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    Wer kennt Max Goldt? He rulez!! - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 08.12.00 22:15:07 von
    neuester Beitrag 13.12.00 02:08:56 von
    Beiträge: 34
    ID: 313.980
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      Avatar
      schrieb am 08.12.00 22:15:07
      Beitrag Nr. 1 ()
      Wer von euch kennt eigentlich Max Goldt? Wer auf skurrile Texte, Gedichte und wunderbares Sprachempfinden steht, sollte sich einmal den Kollegen live ansehen.
      Es wird euch die Bauchmuskeln zerreissen! :D

      Er schreibt (oder schrieb, ich bin momentan nicht up to date) eine Kolumne in der Titanic, Onkel Max Kulturtagebuch...ein RENNER! Superwitzig!

      Hier mein absolutes Lieblingsgedicht von ihm:

      Eines morgens
      ich wolllte gerade duschen
      kam ein Telegramm
      Handtuch um die Lenden
      las ich wie im Fieber.

      "Komm bitte heute um drei
      ins Buschwindrosenwäldchen.
      Wir passen zueinander.
      Herzlichst, die Liebe."

      Ich hatte mich gesehnt
      und wirklich sehr
      und dachte, nichts wie hin.

      Im Wäldchen aber war
      von Buschwindrosen keine Spur.
      Es lagen nur Kondome im Laub
      und benutztes Toilettenpapier.

      Die Liebe war auch nicht zur Stelle
      und auf der benachbarten Mülldeponie
      buhte ein bissiger Wind.

      Ungeduscht, geduzt und ausgebuht
      fuhr ich in einer überfüllten U-Bahn
      weh nach Hause.

      Na?

      Is das nix?

      Mag düster klingen, aber da kann ich ihn nur live empfehlen...wer ihn kennt, der weiß, daß er nach sowas auch absolute Brüller rüberbringt!!

      Das geile an seinen Texten ist, daß sie einen anrühren, aber gleichzeitig auch extreme Lach- und Brüllorgien hervorrufen.

      Noch eine Kostprobe?

      EIN EIMER ERBSEN MITTELFEIN

      Ein Eimer Erbsen mittelfein
      steht mahnend auf der Autobahn.

      "Woran gemahnt er, wovor warnt er?"

      Vor dem Atomtod.

      "Ach so."

      Ein Stapel alter Kinderschuh
      liegt mahnend auf dem Flugplatz.

      "Woran gemahnt er, wovor warnt er?"

      Vor dem Atomtod.

      "Ach so, freilich."


      Leider hab ich keinen Scanner, deshalb kann ich hier keine Prosa-Texte von ihm reinstellen.

      Deshalb mein Aufruf, oder besser Frage...was haltet ihr von einem Max Goldt-Thread, denn seine Texte fand ich grad in schweren Zeiten (nicht nur an der Börse) immer sehr "regulierend". :D

      Sind hier Goldt-Fans, oder bin ich der einzige, der ihm huldigt und gleichzeitig Aktien hat? (er hat bestimmt keine!)...somit eine Sorge weniger...:D

      Achso, alle, die etwas "konservativ" eingestellt sind (ich nenn das mal so zahm, mein aber die Hardliner hier im unregistrierten Sofa-Board, die immer gleich losdonnern), Max Goldt ist schwul und ist gebürtiger Bielefelder (es soll Menschen geben, die allein das als mäkelwürdig ansehen :D), lebt aber jetzt in Berlin.

      Wer Lust auf ihn bekommen hat: :D:

      ...ein paar seiner Bücher:

      - Die Radiotrinkerin

      - Schließ einfach die Augen und stell dir vor, ich wäre Heinz Kluncker

      - Ä


      Möge dieser Thread in der Versenkung verschwinden, oder lange lange leben :D

      verzückt grüßt greentea :D
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 22:24:47
      Beitrag Nr. 2 ()
      Ja, aber sicher.

      Durfte ihn auch schon zweimal live erleben. Lesung von ihm und W. Droste sollte man sich nicht entgehen lassen.
      Kam leider erst dazu ein Buch von ihm zu lesen. Hast du da "Anspieltips"?

      ein immer köstlich amüsierter

      :)WBB:)
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 22:28:22
      Beitrag Nr. 3 ()
      hast du ja schon genannt.

      :)WBB:)
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 22:30:21
      Beitrag Nr. 4 ()
      ah, es gibt also unter den börsianern auch max goldt fans...sehr gut :))

      mfg
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 22:36:22
      Beitrag Nr. 5 ()
      @wbb

      IHN mit wiglaf hab ich in köln vor jahren gesehen...resultat: wiglaf hat 5 pullen Pils alle gemacht, max fands lustig und ich hatte nen bauchmuskelkater..grandios!! :D besonders nett...max und wiglaf haben in köln auf der alten köln-düsseldorf feindschaft rumgeritten...und ich als ruhrpottler hab mich kaputtgelacht!!

      lachend grüßt greentea

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      Avatar
      schrieb am 08.12.00 22:36:52
      Beitrag Nr. 6 ()
      kann man bei vielen Äußerungen hier an Board kaum glauben, gell. :D

      Wie kann ich Texte scannen(Prog.), so daß diese eben nicht als Bild (Oh du Speicher, Volumen sei mit dir, ...) sondern als Text, bitte mit recht wenig Fehlern, dargestellt und kopiert werden können.
      Dann mach ich einen lustigen Lesethread auf...

      :laugh:WBB:laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 22:40:47
      Beitrag Nr. 7 ()
      Hehehe, komme aus Marburg...

      Da gibt´s die Fantifa und andere Frauen/Lesben-Gruppen (:laugh::laugh::laugh: - gibt´s wirklich) quasi als Vorspiel kostenlos mit dazu.

      :laugh:WBB:laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 22:41:56
      Beitrag Nr. 8 ()
      @wbb

      bitte in diesem thread...

      normalerweise wird mit dem Scanner Software mitgeliefert, die sich Texterkennung schimpft...damit kann man Vorlagen in z.B. Word Dokumente umwandeln...dann sollte posten kein Prob mehr sein.

      btw

      Menschen, die Max mögen, können keine schlechten Menschen sein!!

      :D

      grinsend grüßt greentea
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 22:47:48
      Beitrag Nr. 9 ()
      ...ahhh,

      übrigens, unwissendes Volk, er hat auch Musik gemacht...verdammt, ich hab den namen der band vergessen...unvergessen ist geblieben, die benutzungshinweise auf der Hülle...jaaa, wahres vinyl...man sollte die platte in einem kargen raum mit abgedunketen fenstern auf einem kargen stuhl geniessen...mann, wie hiess die gruppe doch gleich, hab die verdammte platte verliehen und weiss nicht mehr an wen...schande

      beschämt grüßt greentea
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 22:50:53
      Beitrag Nr. 10 ()
      >Menschen, die Max mögen, können keine schlechten Menschen sein!!


      Daraus würde er sicher ein schön begründendes Essay machen! :laugh:

      Ich hab keine Texterkennung (auch eine beschimpfte nicht); Glaub ich zumindest. Free/Shareware irgendwo?

      :)WBB:)
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 22:58:22
      Beitrag Nr. 11 ()
      @wbb

      hihi, dein nick erinnert mich an einen aufenthalt in london

      ...wir sind immer fein subway gefahren, am bahnsteig gabs auf der gegenüberliegenden wand natürlich werbung...

      für alle nicht subway kenner...vor dem türe schliessen sagt der fahrer: MIND THE GAP!

      das werbeplakat auf der gegenüberliegenden tunnelseite für wonderbra zeigte ein wunderschönes dekolleté (und nur das :D), erzeugt von einem wonderbra (oder auch nicht, wer weiß das schon?), darunter der schriftzug: MIND THE GAP

      ubahnfahrend grüßt greentea

      :D
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 23:01:11
      Beitrag Nr. 12 ()
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 23:08:33
      Beitrag Nr. 13 ()
      sinnlos.......



      :DWBB:D
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 23:09:46
      Beitrag Nr. 14 ()
      @wbb

      "beschimpfte" Texterkennung...hüha, hier liest jemand ganz genau (recht so :D)...ich könnt mal schauen, ob ich sowas habe...weißt du, ob man attachments per boardmail versenden kann?????

      DÜRRENMATT

      - Na, fräulein, was sitzenwa denn so alleiner herum? was lesen wa denn Schönes?

      - Dürrenmatt

      - Was?

      - Dürrenmatt

      -Ach, Dürrenmatt. Sagense mal Fräulein, habense nicht Lust, mit mir heute ins Kino zu gehen?

      - Ins Kino? Nein!

      - Nein.

      - Sie lesen wohl lieber Dürrenmatt!

      - Ja.

      - Na, dann lesense doch Ihren Dürrenmatt.


      Fragend grüßt greentea
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 23:14:20
      Beitrag Nr. 15 ()


      Mit der Premium-Card der Berliner Verkehrsbetriebe kann
      man werktags ab 20 Uhr, sowie an Feiertagen und Wochen-
      enden, eine Person mitnehmen.











      :laugh:WBB:laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 23:15:50
      Beitrag Nr. 16 ()
      Wer auf "Zurück" klickt ist doof...:laugh:

      :DWBB:D
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 23:20:39
      Beitrag Nr. 17 ()
      Da fehlt eins. Machen wir ein Quiz draus:

      Wo fehlt dieses Bild?
      a)fehlt garnicht
      b)ich weiß wo
      c)am Ende
      d)und in Afrika wird gehungert



      :laugh:WBB:laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 23:21:15
      Beitrag Nr. 18 ()
      :laugh:
      :laugh:
      :laugh:


      schaun mer mal, was die andern so sagen

      is denn scho weihnachten?

      :cool:

      gibbelnd (lachend) grüßt greentea...

      auf daß sich noch ne menge mg-fans einfinden!
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 23:34:02
      Beitrag Nr. 19 ()
      Langeweile?
      Avatar
      schrieb am 08.12.00 23:35:01
      Beitrag Nr. 20 ()
      Das muß nicht sein!




      :DWBB:D
      Avatar
      schrieb am 09.12.00 05:09:16
      Beitrag Nr. 21 ()
      Max ist bisweilen ein exzellenter Beobachter;
      auch der mündliche Vortrag liegt ihm durchaus.
      Seine Schreibkunst bleibt leider oft nur Mittelmaß, hinzu kommt ein augenscheinlicher
      Zwang zur abweichend originellen Meinung.
      Seine Fans lieben die durchaus "kultigen" Platten von Foyer des Arts oder seinem
      jüngeren Projekt Nuuk.
      Droste ist vermutlich mit dem deutlich schärferen Geist ausgestattet, ist aber Moralist,
      was einen Mangel an Leichtigkeit bedeutet, der aber in einen Gewinn umschlagen kann.

      Sie lasen ein Werturteil von
      bartleby
      Avatar
      schrieb am 09.12.00 07:51:16
      Beitrag Nr. 22 ()
      @bartleby

      hmmm, maybe, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß es Deinem Posting auch ein wenig an Leichtigkeit mangelt :D, aber ist es in der heutigen Zeit, die von Big Brother und gecasteten "trällermirdenarschvollboy/girlgroups" geprägt ist, nicht schön, sich von Mensche unterhalten (und nur darum gehts) zu lassen, die augenscheinlich was in der Birne haben und über sich selbst lachen können? Was speziell für den "Öko" Droste zutrifft?

      Sie lasen eine Erwiderung von
      greentea
      Avatar
      schrieb am 09.12.00 13:29:05
      Beitrag Nr. 23 ()
      @greentea
      Du hast es schon recht gut bemerkt, ich wollte mal wieder nur ein wenig für schlechte Laune sorgen.

      Fakt ist: Vieles der Herren steht in meinem Regal und wird auch so schnell nicht verbrannt.

      Meine Probleme mit Max rühren ursprünglich daher, daß ich leider einige Leute kannte, denen nachweislich jeglicher
      Sinn für´s Wahre, Gute, Schöne und vor allem jeglicher Witz abgeht, die aber auf wundersame Weise an dem "putzig originellen"
      Herrn Goldt eine schon hysterische Freude hatten.- Was kann der Autor für sein Publikum ? Ich weiß es auch nicht so recht, denke
      aber, Droste fliegen die Herzen nicht ganz so schnell zu.
      Andererseits: Wer die Cocteau Twins liebt, kann auch kein schlechter Mensch sein.
      "Öko"-Droste wiederum hat durch seine Schilderung der Gefühlslage beim Eintritt in einen Bio-Laden bei mir lebenslangen Kredit.
      Nicht vergessen will ich: Der Mann hat enormen Fußballverstand.

      Kurvenketzer
      bartleby
      Avatar
      schrieb am 10.12.00 19:35:09
      Beitrag Nr. 24 ()
      @bartleby

      auch hier nochmal Herzlichen Glückwunsch für die Dausend in Deiner Syntaxpolonaise...ich hatte die Ehre, die dausend zu deflorieren...möge der Eierlikör Dir labend die Kehle runterrinnen! :D

      Aber was anderes, kennst Du Web-Sites, die sich mit Goldt, Droste und sonstigen beschäftigt?

      Poste doch mal!

      erwartungsvoll grüßt greentea
      Avatar
      schrieb am 11.12.00 21:51:07
      Beitrag Nr. 25 ()
      N´Abend

      Avatar
      schrieb am 11.12.00 21:52:47
      Beitrag Nr. 26 ()


      Avatar
      schrieb am 11.12.00 21:53:19
      Beitrag Nr. 27 ()
      Avatar
      schrieb am 11.12.00 21:54:59
      Beitrag Nr. 28 ()






      greentea: Schau mal oben im Thread.

      :laugh:WBB:laugh:
      Avatar
      schrieb am 11.12.00 22:33:24
      Beitrag Nr. 29 ()
      Worte wie Heu
      (September 1992)


      Gerne denke ich an Wien. Dort gilt es nicht als spleenig, sich in ein Lokal zu setzen, möglicherweise gar in ein Exemplar der in Deutschland stark bedrohten Spezies »Lokal ohne Musik«, um dort ein Buch zu lesen, einen Brief zu schreiben oder Einfälle in ein Oktavheft zu notieren. Schon die Gymnasiasten lieben es, ihre Hausaufgaben im Kaffeehaus zu erledigen. In einem Berliner Lokal würde ich es nie wagen, ein Buch zu lesen, obwohl ich das gerne tun würde. In der Wohnung kann ich mich auf Lektüre nicht konzentrieren. Dort gibt das Telephon Geräusche von sich, die man aus Formulierungsfaulheit noch immer als Klingeln bezeichnet, dort müssen regelmäßig 27 Kanäle durchgeschaltet werden, dort liegt ein Zuckertütchen auf dem Teppich und will aufgehoben werden; Zettel bitten darum, zu entscheiden, ob ich sie fortwerfe oder irgendwo abhefte, der Müll beginnt zu miefen, dann muß ich mal wieder Info Radio 101 anstellen, wo alle zehn Minuten die Temperatur und die aktuellen Flugverspätungen durchgegeben werden, dann muß ich alleweil zum Kühlschrank schleichen, ob nicht doch irgendwas »Interessantes« drin ist, dann stehe ich mit schiefem Kopf vor dem Plattenregal und stelle fest, daß die Morrissey-Maxis nicht in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung stehen: Ich ordne sie neu, ärgere mich dann über diese sinnlose Pedanterieattacke und über das schöne Geld, das ich für Platten ausgebe, die ich einmal höre und dann nie wieder, wonach ich gucken muß, wieviel ich eigentlich auf dem Konto habe, und in der Schublade, wo das Sparbuch drin ist, liegt ein Bündel alter Briefe, die ich alle noch einmal lese, und rawusch ist der Abend vorbei, und das Buch liegt ungelesen im Sessel. Wie vergleichsweise arm an Zerstreuungen sind Kneipe und Café! Ein vielzitierter Satz von einem dieser vielzitierten alten Wiener Literaten, von welchem ist mir wurscht, besagt ja, daß das Kaffeehaus der Ort für Leute sei, die zum Alleinsein Gesellschaft brauchen. Diese Erkenntnis steht zwar in der Hitparade abgedroschener Zitate nur wenige Plätze hinter »mit der Seele baumeln«, »Menschliches und Allzumenschliches« und »Denk ich an Deutschland in der Nacht ... «, doch sie macht mich heftig mit dem Kopfe nicken. Aber keine Schangse in Berlin: Wenn man in hiesigen Lokalen Dinge in kleine Heftchen notiert, wird man angesehen, als ob man gerade der Psychiatrie entwichen sei, oder argwöhnisch ausgefragt: Was schreimsen da? und warum man das mache. Ganz arg wird`s, wenn dem Oktavheftvollschreiber etwas Lustiges einfällt, über das der lachen muß - da erkundigt sich die Kellnerin schon mal beim Kollegen nach der Telephonnummer gewisser weißgekleideter Herren kräftigen Zugriffs. Nein, das darf`s nicht geben, daß einer allein an einem Tische sitzt und sich kraft eigener Gedankenmanipulation gute Laune herbeialchemisiert, während die geselligen Ibizaleute am Nebentisch mit den Fingern knacksen, um einander zu unterhalten. Gewiß bin ich ein glühender Verfechter des gemütlichen Zusammenseins und Umherstrolchens. Wie sagt man in Berlin? »Und dann ziehn wa mit Jesang in das nächste Restorang ... « Aber doch nicht jeden Abend! Die Obermotze der Firma Herlitz werden mir bestätigen, daß sie Oktavheftchen herstellen, damit man emsig in sie hineinschreibt, und nicht, damit man singend durch die Straßen läuft. Ein anderes Notizbuch befindet sich auf meinem Nachtschrank. Dort schreib ich manchmal, eher selten, noch im Bette liegend Träume hinein oder merkwürdige Wortreihen, die ich beim Erwachen im Kopf habe. Ich messe den Träumen weder Psychogramm- noch Ahnungscharakter bei, aber finde es bisweilen ausgesprochen flott gewoben. In schweiß getränkter Morgenstunde träumte mir vor kurzem dies: Ich befand mich mit meiner Ex-Gattin Else und einer weiteren, mir nicht bekannten Dame in einem Hotelzimmer, welches sich in einem oberen Geschoß eines Wolkenkratzers befand. Ich sagte: Gleich kommt ein Erdbebenfilm im Fernsehen. Darauf riefen die Frauen, daß sie sich, wenn ich den gucke, im Badezimmer verstecken würden. Ich entgegnete: Wieso denn? Ist doch nur Fernsehen! Dann schaute wir aus dem Fenster. Unter uns stürzten Gebäude und Brücken ein. Die Frauen rannten ins Badezimmer und schrien: Komm auch, komm auch! Ich sagte: Wieso denn? Ist doch nur Fenster!
      Eine Freundin, die eigentlich dem Naturschutzgedanken nahesteht, berichtete mir vor einiger Zeit beinah wutschnaubend, daß sie im Fernsehen ein Tier gesehen hätte, auf dessen Betrachtung sie liebend gern verzichte hätte. Nacktmull wäre sein Name. Sie war ganz aufgelöst das Haar hing ihr wild ins Gesicht, und schreiend griff sich, einen Zettel, auf den sie verschrumpeltes Gewürm mit furchterregenden Säbelzähnen kritzelte, wonach sie auf ihre Zeichnungen deutete und rief, ein Gott, der derlei zulasse, sei ihr Gott nimmermehr, womit sie nicht ihre Zeichenkunst meinte. Ich hatte ihre Erregung nicht ganz verstanden, bis ich dieser Tage das Augustheft der Zeitschrift »natur« aufschlug, in welcher auf fünf Doppelseiten Fotos dieser wahrlich abscheulichen Kreatur zu sehen sind Ich mußte mich setzen, um ein Glas Wasser bitten, heftig atmen, und dachte: Selbst wenn ich Präsident des World Wildlife Fund wäre, eher würde ich Herrn Honecker einladen, sein Gnaden-FinnCrisp an meinem Tisch zu kauen, als dieses Tier vorm Aussterben zu bewahren! So dachte ich in erster Erregung. Wenn Gott mir das verzeihen könnte, dann wär das schön wie eine schöne Melodie. Ich bin kein Eek-A-Mouse-Typ; die Spinnen laß ich munter durch mein Zimmer dackeln, und tigern Ratten über meinen Weg, dann sag ich: Kuckuck! Nacktmulle jedoch sehen aus wie in grause Wurmgestalt verzauberte Hautkrankheiten mit Zähnen vorne dran. Hätten die Tiere nicht so eine eigentümliche, unterirdische Lebensweise, könnten Perverse mit ihrer Zucht ein Heidengeld verdienen.

      Ich kann mir vorstellen, daß die Telephone der »natur«-Redaktion seit Wochen »klingeln« wie Berserker, da Zuhälter und Szenecafébosse wegen Bezugsquellen anfragen. Der zu den Abbildungen gehörige Text ist aufschlußreich - »natur« ist eine gute Zeitschrift -, aber ein Satz daraus mißfällt mir: Zyniker unter den Zoologen bezeichnen die Nacktmulle gern als »Penisse auf Beinen«. Da ich bisher allen Gelegenheiten, zynischen Zoologen in den Schlüpfer zu lugen, ausgewichen bin, weiß ich nicht, was dort für Zustände herrschen, aber meine sonstige Lebenserfahrung lehrt mich, daß sich der Penis, was seine optische Kreditwürdigkeit angeht, nicht hinter der Schamlippe oder dem Busen verstecken muß und daß weder beim Weibe noch beim Manne Körperteile anzutreffen sind, die einem lichtscheuen Nagetier ähneln.

      Sicher: In Anspielung auf ein blödes Fußballbonmot sagt man manchmal, Sex sei die häßlichste Hauptsache der Welt, doch bezieht sich diese Halbwahrheit nicht auf sexuelles Treiben an sich, sondern auf dessen übertriebene öffentliche Zurschaustellung, weswegen das ja eben eine Halbwahrheit ist.

      Der Penis ist sogar eine der wenigen Körperstellen des Mannes, die beim Älterwerden nicht wesentlich häßlicher werden. Er bleibt ungefähr gleich, wobei man von Schamhaaren alter Leute sagen kann, daß sie aussähen, als ob da nacheinander ein Erdbeben gewütet und die Schweden gebrandschatzt hätten. Ähnlich unschön sind alte Hunde, die eine Treppe hinuntergehen, wie die so die Beine von sich spreizen und in der Mitte durchhängen. Alte Männer indes, im speziellen freilich Schöngeister und Künstler, zeugen oft noch im hohen Alter mit jungen Frauen noch jüngere Kinder. Das würde bestimmt nicht klappen, wenn die Partnerin nach männlichem Schlüpfer-auf-die-Stuhllehne-Legen krähen würde: Pfui Teufel, dein Penis sieht ja aus wie ein alter Hund, der die Treppe runtergeht. Nein, die Parfüm- und Porzellankreationen Paloma Picassos verdankt die Welt der historischen Tatsache, daß ihre Mutter freudig krähend beobachtet hat, daß ein junggebliebener Hund eine Treppe hochgegangen ist. Das mit dem Krähen ist natürlich eine Metapher, Allegorie, Parabel, Spirale oder irgendwas. Ich denke weniger an ein akustisches Signal als an ein innerliches Aufkrähen des vom Ereignisglanz des emporgegangenen Vaterorgans geblendeten oder zumindest beleuchteten statistischen Urweibes. Die Österreicherin Jelinek mag bitte mit fantastischer Hutkreation auf ihrem vermutlich eigentlich freundlichen Kopf an mir vorbeistürzen, denn sie weiß ja sicher noch besser als ich, wieviel Spaß vielen Frauen die innere Mobilität männlicher Sonderausstattungen schon bereitet hat.
      Ob es mir als Koketterie ausgelegt wird, wenn ich angebe, daß ich den letzten Abschnitt, in dem ich mich erneut meiner Vorliebe für betuliche Penissynonyme und anderen Marotten hingegeben habe, in der Rekordzeit von 42 Minuten aufgeschrieben habe? Es sind nunmal gerade Olympische Spiele. Der drahtige Asiate, der im Fernsehen gerade über einen Klotz mit zwei Griffen dran wirbelt, hätte bestimmt viel länger für diesen Text gebraucht, und hinterher wäre er ganz verzweifelt, weil er nicht wüßte, was ein »statistisches Urweib« sein soll. Ich weiß das auch nicht, aber ich bin nicht verzweifelt. Man soll sich der Pingeligkeit enthalten. Wenn so was im Radio auf englisch kommt, wird ja auch nicht gemosert. Es gab Anfang des Jahres einen Schlager, wo der Refrain lautete »Sie sind berechtigt und antik, und sie fahren einen Eiskremwagen«. Damit mag es vielleicht gar noch eine Bewandtnis haben, aber von den Sisters of Mercy gab es einst ein Lied, in welchem es hieß »Sing diese Verrostung zu mir«. Solche Sätze kenne ich gut. Wenn ich mir des Morgens den Sandmann aus den Augenwinkeln reibe, feststelle, daß in meinem Portemonnaie 50 DM weniger als am vorangegangenen Abend sind, angewidert an meiner Jacke rieche und dann in meinem Oktavheftchen Sätze lese wie »Ich habe Worte wie Heu, doch wer glaubt heut noch einem reichen Mann«, dann sag ich: »Kombiniere.« Auch im Ausland gibt es Leute, die abends kichernd Heftchen vollschreiben und sich morgens sehr darüber wundern. Im Gegensatz zu uns scheuen sich Ausländer nicht, so etwas zu singen. Es sind Wohlfühl-Worte. Dichtung kann auch in Geistesverfassungen erfolgen, die dem Nichtkenner dafür ungeeignet erscheinen. Ich glaube zwar nicht, daß jemals gelungene Werke in ganzer Länge im Bierlokal verfaßt worden sind, aber Passagen und Zeilen ganz sicher. Wir sollten uns an so etwas erfreuen und, je nach Neigung, ein statistisches Urweib oder einen zynischen Zoologen zu modernen Tänzen auffordern.

      Groß ist die Sehnsucht der Deutschen nach Wohlfühl-Worten, klein sind Kraft und Wille, sie in der eigenen Sprache zu suchen. Die Angst vor Bedeutung überragt den Respekt vor der Schönheit haushoch. Ein Rundfunkredakteur sagte: »Man kann in einer Magazinsendung unmöglich ein deutsches Lied spielen, weil seinem Text in Zusammenhang mit einem Informationsbeitrag automatisch eine kommentierende Wirkung zukäme, die in unglücklichen Fällen als zynisch empfunden werden könnte.« Mich würde interessieren, wie Briten und Amerikaner mit diesem Problem klarkommen.

      Der Nacktmull gilt in unseren Augen als scheußlich Meerschweinchen als niedlich, obwohl beide Tiere miteinander verwandt sind, so wie das Deutsche mit dem Englischen. »Jaja, der Nacktmull übt sicher irgendeine wichtige ökologische Funktion aus, und mit dem Deutschen lassen sich Informationen präzise weiterleiten«, wird widerwillig eingeräumt, doch Deutschland sitzt weiter, Meerschweinchen streichelnd, vorm englisch singenden Radio denke, jedem Tier und jeder Sprache gebührt ein gutes zartes Plätzchen, und jeder ist berechtigt und antik genug im Lokal zu sitzen und Oktavheftchen vollzuschreiben, wenn er will. Doch manchmal geht`s wirklich zu weit. Was lese ich da, geschrieben vor einigen Wochen:

      VOR DER REISE NACH KIEL

      - Visa

      - Impfen

      - Bikinis

      Hatte ich dereinst einen Knall? Wütend werf ich das Notizbuch aus dem Fenster. Doch, ei, das Notizbuch denkt »ist ja nur Fenster«, und gleich einem Vogel fliegt es zum nächsten Baum, baut sich ein Nest und legt ein dickes Ei. Unter dem Baum hält ein junger Mann mit einem DIESEL-Only-The-Brave-DIESEL-T-Shirt ein Nickerchen, denn es ist der 9.8.1992, mit 37,7 Grad der heißeste Augusttag seit Beginn der Temperaturaufzeichnung in Berlin wie Info Radio 101 nicht müde wird, alle zehn Minute zu betonen. Da hat der Mann Schatten gesucht. Vor Hitze fällt das Ei aus dem Nest und landet, platsch, auf der T-Shirt-Inschrift. Rasch trocknet die Hitze den Inhalt des Eis und bildet ein interessantes Muster aus lauter kleinen Wohlfühl-Worten. Froh rennt der Mann durch die Gegend.

      Max Goldt
      Erstveröffentlichung: 09.92 in "Titanic"
      "Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittaut" (Haffmans) 03.93

      vonhttp://amadeus.econ.uni-hamburg.de/goldt/
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      schrieb am 11.12.00 22:35:50
      Beitrag Nr. 30 ()
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      schrieb am 11.12.00 22:37:01
      Beitrag Nr. 31 ()



      :laugh::laugh::laugh:
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      schrieb am 11.12.00 22:41:38
      Beitrag Nr. 32 ()
      »Wollen wir nicht wenigstens warten, bis einer zu singen anfängt?«
      Das Senatsrockwettbewerbsjuryabhörwochenende
      So ist er halt, der liebe Senat von Berlin: Er hat ein Herz für alles. Nicht nur, daß er der Homosexuellenszene via Opern-Subvention jährlich 6o Millionen Mark hintenreinbuttert, auch der verschiedengeschlechtlich programmierte Musikliebhaber weiß seine Musik, den sogenannten Rock, bei Senatens in besten Händen.

      Seit 1980 nämlich sitzt im 7. Stock des Europa-Centers ein Referent für freie Gruppen, Volksmund sagt auch Rocksenator, und verschenkt Geld und Gitarren an rhythmisches Jungvolk. Um herauszufinden, wer seine Gunst auch wirklich verdient, veranstaltet er alljährlich den senatlichen Rockwettbewerb. Mehr schmunzelnd als stolz muß ich hier anmerken, daß ich im ersten Jahr unter den neun Gewinnern war. Als Preis gab es damals fünf Tage im landeseigenen Beat-Studio und 2000 heiße Scheiben von einem selber. Aus letzteren baute sich mein Mitmusikant Pasemann ein zwar wackeliges, aber originelles Bettgestell, das er erst letztes Jahr, als sich seine Bettsituation dramatisch verbesserte, der Sondermüllstelle übergab.

      So mag es wie ein Augenzwinkern der Vorhersehung erscheinen, daß ich acht Jahre später selber in der Runde sitze, die allsommerlich zusammenfindet, um Schlimmes und nicht ganz so Schlimmes von unglaublich Schlimmem und Allerschlimmstem zu trennen. Um dazu. die nötige Muße zu haben, begeben sich die 16 Experten - Rockkritiker und Veranstalter, Verleger, Funkfritzen und selber Aktive - deren Durchschnittsalter mit einiger Müh noch als 30 bezeichnet werden könnte, für drei Tage an einen stillen Ort in der Heide.

      Der erste Tag

      Ein PKW mit vier Experten zischt zielstrebig durch Lüneburg. Eine sicher lieb gemeinte Einladung, umsonst alte Kaffeemühlen zu besichtigen, müssen die Fachleute ausschlagen, denn drunten in Bad Bevensen, das nicht zu Unrecht Bad Bevensen heißt, wartet schon Rocksenator Fischer mit gnadenloser Stop-Uhr, möglicherweise tadelnden Worten und, was das Entsetzlichste ist: 256 Kassetten.

      Ort der Klausur: Eine Heimvolkshochschule mit barockem Kloster anbei. Die Rheumaligisten, die auch gerade tagen, zucken jäh zusammen: Sahen sie da eben etwa eine grell bemalte 51jährige mit untertassengroßem Ohrgehänge und zwei Champagnerflaschen im Arm, gefolgt von einer grölenden Meute, einem nüchternen Seminarraum entgegenschreiten? Ja, sie sahen Monika Döring, die Mutter Beimer und Mutter Courage und Mutter Teresa des Berliner Underground und 15 schräge Aktivisten, denen man auch tagsüber ansieht, daß Nachtleben für sie kein Fremdwort ist.

      Punkt 19 Uhr beginnt das sogenannte »Hören«, welches folgendergestalt vonstatten geht. Der Rocksenator sagt: »Jetzt kommt Kassette 1. Ihr wißt, es ist alles anonym. Die Gruppennamen erfahrt ihr erst am Schluß. Wenn ihr eine Gruppe nicht mehr weiter hören wollt, hebt die Arme in die Höh.« Anschließend legt Sandy, sein putziger Assistent, die erste Kassette ein. »Igitt, das Intro!« mäkelt sogleich jemand, und ein anderer, ein Juryveteran, prophezeit: »Das wird wieder genau wie im letzten Jahr!« Etliche Arme schnellen nach oben. »Wollen wir nicht wenigstens warten, bis einer zu singen anfängt?« ruft ein Gremiumsnovize, der seinen Idealismus alsbald bereut, als ein Schreihals mit Schreien anfängt.

      Auf die Frage des Rocksenators, ob einer das da in der zweiten Runde wolle, kreischen 16 Kehlen nein. Kreischen macht bekanntlich durstig, und es stellt keineswegs die Aufgabe des Chronisten dar, hier zu verschweigen, daß von nun an so manche Flasche entkorkt oder entdeckelt, in Gläser gefüllt und im Nu ausgetrunken wird, worauf Nachschub zu beschaffen ist, der ebenfalls ohne Diskussion flink verzehrt zu werden wünscht. Sogar die disziplinierte Doro vom Café Swing, die mit 60 Hippiehemden im Koffer direkt von Bali nach Bad Bevensen kam, ruft nach Kassette 30 in die Runde »Wißt Ihr was? Ich trinke jetzt auch mal Alkohol.« Von einem Mangel an Flaschen auf Tischen kann bald keine Rede mehr sein. Doch auch durch das grüne Geschimmer der Tafelbierflaschen kann ich noch den gegenüber von mir sitzenden Herrn vom tip sehen, der kippelt und kippelt. Ich wette darauf mit dem klugen, aber nicht besonders gut aussehenden Wiglaf Droste, ob er bei Kassette 50 oder erst bei 80 umkippen würde, aber er kippelt nur und kippelt, kippt aber nicht um. Die Vertreterin der Firma Vielklang mit dem schrecklichen Namen Sylvie Fukking macht indessen der Sängerin von The Deep vor, wie man einen Delphin-Mund macht, wobei ihr aber die Kontaktlinsen rausfallen. Während sie dann auf dem Boden herumkrabbelt, wobei man ihr bis sonstwo sehen kann, bewirft mich die SFBeat-Moderatorin Efa Schütte, hübsch wie die junge Zsa Zsa Gabor, mit Paprika-Chipsletten. Nebenbei läuft natürlich noch irgendwelche Musik karrierewilliger Berliner, mit Rücksicht auf die Rheumaliga gottseidank nicht so laut.

      Es ist aber durchaus nicht so, daß gar keiner hinhört, denn hinten in der Ecke sitzt der Gitarrist von The Smash, der alles in die Zwischenrunde wählt, was so ähnlich wie The Smash klingt, also ca. jede vierte Kassette. Die Damenriege links von mir votiert für alles, was nach »Metal« klingt, weil »Das hat doch was« und »geht doch gut los«. Geistreichere Argumente werden selten laut. Von Synkopen, Subdominanten und Tritonüssen wird keineswegs gefachsimpelt, vielmehr bevorzugen die Fachleute volkstümlichere Kriterien wie »geil« oder »weg damit jetzt endlich«.

      Von besonders wenig preiswürdig klingenden oder deutsch singenden Interpreten (ca. 10 % der Einsendungen) werden natürlich auch mal hämisch Photos rumgereicht. Das muß man aber verstehen. Wer würde nicht gerne mal sehen, wie einer aussieht, der singt »Mach die Tür zu. Schmeiß in die Ecke die Schuh«, oder was für eine Frisur jemand hat, der mit deutlich schwäbischen Einschlag »Underground is like a sausage« wimmert? Doch das Interesse flaut allmählich ab. Monika Döring, deren eine Brustwarze man bei Kassette 68 sehen kann, legt sich bei Nr. 74 unter den Tisch und macht ein Nikkerchen. Andere sind ausdauernder: Noch bei Tape 85 stellt Doro fest: »Irgendwie ist es viel lustiger, mit so vielen Leuten Kassetten zu hören als alleine.« Doch fünf Beiträge weiter überfällt auch sie ein Dösen. Nach dem hundertsten Attentat auf unser Urteilsvermögen gehe ich mit einigen Presseheinis in »die Stadt« (Bad Bevensen), wo wir in der leersten »Discotheque« der Welt noch zwei Stündchen zu tief ins Glas schauen.

      Der zweite Tag
      Typischer Seminarteilnehmer-Frühstücksdialog: »Sind bei euch im Zimmer auch so viele Fliegen?«

      »Ja, total. Und stinkt eure Naßzelle auch so?«

      »Ja, voll muffig. Das Müsli hier ist aber auch muffig.« Doch man ist gut gelaunt und schreitet beherzt dem weiteren »Hören« entgegen, wo noch 156 Kassetten mit Gequietsche, Gebrummel, Gepolter und Gekreisch war ten. »Heute wollen wir aber mal ordentlich zuhören und nicht so wie gestern« wird einmütig beschlossen. Aki, die The Deep-Sängerin, trägt heute ihre viel Anklang findende Bühnen-Strickjacke und stellt korrekt fest, daß der Gemüsesaft von Kaisers in Bad Bevensen moderig schmeckt. Die Jurykladde des klugen und eigentlich gar nicht so schlecht aussehenden Wiglaf Droste ist total bekleckert, und der tip-Mann kippelt bedenklich. Die Fachrunde ist heute gnädig und delegiert fast alles in die zweite Runde, nur den tragischen Lord Litter nicht, der schon zum neunten Mal teilnimmt und noch nie gewonnen hat. Seinen Lebensunterhalt soll er mit Dia-Shows für Siemens bestreiten. Noch uninteressanter als diese Information sind die Texte, die die Vokalisten auf den scheußlichen Kassetten singen. Fast alle are walking through the city, was sie leider wie ciddey aussprechen zu müssen meinen, und während sie dann through the ciddey walken, kommen sie sich wie in the geddou vor, und als der Refrain folgt dann etwas in der Art von Please let me the rockmusic play. Komischerweise singen auch alle die gleiche Melodie. Kommt aber mal was »Experimentelles«, ist die Jury auch unzufrieden, und es wird gerufen, daß das ja bestimmt wieder nur so Fleisch-Schmeißer seien, und daß gerade ich als Vegetarier so etwas nicht fördern sollte, und außerdem seien das sowieso nur »Geräusche, die schlechte Laune machen, wo einer mit nem Quirl rumquirlt.« (O-Ton Smash-Gitarrist) Geradezu universelle Animosität schnellt mir entgegen, als ich es wage, als einziger der Gruppe Love Hate Love meine Stimme zu geben. Der Sänger singt ungefähr so, wie ich vor zehn Jahren gesungen habe, also in der Tonfindung, sagen wir mal höflich: eigenwillig, worin ich aber etwas Morrissey-Verwandtes höre, und Morrisseyhaftigkeiten will ich wohl unterstützen. Vielleicht sieht der Mann ja auch aus, wie ich vor zehn Jahren ausgesehen habe, dann würde ich ihn gern mal kennenlernen (Retrospektive Selbstbeschmeichelung). Aber, lieber Love Hate Love-Sänger, der Höhepunkt des Tages bist du nicht, der ist ganz anderen Strickmusters. Und »Strickmuster« ist hier ein sehr passender Ausdruck: Kassette 167! Porno-Ina Deter! Kikki Chaos und die Gruppe Niemand! Achtmal hintereinander zwitschert sie »Rapapapa«, bevor sie feststellt, »Männer fühlen sich saugut an«, und daß sie »etwas Rundes in der Hand« brauche, bevor sie einschlafen könne. Auf ihrem Textblatt findet sich auch die eigenartige Vokabel »Aaaarrrrgggh«, was, wenn sie es singt, aber mehr wie »Uff« klingt. Kikki, eines solltest du wissen: Dein Tape ist das einzige, was sich die Jury mehrmals hintereinander anhört. Freiwillig, aber auch schenkelklopfend, daß muß zugegeben werden. Leider haben nur der kluge und ziemlich gutaussehende Wiglaf Droste und ich den Schneid, dich in die Endrunde zu wählen, um damit das längst fällige Schneewittchen-Frauen-haben-Bock-auf-Rock-Revival einzuleiten.

      In der Mittagspause wollten mein Zimmerkumpel und ich eigentlich ins Lüneburger Salzmuseum fahren, um dort unsere im Berliner Zuckermuseum gewonnenen Erkenntnisse kontrapunktieren zu lassen, aber die Zeit reicht nur für einen Abstecher zum Getränkegroßmarkt in Bienenbüttel. Das »Hören« nach der Pause gestaltet sich daher wieder getränkemäßiger. Ich öffne mein erstes »Dithmarscher Pilsner« just in dem Moment, als der Sänger von The Chud »Take a look« so singt, daß es wie »Dicke Luft« klingt, worauf ich prusten muß, und meine Kladde genauso bekleckert wie die von Wiglaf ist. Wenig später spricht der Rocksenator ein Machtwort, weil zwei Leute Gläser spülen sind, zwei schlafen und der Rest, statt dem Eingesandten zu lauschen, im Kanon die Werbespot-Melodie von »Abfluß-Frei«, singt. Ab Kassette 200, über die Wiglaf in seine Kleckerkladde notiert »Klingt wie U2 in der Hanns-Martin Schleyer-Halle«, sind alle außer dem spitzohrigen Smash-Mann völlig debil. Die Frauen fressen geil Oliven, Monika betätschelt Sylvies Brüste, der tip-Mann kippelt zirkusreif, von der
      schönen SFB-Frau erfahre ich, daß die Ex-Wetterkartenmacherin von Radio Bremen ihre Hochzeit auf Video habe, die Sänger walken weiter through the ciddey, und Aki erzählt, daß Nina Hagen röche, »wie wenn man sich wochenlang nicht wäscht«. Nach Nr. 256 wird aufgeatmet und ganz laut Prince gehört.

      Der dritte Tag

      Wiglaf, Aki und ich tragen heute Sonnenbrillen, weil wir uns gestern nacht noch ziemlich nahe gekommen sind, als wir bis um fünf Le mystere des voix bulgares imitierten. Heute hat die Jury die Aufgabe zu entscheiden, welche 21 der ca. 70 Zwischenrundengruppen sie auch noch live an sieben Abenden im Quartier Latin zu hören verdammt ist. In diesem Prozeß ist eine beträchtliche Verringerung der guten Laune festzustellen. Meine sinkt auf den Nullpunkt, als ein nach allgemeiner Ansicht sehr mäßiges Band, was mit einer einzigen Stimme in die Zwischenrunde gewählt wurde, plötzlich eine überwältigende Zustimmung erhält, nachdem ein Jurymitglied entgegen den Spielregeln erklärt hat, die Kassette sei zwar wirklich nicht besonders, stamme aber von der Gruppe Jingo de Lunch und »eine so wichtige Gruppe« müsse man einfach wählen. Die vier Juroren, die sich dieser allgemeinen Trend- oder Kreuzberghörigkeit nicht anschließend mögen, werden dann auch noch wüst als Ignoranten beschimpft. Doch will ich nicht lamentieren. Ich will lieber beschreiben, wie ich mit dem klugen, sensiblen und sehr gut aussehenden Wiglaf Droste Federball spiele. Gleich heliumgefüllten Elfchen tanzen wir über den Rasen, unsere balinesischen Hippiehemden, die Doro uns freundlicherweise überließ, flattern synchron im Wind, und einmal schaffen wir 30 Schläge hintereinander. Abends wird ein kleines Restaurant im stillen Dannenberg von einer Horde unglaublich lauter und trinkfester Berliner überfallen, die im Kanon Werbemelodien von »Abfluß-Frei«, »Calgon« und »Joghurette« plärrt.

      Heimreise

      Wiglaf Droste hat Verbrecheraugen und einen zu kurzen Rumpf. Er scheint unter Rumpfschrumpf zu leiden (Rumpf ist das Zeug zwischen Gesicht und Gesäß.)
      Als ich erschöpft zu Hause ankomme, stelle ich fest, daß der Natreen-Diät-Multivitamin-Mehrfruchtnektar in meinem Kühlschrank endlich begonnen hat zu verschimmeln, wie sich das ja wohl auch gehört.



      Max Goldt aus "Kommunikaze" von Wiglaf Droste
      (Verlag Weisser Stein, Greiz - 1989)
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      schrieb am 11.12.00 22:42:10
      Beitrag Nr. 33 ()
      Wenn man durch diese Stadt geht - oder, wenn es sein muß, auch durch eine andere - trifft man leider alle Nase lang einen Blödmann, der sich wahrscheinlich auf dem Weg in ein Lokal befindet, wo sie dann alle sitzen und selbstgedrehte Zigaretten rauchen, die Blödmänner. Blödmann wie Blödfrau trinkt Weizenbier, zu viert, zu fünft, zu sechst, an einem runden Tisch mit einem Aschenbecher in der Mitte. Aus Lautsprecherboxen dringt Lautstärke, und statt daß mal ein Blödmann horcht und endlich feststellt, daß da nichts Hörenswertes sondern Dummes dröhnt, lassen sie ihrerseits aus ihren Mündern noch zusätzlich Lautstärke quellen. Was gibt es da wohl zu bereden? Werden da Meinungen ausgetauscht oder - was wohl besser wäre - Ideen? Aber nein, denn sie haben alle dieselbe Meinung und dieselben Ideen, da sie alle die gleiche Zeitung lesen. Noch nie ist es in einer Blödmannstube vorgekommen, daß sich einer erhob und rief: "Stoppt die Lautsprecher! Tötet die miese Musik! Ich habe eine Idee!" Und wenn das mal passierte: Keiner würde hinhören. Vernarrt sind sie, die Blödmänner, in das Gemisch aus Qualm und Lautstärke - Atmosphäre nennen sie`s (Blödmänner verwechseln alles) - und wünschen, nicht von Ideen behelligt zu werden. Und solange man so duldsam wie bisher mit ihnen umspringt, wird sich da kein Jota ändern, oder vielleicht doch - ja, jetzt: Ich pack mir einen Blödmann an der Gurgel oder am Revers und sag ihm mutdurchdrungen folgendes:
      " Schweig mal drei Minuten, Blödmann! Kannst du das? Du verwechselst alles miteinander, rauchst selbstgedrehte Zigaretten, in Deutschland ist es dir zu kalt, und zu jedem Schund hast du eine deiner berühmten eigenen Meinungen; kurz gesagt: Du bist ein Blödmann. Ein lausiger Lauthals, Dreinredner und Lautsprecher-Typ. Was deine Meinung angeht, laß dir gesagt sein, daß es voll und ganz ausreicht, wenn ich mir die Mühe mache, auf Standpunkten zu stehen. Sei dankbar dafür, daß ich diese Arbeit übernehme, applaudiere mir, und schweig ansonsten, zu mehr taugst du nicht!"

      So redete ich eben, Adressat war ein Blödmann, der jetzt glotzt. Ich greif mir den Verdatterten, schleife ihn in meine Wohnung, und fahre natürlich unmittelbar mit dem berechtigten Levitenlesen fort:

      "Was bibberst du, Blödmann? Ist es dir zu kalt? Ich sage dir: In Deutschland ist es nicht zu kalt. Das Wetter ist immer gerade richtig. Die Sonne scheint immer im rechten Moment, und wenn es mal regnet oder schneit an einem Tag, dann heißt das eben, daß Sonnenschein an diesem Tage nichts zu suchen hat bei uns und daher freundlicherweise und logischerweise wegbleibt. Man muß dem Wetter immer beifplichten. Blödmänner begreifen das natürlich nicht. Kaum daß sich bei ihnen ein bißchen Geld versammelt hat, lassen sie alles stehen und liegen und fahren in kochendheiße Länder mit riesigen Insekten und bekloppten Religionen, wo regelmäßig überfüllte Fähren kentern. Dort leben sie für ungeheuer wenig Geld und prahlen dann zu Hause damit, als ob es ihr Verdienst wäre oder eine Leistung, für fünf Mark zu übernachten oder sich für zwei Mark satt zu essen, incl. Getränke. Am liebsten würden sie das ganze Jahr "da unten" bleiben. Ja nun, das liebe Geld. Blödmänner haben immer kein Geld. Wer keines hat, muß sich halt was verdienen; und wenn man es nicht gleich wieder ausgibt für unnütze Autos und Urlaubsreisen, dann wird es mehr und mehr, und irgendwann ist man reich. Was denn, du willst widersprechen und mal wieder anders meinen? Ich will nichts hören. Wo hast du sie nur alle zusammengeschnorrt, deine ewigen Meinungen über dies und das und jenes? Ich kann es mir schon denken! In Lokalen, wo es nach selbstgedrehten Zigaretten und sogenannter Kreativität riecht und wo hämestrotzende Zeitungen ausliegen, gefüllt mit Neins und kessen Meinungen, die du und deine Besswerwisserkompanie sich gierig einverleiben, bis ihr prallvoll Meinung seid. Billige Pralinen! Was, schon wieder Widerworte? Das hört jetzt auf. Hier habe ich ein Messer, da auch eine Axt, und hier ist noch ein dicker fetter Vorschlaghammer. Du kannst wählen. Ach was, ich frag dich gar nicht erst, du hast genug gesagt in deinem Leben."

      "Blödmann": von Max Goldt, aus "ungeduscht, geduzt und ausgebuht"
      Avatar
      schrieb am 13.12.00 02:08:56
      Beitrag Nr. 34 ()
      Max Goldt ist prima. :)

      Gruß
      tobsicret


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