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    Das Ende der Privatheit - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 29.07.03 21:20:18 von
    neuester Beitrag 31.07.03 22:00:11 von
    Beiträge: 17
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      schrieb am 29.07.03 21:20:18
      Beitrag Nr. 1 ()
      http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/322/15307/

      28.07.2003 17:55 Uhr


      Neue Landespolizeigesetze

      Das Ende der Privatheit

      Noch ist über den Lauschangriff nicht entschieden, und schon führen die Länder auch das vorbeugende Telefonabhören ein. Heribert Prantl

      (SZ vom 29.7. 2003) - Es gibt ein Wort, das immer öfter eigentlich Verbotenes möglich macht: Es heißt Prävention, also Vorbeugung.

      Mit diesem Wort haben die Amerikaner den Krieg im Irak begründet – zur Vorbeugung gegen den Terror. In Deutschland muss dieses Wort Prävention herhalten wenn es gilt, in Grundrechte einzugreifen:

      Die Bundesländer haben damit begonnen, in den Neufassungen ihrer Polizeigesetze den Beamten die vorsorgliche Telefonüberwachung (TÜ) zu erlauben – also das Abhören ohne konkreten Verdacht.

      Begründung: Prävention gegen Straftaten und Terroranschläge. Das Abhören soll erlaubt sein, nicht weil der Verdacht auf eine erhebliche Straftat besteht, sondern weil sich beim Abhören der Verdacht auf eine erhebliche Straftat ergeben könnte.

      Im CDU-regierten Thüringen wurde ein solches vorbeugendes Abhörgesetz (im Rahmen der Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes vom 20. Juni 2002) vor einem Jahr erlassen; es ging ohne große Widerstände und ohne bundesweites Medienecho über die Bühne; es gilt als „Pilotprojekt“ für die Ausweitung der Telefonüberwachung.

      Im CSU-regierten Bayern kam ein solches Gesetz im Frühjahr in den Landtag, stieß aber auf unerwartet großen Widerstand, wurde deshalb vorläufig zurückgezogen und soll nach der Landtagswahl im September erneut eingebracht werden.



      Pikanter Zeitpunkt
      In Niedersachsen hat sich die Koalition aus CDU und FDP auf die vorbeugende Telefonüberwachung geeinigt; die erste Lesung des Gesetzes im Landtag hat am 25.Juni stattgefunden.

      Fast genau so weit ist Rheinland-Pfalz; dort haben sich die Regierungsparteien SPD und FDP auch auf das Abhören ins Blaue hinein verständigt, ein entsprechender Regierungsentwurf vom 24.Juni wurde dem Landtag zugeleitet.

      In einer Vielzahl von Bundesländern laufen Vorarbeiten für ähnliche Gesetze.

      Da an den schon geltenden oder geplanten Polizeiabhörgesetzen fast alle Parteien beteiligt sind (nur Grüne und PDS fehlen), kann man sich darauf einrichten, dass in Bälde die Polizei in Deutschland flächendeckend eigene Abhörkompetenzen hat, die nur sehr wenig kontrolliert werden.

      Diese Bestrebungen laufen pikanterweise just in einer Zeit, in der Karlsruhe die Vereinbarkeit des großen Lauschangriffs, also der elektronischen Wanze, mit der Verfassung prüft – einer Abhörmethode, die höchst umstritten ist, deren rechtliche Voraussetzungen aber immerhin höher sind als diejenigen in den neuen Polizeigesetzen.

      Diese Gesetze stellen die Telefonüberwachung auf eine weitere, eine dritte Säule. Bisher dürfen Telefone abgehört werden im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nach den Paragrafen 100 a und folgende der Strafprozessordnung; die Polizei ist hier Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft.



      Vorbeugendes Abhörrecht für die Polizei
      Und es darf von den Geheimdiensten abgehört werden bei „Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates“ gemäß Artikel 10 Absatz 2 Grundgesetz.

      Mit den neuen Gesetzen kommt nun ein spezifisches polizeiliches Abhörrecht dazu – und zwar schon dann, wenn bestimmte Straftaten noch gar nicht begangen sind, aber die Polizei meint, dass bestimmte Personen sie begehen wollen.

      Die Polizei kann diese Vorverdächtigen und deren Kontakt- und Vertrauenspersonen abhören.

      Sie kann also auch die Gespräche der Vorverdächtigen mit Rechtsanwälten, Journalisten oder Geistlichen belauschen, die Gespräche mit all denen also, die im Strafprozess ein Zeugnisverweigerungsrecht haben.

      Dieses Recht, das beim Abhören im Rahmen eines Strafverfahrens noch Beachtung findet (selbst beim Großen Lauschangriff mittels Wanze darf das Gespräch mit dem Anwalt nicht aufgezeichnet werden) wird im bloßen Polizeiverfahren, in dem es noch nicht einmal einen richtigen Verdacht gibt, vom Tisch gewischt.

      Das heißt: Je geringer der Verdacht, umso hemmungsloser kann abgehört werden.

      Erfasst wird auch der gesamte e-mail- und Internet-Verkehr, erfasst wird auch „der Standort nicht ortsfester Telekommunikationsanlagen“; das heißt:

      Es darf von der Polizei festgestellt werden, wo sich eine Person aufhält, die ein Handy in der Tasche hat.



      Verabschiedung vom Fernmeldegeheimnis
      Der frühere Bundesverfassungsrichters Jürgen Kühling hat im „Grundrechte-Report 2003“ bitter diagnostiziert:

      „Das Fernmeldegeheimnis darf man als Totalverlust abschreiben.“Die neue Gesetzgebung ist so, als wolle sie diese Feststellung dick unterstreichen:

      Schon aufgrund der bisherigen bundesgesetzlichen Regelungen ist es so, dass (wie das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg festgestellt hat), die „Anordnungshäufigkeit“ in Deutschland dreißigmal höher liegt als in den USA; die richterliche Kontrolle der Telefonüberwachungen wird im Max-Planck-Gutachten für stark verbesserungsbedürftig gehalten wird.

      Von solch besseren Kontrollen findet sich in den neuen Länderpolizeigesetzen nichts.

      Im Gegenteil: Selbst der in der Praxis ohnehin schlecht funktionierende Richtervorbehalt wird noch durchlöchert. Im thüringischen Gesetz gibt es, wie das der Bürgerrechtler Jürgen Seifert formuliert, den „polizeilichen Selbstvollzug“.

      Im Gesetz heißt es nämlich: „Soweit lediglich eine Auskunft über die näheren Umstände der Telekommunikation erforderlich ist, kann bei Gefahr im Verzug der Leiter des Landeskriminalamts oder einer Polizeidirektion die Anordnung treffen.“

      An Warnungen in den laufenden Gesetzgebungsverfahren hat es nicht gefehlt:

      Bei der Anhörung im Bayerischen Landtag Ende Juni stieß das Projekt auf die geballte Ablehnung der beiden großen Kirchen, der Anwälte, der Notare, Ärzte und Journalisten, des obersten Datenschützers im Freistaat, Reinhard Vetter, sowie des Chefs der Staatsanwaltschaft beim Landgericht München I, dem Leitenden Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld:



      Bestehende Gesetze reichen aus
      Das geplante Gesetz sei überflüssig, gab der ohne Wenn und Aber zu Protokoll.

      Um Straftaten und Terroranschlägen vorzubeugen, wie CSU und Staatsregierung das geplante Gesetz begründen, seien die bestehenden gesetzlichen Regelungen ausreichend.

      Er kenne „keinen Fall“, wo den Strafverfolgungsbehörden die Hände tatsächlich gebunden gewesen seien.
      Die geballte Kritik aller Berufsgruppen verwundert nicht:

      Zum Kern der neuen Abhörgesetze gehört es, dass die Polizei vorbeugend die Kommunikationsverbindungen all der Personen abhören darf, die nach der Strafprozessordnung durch ein Zeugnisverweigerungsrecht geschützt sind. In Bayern sollen also etwa auch völlig unverdächtige Ärzte, Pfarrer, Drogenberater und Journalisten abgehört werden.

      Sie alle müssen damit rechnen, das die Polizei mithört, wenn sie mit ihren Problemfällen Kontakt aufnehmen. Das Zeugnisverweigerungsrecht ist damit ausgehebelt.
      Zwar sind solche Gesetze in Hamburg und im Saarland schon gescheitert. Angesichts des Pilotprojekts in Thüringen und der Gesetzesvorhaben in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Bayern sind aber neue Anläufe zu erwarten.

      Der Berliner Staatsrechtler Martin Kutscha bezweifelt, ob die Länder überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Telefonüberwachung haben: Die Telekommunikation gehört nämlich gemäß Artikel 73 Nummer 7 Grundgesetz zur ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes; die Länder berufen sich hingegen auf ihre Kompetenz in Polizeiangelegenheiten.

      Heinz Honnacker, Ex-Bundesverwaltungsrichter, früher Polizeirechtsreferent im bayerischen Innenministerium und Kommentator im Polizeirecht, sprach bei der Anhörung am 28.Februar 2002 im Thüringer Landtag von einer „ganz heißen Kiste“.

      Er gab sich zwar als großer Befürworter der Telefonüberwachung zu erkennen, gestand aber zu, dass die „Kompetenz nach wie vor ungeklärt“ sei. Und auch der frühere Berliner Innensenator Eckhard Werthebach (CDU) hatte deswegen „juristisch gewisse Probleme“.



      Lästige Statistik
      Der Verstoß gegen Bundesrecht ist ziemlich offensichtlich. Dagegen gibt es ein probates Mittel. Es findet sich in Artikel 93 Absatz 1 Nummer 2 des Grundgesetzes:

      „Bei Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht und Landesrecht mit diesem Grundgesetz“ entscheidet „auf Antrag der Bundesregierung“ oder „eines Drittels der Mitglieder des Bundestages“ das Bundesverfassungsgericht.

      Bisher war aber weder die Bundesregierung noch die rot-grüne Mehrheit im Bundestag bereit, ein Normenkontrollverfahren einzuleiten. Offenbar hat man gegen das schleichende Ende der Privatheit nichts einzuwenden.

      Die Bundesregierung will sogar die gesetzliche Vorschrift streichen, die bisher Transparenz bei der Telefonüberwachung gewährleisten soll:

      Die Telekommunikationsunternehmen haben eine Jahresstatistik über die bei ihnen angeordneten Überwachungsmaßnahmen zu führen. Diese Statistik soll nun abgeschafft werden.

      Sie ist aber die einzige Möglichkeit zu erfahren, wie viele einzelne Anschlüsse jährlich in Deutschland abgehört werden – weil die Statistiken der Landesjustizverwaltungen nur die Anzahl der Strafverfahren erfasst, in den eine TÜ angeordnet wird.

      In den vergangenen Jahren ist die Zahl der überwachten Anschlüsse, wie zuletzt die Konferenz der Datenschutzbeauftragten Ende März in Dresden moniert hat, um jährlich etwa 25 Prozent gestiegen. Vielleicht ist die Abschaffung der einschlägigen Statistik ja ein Ausdruck staatlicher Beschämung – nach dem Motto: Was man nicht mehr weiß, macht niemand mehr heiß.

      :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 29.07.03 21:29:18
      Beitrag Nr. 2 ()
      Was ich mich hier frage: Warum haben wir eigentlich eine Verfassung, die uns das Fernmeldegeheimnis garantiert?
      Und warum sorgt sich niemand darum, daß diese Verfassung auch eingehalten wird.
      Avatar
      schrieb am 30.07.03 07:48:42
      Beitrag Nr. 3 ()
      .
      es gibt mittlerweile soviele (technische) Möglichkeiten der Überwachung, daß einem Angst und Bange wird.
      Das schlimme an der ganzen Angelegenheit ist, daß diese technischen Möglichkeiten auch immer häufiger eingesetzt werden.

      Big Brother ist eigentlich nicht mehr zu verhindern .....
      Avatar
      schrieb am 31.07.03 18:05:12
      Beitrag Nr. 4 ()
      Es ist schön zu sehen, dass sich fast niemand daran stört total überwacht zu werden.

      :eek: :eek: :eek: :eek:
      Avatar
      schrieb am 31.07.03 18:10:40
      Beitrag Nr. 5 ()
      Sollen ruhig abhören! Habe nichts zu verbergen! Absolute Freiheit und absolute Sicherheit gehen nie zusammen - bedankt euch bei euren Freunden von El-Kaida!

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      schrieb am 31.07.03 18:12:12
      Beitrag Nr. 6 ()
      erst den Täterschutz einführen



      und dann über den Überwachungsstaat klagen




      typisch Sozis:confused:
      Avatar
      schrieb am 31.07.03 18:29:45
      Beitrag Nr. 7 ()
      Na gut, dann erzählt mal alle eure Telefonate der Öffentlichkeit, wenn ihr nichts zu verbergen habt. Einige werden intime Details bevorzugen, falls ihr welche habt, andere wie ihr Schand- oder Heldentaten vollführt habt, etc. Natürlich bevorzugt, wenn wir Name und Adresse wissen.

      :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes:

      Es ist schön jetzt auch noch ein Sozi zu sein.

      :laugh: :laugh: :laugh: :laugh:
      Avatar
      schrieb am 31.07.03 18:32:01
      Beitrag Nr. 8 ()
      :confused:


      was nimmst Du denn für Pillen?
      Avatar
      schrieb am 31.07.03 18:39:26
      Beitrag Nr. 9 ()
      @aufwachen
      Du hast ja wirklich liebreizende Postings. Passt echt knallhart zum Thema.

      :cool: :cool: :cool:
      Avatar
      schrieb am 31.07.03 18:42:30
      Beitrag Nr. 10 ()
      Wieso hat Blockwart so einen negativen Beigeschmack?

      Wenigstens waren die Häuser sauber, oder lagen die auch unter den Betten und saßen in den Volksempfängern.
      Avatar
      schrieb am 31.07.03 18:49:31
      Beitrag Nr. 11 ()
      Sollen ruhig abhören! Habe nichts zu verbergen!
      Na du bist ja ein armes Würstchen. Bei dir gibts überhaupt nichts privates???

      Übrigens dieses Argument, dass wer nichts zu verbergen hat auch nichts befürchten muss wird gern von Diktatoren benutzt, die ihr Volk überwachen.
      Avatar
      schrieb am 31.07.03 18:53:04
      Beitrag Nr. 12 ()
      @ kartoffelmaus:

      stell mal deine Kontoauszüge und Steuererklärung hier rein. hast doch nichts zu verbergen :p. ne Lohn/gehaltsabrechnung wäre auch nicht schlecht.

      Aber zumindest dein echter name incl. adresse sollte doch wohl drin sein :laugh:
      Avatar
      schrieb am 31.07.03 18:56:00
      Beitrag Nr. 13 ()
      punki,
      vor Vater Staat habe ich nichts zu verbergen, vor dir schon. Deshalb stelle ich meine Kontoauszüge hier nicht rein. Ich möchte deinen ungezähmten Sozialneid nicht wecken.
      Avatar
      schrieb am 31.07.03 19:17:05
      Beitrag Nr. 14 ()
      mal etwas erhellendes zur telefonüberwachung:


      "Fast jedes Abhören wird erlaubt"
      Interview CHRISTIAN RATH taz:

      Herr Albrecht, die Zahl der Telefonüberwachungen hat sich in Deutschland in den letzten Jahren knapp verfünffacht. Wie kommt das?

      Hans-Jörg Albrecht: Es ist richtig, dass immer mehr Telefonanschlüsse überwacht werden. Allerdings hat sich in Deutschland auch die Zahl der Telefone vervielfacht. Neben den Festnetzanschlüssen gibt es inzwischen auch 60 Millionen Mobiltelefone. Rechnet man die Zahl der Anordnungen auf Telefonüberwachung auf die Zahl der Telefone um, ist die Abhörqoute in den letzten vier Jahren sogar deutlich gesunken. 1997 waren von 10.000 Telefonen pro Jahr durchschnittlich 5 von einer Abhöraktion betroffen. Im Jahr 2001 sind es nur noch 3.

      Der Anstieg der Telefonüberwachung ist also gar nicht so dramatisch, wie es aussieht?

      Auch Kriminelle nutzen die neue Flexibilität des Telefonierens. Sie versuchen, Abhörmaßnahmen dadurch zu vermeiden, dass sie immer wieder die Handys oder den Anbieter wechseln. Deshalb gibt es im Verlauf polizeilicher Ermittlungen gegen eine Person oft Telefonüberwachungs-Anordnungen zu mehreren Anschlüssen.

      Werden also immer etwa gleich viel Personen an immer mehr Telefonen abgehört?

      Nein, die Zahl der Personen, deren Telefone abgehört werden, nahm im Lauf der letzten Jahre durchaus zu, aber eben lange nicht so stark wie die Zahl der betroffenen Telefone.

      Bei welcher Art von Ermittlungen werden heute zunehmend Telefone überwacht?

      Etwa zwei Drittel aller Abhörmaßnahmen beziehen sich auf Drogenkriminalität. Da beim Handel mit illegalen Gütern viel Koordination und Kommunikation erforderlich sind, ist hier auch die Anordnung von Telefonüberwachungen erfolgversprechend, vor allem seit Drogenhändler immer besser in die oft entlegenen Anbaugebiete telefonieren können.

      Politische Delikte haben doch auch viel mit Kommunikation zu tun …

      Nach unseren Untersuchungen spielt politische Kriminalität bei der polizeilichen Telefonüberwachung so gut wie keine Rolle. Die Abhörtätigkeit von Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst haben wir allerdings nicht untersucht.

      Wie sieht es bei den klassischen schweren Straftaten aus, also bei Mord, Totschlag, Vergewaltigung?

      Hier machen Abhörmaßnahmen meist wenig Sinn. Bis jemand am Telefon einen Mord gesteht, weil er sich aussprechen muss, da können Jahre vergehen. So lange kann die Polizei nicht warten. Schließlich ist die Auswertung abgehörter Telefongespräche sehr personalintensiv und damit auch teuer.

      Wie häufig sind Dolmetscher erforderlich?

      Im Drogenbereich ist das eher die Regel, denn hier operieren auch viele Gruppen aus dem arabischen, asiatischen und lateinamerikanischen Raum. Das erhöht natürlich die Kosten.

      Das Abhören selbst ist durch die Digitalisierung der Netze aber einfacher geworden?

      Das stimmt. Heute muss kein Tonband mehr mitlaufen - der Telefonanbieter überspielt der Polizei die abgespeicherten Datenpakete. Manches ist aber auch komplizierter geworden. Früher hatte die Polizei nur mit der Bundespost, einem Staatsunternehmen, zu tun. Heute gibt es dutzende private Anbieter, die ganz andere Interessen haben, als Zuarbeit für die Polizei zu leisten.

      Deutschland ist Abhörweltmeister, sagen die Kritiker seit Jahren. Stimmt das?

      Nein. In Kontinentaleuropa liegt Deutschland etwa im Mittelfeld. In der Schweiz, in Italien, sogar in Holland wird, umgerechnet auf die Bevölkerung, deutlich mehr abgehört, bis zum Doppelten des Umfangs in Deutschland.

      Wie konnte dann das Bild vom Abhör-Weltmeister entstehen?

      Da wurden wohl vor allem die Zahlen aus den USA zum Vergleich genommen. Umgerechnet auf die Bevölkerung wird bei uns etwa fünfzehnmal so viel abgehört wie in den Vereinigten Staaten.

      Warum ist man dort so restriktiv?

      Das ist einerseits eine Frage der politischen Traditionen. In den USA gilt die Privatsphäre mehr als in Europa, wo man eher dem Bild vom starken Staat anhängt, der zur Strafverfolgung auch mal in geschützte Räume eindringen muss. Andererseits gibt es in den USA jährliche Berichte über die Abhöraktivitäten des Staates. Das führt sicher auch dazu, dass weniger abgehört wird.

      Sollte es auch in Deutschland solche Berichte geben?

      Ja, das würde ich begrüßen. Bisher sind solche regelmäßigen Bilanzen nur beim großen Lauschangriff, dem Einsatz von Wanzen in Wohnungen, vorgesehen.


      Die Polizei darf nur abhören, wenn ein Richter es genehmigt hat. Wie effizient ist der Richtervorbehalt?

      Fast jede Abhörmaßnahme, die die Staatsanwaltschaft beantragt, wird auch genehmigt. Die Ablehnungsquote liegt im Promillebereich. Dabei übernimmt eine Stelle die Begründung von der anderen: Die Staatsanwaltschaft wiederholt die Ausführungen der Polizei und der Richter die Ausführungen der Staatsanwaltschaft.

      Das klingt nicht nach intensiver Kontrolle …

      Der Richter soll feststellen, dass die Telefonüberwachung nur als letztes Mittel zum Einsatz kommt. Bei komplexen Verfahren wie im Bereich der organisierten Kriminalität müsste er eigentlich mehrere dicke Aktenordner studieren. Eine solide richterliche Entscheidung würde da mindestens eine Woche benötigen. So viel Zeit hat kein Richter.

      Also wird einfach unterschrieben?

      Nein, ein Richter prüft den Sachverhalt schon einige Stunden, aber das genügt eben bei weitem nicht.

      Wie wird der Richtervorbehalt in den USA gehandhabt?

      Auch dort lehnen die Richter fast nie einen Antrag ab. Die geringe Bedeutung des Richtervorbehalts ist ein weltweites Phänomen.

      Wie kann man das ändern?

      In Dänemark gibt es ein interessantes Modell. Dort wird vor einer Abhörmaßnahme eine kleine Gerichtsverhandlung durchgeführt. Die Staatsanwaltschaft muss begründen, warum sie abhören will, und ein Anwalt vertritt demgegenüber die Interessen des Beschuldigten.

      ...der aber nichts von diesem Vorgang erfährt?

      Genau. Die Telefonüberwachung muss natürlich geheim bleiben, sonst kann man sie auch bleiben lassen.


      Wie erfolgreich sind die Abhörmaßnahmen denn aus Sicht der Polizei? Lohnt sich für sie der Aufwand?

      Ja, in einem ganz erheblichen Teil der Verfahren führt die Telefonüberwachung zu Erkenntnissen, mit denen sich kriminelle Strukturen aufklären lassen. In der Regel werden dabei aber nicht vergangene Straftaten aufgeklärt, sondern laufende illegale Geschäfte mitverfolgt und im Idealfall die "Geschäftspartner" bei Übergabe der Ware verhaftet.

      Wie häufig werden Abhörergebnisse vor Gericht verwendet?

      Relativ selten. Wenn die Täter in flagranti ertappt werden, kommt es darauf nicht mehr an. Auch wenn der Täter gesteht oder wenn die Abhöraktion gar nichts erbracht hat. Da Abschrift und schriftliche Übersetzung der mitgehörten Telefonate teuer sind, verzichtet die Polizei darauf, wenn möglich. Oft bietet die Telefonüberwachung aber wichtige Hinweise, die zu weiteren Ermittlungserfolgen führen.

      Es besteht also wenig Gefahr, dass vertrauliche Gespräche mit Unbeteiligten später in aller Öffentlichkeit vor Gericht verlesen werden?

      Das ist ziemlich selten. Aber zumindest die Polizisten können sich ihre private Seifenoper sichern, indem sie das Privatleben anderer Menschen mitverfolgen …

      Für so etwas haben die Strafverfolger keine Zeit. Da sorgen schon Vorgesetzte und Kollegen dafür, dass sich keiner zum Spaß den Familientratsch anderer anhört. Wenn eine Abhöraktion nichts Relevantes erbringt, wird sie oft sehr schnell wieder eingestellt.


      taz Nr. 7055 vom 16.5.2003, Seite 4, 217 Interview CHRISTIAN RATH
      Avatar
      schrieb am 31.07.03 19:43:09
      Beitrag Nr. 15 ()
      Zitat aus #14 der Ministerin Zypries:
      Das ist ziemlich selten. Aber zumindest die Polizisten können sich ihre private Seifenoper sichern, indem sie das Privatleben anderer Menschen mitverfolgen …

      Für so etwas haben die Strafverfolger keine Zeit. Da sorgen schon Vorgesetzte und Kollegen dafür, dass sich keiner zum Spaß den Familientratsch anderer anhört. Wenn eine Abhöraktion nichts Relevantes erbringt, wird sie oft sehr schnell wieder eingestellt.

      :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes:

      Wer schon mal mit Polizisten, Vertreter, Arbeitsvermittler etc. etwas privater zusammengesessen ist, weiss wie sowas läuft.

      Wer Kontakte hat, ...
      erfährt sofort wem die Autonummer xy gehört.
      erfährt wer derzeit arbeitslos ist.
      erfährt welche Medikamente verabreicht wurden.
      etc.

      Korrekt kann dies nur sein, wenn nach Abschluss der Ermittlungen (sollte es zu einem Gerichtsverfahren kommen, dann danach) jeder Betroffene einer Aufzeichnung seiner Gespräche erhält, samt Begründung, warum dies erfolgt ist.
      Avatar
      schrieb am 31.07.03 20:39:22
      Beitrag Nr. 16 ()
      Es sind wunderbare neue Gesetze !!!!!

      Nur wer etwas zu Verbergen hat der hetzt gegen die neue Sicherheit die unser Volk so nötig braucht !!
      Avatar
      schrieb am 31.07.03 22:00:11
      Beitrag Nr. 17 ()
      schmeissfliege,

      "Es sind wunderbare neue Gesetze !!!!!

      Nur wer etwas zu Verbergen hat der hetzt gegen die neue Sicherheit die unser Volk so nötig braucht !!"



      Falsch! Der Text muss so lauten:

      "Es sind wunderbare neue Gesetze !!!!!

      Nur wer etwas zu Verbergen hat der hetzt gegen die neue Staatssicherheit die unser Volk so nötig braucht !!"


      Ronald


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