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    Die Bundestagsdebatte - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 06.12.02 14:02:54 von
    neuester Beitrag 07.12.02 13:11:13 von
    Beiträge: 9
    ID: 670.011
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      schrieb am 06.12.02 14:02:54
      Beitrag Nr. 1 ()
      "Als Helmut Kohl seinerzeit „blühende Landschaften“ versprach, hat er sich geirrt; aber er hat nicht gelogen. Als Gerhard Schröder sich im Sommer dieses Jahres kategorisch gegen Steuererhöhungen aussprach, hat er sich nicht geirrt, er hat gelogen. "

      Financial Times






      Rede von Guido Westerwelle am 04.12.2002

      Der FDP-Parteichef zum Haushalt des Bundeskanzleramtes
      Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war ein bemerkenswerter Schlussapplaus. Vier Abgeordnete der SPD sind sogar aufgestanden. Die müssen Sie sich merken!

      Es ist schon bemerkenswert: Normalerweise kann man an der Länge des Beifalls die Qualität einer Rede ablesen. Ist der Beifall lang, war die Rede gut. Bei Ihnen ist es aber genau umgekehrt. Seit Monaten ist zu beobachten: Je schlechter Ihre Reden sind, desto länger applaudieren Ihre Genossen,
      so, als wollten sie Ihnen ein bisschen Mut machen. Denn nachdem der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland etwas mehr als eine Stunde gesprochen hat, ist festzuhalten, dass Sie, Herr Bundeskanzler, zwei Drittel Ihrer Redezeit darauf verwandt haben, sich mit der Opposition auseinander zu setzen und sie zu beschimpfen. In der verbleibenden Zeit haben Sie nichts anderes gebracht als ein paar Allgemeinplätze. In Wahrheit ist diese Rede, die doch von Ihren Emissären als historische Rede angekündigt worden ist, sogar noch hinter Ihrer Regierungserklärung zurückgeblieben, die Sie hier vor wenigen Wochen abgegeben haben.

      Sie haben eine Sammelsuriumrede gehalten. Ihre Rede zeigt, dass Sie ausgebrannt sind und dass es Ihnen an Saft und Kraft fehlt.

      Sie haben am Anfang mit einer Heftigkeit auf die Opposition eingeprügelt, die mich prompt an ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe erinnert hat:
      Durch Heftigkeit ersetzt der Irrende, was ihm an Wahrheit und an Kräften fehlt.
      Das, was Sie heute gebracht haben, war sehr heftig, Herr Bundeskanzler.

      Was die Wahrheit angeht, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass uns während Ihrer Rede eine Meldung der Nachrichtenagentur dpa von 9.51 Uhr erreichte:
      Die Zahl der Arbeitslosen ist im November wieder über die Vier-Millionen-Marke gestiegen. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit waren 4 025 800 Menschen ohne Arbeit, 96 100 mehr als im Oktober und 236 900 mehr als vor einem Jahr.

      Von einem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland erwarte ich, dass er hier eine Konzeption vorträgt und uns mitteilt, wie das Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch Strukturreformen vorangebracht werden kann. Dazu sagen Sie aber nichts, Herr Bundeskanzler.
      Sie reden sich mit der Weltwirtschaft heraus.

      Diese Regierung hat keinen Faden; sie hat noch nicht einmal einen roten Faden. Das Problem ist, dass Sie keine Struktur und keine Konzeption haben.

      Sie erzählen uns etwas über Ihre Sicht zu Drogerien und Apotheken. Das ist zwar außerordentlich wichtig, aber das kann doch nicht allen Ernstes Ihre Antwort darauf sein, wie die demokratiegefährdende Massenarbeitslosigkeit wieder reduziert werden kann. Sie reden an den Menschen vorbei. Ihr Problem ist, Herr Bundeskanzler, dass Sie jetzt von Ihren Zitaten eingeholt werden. Sie haben zur Erheiterung des Hauses fünf Jahre alte Zitate von Herrn Glos vorgetragen. Bei Ihnen reicht es, fünf Wochen alte Zitate vorzutragen, um Sie in der Wirtschaftspolitik als Umfaller zu entlarven.

      Was haben Sie nicht alles versprochen! Sie wollten ? mit dieser Aussage sind Sie in den Wahlkampf gegangen ? die Steuern und die Schulden nicht erhöhen und die Abgabenbelastung auf einem stabilen Niveau halten. Nichts davon ist erfüllt worden. Es ist ja bemerkenswert, mit welcher Wortakrobatik Sie uns mittlerweile die Erhöhung der Abgaben schmackhaft machen wollen, ausgerechnet Sie, der noch im Sommer dieses Jahres gesagt hat, dass eine solche Politik in der jetzigen konjunkturellen Situation ökonomisch unsinnig sei und deshalb nicht in Betracht gezogen werde. Nein, Sie können sich mit dem Hinweis auf die Lage der Weltwirtschaft nicht beliebig herausreden. Das Problem in Deutschland ist nicht irgendeine konjunkturelle Krise. Sie hoffen und vertrauen darauf ? das ist in Wahrheit das Problem der Regierung ?, dass die Weltkonjunktur anspringt, indem die Vereinigten Staaten von Amerika strukturelle Maßnahmen beschließen und durchführen, die Sie in Deutschland ausdrücklich verweigern. Das ist Ihr großes Problem, Herr Bundeskanzler.
      Sie hoffen darauf, dass die Weltwirtschaft durch Wachstum in den USA in die Gänge kommt. Aber Sie sind nicht bereit, Ihren Beitrag zu leisten und auf die strukturellen Prozesse in Deutschland entsprechend zu reagieren.

      Wir haben in Deutschland nicht irgendeine Konjunkturkrise, sondern eine Krise der Strukturen. Wenn diese Wahrheit nicht von Ihnen und von der Regierung angenommen wird, dann wird es in diesem Winter 4,5 Millionen Arbeitslose geben. Arbeitslosigkeit ist ein schlimmes Schicksal für die Betroffenen und deren Familien. Dazu sagen Sie aber nichts. Sie sprechen stattdessen stundenlang über Herrn Glos und seine Zwischenrufe. Sie gehen auf das Problem der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht ein.
      Sie sind angeschlagen und ausgebrannt. So war auch Ihre Rede. Sie haben keine Ziele formuliert. Das ist das Problem Deutschlands.

      webmaster@liberale.de Wenn an der schlechten Situation in Deutschland allein die Weltwirtschaft bzw. die Weltkonjunktur schuld wäre, dann wäre es schlechterdings nicht erklärbar, warum Deutschland unter Ihrer Regierung ? das war früher nicht der Fall ? bei nahezu allen ökonomischen Daten zum Schlusslicht in Europa geworden. Das wird auch in diesem Jahr wieder so sein: Nach den Prognosen wird das Wirtschaftswachstum in Deutschland bei 0,4 Prozent, in Frankreich bei 1,1 Prozent, in Großbritannien bei 1,4 Prozent, in Griechenland bei 2,5 Prozent und in Irland bei 3,5 Prozent liegen. Das heißt, Deutschland ist das Schlusslicht beim Wachstum in Europa. Wenn an der schlechten Situation in Deutschland nur die Weltwirtschaft bzw. die Weltkonjunktur oder die „böse“ Globalisierung schuld wäre, dann müssten doch die anderen europäischen Länder zumindest in vergleichbaren Schwierigkeiten stecken. Aber in Wahrheit machen diese, ausdrücklich auch die sozialdemokratisch regierten, eine andere Politik. Ich möchte aus der Rede zitieren, die der britische Schatzkanzler am 5. November 2002 ? das ist also nur wenige Wochen her ? gehalten hat:
      Heute erläutere ich die radikalen Maßnahmen für mehr Wettbewerb, für weniger Bürokratie und für die Senkung der Unternehmenssteuern zur Förderung von Entrepreneurship, um die Unternehmenskultur in der britischen Wirtschaft zu erweitern und zu vertiefen.
      Sozialdemokratische Führer in Europa gehen also den Weg der ordnungspolitischen und marktwirtschaftlichen Erneuerung. Sie gehen dagegen den Weg der bürokratischen Staatswirtschaft. Das ist das Grundproblem unserer Republik.

      Mit was kommen Sie jetzt an? Sie kommen mit einer Steuererhöhung nach der anderen an.
      Es ist ja bemerkenswert, für welche Sprachverwirrung Sie in der laufenden Debatte sorgen. Das, was Sie vorgelegt haben, nennt sich Sparpaket. Seit wann handelt es sich um ein Sparpaket, wenn die Steuern, die Abgaben und die Schulden erhöht werden? Die Einzigen, die nach Ihren Vorstellungen sparen müssen, sind die Bürger.
      Herr Kollege Müntefering, Sie haben wörtlich gesagt ? das ist eigentlich eine freudsche Fehlleistung, die Ihre wahre Geisteshaltung ausdrückt ?:
      Weniger für den privaten Konsum - und dem Staat Geld geben, damit Bund, Länder und Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen können.


      Das ist der fundamentale Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik: Sie wollen Volkseigentum, wir wollen ein Volk von Eigentümern.

      Sie führen den Klassenkampf fort. Sie können nicht einmal mehr kaschieren, wie sehr Sie sich den Reformen entziehen, wie strukturunfähig die Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen ist. Das kann man den jüngsten Äußerungen von Herrn Stiegler, die uns gestern wieder beglückt haben, entnehmen. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich so etwas zitieren darf.
      Darf ich das zitieren, Herr Präsident?
      Präsident Wolfgang Thierse:
      Das ist schon zitiert worden.
      Dr. Guido Westerwelle (FDP):
      Dann darf ich es zitieren. Ich bin beruhigt.
      Da setzt die Bundesregierung eine Kommission zur Reform der Rentensysteme ein,
      und Herr Stiegler sagt dazu:
      Ich erwarte, dass die Professoren wie Herr Rürup uns nicht länger mit ihrer Ejaculatio praecox beglücken.

      (Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das müssten Sie aber kennen, Herr Westerwelle! Das ist das, was Ihnen im Wahlkampf passiert ist!)
      ? Ich möchte das jetzt nicht übersetzen, Frau Kollegin. Das wäre mir zu peinlich, Ihnen offensichtlich nicht.

      Weiter heißt es:
      Ich habe die Schnauze voll davon, dass wir vor unseren Mitgliedern und Wählern täglich den Kopf hinhalten müssen für dieses Professorengeschwätz.

      Damit entlarven Sie, warum Sie die Rürup-Kommission eingesetzt haben. Diese Kommission soll in einer Zeit das Richtige denken, damit Sie in derselben Zeit die Möglichkeit haben, weiter das Falsche zu machen.

      Sie müssten diesem Land eine ordnungspolitische Antwort geben, eine Antwort, die in der Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft liegt. Es ist nämlich Unfug zu glauben ? das ist Ihr typisches Denken ?, man müsse die Steuern erhöhen, damit mehr Geld in die Staatskassen kommt. Senken Sie die Steuern! Dann kommt mehr Geld in die Staatskassen. Ein Problem des Wirtschaftsstandorts Deutschland ist die zu hohe Steuer- und Abgabenlast.
      Steuersenkung ist das beste Beschäftigungsprogramm und nur über mehr Beschäftigung bekommen wir wieder gesunde Staatsfinanzen. So einfach ist das. Das machen uns die anderen Länder vor.

      Vereinfachen Sie das Steuersystem! Anstatt einen Vorschlag für ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem vorzulegen, fügen Sie lauter neue Steuern hinzu. Jahrelang hat die deutsche Politik überparteilich den Bürgerinnen und Bürgern gesagt, wir brauchen mehr private Zusatzvorsorge für das Alter.
      Baut mehr für eure Zukunft vor! ? Was passiert jetzt? Sie führen eine Steuer für diejenigen ein, die im Laufe ihres Lebens fleißig gewesen sind, die vorgesorgt, Wohneigentum geschaffen oder in Fonds angespart haben.
      Die Menschen haben das Geld, das sie für das Alter anlegen können, schon x-mal versteuert. Deshalb ist es ungerecht, eine weitere Steuer in Höhe der hier diskutierten 15 Prozent draufzusetzen, die Sie uns als Wohltat weismachen wollen.
      Lassen Sie mich auch noch auf die anderen Steuern zu sprechen kommen, zum Beispiel die Vermögensteuer. Das wird insbesondere für den Wahlkampf in Niedersachsen das entscheidende Thema werden. Was die Menschen vergessen und Sie ihnen vormachen, ist Folgendes: Als die Vermögensteuer seinerzeit vom Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärt worden ist, gab es in vollem Umfang eine Kompensation für die Länder.
      Jetzt will man die Kompensation vergessen und die Vermögensteuer wieder einführen. Ihnen fällt nichts anderes ein als eine neue Steuer, eine neue Subvention, ein neuer Paragraph. Das ist der falsche Weg. Die Vermögensteuer ist in Wahrheit keine Steuer gegen die Reichen. In zwei Dritteln der Fälle war es eine betriebliche Vermögensteuer. Wie wollen Sie einem Handwerksbetrieb, der über seinem kleinem Geschäft wohnt, erklären, das eine sei betriebliches und das andere privates Vermögen? Das ist an der Realität vorbeigedacht, Herr Eichel. So kann nur jemand reden, der noch nie eine Mark eigenständig erwirtschaften musste.

      Die Zusammensetzung Ihrer Fraktion – 75 Prozent Gewerkschaftsfunktionäre – spiegelt sich in Ihrer Politik wider. Sie ist ohne marktwirtschaftliche Vernunft, ohne wirtschaftlichen Sachverstand.

      Wir brauchen aber eine Politik, die sich bezüglich der sozialen Sicherungssysteme auf die Herausforderungen unserer Zeit einlässt.
      Wir haben gesehen, wie mit Kommissionsergebnissen umgegangen wird. Einen ganzen Wahlkampf lang durfte Herr Hartz für Sie reden. Einen ganzen Wahlkampf lang haben Sie das Hartz-Konzept als die Wunderwaffe zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit angeführt. Mittlerweile aber ? das ist noch nicht einmal eine Woche her ? verabschiedet sich Herr Hartz von dem, was Sie hier unter seinem Namen als Politik reklamieren. Von Hartz und den kostbaren Ansätzen im Sommer ist außer dem Namen nichts übrig geblieben.
      Es ist nichts davon übrig geblieben. Herr Hartz verabschiedet sich von dem, was Sie selber unter seinem Namen hier einführen.

      Wenn auf irgendjemanden das Wort „Strukturkonservativer“ zutrifft, dann mit Sicherheit auf Sie, Herr Kollege Mölle--, Herr Kollege „Münte-Möllemann“.

      Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte Ihnen dazu etwas sagen. Sie haben völlig Recht, wenn Sie dazu Zwischenrufe machen. Aber wenn ausgerechnet Sie dazwischenrufen, ist das wirklich ein starkes Stück.

      Wissen Sie, worin der Unterschied zwischen uns besteht? Bei Ihnen werden diejenigen, die eine Affäre haben, wie Herr Schlauch bei den Meilen oder wie manche bei der SPD im Rheinland, auch noch in die Regierung befördert. Wir ziehen die Konsequenzen. Das ist der Unterschied zu Ihnen und Ihrer Scheinheiligkeit in diesem Hause.
      Präsident Wolfgang Thierse:
      Herr Kollege Westerwelle, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Müntefering?
      Dr. Guido Westerwelle (FDP):
      Ja, sicher.
      Präsident Wolfgang Thierse:
      Bitte schön.


      Franz Müntefering (SPD):
      Herr Westerwelle, haben Sie inzwischen von Ihrem Schatzmeister auch die Kassen Ihrer Partei in den anderen Bundesländern untersuchen lassen oder nur die in Nordrhein-Westfalen oder sind Sie bereit, das zu tun?


      Dr. Guido Westerwelle (FDP):
      Ich beantworte Ihre Frage damit: Wie weit sind Sie mit Ihrem Gespräch mit Frau Wettig-Danielmeier?

      Lassen Sie doch solche Mätzchen! Wir haben alle unsere Probleme zu schultern, das ist wohl wahr.
      Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier geht es um die Frage, wie dieses Land vorangebracht werden soll. Daran merkt man übrigens auch, wie die Situation ist. Wenn Sie bei einer Debatte über die Zukunft unseres Landes mir als Gegner aus der Opposition nichts anderes entgegenzubringen haben als die innerparteilichen Klärungsprozesse, die wir in der Tat zu bewältigen haben, dann zeigt das, dass Sie nichts mehr im Köcher haben, was dieses Land voranbringen könnte. 0,0 ist bei Ihnen an Substanz zu hören.
      Ich möchte noch einmal auf den entscheidenden Punkt, die sozialen Sicherungssysteme, eingehen. Wir werden erleben, dass mit der Rürup-Kommission genau dasselbe wie mit der Hartz-Kommission passiert. Es wird das Richtige gedacht, es wird mit Sicherheit auch Hervorragendes aufgeschrieben, aber wie bei Hartz wird nichts davon übrig bleiben.
      Der Generalsekretär der Sozialdemokraten sagt mittlerweile, bei der Rente müsse gar nichts passieren, es könne alles so bleiben.
      Die Worte „die Rente ist sicher“ sind bekannt. Diese Aussage ist demjenigen, der sie gemacht hat, oft genug bitter aufgestoßen.

      Die Herausforderung unserer Zeit besteht aber darin, die Themen Beitragsstabilität, Rentensicherheit und Generationengerechtigkeit anzugehen. Keines dieser Ziele erreichen Sie mit Ihrer Politik, weil Sie sich bis heute vor wesentlichen Strukturfragen drücken. Das gilt zum Beispiel für die Frage der Lebensarbeitszeit. In Wahrheit geht es doch nicht um die Frage des gesetzlichen Renteneintrittsalters, sondern um die Frage des durchschnittlichen beruflichen Eintrittsalters. Wenn wir es schafften, die junge Generation, die bei uns im Schnitt vier bis fünf Jahre später als in vielen unserer europäischen Nachbarländer in den Beruf kommt, ein Jahr früher in den Beruf zu bringen, wären wir in der Lage, die Beiträge um 1 Prozent zu senken. Dazu hören wir von Ihnen kein Wort.

      Sie reden hier zwar über die Zukunft unseres Landes, aber Sie nennen keine Rezepte, wie man Arbeitslosigkeit bekämpft. Sie sagen auch nichts zur Bildungspolitik als der wichtigsten Zukunftsfrage unseres Landes. Sie gehen nicht auf die Strukturreform bei der Rente oder bei den sozialen Sicherungssystemen insgesamt ein. Sie eröffnen dazu nur ein paar Nebenkriegsschauplätze. Was uns die Regierung bietet, das ist konzeptionslos.
      Diese Konzeptionslosigkeit muss beendet werden. Sie werden in den nächsten Wochen eine noch größere Ablehnung Ihrer Politik in der Bevölkerung erleben. In Wahrheit fürchten Sie sich vor einer Revanche am 2. Februar 2003.
      Ein gegen Sie gerichteter Untersuchungsausschuss ist notwendig, damit die Wähler vor den Landtagswahlen sehen können, dass Sie vor einer Wahl abermals die Unwahrheit sagen ? das ist der entscheidende Punkt ?; denn die Mehrwertsteuererhöhung haben Sie längst beschlossen. Genauso waren die jetzt stattfindenden Steuererhöhungen vor der Bundestagswahl längst beschlossen.

      Ich komme auf die Außenpolitik zu sprechen. Was das ausländische Engagement unserer Bundeswehr angeht, versuchen Sie, eine überparteiliche Politik zu betreiben. Das ist richtig und soll an dieser Stelle in gar keiner Weise geschmälert werden, ganz im Gegenteil. In dieser Hinsicht haben Sie auch im letzten Jahr eine richtige Politik betrieben, Herr Bundeskanzler. Ich darf allerdings daran erinnern, dass Sie für diese richtige Politik stets mehr Unterstützung durch die Opposition in diesem Hause als durch die Mitglieder der Koalitionsfraktionen erfahren haben.

      Es ist eben nicht so, dass dieser Wahlkampf an unseren außenpolitischen Beziehungen spurlos vorbeigegangen ist. Zu den peinlichsten Momenten in der Außenpolitik zählte der Moment, als Sie beim NATO-Gipfel in Prag geradezu flehentlich um ein Lächeln und um einen freundlichen Händedruck von Herrn Bush vor den Kameras gebeten haben.

      Das wurde von Ihren Sprechern schon als Durchbruch zu gesunden deutsch?amerikanischen Beziehungen gefeiert. Wenn man einen mit einem Lächeln verbundenen Händedruck schon als Ausdruck der Funktionsfähigkeit der deutsch?amerikanischen Verhältnisse hochstilisiert, dann ist es um die Beziehungen zwischen der US?amerikanischen und der deutschen Regierung ganz schön schlecht bestellt.
      Auf diesem Feld ist eine andere Politik notwendig. Die Außen- und auch die Innenpolitik müssen mehr Linie haben.

      Ich glaube, dass viele Menschen erkennen können, dass Sie als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit Ihrem Finanzminister vor der Wahl bewusst die Unwahrheit gesagt haben und dass Sie dabei sind ? das bestätigen immer wieder sämtliche Ausrutscher aus Ihren eigenen Reihen ?, vor den Landtagswahlen selbiges noch einmal zu tun.
      Die „Financial Times“ schreibt zur Wahrhaftigkeit in der Politik heute Folgendes:
      Als Helmut Kohl seinerzeit „blühende Landschaften“ versprach, hat er sich geirrt; aber er hat nicht gelogen. Als Gerhard Schröder sich im Sommer dieses Jahres kategorisch gegen Steuererhöhungen aussprach, hat er sich nicht geirrt, er hat gelogen.
      Damit ist der Unterschied auf den Punkt gebracht. Man kann vor einer Wahl unterschiedliche Einschätzungen über die Entwicklung nach einer Wahl haben. Aber wenn man amtlich weiß, dass man zum Beispiel die Defizitkriterien nicht erfüllen wird, dann darf man vor der Wahl nicht amtlich die Unwahrheit sagen. Dass Sie das dennoch getan haben, kann nicht ohne Folgen bleiben. Dabei mitzuhelfen ist auch ein Beitrag zur demokratischen parlamentarischen Kultur.

      Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
      Avatar
      schrieb am 06.12.02 14:03:56
      Beitrag Nr. 2 ()
      Avatar
      schrieb am 06.12.02 14:13:04
      Beitrag Nr. 3 ()
      Das kann ich nur voll unterschreiben !!!
      Avatar
      schrieb am 06.12.02 14:17:20
      Beitrag Nr. 4 ()
      Manchmal frage ich mich, ob ich es mit unseren Politikern, welche die Geschicke unseres Landes lenken, mit erwachsenen Personen zu tun habe. Ein Kindergarten ist das-traurig aber wahr.:(
      Avatar
      schrieb am 06.12.02 14:38:44
      Beitrag Nr. 5 ()
      Auch ich habe die Rede von Westerwelle verfolgt und bin jedoch der Meinung, daß er sich
      völlig umsonst verausgabte. Es wird gegen eine BETONMAUER laufen mit seinen Vorstellungen,
      die sich mit meinen Vorstellungen von einem modernen Sozialstaat decken.

      Die SPD kann ihr "Terrain von der großen UMVERTEILUNG und ZUWENDUNG" an Bedürftige gar nicht verlassen!
      Es geht einfach nicht, da das Grundsatzprogramm dies nicht vorsieht! Ein "Aneinandervorbeireden" ist die
      zwangsläufige Folge!

      Wer mit dieser Regierung unzufrieden ist, sollte jede Bestrebung demokratischer Parteien zum Umsturz unterstützen!!
      DIE JUNGEN DANKEN ES UNS! Sie haben alle Zukunft noch vor sich!

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      Avatar
      schrieb am 06.12.02 14:39:01
      Beitrag Nr. 6 ()




      Gerhard Schröder



      Bundeskanzler

      Platz der Republik
      11011 Berlin

      gerhard.schroeder@bundestag.de




      Veröffentlichungspflichtige Angaben




      Landesliste Niedersachsen



      Lebenslauf


      Geboren am 7. April 1944 in Mossenberg; evangelisch-lutherisch; verheiratet.
      1951 bis 1958 Volksschule, bis 1961 Lehre als Einzelhandelskaufmann, 1962 bis 1964 Abendschule, Mittlere Reife, 1964 bis 1966 Kolleg des
      2. Bildungsweges mit Abitur. 1966 bis 1971 Studium der Rechtswissenschaften in Göttingen, 1971 erstes und 1976 zweites juristisches Staatsexamen.
      1976 Zulassung als Rechtsanwalt, 1978 bis 1990 selbständiger Rechtsanwalt in Hannover.
      Seit 1973 Mitglied der ÖTV.
      Seit 1963 Mitglied der SPD, 1978 bis 1980 Bundesvorsitzender der Jungsozialisten, seit 1977 Mitglied des Vorstandes und 1983 bis 1993 Vorsitzender des SPD-Bezirks Hannover, seit 1986 Mitglied des SPD-Parteivorstandes, seit Mai 1989 Mitglied des Präsidiums der SPD, Juni 1994 bis September 1998 Landesvorsitzender der SPD Niedersachsen. 1986 bis 1998 Mitglied des Landtages Niedersachsen, Juni 1990 bis Oktober 1998 Ministerpräsident des Landes Niedersachsen.
      Mitglied des Bundestages 1980 bis 1986 und seit 1998; seit 27. Oktober 1998 Bundeskanzler.
      Avatar
      schrieb am 06.12.02 14:42:44
      Beitrag Nr. 7 ()
      Da hat er aber eine tolle Rede der Spaß-Guido. Am besten fand ich diesen Satz:

      "Denn nachdem der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland etwas mehr als eine Stunde gesprochen hat, ist festzuhalten, dass Sie, Herr Bundeskanzler, zwei Drittel Ihrer Redezeit darauf verwandt haben, sich mit der Opposition auseinander zu setzen und sie zu beschimpfen. In der verbleibenden Zeit haben Sie nichts anderes gebracht als ein paar Allgemeinplätze."

      Der Teil der Rede, in dem der Guido konstruktive Vorschläge unterbreitet hat, dürfte gege NULL gehen. Ansonsten waren es auch nur Pöbeleien.
      Ich kann das aber verstehen. Wenn man seit 10 Wochen mit dem Thema Möllemann beschäftigt ist, hat man keine Zeit für die wirklichen Probleme. Und soweit ich mich erinnern kann, war die FDP in letzter Zeit ausschließlich mit der Bekämpfung Möllemanns in den Medien. Tja, der eine kann keine Regierung führen, der andere schafft es nich mal in seiner eigenen Partei, wollte aber Kanzler werden:laugh:
      Avatar
      schrieb am 06.12.02 14:45:25
      Beitrag Nr. 8 ()
      Thierri,
      könntest Du Dich in Zukunft etwas kürzer fassen, ich verfüge nicht über die Zeit eines Politiker.:laugh:
      Avatar
      schrieb am 07.12.02 13:11:13
      Beitrag Nr. 9 ()
      #887766......Ich kann es versuchen. Muß mich dann aber noch mit Herrn Westerwelle abstimmen. ;)


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