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    Die EU , Russland und die GUS-Staaten - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 21.05.04 21:31:22 von
    neuester Beitrag 23.05.04 15:28:17 von
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      schrieb am 21.05.04 21:31:22
      Beitrag Nr. 1 ()
      Ungemütliche Aussichten

      Die Europäische Union und Russland sehen sich in Konkurrenz - und wissen doch, dass sie kooperieren müssen

      VON MARTIN WINTER (BRÜSSEL)

      Der mit Journalisten voll gepackt Saal erstarrt. Den Dolmetschern versagen die Worte. Vor ihren Augen und Ohren erbricht der Herrscher Russlands unflätig seine Wut. Bitteschön, wer unbedingt ein radikaler Islamist werden wolle, den lade er nach Moskau ein. Da werde man ihn so "beschneiden", dass ihm "nie wieder etwas wächst". Wladimir Putins Geduldsfaden war gerissen, als ein französischer Journalist nach dem Einsatz von Landminen in Tschetschenien fragte. Alles Terroristen da unten, belehrt der russische Präsident die Europäer. Terroristen, die auch Amerika, Europa und die Christenheit bedrohen. Russland als Bollwerk gegen das Anrennen der Islamisten, soll das wohl heißen. Aber die Europäer, die mäkeln nur wieder herum.

      Nun liegt dieser Ausbruch bereits achtzehn Monate zurück und ist weitgehend vergessen, weil man sich in den politischen Quartieren Europas rasch entschloss, die Affäre nicht als Selbstdemaskierung zu begreifen, sondern als einen normalen Fall momentan blank liegender Nerven. Und sprechen die Bilder von Putin mit seinem Freund Gerhard Schröder oder mit Jacques Chirac, Silvio Berlusconi und Tony Blair nicht die wirkliche Sprache der europäisch-russischen Beziehungen?

      Die Bilder täuschen. Hinter den glatten Fassaden der Gipfel, wie etwa dem am heutigen Freitag in Moskau und des Partnerschaftsabkommens von 1997, herrscht die Ödnis strategischer Fantasielosigkeit. In diesem potemkinschen Dorf aus europäisch-russischer Koproduktion zeigen sich bei genauem Hinsehen sogar die ersten Risse zuwiderlaufender Interessen, die in einem verbissenen Streit um Einflusszonen enden könnten, in einem kalten Krieg der neuen Art. Die beiden Mächte, die den alten Kontinent beherrschen, belauern sich, weil sie nicht wissen, was sie voneinander halten sollen. Aber was sie voneinander sehen, gefällt dem jeweils anderen wenig.


      "Die EU behandelt uns wie ein beliebiges Land", klagt ein hoher russischer Diplomat in Brüssel. Man schaue "von oben auf Moskau herab". Die Einreihung seines Landes neben etwa Moldawien oder Georgien in die allgemeine "Nachbarschaftspolitik" empfindet er als Affront. Das Auftreten der EU geht Moskau zunehmend auf die Nerven. "Arrogant im Ton" und streckenweise geradezu "barsch und provokativ" nennt Sergeji Karaganov schriftliche Auslassungen der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments zu Russland. "Jeder, der von uns verlangt, dass wir umgehend die Werte übernehmen, die Europa in den vergangenen Jahrzehnten unter Treibhausbedingungen im Schutz der Amerikaner für sich entwickelt hat, ist entweder gedankenlos oder ein gefährlicher Heuchler", schrieb Karaganov, Chef des Moskauer Instituts für Außen- und Sicherheitspolitik kürzlich in der International Herald Tribune. Da sei durchaus etwas dran, räumt ein europäischer Diplomat ein: "Manche von uns meinen halt, dass die Welt am europäischen Modell genesen soll."

      Elmar Brok, der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Europäischen Parlaments, versteht den russischen Ärger: "Den Europäern fehlt manchmal der Zugang zur russischen Seele." Was in diesem Falle nichts mit schwermütigen Wolgaweisen zu tun hat, sondern mit dem, was Brok das "Inferioritätsproblem" nennt. Den überempfindlichen Verlierern des Kalten Krieges geraten selbst vernünftige europäische Forderungen schnell zu Zumutungen. Freilich, manche Empörung über europäische Ansprüche soll nur eigene Unfähigkeit oder Unwilligkeit beim Erfüllen von Verpflichtungen kaschieren. Vieles von dem, was Brüssel von Moskau erwartet, ist auch nach russischem Eingeständnis notwendig, wenn das Land in der globalisierten Wirtschaft eine Rolle spielen und eine friedliche Nachbarschaft mit der EU pflegen will.

      Doch jenseits dieses Notwendigen liegt eine große Grauzone. Warum, fragen russische Diplomaten, sollen "wir alle unsere Strukturen denen der EU anpassen", wo "wir doch gar nicht Mitglied der Union werden wollen"? Genau hier aber liegt das Problem der EU. Dass Russland kein potenzielles Mitglied ist, gehört in der Union zum Konsens. Aber was das für die langfristigen Beziehungen zu dem großen Nachbarn bedeutet, darüber gibt es keine klaren Vorstellungen. Europas Reaktion auf Russland ist von Enttäuschungen geprägt und trägt zugleich missionarische Züge. Im Februar verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution, in der es scharfe Rügen wegen Tschetschenien und wegen der innenpolitischen Lage mit einem Bündel Ermahnungen kombiniert, wie Russland wieder auf den Pfad der Tugend zurückkehren kann. Als habe es die EU um ihre Siegerprämie betrogen, heißt es in dem Papier, dass "Russland nicht die Entwicklung genommen hat, die sich die internationale Gemeinschaft vorstellte". Darum müsse Moskau zu Korrekturen gezwungen werden.

      "Die EU kann die Entwicklungen in Russland beeinflussen, wenn sie schwierige Themen in klarer und entschlossener Weise mit Russland anspricht", heißt es in einem Papier der Kommission vom vergangenen Februar. Sieben frustrierende Jahre nach dem Abschluss des Partnerschaftsabkommens mit Moskau wollen die außenpolitischen Spezialisten der Kommission nun härtere Bandagen anlegen. Weil "die Russen zwar gerne als etwas Besonderes behandelt werden, sich aber nur selten an die Regeln halten", verfolgt die Kommission eine neue Linie: "Es werden nur noch Geschäfte auf Gegenseitigkeit gemacht", sagt ein hoher Diplomat in Brüssel. Und in einem vertraulichen "rolling document" soll die Verhandlungsstrategie mit Moskau auf dem Laufenden gehalten werden.


      Den Versuch der Kommission jedoch, Moskau mit einem einheitlichen "Aktionspapier" zu den vier vor Jahren verabredeten "gemeinsamen Bereichen" Wirtschaft, innere und äußere Sicherheit sowie Forschung und Entwicklung unter Druck zu setzen, kassierten die EU-Länder eine Woche vor dem Gipfel am heutigen Freitag wieder ein. Man setze da doch lieber auf eine Politik der "kleinen und konkreten Schritte".

      Zu einer Strategie geschweige denn der Vision einer gemeinsamen europäischen Zukunft baut sich das alles noch nicht zusammen. In einem Papier des europäischen Ratssekretariats hieß es darum im Februar auch ungewöhnlich selbstkritisch: "Russland mag ein schwieriger Partner sein, aber es ist offensichtlich, dass die EU bislang nicht fähig gewesen ist, ihre Ziele eindeutig zu bestimmen." Eines der wichtigsten darunter sei die Entwicklung einer "eigenständigen strategischen Partnerschaft" mit Russland.

      Doch die EU tut nichts, um diesen Anspruch mit Leben zu erfüllen. In ihrer im vergangenen Dezember beschlossenen Sicherheitsstrategie war Russland den 25 Staats- und Regierungschefs gerade einmal zweieinhalb Zeilen wert. Nach der Niederlage der Sowjetunion hat sich Europas Blick noch stärker nach Westen gerichtet, wo der "unersetzbare" Partner sitzt, mit dem man gemeinsam eine "gewaltige Kraft für das Gute in der Welt" bilden will.

      Kein Wunder also, dass Russland sich unangemessen behandelt fühlt, wenn es in der Sicherheitsstrategie der Union nur als "wichtiger Faktor für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand" firmiert. "Wir wollen nicht nur ein Lieferant für Öl sein", sagt ein russischer Diplomat mit Blick auf europäische Träume, sich mit Hilfe russischer Öl- und Gasquellen aus der Abhängigkeit von Arabien zu befreien: "Sondern wir wollen gleichwertige Partner sein."

      Eine Position, zu der auch Brok die Europäische Union drängt. Doch der fällt es schwer, sich an den Gedanken einer kontinentalen Balance zwischen sich selbst und dem zwar armen, aber an Rohstoffen reichen, bis nach Sibirien sich ausdehnenden und mit Atomwaffen gerüsteten Russland zu gewöhnen. Das hat zwei Gründe: Zum einen wird eine gemeinsame Russlandpolitik durch deutsche, britische und französische Alleingänge konterkariert. Zum anderen aber kollidiert die Idee einer Balance der zwei Mächte, die Europa beherrschen, mit dem Prinzip der EU, sich amöbenhaft auszudehnen - durch Aufnahme neuer Länder oder deren feste Einbindung in eine neue "Nachbarschaftspolitik". Die Europäer mögen das wohlmeinend als einen Export von Frieden begreifen, doch in russischen Augen nimmt das leicht Züge der aggressiven Expansion eines ökonomischen und politischen Systems an, um Russland entweder zu verändern oder zu isolieren.

      Gegen die Aufnahme der acht osteuropäischen Staaten am 1. Mai hatte Moskau zwar keinen Widerstand geleistet, weil es wusste, dass das zwecklos gewesen wäre. Die Neigung der EU, nun auch jenseits dieser Länder und bis hinunter in den Südkaukasus Staaten eng an sich zu binden, beobachtet man in Moskau aber mit wachsendem Misstrauen. Die Furcht, die EU könnte Russland an den Rand des Kontinentes abdrängen, ließ den Vater von Glasnost und Perestroika kürzlich zur Feder greifen. In der Financial Times warnte Michail Gorbatschow die EU einen Tag vor ihrer Erweiterung vor territorialem Übermut. Wer ein friedliches und starkes Europa wolle, der müsse auch "den beginnenden Prozess der Integration im Osten des Kontinents" willkommen heißen. Finger weg von Moskaus Politik, heißt das, aus Russland, Weißrussland, der Ukraine und Kasachstan einen "gemeinsamen Wirtschaftsraum" mit starken politischen Bindungen zu schaffen.

      Mag Moskau seine Politik auch als den richtigen Weg zu einer Partnerschaft unter Gleichen mit der EU bei der Beherrschung des Kontinents betrachten, in Brüssel werden Putins Schachzüge mit wachsendem Missbehagen gesehen. Hinter dem systematischen Aufkaufen ukrainischer Unternehmen durch russische Firmen vermutet Brüssel eine gezielte Politik Moskaus, die Ukraine-Politik der EU zu torpedieren. Nicht ganz frei von Nervosität wartet man im Hause von EU-Chefdiplomat Javier Solana auf die russische Reaktion im Zusammenhang mit einem verstärkten Engagement der EU in Georgien. Dass es sich nicht ungestraft herumschubsen lässt und dass es ein Gewicht hat, mit dem man tunlichst rechnen sollte, brachte Moskau der EU kürzlich auf subtile Weise in New York bei. Überraschend ließ Russland wenige Tage vor der Volksabstimmung in Zypern eine Resolution des UN-Sicherheitsrats dazu scheitern. Politisch war das fast ohne Bedeutung. Aber die Botschaft an Brüssel war klar: Nehmt unsere Kooperation nicht als selbstverständlich an. Wir haben unseren eigenen politischen Willen. Und vergesst nicht, wir haben immer noch eine Menge Macht.

      Zunehmend besorgt fragt sich darum die EU, wohin dieses Russland eigentlich treibt. Und wie man mit ihm umgehen soll. Zur Härte raten vor allem jene, die lange unter der Knute der Sowjetunion leben mussten. "Die russische Gesellschaft kennt den Kompromiss nicht", warnt der ehemalige ungarische Vize-Verteidigungsminister Istvan Gyarmaty vor Illusionen über sanfte Verhandlungstaktiken. Unter Putin verfalle Russland wieder in "seine alten Verhaltensweisen". Den vormaligen polnischen Verteidigungsminister Januzc Onyszkiewicz treibt sogar die Angst vor einem neuen, aggressiven Imperium im Osten um. Russland suche "die Herrschaft über Europa über die Energieversorgung". Die Methode des deutschen Kanzlers, die Probleme durch eine Männerfreundschaft mit Putin zu regeln, halten die beiden Osteuropäer für untauglich, ja für naiv. Aber auch sie sind sich uneinig darüber, was aus dem großen Nachbarn wird. Ein neues russisches Reich mit einem starken und autoritären Führer, glaubt Onyszkiewicz. Ein Staat, der unter seinen Problemen im Chaos versinkt, weil selbst ein starker Putin nichts gegen das soziale Gefälle, den demographischen Absturz, die rasante Ausbreitung von Aids und Drogen und gegen den Völkerwanderungsdruck aus Asien wird ausrichten können, sagt Gyarmaty. Imperium oder Chaos, eine ungemütliche Alternative für die EU.
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      EU-Russland

      Mit der Europäischen Union und Russland gibt es auf dem alten Kontinent zwei große politische Machtgeflechte.

      Vor allem nach der jüngsten Erweiterung der Union geht es in Brüssel um die zentrale Frage, zu welchem Gebilde sich Russland unter seinem Präsidenten Putin entwickeln könnte - vielleicht eher zu einem Imperium, das auf historisch gewachsene Bedeutungen zurückgreift, um ein Selbstverständnis zu finden; oder eher chaotische Verhältnisse, in denen Oligarchien der Wirtschaft den Ton angeben, ohne Probleme wie Aids in den Griff kriegen zu können?

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      Frankfurter Rundschau online 2004 Erscheinungsdatum 21.05.2004
      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/di…
      Avatar
      schrieb am 22.05.04 07:55:40
      Beitrag Nr. 2 ()
      Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG beschäftigt sich vor dem Hintergrund der Beitrittsverhandlungen Russlands zur Welthandelsorganisation mit dem Verhältnis des russischen Präsidenten zur Europäischen Union: "Putin, der den Beginn seiner zweiten Amtszeit als Inthronisierung zelebrierte, der offen einen autoritären Regierungsstil pflegt und den Staat in den Mittelpunkt rückt, sieht die Europäische Union als Mittel zu dem Zweck, Russland wieder stark zu machen. Die Europäische Union, zu der mittlerweile Länder gehören, die Moskau viel Skepsis und wenig Liebe entgegenbringen, ist sich nicht so recht im klaren darüber, ob sie ihr Verhältnis zu Rußland lieber auf Interessen oder auf Werte stützen will, ob sie den Entzug bürgerlicher Freiheiten anprangern soll oder was es wirklich heißt, eine strategische Beziehung zur alten Großmacht zu haben", stellt die F.A.Z. fest.


      Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg bemerkt mit Blick auf das Klimaschutzabkommen von Kyoto: "Putin braucht die Mitgliedschaft in der WTO, will er seine Wirtschaft aus der Abhängigkeit von den Bodenschätzen lösen und voranbringen. Weil Brüssel darum wusste, brachte es den Klimaschutz ins Spiel. Das hat zwar nicht direkt etwas mit der WTO zu tun, aber heute ist es üblich geworden, Dinge miteinander zu verknüpfen, die nicht verknüpft gehören: Das erhöht meist die Verhandlungsmasse. Der Welt wird es nützen, sollte das Kyoto-Protokoll durch Russland gestärkt werden bisher hat Putin die Unterschrift aus russischer Sicht stets klug verweigert, wohl wissend, dass dafür mehr zu haben ist als öffentlicher Beifall."


      Presseschau | Samstag, 22. Mai 2004 07:05 Uhr


      DEUTSCHLANDFUNK, die Presseschau (7.05 Uhr)
      http://www.dradio.de/presseschau/
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      schrieb am 23.05.04 15:25:47
      Beitrag Nr. 3 ()
      Die Ukraine rückt wieder von der EU ab

      Kiew will kein kaspisches Öl nach Europa pumpen - Zugeständnisse an Russland

      Kiew (APA) - Ein Projekt, mit dem sich in den vergangenen Jahren ganz Europa beschäftigte, steht kurz vor dem Aus: Die Pipeline, die kaspisches Öl aus dem ukrainischen Odessa ins polnische Danzig transportieren sollte. In der ukrainischen Regierung gewinnen diejenigen die Oberhand, die das Vorhaben mit Rücksicht auf russische Interessen verhindern wollen.

      "Die Europäische Kommission unterstützt dieses Projekt mit ganzer Kraft", sagte Loyola de Palacio, EU-Kommissarin für Energie und Transport, vor einem Jahr. Mitteleuropa sei zu sehr von einigen wenigen Öl-Produzenten abhängig, so De Palacio. Eine Pipeline von Odessa nach Danzig würde der EU eine dauerhafte Alternative zum russischen Öl garantieren. Bereits heute verarbeiten Raffinerien in Deutschland und der Slowakei kaspisches Öl, das wegen seines niedrigen Schwefelgehalts besser ist als sibirisches Öl. Doch der Schiffsweg über die Dardanellen ist gefährlich, die Türkei verlangt immer größere Auflagen für Transporte.

      Die Ukraine hat ihren Teil der Pipeline vor zwei Jahren fertig gestellt. Die Leitung führt von Odessa über 674 Kilometer auf schnurgerader Linie bis zur ukrainisch-polnischen Grenze bei Brody. Sie ist für eine Kapazität von mehr als neun Millionen Tonnen jährlich ausgelegt. Im Dezember vergangenen Jahres unterzeichneten die Vizepremiers von Polen und der Ukraine in Brüssel einen Vertrag über die Gründung eines Betreiber-Konsortiums. Im Jänner folgte ein Vertrag über den Weiterbau der Pipeline bis zum polnischen Plock. Bis zur Fertigstellung des polnischen Teils sollte das Öl von Brody aus auf der Schiene weiter transportiert werden.

      In den letzten beiden Wochen jedoch hat die ukrainische Regierung eine radikale Kehrtwendung vollzogen. Sie will nun dem Drängen Russlands nachgeben und die Pipeline in umgekehrter Richtung betreiben. Über sie würde demnach russisches Öl, das über Leitungen aus der Sowjet-Zeit nach Brody gepumpt wird, nach Odessa geleitet und dort verschifft. Insbesondere die russisch-britische Öl-Gesellschaft TNK-BP, die "Öl-Gesellschaft Tjumen", fürchtet die Konkurrenz durch das kaspische Öl und versucht von Anfang an, die Ukraine zu einem umgekehrten Betrieb der Pipeline zu überreden. Angeblich will sie dafür 90 Millionen Dollar jährlich bezahlen.

      Kiew begründet seine Kehrtwende offiziell damit, dass Kasachstan zur Zeit keine Verträge über Öllieferungen abschließen wolle. Dieser Grund dürfte aber nur vorgeschoben sein. Alexander Todijtschuk, bis vor kurzem Bevollmächtigter der Regierung für Öltransport, erklärt, er habe der Regierung verschiedene Vertragsentwürfe vorgelegt. Doch die Verantwortlichen hätten diese Vorschläge nicht weiter verfolgt. Todijtschuk wurde Anfang der Woche entlassen. Bereits im März entließ Präsident Leonid Kutschma seinen Energieminister Serhij Jermilow, der entschieden für die Lieferung von kaspischem Öl nach Polen eintrat.

      Der eigentliche Hintergrund ist, dass in der ukrainischen Regierung und in der staatlichen Öl-Gesellschaft "Ukrtransnaft" die nach Russland orientierten Kräfte die Oberhand gewonnen haben. Präsident Kutschma ist verärgert über die Haltung der EU gegenüber der Ukraine. Im Zuge der Osterweiterung habe die EU Russland große Zugeständnisse gemacht und sein Land dabei vergessen, sagte er kürzlich. Statt Angebote für eine Kooperation kämen aus Brüssel nur Mahnungen zur Einhaltung demokratischer Standards. Das Verhältnis erinnere ihn an einen Stierkampf, mit der EU als Torero und der Ukraine als Stier.

      Der ukrainische Ministerpräsident Wiktor Janukowitsch, der dem Donezker Industrie-Clan entstammt, ist zusätzlich verärgert über Polen. Bei der Privatisierung der Stahlhütte in Tschenstochau war das Donezker "Industrie-Bündnis Donbas" nicht zum Zug gekommen, obwohl es nach ukrainischer Meinung das beste Übernahmeangebot vorgelegt hatte.

      Auch langfristig vollzieht die Ukraine im Moment eine Abkehr von Europa. Im April ratifizierte das Parlament die Verträge zur Gründung eines "Einheitlichen Wirtschafts-Raumes" mit Russland, Weißrussland und Kasachstan. Sie sehen vorerst eine Freihandelszone zwischen den vier Staaten vor, vor allem Russland möchte das Bündnis in der Zukunft zu einer Zoll- und sogar einer Währungsunion erweitern.

      Im Westen reagierte bisher nur die amerikanische Regierung auf die ukrainische Kehrtwende. Die Ukraine verspiele damit die Gelegenheit, sich stärker in europäische Strukturen zu integrieren, sagte Steven Paifer, Mitarbeiter im State Department.

      2004-05-23 10:14:46


      http://news.tirol.com/politik/international/artikel_20040523…
      Avatar
      schrieb am 23.05.04 15:28:17
      Beitrag Nr. 4 ()
      Gorbatschow im FORMAT-Interview:

      `Europa ist ohne Russland nicht vollständig`

      Friedensnobelpreisträger über EU-Erweiterung und die Folgen der Globalisierung!

      Er ist der Mann, der Europa in den letzten Jahrzehnten wohl am nachhaltigsten verändert hat: Michail Gorbatschow brachte als letzter Staatschef der UdSSR mit seinen Reformprogrammen eine Lawine ins Rollen, die in der Implosion der Sowjetunion und der Auflösung des Ostblocks mündete. Heute engagiert sich der Friedensnobelpreisträger für Umwelt und Menschenrechte. Im FORMAT-Gespräch spricht er über die EU-Erweiterung und die Folgen der Globalisierung!

      Format : Herr Gorbatschow, am 1. Mai sind acht Staaten der EU beigetreten, die unter Ihrer Präsidentschaft noch kommunistisch waren und unter sowjetischem Einfluss standen. Wie haben Sie sich an diesem Tag gefühlt?
      Gorbatschow: Ich habe diesen Ländern meine Glückwünsche gesandt, und ich wünsche ihnen auch heute Glück. Das war ein sehr wichtiger Schritt.
      Format: Immerhin haben Sie den Prozess ja losgetreten.
      Gorbatschow: Nicht ich alleine, nein. Und ich hoffe und glaube, dass er noch nicht zu Ende ist.
      Format: Wie weit soll die EU Ihrer Vorstellung nach denn reichen?
      Gorbatschow: In eine echte Europäische Union gehört alles, was innerhalb der geografischen Grenzen Europas liegt. Also etwa auch die Ukraine, Weißrussland und Russland.
      Format: Gibt es in diese Richtung bereits Bewegung?
      Gorbatschow: Der Prozess ist im Gange – aber langsam. Noch vor einigen Jahren wären ja schon die jetzigen Fortschritte undenkbar gewesen. Ich habe auf einer Konferenz mit dem deutschen Bundeskanzler Helmuth Kohl einmal gesagt: Die EU sollte langfristig bis Russland reichen. Da ist der Kanzler mit all seinem Gewicht von seinem Stuhl aufgesprungen und hat gerufen: Moment einmal, was soll das, worüber sprecht ihr überhaupt? Die Europäische Union kann Russland nicht aufnehmen, sie ist noch lange nicht bereit dazu.
      Format: Und jetzt?
      Gorbatschow: Ich habe immer gesagt, Europa muss vereint werden, und da gehören auch Russland, Weißrussland und die Ukraine dazu. Jetzt ist ein wichtiger Schritt gesetzt worden – das Wirtschaftsabkommen dieser Staaten mit der Europäischen Union. Es ist ebenfalls am 1. Mai gestartet worden. Dieser Wirtschaftsraum, der sich hier mit der EU geeinigt hat, umfasst 80 Prozent des Gebiets der ehemaligen Sowjetunion – 220 Millionen Europäer leben hier. Das ist ein wichtiger Schritt, und diese Länder werden sehr gute Partner sein.
      Format: Sind die ehemaligen Sowjetrepubliken denn so nahe an Europa?
      Gorbatschow: Es kann hier durchaus zu einer engeren Zusammenarbeit kommen. Europa hat ein gemeinsames Schicksal. Die Ukraine, Weißrussland und Russland sind zutiefst europäische Staaten: Europa ist ohne Russland nicht vollständig. Sie sind auch sehr reich – die reichsten der ehemaligen Sowjetrepubliken, und intellektuell gesehen gibt es eine große Nähe. Zwischen Russland und Deutschland gibt es eine enge Verwandtschaft – das war schon in der Zarenzeit so. Jetzt gibt es zwar keinen Zaren mehr, aber dafür kommen die Russen nach Deutschland (lacht).
      Format: Wäre Russland wirtschaftlich bereit für die Europäische Union?
      Gorbatschow: Russland ist ein sehr reiches Land, mit unglaublichen Kapazitäten: Rohstoffe, Industrie, Landwirtschaft, Öl – wir haben das alles. Doch die sozialen Unterschiede sind viel zu groß, und das führt zu Spannungen. Sie müssen sich nur in Moskau umschauen – dort fährt ein Mercedes nach dem anderen vor den Luxushotels vor. Ich glaube, die Russen kaufen mehr Mercedes als die Deutschen. Und BMWs. Aber es sind noch wenige, die so reich sind, und sie konzentrieren ihren Reichtum.
      Format: Wie lange kann es dauern, bis Russland ein Teil der EU ist?
      Gorbatschow: Das wird noch sehr lange dauern. Denn diese Vereinigung kann nur eine Vereinigung von hoher Qualität sein, und das braucht Zeit. Ein russischer Dichter hat einmal in einem Gedicht geschrieben. „Es ist nur schade, dass in dieser wunderbaren Zeit, die da kommen wird, weder du noch ich leben werden.“ Ich werde das sicher nicht mehr erleben – und Sie wahrscheinlich auch nicht.
      Format: Ist das auch eine Vorstellung für eine neue Weltordnung? Ein starkes, vereintes Europa mit Russland?
      Gorbatschow: Ja, sicherlich, aber das ist nur ein Teil. Die Welt hat heute sehr viele Probleme. Wir leben in einer globalisierten Welt, und wir wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen. Nach Ende des Kalten Krieges hatten alle die Hoffnung, dass sich die Dinge von selbst regeln, aber die hat sich nicht erfüllt. Ich komme gerade aus Lateinamerika zurück: Dieser Kontinent steht kurz vor der Explosion. Wir müssen dringend eine neue Weltordnung finden, die diese Probleme in den Griff bekommt.
      http://www.networld.at/index.html?/articles/0421/30/82227.sh…


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