter dem Gesichtspunkt der bestmöglichen Unterscheidung von militärischen und zivilen Zielen gegenüber dem Grundkonzept der Luftkriegsführung der Nato im Fall Kosovo erhoben worden sind. Welches Gewicht diesen Bedenken auch beizumessen ist - keinesfalls hätten sie es vermocht, das Damoklesschwert einer Strafverfolgung durch den Weltstrafgerichtshof gegen die Nato-Staaten in Stellung zu bringen, denn das Kriegsverbrechen der nicht hinreichend diskriminierenden Kampfführung enthält das Statut nicht.

      Das Gewissen
      der Menschheit

      Dennoch befürchten die Vereinigten Staaten, ihre Soldaten könnten vor dem Internationalen Gericht angeklagt werden. Die amerikanische Regierung verweist darauf, daß das Urteil des internationalen Anklägers über die "eindeutige Unverhältnismäßigkeit" ziviler Schäden im Einzelfall strenger ausfallen mag als das amerikanische. Die Sorge ist womöglich geprägt von der Erinnerung an die privaten "Tribunale der Weltmeinung" in der Tradition des von dem Philosophen Bertrand Russell initiierten "Internationalen Tribunals zu Amerikanischen Kriegsverbrechen in Vietnam". Die "Spruchpraxis" solcher Tribunale taugt jedoch denkbar schlecht zu einer realistischen Prognose der künftigen Praxis des Strafgerichtshofs. Besser geeignet wäre der Untersuchungsbericht, der Carla Del Ponte im Hinblick auf die Kampfführung der Nato im Kosovo-Konflikt vorgelegt worden ist. Darin haben die Juristen des Jugoslawien-Strafgerichtshofs nüchtern festgestellt, daß das Verdikt der "eindeutigen Unverhältnismäßigkeit" eines konkreten militärischen Angriffs nach geltendem Völkerrecht auf krasse Fälle beschränkt und damit äußerst schwer zu fällen ist. Als fiktive Maßstabsperson für dieses Urteil wird zudem nicht der kriegskritische Moralist, sondern der "vernünftige Militärbefehlshaber im Gefecht" bezeichnet. An dem Untersuchungsbericht gibt es manches auszusetzen - das hier allein interessierende Signal ist aber ebenso klar wie richtig: Im Zweifel wird ein Internationaler Strafgerichtshof von dem Verdikt der "eindeutigen Unverhältnismäßigkeit" absehen, denn ein solches Gericht dient nicht der Klärung juristischer und moralischer Grenzfragen moderner Kriegführung, sondern der Verurteilung von evident strafwürdigen Handlungen, die "das Gewissen der Menschheit zutiefst erschüttern" (Präambel zum Statut).

      Diese durch und durch bescheidene Funktion des Völkerstrafrechts wird im Statut durch den Vorrang der nationalen Strafverfolgung noch zusätzlich abgesichert. Haben die Strafverfolgungsbehörden der Vereinigten Staaten in einem ernstlich problematischen Fall den Sachverhalt ermittelt und ihr Urteil "nicht eindeutig unverhältnismäßig" mit einer nachvollziehbaren Begründung gefällt, so strapaziert es die Vorstellungskraft auf das äußerste, daß die Juristen des Internationalen Strafgerichts dieses Urteil durch eine abweichende eigene Bewertung ersetzen werden. Wäre es anders, so hätten auch Frankreich und das Vereinigte Königreich das Statut nicht ratifiziert.

      Es fällt also schwer, die Kampfansage der Regierung Bush als die Verteidigung vitaler Interessen der Vereinigten Staaten zu begreifen. Näher liegt die Annahme, die amerikanische Regierung wolle den mit dem Strafgerichtshof verbundenen Anspruch minimaler internationaler Verhaltenskontrolle durch von Amerika nicht kontrolliertes Personal per se zurückweisen. Eine solche Haltung verdient keine Solidarität. Im übrigen kann man es wenden, wie man will: Es steht quer zur praktischen Vernunft, der Völkerstrafgerichtsbarkeit seit den neunziger Jahren über den Sicherheitsrat zum Durchbruch zu verhelfen, diese Entwicklung durch die vehemente Forderung und Förderung des internationalen Prozesses gegen Slobodan Milosevic konsequent zuzuspitzen, nur um dem Sicherheitsrat kurz darauf anzusinnen, die Anwendung des für diesen Angeklagten geltenden Rechts auf die Vereinigten Staaten durch den Strafgerichtshof verläßlich auszuschließen.

      Gleichzeitig wird damit das große Nürnberger Vermächtnis Amerikas ausgeschlagen, was auch Amerikaner an der Politik ihrer Regierung in dieser Angelegenheit verzweifeln läßt. Man denke an die Worte aus der Nürnberger Anklageschrift Robert Jacksons, "daß nach dem gleichen Maß, mit dem wir die Angeklagten heute messen, auch wir morgen von der Geschichte gemessen werden". Und man erinnere sich an die Einsicht, mit der der amerikanische Chefankläger der Nürnberger Folgeprozesse, Telford Taylor, sein Standardwerk über die Nürnberger Prozesse beschloß: "Das Kriegsrecht gilt nicht nur für mutmaßliche Verbrecher besiegter Länder. Es gibt keinen moralischen oder rechtlichen Grund, siegreichen Ländern Immunität gegenüber einer gerichtlichen Untersuchung zu gewähren. Das Kriegsrecht ist keine Einbahnstraße." Es scheint, als müßten die Freunde Amerikas diese hell leuchtenden Botschaften für einen geschichtlichen Augenblick gegen die amtierende Führung der Vereinigten Staaten wenden.

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      Der Verfasser war Mitglied der deutschen Regierungsdelegation bei den Verhandlungen zum Internationalen Strafgerichtshof.

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