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    Das Menschliche im Menschen - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 27.11.04 20:31:49 von
    neuester Beitrag 23.01.05 15:00:20 von
    Beiträge: 98
    ID: 930.201
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      Avatar
      schrieb am 27.11.04 20:31:49
      Beitrag Nr. 1 ()
      Das Menschliche im Menschen

      Vorwort:
      Das ist ein Versuch, das Menschliche im Menschen zu beschreiben. Was der Mensch ist, ergibt sich auf vielfältigen Wegen.

      Biologisch: Wir sind das Produkt einer Evolution vom Tier zum Menschen. In jüngster Vergangenheit hat es Versuche gegeben, den grundsätzlichen Unterschied zwischen Mensch und Tier zu verwischen. Das hat seinen Sinn, um Mythen über das Menschsein zu entschärfen (wie das Vorhandensein einer Seele, göttliche Einteilung der Natur oder eine Herrschaft des Menschen über die Natur), aber es führt auch zu Mißverständnissen, etwa zu einer Vermenschlichung von Tieren, die dann zu Extremen führt, wie die Annahme bei PETA, es gäbe eigentlich gar keine Unterschiede, und das Töten von Tieren sei genauso Mord wie das Töten von Menschen. Wenn man die Evolution betrachtet, wird man finden, daß es hier in Wahrheit Hinweise gibt, daß ein wirklich qualitativer Sprung stattfand – irgendwann vor etwa 30.000, vielleicht sogar 50.000 Jahren.

      Psychologisch: Doch um diesen Sprung zu verstehen, muß man sich auch mit der menschlichen Psyche auseinandersetzen. Man muß sich fragen, wie menschliches Denken eigentlich funktioniert. Man wird dann verstehen, daß das menschliche Gehirn nicht einfach eine organische Rechenmaschine ist, sondern ein Organ, das viele Funktionen wahrnimmt, die sich beim Menschen ganz eigentümlich ergänzen. Freier Wille und menschliche Seele sind von einer Seite aus gesehen nur Illusionen, die sich in Experimenten ausschließen lassen, aber andererseits trotzdem nützliche Begriffe, weil sie Erfahrungen beschreiben, die wir im täglichen Leben haben.

      Sozio-historisch: Unser Menschsein äußert sich in unserer Zivilisation, in unserer technologischen Kultur. Sie ist nicht zwangsläufig entstanden, sondern beruht auf vielen Zufällen, die sich einem beim Studium der Geschichte erschließen.

      Wenn so viele Wissenschaftsgebiete zu berücksichtigen sind, dann wird die Beschreibung des Menschseins zur Mammutaufgabe, die ein ganzes Institut von Wissenschaftlern beschäftigt, und eine ganze Bibliothek mit langatmigen und komplizierten Büchern füllt. Doch als Schreibübung will ich versuchen, in allem die Oberfläche anzukratzen, und einen Überblick darüber zu geben, was man dazu finden kann.
      Avatar
      schrieb am 27.11.04 20:42:24
      Beitrag Nr. 2 ()
      Und das ist mein Plan dafür, was in den Thread hinein soll, wobei ich noch nicht weiß, wie weit ich in den nächsten Wochen kommen werde:

      Kapitel 1: Die Evolution des Menschen
      Seine Abstammung vom Tier - warum er entstand

      Kapitel 2: Sprache, Feuer, Werkzeuge
      Die Ablösung vom Tierischen - und warum vieles angeblich typisch Menschliche gar nicht so menschlich ist

      Kapitel 3: Der Beginn der Zivilisation
      Wie der moderne Mensch entstand - und warum der Neanderthaler eigentlich noch keiner war

      Kapitel 4: Warum es Hochkulturen gibt
      Eigentlich müßten wir noch alle Jäger und Sammler sein - warum sind wir es nicht?

      Kapitel 5: Technologie – eigentlich ein unwahrscheinlicher Weg
      Fast alle menschlichen Zivilisationen basieren auf Religion und dem Beibehalten hergekommener Sitten - nur in einem Teil Europas verhielten sich die Menschen seltsam


      Kapitel 6: Kein freier Wille
      Unser Gehirn ist ein zusammengesetztes Organ -und weder eine Rechenmaschine, noch der Ort, wo ein kleines Männchen in unserem Kopf sitzt. Trotzdem muß man über den freien Willen reden.

      Kapitel 7: Das Unmenschliche
      Manchmal wird uns vor uns selbst Angst. Dabei zeigt sich hier nur, wie wir eigentlich funktionieren.

      Kapitel 8: Zwei Arten: Mann und Frau
      Männer und Frauen scheidet mehr als nur Penis und Titten...

      Kapitel 9: Warum wir alleine sind
      Eigentlich müßten wir Spuren außerirdischer Intelligenzen gefunden haben. Verstecken sich die Außerirdischen vor uns? Oder gibt es sie einfach nicht?
      Avatar
      schrieb am 27.11.04 20:43:36
      Beitrag Nr. 3 ()
      Kapitel 1: Die Evolution des Menschen

      Evolution ist die Veränderung von Arten zur Ausnutzung der vielfältigen Überlebensmöglichkeiten in der Umwelt. Eine konstante Umwelt erfordert keine Anpassungsleistungen und treibt keine Evolution an. Klimaveränderungen in Ostafrika vor mehreren Millionen Jahren könnten hingegen die Umwelt so drastisch verändert haben, daß einige Tierarten dort erheblichem Anpassungsdruck ausgesetzt waren. So bedeutete etwa die wachsende Trockenheit, daß einige affenähnliche Wesen ihren bevorzugten Lebensraum von den spärlicher wachsenden Bäume in die sich ausbreitende Savanne verlegen mußten.

      Dummerweise findet man in den verschiedenen Fachbüchern unterschiedliche Ansichten dazu, was in welcher Reihenfolge geschah. Vielleicht erst bei der Gattung Australopithecus vor 4 Millionen Jahren, wahrscheinlich aber schon früher tauchten Primaten auf, die im Gegensatz zu den Vorfahren der Schimpansen aufrecht gingen. Und vermutlich lebten diese in mehreren Arten zur gleichen Zeit, die sich in der Art ihrer Nahrung etwas unterschieden. Der Streit geht vor allem darum, warum diese Primaten eigentlich aufrecht liefen. Konnten sie dadurch in der mit hohem Gras bewachsenen Savanne weiter sehen, indem sie sich oft aufrichteten? Hatten dadurch in jeder Generation jeweils die Primaten die besten Überlebenschancen und den meisten Nachwuchs, die sich am besten aufrichten konnten? Oder war der aufrechet Gang einfach die beste Möglichkeit, außerhalb des Schattens der Bäume nicht zuviel Sonne abzubekommen? Und warum brauchten Paviane, die ebenfalls in der Savanne lebten, sich nicht zum aufrechten Gang zu entwickeln? Es ist absurd, den Eindruck erwecken zu wollen, wir wüßten wirklich, wieso einige Primaten anfingen, aufrecht zu gehen. Vorerst wissen wir nur, daß sie es taten. Und damit fing alles an...
      Avatar
      schrieb am 27.11.04 21:02:33
      Beitrag Nr. 4 ()
      ... Diesen Thread wirst du dann aber wohl alleine bestreiten müssen ...:(
      Avatar
      schrieb am 27.11.04 21:06:19
      Beitrag Nr. 5 ()
      Willst du den w:o-Primaten wirklich was beibringen??
      Hier gibts viele, die gerne töten wollen, und etliche, die allen Ernstes glauben, dass Frauen aus einer männlichen Rippe entstanden sind!
      Vergiss es besser... :rolleyes:

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      Avatar
      schrieb am 27.11.04 21:47:45
      Beitrag Nr. 6 ()
      #1 for4zim

      gibt es deiner meinung nach diesen grundsätzlichen unterschied auch zwischen menschenaffen und menschen? und worin soll der bestehen?
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 00:04:24
      Beitrag Nr. 7 ()
      Der Grund für den aufrechten Gang ist meiner Meinung nach darin zu suchen, dass dadurch Vorderpfoten zu Händen wurden.

      Zwei Hände, die man beim Gehen benutzen kann, bieten große Vorteile - besonders für Arten die auf Wanderschaft gehen um neue Lebensräume zu erschließen.

      Gruß,

      CAH
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 00:04:47
      Beitrag Nr. 8 ()
      #44er zim

      ich hab auch ne Magnum, and read my lips: bevor du hier nicht sagst, wo du das Eingangsposting abgeschrieben hast, bleibt dir nur, bei Marc Aurel nachzuschlagen.

      Ansonsten: wichs woanders, aber bitte ins Taschentuch. (Wegen des Allzumenschlichen im Menschen) ;)
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 00:33:04
      Beitrag Nr. 9 ()
      marc aurel

      eine sehr guter lesetipp!
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 08:26:27
      Beitrag Nr. 10 ()
      Erst einmal sorry, daß ich gestern relativ früh Schluß gemacht habe. Ich lese aber immer auch später noch mal nach und versuche natürlich, Fragen zu beantworten.

      #6, strandpirat, ich denke, daß der grundsätzliche Unterschied zwischen dem modernen Homo sapiens sapiens und allen anderen Wesen, eingeschlossen dem frühen Homo sapiens bestand. Also nicht nur Menschenaffen, sondern auch den Frühmenschen, würde ich vom heutigen Menschen deutlich absetzen. Der Übergang zum voll bewußten, zur Zivilisation fähigen Menschen, bei dem alle Bereiche des Gehirns als Einheit im Bewußtsein zusammenwirkten, ist vielleicht vor weniger als 50.000, vielleicht vor 30.000 Jahren anzusetzen. Es ist schwierig, weil hier ein gradueller Prozeß vorliegt, aber erst das Endprodukt dieses Prozesses war der zur Zivilisation fähige Mensch, der eine neue Qualität gegenüber dem Tier erreichte, unter anderem auch dadurch, sich selbst in Frage stellen und sich selbt bewußt erfinden zu können. Damit greife ich aber weit vor, denn wenn man sich nicht damit beschäftigt hat, wie das menschliche Denken funktioniert, wird einem meine Behauptung weit her geholt erscheinen.
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 09:05:59
      Beitrag Nr. 11 ()
      #7, colouredanthouse, dies war tatsächlich eine der Theorien, die geäußert wurden. Das Problem dabei ist, daß die funktionsfähigen Hände schon da waren, bevor der Mensch gehen konnte. Die Hände des Menschen sind eigentlich immer noch die Kletterhände, die genauso auch Schimpansen oder Urang-Utans haben. Andererseits ist es keine hinreichende Bedingung für das aufrechte Gehen, daß man dann die Hände frei hat, um etwas zu transportieren. Die Frage ist nämlich, wozu man eigentlich etwas transportieren sollte? Anthropologen und Paläontologen haben sich da ziemlich einen abgebrochen. Sie mußten erst einmal den Fall konstruieren, daß Weibchen die Kinder länger betreuen mußten. Das mußten sie tun, weil die lange Abhängigkeit der Kinder von der Betreuung ermöglichte, ihnen länger etwas beizubringen - also konnte die Intelligenz wachsen. Der Haken bei der Sache: wo ist der Vorteil für das Weibchen, länger die Bälger auf der Tasche zu haben? Aber nur aufgrund dieser längeren Betreuung wäre es dann vorstellbar, daß sich letztlich die Lebensräume von Männchen und Weibchen auseinander entwickeln, weil die Männchen dann zum Nahrungssammeln ausgehen und die Beute mitbringen, während die Weibchen mit den Kindern im Nahbereich eines festen Lagers bleiben. Es ist aber später vermutet worden, daß dieses eher die Folge anderer Veränderungen bei den Vorfahren der Menschen war, aber nicht der Antrieb. Weil die Vormenschen sowieso schon aufrecht gingen, konnten sich ihre Hände weiterentwickeln und konnten sich die Lebensbereiche von Frauen und Männern trennen. Aber das könnte erheblich später stattgefunden haben. Wie gut wir damit z.B. nur die Lebensbedingungen des Australopithecus afarensis vor ca. 4 bis 2 Millionen Jahren beschreiben, der mal für einen Vorfahren des Menschen gehalten wurde, wissen wir nicht, weil hier aus Knochenfragmenten, die irgendwo angeschwemmt und dann unter Erde begraben wurden, sehr weitreichende Schlüsse gezogen werden. Noch schlimmer übrigens: viele glauben inzwischen, daß die verschiedenen Australopithecus-Arten, die gefunden wurden, alle keine Vorfahren des Menschen waren, sondern daß man den menschlichen Zeitgenossen der Australopithecinen noch finden muß.

      Was wir also zur Zeit nur vermuten können ist, daß vor ca. 5 oder 4 Millionen Jahren eine Reihe verschiedener affenähnlicher Arten lebten, die alle den aufrechten Gang entwickelt hatten, weil es aus irgendeinem Grunde günstiger in einem sich durch Klimaveränderungen änderndem Lebensraum war. Der Vormensch entwickelte sich weg von einer Art, die in Bäumen lebte zu einer Art, die durch die offene Savanne streifte. Dabei war der aufrechte Gang ein Vorteil. Und weil sich der aufrechte Gang entwickelt hatte, konnte sich die Lebensweise der Menschen weiter verändern. Seine Hände konnten geschickter werden, und er konnte eine hohe motorische Intelligenz entwickeln, etwa zum Behauen von Steinen. Aber auch da greife ich weit vor.

      Neben der motorischen Intelligenz mußte sich auch die soziale Intelligenz entwickeln. Der Vormensch mit seinem schwachen Gebiß, seinen fehlenden Klauen, seiner langsamen Fortbewegung, war Freßfeinden weitgehend ausgeliefert. Aber auch eine hohe Geburtenrate konnten die dadurch drohende hohe Sterberate der Vormenschen nicht ausgleichen. Der Vormensch, der nicht mehr im Schutz der Bäume lebte, konnte nur überleben, indem er in einem schützen Verband umherstreifte, der gut zusammenarbeitete. Das ergab dann einen Selektionsdruck dazu, ein immer sozialeres Wesen zu werden, das immer effizienter miteinander kommuniziert. Ich scheue mich nicht, die Anfänge unserer Sprache so früh zu legen, daß sie schon den Vorfahren des Homo ergaster, den Zeitgenossen des Australopithecus afarensis dienen konnten.

      Und wege nseiner vielen Schwächen konnte der Vormensch auch nur als Opportunist überleben. Mit seinem wachsenden Gehirn und seinem anstrengenden aufrechten Gang brauchte der Vormensch nicht nur pflanzliche Nahrung, sondern auch Fleisch. Dieses als Beute zu gewinnen, indem er Tiere riß, dürfte ihm schwer gefallen sein. Einfacher war es, wenn der Mensch lernte, das Verhalten anderer Tiere zu deuten, um so herauszufinden, wo ein Raubtier gerade Beute gemacht hatte, um ihm dann die Reste der Beute zu entreißen. Etwa in niedrigen Bäumen versteckte Beutereste von Leoparden. Oder Kadaver von Tieren, die Löwen zur Strecke gebracht hatten, die ihr Mahl beendet hatten und die man nun vor Hyänen und Geiern schützen mußte. Als Gruppe konnten Menschen durchaus andere Tiere vertreiben. Ihre gute Motorik konnte ihnen dann helfen, verwertbare Nahrung aus den Kadavern zu holen, etwa das Knochenmark. Die Bearbeitung von Steinen wurde dem Menschen immer nützlicher, um damit Fleisch zu schneiden, Knochen zu zertrümmern, harte Wurzeln und Samen zu zermahlen usw.

      Wie gesagt, viel davon ist nach wie vor nur Theorie, weil die fossilen Befunde aus der Zeit mager sind.

      Ein Buch, das meines Erachtens sehr gut die verschiedenen Fragen anspricht, ist Richard Leakey: Die ersten Spuren - Über den Ursprung des Menschen, Wilhelm Goldmann Verlag, München, 1997, ISBN 3-442-15031-0, damals als Taschenbuch unter 8 Euro. Der Originaltitel ist The origin of humankind, erschienen 1994 bei BasicBooks, New York.

      Worauf ich mich aber weitgehend stütze ist Steven Mithen: The Prehistory of the Mind, Thames and Hudson, New York, 1996, ISBN 0-500-05081-3.
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 09:07:52
      Beitrag Nr. 12 ()
      #8, ich muß Dich enttäuschen, aber ich verfasse meine Texte wirklich selbst und habe es nicht nötig, irgendwo abzuschreiben. Es kann auch durchaus sein, daß die Verfasser der Bücher, die ich zitiere, dezidiert anderer Meinung sind als ich.
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 09:12:18
      Beitrag Nr. 13 ()
      @for4zim

      Ich lese aber immer auch später noch mal nach und versuche natürlich, Fragen zu beantworten.

      -----------------------------------------
      beantworte doch mal #8





      :laugh::laugh::laugh::laugh:

      schönen Advent noch
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 09:21:30
      Beitrag Nr. 14 ()
      #13, habe ich doch. Ansonsten brauche ich auf offensichtliche pubertäre Pöbelei nicht einzugehen, nicht wahr?

      Dir auch einen schönen ersten Advent, Kontoinhaber.
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 09:26:23
      Beitrag Nr. 15 ()
      @for4zim ....

      #10 ... die Behauptung, dass die dem Homo sapiens vorangegangenen Urmenschenformen ausgestorben sind halte ich persönlich für schlichtweg falsch, zumindest ist dieses "primitive" Erbgut immer noch in unseren Genen enthalten...

      die einzelnen "Ausbrüche" kann man jederzeit und überall hier nachlesen...

      in wiefern der heutige Mensch nun intelligenter sein soll als z.B. der Neandertaler erschließt sich mir nicht ganz, wer seine Intelligenz dazu benutzt andere Völker ( die ja eigentlich zum gleichen Stamm gehören... ) zu bekriegen, wer fast alle Erfindungen ( wie z.B. die Kernspaltung.. ) .. nur in seiner grausamen und perversen Form zur Anwendung bringt, der ist in meinen Augen nicht unbedingt intelligent .... wir sind maximal auf dem Wege intelligent zu werden, und das würden wir ohne das Erbgut der Urmenschen niemals schaffen...
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 09:35:15
      Beitrag Nr. 16 ()
      ...für wie intelligent muß ich eigentlich Politiker halten die, nur für sich selbst natürlich, Atombunker bauen lassen um im Falle eines Atomkrieges zu überleben...

      wäre es je dazu gekommen hätten sie sich ja mindestens 50 Jahre darin aufhalten müssen um dann unbeschadet ( aber wahrscheinlich mittlerweile 100 Jahre alt) von vorn anfangen zu können, ohne Volk natürlich, aber wozu brauchen Politiker auch ein Volk...

      wie überheblich und verblödet müssen Menschen sein um ihr eigenes Leben so wichtig zu nehmen...
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 09:41:39
      Beitrag Nr. 17 ()
      Interessantes Thema, ein paar Kommentare:

      Biologisch: Es gibt viele Möglichkeiten den Mensch vom Tier zu unterscheiden. Für mich ist zwar Jagd und Nutztierhaltung (z.B. Rinderherden) als Nahrungsbeschaffungsmaßnahme in Ordnung, nicht aber Tierversuche an Säugetieren und Käfighaltung.

      Psychologisch: Zustimmung.

      Sozio-historisch: Vielleicht folgt aus Intelligenz + Leben in Gemeinschaft + Freizeit zwangsläufig Kunst und Fortschritt.

      Die Evolution des Menschen: sieht eigentlich alles ziemlich folgerichtig aus: Gemeinschaft, Intelligenz, aufrechter Gang waren vorteilhaft und konnten sich durchsetzen. Vielleicht waren die äffischen Vorfahren des Menschen physisch schwächer als z.B. Paviane und waren deswegen stärker auf Werkzeuggebrauch und Kooperation angewiesen.
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 09:51:20
      Beitrag Nr. 18 ()
      den heutigen Überlebenskampf mit der Natur werden wir als Homo Sapiens nicht überleben, dafür ist die Natur zu schlau und wir einfach zu dumm und egoistisch...

      der Natur ist bisher immer noch etwas eingefallen um sich gegen den Menschen zu wehren...

      irgend etwas haben wir wohl falsch verstanden bei den Worten " der Mensch mache sich die Natur untertan.... "...

      sollten wir es wirklich schaffen die Natur zu vernichten haben wir damit gleichzeitig unser eigenes Todesurteil ausgesprochen, wir wissen zwar alle dass man Geld, Kunststoffe und Designerklamotten nicht essen kann, aber den Gegenbeweis anzutreten haben wir bis heute nicht aufgegeben...
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 09:55:08
      Beitrag Nr. 19 ()
      Ich möchte mehr von shitane lesen, sie packt die wirklich heißen Eisen an :)
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 10:04:21
      Beitrag Nr. 20 ()
      @Sponsine .... :D :laugh: .... mit dieser Meinung stehst Du aber so ziemlich alleine in Wald und Flur.... :D ... ich denke bei mir ist noch überdurchschnittlich viel Erbgut des Neandertalers vorhanden...
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 10:19:13
      Beitrag Nr. 21 ()
      bei manch anderen hier ist überproportinoal das Erbgut des Home erektus vorhanden.... :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 10:21:53
      Beitrag Nr. 22 ()
      sorry für meine Rechtschreibung, es ist einfach noch zu früh für mich...
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 10:25:37
      Beitrag Nr. 23 ()
      Das macht doch nichts, shitane, ich find Rechtschreibfehler menschlich, vielleicht machen gerade sie das menschliche im Menschen aus :confused:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 10:37:17
      Beitrag Nr. 24 ()
      @Sponsine .... das ist dann aber einfach zu wenig zum überleben.... :D


      was den Menschen vom Tier unterscheidet ist m.E. unter anderem der Humor, die Möglichkeit sich ( wenn man denn wollte) mit einer gewissen Distanz zu betrachten, sich in bestimmten Situationen nicht zu wichtig und ernst zu nehmen .... und sich klar zu machen wie wenig intelligent wir doch eigentlich sind....

      das kann man aber nur wirklich, wenn man das ganze Erbgut der menschlichen Entwicklung im Kopf hat, daraus Rückschlüsse zieht was in die falsche Richtung gelaufen ist .... und die Möglichkeit nutzt Fehler zu korrigieren bevor es zu spät ist...

      da der Mensch aber ein Herdentier ist was einem Leithammel ständig hinterherläuft ( wie wir z.B. Amerika... ), solange wird das nichts...

      @for4zim, wenn ich Deinen Thread versaue sage es mir bitte...
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 10:42:28
      Beitrag Nr. 25 ()
      Aber viele Menschen entwickeln sich auch immer mehr zum Tier hin, zB ist für viele der Sex zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden, sobald sie ein "Männchen" oder "Weibchen" sehen, denken sie nur ans schnackseln, als gäbe es sonst nix auf der Welt :rolleyes:.
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 10:46:24
      Beitrag Nr. 26 ()
      ich sage ja, Homo erektus in seiner ausgeprägtesten Form...

      dafür ist dann der Verstand im Arsch.... :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 10:48:49
      Beitrag Nr. 27 ()
      da es mit unserem Verstand aber eh nicht weit her ist .... ist das vielleicht der einzige Weg " zurück zur Natur... "
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 10:51:54
      Beitrag Nr. 28 ()
      Oder: Viele Menschen benützen keine Zahnseide und tragen Fleischpaketchen vom letzten Steak oft wochenlang im kariösen Zahn mit sich rum und riechen wie ein Panter nach der letzten Fütterung. Was unterscheidet die vom Tier? :confused:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 10:58:31
      Beitrag Nr. 29 ()
      #28 ... Tiermütter kotzen auch oft mal ihr Fessen aus um ihre Kinder damit zu füttern, oder Tierkinder stochern im Mutterhals herum um sich dort Nahrung zu verschaffen... meine Güte wie pervers... :rolleyes:

      mit der Erfindung der Zahnseide oder Zahnbürste kann der Mensch doch wenigstens guten Gewissens seinen Artgenossen die Zähne zeigen...

      @Sponsine, wir kommen vom Thema ab...
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 10:59:41
      Beitrag Nr. 30 ()
      wir überlassen jetzt besser wieder den Wissenschaftlern das Wort...
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 12:11:00
      Beitrag Nr. 31 ()
      ....ich finde es übrigens ganz in Ordnung, dass die Gottesanbeterin so ein hässliches Tier ist....

      wie ich da jetzt drauf komme weiß ich zwar auch nicht, es schwirrte mir gerade so durch den Kopf...

      wie kommt der Mensch eigentlich auf Tiernamen frage ich mich manchmal...
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 12:23:13
      Beitrag Nr. 32 ()
      wie kommt man auf Namen wie Königstiger oder Königskobra ??? ... irgendein Entdecker dieser Tiere durfte wohl mal diese Namen vergeben .... und alle fanden es in Ordnung, oder haben sich damit abgefunden..... :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 12:26:41
      Beitrag Nr. 33 ()
      @for4zim bitte sag was dazu..... :cry:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 12:48:21
      Beitrag Nr. 34 ()
      mausel, ich bin nicht for4zim und antworte dir, denn steckt nicht ein for4zim in jedem von uns, will nicht jeder Mensch die Welt erklären und scheitert dann doch an banalem wie der Zahnseide oder der Gottesanbeterin, die weiss der Herrgott wer erfunden hat ? :confused:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 13:04:13
      Beitrag Nr. 35 ()
      #34 .... Du hast völlig recht irgendwie...

      wieso ist der Mensch über die Schwelle des Raubtieres nicht hinweggekommen .... eine meiner brennensten Fragen...

      es wäre ein Wohl für die Menschheit wenn wir uns mal irgendwann nichts mehr erklären müssten, sondern es eben einfach hinnehmen würden wie es ist ....

      aber dann wäre der Homo verblödius ja endlich befriedigt, welch schrecklicher Zustand..... :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 13:31:10
      Beitrag Nr. 36 ()
      Wenn sie mich immer antatschten in der Bar, kaum sassen sie neben mir schon hatte ich so eine haarige Pranke zwischen den Beinen :mad: Anfangs dachte ich, das sind aus dem Zoo abgehauene Schimpansen und streichelte zurück, aber dann soffen sie und fingen an zu sprechen, widerlich sag ich dir.:(
      Und von Zahnseide hatte bestimmt noch keiner was gehört:cry:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 13:35:28
      Beitrag Nr. 37 ()
      ja @Blondes, ich kann es Dir nachfühlen...

      allerdings hatte ich bei solchen Gelegenheiten bisher immer sehr viel Glück, ich ströme ein angsteinflößendes Hormon aus was mir alle Kerle vom Leib hält....

      P.S. ... wie komme ich jetzt eigentlich auf @Blondes ??? .... nimm es nicht so ernst @Sponsine, ich habe öfter solch blödsinnigen Eingebungen...
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 13:37:07
      Beitrag Nr. 38 ()
      Dabei bin ich auch noch blond, witzig, echt!:laugh:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 13:42:26
      Beitrag Nr. 39 ()
      ich bin auch blond @Sponsine, von der übelsten Sorte sogar, aber ich kann es nicht ändern ohne mich zu verfärben.... :D :laugh:

      Hilfe.... :cry:

      ich finde es echt verantwortungslos von dem Threaderöffner, sich hier nicht mehr zu melden..... :mad:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 13:45:09
      Beitrag Nr. 40 ()
      Sag bloss `Strassenköter blond`?:confused:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 14:08:32
      Beitrag Nr. 41 ()
      was den Menschen vom Tier unterscheidet ist m.E. unter anderem der Humor,

      Soll das eine gemeine Anspielung auf den Threaderöffner sein? :confused: :D


      da der Mensch aber ein Herdentier ist was einem Leithammel ständig hinterherläuft ( wie wir z.B. Amerika... ), solange wird das nichts...

      Dann kommt ja bald der Kreationismus zu uns rüber und dieser Thread wird gesperrt. :cry:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 14:18:54
      Beitrag Nr. 42 ()
      Kapitel 9: Warum wir alleine sind
      Eigentlich müßten wir Spuren außerirdischer Intelligenzen gefunden haben. Verstecken sich die Außerirdischen vor uns? Oder gibt es sie einfach nicht?


      Vielleicht gibt es ja genug Spuren nur wir sehen sie einfach nicht oder interpretieren sie falsch. Entweder sind uns Außerirdische Millionen von Jahren voraus, dann könnten sie aufgrund ihrer überlegenen Technologie für uns wirklich "unsichtbar" sein. Oder aber sie sitzen noch auf ihrem Planeten fest und hauen sich noch gegenseitig mit der Keule eins auf die Rübe. :D Dann kriegen wir auch nichts von ihrer Existenz mit, es sei denn wir würden auf ihren planeten fliegen. Aber das können wir ja noch nicht. Bis heute hat kein Mensch einen anderen Planeten betreten. Das Weltraumzeitalter ist gerade mal 50 Jahre alt und einige sind so Vermessen zu behaupten wir wären die einzige intelligente Lebensform im Universum. :rolleyes:


      Aber an sich ist dieses Thema ja noch lange nicht an der Reihe in diesem Thread. :look:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 16:28:32
      Beitrag Nr. 43 ()
      #40 ... genau... strassenöterblond....

      lange Jahre habe ich es ja überfärbt, aber ich habe seit einiger Zeit absolut keine Böcke mehr dazu....
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 16:29:57
      Beitrag Nr. 44 ()
      strassenköterblod .... ich liebe Strassenköter.... weniger bei mir als bei anderen...
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 16:35:06
      Beitrag Nr. 45 ()
      :laugh:

      Ja, Fuller81, wir greifen in der Tat gewaltig vor.

      shitane (mausel? das hatte ich noch gar nicht mitbekommen...) und Sponsine haben ja schon nett die Pause ausgefüllt, wenn shitane auch leider gutes Benehmen und Moral mit Intelligenz verwechselt. Diese Dinge sind aber voneinander ganz verschieden. Und einander mit Atombomben zu bedrohen ist ganz gewiß nicht nett, setzt aber trotzdem Intelligenz voraus - und noch mehr als das. Denn warum die einen Menschen Städte bauten und Kriege führten (da ist ein Zusammenhang, habe ich gelesen, auch davon später) und die anderen weiter Beeren und Wurzeln sammelten und nur gelegentlich mal einen Artgenossen verspeisten (in allen Ehren, denn es gab für manche Urmenschenstämme keinen beseren Weg, sich die besten Eigenschaften eines Menschen zu vereinnahmen), das ist eine weitere, spannende Geschichte.

      Ich lasse also die Unterhaltung von Sponsine und shitane unkommentiert für sich stehen, irgendwo ist ja jede Meinung wertvoll...

      Und was die Außerirdischen angeht, das muß wirklich noch warten.

      Ich könnte jetzt noch etwas zum Thema der Entstehung des Vormenschen sagen, aber ich will ja kein Buch schreiben, sondern nur kurze Essays (außerdem habe ich selbst nie Ausgrabungen durchgeführt oder irgendwas getan, was mich dazu qualifizieren würde, ein elektronisches Lehrbuch zu schreiben) und daher komme ich vielleicht besser zum zweiten Kapitel...
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 16:38:07
      Beitrag Nr. 46 ()
      Kapitel 2: Sprache, Feuer, Werkzeuge

      Vor 100 Jahren war die Welt noch in Ordnung. Was den Menschen vom Tier unterschied war, so glaubte man damals noch, daß der Mensch sprechen konnte, Feuer machen und Werkzeuge benutzen. Man meinte, daß damit der Unterschied zwischen Mensch und Tier gewaltig wäre. Das war naiv. Man wußte es nicht besser. Miteinander sprechen können auch Tiere. Sie können einander warnen, sich zu gemeinsamer Jagd koordinieren, ihren Gefühlen Ausdruck geben. Tiere in Gefangenschaft, denen man Zeichen- oder Symbolsprachen beibrachte, waren in der Lage, Wortzusammensetzungen zu bilden und einfachste Sätze. Das war wohl nichts mit der Überlegenheit des Menschen. Sie war scheinbar nur eine quantitative – mehr Wörter, längere Sätze. Ich sage scheinbar, aber um das zu erklären, müßte ich länger ausholen. Davon später...

      Werkzeuge sind natürlich auch keine menschliche Domäne. Wir kennen alle den Schimpansen, der von einem Zweig die Blätter entfernt, um dann damit nach Honig zu tunken. Landwirtschaft? Bestimmte Termiten und Ameisen züchten Pilze in ihren Bauten, um sich davon zu ernähren. Je mehr man von Tieren lernt, desto mehr bekommt man den Eindruck, daß die Unterschiede zwischen Mensch und Tier nur graduell sind. Tiere sind im Grunde nur nicht so ganz intelligente Menschen, glauben manche daher inzwischen.

      Der Schein trügt, aber es ist schwierig zu erklären, wieso. Immerhin bleibt dem Menschen etwas, das ganz und gar gegen die Natur jeden Tieres geht, und das ist das Feuer. Natürlich kann man einem Schimpansen beibringen, sich eine Zigarette anzuzünden. Aber das ist nun wirklich nicht vergleichbar mit der Fähigkeit, der Natur das Geheimnis zu entlocken, wie man ein Feuer entzündet und unterhält und es vielfältig nutzt. Nämlich für Wärme, Schutz gegen Tiere und um Fleisch leicht verdaulich zu machen. Vor etwa einer Million Jahren war der Homo erectus so weit, das Feuer zu nutzen, was ansonsten kein Tier zu Wege brachte. Um das Feuer nutzen zu können, muß man verstehen, was es im Prinzip ist. Daß man es entzünden muß, daß es dauernd Nahrung braucht, daß es gefährlich sein kann, aber auch nützlich, abhängig davon, wie man damit umgeht. Es ist eine andere Art des Denkens, als sie jedes Tier zustande bringt. Ein Feuer muß man auch dann unterhalten, wenn man es gerade nicht braucht. Kein Tier bewahrt seine Werkzeuge auf und unterhält sie. H. erectus aber muß sein Feuer nit größter Sorgfalt bewahrt und ständig genährt haben, um es immer dann zur Verfügung zu haben, wenn er es brauchte.
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 16:39:53
      Beitrag Nr. 47 ()
      baoh ey.... bei der Pisa Studie sitze ich ja echt in der ersten Reihe.... ist aber nur situationsbedingt.... wenn ich mich zusammenreisse sieht das ganz anders aus, wirklich..... :cry:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 16:47:21
      Beitrag Nr. 48 ()
      shitane, das wird schon...:)

      Ich ergänze aber noch etwas zum zweiten Kapitel:

      Wenn der Urmensch seine Werkzeuge herstellte, könnte das ein instinktiver, unbewußter Vorgang gewesen sein, so wie ein Vogel sein Nest baut, was sehr komplexe Vorgehensweisen erfordern kann, trotzdem aber nur einem instinktiven Programm folgt. Niemand weiß, ob der Urmensch das Behauen von Steinen nur durch das Zuschauen und Nachahmen lernte, aber niemals auf die Idee kam, sich mit anderen Urmenschen darüber zu unterhalten, welche Steine man dafür wohl am besten nimmt, wie man zuhauen sollte, und daß gestern Hurrk-ghn sich böse den Finger aufgeschnitten hatte, weil er immer zuhaut wie ein Blöder. Es mag ebenso erstaunen, daß ich zunächst vom Sprachvermögen des Menschen nicht viel halte. Aber wenn in der Tierwelt Sprachen angeboren sind, selbst wenn sie, wie z.B. bei den Singvögeln erst durch das Zuhören bei Artgenossen zu ausgefeilten Melodien werden, warum sollte es dann beim Menschen so verschieden sein?

      Der große Fortschritt beim Menschen gegenüber den Affen war, daß er entdeckte, daß es effizienter ist, statt durch Lausen durch Reden soziale Beziehungen zu unterhalten. Während der Affe gerade einen Artgenossen gelaust hatte, konnte der Mensch schon einem Dutzend „Hallo“ sagen und den neuesten Klatsch austauschen. Und wer am besten klatscht, der steigt auch am höchsten in der Rangordnung der Sippe. Denn wichtiger als Kraft ist eine große Zahl von Verbündeten, um in der Sippe der Ranghöchste zu sein. So ist das Sprachvermögen nur ein angeborenes, durch Lernen verfeinertes Organ, wie das Singvermögen der Vögel oder das Sonar der Delphine, und zunächst kein Grund dafür, Menschen gänzlich von der Tierwelt zu scheiden. Auch das Herstellen von Werkzeugen macht den Menschen nicht verschieden von Tieren. Was also ist es dann, das Besondere im Menschen?
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 16:56:23
      Beitrag Nr. 49 ()
      "menschliche" Gerechtigkeit beschneidet jedes liebevolle, innovative und kreative Gefühl...

      möge es möglichst viele Menschen geben die sich von dieser Gesetzmäßigkeit nicht beeinflusst fühlen und beeinflussen lassen...

      P.S. ... nichts wird wenn wir alles einfach nur schleifen lassen ....und uns abfinden....
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 17:11:42
      Beitrag Nr. 50 ()
      gibt es etwas schlimmeres für den Feind als zu bekunden ... " ja, ich habe mich schuldig gemacht, habe Unrecht getan, versuche alles um es wieder gut zu machen.... "


      ....was der Feind erwartet ist ein Abstreiten, ein Rechtfertigungsversuch, ein Abstreiten jeder Schuld .... nur auf dieser Basis lässt sich dieser böse Dialog fortführen der dem in die in Schuld gelaufenen eine ewige Wiedergutmachung zwar versuchen, aber nie vollbringen können .... dem Feind fällt immer wieder etwas neues ein.... " hey Du, auch wenn Du denkst damit wäre alles abbezahlt, aber die Summe der Schuld bestimme ich mein Freund.... und die kann ich so hochschrauben wie ich möchte ... und wenn ich Dir niemals verzeihen möchte ... daran wirst Du nichts ändern können ... ich habe die Macht, auch die Macht wann und ob jemals etwas verziehen wird.... "

      ich weiß, wir haben in dieser Hinsicht sehr viele Freunde in dieser Welt.... :)
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 17:22:29
      Beitrag Nr. 51 ()
      es ist die Weisheit der " Du -bist- zu- blöd- zu- merken-Theorie... "

      Du bist doch echt zu blöd zu merken dass ich Dich nur verarscht habe zu meinen persönlichen Zwecken.... " ... ich wollte jemanden herausfordern, wollte Worte und Reaktionen herauskitzeln ... nicht bei Dir, sondern bei jemand anderem, wollte wissen wie er darauf reagiert.... "



      wenn Du Asch Dich angesprochen gefühlt hast, das ist ja wohl nicht meine Schuld....
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 17:24:41
      Beitrag Nr. 52 ()
      ich kann noch nicht mal mehr fehlerfrei "Arsch" schreiben....

      bin jetzt besser off...

      Gute Nacht...
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 17:26:22
      Beitrag Nr. 53 ()
      Wovon redest Du eigentlich shitane? :confused:
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 17:27:57
      Beitrag Nr. 54 ()
      nicht von Dir @Fuller....
      in diesem Sinne, gute Nacht....
      Avatar
      schrieb am 28.11.04 18:02:23
      Beitrag Nr. 55 ()
      #49 Gerechtigkeit? Wohl kaum ... aber religiöser Fundamentalismus schon.
      Avatar
      schrieb am 04.12.04 17:15:46
      Beitrag Nr. 56 ()
      Ich möchte dann heute mal weiter machen mit dem Thema. Die Frage war ja im zweiten Kapitel, was denn nun eigentlich den Menschen vom Tier absetzen soll. Im Tierreich findet man eigentlich alles, was man im ersten Augenblick dem Menschen zuschreibt: Intelligenz - findet man auch bei Tieren zu einem unterschiedlichen Grad. Tiere können lernen. Tieren kann man auch Wörter beibringen, manche sprechen sie, manche lernen sie als Zeichen- oder Symbolsprache. Und wenn sie sprechen, dann eignen sie sich nicht nur die Laute oder die Zeichen an, sondern sie können die symbolische Bedeutung erfassen. Es wäre eigentlich eher verwunderlich, wenn es nicht so wäre, denn woher soll denn die menschliche Intelligenz und ihre Sprachfähigkeit gekommen sein, wenn nicht als eine Weiterentwicklung von Ansätzen, die es bereits bei Tieren gibt?

      Tieren kann man auch viele Handlungen beibringen und es gibt durchaus Ansätze von Kreativität, um aus erlernten Handlungen für ein neues Problem neue Verfahren zusammenzusetzen. Natürlich kommen Tieren auch schnell an ihre Grenzen. Kein Mensch würde je versuchen, einem Affen beizubringen, ein Auto durch den Straßenverkehr zu lenken. Dafür braucht man kein überragend intelligenter Erdenbürger zu sein, um einen Führerschein zu machen. Worauf ich hinaus will, ist, daß wir hier immer wieder zunächst quantitative Unterschiede sehen, keinen echten Qualitätssprung. Der Vormensch bis hin zu dem Neandertaler ist ein Tier, das sich in besonderer Weise durch große Intelligenz, durch Sprachfähigkeit, durch geschicktes Bearbeiten von Materialien und Werkzeugeinsatz von anderen Tieren so absetzt, wie ein Gepard sich durch Schnelligkeit und eine Fledermaus durch ihr nächtliches Orientierungsvermögen und seine Flugfähigkeit spezialisiert haben. Der Gebrauch des Feuers ist schon eine besondere Eigentümlichkeit. Aber das ist noch nicht genug...
      Avatar
      schrieb am 04.12.04 17:18:01
      Beitrag Nr. 57 ()
      Kapitel 3: Der Beginn der Zivilisation

      Bei den früheren Menschenarten gab es immer einen gewissen Fortschritt, der aber kaum Anlaß gab, einen qualitativen Sprung zu erkennen. Vielleicht liegt ein Problem darin, daß wir über die menschlichen Vorfahren nur etwas durch die Fossilien wissen, die 1 Million oder 100.000 Jahre überdauern. Man kann natürlich bearbeitete Steine finden und durch Untersuchungen der Schnittkanten herausfinden, was damit bearbeitet wurde. Während es den Australopithecinen vor 4 bis 1 Millionen Jahren reichte, Steine zu zerschlagen, um scharfe Kanten zu bekommen, hat der Homo erectus vor 1 Million Jahren bis 100.000 Jahren die Steine immer feiner bearbeitet. Paläonthologen in entsprechenden Seminaren, die interessehalber versuchen, Steine so zu bearbeiten, wie der spätere Homo erectus oder gar der Neanderthaler (eine Spätform des Homo erectus in der einen Darstellung, eine Übergangsform zum frühen Homo sapiens in der anderen – auch hier ist man sich längst nicht einig), merken schon bald, daß das sehr schwierig ist. Um von einem sehr harten Feuerstein Klingen abzuschlagen, muß man mit einer exakt bestimmten Wucht an genau dem richtigen Punkt den Stein auf einen anderen schlagen. Die Bearbeitung der Klingen mit einem „Klopfer“ (einem Stück Knochen z.B.), um sie dann eben und rasiermesserscharf zu machen, ist ebenfalls Übungssache. Beides verlangt jahrelange Erfahrung und viel Geschicklichkeit. Kaum ein heutiger Mensch bringt das Geschick eines Neanderthalers auf, wenn es um das Herstellen von Faustkeilen geht. Was also die motorische Intelligenz angeht, ist ein Fortschritt gar nicht erkennbar.

      Wie gut der Homo erectus sprechen konnte, wissen wir naturgemäß nicht. Nichts spricht dagegen, daß er eine entwickelte Sprache hatte, die es ihm erlaubte, auszudrücken, wer mit wem eine Beziehung hat, wen man nicht mag und daß die Männer jetzt auf den nächsten Beutezug aufbrechen wollen. Die Frage ist allerdings, ob die Sprache auch etwas anderem dienen konnte, als nur soziale Beziehungen auszudrücken, wofür sie ja ursprünglich erfunden wurde. Hätte ein Neanderthaler einem anderen erklären können, wie man einen Feuerstein behauen muß?

      Auch da gibt es geteilte Meinungen. Ich glaube im Einklang mit z.B. dem vorher erwähnten Steven Mithen oder dem Linguisten Steven Pinker (siehe sein Buch Der Sprachinstinkt, Kindler Verlag, München, 1996, ISBN 3-463-40267-X), daß dies nicht der Fall war. Das von ihnen vertretene Modell ist, daß der frühe Mensch sich so entwickelte, daß er seiner bestehenden „äffischen“ Intelligenz für allgemeine Fragen weitere Intelligenzmodule beifügte, bzw. spezialisierte Großhirnbereiche, die z.B. speziell zuständig dafür waren, Steine immer besser zu bearbeiten oder Spuren zu lesen und das Verhalten von Tieren zu deuten oder besser zu sprechen mit immer feinerer Grammatik, die also immer komplexere Verwandtschafts- und Freundschaftsbeziehungen ausdrücken konnte. In so weit entwickelten sich beim frühen Menschen also bestimmte Intelligenzmodule oder Gehirnbereiche unabhängig voneinander zu immer höheren Leistungen genau so weiter, wie bei einem Raubtier die Eckzähne immer stärker werden oder bei einem Weidetier die Mahlzähne stärker werden und der Magen zum Wiederkäuen größer und komplexer wird. Das hätte eigentlich immer so weiter gehen können, und es könnte heute ein Super-Homo erectus leben, der von Geburt an weiß, wie man einen Feuerstein mit wenigen Schlägen zu schärfsten Rasierklingen bearbeitet, der Verwantschaftsbeziehungen bis zehnten Grades in seiner Grammatik ausdrücken kann und mit einem Blick an Spuren beurteilen kann, wie viele wie alte Tiere wohin unterwegs waren und wo man ihnen in einer Jagd am besten nachstellen könnte.

      Aber irgendwann trat ein neues Phänomen auf: die Intelligenzmodule wurden füreinander durchlässig.Was bedeutet das z.B., wenn die Intelligenz, das Verhalten anderer Tiere zu deuten sich mit der sozialen Intelligenz überlappt? Es bedeutet dann, daß die Frühmenschen zunehmend dazu neigten, in den Tieren auch etwas menschliches zu sehen oder in sich tierische Eigenschaften. Ersteres würde es einer Sippe möglich machen, Tiere sozusagen als erweiterte Sippenmitglieder anzuerkennen – also als Haustiere aufzunehmen. Letzteres könnte zum Totemismus führen, zu Anfängen einer Religion, in der Menschen tierisches Eigenschaften in sich erkennen (den Mut des Löwen, die Schnelligkeit des Hirschs...) und daraus darauf schließen, daß sie von einem bestimmten Tier, ihrem Totem, abstammen. Es könnte auch einfach möglich machen, die feine Aufspaltung von gegenseitigen Beziehungen in der Sprache und der sozialen Intelligenz auf die vielen Merkmale in der Naturbeobachtung zu übertragen, und dadurch dort effizienter zu werden. Es könnte auch helfen, die Koordination bei der Jagd bewußter zu machen und sich besser darüber miteinander zu verständigen.

      Die Frage ist, wann fingen solche Überlappungen der an sich unabhängig entwickelten Intelligenzmodule an und wann erreichten sie den Punkt, der zu einem qualitativen Sprung führte?
      Avatar
      schrieb am 04.12.04 18:41:49
      Beitrag Nr. 58 ()
      Paläonthologen haben eine Reihe von Hinweisen gefunden, die uns etwas darüber sagen, wie sich das Abstraktionsvermögen der Menschen entwickelt hat, ihr religiöses Empfinden, ihre wissenschaftlichen Fähigkeiten, ihr zivilisatorischer Standard.

      Im einzelnen gibt es folgende Möglichkeiten, einen erhöhten Entwicklungsstand auszudrücken, der ein Überlappen verschiedener Intelligenzmodule des Menschen erfordert – und somit etwas, das generell verschieden von dem ist, was Tiere leisten können.

      Da ist zunächst mal die Bestattung von Toten. Eine Totenbestattung ist grundsätzlich der Ausdruck der Erkenntnis, daß man selbst sterblich ist, weil man das bei anderen erlebt hat. Dies ist ein sehr weitgehendes Beispiel für ein Abstraktionsvermögen. Zugleich ist der Glaube daran, daß es bedeutungsvoll ist, wie man mit den Toten umgeht (und daß es immer noch sinnvoll ist, einen Menschen als solchen zu achten, wenn er tot ist) auch ein früher Ausdruck für eine beginnende Religiosität. Das heißt, man sieht das Lebendige im unbelebten. Zunächst ist der tote Mensch nicht mehr einfach zu einem Ding geworden, so wie es bei Tieren durchaus der Fall ist. Für sie ist etwas entweder lebendig, und kann dann Objekt verschiedener Verhaltenweisen sein: es kann Beute, Sexualpartner, Wettbewerber oder Kind oder Mutter sein. Manchmal kann eine Affenmutter ihr verstorbenes Baby noch länger mit sich herumtragen. Dies jedoch nur als Weigerung, den Tod des Babys anzuerkennen. In dem Augenblick, da die Affenmutter anerkennt, daß das Baby tot ist, wird es zum Objekt. Kein Affe würde einen Artgenossen bestatten. Beim Menschen hingegen werden die Grenzen zwischen Objekt und Subjekt fließend. Er kann auch noch im toten Artgenossen grundsätzlich den Artgenossen erkennen und ihm noch im Tod Achtung erweisen.

      Den ersten Hinweis darauf, daß mit Toten rituell umgegangen wird, scheint man schon beim Neanderthaler gefunden haben. Zumindest behaupten das einige, wie etwa Robert J. Wenke in seinem Buch Patterns in Prehistory (Oxford University Press, New York 1984, 2. Auflage) schildert. Er erwähnt Funde von Schädeln des Neanderthalers, die von geometrischen Steinanlagen umgeben waren oder bei denen man sehr viele Blütenpollen fand, was auf eine Bestattung unter Blumen hindeutet. Er gibt jedoch zu, daß die Befunde nicht eindeutig sind und andere Kollegen bestreiten hier eine aktive Bestattung ganz und gar.

      Wir wissen aber, daß die Menschen Homo sapiens sapiens, die den Neanderthaler aus Afrika kommend verdrängten, auch einen Totenkult mitbrachten. Bereits vor 50.000, auf jeden Fall vor 30.000 Jahren, finden sich auf einmal Kunstgegenstände, wie kleine Figurinen, rituelle Bestattungsstätten, Wandmalereien und auch so etwas wie „Mode“ bei den Werkzeugen und Waffen. Zum einen finden wir auf einmal einen Ausdruck dafür, daß die Menschen sich über abstrakte Dinge, wie den Tod, die Kraft von Naturgewalten, die Existenz von Geistern Gedanken machten. Zum anderen finden wir jetzt, daß die ursprünglich spezialisierten Intelligenzen des Menschen, die früher zweckgebunden waren, sich nun völlig überlagern. Die Sprache wurde wohl nicht mehr nur eingesetzt, um soziale Bezüge zu schaffen, sondern die Menschen konnten mit ihr auch ganz bewußt abstrakte Dinge ausdrücken oder etwas über ihre Umwelt sagen oder ihre Werkzeuge diskutieren. Schlagartig tauchen vor ca. 50.000 bis 30.000 Jahren komplexe Werkzeuge auf, bei denen nicht mehr einfach Steine oder andere Materialien behauen werden, sondern zum einen verschiedene Materialien kombiniert werden, also z.B. Steine auf Holz montiert werden, und zum anderen Werkzeuge spezifisch für bestimmte Aufgaben, die sich in der Natur stellen, entwickelt werden – wie etwa bestimmte Widerhaken an Speeren für den Fischfang, die hingegen für die Jagd auf Hirsche weggelassen werden können. Neue zusammengesetzte Werkzeuge, wie etwa Pfeil und Bogen werden plötzlich möglich.

      Auch Musik tritt auf. Man entdeckt Flöten aus Knochen. Auch die gespannte Saite beim Bogen wird man benutzt haben. Und in den Höhlen, in denen man Wandmalereien entdeckt hat, findet man heraus, daß sie an den Stellen auftauchen, wo auch bestimmte akustische Verhältnisse herrschen. Die Wandmalereien könnten durchaus in Zeremonien wichtig gewesen sein, bei denen auch gesungen oder rezitiert wurde.

      Plötzlich gibt es so etwas, wie ein Kunsthandwerk. Werkzeuge mußten nun nicht mehr nur funktionell, sondern auch schön sein. Auch hier eine Vermengung verschiedener Kategorien, die es bei Tieren nicht gibt, wohl aber, wenn beim Menschen plötzlich verschiedene Intelligenzmodule sich in einem Bewußtsein überlagern, hier etwa die soziale Intelligenz und die motorische, handwerkliche Intelligenz.

      Die Theorie ist also, daß beim Homo sapiens irgendwann vor vielleicht 50.000 Jahren in Afrika ein qualitativer Sprung auftrat, durch den plötzlich verschiedene, spezialisierte Hirnbereich in einem gemeinsamen Bewußtsein kombiniert wurden, wodurch sie sich gegenseitig in ihrer Wirksamkeit verstärkten, wodurch alle Handlungen des Menschen potentiell zu bewußten Handlungen wurden und wodurch eine allen Menschen zugänglich Metaintelligenz entstand, die nicht mehr an einem einzelnen Menschen gebunden war, sondern nun ein gemeinsames kulturelles Gut aller Menschen war, die miteinander über beliebige Dinge, auch abstrakte, kommunizieren konnten. Und diese Meta- also Überintelligenz, die nicht mehr an ein einzelnes Gehirn gebunden war, konnte auch den Menschen selbst in Frage stellen. Das Denken brauchte sich nicht mehr an die Regeln der Evolution halten, sondern konnte sie überwinden. Menschen konnten sich z.B. dazu entschließen, anderen Menschen zu helfen, obwohl sie nicht zur Gruppe gehörten, obwohl sie keine Gegenleistung erwarten konnten, in einer bewußten Handlung aufgrund selbst entwickelter, ethischer Regeln. Und die sich entwickelnde Überintelligenz der Menschen, ihr kultureller Überbau, konnte sich verselbständigen, und eine Evolution der Kulturen in Gang setzen, die nicht mehr an ein Erbgut, an eine DNS gebunden war, sondern durch Überlieferungen in Rede oder gar Schrift weitergegeben wurde.

      Daraus konnten sich dann die Hochkulturen entwickeln. Aber so wenig das Auftreten wirklich bewußt abstrakt denkender Menschen eine notwendige Folge der Existenz von Menschen war, denn an sich hätte die Evolution beim Neanderthaler stehen bleiben können, und zwar immer geschicktere Werkzeugmacher und Nahrungsopportunisten hervorbringen können, ohne trotzdem je den Schritt zu einer Kultur zu machen, so wenig ist die Entwicklung von Hochkulturen notwendige Folge dessen, daß es Menschen gibt. Zum Beispiel hatten die Buschmenschen in der Kalahariwüste oder manche Stämme in Neuguinea oder im brasilianischen Hochland bis in jüngste Zeit nie eine Hochkultur entwickelt, obwohl diese Menschen die gleichen Anlagen in sich hatten wie die Pyramidenbauer in Ägypten und Schrifterfinder in Sumer. Die Frage ist daher: warum haben wir eigentlich Hochkulturen entwickelt? Warum gibt es eine menschliche Zivilisation, obwohl Buschmänner ganz gut ohne sie auskommen können? Das ist die Frage im vierten Kapitel.
      Avatar
      schrieb am 04.12.04 19:20:36
      Beitrag Nr. 59 ()
      #56 in einer ziemlich guten Zeichentrickserie "Yu-Gi-Oh!" wurde gestern der Mensch vom Tier durch zwei Eigenschaften unterschieden:
      Ehre und Respekt? (oder Gewissen? Mist, ich kann mich nicht mehr genau erinnern)

      #57 > "... Intelligenzmodule wurden füreinander durchlässig ..."
      interessanter Gedanke. Für mich ist es allerdings schwer vorstellbar, dass es jemals getrennte Module gab.

      #58
      Dass auch Tote eine Bedeutung für einen besitzen können folgt direkt aus der im Gehirn gespeicherten Erinnerung an den ehemals Lebenden, bzw. dem aufgebauten Verhaltensmuster ihm gegenüber, die beide durch den Tod nicht verschwinden. So gesehen ist es naheliegend, dass Affen ähnlich empfinden, auch wenn sie Artgenossen nicht bestatten.

      Hochkulturen: Sklaverei (zumindest Elitenbildung) und Speicherung von Wissen spielen eine wichtige Rolle.

      Eine interessante Fähigkeit des Menschen ist, dass er sich ein von der Wirklichkeit unabhängiges Weltbild aufbauen kann. Dies ermöglicht u.a. Glauben und Wahnsinn, als auch die Planung komplexer, langwieriger Projekte.
      Avatar
      schrieb am 10.12.04 21:37:57
      Beitrag Nr. 60 ()
      Not macht den Meister
      http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18986/1.html

      [...]

      Warum also verwenden ausgerechnet die Kapuzineraffen so regelmäßig Werkzeug? Wie Moura und Lee beobachteten, ernähren sich die Affen aus einer ziemlich breiten Palette von ungefähr 41 verschiedenen Pflanzenarten. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass nur der Einsatz von Werkzeug die Ernährung so bereichert hat: Kohlenhydratreiche Knollen und proteinreiche Insekten werden erst mit Werkzeug zugänglich.

      Moura und Lee schließen aus ihren Felduntersuchungen, dass Werkzeuge, wenn sie leicht zu finden und einfach in der Handhabung sind, den Vorteil bieten, schwer zugängliche Beute erreichbar zu machen. Dies ist vor allem bei Nahrungsknappheit ein Vorteil. Der Auslöser für den intensiven Einsatz von Werkzeug sind nach Meinung der beiden Wissenschaftler die ökologischen Bedingungen, wie sie im Caatanga-Gebiet des Serra da Capivara Nationalparks mit seiner langen Trockenphase gegeben sind. Hier bleibt den Kapuzineraffen eigentlich nichts anderes übrig, als nach Wurzeln und Knollen zu graben, um nicht zu verhungern.
      Avatar
      schrieb am 10.12.04 21:55:16
      Beitrag Nr. 61 ()
      Vorsicht ganz fieser Sarkasmus! :eek:

      Lässt die Führung Nordkoreas deswegens die Bevölkerung verhungern, weil sie sich dadurch einen Technologiesprung erhoffen? ;)
      Avatar
      schrieb am 11.12.04 18:52:21
      Beitrag Nr. 62 ()
      #60, die Meldung fand ich auch ganz interessant. Wir wissen nämlich, daß die Intelligenz der Kapuzineraffen deutlich unter der einiger anderer Tiere liegt, wie Zahnwale oder Menschenaffen. Zur Herstellung und Nutzung einfacher Werkzeuge reicht es allemal. Tatsächlich benutzen auch Seeotter Steine zum Öffnen von Muscheln, und auch manche Volgelarten behelfen sich mit Zweigen, um an schmackhafte Insekten zu gelangen.

      Wie ich schon weiter am Anfang schrieb: die einfache Nutzung primitiver Werkzeuge ist kein überzeugendes Indiz für größere Intelligenz und kein Indiz für Menschlichkeit.

      #61, das ist vorerst off-topic, aber vielleicht baue ich noch einen Bereich über politische Systeme ein. Mir schwebt ohnehin etwas in der Art vor, daß wir neben der Intelligenz des einzelnen Menschen auch so etwas wie eine Intelligenz einer Gruppe von Mesnchen berücksichtigen müssen. Das Verhalten einer Organisation von Menschen gewinnt schnell eine Eigendynamik, die erklären könnte, warum sich Staaten scheinbar irrational verhalten, warum manche Demokratien funktionieren und andere in Diktaturen abstürzen, usw. Manches kann man über menschliche Verhaltensschemata erklären, aber anderes hat eher mit der Selbstorganisation komplexer Systeme zu tun, die völlig unabhängig davon ist, ob sich da Menschen, Ameisen oder was auch immer zusammenfinden.
      Avatar
      schrieb am 11.12.04 20:03:22
      Beitrag Nr. 63 ()
      Was wäre wohl das ideale Gesellschaftssystem (und ggf. Ziel) für die Menschheit?

      PS: mit Gesellschaftssystem sind hier Gesetze, Lebensweise, Umwelt, Rechte + Pflichten gemeint
      PPS: "ideal" = z.B. Maximierung der Gesamtsumme von Glück und Zufriedenheit über die Existenz der Menschheit.
      Avatar
      schrieb am 11.12.04 21:46:11
      Beitrag Nr. 64 ()
      #63, ich vermute, eines der größeren Probleme der Menschheit ist, daß immer wieder jemand glaubt, diese Fragen ließen sich abschließend beantworten...
      Avatar
      schrieb am 12.12.04 08:01:33
      Beitrag Nr. 65 ()
      #64 Eine endgültige Festlegung ist tatsächlich nicht erwünscht, die Welt ändert sich.

      Wenn aber nicht das Wohl der Menschheit angestrebt werden soll, ja was denn dann?
      Avatar
      schrieb am 12.12.04 14:09:57
      Beitrag Nr. 66 ()
      #65, man kann es ja anstreben, aber mit einer einzelnen Theorie kann man etwas so komplexes wie das völlig unterschiedliche Wollen der vielen Menschen gar nicht beschreiben. Die einzelne Theorie über ein Utopia führt automatisch zu einer totalitären Theorie. Im Glauben an das Wohl aller läßt sich leicht das abweichende Denken des einzelnen Menschen unterdrücken. Deshalb glaube ich nicht an "ideale" Gesellschaftssysteme, sondern vielmehr an das opportunistische, problembezogene Nutzen verschiedener Gesellschaftssysteme, die jedes für sich nicht optimal sind, aber in der Kombination der Mehrzahl der Menschen gute Chancen bieten. Man denke an die Spannung zwischen der Belohnung von Leistung und der Förderung der Schwachen, die dauernd Kompromisse zwischen Umverteilung und Eigentumsschutz verlangt. Diese Balance ist dazu noch wegen der sich ändernden Umwelt immer wieder neu festzustellen. Schon allein daran scheitert jede starre Theorie eines Gesellschaftssystems.
      Avatar
      schrieb am 12.12.04 14:11:12
      Beitrag Nr. 67 ()
      Ich versuche nun weiter zu kommen. Leider stelle ich fest, daß das nächste Kapitel viele Erklärungen erfordert, so daß ich es gar nicht in einem Zug schreiben kann.

      Kapitel 4: Warum es Hochkulturen gibt

      In den ersten drei kapiteln haben wir den modernen Menschen entstehen lassen. Er hat den aufrechten Gang gelernt, geht mit Werkzeugen um, spricht, macht Feuer, und vereint nun alle angeborenen Fähigkeiten mit einer bewußten, allgemeinen Intelligenz und Lernfähigkeit, die das alles kreativ verknüpfen kann, und so Synergien schöpfen kann, was dem Tier nicht zur Verfügung steht. So kann der Mensch anfangen, sich selbst als Art neu zu formen, und sich mit einer Zivilisation eine eigene Umwelt schaffen. Er hat Entdeckergeist und ein kollektives Gedächnis, ein Bewußtsein der Gesellschaft mit einer vom einzelnen Menschen unabhängigen Dynamik. Das also sind die Voraussetzungen für eine menschliche Zivilisation.

      Diese Zivilisation entwickelt sich über mehrere Stufen. Die Gründe für jeden Übergang von einer zur nächsten Stufe sind rätselhaft. Das Problem für den Forscher liegt nämlich darin, daß er fragen muß, warum der Übergang zwangsläufig war. Man könnte z.B. sagen, daß die frühen Menschen immer mehr lernten und dann irgendwann von der Kultur der Jäger und Sammler zu der der Bauern und Viehzüchter übergingen. Aber das ist keine Erklärung, wenn man nicht sagen kann, warum das ein Vorteil für die Menschen war oder warum diese Entwicklung erzwungen wurde. Zudem muß man erklären, warum einige Menschen diesen Schritt machten und Menschen in der Kalahari, im Hochland Neuguineas oder in der Wüste Australiens dies bis in jüngste Zeit vermieden. Immerhin ist das Problem dabei, daß es wesentlich einfacher ist, von Jagd und Sammeln von Wurzeln, Kräutern, Insekten und Früchten zu leben als von Ackerbau. Letzteres kostet mehr Arbeit und konnte auch durchaus schlechtere Kost bedeuten.

      Zuerst mal sollte man also feststellen, was die zivilisatorischen Entwicklungsstufen der Menschen sind, und sie beschreiben, um daraus dann die Bedingungen abzuleiten, die zum Entwicklungssprung führten. Ich schicke aber voraus, daß die endgültigen Antworten noch nicht gefunden worden sind und sich noch jeder überlegen kann, was uns von der Entwicklungsstufe der frühen Jäger und Sammler fortführte.

      Ich beziehe mich in diesem Kapitel sehr stark auf Wenkes Patterns in Prehistory, ein sehr gutes Lehrbuch, weil man dort am Ende jedes Abschnitts weniger weiß als zu Beginn, denn er legt Wert darauf, zu jeder Theorie zu erläutern, wo ihre Schwächen sind. Damit will er wohl seine Studenten zu eigenen Forschungen anregen.

      Die erste Stufe unterscheidet sich kaum von der der Vor- und Frühmenschen. Jäger und Sammler ziehen in Sippen umher und folgen dabei dem Jagdwild oder nutzen das natürliche Angebot an Nahrung. Die Sippen sind klein mit 20 bis zu 50 Menschen, selten mehr, was sich natürlich daraus erklärt, daß größere Gruppen nicht mehr genug Nahrung in ihrem Gebiet fänden. Ganz typisch ist also hier der Opportunismus, das zu nutzen, was sich täglich bietet. Für diesen Opportunismus, der dauernd eine andere Nahrungsquelle findet und dauernd neue Strategien entwickelt, sie zu nutzen, hat sich der Mensch entwickelt. Diese Strategie sorgt dafür, daß die Bevölkerungsdichte extrem niedrig ist. Die Sippen verteidigen ihre Territorien Sie bilden zwar mit anderen Sippen Stämme für den Austausch von Lebenspartnern, um Inzucht zu vermeiden, aber in jeder anderer Hinsicht bedeutet eine zu hohe Bevölkerungsdichte, daß Sippen sich in den Jagdterritorien begegnen und sich entweder ausweichen müssen oder versuchen, sich gegenseitig auszurotten. Fremdenfeindlichkeit war damals ein normales Lebensgefühl.

      Die Sippe war so abhängig vom Glück beim Jagen und Sammeln, daß ein Klimaumschwung, der Verlust wichtiger Sippenmitglieder durch Unfälle oder eine unerwartete Änderung der Zugrichtung des bevorzugten Jagdwildes die bislang gut lebende Sippe plötzlich in eine Hungersnot stürzen konnte. Es überlebten die Sippen, die die besten Kenntnisse über möglichst viele nutzbare Nahrungsquellen hatten. War das die Ansammlung von Wissen, die vom zufälligen Nutzen von Nahrungsquellen langsam dazu führte, sie künstlich zu züchten oder anzubauen? Wenig spricht dafür. Immerhin entstand der moderne Mensch vor mindestens 50.000 Jahren. Wir finden Beleg für den erwachenden Geist des modernen Menschen in Höhlenmalereien, die über 25.000 Jahre in die Vergangenheit datieren. Selbst auf Borneo, wo der Mensch erst relativ spät hinzog, fand man immer noch 10.000 Jahre alte Höhlenmalereien, die bestimmt nicht erst dort erfunden wurden. Diese Malereien wie auch Kunstobjekte sind nicht nur Beleg für zivilisatorische Anfänge, sondern auch für frühes religiöses Denken.

      Religion, so schrieb ich, entstünde dann, wenn man das Belebte im Unbelebten sieht. Die Kräfte der Natur werden zu Geistern, die Verstorbenen leben als Geister weiter. Hier geht es darum, daß nicht nur die Mutter gewohnheitsgemäß an ihrem Kind hängt, selbst wenn es aus irgendeinem Grund stirbt, sondern darum, daß in abstrakter Weise verstorbene Stammesmitglieder als weiter lebendig angesehen werden. Und in ihrem Wirken sieht man Risiken, denn die Sippe erfährt ja aus jeder Regung der Natur existenzielle Sorgen. Da es aber nicht offensichtlich ist, wie man Wetter oder die Züge von Tieren beeinflusse könnte, bleibt nur der Weg der Beschwörung.

      Dahinter steckt mehr als nur ein Aberglaube. Wir wissen, daß religiöses Denken Menschen zu besseren Leistungen führen kann. Man sagt, daß der Glaube Berge versetzen kann. Das sind Sprüche, die aus eigenen Erfahrungen entstanden sind. Wir kennen den Placeboeffekt. Wir wissen, daß Menschen, die krank sind, leichter gesund werden, wenn sie intensiv glauben oder sogar, wenn andere für sie beten. Wir sehen, daß Menschen mit einem intensiven Glauben viel mehr Entschlossenheit entwickeln und als Gruppe bessere Leistungen erbringen als Gruppen mit schwachem oder gar keinem Glauben. Beispiele dafür finden sich in der Geschichte immer wieder, und ich werde darauf zurückkommen. Die Religion ist auch Ausdruck des entwickelten kollektiven Bewußtseins, das die Gruppe stärker macht als die Summe ihrer Mitglieder. Der Schamane, der die Geister zu beschwören hatte, konnte helfen, die Sippe besser zusamenarbeiten zu lassen, interne Spannungen überwinden zu lassen und dadurch stärker zu sein. Wahrscheinlich wird die Sippe, die am intensivsten glaubte und sich dabei am besten im Einklang mit seiner Natur sah, auch ihre Nahrungsquellen am besten genutzt und gegen andere Sippen am stärksten aufgetreten sein.

      Die umherziehende Sippe konnte natürlich auch nur begrenzt Besitz ansammeln – was man nicht tragen konnte, kontne man eben nicht mitnehmen. Wenn Besitz nicht angesammelt werden konnte, konnte auch niemand einen Status erwerben, der ihn wesentlich über andere Sippenmitglieder erhob. Das heißt, Status konnte auch nicht in wesentlichem Ausmaß vererbt werden. In einer statusarmen Gesellschaft mußten Entscheidungen immer durch die Diskussion der ganzen Sippe gefunden werden, wobei zwar erfahrene Mitglieder höheres Gewicht hatten, aber nie jemand die ganze Macht an sich ziehen konnte. Frauen werden eine besondere Bedeutung gehabt haben. Ihre kommunikativen Fähigkeiten sind besser und sie bestimmten das Lagerleben, wenn die Männer auf ihre Jagdzüge gingen. Die unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereiche von Männern und Frauen – Arbeiten im Lager oder Sammeln in der Nähe der Lager einerseits, Jagd in der weiteren Umgebung der Lager andererseits, wird die wesentliche Arbeitsteilung gewesen sein. Ansonsten hatten alle nicht nur ähnlichen Besitz und ähnliche Macht, sondern auch ähnliche Fähigkeiten und Arbeiten. Daher brauchten die Arbeiten auch nicht besonders organissiert zu werden. Das heißt, daß die gesellschaftliche Organisation der Jäger und Sammler automatisch einfach ist und wenig Hierarchie kennt. Das sollte sich später ändern.
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      schrieb am 18.12.04 19:56:35
      Beitrag Nr. 68 ()
      Immer noch Kapitel 4, der Übergang zum seßhaften Leben:

      Seltsamerweise bringt auch die Entdeckung von Ackerbau und Viehzucht als solche noch nicht viel Komplexität in die menschlichen Gesellschaften. Der Übergang erfolgt schleichend, und ohne klare Gründe dafür. Ihm geht etwa 20.000 bis 15.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung ein Wechsel im Ernährungsverhalten voraus. Während die Menschen vorher dazu neigten, sich auf wenige Nahrungsquellen zu spezialisieren, gewöhnten sie sich nun zum Beispiel im Nahen Osten an, ein breiteres Nahrungsspektrum zu nutzen und aßen auch zunehmend wilde Gräser, die Vorläufer von Weizen und Hafer. Die Gründe sind rätselhaft. Bemerkenswert ist nur, daß die letzte Eiszeit gerade ihren Höhepunkt erreicht hatte, was in vielen Regionen zu einem eher trockenen Klima geführt haben könnte. Irgendwann nach 12.000 vor unserer Zeitrechnung fingen die Menschen an, Wildtiere nicht mehr einfach zu jagen, sondern sie zusammenzutreiben und ihre Vermehrung zu fördern. Im Nahen Osten waren das Ziegen und Schafe. An anderen Orten Schweine oder Rinder. Im Nahen Osten waren Schweine jedoch wegen ihrer Lichtempfindlichkeit und ihren Nahrungsanforderungen problematisch, da sie ursprünglich Waldtiere sind, entsprechendes Futter und Schatten brauchen. Das könnte Ursache dafür sein, daß für Schweine ein Nahrungstabu bei vielen nahöstlichen Kulturen bestand – bis in die heutige Zeit übrigens.

      Die Bereitschaft, mehr verschiedene Nahrungsquellen auszubeuten, auch wenn dies mehr Arbeit machte, könnte auch seine Ursache darin haben, daß die Menschen anfingen, eine kritische Bevölkerungsdichte zu erreichen. Um 10.000 vor unserer Zeitrechnung findet man dann die ersten Dörfer im Nahen Osten. Bemerkenswert an ihnen ist, daß sie vor der Entdeckung des Ackerbaus entstehen. Die Menschen leben weiter von der Jagd, vom Fischen, von ersten Zuchttieren und der Ausbeutung natürlicher Vorkommen von Gräsern. Entsprechende Werkzeuge, wie Sicheln, werden gefunden.

      Die Art der Siedlungen, Rundbauten mit ebensolchen Vorratsbauten deuten darauf hin, daß die Gruppen nach wie vor nach Sippen organisiert waren, wie sie auch als Jäger und Sammler umherzogen, die gemeinsam alle Ressourcen nutzten. Doch im Laufe der nächsten vielleicht 2000 Jahre änderte sich das. Die Siedlungen waren immer weniger rund angelegt und immer mehr eckig – eckige Häuser, in denen nun die einzelne Familie die grundsätzliche Wirtschaftseinheit war. Das hatte zur Folge, daß auch die Leistungsanreize für die einzelne Familie nun größer waren. Es wurde nicht mehr in der Gruppe alles geteilt, sondern jede Familie konnte nach eigenem Erfolg Besitz ansammeln. Je nach Bedarf konnten auch diese Siedlungen nun leicht erweitert, an einzelne Häuser Anbauten errichtet werden. Die runden Siedlungen mit runden Hütten hingegen wurden schnell unpraktisch, wenn die Gruppe zu groß wurde. Und die gemeinsam genutzten Vorratshütten gaben wenig Anreiz für intensiveren Nahrungsanbau.

      Während sich die Art der Siedlungen änderte, kam auch langsam der Ackerbau auf. Die Menschen begannen, bestimmte Gräser bewußt zu säen, um dadurch einen Nahrungsvorrat zu haben. Es gibt große Uneinigkeit über die Gründe dafür, denn der Ackerbau ist zeitaufwendiger als die Jagd und das Sammeln verschiedener pflanzlicher Nahrung. Es könnte daran liegen, daß zu gewissen Zeit die bevorzugten Nahrungsquellen knapp wurden, wie erwähnt vielleicht durch Klimaschwankungen am Ende der letzten Eiszeit oder durch die erhöhte Siedlungsdichte, die eine intensivere Nutzung des Landes erzwang. Nahrung, die mehr Arbeit erforderte, wurde dadurch interessant, daß andere Nahrungsquellen nicht mehr verfügbar waren. Diese Entwicklung im Nahen Osten wiederholte sich mit Verzögerungen auch in anderen Weltgegenden, zum Teil mit anderen Nahrungspflanzen. Die ersten größeren Dörfer mit auf Ackerbau basierender Wirtschaft datieren auf etwa 8000 vor unserer Zeitrechnung und liegen in Israel, Syrien und der Türkei, teilweise auch im Irak.

      Bemerkenswert an diesen ersten Siedlungen war, daß dort wenig bemerkenswert war. Es gibt keine Herrschaftsbauten, keine nennenswerten Tempel, keine reich ausgestatteten Gräber. Vor allem das Fehlen von reich geschmückten Gräbern von Kindern drückt eines untrüglich aus: es gab zu jener Zeit keine nennenswerten Unterschiede in Reichtum und Rang. Die Gesellschaften waren kaum komplexer strukturiert als jene der Jäger und Sammler. Denn wäre das der Fall, und hätte es eine größere Akkumulation von Reichtum und Macht gegeben, dann hätten Kinder aus so einer reichen Familie von diesem Reichtum automatisch mit profitiert. Wären sie gestorben, was in jenen Zeiten oft in jungen Jahren geschah, hätte sich dieser Reichtum in den Grabbeigaben ausgedrückt.

      Anscheinend hat sich diese frühe Kultur von festen Siedlungen und Ackerbau mit Hafer und Weizen und mit Schafen und Ziegen und eventuell Schweinen über weite Teile der Welt ausgebreitet. Da diese Wirtschaftsform eine höhere Siedlungsdichte ermöglichte, konnten die Menschen, die dies taten, die früheren Jäger und Sammler schnell zu Minderheiten in ihrer Region machen. Teilweise aber änderten sich die Jäger und Sammler selbst. Wo dieser kulturelle Austausch nicht stattfand oder Ackerbau nicht möglich war, erhielten sich die ursprünglichen Kulturen. Es dauerte über 5000 Jahre, bis die seßhafte Lebensweise mit Ackerbau sich über Europa, Asien und Teile Afrikas ausgebreitet hatte. Es gab aber auch davon unabhängige Entwicklungen: den Reisanbau ab ca. 5000 vor Christi Geburt in Südostasien und den Maisanbau in Mexiko, auch etwa 5000 vor unserer Zeitrechnung. Auch hier breitete sich die Entdeckung dann über einen längeren Zeitraum weiter aus.

      Die Einführung des Ackerbaus bedeutete also ein ganz anderes Wirtschaften und die Sippe als unterste Wirtschaftseinheit wird von der Familie abgelöst, sonst aber änderte sich gegenüber den Jägern und Sammlern recht wenig. Es gab nicht nur keine großen Unterschiede in Reichtum und Macht, es gab auch keine mächtigen religiösen Kulte, keine Prachtbauten und keine besondere Spezialisierung der Arbeiten. Der nächste Schritt hin zur Ausbildung dieser Merkmale ist erneut schwer zu verstehen.
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      schrieb am 18.12.04 20:41:29
      Beitrag Nr. 69 ()
      4Forz-Im ... wennde bei Kapitel 10 bist, sach ma Bescheid, denn schreib ick wat rin :cool:

      öhm ... Wunsch-Thema wäre "Der Mensch - eine Fehlentwicklung der Natur schon von der Logik her und einige der herausragenden Beispiele" :mad:
      Avatar
      schrieb am 18.12.04 20:44:47
      Beitrag Nr. 70 ()
      @GI

      Zitat

      Wunsch-Thema wäre " Der Mensch - eine Fehlentwicklung der Natur schon von der Logik her und einige der herausragenden Beispiele....



      ich denke doch der Verfasser dieses Postings stellt sich selbst als mahnendes Beispiel zur Verfügung...
      Avatar
      schrieb am 18.12.04 20:45:28
      Beitrag Nr. 71 ()
      sorry, als herausragendes versteht sich...
      Avatar
      schrieb am 18.12.04 20:55:45
      Beitrag Nr. 72 ()
      "Fehlentwicklung", das impliziert immer die Frage, für wen und nach welchen Kriterien. Wissenschaftlich gesehen bringen solche Wertungen wenig Erkenntnisgewinn. Und daß unsere Menschheitsgeschichte auf fortlaufenden Völkermord basiert, dürfte auch viele überraschen, die das für eine eher moderne Erscheinung halten. Aber tatsächlich gibt es von den vielen Jäger-und-Sammlersippen vor 12.000 Jahren kaum noch genetische Spuren. Wo möglich, wurden sie durch die frühen Ackerbauern ausgerottet oder bestenfalls assimiliert. Man mag Mitleid mit den Jägern und Sammlern haben. Aber andererseits hätten wir alle immer noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von 28 Jahren, wenn es diese Serie von Völkermorden nicht gegeben hätte. Und diese Serie läuft erst in unserer Zeit aus. In Europa ist der Völkermord vor einigen Jahrzehnten aus der Mode gekommen, wenn ich mal den Balkan und die Ex-UdSSR ausschließe, andernorts kommt er gerade aus der Mode. Es wird merkwürdig sein, eine menschliche Geschichte zu betrachten, in der es keine Kriege und keine Ausrottung oder Assimilierung unterlegener Kulturen gibt.
      Avatar
      schrieb am 18.12.04 20:56:16
      Beitrag Nr. 73 ()
      einigen wir uns auf "herausragend mahnend" ...? :cool:
      Avatar
      schrieb am 18.12.04 21:00:34
      Beitrag Nr. 74 ()
      ich gaube nicht dass ich mich mit Dir auf etwas einigen möchte, noch nicht mal auf ein paar leere Worthülsen...

      grüß @mezza von mir ...



      P.S. sorry @for4zim
      Avatar
      schrieb am 18.12.04 21:02:20
      Beitrag Nr. 75 ()
      @mezza ? wer soll dat denn sein ? :eek:
      Avatar
      schrieb am 18.12.04 21:04:12
      Beitrag Nr. 76 ()
      da ich weiß dass jetzt ein Dementi kommt ( in irgend einer Form ...wahrscheinlich der vorgetäuschten Ahnungslosigkeit )

      ein Zitat:


      "...und sehet, ehe der Hahn kräht wird er mich oder einen meiner Brüder verleugnen..."

      aber ihr wart ja eh alle Atheisten, da kommt es ja auf den ein oder anderen Meineid nicht an...
      Avatar
      schrieb am 18.12.04 21:05:13
      Beitrag Nr. 77 ()
      #75 .... :D :laugh: .... in meinem nächsten Leben werde ich Wahrsagerin.... :D
      Avatar
      schrieb am 18.12.04 21:09:29
      Beitrag Nr. 78 ()
      ...aber die Überschrift passt ja trotzdem...
      Avatar
      schrieb am 18.12.04 21:10:06
      Beitrag Nr. 79 ()
      Gue is bekennender Ketzer und fürs nächste Leben hab ick schon `ne Option uff Teufelsanbeter :cool:

      Nu sage mal wahr - ick weeß von nüscht ... ups ... :eek:
      Avatar
      schrieb am 19.12.04 13:43:41
      Beitrag Nr. 80 ()
      Der nächste Schritt, um den es geht, ist der von den Sippen und Stämmen mit geringen Unterschieden in Macht und Reichtum, mit der Führung durch einen Sippenrat oder einen Häuptling, der üblicherweise nur innerhalb des Stammes ausglich, aber nicht wirklich Macht hatte, hin zu Häuptlingsstämmen mit erblicher Führung und deutlicher sozialer Schichtung, zu Staaten, mit spezialisierten Arbeiten, mit einer Bürokratie, mit einer Armee und einer Regierung hin zu Reichen, in denen verschiedene Staaten unter eine Führung vereint werden, was zu noch mehr Hierarchisierung, zentraler Macht und Komplexität führt. Was könnte der Grund für diese Veränderungen sein?

      Wir finden die frühesten Anzeichen für solche Veränderungen in Mesopotamien, und zwar, nachdem Menschen nicht mehr nur Siedlungen im oberen Bereich von Tigris und Euphrat, in der Türkei, Syrien und Palästina anlegten, sondern auch weiter im Süden, im Schwemmlandgebiet. Dieses Gebiet war nämlich nur schlecht für Jäger und Sammler geeignet, aber sehr gut für den Ackerbau. Man konnte zwar für das gesamte Gebiet nach 6500 vor unserer Zeitrechnung gemeinsame Töpfereistile nachweisen, aber erst etwa 5300 v.C. gab es so etwas wie eine gemeinsame Kultur, die dann nach 4000 v. C. ihren ersten Höhepunkt erreichte, die sogenannte Ubaid-Kultur. In dieser Kultur, die zu Siedlungen mit einheitlichem Charakter über den gesamten heutigen Irak, Syrien und Teile der Türkei, Jordaniens und Westirans führte, gab es zum ersten Mal starke Unterschiede in den Grabbeigaben auch bei Jugendlichen, es gab Tempel und die ersten kleinen Städte im südlichen Mesopotamien. Am Ende der Ubaidkultur stand die Bildung von Stadtstaaten in Sumer durch Einwanderer aus gebirgigen Regionen weiter im Nordosten.

      In disen Stadtstaaten entwickelten sich aus Siegeln für die Markierung von Vorratsgefäßen und Merklisten für Lager die Anfänge der Schrift, die Tempel wurden immer reicher in der Ausstattung, die Spezialisierung auf verschiedene Arbeiten wurde immer ausgeprägter und der institutionelle Überbau mit einem König und seinem Hofstaat, Beamten und Priestern entwickelte sich. Bereits in den ersten schriftlichen Zeugnissen findet man auch schon Klagen über Armut und staatliche Willkür, hohe Abgaben und Kriege, Verbrechen und darüber, daß sich die Zeiten verschlechterten, ganz genauso, wie heutzutage. Technologisch mögen wir heutzutage weiter entwickelt sein, aber eher wird einen erstaunen, wie prinzipiell ähnlich unsere und die sumerische Zivilisation waren. In Ägypten findet man zugleich ähnliche Entwicklungen, zugleich aber auch Eigenheiten mit einem gewissen zeitlichen Versatz. Es gab dort zwar auch schon um 15.000 v. C. in der gesamten heutigen nordafrikanischen Wüste sporadischen Haferanbau, aber erst um ca. 8000 v. C. zogen sich zunehmend Gruppen ins Niltal zurück, weil das Klima trockener wurde. Aber erst 2000 Jahre nach Mesopotamien, um etwa 5000 v. C. zog auch hier der Ackerbau ein. Auch hier blieben dann die Siedlungen lange Zeit eher klein und fehlten Anzeichen einer komplizierteren Struktur der Gesellschaft. Erst nach 4000 v. C. bis 3100 v. C. vollzog sich vergleichsweise später und offenbar aufgrund von Anregungen aus Mesopotamien relativ schnell der Übergang zu einer einheitlichen komplexen Kultur mit ihren besonderen ägyptischen Eigenheiten. Dazu gehört, daß hier ein sehr großes Kulturgebiet geeinigt wurde. Möglicherweise, weil man so leicht über dem Nil durch das gesamte Gebiet reisen konnte. Und während in Mesopotamien von Anfang an die größeren Siedlungen von Stadtmauern umgeben waren, weil es ständig Krieg mit Nomaden oder anderen Städten gab, war Ägypten durch die Wüste vor Überfällen geschützt und Siedlungen eher offen. Vielleicht führte die Größe des geeinten Gebietes und der Schutz durch die Wüste zum einen zu dem besonders abgehobenen gottgleichen Status des Pharaos und zu dem hohen Selbstbewußtsein der Ägypter, während andererseits der frühe Zwang zum Schutz der Siedlungen und zu effektivem militärischem Schutz in Mesopotamien dort die Stadtstaaten recht langlebig machte. Es sollte noch einmal 1000 Jahre dauernd, bevor mit Sargon von Akkad das erste Imperium in Mesopotamien entstand, in dem die Stadtstaaten, die sich bisher immer mit wechselndem Erfolg bekriegten, geeinigt wurden.

      Verzögert gab es ähnliche Entwicklungen auch in China und im Industal. Die Frage ist, ob es einen Grund dafür gibt, daß sich in Gebieten mit Schwemmland, in denen Überschwemmungen und ihre Nutzung zur Düngung und Bewässerung für den Ackerbau wichtig sind, die ersten Hochkulturen entwickelten. Es ist offensichtlich, daß diese Gebiete praktisch die Kristallisationskerne für die Zivilisation andernorts waren, denn dort schien es nirgendwo einen Grund dafür zu geben, warum die Menschen nicht weiter als Jäger und Sammler, als Nomaden, als gelegentliche Ackerbauern mit Wildpflanzen oder als einfache Bauern in kleinen Siedlungen ohne besondere kulturelle Komplexität leben sollten. Kultur entwickelte sich immer nur im Kontakt mit höher entwickelten Gebieten. Ähnliches gilt auch für Amerika, wo allerdings die Hochkulturen erheblich später entstanden, aber doch nach ähnlichen Prinzipien.

      Es war lange Zeit populär, die Ursache für das Entstehen der Hochkulturen in der künstlichen Bewässerung zu sehen, die zu einer verstärkten Zusammenarbeit und Organisation zwang. Zudem mußte man die Jahreszeiten kennen und einen Kalender pflegen, es mußten zentralisiert angewiesen werden, wer was wann anbaut, wie Vorräte gehalten werden und welche Bewässerungsbauten anzulegen sind. Jedoch zeigen die Ausgrabungen, daß die großen Städte und die einheitliche Kultur vor den großen Bewässerungssystemen datieren. Die Kultur entstand nicht wegen der Bewässerung, sondern die Bewsserung wurde möglich und auch notwendig durch die Hochkultur, die dadurch entstehenden großen Städte und die damit notwendige intensivere Landwirtschaft.

      Eine andere Erklärungsmöglichkeit sind die Kriege, die offensichtlich mit der Anlage großer Siedlungen automatisch folgten. Kriege erzwangen zentralisierte Organisationsstrukturen, um im Wettbewerb mit anderen Siedlungen erfolgreich zu bleiben. Die Kriege wiederum könnten immer dann aufgeflammt sein, wenn in einer Siedlung Nahrungsreserven knapp wurden und man sich durch Raub von anderen Siedlungen bessere Lebensbedingungen erhoffte. Doch auch hier ist nicht nachweisbar, ob die Kriege die Siedlungen wachsen und die Kulutrkomplexer werden ließen, oder ob die großen zentralisierten Herrschaften, der sich entwickelnde Reichtum und die größeren Siedlungen nicht erst die Kriege ermöglichten.

      Es fällt auch auf, daß der wachsende Reichtum in der Ubaidkultur es ermöglichte, mehr Mittel für die Religion aufzuwenden. Recht einfache Tempel um 5400 v. C. (etwa in Eridu) wurden im Laufe von 1000 Jahren immer größer und prächtiger ausgestattet, und wurden nun deutlich größer als Wohnhäuser. Nach 4000 v.C. entstanden Zikurate, Stufentempel bzw. künstliche Hügel, auf denen Sakralbauten standen. Die Erhöhung der Sakralbauten, der Tempel und der Gräber durch die Anlage künstlicher Hügel findet sich weltweit zu verschiedenen Zeiten, was immer wieder gerne zu Spekulationen über gemeinsame Quellen für diesen Bau pyramidenähnlicher Gebäude von Sumer über Ägypten bis Mexiko führte. Aber das Bestreben, künstliche Hügel zur Erhöhung der religiösen Gebäude zu schaffen, reicht als Erklärung dafür, warum wir diese oberflächlichen Ähnlichkeiten sehen. Diese Anforderungen der Religion nun könnte man als Erklärung dafür anbieten, warum die Menschen sich in den immer größer werdenden Siedlungen immer besser organisierten und ihre Kultur anderen Menschen aufzwangen. Doch auch dafür gibt es keine Beweise.

      Schließlich könnten einzelne Siedlungen im Laufe von Klimaveränderungen, die in einer kleinen Eiszeit 3200 v. C. einen Höhepunkt fanden oder aufgrund zunehmender Siedlungsdichte im Zuge des entwickelten Ackerbaus nach 6000 v. C. zu Anziehungspunkten für weitere Menschen geworden sein, die aufgrund gelegentlicher Nahrungsknappheit zusammenarbeiten mußten und gemeinsam Vorräte bilden mußten. Wurden die Siedlungen größer, mußte aber das Ackerland vor den Siedlungen intensiver genutzt werden, denn die Ackerbauern konnten nicht beliebig weit weg von der Siedlung zur Bestellung der Felder gehen. Größer werdende Siedlungen mußten also immer besser organisierten Ackerbau und Vorratswirtschaft betreiben oder die Menschen dort mußten schlicht verhungern. Und diese Organisation von immer mehr Menschen und einer fortschrittlicheren Landwirtschaft brachte auch zentralisierte Herrschaftsstrukturen und größere Spezialisierung und materielle Ungleichheit mit sich. Aber auch dies kann man nur vermuten, aber nicht nachweisen.

      Daher ist der unbefriedigende Stand heute, daß wir zwar wissen, daß in wenigen Kerngebieten etwa 2000 Jahre nach der Entdeckung der seßhaften Lebensweise mit Ackerbau und Viehzucht auf Basis von Hafer, Weizen, Linsen, Schafen, Ziegen und Schafen (mit regionalen Variationen dazu) auf intensiver nutzbarem Schwemmland die Siedlungen plötzlich größer wurden, sich immer besser organisierten und ab 3800 v. C. in Mesopotamien eine Hochkultur mit Stadtstaaten und mit Schrift etwa ab 3100 v. C. bildeten, um 3200 v. C. eine Hochkultur mit einem Einheitsstaat in Ägypten, und zwischen 3000 und 2000 v. C. Hochkulturen im Industal und in China nach sich zogen. Gab es erst einmal diese frühen Hochkulturen, schien die Bildung großer Städte, die Entwicklung von Schrift, von entwickelten Religionen, von Wissenschaft und Fernhandel, von Reichtum und Armut, von künstlichen Bewässerungssystemen, Straßen und Kanalisation, von Armeen und abgehobenen Herschern zwangsläufig, obwohl bis heute niemand zu sagen weiß, was davon das andere verursachte oder ob einfach alles voneinander abhing und sich daher gemeinsam entwickeln mußte. Genauso, wie die Entdeckung des Ackerbaus und des seßhaften Lebens war auch die Bildung von Städten und Hochkulturen ein kritischer Entwicklungspunkt, der spontan in wenigen Gebieten stattfand und sich dann ausbreitete. Gebiete, die mit diesen Zivilisationspionieren nicht in Kontakt kamen, vollzogen ihn auch nicht von selbst. Und für diese Entwicklung muß es einen speziellen Grund gegeben haben, den wir jedoch nicht kennen, nur vermuten können. Auf jeden Fall gibt es keine Gesetzmäßigkeit der Art, daß nach soundsoviel 1000 Jahren, in denen Menschen umherziehen, sich der Ackerbau entwickelt und nach soundso viel 1000 Jahren Ackerbau oder bei soundso starker Bevölkerungsdichte Hochkulturen entstehen.
      Avatar
      schrieb am 19.12.04 15:55:08
      Beitrag Nr. 81 ()
      das Menschliche im Menschen ist nicht chemisch, es ist unbeschreiblich.:D
      Avatar
      schrieb am 19.12.04 18:07:54
      Beitrag Nr. 82 ()
      Noch eine Korrektur zum letzten Absatz: "Daher ist der unbefriedigende Stand heute, daß wir zwar wissen, daß in wenigen Kerngebieten etwa 2000 Jahre nach der Entdeckung der seßhaften Lebensweise mit Ackerbau und Viehzucht auf Basis von Hafer, Weizen, Linsen, Schweinen, Ziegen und Schafen....


      Demnächst dann fange ich mit dem fünften Kapitel an, der Entwicklung der technologischen Zivilisation. Das heißt, ich werde erst einmal über 4000 Jahre überspringen, denn es gab zwar viele Hochkulturen, aber nur eine, die des Mittelalters in Europa, schaffte den entscheidenden weiteren Schritt zur technologischen Wissensgesellschaft, und das, obwohl damals, in der frühen Renaissance, einige andere Hochkulturen deutlich fortschrittlicher zu sein schienen. Es wurde erneut ein Qualitätssprung erreicht, dessen Auswirkungen immer noch anhalten. Die Entwicklung des modernen Menschen ist damit vollständig und er ist dann historisch und evolutionär definiert.

      Seine psychologische Definition steht jedoch noch aus. Das wird zu Fragen des freien Willens, zum scheinbar Unmenschlichen im Menschen und zum Gegensatz von Mann und Frau führen, bis wir schließlich über das Verständnis des Menschlichen im Menschen uns fragen können, wie wahrscheinlich es ist, daß wir nicht allein sind im All. Für die Entwicklung der technologischen Zivilisation muß ich allerdings noch etwas Literatur wälzen, so daß ich nicht weiß, ob ich nächstes Wochenende schon bereit bin für das fünfte Kapitel. Schauen wir mal...
      Avatar
      schrieb am 24.12.04 18:56:24
      Beitrag Nr. 83 ()
      Kapitel 5: Technologie – eigentlich ein unwahrscheinlicher Weg

      Seitdem es Hochkulturen auf der Erde gibt, haben sie sich in vielen Varianten entwickelt. Auf die Sumerer folgte Akkad, es folgten Babylonier, Assyrer und Neubabylonier, Perser und Makedonier. Daneben entwickelten sich die Ägypter, die Phönizier, die Griechen und die Römer, das Kalifenreich der Abbasiden, das Großmogulreich in Nordindien, das China der Shang und der Han-Dynastie und der folgenden Dynastien, das Khmer-Reich, Byzanz, die Reiche der Maya, der Azteken und der Inka, und das war nur eine kleine Auswahl. Alle diese Hochkulturen kannten Städte mit Kanalisation und öffentlichen Einrichtungen, sie hatten Straßenbau, Lehranstalten und soziale Einrichtungen, eine Schriftkultur, öffentliche Verwaltung und medizinische Behandlung. Sie vollbrachten große Leistung in Poesie, Kunst, Architektur, Astronomie und Mathematik. Teilweise baute eine Kultur auf der anderen auf. Das Abbasidenreich etwa vereinte griechisch-römische und indische Kenntnisse, um einen Kenntnisstand in Mathematik, Astronomie, Medizin und Naturkunde aufzubauen, der den im mittelalterlichen Europa zur Zeit der Kreuzzüge weit übertraf.

      Alle diese Hochkulturen haben jedoch eines gemeinsam: sie alle sind keine technischen Hochkulturen. In keiner wurde je annähernd so etwas wie eine Dampfmaschine, ein Uhrwerk oder gar ein Verbrennungsmotor entwickelt. In keiner gab es eine systematische physikalische oder chemische Forschung. Sie würden nie Radio, Raketen, Genetik oder Halbleiter entwickeln. Nur eine Kultur, die des europäischen Mittelalters, schaffte den Übergang zu einer technischen Hochkultur. Die Frage ist: warum?

      Warum hat nicht wenigstens die chinesische Hochkultur, so fortschrittlich, wie sie zeitweilig war, einen eigenen Sprung in ein Technikzeitalter geschafft? Voraussetzungen dafür bestanden durchaus. Noch vor den Europäern verstanden die Chinesen die Anfertigung des Kompaß, von Schwarzpulver, die Papierherstellung oder den Buchdruck (mit Anleihen aus Korea). In Korea erfand man auch das Panzerschiff und die systematische Erfassung von Wetterdaten durch ein landesweites Netz von Regenmessern. Was also fehlte hier?

      Warum blieb die griechisch-römische Kultur irgendwann stehen? Bei dem Entwicklungsstand um 300 nach Christus konnte man zu dem zur Zeitenwende kaum einen Fortschritt bemerken. Bei den meisten Hochkulturen wurden die meisten großen Entdeckungen zu Beginn gemacht, danach wurden die Hochkulturen eher statisch.

      Es gibt dazu verschiedene Theorien. Die einen bemühen dazu die historischen Daten, und sehen eine ganz wichtige Rolle bei den Mongolen im 12. und 13. Jahrhundert. Sie, und auch die Türken später, hätten viele Hochkulturen unterworfen und an einer weiteren Entwicklung gehindert, speziell die Chinesen, die muslimischen Reiche und Byzanz. Überhaupt gibt es hier auch wahre Apokalyptiker, die bei allen Hochkulturen Zyklen des Aufbaus, der Dekadenz und des Untergangs sehen, oft durch Barbaren, die die Schwäche der nachlassenden Hochkultur zu ihrer Eroberung ausnutzen. Das erklärt aber nicht, warum die westliche Welt so gänzlich anders wurde.

      Eine weitere Möglichkeit ist die Annahme, daß früher oder später jeder Kulturbereich zum technischen Entwicklungsstand vorgestoßen wäre, jedoch kamen die anderen Kulturkreise zu spät, und der europäische hätte dann mit dem Kolonialismus alle anderen Ansätze ausgelöscht. An solchen Erklärungsmustern gibt es in westlichen Ländern eine masochistische Lust, aber ich finde dafür keine Hinweise, daß der Westen eien Entwicklung hin zu einer technologischen Kultur irgendwo unterbrochen hätte. Vielmehr wirkt die Entwicklung Europas einzigartig und ungewöhnlich.

      In einer Buchrezension hatte ich mal gelesen, daß ein Wissenschaftler die Art des Ackerbaus in Europa für die technologische Entwicklung verantwortlich machte. Der Anbau von Weizen, Gerste und Roggen erfordere die Verarbeitung des Getreides zu Mehl. Dafür braucht man mechanische Geräte, wie Wasser- und Windmühlen, durch die die Europäer frühzeitig ein besonderes Interesse an Mechanik entwickelt hätten. Daher machten sie hier auch schon im späten Mittelalter Uhrwerke, wie sie z.B. die Chinesen bei aller Kunstfertigkeit nicht herstellten. Dies alles weckte das Interesse an allen physikalischen Disziplinen und somit an allem, was für eine technologische Entwicklung notwendig ist. Das klingt schon interessant, aber auch gewagt und etwas einseitig. Leider habe ich das Buch nicht vorliegen, und muß den Titel und Autoren später nachliefern. Noch besser wäre es, das Buch mal gelesen zu haben...

      Verschiedene andere Wissenschaftler vertreten den Standpunkt, daß gleich eine Serie von Vorbedingungen zusammen kommen mußte, um die technologische Revolution in Europa zu starten. Tatsächlich identifizieren diese Wissenschaftler eine Reihe von historischen Daten, deren Änderung allesamt den überwältigenden Fortschritt unserer Zeit verhindert hätten. Dazu zählen die Entwicklung Griechenlands, der Feldzug Alexander des Großen, die Abwehr von Muslimen, Türken und Mongolen, die Eroberung Griechenlands durch Rom, die katholische Kirche und die Scholastik, die Renaissance dank der Medicis, und sogar die Tatsache, daß Jerusalem von den Babyloniern zuerst nicht, und dann später, nach einem kritischen Zeitpunkt, doch erobert wurde. Sogar die Missionstätigkeit des Paulus zählt zu den kritischen historischen Ereignissen. Bei einer derartigen Kette von allesamt zufälligen Ereignissen wird klar, daß die Entwicklung einer technologischen Zivilisation einer hochgradig zufälliger, unwahrscheinlicher Vorgang ist, der genau deshalb nur ein einziges Mal stattfinden konnte. Doch was ist an den jeweiligen historischen Daten so wichtiges geschehen, daß ohne sie die technologische Revolution nicht stattgefunden hätte? Das soll Thema des nächsten Abschnitts sein.
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      schrieb am 26.12.04 20:54:03
      Beitrag Nr. 84 ()
      Fortsetzung des fünften Kapitels:


      Das besondere an der technologischen Entwicklung ist die Kombination folgender Elemente:

      1: eine kritische Diskussionskultur, in der aus gegenseitiger Kritik der Konsens darüber erwächst, was man zum gesicherten Wissen zählen kann. Neue Erkenntnisse kommen so nicht als Dogmen daher, die man nicht mehr hinterfragen kann, sondern müssen sich in der Praxis bewähren. So kann man ständig auf wachsendem Wissen aufbauen.

      2: gedruckte Bücher zur effektiven Verbreitung von Wissen und freie Universitäten zur Lehre des Wissens.

      3: marktwirtschaftlich orientierte Gesellschaften, in denen Kaufleute an der Macht teilhaben. Das können Oligarchien sein, wie in Venedig, mehr oder weniger autonome Städte mit Stadträten, die von Kaufleuten und Handwerkern dominiert werden, wie in Deutschland (man denke an die Hanse) oder in Norditalien, Republiken, wie in der Schweiz oder zu gewissen Zeiten in den Niederlanden oder parlamentarische Systeme, wie England.

      Die frühen Wissenschaftler, die gegen Dogmen der herrschenden Religion oder Machthaber verstießen, konnten in Europa oft dadurch der Verfolgung entkommen, daß sie in eine freie Stadt oder unter die Fittiche eines anderen Landesherren flohen. Die Spaltung in katholische und reformatorische Kirche erleichterte dies noch mehr. Zudem war es nach der Reformation auch in anderen Bereichen einfacher geworden, abweichende Gedanken zu vertreten und so den Fortschritt zu beflügeln.

      Viele Entwicklungen konnten sich durch merkantile Bestrebungen, durch Kaufmannsstände, die neue Entdeckungen zu Geld machen wollten, schneller verbreiten. Auch die Entdeckung fremder Länder ist vor allem durch den Wunsch nach dem Handel mit Luxusgütern vorangetrieben worden.

      Die Universitäten verbreiteten nicht nur die alten Erkenntnisse aus den antiken Schriften, sondern dienten auch schnell der Verbreitung der wachsenden neuen Erkenntnisse in der beginnenden Neuzeit. Die Buchdruckkunst half dabei besonders, Wissen nicht mehr nur zu einer Sache einer abgeschotteten Minderheit zu machen.

      Warum konnte es das alles nicht im hochentwickelten China geben, das uns doch bei der Entdeckung von Kompaß, Papier, Schießpulver und Buchdruck voraus war? Warum schafften es die genialen Griechen nicht, auch eine Dampfmaschine zu bauen? Warum blieben die Inder im Großmoghulreich auf ihren Elefantenrücken sitzen und studierten ihre vedischen Schriften statt das Gravitationsgesetz? Warum verloren die islamischen Reiche irgendwann nach dem 14. Jahrhundert ihren kulturellen Vorsprung zu Europa?

      In all diesen Hochkulturen gab es keine unabhängige Bürger- und Kaufmannsschicht im Gegengewicht zu den Herrschern. Es gab keine Wissenschaft unabhängig von den religiösen Dogmen des Landes. Und Religion und Herrschaft waren immer voneinander abhängig und eine Einheit. Die Folge war, daß viele große Entdeckungen nur in der Anfangsphase der Ausbildung einer Hochkultur gemacht wurden. Dann wurde die Hochkultur geradezu statisch. Jede Änderung an dem, was man grundsätzlich zu wissen glaubte, mußte ja an den Grundfesten der akzeptierten Religion und damit an den Dogmen rütteln, auf denen auch die Herrschaft basierte. Der Umsturz von Herrschaften geschah oft dadurch, daß eine erfolgreichere, agressivere Religion im Rücken eines anrückenden Heeres das angestammte Regime schlug, wie sich besodners exemplarisch an den Siegen der islamischen Heerscharen zeigte.

      Viele Hochkulturen waren auch weitaus weniger marktwirtschaftlich orientiert, als etwa die freien Städte in Deutschland und Norditalien, Venedig, die Niederlande oder England. Neue Erkenntnisse waren dort oft nur Luxus, der vom ausgesprochenen Herrschaftswillen oder von den Notwendigkeiten eines Krieges abhängig waren. Und nur selten waren Herrscher so aufgeklärt, wie der koreanische König Sejong in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, der eine Gelehrtenkommission zur Entwicklung einer Buchstabenschrift berief, damit nicht mehr nur Gelehrte Lesen und Schreiben lernen konnten, wie es in China noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts üblich war.

      Um die besonderen europäischen Verhältnisse zu erklären, muß man zu deren Wurzeln zurückkehren. Die europäischen Universitäten gründen auf der mittelalterlichen Scholastik, der Gelehrsamkeit der Kirchen und insbesondere Klöster, also auf eine besondere Form des geübten theologischen Disputs und auf die Ursprünge des jüdischen und christlichen Glaubens. Die besondere Form der Diskussion basiert aber auch auf antiken Vorbildern bei den Griechen, und man muß fragen, wieso eigentlich die Griechen so diskussionsfreudig waren und wieso sich auch bei ihnen diese Überlegungen über Demokratie, Freiheit und offene Diskussionen entwickelten. Und natürlich muß man fragen, wie sich dann diese historischen Wurzeln über die Völkerwanderung hinweg nach Europa retten konnten.
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      schrieb am 01.01.05 14:48:29
      Beitrag Nr. 85 ()
      Weitere Fortsetzung des fünften Kapitels: warum sich nur in Europa die technologische Kultur entwickelte.

      Betrachtet man die Griechen im Vergleich zu anderen Hochkulturen ihrer Zeit, wird man einige Eigentümlichkeiten wahrnehmen. Zum Beispiel bildeten die Griechen eine gemeinsame Hochkultur, ob wohl sie staatlich sehr stark unterteilt waren. Die verschiedenen griechischen Städte oder Polis waren voeinander unabhängig, und durchaus bereit gegeneinander Krieg zu führen oder in Konkurrenz Kolonien zu bilden. Als die Griechen auf der griechischen Halbinsel einwanderten, waren sie wohl stark nach Stämmen strukturiert, und legten diese Struktur auch nach ihrer Seßhaftigkeit im neu eroberten Siedlungsgebiet nicht ab. Trotzdem empfanden sich die Griechen kutlurell als Einheit und bildeten eine Solidargemeinschaft, die die persischen Versuche zu ihrer Eroberung mit erstaunlicher Einmütigkeit abwehrte. Weder die Ägypter, noch die Babylonier waren vor ihrer Eroberung so regional gegliedert wie die Griechen. Die Perser ihrerseits waren natürlich gegliedert, weil sie ja ein Imperium aus vielen eroberten Völkern darstellten. Alle aber waren dem Willen des Großfürsten und seines straff geführten Hofstaates unterworfen. In der griechischen Welt konnte ein Kritiker einer Gesellschaft einer Verfolgung seiner Ideen durch Flucht in die benachbarte Polis ausweichen. In Persien, Babylon oder Ägypten blieb ihm nur das Exil außerhalb seiner Kultur. Möglicherweise blühte deshalb in der griechischen Welt die Diskussionskultur wie nirgendwo sonst, ermöglichte so eine Blüte der frühen Wissenschaft und Philosophie, aber auch die Geburt der Demokratie und der Ideen von Freiheit und natürlichen Rechten eines Menschen. Daran ändert auch nichts, daß natürlich auch in der Blüte athenischer Demokratie gleichzeitig weiter Sklaven gehalten wurden und der Anteil freier Stimmbürger relativ klein war. Natürlich ist es auch einfacher, eine Demokratie im überschaubaren Rahmen einer Polis zu etablieren, als in den großen Flächenstaaten, wie Ägypten oder Persien, oder gar in Indien oder China. Frühe Demokratien waren ja nur in Stadtstaaten denkbar. Deren Möglichkeiten, Hochkulturen zu bilden und zu verbreiten, waren aber begrenzt. Von den etruskischen Stadtstaaten wissen wir z.B. heute wenig, während die Philosophen einiger griechischer Stadtstaaten unsterblich geworden sind. Woher kam aber diese nachhaltige Wirkung gerade des griechischen Denkens auf die Nachwelt?
      Avatar
      schrieb am 07.01.05 14:09:13
      Beitrag Nr. 86 ()
      Respekt, ich bin gespannt auf die Fortsetzungen. Könntest du noch ein Kapitel über Religionsentstehung aus (kritisch)naturwissenschaftlicher Sicht einfügen?
      Avatar
      schrieb am 07.01.05 14:23:46
      Beitrag Nr. 87 ()
      Algol, ich werde dafür noch einen Anhang bringen.

      Ich hoffe, nächstes Wochenende kann ich Kapitel 5 abschließen - hauptsächlich die Würdigung des Erbes der Griechen, der Juden, die Mittlerfunktion der Araber und die Scholastik.
      Avatar
      schrieb am 08.01.05 21:43:57
      Beitrag Nr. 88 ()
      Weiter 5. Kapitel:

      Die Nachhaltigkeit gerade der griechischen Kultur beruht auf geschichtlichen Zufällen. Wendepunkte der Geschichte Griechenlands war zunächst der Krieg gegen Persien. Persien war um im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung die beherrschende Supermacht, die Syrien, Babylon, Lydien in Kleinasien, Ägypten und auch schon Teile Griechenlands beherrschte. Der persische Großkönig herrschte unangefochten, notfalls auch grausam gegen Widersacher. Das Reich war zwar gut organisiert, aber würde sich, wie alle antiken Mächte, nur langsam weiterentwickeln, da nach der Herstellung einer effizienten Verwaltung und eines guten Lebens für die Oberschicht kein Anlaß zu weiterem Fortschritt bestand. Genau deshalb mußte wohl die griechische Kleinstaatenwelt mit den neuen Demokratien und dem Freiheitssinn besonders irritierend gewirkt haben. Als Xerxes zur Eroberung des verhaßten Griechenlands ansetzte, drohte er, die einzige Kultur auszulöschen, auf die überhaupt unsere moderne Welt gründen konnte. Nirgendwo sonst gab es einen konstitutionellen Staat, gab es offene politische Debatten, gab es Grundsatzdiskussionen darüber, was wohl die Rechte eines freien Menschen wären, gab es Ansätze zu einem säkularen Staat, weil die politische Führung und die religiöse nicht automatisch der gleichen Staatsmacht unetrstand. Darüber hinaus hatten die Philosophen Griechenland auch einen hohen wissenschaftlichen Status in jener Zeit verschafft, mit dem wohl nur die Chinesen mithalten konnten. Aber auch die kannten nicht den typisch griechischen Individualismus, der sich unter anderem in der politischen Teilhabe aller Bürger, auch der ärmeren, ausdrückte, zumindest in einigen Stadtstaaten wie Athen. Dieser griechische Individualismus war aber auch eine große Gefahr, denn die griechischen Staaten waren auch zerstritten darüber, wie der persischen Gefahr zu begegnen war, und die ionischen Staaten auf den Inseln und in Kleinasien waren bereits neutral, Verbündete oder unterworfen, als 480 v.C. Persien die Eroberung des griechischen Festlands in Angriff nahm. 480 v.C. wurden die griechischen Truppen an den Termopylen geschlagen, Athen wurde erobert und zerstört. Es war dem Politiker Themistokles zu verdanken, daß Athen zuvor die reichen Einnahmen aus den Silberminen nicht an die Bürger verteilt hatte, sondern eine neue Flotte gebaut hatte. Diese war nun die letzte Hoffnung für die Athener, die auf verschiedene Inseln geflüchtet waren. Es war auch Themistokles zu verdanken, daß sich die griechische Bündnisflotte gegen alle Bedenken vor Salamis der vierfach überlegenen persischen Flotte stellte, denn zunächst hielten es viele für sicherer, sich den Persern weiter südlich zu stellen. Wahrscheinlich hätte man dann den Persern bereits nichts mehr entgegenstellen können und zu viele griechische Staaten hätten sich dann schon den Persern angeschlossen. Bei Salamis aber gelang es, die Perser in einer Meerenge zu empfangen, wo die Schiffe sich gegenseitig behinderten und die Perser weder ihre Zahl noch ihre Wendigkeit ausspielen konnten. Nach dem Sieg bei Salamis war die persische Gefahr für Griechenland für imemr gebannt. Zugleich konnte die individualistischste Demokratie, Athen, aufblühen. Hier trumpften zugleich die ärmeren Athener, die die Ruderer der siegreichen Flotte gestellt hatten, auf und stärkten so Demokratie und soziale Umverteilung. Das siegreiche Athen erlebte auch nicht nur eine Blüte der Wissenschaft, Kultur und des Handels, sondern die vielen Reichtümer förderten auch den Hedonismus, die Dekadenz und mithin noch stärker die individualistischen Neigungen, die über die griechische Kultur in unsere Zeit weiter gereicht wurden.

      Trotzdem war aber die weitere Verbreitung der griechischen Kultur noch nicht gesichert. Ein weiterer Zufall half. Die griechische Kultur mußte nämlich nun vom griechischen Volk gelöst und zu einem Erbe vieler Völker werden. Man mußte sich zur grichischen Kultur, also zum Hellenismus, auch als Nichtgrieche bekennen können. Und den Grundstein dazu legte Alexander der Große. Beinahe wäre es dazu nicht gekommen, denn in der ersten Schlacht gegen die Perser waren jene sich im klaren darüber, was ihnen drohte und wie sie es nur vermeiden könnte. Von einem früheren Aufstand eines abtrünnigen Bruders des Großkönigs, Kyros II, der mit 13.000 griechischen Soldaten angriff, wußte man, was die griechische Phalanx unter einen entschlossenen Führung anrichten konnte, denn auch ein zahlenmäßig überlegenes persisches Heer wurde von den disziplinierten und geordneten Truppen der Phalanx geschlagen. Und man wußte auch, daß man die Griechen zur Heimkehr zwang, wenn man nur den Führer von den Truppen trennen konnte und dann töten, wie man es bei dem Abtrünnigen getan hatte. So versuchte man es auch bei Alexander. Doch sein Leibwächter Kleitos rettete ihn, als Alexander in der Schlacht zu weit voran gestürmt war und ein persischer Adeliger namens Spithridates ihn zu stellen versuchte. Einen Axtschlag hatte er schon gegen des Alexanders Haupt geführt, doch am tötlichen zweiten Schlag hinderte ihn der Kleitos. Er erschlug den Angreifer und ermöglichte damit den Beginn der Eroberung des persischen Reiches. Diese Eroberung und die nachfolgende Herrschaft der makedonischen Generäle in Persien, Ägypten, Babylon und Syrien, und von hellenistischen Filialreichen bis nördlich von Indien hin verbreitete die griechische Kultur im ganzen Gebiet der damaligen Hochkulturen westlich von Indien. Das Griechische wurde zur Sprache des Handels und der Wissenschaft. Die wichtigste griechische Bibliothek, in der die griechische Gelehrsamkeit besonder gepflegt wurde und zugleich zum Maßstab für die damalige gebildete Welt wurde, war im ägyptischen Alexandria. Als die Römer schließlich zur damaligen Weltmacht aufstiegen und den Osten des Mittelmeeres eroberten, konnten sie nicht anders, als auch die griechische Kultur und Wissenschaft zu übernehmen, und damit waren sie auch den griechischen Ideen über die Rechte des Einzelnen ausgesetzt, die den patriarchalischen und obrigkeitsorientierten Römern zunächst weniger lagen.

      Doch im kaiserlichen Rom drohte den griechischen Ideen und der weiteren wissenschaftlichen Entwicklung auch wieder die Erstarrung, die schon zuvor in allen anderen Hochkulturen eintrat. Das römische Imperium wurde zunehmend autoritär, und unter Konstantin wurde zudem eine neue Staatsreligion gefunden, das Christentum, das in Konkurrenz zu den freien Ideen des Hellenismus trat. Doch wieder half ein Zufall, diesmal der Untergang Westroms bei gleichzeitigem Erhalt Ostroms, diese drohende Erstarrung aufzubrechen. Es brauchte nur weiterer Hilfen, um die hellenistische Kultur in eine neue Zeit zu retten, wo sie in der Renaissance neu entdeckt und interpretiert werden konnte, um den Beginn der modernen Wissenschaft zu markieren, die ins Zeitalter der systematischen Forschung und Entdeckungen überleitet. Doch um diese Hilfen zu erklären, muß man sich mit dem Judentum beschäftigen und wieder weit in die Vergangenheit gehen.
      Avatar
      schrieb am 13.01.05 21:25:01
      Beitrag Nr. 89 ()
      Zur Zeit gerade im Bildungsfernsehen 3Sat

      Brauchen wir eine neue Moral?


      Am Rande der großen Zivilisationen lebt ein Millionen-Heer von Menschen, die weder am materiellen Reichtum der Gesellschaften, noch an einer umfassenden Bildung oder guten Lebenschancen teilhaben. Zugleich wurde vielleicht noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit derart viel über die Menschenrechte, ihre universale Geltung und die Errungenschaften der Moderne gesprochen wie in der heutigen Zeit einer globalisierten Marktwirtschaft, die in ihrem Grundansatz ein amoralisches System ist.

      Wo kommt also eine Moral her, die zugleich Gerechtigkeit schaffen würde? Wir stecken in einer massiven Krise der menschlichen Daseinsform, so die Analyse des Freiburger Soziologen Günter Dux. Gerechtigkeit kann es nicht geben ohne die Grundlage einer Moral. Und genau diese Grundlage ist heute fundamental in Frage gestellt - versagen doch die traditionellen Modelle der Begründung, etwa die transzendentale Begründungslogik. Wenn dies jedoch der Stand der Dinge ist und der Moral die "kognitiven Grundlagen" weggebrochen sind - wie könnte es dann weitergehen? Wie kann heute tatsächlich noch "global" von einem Projekt "Weltethos" gesprochen und wie ein "Clash of Morals" vermieden werden?

      Neben der Frage einer Theorie der Gerechtigkeit und einer verantwortbaren Moral geht es in der Sendung zugleich auch darum, dass sich Moral samt der Vernunft innerhalb eines Prozesses der Evolution gebildet hat. Moral ist kontingent: eine Tatsache, deren Reichweite die Philosophie bislang nur unzureichend zur Kenntnis genommen hat. Von der Biologie, der Leitdisziplin unserer Zeit, stammt die Erkenntnis, dass Moral alles andere als ein urmenschliches Privileg ist, sondern auch schon bei Schimpansen, den nächsten Verwandten des Menschen, beobachtet werden kann. Es scheint also, als könnten auch Tiere zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. Was bedeutet das aber für die Grundlegung der Moral heute? Und wenn Moral keineswegs "Gott gegeben" ist, sondern sich in einem kontingenten Evolutionsprozess bis heute weiterbildet: Wie sieht dann eine zeitgemäße Moral aus, die die Empirie, das tatsächliche Leben der Menschen, miteinbezieht? Welche Funktion erfüllt Moral im Privaten und öffentlichen Leben? Gibt es eine universelle, allen Menschen gemeinsame Moral, unabhängig von Kulturen und Religionen? Und was hält uns davon ab, das als gut und richtig Erkannte auch in die Praxis umzusetzen? Steht uns dabei womöglich das genetische Erbe, das zugleich unsere Vorstellungen von Moral hervorgebracht hat, im Wege?


      URL dieses Artikels:
      http://www.3sat.de/delta/73976/index.html

      Dezember 2004 / euler /3sat
      Avatar
      schrieb am 15.01.05 09:45:14
      Beitrag Nr. 90 ()
      Hallo for4zim,

      wenn Du damit fertig bist, dann bitte ich Dich meine Idee
      vom tiefen inneren im Menschen mal aufzugreifen.

      Das Tiefe Innere Im Menschen




      Der erste Kreis ist der, wo wir mit allen anderen Menschen reden. Über Gott und die Welt.

      Der zweite Kreis ist der mit dem wir mit unseren Bekannten reden.

      Der dritte Kreis ist der, wo wir mit unseren engsten Freunden reden.

      Der vierte Kreis ist der, wo wir selbst mit uns reden, wo wir unsere innersten Gedanken hegen, wo auch wir selbst nicht immer Einfluss auf die Entstehung der Gedanken in uns haben.

      MfG jojo
      Avatar
      schrieb am 15.01.05 09:47:34
      Beitrag Nr. 91 ()
      Von aussen nach innen?:confused:

      VMK:cool:
      Avatar
      schrieb am 15.01.05 13:13:20
      Beitrag Nr. 92 ()
      for4zim

      Ich bin erstaunt, dass du nicht auf dem neusten Stand bist.
      Immer wieder taucht bei dir der Neanderthaler als ein Dreh- und Angelpunkt der Entwicklung auf,
      der längst nicht mehr zu den Vorfahren des Menschen gezählt werden kann.

      Damit sind viele deiner Aussagen aber obsolet, z.B. auch diese:
      "...Daraus konnten sich dann die Hochkulturen entwickeln. Aber so wenig das Auftreten wirklich bewußt abstrakt denkender Menschen eine notwendige Folge der Existenz von Menschen war, denn an sich hätte die Evolution beim Neanderthaler stehen bleiben können, und zwar immer geschicktere Werkzeugmacher und Nahrungsopportunisten hervorbringen können, ohne trotzdem je den Schritt zu einer Kultur zu machen, so wenig ist die Entwicklung von Hochkulturen notwendige Folge dessen, daß es Menschen gibt."

      Der Neanderthaler war ein Affe, ohne die Fähigkeit Werkzeuge herzustellen.
      Deshalb trifft es zu, was du sagst: Dort ist die Evolution - so es überhaupt eine gab - stehengeblieben. Es gibt keine Weiterentwicklung des Neanderthalers.

      KD
      Avatar
      schrieb am 15.01.05 17:11:00
      Beitrag Nr. 93 ()
      #92, Neanderthaler gehören nicht zu den unmittelbaren Vorfahren des modernen Menschen. Das zeigen genetische Untersuchungen - genetische Marker des Y-Chromosoms und der Mytochondrien von Knochen des Neanderthalers ergaben keine Entsprechung mit solchen des modernen Menschen. Die Neanderthaler starben also aus, ohne sich mit dem modernen Menschen zu mischen. Allerdings haben Neanderthaler und moderne Menschen gemeinsame Vorfahren. Und nichts anderes habe ich hier behauptet.

      Natürlich waren Neanderthaler aber keine Affen, sondern Menschen der Art Homo erectus neanderthalensis (wobei man früher in Lehrbüchern als Artbezeichnung Homa sapiens neanderthalensis finden konnte, da man annahm, daß der Neanderthaler mit dem modernen Menschen Nachwuchs hätte zeugen können. Offensichtlich war das nicht der Fall.)

      Daher ist auch keine meiner Aussagen hier im Thread obsolet. Der Neanderthaler hat selbstverständlich Werkzeuge hergestellt, wie ich hier im Thread dargestelt habe. Funde aus Lagern des Neanderthalers sind in zahlreichen Museen ausgestellt, sie wurden datiert und untersucht. Werkzeuge stellten auch schon die Vorfahren der Neanderthaler her. Auch diese sind in Museen ausgestellt.

      Zu den anderen Anmerkungen: ich komme darauf zurück. Ich stelle aber noch Kapitel 5 fertig - ich hoffe, dieses Wochenende werde ich damit endlich fertig und kann übergehen zu einer Beschreibung des menschlichen Denkens.
      Avatar
      schrieb am 16.01.05 12:56:49
      Beitrag Nr. 94 ()
      Schluß des 5. Kapitels, Technologie - eigentlich ein unwahrscheinlicher Weg.

      Es mag nur als ein Zufall erscheinen, daß unsere Kultur so sehr von einem Nomadenvolk aus der arabischen Halbinsel geprägt wurde, und daß deren Religion zur Basis unseres Glaubens, des Christentums wurde, aber ich möchte im folgenden zeigen, daß die Juden und die Christen ebenso wie die Griechen die Voraussetzung für unsere technologische Kultur boten.

      Viele werden schon einmal gelesen haben, daß die Juden mit dem Monotheismus, dem Glauben an einen einzigen Gott, eine Neuentwicklung einführten, und sich dadurch von anderen Völkern in diesem Kulturraum absetzten. Der Glaube an nur einen einzigen Gott, und die Tatsache, daß sich daraus gleich drei Weltreligionen entwickelten, war ein Prozeß, der klare Ursachen hatte.

      Wie ich schon mal schrieb, ist der Ursprung der Religion, daß der Mensch aufgrund des Aufbaus seines Gehirns dazu neigt, das Belebte im Unbelebten zu sehen. Religionen sammeln und erklären den Glauben an das Belebte im Unbelebten, an denkende Wesen hinter Naturerscheinungen, wie auch am Ursprung des Menschen, den sich Naturvölker als einen Übergang von Tieren zu Menschen oder von Erde oder Wasser zu Menschen dachten. Jede Sippe, jeder Stamm leitete seinen Ursprung irgendwie ab, entwickelte daraus seinen Totem. Es konnten auch ein bestimmter Fels oder Baum oder Ort heilig werden. Und schließlich konnte auch einfach der Gemeinschaftsgeist einer Sippe als übernatürliches Wesen gedacht werden. All dies lief nicht so bewußt ab, wie ich es hier schreibe. Es führte aber dazu, daß die Menschen sich die Welt angefüllt mit Geistern und Göttern vorstellten, von denen viele feindselig waren, während ein Gott zum eigenen Stamm gehörte, und den schützte – wenn man sich in seinen Dienst stellte. Die Stärke des Stamms und des eigenen Gottes gingen im Glauben oft Hand in Hand. Niederlagen konnten interpretiert werden als das Wirken eines stärkeren Gottes des Feindes, was dahin gehen konnte, daß man den eigenen Gott wechselte und mit dem des stärkeren Stammes wechselte. Der Kontakt mit anderen Stämmen bedeutet, daß man auch deren Götter anerkannte. In der weiteren Entwicklung konnten sich ganze Systeme von Göttern entwickeln. Die meisten haben schon von den griechischen Göttern gehört, die hinter den verschiedensten Naturgewalten stehen, unterschiedliche Aufgaben und Fähigkeiten haben. Weniger bekannt ist, daß auch bestimmte Berufsgruppen jeweils ihren bevorzugten Gott hatten (heute vergleichbar mit den Heiligen in der katholischen Kirche, die auch z.B. bestimmte Berufe schützen). Oder, damals, bestimmte Götter regional begrenzt waren. Es gab Altäre für eine Artemis (Göttin der Jagd und der Natur) in verschiedenen griechischen Orten, jeweils mit einem eigenen Beinamen, und vermutlich ursprünglich verschiedene Göttinnen, die aber aufgrund ihrer ähnlichen Eigenschaften als gleich identifiziert wurden.

      Als nun die jüdischen Stämme irgendwann um 1200 v. C. dazu gezwungen waren, ein Zweckbündnis gegen die Philister zu schließen, weil diese sich von der palästinensischen Küste her ins gerade besiedelte Wohngebiet der Israeliten vorschoben, geschah das durch einen Bund, in dem sich diese Stämme auf ein gemeinsames Gesetz und einen gemeinsamen Gott einigten.Wenn also im Alten Testament von einem Bund die Rede ist, dann ist es nur im übertragenen Sinne einer mit Gott – tatsächlich findet sich hier verklausuliert die Einigung von Stämmen, von denen einige von der arabischen Halbinsel kamen, während andere anscheinend zeitweilig als Fremdarbeiter in Ägypten gewesen waren. Teile der Bücher Moses geben Sagen wieder, die schon von den Sumerern geschaffen wurden (wie die von der großen Flut, vielleicht Erinnerung an Überflutungen im Zuge des Anstiegs des Meeresspiegels nach dem Ende der letzten Eiszeit – allerdings sind auch andere Erklärungen möglich. Daß in der Bibel zwei verschiedene Schöpfungsmythen für den Menschen angegeben werden, deutet auch auf verschiedene Quellen für die Bücher Moses hin.

      Zunächst existierten die Gesetze und Geschichten der Juden wohl nur als mündliche Überlieferungen, die nach und nach niedergeschrieben wurden, wobei es immer wieder zu Wandlungen kam. Jedenfalls dürften zur Zeit des Machtzenits Israels um 1000 v. C. die Bücher Moses nur in einer Vorform existiert haben, zu denen nun mehr und mehr weitere Schriften kamen, etwa die Psalmen. Die eigentliche Ausarbeitung erfuhr das Alte Testament erst in der babylonischen Diaspora, und letzte Erweiterungen kamen noch bis kurz vor der Zeitenwende hinzu. So ist etwa die Dualität von Gott und Satan, von Gut und Böse, von Himmel und Hölle ein persisches Element, übernommen aus dem Zarathustra-Glauben nach 600 v.C.

      Doch warum nur konnte zwischen den Großreichen jener Zeit, den Ägyptern, den Babyloniern, den Assyrern, den Persern dieses kleine Volk der Juden so einen großen Einfluß gewinnen, und verschwand nicht, wie viele andere, ähnliche Völker? Zum einen hatte dieser Ein-Gott-Glaube, der den eigenen Gott nicht mehr als übernatürliche Person dachte, sondern als Absolutum – unendlich mächtig, allgegenwärtig, unfehlbar, allwissend und – das wichtigste – einzig, eine ganz besondere Sturheit zur Volke. Hier war ein Glaube, der keine Kompromisse zuließ. Man konnte ihn nicht in andere Glaubenssysteme eingliedern, während man sonst einfach neue Götter zu den bestehenden hinzufügen konnte – Götter eroberter Völker etwa. Es kamen aber auch Zufälle hinzu. Die Juden waren zur Großmacht aufgestiegen, als die Ägypter gerade eine Schwächephase hatten und die Hethiter ihren Großmachtstatus verloren. Genau in der Mitte des entstandenen Machtvakuums bauten die Juden ihr Reich auf. Als dann die Assyrer nach Süden vorstießen, waren die Juden bereits zerstritten. Das mächtigere nördliche Israel wurde schnell erobert (722 v. C. durch Sanherib), nicht jedoch das schwächere und ärmere südliche Juda. Und während im Nordreich die Einwohner ihren Glauben durch die Niederlage verloren, sie allenfalls als Samariter an mündlichen Überlieferungen an einer Vorform des jüdischen Glaubens festhielten, entwickelte sich im Süden der jüdische Glauben weiter und machte eine Reformation durch. Die Assyrer, bislang ungeschlagen, gaben nämlich bei der Belagerung Jerusalems 701 v. C. vorzeitig auf. Grund dafür war wohl Wasserknappheit und Seuchen, die wohl bereits zu hohen Verlusten bei den Assyrern führten. Die vorausschauenden Juden in Jerusalem hatten für eine unterirdische Wasserleitung gesorgt und die Brunnen im Umland versteckt oder vergiftet, und damit dafür gesorgt, daß die Assyrer bei einer Belagerung mehr Probleme hatten als die Belagerten in der Stadt. Die judäischen Israeliten mußten nun zwar Tribut zahlen, aber die Abwendung des völligen Untergangs wurde als das Wirken ihres allmächtigen Gottes gewertet und half, diesen Glauben weiter auszuarbeiten, zu reformieren, von Fremdeinflüssen zu bereinigen, denn immer wieder kam die Verehrung von Göttern der benachbarten Völker auf, wie von Ischtar und Baal, und auf den Tempel in Jerusalem zu konzentrieren. Etwa ein Jahrhundert später wurde Jerusalem schließlich von den Babyloniern erobert, zerstört und die Juden nach Babylon verschleppt (586 v.C. unter Nebukadnezar). Doch nun waren die Auswirkungen ganz andere, als sie bei einer Niederlage 701 v.C. zu erwarten gewesen wären. Denn statt eines Untergangs der Religion gab es nun ein Überleben der Religion in der Diaspora. Denn da nun der Glaube an den allmächtigen Gott fest etabliert war, der nicht nur Feinde nach Belieben schlagen konnte, sondern auch die Juden selbst bei Verfehlungen strafen würde, hatte es sich bereits etabliert, daß Propheten immer wieder eine solche Niederlage wegen der wiederholten Anbetung falscher Götter und anderer Sünden im Volk vorhersagten. Im Gegensatz zu 701 v.C. war nun die Niederlage Gottes Plan, und die Juden in der Lage, gerade im Exil inbrünstiger ihren Glauben zu vertreten. Der Glaube und die nun weiter ausgearbeiteten heiligen Schriften hielten die Juden als Volk lebendig, bis der Sieg der Perser über die Babylonier ihnen schließlich die Rückkehr nach Israel erlaubte. Die Niederlage der Perser gegenüber den Makedoniern brachte die griechische Kultur auch in den jüdischen Siedlungsraum, und damit die entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung des Christentums.

      Das seit 586 v.C. durchweg von fremden Mächten besetzte oder zumindest abhängige Juda und Samaria erhoffte sich eine Rückkehr zu alter Stärke. Zum einen sollte dies durch die Hilfe Gottes erfolgen, der daher durch inbrünstigen Glauben, durch strenge Beachtung der jüdischen Gesetze dafür gewogen gemacht werden sollte. Zudem hoffte man darauf, daß sich ein Nachfolger des alten Königshauses David finden sollte, der die Juden einen und das alte Reich wieder aufbauen sollte. In den prophetischen Schriften war von einem Gesalbten (Messias) die Rede, aus dem Hause David, geboren in Bethlehem, von einer jungen Frau (ein Übersetzungsfehler bei der Diaspora in Alexandria für die griechische Fassung des AltenTestaments machte daraus eine Jungfrau), der der neue König und siegreiche Feldherr sein würde, der das salomonische Reich wiederherstellen würde. Als die Römer Palästina zunehmend beherrschten, zuerst teilweise mit Vasallen, dann direkt als Protektorat, wurde der jüdische Widerstand intensiver, und es kam ein Aufrührer nach dem anderen zum Vorschein. Die alten Propheten hatten ja vorgegeben, wie ein siegreicher Aufrührer aussehen mußte, und als Jesus seine Anhänger sammelte, war es für den in Nazareth geborenen Sektenführer opportun, verbreiten zu lassen, daß er in Bethlehem geboren worden sei, aus dem Hause David stamme, und daß seine Mutter eine Jungfrau war. Vielleicht wurde es auch noch nicht mal von ihm verbreitet, dann aber sicher von eifrigen Anhängern. Die Volkszählung als Grund für die Geburt in Bethlehem wurde wohl später als Begründung dazu erfunden, denn zu jener Zeit gab es keine römische Volkszählung in Judäa. Die Geschichte vom barmherzigen Samariter konnte politisch gemeint sein, da die meisten Juden diese nicht als Mitjuden anerkennen wollte, da sie die weitere Ausarbeitung der heiligen Schriften in Babylon nicht mitgemacht hatten. Die Einigung mit ihnen wäre aber ein wichtiger Machtfaktor.

      Die Geschichte von dem charismatischen Sektenführer, dessen Leichnam nach seiner Kreuzigung verschwunden war, und der sehr volkstümliche Geschichten erzählt hatte, um die Juden zum Widerstand aufzurufen, dessen Anhänger zudem viele Ausschmückungen fanden, um seine Bedeutung zu überheben (ein typisches Motiv, um die große Bedeutung eines Helden hervorzuheben war, eine wundersame Errettung aus Todesgefahr in seiner Kindheit zu erwähnen – die Kindesmordgeschichte, eine von zeitgenössischen Chronisten widerlegte Lüge, und die Flucht nach Ägypten, ein anderes Motiv, daß ein besonderer Stern den Helden angekündigt habe – wohl zudem ein Erbe der besonders sternengläubigen Babylonier), drang zu griechisch beeinflußten Menschen vor. Einer von ihnen war Paulus. Und er machte etwas entscheidendes – er kaperte die Jesusgeschichte, verwarf die Version, die die Menschen erzählten, die ihn gekannt hatten, wie etwa die des Bruders von Jesus, Johannes, und wandelte sie in eine griechische inspirierte Sage um. Die nötigen Anleihen kamen von dem Mysterienkult um Dyonisos, den Sohn eines Gottes, empfangen von einer Frau, der sich opferte und freiwillig töten ließ, nur um nach drei Tagen wieder aufzuerstehen.Für Paulus war nicht das wahr, was ihm die Augenzeugen erzählten, sondern das, was er als Inspiration empfing. Und in diesem Sinne verbreitete er seine Jesusgeschichte im hellenistischen Raum als Urchristentum. Auf der Basis seiner Mission, seiner Briefe entstanden dann die hellenistisch-jüdischen christlichen Schriften, die authorisierten Evangelien. Die jüdischen Versionen der Jesusgeschichte wurden hingegen unterdrückt. Das Thomas-Evangelium als eine der älteren Apokryphen gibt vielleicht eine Idee, wie sehr die Evangelien im Laufe der Zeit redigiert und ausgearbeitet worden waren. Der Dreieinigkeitsglaube wurde noch später, durch den Neuplatoniker, also heidnischen Philosophen Plotin ausgearbeitet. Plotin selbst galt als Ketzer, aber die Dreieinigkeit wurde zum kirchlichen Dogma.

      Die Ableitung von einem ausgesprochenen Buchglauben, dem jüdischen, der philosophische Anspruch, mit allmächtigem Gott, persischem Dualismus und griechischer Bearbeitung zum Mysterienkult und mit Dreieinigkeit beförderte, daß das Christentum durchweg eine intellektuelle Komponente hatte und für philosophische Studien reizvoll blieb. Allerdings blieb eine Gefahr. Entweder würde dieser Glaube irgendwann untergehen – oder er würde im Gegenteil schließlich zum Glauben eines Reiches werden. Denn ein Reich, in dem die Menschen konkurrierenden Religionen anhingen, war dem drohenden Zerfall unterworfen – eine Situation, mit der Rom vor Konstantin rechnen mußte. War hingegen das Christentum die Staatsreligion eines Reiches, drohte die Erstarrung und das Ende des Fortschritts. Der Untergang des Römischen Reiches aufgrund eines ökonomischen Niedergangs, abnehmender Bevölkerungsstärke und der Völkerwanderung verhinderte dies. Plötzlich übernahm die christliche Kirche eine ganz andere Rolle. Sie wurde zu einer Möglichkeit für Eroberer, an den Glanz des römischen Reiches anzuknüpfen. Zugleich war die Kirche nicht mehr Teil einer Herrschaft eines Reiches, sondern wurde zu einer eigenständigen und konkurrierenden Größe. Und das war etwas Neues, daß nun Strukturen unabhängig von Staaten und Reichen entstanden, die Gebiete verwalteten und die Wissen bewahrten und Studien förderten. Diese Studien umfaßten zwar vor allem solche der heiligen Schriften, aber eben auch anderer Schriften aus griechischer und römischer Zeit. Daraus entwickelte sich die mittelalterliche Scholastik und schließlich die Gründung der ersten europäischen Universitäten. Diese erhielten noch zusätzlichen Auftrieb durch den Kontakt mit dem Islam.

      Der von Mohammed unter dem Einfluß des aramäischen Christentums als arabische Interpretation des Christentums entwickelte Glaube einigte arabische Stämme, wie früher der jüdische Glaube jüdische Stämme, und ermöglichte die Eroberung weiter Teile des hellenistischen und persischen Kulturraumes. So erhielten die Araber Zugriff auf die griechischen Schriften und wurden neben Byzanz zu einem Zentrum der Überlieferung der griechischen Wissenschaft, die sie mit persische nund sogar indischen Elementen erweiterten. Es half ihnen, ein besseres Zahlensystem zu entwickeln, mit dem wir noch heute rechnen. Sie machten Entdeckungen in der Medizin und Chemie und in der Astronomie. Durch die Kreuzzüge gelangten die griechischen und arabischen Schriften an die Zentren der Scholastik in Europa. Doch erst die Antikenbegeisterung der Norditaliener, besonders der Familie Medici, machte diese alten Schriften in der Renaissance populär. Die Europäer entwickelten mit Begeisterung die alten Kenntnisse der Griechen weiter. Und diesmal verbreitete sich diese Wissenschaft in einem System konkurrierender Staaten, die durch den Wettbewerb an ständiger Innovation interessiert waren. Als die Buchdruckkunst auch in Europa entdeckt wurde, beschleunigte sie die Verbreitung von Wissen, dessen Entdecker immer wieder vor Repression durch den Umzug in einen anderen Staat entkommen konnten. Ideen der Griechen von freien Bürgern und von Römern von einer Republik und der Grundsätzlichkeit der Gesetze halfen zudem dabei, daß Republiken wie Venedig entstanden, daß man Rechte verbriefte, wie bei der Magna Charta in England, wo sich Adelige und Städter ein Parlament und eigene Rechte gegen den König erstritten, und daß man so neue formale Rahmen für germanische Traditionen fand, wo die Stammesführer noch gewählt waren und Stammesversammlungen das wichtigste Beschlußorgan waren.

      Was die westliche Welt heute ausmacht, das beruht auf den Griechen, auf der Magna Charta und dem Parlamentarismus, auf römischem Recht und auf jüdisch-christlicher Ethik und Weltsicht.

      Es beruht aber auch auf Glück, daß nämlich die Mongolen im 13. Jahrhundert Europa nicht antaten, was sie dem Kalifat in Bagdad und dem chinesischen Reich antaten. Letztere beide wurden nämlich von den Mongolen geschlagen. Dabei rotteten sie bis zu 30% der gesamten Bevölkerung aus, brachen die Völker und ihre Eliten und führten einen erheblichen kulturellen Rückschritt herbei. Europa jedoch entging seiner Eroberung nach Niederlagen von Ritterheeren der Ungarn, Polen und Deutschen unter anderem bei Liegnitz durch den Tod des Mongolenherrschers Ögödei. Die Eroberung Europas wurde abgebrochen, die Heerführer kehrten in die Mongolei zurück, um den neuen Herrscher zu wählen und kehrten nicht mehr zurück. Damit waren die Chinesen daran gehindert, ihre kulturelle Überlegenheit gegenüber Europa weiter auszubauen, und die Europäer konnten ungehindert nicht nur die Technologie entwickeln, sondern auch die Welt kolonisieren. So wurde die westliche Kultur zum Standard für die gesamte Welt.
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      schrieb am 17.01.05 10:55:22
      Beitrag Nr. 95 ()
      Erstmal vielen, vielen Dank für diesen hochinteressanten Thread :):)

      Es wäre schön wenn du zu jeden Kapital eine oder mehrere (Buch-)Quellen, zum Nachschlagen, angeben würdest.



      die Kindesmordgeschichte, eine von zeitgenössischen Chronisten widerlegte Lüge, und die Flucht nach Ägypten, ein anderes Motiv, daß ein besonderer Stern den Helden angekündigt habe –
      welche Flucht nach Ägypten?:confused:
      Ich habe den Eindruck du vermischt hier Elemente der Mosesgeschichte mit der Jesusgeschichte.:confused:

      Gruß tt
      Avatar
      schrieb am 17.01.05 11:36:46
      Beitrag Nr. 96 ()
      #95, zum geschichtlichen Teil kann ich keine Monographien empfehlen. Ich habe diverse Bücher verwendet, durchaus auch die Propyläen-Weltgeschichte, obwohl die schon veraltet ist, und die Diskussion, die durch die Presse geht, was etwa die Rolle von Paulus angeht.

      Flucht nach Ägypten: in einem der Evangelien wird auch die Kindheitsgeschichte von Jesus erzählt: Geburt im Stall in Betlehem, Ankündigung durch Stern, 3 Weise, Anordnung der Ermordung der Erstgeborenen, Flucht der Familie nach Ägypten bis zum Tod des Herodes.

      Matthäus 2,13-15: "13 Als sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir`s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen. 14 Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten 15 und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Hosea 11,1): «Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.» "
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      schrieb am 17.01.05 12:01:19
      Beitrag Nr. 97 ()
      Danke für die Richtigstellung der Jesusgeschichte.
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      schrieb am 23.01.05 15:00:20
      Beitrag Nr. 98 ()
      Kapitel 6: Wie der Mensch denkt – freier Wille und Bewußtsein

      Das Kapitel habe ich erst mal umbenennen müssen, weil mir der Titel zu speziell war. Andererseits sehe ich die Gefahr, daß das Kapitel schon wieder ausufert, wie schon das fünfte, denn je länger ich über eine Sache schreibe und nachdenke, desto mehr fällt mir dazu ein, und desto unbefriedigender erscheinen mir die Kurzfassungen dazu.

      Wenn ich über das Denken schreiben will und über den damit verknüpften freien oder gar nicht so freien Willen, dann muß ich natürlich damit beginnen, das Gehirn zu beschreiben. Wie laufen in ihm Denkprozesse ab, wie das Fühlen, und wie bedingen Denken und Fühlen einander. Ich muß nach dem Bewußtsein fragen, was es ist und woher es kommt, und schließlcih fragen, woher unser Eindruck kommt, daß wir einen freien Willen haben. Seit ich darüber nachdenke, fällt mir auch ein, daß ich auch erklären müßte, wie wir eigentlich etwas wahrnehmen und wie unsere Denkstrukturen unsere Wahrnehmungen beeinflussen. Ebenso stellt sich die Frage, wie die Art unseres Denken darauf einwirkt, wie wir Entscheidungen treffen und in welcher Weise wir Irrtümern unterworfen.

      Schließlich kommt aber noch hinzu, daß wir ja ein soziales Wesen sind. Das Zusammenwirken mit anderen Menschen macht uns zu etwas anderem, als wenn wir alleine wären. Vor allem unterliegen wir einer permanenten Beeinflußung durch unsere Gruppenmitglieder. Unser Werturteil ist ein anderes, wenn wir dauernd von Menschen umgeben sind, die bestimmte Werte vertreten. Und das wirkt schließlich auch auf unser religiöses Empfinden. Religion ist auch ein Weg, ein besonderes Gruppenerleben auszulösen, is talso verknüpft mit unseren Eigenschaften als soziales Tier, als Gruppentier, das aus dem Rückhalt der Gruppe zusätzliche Kraft ziehen kann. Ich fange also mit dem ersten Abschnitt des sechsten Kapitels an:

      6A) Wie das Gehirn arbeitet

      Ein tiefschürfendes Werk dazu ist Alexander R. Lurija, Das Gehirn in Aktion – Einführung in die Neuropsychologie, rororo Hamburg 1992. Das russische Original dazu ist allerdings auf dem Stand von 1973. Seitdem sind gewaltige Fortschritte erzielt worden, die ich hoffentlich angemessen berücksichtige. Mein eigener erster Zugang zum Thema war J.Z.Young, Philosophy and the Brain, Oxford University Press, Oxford 1988. Während das erste Werk die spezielle Sicht des Neuropsychologen wiedergibt, der vor allem aus dem klinischen Bild von Menschen mit verschiedensten Hirnschädigungen sein Verständnis des Arbeitens eines Gehirns zusammensetzt, ist letzteres Buch von einem Biologen geschrieben worden, der das Arbeiten des Gehirns auf sehr vielen Ebenen diskutiert. Leider weiß ich bei dem letzteren Buch nicht, unter welchem Titel es in Deutsch erschienen ist (vielleicht: Philosophie und das Gehirn ;) ?), denn ansonsten würde ich es sehr empfehlen. Beide Bücher habe ich vor vielen Jahren gelesen, wenn ich also den Inhalt jetzt zusammengefaßt verwende, weiß ich nicht unbedingt, auf welches Buch ich mich beziehe. Aber ich werde zwischendurch mal nachblättern...

      Das Gehirn ist eine Ansammlung von Nervenzellen, die in verschiedene Bereiche gegliedert und organisiert sind, ergänzt durch anhängende Drüsen, die den hormonellen Spiegel des Körpers regulieren. Manche sagen, daß strenggenommen das gesamte Nervensystem des Körpers dazuzuzählen sind, denn die Steuerung unseres Körpers erfolgt teilweise dezentral – manche Reflexe werden über das Rückenmark angesteuert, und einige Hormone, die andernorts im Körper ausgeschüttet werden, wirken auf das Gehirn zurück. Man könnte auch sagen, daß ein Gehirn, das von seinem Körper getrennt wird, bereits nicht mehr die gleiche Persönlichkeit besitzt, wie mit seinem Körper.

      Wenn ich sage, daß das Gehirn eine Ansammlung von Nervenzellen ist, dann kann ich dabei nicht genug hervorheben, daß es zugleich stark untergliedert ist. Denn es stellt keine homogene Masse dar, sondern ist ein zusammengesetztes Organ mit spezialisierten Unterbereichen. Der Hirnstamm, der so schon bei den Reptilien vorhanden war, reguliert tiefsitzende Instinkte und Reflexe, steuert autonome Prozesse, wie die Atmung. Das limbische System (salopp gesagt), eine Ansammlung von Drüsen und abgetrennten Hirnbereichen unter dem Großhirn, hat weitreichende Aufgaben bei der Steuerung von Gehirnprozessen, etwa beim Lernen, bei der Zeitwahrnehmung und „Taktung“ von Körperfunktionen, bei der Hormonausschüttung („Belohnungszentrum“ ) und beim Bewußtsein. Das Kleinhirn hat seine Aufgaben bei grundsätzlichen Gefühlen. Es liegt zwischen Stammhirn und Großhrin auf halbem Wege vom Rückenmarkansatz her. Das Großhrin liegt wie zwei Halbkugeln über allem. Auf der Oberseite überwiegt die graue Materie der Nerven- bzw. Gehirnzellen, nach unten hin die weiße Masse der Nervenverbindungen oder Axone. Ein wichtiges Merkmal für das Verständnis des Gehirns ist nämlich, daß jede Gehirnzelle eine Vielzahl von Verbindungen zu anderen Gehirnzellen hat. Erst in diesen Verbindungen sitzen die ganzen Inhalte des Gehirns, unser Wissen, unsere Persönlichkeit, unsere Gefühle auf eine Art und Weise, die wir nur in Ansätzen verstehen.

      Wenn also das Gehirn zusammengesetzt ist aus vielen Unterbereichen, dann sollte es uns auch klar sein, daß wir nicht so etwas haben wie einen Zentralcomputer oder gar etwas, das einem kleinen Männchen in unserem Kopf entspricht, das dann unsere Persönlichkeit ausmacht, unseren freien Willen trägt und unseren Körper kontrolliert. Vielmehr arbeiten in unserem Gehirn viele verschiedene Funktionen zusammen, und erst aus dieser Zusammenarbeit erwächst unser Eindruck von uns als Person. Unser Gehirn ist durch und durch eine Körperfunktion, bei der kein Platz ist für so etwas wie eine Seele. Das möchte ich später an Beispielen deutlich machen.

      Einen ersten Eindruck, wie das Gehinr arbeitet, erhielt im 19. Jahrhundert Broca, als er feststellte, daß Menschen ihre Sprachfähigkeit verloren, wenn ein ganz bestimmter Teil des Gehirns auf der linken, oberen Großhirnhälfte, etwa in der Mitte, geschädigt war. Man stellte schnell fest, daß sich spezifisch bestimmte Körperfunktionen, Wahrnehmungen, Fähigkeiten, aber auch Teile der Persönlichkeit, der Erinnerung oder des Zeitempfindens ausschalten ließen, wenn ein bestimmter Teil des Gehirns durch einen Tumor oder einen Unfall geschädigt wurde. Das führte zunächst zum falschen Eindruck, es gäbe im Gehirn ein Seh-, ein Geruchs-, gar ein Buchstabenerkennungs- und ein Ballspielzentrum. Doch so einfach ist es nicht. Im Gehirn sind Funktionen in bestimten Bereichen lokalisiert, aber viele Tätigkeiten des Gehirns sind zusammengesetzte Funktionen, bei denen mehrere Hirnbereiche zusammenarbeiten müssen. Trotzdem ist die Grunderkenntnis entscheidend, daß das Gehirn keine amorphe graue oder weiße Masse ist, sondern sehr fein in viele Bereiche mit klaren Aufgaben unterteilt ist. Wäre es hingegen von einer Seele gesteuert, dann müßte es irgendeinen Bereich unserer Persönlichkeit geben, der von Schäden am Gehirn nicht beeinflußt wird. Das aber ist, so der klinische Befund, nicht der Fall. Bestimmte Schäden am Gehirn können sogar eine Persönlichkeit in ihrem Charakter völlig ändern, während Intelligenz, Fähigkeiten und Erinnerung völlig unbeeinflußt bleiben. Dies wird detailliert im Buch von Antonio R. Damasio, Descartes` Irrtum, dtv München 1997, erklärt, und ich möchte mich dem im nächsten Unterabschnitt B (Gefühl und Urteil) zuwenden.


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