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    Stoiber oder Schröder - die wahl zwischen Pest und Cholera.... - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 20.01.02 23:25:24 von
    neuester Beitrag 24.11.03 12:43:33 von
    Beiträge: 303
    ID: 537.405
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      schrieb am 20.01.02 23:25:24
      Beitrag Nr. 1 ()
      Habe soeben Stoiber bei Christiansen gesehen....

      Da ist aber jemand mächtig als Komet verglüht....
      Bei Angela sind sicherlich die Sektkorken geflogen, das war ja stellenweise richtiggehend peinlich....

      Ich war fassungslos, wie pennälerhaft Stoiber wirkte...
      Der Mann zeigte Nerven...
      Zweimal sucht er sekundenlang den Namen der CDU-Vorsitzenden, die deutsche telekom kann er nicht beim Namen nennen, er hat Ideenflucht und ergeht sich 1 Minute in die schwierige Umrechnung von DM in Euro, er gleitet auf dem Parkett der bundesweiten Öffentlichkeit aus wie auf niederbayrischer Kuhscheisse.

      Dabei hat er trotz aller Schwäche richtigerweise darauf hingewiesen, daß keine Förderung wirtschaftlich wichtiger Schlüsselindustrien mit den UMTS-Erträgen stattfand, die Länder und Kommunen sowie der Mittelstand die großen Verlierer der Steuerreform sind und sterbende wirtschaftszweige weiter subventioniert werden....

      Das Problem ist jedoch, daß dies auch sein eigenes Konzept ist (siehe Kirch und Maxhütte etc.) und er aus Furcht vor Kohl die wahre Ursache (16 Jahre Kohl) nicht wagt, als solche zu benennen (Angela hätte da weniger Probleme)
      Deutschland hatte einmal 10Jahre Entwicklungsvorsprung in der Nanotechnologie - praktisch uneinholbar!

      Unter Kohl (keine nennenswerte Förderung - ebenso nicht unter Flasche Schröder) schmolz das Ganze auf nur noch 3 Jahre.
      Clinton hatte das Ganze 1999 mit einem 1 Mrd. $ Sofortprogramm "erledigt"...

      Da muss man einfach einmal die Amis um ihre gnadenlosen Pragmatiker beneiden...

      Was die geplanten Rededuelle zwischen den beiden Dünnbrettbohrern Stoiber und Schröder anbelangt...

      Es wird eine Show-veranstaltung werden (zwei Populisten in Reinkultur)...

      Stoiber wird Schröder zu recht vorwerfen, 3 Jahre voller Konzeptionslosigkeit und hohler Sprüche als "Politik der ruhigen Hände" zu verkaufen

      und

      Schröder wird Stoiber zu recht vorwerfen, daß 16 Jahre CDU/CSU (bzw. Kohl unterInstrumentalisierung der CDU/CSU)Deutschland in den Ruin getrieben haben.

      Das Problem für den Bürger:

      Beide sind lediglich Machtpolitiker -ebenso wie Kohl, dem Schröder immer mehr ähnelt.

      Was wir bräuchten, das sind endlich wieder Staatsmänner.

      Möglicherweise wäre Angela eine Staatsfrau gewesen....

      Leider kann man solche Menschen wie Altbundeskanzler Schmidt nicht klonen..... seufz..... :(
      Avatar
      schrieb am 20.01.02 23:27:22
      Beitrag Nr. 2 ()
      Geht´s um Sachthemen, oder um große Männer, die Geschichte machen wollen?
      Avatar
      schrieb am 20.01.02 23:29:37
      Beitrag Nr. 3 ()
      @ Heizkessel:

      Wenn man die brennenden Sachthemen endlich erfolgreich in Arbeit nimmt, dann WIRD man Geschichte schreiben... :D so einfach ist das!

      Gruß

      D.T.
      Avatar
      schrieb am 20.01.02 23:33:00
      Beitrag Nr. 4 ()
      So eine miserable Performance hat schon lange kein Politiker mehr hingelegt.

      Sachliche Aussagen konnten gar nicht mehr wahrgenommen werden ob dieses Gestammel.

      Da muß einer üben, üben, üben...!
      Avatar
      schrieb am 20.01.02 23:38:06
      Beitrag Nr. 5 ()
      Zur Bewältigung der großen aktuellen Probleme sind große Männer (Frauen) erforderlich. Sowohl Schröder als auch Stoiber sind nur Birnenmännchen. Einer, der den Aufgaben gewachsen wäre, heißt Späth. Aber der wird nicht einmal gefragt. Er hat eine Industrieruine Ost wettbewerbsfähig gemacht, Stoiber hat seinem Oberfranken nicht annähernd geholfen, Schröder agiert gar nicht oder auf Nebenplätzen.

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      Avatar
      schrieb am 20.01.02 23:38:57
      Beitrag Nr. 6 ()
      stimmt....

      er hat durchaus versucht, sachliche Argumente zzu bringen (Schröder würde das niemals auch nur versuchen, sondern den locker-Überlegenen Witzereißer geben) ...

      Tja, auch Strauß musste erfahren, daß Bayern eben doch ein Naturschutzgebiet für CSU-Politiker ist, wo die Opposition seit JAhrzehnten keine Rolle spielt.

      Ich wünschte mir, Porsche-Wendelin wäre Bundeskanzler - 1 bis 2 Legislaturperioden später würden wir ein blühendes Land haben..... irgendwie muss doch so jemand in die Pflicht zu nehmen sein, verdammt noch einmal..... ;)
      Avatar
      schrieb am 20.01.02 23:43:15
      Beitrag Nr. 7 ()
      Letzte oder vorletzte Woche bei Christansen sagte Späth, daß Politik für ihn nicht mehr in Frage kommt! Er hat sich entschieden. Ob er allerdings gefragt wurde...?

      Könnte mir gut vorstellen, daß Lafontaine ein Comeback feiert, wenn nicht als Bundeskanzler, aber als "wieder auferstandener Politiker"!

      Gruß
      Avatar
      schrieb am 20.01.02 23:48:53
      Beitrag Nr. 8 ()
      Ich meinte das ganz ernst.... Wendelin Wiedeking , VV der Porsche Ag ist jemand, der die Entschlossenheit und Klugheit Helmut Schmidts besitzt... Späth hat nur das TAfelsilber von Zeiss jena verkauft, 15.000 Leute von jetzt auf gleich arbeitslos gemacht und sich ein Sammelsurium von junmgen Westfirmen (übrigens teilweise aus B-W) für das Geld gekauft ... aus ein paar ist etwas geworden.... der hat sich nur einen Heiligenschein aufgesetzt, ist aber kein Macher wie Wiedeking.
      Avatar
      schrieb am 20.01.02 23:53:31
      Beitrag Nr. 9 ()
      Helmut Schmidt for President !!!!!!
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 00:37:31
      Beitrag Nr. 10 ()
      Harald Schmidt for President
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 01:01:13
      Beitrag Nr. 11 ()
      sicherlich .... sicherlich !!!!

      Dieses Wort schreit er so gerne ins Mikro.
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 01:06:42
      Beitrag Nr. 12 ()
      Kim Schmitz for the president!!!!!!
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 01:37:22
      Beitrag Nr. 13 ()
      eigentlich hatte ich geistvollere Kommentare erwartet als die Nr.9, 10, 12...
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 02:31:48
      Beitrag Nr. 14 ()
      O.K. wie würdet ihr entscheiden?
      wo macht ihr das Kreuz bei der Erststimme?
      ich sage diesmal NICHT EINMAL DIE ERSTSTIMME FÜR
      SPD/CDU/CSU.
      alcow
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 02:40:01
      Beitrag Nr. 15 ()
      vielleicht zieht sich dieses MAldas Kreuz über den ganzen Stimmzettel...... das sind doch wirklich alles Pfeifen....
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 08:03:23
      Beitrag Nr. 16 ()
      Deep Thougt,

      Du erwartest geistvollere Kommentare? Du, ein verblendetes Kind der Medien? Du, der Leute danach beurteilt wie sie reden? Du, der Helmut Schmidt wiederhaben will und seine Klungelschaften mit den SED-Diktatoren? Der Helmut Schmidt, der Deutschland bis 1982 fast ruiniert hätte und nur durch die FDP noch gebremst wurde?
      Kohl hat bis zur Wende eine ausgezeichnete Politik gemacht. Wir galten in der Zeit als Vorbild der USA und der restlichen Welt. Schon vergessen? Nach der Wende Fehlentscheidungen über Fehlentscheidungen. Schon richtig! Aber immer noch besser, als was Rot/Grün in nur 3 Jahren an die Wand fuhr. Jetzt liegen wir hinter Portugal und werden wohl bald Care-Pakete von wohlhabenderen Staaten wie Italien, Ungarn oder Simbabwe erhalten.
      Und ob Dein Idol Wiedekind auch noch erfolgreich ist, wenn der VW/Porsche Klüngel keine Staatsknete mehr erhält und die wahren Herrscher in den Firmen, die Gewerkschaften, keine paradiesischen Zustände beim Staatsbetrieb VW mehr garantieren können, in der Werkhalle mit dem höchsten Krankheitsstand der Welt bei gleichzeitig niedrigster Arbeitszeit das Bild von Karl Marx abmontiert werden muß und die freie Marktwirtschaft Einzug hält - dann wollen wir mal sehen, ob der Typ es immer noch packt. Ohne Subvention ( direkt und indirekt ) wär z.B. VW schon seit 20 Jahren Geschicht. Durchschnittsautos zu exorbitanten Preisen - Lachhaft. Jetzt erwischt es z.Zt. Opel, da die Muttergesellschaft reale Gewinne sehen will. Und Opel kein Staatsbetrieb ist. Also muß entlassen werden.
      Und durch Piechs Einkaufspolitik ( die immer noch Gesetz ist! ) kannst Du gewiß sein: Sowohl bei Opel als auch bei VW hast Du die billigsten Teile der Welt drin. Für mich ist das beunruhigend, dem Rest des Volkes gefällt es. Meistverkaufter Wagen ist immer noch der Golf. Aber die Werkstädten, die Du mit der Bude alle paar Wochen aufsuchen mußt, wollen ja auch leben, Oder?





      Dein Wächter
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 08:08:36
      Beitrag Nr. 17 ()
      Peinlicher als Kohls Auftritte war das auch nicht. Der wird trotzdem seine Stimmen erhalten. Das schlimme aber ist, dass ich nicht mehr weiß wen ich wählen soll.

      Für Schröder und Fischer wäre ich schon. Aber nicht für die Gefolgsleute von denen. Und dann überall Schwule, wohin das Auge reicht. Der Regierende in Berlin, der FDP Parteichef, bei den Grünen wimmelt es nur so von denen. Wo sind die Ritchie von Weizäckers, Willi Brandts, H.D. Genschers?
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 10:04:59
      Beitrag Nr. 18 ()
      @ wächter der Matrix

      Ich glaube, daß gerade ich zu denjenigen gehöre, die sich von den Medien nicht so leicht verblenden lassen.
      Allerdings erwarte ich von dem Bewerber um das (real- ) politisch höchste Amt in diesem Staat, daß er den Namen der Vorsitzenden der Schwesterpartei, die er angeblich so sehr schätzt, auswendig kennt, sie nicht mit der Moderatorin verwechselt, einen Deutschen Global Player der IT-Branche sofort benennen kann und sich nicht eine Minute lang darüber auslässt, wie schwer es ist, am 20.1.2002 DM in Euro umzurechnen.
      Mit anderen Worten: wer soviel Macht anstrebt, der sollte zu Ort, Zeit und Person orientiert sein und geradeaus reden können.

      Stell´Dir einmal vor, der hätte George W. Bush gegenüber gesessen und ihn zuerst mit "Hr. Putin" angeredet, dann wäre ihm das verflixte Land, für das Bush regiert, nicht eingefallen ( "Sie als Präsident der..... ähem... also dieses einen großen Landes, gleich bei Kanada.... ähem, ich hab´s gleich.... ähem..... na, jetzt fällt´s mir doch nicht ein... egal...." ) und dann hätte er minutenlang über den beschwerlichen Flug nach Washington palavert....

      Deine Bemerkung:

      "Kohl hat bis zur Wende eine ausgezeichnete Politik gemacht. Wir galten in der Zeit als Vorbild der USA und der restlichen Welt."

      ist doch wohl Satire vom Feinsten - oder handelt es sich um
      ein Produkt erheblicher Mengen Restalkohol vom Wochenende?(Was nur allzu verständlich wäre, denn die CDU/CSU-Anhänger hatten gestern allen Grund, sich vor Scham besinnungslos zu betrinken....


      Kohl hat nur deswegen keine 5-6 mio Arbeitslosen hinterlassen, weil über 1 Mio vor ca. 7 Jahren ruck-zuck von der CDU/CSU/FDP -Regierung aus der AL-Statistik herausdefiniert wurden!
      selbst CDU-Anhänger geben verschämt zu, daß in den 16 jahren innenpolitisch eigentlich nur ausgesessen wurde und die Zukunft Deutschlands verspielt wurde.
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 10:13:13
      Beitrag Nr. 19 ()
      @WächterDerMatratze:

      Wieso liegen wir hinter Portugal? Im Rotweinverbrauch? Wenn Eritrea vier Prozent Wirtschaftswachstum hat und die USA ein Prozent, liegen die USA dann hinter Eritrea? Ordne besser Deine Gedanken, bevor Du postest.

      qb
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 10:32:41
      Beitrag Nr. 20 ()
      Richtig, komischer weise sind wir immer noch eine der führenden Industrienationen und zweitgrößter Exporteur dieser Erde.... :D

      Daß Wiedeking`s Porsche AG subventioniert wird, ist mir neu.

      Die kurze Arbeitzeit bei VW ist das Ergenis einer positive Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Unternehmensführung und das 5.000 mal 5.000 - Modell ist kein Allheilmittel, aber ein bescheidener, innovativer Ansatz.

      Ich ärgere mich zwar auch über die sinkende Verarbeitungsqualität beim VW-Konzern - aber deutsche Autos sind nun einmal immer noch die besten auf der Welt - nicht umsonst konnten fast alle deutschen Auto-Hersteller ihre Produktion steigern, während die US-Konzerne und bis auf Toyota auch alle japanischen Hersteller in existentielle Bedrängnis geraten (wie u.a. der Fehlkauf Chrysler, Freightliner und Nissan zeigten).

      Opel ist deswegen in Schwierigkeiten, weil dort GM den deutschen Führungskräften langjährig die innovativen Ansätze zugunsten von kurzfristigen "Erfolgen" untersagte und meinte, europäische Autos wären nur kleinere Straßenkreuzer.Die sahen Opel nur als Wurmfortsatz des GM-Konzerns und haben deutsche Ingenieure unterschätzt.

      Anstatt dessen hat man den lächerlichen Plan des "Welt-Autos" verfolgt und solche Qualitäts-Killer wie Lopez "sanieren" lassen, bis der letzte Zulieferer nicht mehr profitabel und damit bewegungsfähig war.

      Lopez einzustellen war sicherlich einer der schlimmsten Fehler von Piech.
      Ein weiterer Fehler war es, wiedeking nicht als VV vorzuschlagen - aber der hätte dem selbstverliebten Aufsichtsratsvorsitzenden Piech auch kurz mal gesagt, was Sache ist.
      Pieschetsrieder muss dagegen dankbar sein - das gefällt Piech.
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 12:23:34
      Beitrag Nr. 21 ()
      Es gibt eine Steigerung zu "kariertes Zeugs reden":




      "rautiertes Zeugs reden" .... :D :D :D


      .
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 20:27:51
      Beitrag Nr. 22 ()
      Kurze Kostprobe aus dem "Spiegel" Nr 19 im Jahr 1999:

      ----------------------------------------------------------
      ....Unterstützt werden muß die Reform am Arbeitsmarkt von einem Umbau des Steuersystems. Die reformfreudigen Autoren fordern eine "beschäftigungsfreundliche Steuerreform", und das heißt vor allem: runter mit den Steuersätzen.

      Noch zögert der Kanzler, den Kraftakt zu beginnen. Aber er weiß, daß er nur als Reformkanzler eine Chance auf Wiederwahl hat. Der Proteststurm, der angesichts der umstrittenen Gesetze zur Scheinselbständigkeit und zu 630-Mark-Jobs losbrandete, hat ihn alarmiert. Die Umfragen sehen die Koalition im Sinkflug. Bei den Europawahlen erwartet Schröder nur noch schlappe 35 Prozent für die SPD, "wenn überhaupt".

      Die Parole "Sorgfalt vor Eile", die der Kanzler nach der ersten Chaos-Phase, kurz vor Weihnachten, ständig ausgegeben hatte, gilt nicht mehr. Längst drängt er wieder aufs Tempo. Schleunigst sollen etwa die gröbsten Schnitzer im Gesetz zur Scheinselbständigkeit behoben werden. Eine Kommission, angeführt vom Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts, Thomas Dieterich, prüft die umstrittenen Paragraphen - Änderung garantiert.

      Nun wird alles zur "Chefsache". In einer Runde mit den jungen Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion machte Schröder am Montag vergangener Woche klar, daß er für seine Positionen jetzt "fighten" will. Künftig werde er "Ziel und Richtung von Anfang an mitbestimmen" und die Gesetze nicht erst "nachbessern".

      Offen gab er zu: "Wenn wir so weitermachen, werden wir die Rache des kleinen Mannes bitter zu spüren bekommen."

      HORAND KNAUP, ELISABETH NIEJAHR, ULRICH SCHÄFER
      ----------------------------------------------------

      Wie wahr, wie wahr...... :D



      .
      Avatar
      schrieb am 21.01.02 22:42:38
      Beitrag Nr. 23 ()
      #22"Die Rache des Wählers werden wir spüren!"
      gekürzte Aussage
      Themen: Aussiedler/Übersiedler mit hoher finanzieller Unterstützung. Ebenso Zuwanderung und Kosten. Kindergeldumstellung. Ehegattensplitting.
      Preis und Gebührenerhöhungen an allen Stellen.
      Das höre ich oft.
      Avatar
      schrieb am 22.01.02 11:08:59
      Beitrag Nr. 24 ()
      Stoiber hat ja angekündigt, den Atomausstieg rückgängig zu machen.... das wird ein weiterer fataler sachlicher UND strategischer fehler sein:

      Der mündige Bürger macht sich da etwas mehr Gedanken als noch 1980, als Stoiber offensichtlich zum letztenm mal über Atomkraft und seine Risiken nachgedacht hat.... :D


      Aus der "Welt" von heute:

      Rund eine Million unterschreiben gegen Temelin

      Nach dem Volksbegehren gegen das umstrittene tschechische Atomkraftwerk droht in Österreich Regierungskrise: Die Rechtspopulisten der FPÖ organisierten die Aktion gegen ÖVP-Bedenken

      Von Petra Stuiber

      Wien - Die Eintragungswoche für das Volksbegehren der FPÖ gegen die Inbetriebnahme des tschechischen Atomkraftwerkes Temelin endete Montagabend. Nach ersten Schätzungen hatten rund eine Million wahlberechtigte Österreicher das Plebiszit der Freiheitlichen unterstützt. Es rangiert damit unter den Top Ten aller österreichischen Plebiszite - knapp hinter dem äußerst erfolgreichen Gentechnik-Volksbegehren im Jahr 1997, das sich gegen die Zulassung genmanipulierter Lebensmittel in Österreich wandte (1,2 Millionen) und doch deutlich hinter dem größten Plebiszit der zweiten Republik, das - übrigens vergeblich - den Bau des UNO-Konferenzzentrums in Wien verhindern sollte (1,36 Millionen Unterschriften). Rechtlich ist es irrelevant, ob ein Plebiszit 100 000 oder eine Million Stimmen erhält - es muss vom österreichischen Parlament lediglich diskutiert werden. Das wird auch geschehen - nicht mehr: Denn die Koalitionspartner FPÖ und ÖVP sind zutiefst uneinig in der Temelin-Frage.

      Nach ersten Analysen des Politologen Fritz Plasser dominierte bei den Unterzeichnern die generelle Angst vor Atomenergie im AKW-freien Österreich, gebündelt mit speziellen Vorbehalten gegen den angeblichen "Schrottreaktor" Temelin. Ein wichtiges Motiv sei auch "der Protest gegen die mangelnde Kooperation Tschechiens" gewesen - und Ärger über die Verbalattacken des tschechischen Premiers Milos Zeman gegen Jörg Haider.

      Zeman hatte Haider mehrfach als "Postfaschisten" bezeichnet sowie Vergleiche zwischen Haiders und Adolf Hitlers Geisteshaltung angestellt. Über Parteigrenzen hinweg führte das zu einer schweren Verstimmung. Sogar die Opposition protestierte, und Bundespräsident Thomas Klestil wandte sich mit der Bitte um "Mäßigung der Worte" an seinen tschechischen Amtskollegen Václav Havel.

      Zeman hatte sich primär gegen den Anspruch der FPÖ gewandt, noch einmal über die Stilllegung des AKW Temelin zu verhandeln - verbunden mit einer Vetodrohung Österreichs zum EU-Beitritt Tschechiens. Dennoch wäre eine derartige Tonverschärfung nicht nötig gewesen. Denn der Bundeskanzler, ÖVP-Parteichef Wolfgang Schüssel, wandte sich entschieden gegen das FPÖ-Plebiszit - auf Kosten des Koalitionsfriedens. Egal, wie viele Unterschriften das Volksbegehren erhalte, über Temelin werde die ÖVP nicht mehr verhandeln. Schüssel fühlt sich an den "Vertrag von Brüssel" gebunden, den er im November mit Zeman ausgehandelt hat. Darin sind maximale Sicherheitsvorkehrungen für die Österreicher vorgesehen - und ein Beitrittsveto kommt für die Europa-orientierte ÖVP ohnehin nicht infrage.

      Dass Temelin zum sofortigen Koalitionsbruch führen könnte, glauben Österreichs Politikbeobachter allerdings nicht: Die FPÖ liegt in Umfragen zur Wählergunst derzeit nur bei 20 Prozent. Das momentane Sympathiehoch wegen des Temelin-Begehrens würde sich, laut Politologe Plasser, "nicht wesentlich in Wählerstimmen niederschlagen".
      Avatar
      schrieb am 22.01.02 11:09:10
      Beitrag Nr. 25 ()
      @Deep Thought

      Ist ja schön, wenn du von den Medien nicht verblendet bist.
      Evtl. aber von der rot-grünen Propaganda!
      Überleg mal wie der deutsche Export aussehen würde, wenn der
      Euro bei 1,15 oder 1,2 stehen würde wie in den 90ern?
      Und was ist mit den Statistiktricks von Riester?

      Dein Name ist Satire, oder???
      Glaub mir die Antwort auf alle Fragen ist nicht 42!!

      mfg
      perkins
      Avatar
      schrieb am 22.01.02 11:27:09
      Beitrag Nr. 26 ()
      @ perkins

      Wenn......

      ...Kohl nicht geschlagene 16 Jahre KEINE Wirtschaftspolitik gemacht hätte

      Wenn.....

      ...unter seiner Führung nicht alle Sozialen sicherungssysteme über ihre ehemals konzipierten GAU-Grenzen hinweg hätten einspringen müssen

      Wenn

      ... unter 16 Jahren Kohl sich die Arbeitslosigkeit nicht mehr als verdoppelt anstatt verringert hätte


      Wenn....


      ... unter Kohl nicht die Rente unsicher geworden wäre (erinnere mich noch an den Pausenclown Blüm, der in maximaler Abgebrühtheit wahlkampf mit dem Slogan "Die renten sind sicher" zu führen sich erdreistet hat - wider besseres Wissen! )

      Wennn.....

      Kohl nicht alle verarscht hätte mit den berühmten "blühenden Landschaften" wo, Lafontaine bereits den Mut hatte, im Wahlkampf (!!! ) Blut, Schweiss und Tränen vorauszusagen (was dann ja auch voll zutraf)




      Wenn....

      .... Kohl intelligente und konzeptionelle Politiker in seiner PArtei nicht politisch vernichtet hätte anstatt sie in die Pflicht zu nehmen zum Wohle unseres Volkes...


      .....und vor allem.....


      Wenn die erde eine Scheibe wäre und die Sonne sich um die Erde (bzw. Hr. Kohl) drehen würde.....


      ja DANNNNNNNNN........

      würden wir besser dastehen, da hast Du in der Tat recht, perkins.....


      perkins.... Du bist einfach köstlich in Deiner Naivität....

      Übrigens.... ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie Kohl dem Bundeskanzler Schmidt im Bundestg die "katastrophale Arbeitslosenzahlen als politischen Offenbarungseid" vorwarfund Schmidt zum Rücktritt aufforderte....... damals nicht einmal 1,5 Mio..... 16 Jahre später hatte sich das verdreifacht ... echte Glanzleistung.... :D
      Avatar
      schrieb am 22.01.02 11:37:04
      Beitrag Nr. 27 ()
      Spruch meines verstorbenen Vaters :


      Der Trog bleibt derselbe, nur die Schweine wechseln


      Z
      Avatar
      schrieb am 22.01.02 11:39:36
      Beitrag Nr. 28 ()
      Gewinnerin dieses Stoiber-Debakels ist A.Merkel!

      Verlierer ist nicht nur E.Stoiber sondern die ganze
      "Männer"-Fraktion, die geholfen hat, daß Merkel
      vor Stoiber kapituliert!

      Aber egal, ob Stoiber oder Merkel, Schröder wird
      wiedergewählt, weil es einfach an Alternativen fehlt;
      sowohl sachlich als auch personell!

      schalker
      Avatar
      schrieb am 22.01.02 11:47:34
      Beitrag Nr. 29 ()
      @Deep Thought
      Man merkt mit jedem deiner Postings wie kritisch du
      beiden Kandidaten gegenüberstehst!

      Ausserdem stimmt nicht, was du schreibst.
      Kohl hat Deustchland erst wieder nach vorne gebracht.
      Von Wiedervereinigung und dem Wegbrechen der Märkte im Osten
      (Russland...) hast du wahrscheinlich nix mitbekommen.


      Aber ich glaube das kommt bei dir sowieso nicht an!
      Schönen Tag du Unparteiischer!

      mfg
      perkins
      Avatar
      schrieb am 22.01.02 12:27:56
      Beitrag Nr. 30 ()
      <Aber ich glaube das kommt bei dir sowieso nicht an!>

      Wie oft habe ich Dir das schon vorgehalten, mein strammer Unionist! ;)

      Gruss
      dickdiver ;)
      Avatar
      schrieb am 22.01.02 12:45:25
      Beitrag Nr. 31 ()
      hi Perkins,

      die demokratie lebt vom wechsel - übrigens auch irgendwann mal in Bayern;)

      deine gegenargumente zu D.T. #26 täten mich schon sehr
      interessieren,

      ciao
      Avatar
      schrieb am 18.03.02 06:07:04
      Beitrag Nr. 32 ()
      Willy Brandt 1982 zum konflikt um die Stationierung der russischen SS-20_Raketen und die US-Politik:

      "Wir sind ein absolut zuverlässiger und verläßlicher Bündnispartner - aber wir sind nicht gefügig! "

      Das kann man sich heute nicht mehr aus dem Mund einen Kanzlers
      Avatar
      schrieb am 18.03.02 06:13:19
      Beitrag Nr. 33 ()
      Willy Brandt 1982 zum konflikt um die Stationierung der russischen SS-20_Raketen und die US-Politik:

      "Wir sind ein absolut zuverlässiger und verläßlicher Bündnispartner - aber wir sind nicht gefügig! "

      Das kann man sich heute nicht mehr aus dem Mund einen Kanzlers oder K-Kandidaten vorstellen..... leider nicht mal aus dem Mund eines Grünen-Politikers... :mad:
      Avatar
      schrieb am 19.03.02 02:00:21
      Beitrag Nr. 34 ()
      Neues von der KriegsKoalition:


      Grüne mit Gewalt für den Frieden
      Parteitag beschließt nach 22 Jahren mit großer Mehrheit neues Grundsatzprogramm. Erstmals lehnen die Grünen den Einsatz von Gewalt als letztes Mittel der Politik nicht mehr ab. Die PDS positioniert sich bei ihrem Parteitag als Antikriegspartei

      BERLIN taz Die Grünen haben eine historische Wende in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik beschlossen. Der grüne Parteitag in Berlin nahm gestern mit großer Mehrheit das neue Grundsatzprogramm an. Darin lehnen die Grünen 22 Jahre nach ihrer Gründung erstmals Gewalt als letztes Mittel der Politik nicht mehr völlig ab. Im Kontrast dazu betonte die PDS auf ihrem Parteitag in Rostock ihre Rolle als entschiedene Antikriegspartei.

      Bei den Grünen sorgte gestern vor allem eine Debatte über das Verhältnis zu den USA für Aufregung. Gegen den Willen des Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Joschka Fischer, schien eine Mehrheit der Delegierten zunächst einem Antrag zuzustimmen, mit dem indirekt ein Abzug der US-Truppen aus Europa gefordert wurde. Fischer warnte eindringlich vor den "isolationistischen Konsequenzen". Auf Vorschlag von Umweltminister Jürgen Trittin wurde der Antrag schließlich entschärft. Ein "weiterer Abbau der militärischen Potenziale" müsse Ziel der Grünen bleiben, heißt es nun.

      In ihrem neuen Programm verlangen die Grünen außerdem eine Zweidrittelmehrheit des Bundestags für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Bisher reicht im Parlament die einfache Mehrheit. Ins neue Grundsatzprogramm aufgenommen wurde auch das Ziel, die Wehrpflicht abzuschaffen. Die alte grüne Forderung nach Abschaffung der Nato wurde dagegen endgültig zu den Akten gelegt.

      Fischer begründete das außen- und sicherheitspolitische Umdenken seine Partei unter anderem mit den Terrorattacken gegen die USA vom 11. September. "Es ist nicht Joschka Fischer, der euch das zumutet. Die Realität mutet euch etwas zu." Weil die meisten Delegierten dieser Einschätzung folgten, stünde einer weiteren Regierungsbeteiligung der Grünen nichts mehr im Wege - außer einer Wahlniederlage im September. ( ... )


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      Fischer wird zum Demagogen:

      Fischer warnte eindringlich vor den "isolationistischen Konsequenzen".


      Hirnloses und willenloses Mitmachen bei einer staatlichen RAcheaktion wird als Zwang unabwendbares Schicksal dargestellt.
      "Wer nicht mitmacht, ist gegen uns" , sagte Bush... jetzt sagt es sogar Fischer!
      Angst vor Isolation im politischen Umfeld als Grund für Mitmachen im Krieg ... sowas haben WIR und Fischer noch vor 20 Jahren unseren Eltern vorgeworfen.... er macht es ihnen nach.

      WEITERER Trick:

      "Es ist nicht Joschka Fischer, der euch das zumutet. Die Realität mutet euch etwas zu." sagte Joschka Fischer
      Als wenn der Terroranschlag am 11.9. einen Krieg in einem anderen Land (und höchstwahrscheinlich weiteren Ländern ) zwangläufig wäre wie ein Naturgesetz.

      Der Bundeswehreinsatz wurde nicht von Gott oder dem Schicksal, auch nicht von den Terroristen befohlen, es war gefügiger Gehorsam einer ehemals Kriegskritischen Koalition, die sich demonstrativ von Zweifeln an der Bündnistreue rein waschen wollte.

      Es WAR Joschka Fischer, der Grüne Abgeordnete von Rezzo Schlauch unter massiven Druck setzen ließ und sie ihres Gewissens beraubte - im "Dienste" der Parteiräson und klaren Widerspruch zum §38 des bundestagsgesetzes, der ausdrücklich jedem Abgeordneten freie Gewissensentscheidung zusichert und "von jeder Weisung frei " stellt...

      Es WAR Joschka Fischer, der als Redebeitrag in einer historischen Debatte anstatt einer Stellungnahme zum Krieg eine innenpolitische Bilanz der Regierung zog.

      Ich habe mich nie zuvor für unsere Regierung so geschämt.


      Unsere Kinder werden uns in 10 Jahren fragen, wie wir so etwas einmal unsere Stimme geben konnten, wenn sie auf Phönix einmal die wirklich historischen Debatten der 70er und 80er Jahre und dieses intellektuelle und moralische Jammertal von Effekthaschenden Taktierern aus den späten 90ern und den ersten Jahren des neuen Jahrtausends sehen, die bereits vor langer seit die Kontrolle über die ehemaligen Ziele verloren haben....

      Gruß

      D.T.
      Avatar
      schrieb am 22.03.02 10:33:37
      Beitrag Nr. 35 ()
      Ex-Retter Schröder tief getroffen


      Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat das Scheitern der Rettung des zahlungsunfähigen Baukonzerns Holzmann bedauert. Gleichzeitig forderte er, die 23 000 Arbeitsplätze so weit wie möglich zu erhalten.

      „Die Bundesregierung bedauert außerordentlich, dass das von der großen Mehrheit der kreditgebenden Banken mitgetragene Stabilisierungskonzept für die Philipp Holzmann AG, das die Grundlage für eine anschließende Sanierung sein sollte, von drei Banken nicht mitgetragen wurde“, sagte Schröder am Donnerstag in Berlin. Im Interesse des Unternehmens, das in einem schwierigen bauwirtschaftlichen Umfeld große Fortschritte bei der Restrukturierung und beim Schuldenabbau erzielt habe, hätte er einen Erhalt von Holzmann begrüßt, so der Kanzler weiter.

      Als der Konzern im Herbst 1999 bereits einmal wegen eines Milliardenlochs in Schieflage geraten war, hatte sich Schröder persönlich in die Rettungsaktion eingeschaltet und ein Sanierungspaket zwischen Gläubigern, Bundesregierung, Konzernleitung und Arbeitnehmern mit ausgehandelt. Dafür hatte ihn die Belegschaft wie einen Helden gefeiert.

      21.03.02, 18:45 Uhr
      Avatar
      schrieb am 22.03.02 10:39:05
      Beitrag Nr. 36 ()
      Schröder hatte damals eine Riesen-Medien-Show ohne Inhalt abgezogen, diese inhaltslose "Rettungsaktion" rettete vor allem einen: Ihn selber. Denn es stand nicht gut um ihn, der erfolgreich Scharping und Lafontaine gemobbt hatte und der SPD- Parteitag stand bevor.

      So wurden halt mal eben 250 Mio Steuergelder den Banken und einem Maroden Baukonzern in den Rachen geworfen - einzi und allein aus purem Machterhaltungswillen.

      Wie Wirtschaftsjournalisten das sehen, kann man hier lesen:





      Keiner braucht Holzmann

      Es mag bitter sein für die 10.000 Holzmänner in Deutschland, aber es ist so: Keiner braucht sie. Holzmann ist überflüssig. Ginge der Baukonzern morgen Pleite, kein Haus bliebe ungebaut, und jeder Tunnel würde gegraben, als ob nichts geschehen wäre.

      Markt hat Überkapazitäten
      Der deutsche Markt läuft geradezu über vor Kapazitäten, die nach Beschäftigung gieren. Bauen ohne Holzmann ist volkswirtschaftlich ein Gewinn. Warum also die Rettungsversuche, die Beschwichtigungen, heute sei alles nicht mal halb so schlimm wie bei der ersten Pleite im Herbst 1999? Ganz einfach: Für die Banken ist es billiger, Holzmann noch einmal über die Runden zu bringen - so lange, bis sie verwertet haben, was noch Wert hat.

      Wenig profitable Konzernteile
      Den schönsten Batzen sichern sich die Gläubigerinstitute ohnehin, die Servicetochter HSG. Die Gesellschaft lässt sich jederzeit mit Gewinn versilbern. Wert hat ferner die US- Tochter J.A. Jones. Auch sie wird verkauft, und der Käufer wird das eine oder andere dazunehmen müssen - Töchter wie die Deutsche Asphalt, die keinen besonderen Spaß machen, aber die Käufer auch nicht dramatisch belasten. Was vom Traditionskonzern übrig bleiben wird, sind vor allem wenig rentable bis hoch defizitäre Firmenteile mit - wenn nicht ein Wunder geschieht und der Markt abhebt - begrenzter Haltbarkeit.

      Gläubigerbanken taktieren
      Für die Gläubigerbanken ist die Situation also in der Tat nicht so dramatisch wie vor drei Jahren. Heute muss jedes Institut nur einen Bruchteil der damals bedrohten Summe abschreiben. Die so genannte Holzmann-Rettung bringt Zeitgewinn für die Verwertung der vorhandenen Assets. Mehr nicht.

      Quelle: Financial Times Deutschland
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      Zudem kommt noch im Falle Holzmann dazu, daß durch Preisdumping ursprünglich gesunde und seriös kalkulierende Unternehmen Aufträge verloren und absurderweise Pleite gingen, während Holzmann erst diese kleinen Betriebe exekutierte und dann selber in den Abgrund fiel... mit Ihnen nur die Kleinaktionäre und die Beschäftigten.
      Avatar
      schrieb am 22.03.02 10:43:55
      Beitrag Nr. 37 ()
      W I R T S C H A F T

      „Kleine Firmen in den Ruin getrieben“


      Die drohende Pleite des Frankfurter Baukonzerns Holzmann hat im Bundestag zu einer heftigen Kontroverse geführt. CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz warf Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Donnerstag in Berlin vor, sein Einsatz zur Rettung der Arbeitsplätze Ende 1999 bei Holzmann sei verfehlt gewesen. Durch diese Intervention des Kanzlers seien viele mittelständische Baufirmen in den Ruin getrieben worden, weil sie mit den niedrigen Löhnen bei Holzmann nicht hätten mithalten können.

      Es wäre deshalb besser gewesen, wenn Holzmann damals nicht geholfen worden wäre, meinte der Oppositionsführer. Die Sozialdemokraten wiesen diese Vorwürfe scharf zurück.

      21.03.02, 10:29 Uhr Focus.de

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      So ist sie halt, die Opposition:

      Damals hat sie die Schnauze gehalten - und jetzt kommt sie aus der deckung, wo sie nichts verlieren kann.

      Wo war Großmaul Merz denn damals????

      Es war nicht OPPORTUN, kritisch zu der "rettungsaktion" zu sein.
      Er und die Opposition sind keinen deut besser!
      Avatar
      schrieb am 22.03.02 10:46:16
      Beitrag Nr. 38 ()
      Beim ersten Mal war alles anders


      Für Deutschlands traditionsreichsten Baukonzern Philipp Holzmann sieht es jetzt zappenduster aus. Das Krisenszenario lief zuletzt völlig anders ab als im November 1999. Damals agierte noch ein Vorstand, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jürgen Mahneke avancierte mit seinem Engagement für die Belegschaft zum Fernsehstar, und die Politik drängte sich als Retter auf. Sowohl der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) als auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wollten mit ihrem Beitrag zur Holzmann-Rettung auch das eigene Image aufwerten.

      Diesmal aber entschieden nur noch die Banken über das Schicksal des Frankfurter Bauriesen. Der als Sanierer geholte Vorstandschef Konrad Hinrichs hat sich Anfang Februar in den Aufsichtsrat zurückgezogen. Noch auf der vergangenen Hauptversammlung im Juni hielt er die Sanierung für abgeschlossen und stellte für 2001 erstmals wieder Gewinne in Aussicht.

      Neun Monate später gleicht Holzmann einem Scherbenhaufen. Es drohen 237 Millionen Euro Verlust und damit die Überschuldung.

      Der einst gefeierte Arbeitnehmervertreter Mahneke – aber auch der übrige Holzmann-Betriebsrat – sowie die Industriegewerkschaft Bau tauchen auf der Bildfläche nicht mehr auf. Allein dies wird von vielen als Hiobsbotschaft interpretiert.

      Zu einer erneuten öffentlichen Parteinahme des Kanzlers ist es wohl auch deswegen nicht gekommen, weil sich in den vergangenen zwei Jahren zu viel verändert hat – nicht zuletzt die häufigen Brüsseler Interventionen gegen nationalstaatliche Eingriffe in wirtschaftliche Entscheidungen.

      21.03.02, 10:25 Uhr
      (Quelle: dpa)
      Avatar
      schrieb am 22.03.02 10:49:55
      Beitrag Nr. 39 ()
      Ein weiteres Beispiel für die unglaubliche Schwäche unseres "Bundeskanzlers" .....



      ...................................................


      Protokoll oder Farce?


      Der FDP-Fraktionschef im Bundestag, Wolfgang Gerhardt, hat den Wahrheitsgehalt des umstrittenen Irak-Papiers bezweifelt. Gerhardt sagte am Mittwoch in Berlin, ein Verlaufsprotokoll sei das durch die Medien bekannt gewordene Papier über die Unterrichtung der Partei- und Fraktionschefs zum Bundeswehreinsatz im Nahen und Mittleren Osten nicht.

      Sollte damit der Eindruck erweckt werden, Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) habe von sich aus informiert, so sei das „nicht korrekt“. Schröder habe sich vielmehr als „dünnhäutig“ und nur auf Nachfragen zur Sicherheitslage und einen möglich Konflikt der USA mit Irak detaillierter geäußert. In der Unterredung mit Schröder sei die Frage offen geblieben, was geschehen sollte, wenn der Sicherheitsrat nicht entscheide.

      Schröder hatte bei der Unterrichtung vergangene Woche laut Protokoll, das die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Dienstag veröffentlicht hatte, erklärt, er halte eine deutsche Beteiligung an einem militärischen Eingreifen der USA in Irak nur dann für denkbar, wenn es ein Mandat der Vereinten Nationen dafür gebe.

      Spürpanzer sollen in Kuwait bleiben

      Außerdem habe er den Partei- und Fraktionschefs seine Entschlossenheit bekundet, die deutschen Spürpanzer auch dann in Kuwait zu lassen, wenn die Amerikaner „unilateral“ militärisch gegen Irak vorgingen. „Niemand könne die Konsequenzen für das deutsch-amerikanische Verhältnis der nächsten 30 bis 50 Jahre verantworten, falls die Spürpanzer abgezogen würden und es dann tatsächlich zum Einsatz von ABC-Waffen käme“, zitierte die Zeitung Schröders Äußerungen.

      Union und FDP stinksauer

      Gerhardt kritisierte: „Ein solches Protokoll kann ich auch schreiben.“ Er nannte es „unerträglich“, wenn solche Aufzeichnungen an die Öffentlichkeit gerieten. Unter Anspielung auf die Protokollaffäre im Auswärtigen Amt vom Mai vergangenen Jahres sagte er: „Es gab ja mal ein Protokoll über ein Gespräch mit US-Präsident George W. Bush, und hinterher sagten alle, es war nicht so.“

      Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) kritisierte unterdessen die Debatte über einen möglichen US-Angriff auf den Irak. Er sagte der Hambuger Wochenzeitung „Die Zeit“: „Im Fokus der Diskussion darf nicht Washington stehen, im Fokus muss Bagdad stehen. Wenn wir anfangen, mögliche Optionen der Amerikaner, die in der Tat sehr strittig sind, öffentlich zu diskutieren, nehmen wir den Druck von Bagdad.“

      In einem Brief hatten sich CDU-Chefin Angela Merkel, der Unionsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz (CDU), der CSU-Landesgruppenvorsitzende Michael Glos sowie FDP-Chef Guido Westerwelle und FDP-Fraktionschef Gerhardt bereits zuvor über die Informationspolitik der Bundesregierung beklagt.

      „Wir stellen (aber) fest, dass wir zu keinem Zeitpunkt vor, während oder nach der Unterrichtung darüber informiert wurden, dass ein Protokoll erstellt wird“, heißt es in dem Schreiben. Es liege nicht den Teilnehmern, sondern nur der Presse vor. „Wir stellen deshalb fest, dass die Vertraulichkeit der Sitzung von Seiten der Regierung gebrochen worden ist“, schreiben die Oppositionsführer.

      20.03.02, 18:20 Uhr
      Avatar
      schrieb am 01.04.02 09:28:23
      Beitrag Nr. 40 ()
      @Deep Thought

      Du hast schon recht, daß man als Kanzlerkandidat auch vor den Medien Kompetenz ausstrahlen sollte, aber das ist halt nicht alles.
      Erst mal etwas zur "Kohl-Ära". Sicher, auch unter Kohl gab es, zumindest zum Schluß, verdammt viele Arbeitslose und die Schulden waren immens. Allerdings sollten die meisten von uns so alt sein, daß sie wissen, daß zumindest mal ein Großteil der Schulden und auch ein Großteil der Arbeitslosen mit der Wiedervereinigung zusammenhängt! Die dortige marode und dem freien Markt absolut nicht gewachsene Wirtschaft mußte und muß ja ersteinmal umgebaut werden. Die Zeit, die für so etwas notwendig ist, liegt weit über den von Kohl versprochenen 10 Jahren (ich bin dennoch froh über die Wiedervereinigung). Auch die Tatsache, daß Kohl, zumindest in den letzten Jahren einigen Mist zusammengebaut hat (nicht zuletzt die Spendenaffäre) ist wohl den meisten klar. Was die Wirtschaft angeht, so beklagen sich viele darüber, daß man keine Steuerreform zustandegebracht hat. Dies wird vor allem immer von der SPD vorgeworfen. Nun, soweit ich mich daran erinnere gab es zahlreiche Vorschläge, die zum Teil in die richtige Richtung gingen. Diese Vorschläge wurden jedoch immer wieder von der SPD gestoppt, also von denen, die nun der Vorgängerregierung Tatenlosigkeit auf diesem Gebiet vorwerfen (aber das wäre andersherum wohl auch nicht anders gewesen).

      Was nun die jetzige Regierung angeht, so finde ich hier eigentlich gar nichts positives mehr. Die Ausgangslage für die Regierung war meines Wissens nacht verdammt gut. Die hohe Arbeitslosenquote hat viele Arbeitnehmer und Gewerkschaften dazu bewegt, keine zu hohen Lohnforderungen zu stellen, die Wirtschaft lief sehr gut und die Steuereinnahmen waren so hoch wie lange nicht mehr (Schröder sagte ja noch bevor er gewählt wurde, daß es "sein" Aufschwung sei, der allein dadurch zustande kommt, daß man davon ausgeht, daß er demnächst Kanzler sein wird!! So eine Arroganz!). Desweiteren kamen Milliarden Euro durch weitere Aktienverkäufe (Telekom, Post) und über die UMTS - Versteigerung in die Kassen!! Und wie sieht es jetzt aus, 3 Jahre nach Schröders Machtübernahme?? Die Arbeitslosenquote liegt vermutlich noch höher, zumindest nicht tiefer, von Wirtschaftswachstum keine Spur mehr, auch wenn Schröder sagt, daß die Wirtschaft ja noch wächst - sehr witzig!! Bei einer Inflation von über 2 % und einem "Wachstum" der Wirtschaft von 0,... % kann man ja wohl kaum von einem realen Wirtschaftswachstum sprechen! Die Katastrophe in New Jork kam Schröder ja gerade recht, um als Erklärung für die schlecht laufende Wirtschaft zu dienen. An die Börse kann man zur Zeit auch nicht mehr viel bringen, denn das lohnt sich eh nicht mehr. Man fragt sich, was die mit dem ganzen Geld gemacht haben. Alle Ministerien mußten sparen und nun reicht das Geld trotzdem hinten und vorne nicht. Was die angebliche Wirtschaftskompetenz von Schröder und seiner SPD angeht, da kann ich doch nur lachen. Das beste Beispiel hierfür ist doch die "Holzmann-Rettung". Erst rettet Schröder Holzmann in einer medienwirksamen "Rettungsaktion". Danach werden durch die Dumpingpreise, die Holzmann nun anbieten kann, zahlreiche kleine, bis dahin gesunde Betriebe in den Ruin getrieben, und nun ist Holzmann doch Pleite und von Schröder keine Spur. Auch die Aussage von Schröder, daß wir bei über 3 Mio Arbeitslosen noch mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland nach Deutschland holen sollen, ist einfach idiotisch (meine Meinung). Aber es ist ja nicht nur Schröder, sondern fast jeder seiner Minister (z. B.: Scharping). Zu allem Überfluß hat nun auch noch die SPD ihren ganz eigenen Spendenskandal. Aber im Gegensatz zu dem Spendenskandal der CDU soll man laut Müntefering die arme, ahnungslose SPD doch nicht in Sippenhaft nehmen. In der SPD ist schließlich alles ganz anders, viel besser und die nun auf einmal böse Presse klagt die gesamt SPD völlig grundlos an.

      Und dann haben wir da ja noch den Koalitionspartner, die Grünen. Ich hätte ja nie gedacht, daß wir unter einer Grünen Regierungsteilnahme und einem Grünen Außenminister Bundeswehrsoldaten fast an jeden Kriesenherd der Welt (vieleicht ein weinig übertrieben) schicken würden. Aber auch in allen anderen wichtigen Wahlkampfpunkten der Grünen ist von denen nichts zu spüren (Atomausstieg, Umwelt, Ausländer...). Als Wähler der Grünen würde ich mich richtig verarscht vorkommen.

      Es wird einem ja zur Zeit in der Frage, wen man denn wählen soll wirklich nicht leicht gemacht, aber Schröder und Konsorten will ich wirklich nicht mehr an der Macht sehen. Wenn Stoiber es nicht besser macht, dann kann man den ja in 4 Jahren wieder abwählen. Nicht zu wählen ist für mich jedoch keine Alternative!!
      Avatar
      schrieb am 01.04.02 13:04:44
      Beitrag Nr. 41 ()
      @ kaktus-jones

      Wir haben ziemlich hohe Übereinstimmung...

      Der SPD geschieht in der Zuwanderungsfrage genau das, was Lafontaine damals im Wahljahr mit Kohl gemacht hat:

      Verantwortungsloses Blockieren von für unseren Staat vital wichtigen Gesetzesvorhaben.

      Unser Staat ist im Grunde vewaltet von Hirn- und konzeptlosen, vor allem aber skrupellosen Politikern, die nur noch ein Schatten derjenigen Statsmänner aller Parteien sind, die einmal diese Republik erschaffen und zum Erfolg geführt haben.

      Deutschland wird in Grund und Boden "regiert"... es geht nur noch um persönliche bzw. parteipolitische Vorteile und kindische Taktiererei... all das, was einen erfolgreichen Unternehmer (im Sinne von "Macher" ) oder visaionären Politiker ausmacht, ist diese Clique definitiv NICHT mehr.

      Übrigens bin ich einer derjenigen, die den Grünen (die durchaus auch Wirtschaftspolitisch sinnvolle Programmbestandteile wie Abschaffung der aberwitzigen Subventionen besaßen) zuviel zutraute.
      Vor allem habe ich denen eigentlich zuallerletzt zugetraut, daß sie nur der Macht wegen sämtliche Überzeugungen und alles Rückgrat vergessen und sogar in einer historischen Debatte und Entscheidung wie der Vertrauensfrage für eine schwarze Stunde der deutschen Demokratie sorgten.
      Avatar
      schrieb am 01.04.02 18:11:01
      Beitrag Nr. 42 ()
      Ja der Edmund Stoiber ist mir immer noch 100 mal
      lieber als der mediengeile Bla Bla Kanzler Schröder !!!!
      Avatar
      schrieb am 01.04.02 20:31:14
      Beitrag Nr. 43 ()
      @ Deep Thought

      tia, ich hatte von den Grünen ja nie viel erwartet. Meine Meinung von denen war, nachdem ich die Spitzen der Grünen in Bundestagsdebatten und bei anderen Anlässen gehört hatte: Das sind doch alles nur Träumer, die nicht die geringste Ahnung haben, wie das wirkliche Leben funktioniert. Allerdings hätte ich es gerade aus diesem Grund auch nicht für möglich gehalten, daß die überhaupt kein Rückrad haben. Bei jeder anderen Partei weiß ich wenigstens genau, was ich zu erwarten habe, sogar bei den Idioten (sorry) der PDS, aber bei den Grünen lag ich nun wirklich voll daneben. Ich habe selten jemanden gesehen, der so verzweifelt an der Macht klebt.
      Naja, aber in einer Demokratie kann man die wenigstens wieder abwählen. Von Leuten, die gar nicht wählen gehen halte ich nun auch wieder nicht viel. Wenn die schon nicht wählen gehen, dann sollen Sie auch nicht meckern, denn wenn man nicht wählen geht, ist man schließlich mit dem einverstanden, was auch immer herauskomen mag.
      Avatar
      schrieb am 08.04.02 15:49:18
      Beitrag Nr. 44 ()
      Schröder rudert zurück


      Nach einem Proteststurm hat die Regierung ihre Pläne relativiert, Kicker-Gehälter bei einer Kirch-Pleite über Steuern abzusichern. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye betonte in Berlin, die Regierung hege keine Pläne für Bürgschaften, weil sie dafür derzeit keine Notwendigkeit sehe. Er verwies auf eine Aussage des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), wonach die KirchGruppe ihre Zahlungen für die laufende Saison einhalten wolle. Damit habe sich eine Hilfe der Bundesregierung erledigt.

      Prinzipiell sei an solchen Bürgschaften aber nichts auszusetzen, betonte er. Die Überlegungen des Kanzlers hätten den kleinen Vereinen gegolten. Schröder gehe davon aus, dass die großen Clubs ihre Probleme selbst lösen könnten. Auch Fußballvereine hätten als Wirtschaftsbetriebe allerdings das Recht [:eek], die öffentliche Hand um Bürgschaften zu bitten. Dabei handele es sich nicht um Geldgeschenke an die Klubs. Zu glauben, die Bundesregierung wolle die Gehälter von Fußballmillionären absichern, sei „absurd“, so Heye.

      „Absoluter Rohrkrepierer“

      Stoiber nannte in der „Bild"-Zeitung die Bürgschaftspläne Schröders und des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD) einen „absoluten Rohrkrepierer“. Es sei nicht die Aufgabe des Steuerzahlers, Millionen für den Profifußball zur Verfügung zu stellen. Stoiber zeigte sich erstaunt, dass man für die vier Millionen Arbeitslosen eine Politik der ruhigen Hand anbiete, aber für den Profifußball die Bundesschatzkiste öffnen wolle.

      Stoiber zeigte sich gleichzeitig überzeugt, dass die vor der Insolvenz stehende KirchGruppe ihre Zahlungsverpflichtung für die laufende Bundesliga-Saison einhalten werde. Er habe „klare Signale“ dafür, dass die vereinbarte Rate von 100 Millionen Euro zum 15. Mai an die Liga fließen soll und damit die Vereine auf die geplanten Einnahmen für die laufende Saison zählen könnten, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

      Die nordrhein-westfälische Medien-Staatssekretärin Miriam Meckel und der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Alfred Tacke, sowie Werner Hackmann als Vorsitzender der Deutschen Fußball-Liga hatten am Donnerstag einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ bestätigt, Bund und Länder wollten mit einer Kreditbürgschaft einspringen, um den Fußballklubs die Fernsehgelder zu sichern. Es müsse verhindert werden, „dass die Bundesliga zusammen mit Kirch vor die Wand fährt“, sagte Meckel. Für eine Übergangszeit von sechs Monaten solle somit die Liquidität der Vereine gesichert werden, sagte Clement.

      Tacke sagte der „Bild“, es handele sich lediglich „um einen reinen Vorsorgeplan“. Wenn die nächste Rate von Kirch für die Fußball-Fernsehrechte ausbleibe, „können die Bundesliga-Vereine bei ihren Banken Kredite aufnehmen“.

      Uneingeschränkte Zustimmung kam nur aus Hessen, von der DFL, einigen Klubs und der Vereinigung der Vertragsfußballer (VdV). Die Länder Bremen, Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein lehnten Hilfen ab.

      Gemäß dem bis 2004 laufenden Vierjahresvertrag der Bundesliga mit Leo Kirch muss dessen Münchner Unternehmen insgesamt 1,53 Milliarden Euro an die 36 Profivereine zahlen. Davon stehen 360 Millionen Euro für die Saison 2002/2003 sowie 460 Millionen Euro für das folgende Fußballjahr aus. Die nächsten Raten des von Insolvenz bedrohten Münchner Medienunternehmens über jeweils knapp 100 Millionen Euro an die Bundesliga sind Anfang Mai und Anfang August fällig.

      Focus-Meldung vom Freitag, 05.04.02
      Avatar
      schrieb am 08.04.02 16:03:41
      Beitrag Nr. 45 ()
      ...und was hat STOIBER gestern im ZDF zur Kirch-Pleite gesagt???

      Das ist keine Pleite, sondern eine große Chance! "


      Ach so, jetzt verstehe ich.... :D

      Stoiber und Schröder wollen ganz Deutschland große, neue Chancen geben..... :laugh: :mad:


      D.T.
      Avatar
      schrieb am 08.04.02 18:30:29
      Beitrag Nr. 46 ()
      Eine Chance ist es in der Tat für die dann "freigestellten" Mitarbeiter. Können diese doch dann endlich dem nachgehen, was man arbeitslosen Menschen so nachsagt, dem gewollten Nichtstun in der sozialen Hängematte!

      Das Management hat ausgesorgt, die Unternehmensrisiken tragen die Mitarbeiter. Sie sind nicht nur Opfer verfehlter Unternehmenspolitik sondern auch der bayerischen Politik.
      Avatar
      schrieb am 08.04.02 21:46:48
      Beitrag Nr. 47 ()
      q kaktus-jones

      Was die Nicht-Wähler anbelangt:

      Ich verweise verzweifelt auf den Titel dieses Threads, der auch noch um einige andere Seuchen (Fischer, Westerwelle,... ) erweiterbar wäre....

      Alsich neulich Hildegard Hamm-Brücher im Fernsehen sah, wußte ich , wie alt die Grünen sind.... Die ist im Kopf bei ihren ca. 80 Jahren immer noch Demokratin und kritisch, hat gegen ihre Partei und für die sozialliberale koalition gewählt - trotzte allen Anfeindungen.

      Tja... die Kinder der republik-Gründer gehören eben zur opportunistischen Nutella-generation.... :mad: :D

      Gruß

      D.T.
      Avatar
      schrieb am 09.04.02 18:33:36
      Beitrag Nr. 48 ()
      @KaktusJones

      "Aus alter Gewohnheit vermuten sie (Anm: gemeint ist die Bevölkerung!) die Politik an der Spitze des Zuges. Da sie dort jedoch nicht ist, entsteht Verwirrung. Ein Treck, der die Nachhut für die Vorhut hält, geht in die Irre. Das ist in Deutschland seit geraumter Zeit deutlich zu spüren. Die Politik, gleich welcher Färbung, lenkt die Blicke zu oft zurück und nur selten nach vorn. Dadurch wirkt Deutschland perspektiv- und orientierungslos. Das kann, das muß geändert werden. Es ist Zeit sich über Deutschland Gedanken zu machen." aus Meinhard Miegel, Die deformierte Gesellschaft.

      Diese Aussage trifft m. E. den Nagel auf den Kopf.
      Was nun die Träumerei der Grünen anbelangt, sind sie vielleicht ihrer Zeit voraus. Träumer / Visionäre sind so schlecht nicht, auch wenn man sie erst mal fern jeglicher Realität glaubt.

      Ich behaupte, daß alle Unionspolitiker mit einem zusätzlichen Gen zur Welt gekommen sind, das einem Zweikomponentenkleber sehr ähnlich ist. Macht und Unionsparteien sind eine unzertrennliche Paarung, was immer auch geschieht. Das nachzumachen ist eine Kunst. Bislang hat das noch keine andere Partei geschafft.

      I have a dream...!
      Avatar
      schrieb am 09.04.02 18:41:09
      Beitrag Nr. 49 ()
      @ Linda17

      Naja, als langjähriger Grünen- und visionär-Wähler bin ich seit der unerhört peinlichen Kombination der "Vertrauensfrage" mit einer Debatte, die eigentlich eine der wichtigsten (und niveauvollsten) unserer geschichte hätte sein sollen, zum definitiven Ex-Grünen-Wähler geworden.

      Die einzige Vision, die die noch haben, ist die, die nächste Bundestagswahl zu gewinnen.
      Die sind nur die grünliche Variante von Gelb...
      Avatar
      schrieb am 09.04.02 19:01:16
      Beitrag Nr. 50 ()
      Leider richtig :(
      Avatar
      schrieb am 09.04.02 19:36:58
      Beitrag Nr. 51 ()
      @Deep Thought
      wählst Du nur Parteien, die Wahlen nicht gewinnen wollen?
      Avatar
      schrieb am 09.04.02 21:19:13
      Beitrag Nr. 52 ()
      nein, Linda...ich mag Visionen sehr und auch ferne Ziele.
      aber ich wähle keine Parteien, die sofort alle Überzeugungen, die wie eine monstranz vor sich hergetragen wurden, schon beim ersten Korrumptionsversuch fallenlassen und die eine Allianz mit einem ganz deutlich überforderten Entertainer eingehen, der das Volk NOCH mehr verarscht und NOCH unfähiger ist als der, dessen Ablösung alle so herbeisehnten.

      Schröder hinterläßt eine breite Schneise der Verwüstung... es ist schade, daß ich das sagen muss.... aber einen unfähigeren Kanzler hatten wir nie zuvor.

      der tanzt auf der Titanic Tango für die letzten Pressefotos , anstatt sich als Kapitän um die rettung zu kümmern.

      Am Abartigsten fand ich (man lernt als Wähler ja) daß kuhn nach der Bewilligung des Afghanistan-Einsatzes im Bundestag durch die wundersame "paritätische Spaltung des Parteigewissens" sich zu Ostern frech in die Reihen der Friedensdemonstranten (die u.a. auch gegen den menschenrechtswidrigen Afghanistan-Krieg demonstrierten) mischte mehr Blasphemie ist einfach unmöglich.

      Ich kenne eine Menge von Ex-Grünen-Wählern wie mich. Wir haben jetzt die Schnauze voll.
      definitiv.
      Avatar
      schrieb am 09.04.02 22:37:25
      Beitrag Nr. 53 ()
      der kardinalfehler der grünen war, sich auf gedeih und verderb unter aufgabe des eigenen profils dem auslaufmodell spd anzubiedern.

      das wird, trotz einiger noch vorhandener guter ansätzte eines tages auch ihr untergang sein.

      nee, diesmal nicht mehr grün. irgendwo muss es grenzen geben.
      Avatar
      schrieb am 09.04.02 22:45:16
      Beitrag Nr. 54 ()
      nachtrag #52,

      .... aber einen unfähigeren Kanzler hatten wir nie zuvor.

      dem ist eigentlich nicht´s hinzuzufügen.

      kohl war sicher in weiten strecken eine zumutung.

      aber schröder? nee, da gibt´s nicht mal nen zutreffenden begriff.

      kein profil, nur grinsen. man könnte weder sagen wofür der steht, noch wogegen. nichts, lauwarme luft sonst nichts.

      Avatar
      schrieb am 10.04.02 08:55:36
      Beitrag Nr. 55 ()
      @ ospower

      volle zustimmung. (leider)

      Ich habe nur kurze zeit eine Chance für Deutschland gesehen, die sich die CDU selbst verbaute:
      Angela Merkel.

      Ich habe in den letzten 12 Monaten mein Urteil über sie revidiert, denn sie ist die einzige, die noch an Sachthemen herangeht. Mit ihren statements hat sie im Gegensatz zu all den leeren Hüllen (Kasper Merz, der nicht mal zum Klassensprecher taugt, der verlogene Stoiber... ) um sie herum einen Inhalt und hat auch im bereits angelaufenen Wahlkampf ARGUMENTE gebracht.

      Ausserdem hatte sie als einzige den Mut, in der CDU so etwas wie einen Neubeginn zu starten - während alle anderen in ihrer PArtei lieber auf Tauchstation gingen.

      Stoiber wird die Wahl als zweiter Sieger nach einem fulminaten Sieg der FDP gewinnen... auch das wird nicht gut sein. Der Mann ist überfordert.

      Eine Merkel in Koalition mit den Grünen wäre vielleicht nicht schlecht gewesen. Sie hätte auch den "Thtcher-Touch" gehabt, um solche Machos wie Fischer und Trittin, Schlauch mütterlich an ihre eigenen Ursprünge zu erinnern.
      Wahrscheinlich ist die Grüner (bzw. mehr Bündnis90)als die Parteispitze der "Grünen" inzwischen. Diese kombination hätte die noch engagierten teile der Grünen und den "linken", querdenkeneden Teil der CDU zu einem innovativen Bündnis zusammengebracht.

      Und das sage ich, der ich NIE CDU gewählt hat.

      Das sagt eigentlich alles über den jämmerlichen Zustand von SPD und Grünen aus, oder?

      Randbemerkung:

      Seit JAnuar (!) versuche ich, bei meinem MdB Voker Beck (DieGrünen ) einen Termin in der Bürgersprechstunde zu bekommen.
      Ihr müsst nicht meinen, daß da irgendwie ein termin zu bekommen ist. Ich ahbe noch nie so eoin desorganisiertes Büro und so fadenscheinige Ausflüchte bekommen wie jetzt.
      Ich wurde mit einer Presse-Erklärung und einer e-mail abgespeist!

      Ich habe so etwas schon einmal versucht:
      in den 70er Jahren bei Katharina Focke (SPD) ... Innerhalb von 10 Tagen hatte ich einen persönlichen Termin und konnte mein Anliegen ausreichend Vortragen.

      Die Grünen haben den Bodenkontakt unglaublich schnell verloren. Daß "mein" Grünen-MdB für mich einfach nicht zu sprechen ist, hätte ich noch vor 1 Jahr in das Reich übler Verleumdungen verwiesen.... jetzt ist es Realität.

      The times, they are changing...... :mad:

      September ist Zahltag!
      Avatar
      schrieb am 10.04.02 09:33:27
      Beitrag Nr. 56 ()
      "Maggy Thatcher-Touch"
      Avatar
      schrieb am 10.04.02 19:41:32
      Beitrag Nr. 57 ()
      Du sagst es: A. Merkel! Obwohl keine Unions-Freundin, ich hätte sie gewählt.
      Nun warte ich und hoffe - weiß nur noch nicht auf was!
      Avatar
      schrieb am 15.04.02 15:03:15
      Beitrag Nr. 58 ()
      Abgaben verhindern Eigenkapitalbildung

      Mit bis zu 40.000 Unternehmensinsolvenzen rechnet der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) für dieses Jahr. Damit werde der Negativrekord mit 32.000 Insolvenzen aus dem vergangenen Jahr noch einmal deutlich übertroffen.

      Die Ursachen der aktuellen Insolvenzwelle lägen, so der BVR, in den mittelstandsfeindlichen Rahmenbedingungen. Die Politik mache es sich zu leicht, wenn sie pauschal den Banken eine Mitschuld zuweise. Das große Problem der mittelständischen Wirtschaft sei die stetig sinkende Eigenkapitalquote, die mittlerweile im Durchschnitt deutlich unter 10 Prozent liege. Durch die Belastung durch Steuern und Abgaben seien die mittelständischen Unternehmer nicht in der Lage, neues Eigenkapital zu bilden. Daher sei die Steuerpolitik nach wie vor gefordert.

      Banken: Steuerreform umsetzten

      Besonders belastend für die beschäftigungsintensiven mittelständischen Unternehmen wirkten sich die hohen staatlich verursachten Lohnzusatzkosten aus. Das Ziel, diese auf 40 Prozent zu begrenzen, sei trotz Ökosteuer deutlich verfehlt worden, weil die notwendigen Strukturreformen versäumt wurden.

      Die Banken treten daher für eine konsequente Umsetzung der Unternehmenssteuerreform und der Einkommensteuer sowie den Ersatz der Gewerbesteuer durch eine Kommunalsteuer ein. Auch die durchgreifenden Reformen in der Kranken- und Pflegeversicherung dürften nicht weiter aufgeschoben werden. Nur so könnte die Eigenkapitalsituation verbessert werden. Dies verringere entscheidend die Insolvenzanfälligkeit.
      Avatar
      schrieb am 15.04.02 15:54:31
      Beitrag Nr. 59 ()
      Die Liberalen wollen den Grünen

      Mannschaftswechsel sind beim Fußball an der Tagesordnung, in der Politik kommen sie eher selten vor. Und doch: Man kann es ja mal versuchen, denken sich momentan die Freidemokraten und bieten dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Oswald Metzger eine neue politische Heimat an.


      DPA

      Umworben: Oswald Metzger


      Chemnitz - Nach seiner Schlappe bei der Aufstellung der baden-württembergischen Landesliste für die Bundestagswahl muss sich Metzger nicht um neue Angebote sorgen: Die FDP hat Interesse.
      Einem Bericht der Chemnitzer "Freien Presse" zufolge hat FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper vorgeschlagen, Metzger solle zu den Liberalen wechseln. Sie könne sich vorstellen, dass in der FDP Platz für Metzger sei, sagte sie. Seine politische Karriere müsse nicht zu Ende sein. "Als Mitglied ist er uns willkommen."

      Pieper sagte, Metzger zähle zu jenen liberal gesinnten Grünen, deren Ausscheiden aus der Politik schade wäre. Die Listenaufstellung habe gezeigt, "dass bei den Grünen kein Platz für realistisch denkende Politiker ist."

      Laut Düsseldorfer "Rheinischer Post" hatte FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle mehrmals mit Metzger darüber gesprochen, ob er seine wirtschafts- und finanzpolitischen Positionen nicht in der FDP besser vertreten könne. Metzger habe sich nicht entschieden. Jetzt, so heiße es in FDP-Kreisen, sei es zu spät.

      "Konstruktives Rebellentum"

      Der Grünen-Vorsitzende Fritz Kuhn geht davon aus, dass der Grünen-Haushaltspolitiker Oswald Metzger trotz seines Scheiterns bei der Nominierung der Bundestagskandidaten für die Partei bundespolitisch aktiv bleiben wird. Kuhn stellte auch klar, die Grünen wollten an der Frauenquote bei der Besetzung von Wahllisten nicht rütteln.

      Kuhn führte Metzgers Scheitern darauf zurück, dass "er völlig überzogen hat in der Taktik und bei seinen Angriffen auf meine Person und die Parteiführung in Berlin".

      Metzger hatte erst kurz vor dem Parteitag angekündigt, gegen Kuhn anzutreten, der sechs Wochen zuvor schon einmal unangefochten auf Platz zwei der Liste gewählt worden war. Allerdings war die Wahl wegen eines Formfehlers ungültig und musste wiederholt werden. Bei seiner Kandidatur gegen Kuhn hatte Metzger von der Parteiführung "konstruktives Rebellentum" an Stelle von vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Koalitionspartner SPD verlangt.
      Avatar
      schrieb am 15.04.02 17:29:11
      Beitrag Nr. 60 ()
      SPD: bereits nach einer Legislaturperiode völlig abgewirtschaftet. Unfähige Mannschaft, von Korruption geschüttelt. Der Kanzler ergötzt sich an seiner eigenen Unfehlbarkeit.

      CDU/CSU: der mit den kräftigsten Ellenbogen wurde Kandidat. Purer Machtpolitiker, der aus reinem Selbstzweck kandidiert. Schröder II. Die Mannschaft dahinter bietet keine wirkliche Alternative zur SPD. Traut man ihnen zu, die notwendigen Reformen wirklich durchzuziehen, nachdem sie 16 Jahre lang Zeit dazu gehabt hätten?

      FDP: für sie gilt, sie war noch nicht lange genug in der Opposition, um wirklich geläutert zu sein. Einige interessante Ansätze, nur, soll man es glauben? Oder kommt wieder die totale Verarsche nach der Wahl?

      Grünen: schade drum! Aber diese Partei ist nicht mehr wählbar. Verrat aller Grundprinzipien. Der kriegsgeile Fischer, benebelt vom Gefühl, jetzt zu denen "da oben" zu gehören, führte sie direkt in den Abgrund. Keine wirkliche Gegenwehr zu den militärischen Einsätzen in Jugoslawien und Afghanistan. Für was sind sie dann noch gut?

      Schill: hat sich wohl schnell als Luftnummer entpuppt. Der Partei fehlen einfach die richtigen Köpfe, die nach den ersten Skandalen auch nicht mehr kommen werden.

      PDS: echte Politprofis, finanziell gut mit dem alten SED-Vermögen ausgestattet und geschickt taktierend. Für die PDS dürfte die nächste Wahl eine echte Erfolgsstory werden. Kann mich aber mit ihren Zielen auch nicht mal ansatzweise identifizieren, taugen aber bestens als Protestpartei.

      Der Rest: wohl nicht erwähnenswert.

      Was also wählen?
      Avatar
      schrieb am 15.04.02 17:38:45
      Beitrag Nr. 61 ()
      15.04.2002 Bild.de News

      Russland 7,1 Milliarden Euro erlassen
      Darf der Kanzler einfach unser Geld verschenken?

      Von JULIA FISCHER und CHRISTOPH SCHMITZ

      Berlin – Der Schuldenerlass für Russland sorgt weiter für Wirbel! Kanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte diese Woche dem russischen Präsidenten Wladimir Putin 7,1 Milliarden Euro Altschulden gestrichen. Russland muss jetzt nur noch 500 Millionen Euro Altschulden an Deutschland überweisen.

      Wer uns noch alles Geld schuldet
      BILD beantwortet die wichtigsten Fragen zum Schulden-Deal:

      Woher stammen die russischen Altschulden?

      Moskau schuldete der DDR das Geld für Warenlieferungen (z. B. Elektrogeräte) aus der Zeit vor 1990. Nach dem Fall der Mauer gingen die Forderungen an die Bundesrepublik über.

      Durfte der Kanzler unser Steuergeld einfach verschenken, oder hätte er zuvor die Erlaubnis des Bundestags gebraucht?

      Der Kanzler brauchte den Bundestag nicht zu fragen, weil es sich nicht um ein neues Geschäft (wie z. B. die Bestellung von Militär-Flugzeugen) handelt.

      Hat Russlands Präsident Putin dem Kanzler wenigstens politische Gegenleistungen versprochen?

      Vor etwa einem Jahr schlug Putin vor, die Schulden in deutsche Unternehmensbeteiligungen in Russland zu verwandeln. Dies hält er immer noch für machbar.

      Unterdessen kritisierten führende Unions-Politiker den Schuldenerlass. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos zu BILD: „Niemand will das gute Verhältnis zu Russland in Frage stellen, aber Schröder muss vor dem Haushaltsausschuss Rechenschaft geben, warum Putin so großzügig behandelt worden ist.“

      Ex-Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU): „Der Kanzler hätte wenigstens eine Gegenleistung, z. B. bei der wertvollen Beutekunst, heraushandeln müssen.“

      Auch der CDU-Haushaltsexperte Dietrich Austermann kritisierte Schröder: „Für schicke Wahlkampf-Fotos des Kanzlers mit Putin muss der Steuerzahler blechen.“
      Avatar
      schrieb am 16.04.02 07:35:02
      Beitrag Nr. 62 ()
      @ madHenry

      Das hast Du trefflich auf den Punkt gebracht.
      Vielleicht sind wir bald so weit, daß wir Altkanzler Schmidt anbetteln, er möge bitte, bitte nur noch eine einzige Legislaturperiode......

      Schröder ist sich nicht einmal zu schade den Mikro-Texaner zu geben:
      Nach dem (schrecklichen) Anschlag in Dscherba (der ja nun eindeutig NICHT Deutschland galt) machte er einen auf Rache-Zorro:

      "Ich werde alles in meiner Macht tuende stehen... ähem... Macht stehende tun, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen... "

      Erstens ein interessanter Freudscher Versprecher, zweitens: Da sind wohl die Tunesischen gerichte gefragt, oder unterliegt Tunesien Deutscher Gerichtsbarkeit?

      Und Drittens: Will er jetzt Tunesien Bombardieren, oder wie?

      Schröder ist ein Shwachkopf par excellence, der das Peter-Prinzip bereits als Ministerpräsident perfekt bestätigte...

      Zur FDP gebe ich Dir voll recht... aber das ist wohl die einzige nennenswerte Alternative... obwohl sie ebenfalls 16 Jahre nur geschwafelt haben...

      Gruß

      D.T.
      Avatar
      schrieb am 16.04.02 09:30:31
      Beitrag Nr. 63 ()
      Wofür die CDU/CSU 16 Jahre benötigte, das hat die SPD in nicht mal 4 Jahren geschafft - alle Achtung Kanzler :mad: !

      Ich denke, dass die CDU/CSU bei der letzten BTW wieder gewählt worde wäre, wenn sich Kohl nicht noch mal hätte aufstellen lassen.

      @ mad Henry: Bei der Schill-Partei ist Schill das große Problem. Einen größeren Dummschwätzer, Schwachkopf und profillosesten Politiker habe ich noch nicht erlebt, außer vielleicht uns Gerhard :D

      Vielleicht wird die Partei der genervten und geschröpften Autofahrer ja eine Alternative
      Avatar
      schrieb am 16.04.02 10:38:18
      Beitrag Nr. 64 ()
      Der Fehler liegt tief im politischen System. Die Macht geht von den Parteien aus - das steht so glaube ich nicht im Grundgesetz. Wir leben in einer Diktatur der politischen Parteien. Sie haben sich ein eigenes feudalistisches System aufgebaut. Macht es denn einen Unterschied, ob irgendein schwarzer Despot in Simbabwe seinen Familienclan versorgt, oder eine Partei ihre Bonzen?

      Jedenfalls ist es die totale Verarschung! Diese stromlinienförmigen Parteifunktionäre erscheinen mir alle wie geklont. Das System züchtet einen bestimmten Typus Politiker, der wiederum perfekt in das Räderwerk von Geben und Nehmen paßt. Ein sich selbst optimierendes System von Seilschaften, Korruption und Machtmißbrauch.

      Neue Parteien werden in einem jahrzehntelangen Prozeß assimiliert. Die Grünen sind dafür ein sehr gutes Beispiel. Die Partei ist doch nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Grünen-Bonzen sind inzwischen so von den Annehmlichkeiten der Macht berauscht, daß sie jede Bodenhaftung verloren haben.

      Wohin das führt, zeigt Japan. Die Politik erstarrt in Bewegungslosigkeit. Reformen werden unmöglich, denn jeder, der das Potential für Änderungen am System hätte, wurde bereits assimiliert und gleichgeschaltet. Politiker werden zu leeren Hüllen, die schlaffen Körper hängen wie Vampire am Pulsschlag der Wirtschaft.

      Bis dieses Herz aufhört zu schlagen.
      Avatar
      schrieb am 16.04.02 11:13:39
      Beitrag Nr. 65 ()
      @ madHenry

      brillanter Inhalt, brillante Formulierungen!

      Du hast es auf den Punkt gebracht.

      Noch ein konkretes Beispiel für den austauschbaren Politiker-Typus:

      Selbst der stellvertretende Ministerpräsident NRW, Vesper ("Die Grünen" :laugh: ) inszeniert sich als "Feinschmecker" im virtuellen Berliner Schloßgarten der staatl. Bienenköniginnen aller Parteien:

      Er hat sich nicht entblödet, sich beim Besuch eines sündhaft teuren neuen Fresspalastes vom fernsehen filmen zu lassen und beim 200 DM-Wein bedauernd festzustellen, daß er leider nicht mehr wie früher Joschka dabei hätte, denn der hätte ja die Ernährung umgestellt....

      Die Bundesbürger der neuen Länder kennen solche Bonzen-Attitüden noch bestens.... nur da war man als Bonze noch etwas schamhaft.... im Westen protzt man unverholen damit, wie man mit vollen Händen das sinnlos ausgibt, was man den Bürgern zuvor mittels einer ungeheuren Staatsquote entreißt.

      Wir lächeln alle über die britischen Anhänger desKönigshauses.... aber wir haben unsere Fürsten ebenfalls.... nur sind sie leider nicht auf Repräsentation beschränkt, sondern wir haben diesbezüglich zeitlich wieder den Stand der Sonnenkönige erreicht.

      Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es knallt... aber dann mächtig...

      Ich bin fest davon überzeugt, daß in 5-10 Jahren eine sich auf dem Boden der jetzigen Bürgerwut bildenden neuen (zunächst) ausserparlamentarischen Bewegung gründende neue politische Kraft existieren wird.

      Und die wird nicht solche schrulligen Aussenseiter-Programme haben wie mittlerweile die Grünen, sondern erst einmal ein politisches "Reset" auf den Boden dessen betreiben, was die bewunderswerten Schöpfer des Grundgesetzes am Anfang dieser Bundesrepublik Deutschland als Vision hatten.

      Ich hoffe nur inständig, daß sich noch irgendwelche Staatsmänner (als sprachliche Abgrenzung gegen den Typus des "Politikers" gedacht) finden, die diese Bananenrepublik wieder aus dem Parteienschmutz holen und zu dem zurückbringen, was es einmal war:

      Ein brillanter, vorbildlicher Entwurf einer sozialkompetenten, friedfertigen, produktiven Gesellschaft ohne soziale Ausgrenzung, potempkin´sche Dörfer, Korruption und politischem Raubrittertum...

      Gruß

      D.T.
      Avatar
      schrieb am 16.04.02 11:28:23
      Beitrag Nr. 66 ()
      „Er hat zu viel Kreide gefressen“


      Stoiber vs. Schröder (r.): Showdown am 22. September




      Edmund Stoiber gerät in der Union zunehmend in die Kritik, der Kandidat ist vielen zu zahm. In der Führung von CDU und CSU gebe es Zweifel an der bisherigen Selbstdarstellung des gemeinsamen Kanzlerkandidaten, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Montag. Es herrschten Irritationen über Stoibers Profil als Wahlkämpfer.

      Das betreffe die Ausstrahlung des CSU-Chefs und bayerischen Ministerpräsidenten und einen Mangel an souveräner Selbstsicherheit, Vor allem aber gehe es um sein politisches Profil, also die Aussagen und politischen Positionsbestimmungen, die Stoiber bisher vorgenommen habe. Die Enttäuschung hierüber sei nicht nur in Süddeutschland, sondern auch nördlich der Mainlinie deutlich und werde mit dem Begriff, Stoiber habe „zu viel Kreide gefressen“, umrissen, resümiere man in Unionskreisen, so die „FAZ“.

      Zugleich werde dort die Einschätzung geäußert, Stoibers bisheriges Auftreten im Wahlkampf entspreche sowohl seinem eigentlichen, eher vorsichtig-zögerlichen Naturell als auch dem Rat seiner engsten Vertrauten. Man sei sich in den Führungskreisen der Uniuon aber auch bewusst, dass unterschiedliche Positionen innerhalb der Union zur Einwanderung sowie zur künftigen Ausgestaltung der Bundeswehr die Situation Stoibers als Wahlkämpfer kompliziert hätten.

      15.04.02, 20:22 Uhr Focus.de
      Avatar
      schrieb am 16.04.02 12:09:24
      Beitrag Nr. 67 ()
      @mad henry

      Du bringst es auf den Punkt.
      Ich empfehle allen Interessierten die Bücher des Staatsrechtlers Hans Herbert von Arnim z.B."Fetter Bauch regiert nicht gern" oder "Vom schönen Schein der Demokratie".
      Ausserdem kann ich allen nur raten Mitglied im Bund der Steuerzahler zu werden.

      Gruss REALBERTL
      Avatar
      schrieb am 17.04.02 07:15:55
      Beitrag Nr. 68 ()
      Noch ein wichtiger Grund, nicht mehr Grün zu wählen:

      Mit Metzger haben sich die Grünen Finanzkompetenz ins Lager geholt - aber ein kritischer Finazexperte,der sachorientiert argumentiert, ist denen eben doch nicht geheuer.... schade, metzger gehörte zu den angesehendsten Grünen. Da er seine Überzeugung im Gegensatz zu den anderen Grünen nicht über Board warf, war er unbequem geworden..

      Eine Partei, die die Listenplätze nicht nach persönlicher Kompetenz, sondern nach einem X- oder y-Chromosom verteilt,gehört ins Mittelalter.... unfassbar.....



      Grimmige Attacke gegen Grünen-Boss


      Der vom baden-württembergischen Landesverband abgewatsche Oswald Metzger fühlt sich von Fritz Kuhn verraten und verkauft. Der Grünen-Parteichef habe mit seiner Landeslisten-Kandidatur für die Bundestagswahl „nicht in der Gesamtverantwortung für die Partei gedacht (...), sondern eigennützig“, sagte Metzger in einem Interview mit der „Welt“ vom Dienstag. Er sei zum Abschuss freigegeben worden: „Ich bin nicht an der Frauenquote gescheitert, sondern an Fritz Kuhn.“ Schließlich habe der Vorsitzende mit seiner Kandidatur erst das Gedränge unter den Grünen Männern im Südwesten ausgelöst.

      Metzger hatte am Wochenende beim Landesparteitag in Freiburg die Kampfabstimmung um Platz zwei der Landesliste gegen Kuhn verloren und war auch im Rennen um Platz sechs gescheitert, nachdem die geraden Listenplätze bei den Grünen traditionell für Frauen reserviert sind. Metzger hatte daraufhin seinen Rückzug aus der Bundespolitik erklärt.

      Angebote aus der Wirtschaft

      Zu seiner beruflichen Zukunft erklärte der Haushaltsexperte der Partei, für einen Job in der Wirtschaft lägen ihm bereits Angebote vor. Den Lockrufen aus der FDP erteilte er dagegen eine klare Absage: „Ich bin keiner von denen, die ihrer Partei den Rücken kehren, wenn sie nicht gewählt werden“, sagte der dem Blatt.

      FDP buhlt um Ober-Realo

      Einem Bericht der Chemnitzer „Freien Presse“ vom Montag zufolge hatte die FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper vorgeschlagen, Metzger solle zu den Liberalen wechseln. Sie könne sich vorstellen, dass in der FDP Platz für Metzger sei, sagte sie. Seine politische Karriere müsse nicht zu Ende sein. „Als Mitglied ist er uns willkommen.“

      Pieper sagte, Metzger zähle zu jenen liberal gesinnten Grünen, deren Ausscheiden aus der Politik schade wäre. Die Listenaufstellung habe gezeigt, „dass bei den Grünen kein Platz für realistisch denkende Politiker ist“.

      Laut Düsseldorfer „Rheinischer Post“ hatte FDP-Chef Guido Westerwelle mehrmals mit Metzger darüber gesprochen, ob er seine wirtschafts- und finanzpolitischen Positionen nicht bei den Liberalen besser vertreten könne. Metzger habe sich nicht entschieden. Jetzt, so heiße es in FDP-Kreisen, sei es zu spät.

      16.04.02, 16:55 Uhr Focus.de
      Avatar
      schrieb am 19.04.02 22:37:25
      Beitrag Nr. 69 ()
      @DeepThought
      Welche Gründe gibt es denn überhaupt zu wählen, wenn keine Partei wählbar ist?
      Gruß
      Linda
      Avatar
      schrieb am 20.04.02 13:20:23
      Beitrag Nr. 70 ()
      Es gibt immer Alternativen,....Rettung naht.
      Vor ein paar Tag erhielt ich den Tip : Partei Schlingensief.
      Damit dürften wir gut über die nächsten 4 Jahre kommen.
      Avatar
      schrieb am 20.04.02 17:21:46
      Beitrag Nr. 71 ()
      Ich liebäugle schon mit meinem Clopapier-Hersteller, denn der weiß worauf`s ankommt!
      Gruß
      Linda
      Avatar
      schrieb am 21.04.02 11:28:59
      Beitrag Nr. 72 ()
      Gastgeschenk: Stoiber sorgt für Verwunderung bei Bush

      Der Kanzlerkandidat der Union Edmund Stoiber sorgte auf seiner USA-Reise für Verwunderung bei seinem Gastgeber George W. Bush. Eigentlich bei solchen Anlässen unüblich, überreichte er dem US-Präsidenten einen weißen Elefanten aus Porzellan.

      Das edle Stück aus einer Müchner Manufaktur könnte als Anspielung auf den Elefanten als Wappentier der Republikanischen Partei - der Bush angehört – gedacht gewesen sein.

      Unglücklicherweise bezeichnet man im Englischen mit `White Elephant` auch ein nutzloses und teures Geschenk.
      Avatar
      schrieb am 21.04.02 11:42:00
      Beitrag Nr. 73 ()
      wenn man Stoiber berechtigt Tiefgründigkeit unterstellen dürfte, dann wäre das Geschenk vieldeutig-prächtig....

      aber so, wie es ist, war´s wahrscheinlich wirklich nur peinlich..... :laugh:
      Avatar
      schrieb am 22.04.02 09:49:21
      Beitrag Nr. 74 ()
      FAMILIEN-WAHLKAMPF

      Große Versprechen, wenig Geld

      Von Severin Weiland

      8,5 bis 10,5 Milliarden Euro jährlich würde es kosten, die Kinderbetreuung in Deutschland auf französisches oder dänisches Niveau zu anzuheben. Im Bundestagswahlkampf überbieten sich die Parteien derzeit mit wolkigen familienpolitischen Konzepten. Am Donnerstag will der Kanzler über das Thema im Bundestag sprechen.

      Berlin - Wilhelm Schmidt wirkt ein wenig konsterniert. Eigentlich habe er gedacht, dass doch noch einige Fragen zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers gestellt würden, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Doch die Journalisten, die sich zum Auftakt der Sitzungswoche des Bundestages zu Schmidts Pressetermin einfinden, haben keine Fragen mehr. Zumindest nicht zur Familienpolitik von Gerhard Schröder. Vielleicht, weil sie der Meinung sind, dass das Thema wegen des nahenden Wahlkampfs zu offensichtlich auf die Tagesordnung des Parlaments gesetzt wurde.
      Nur noch auf zwei Feldern billigen die Wähler Gerhard Schröder und der SPD in einer aktuellen Umfrage von infratest dimap einen Kompetenzvorsprung vor der Union zu: bei der "Herstellung sozialer Gerechtigkeit" und in der Familienpolitik. Vorbei sind schon seit langem die Zeiten, da Schröder das Frauenministerium als "Gedöns" bezeichnete. Bereits auf ihrem Parteitag in Nürnberg im vergangenen Herbst schlug sich Schröder öffentlich auf die Seite der Familienpolitiker, lobte die von seiner Regierung durchgeführte Erhöhung des Kindergeldes. Die Genossinnen der "Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen" dankten es ihm mit warmherzigem Applaus. Frauen, das weiß Schröder, haben die Mehrheit in Deutschland.

      Familienkanzler Schröder: Frauenbelange kein "Gedöns" mehr


      Am Montag dieser Woche gab der Kanzler bereits ein Detail der hochfliegenden Familienpläne für die kommendes Legislaturperiode bekannt: In den kommenden vier Jahren wolle der Bund mit vier Milliarden Euro die Einrichtung von Ganztagsschulen unterstützen. Und Renate Schmidt, Vize-Vorsitzende der SPD, kündigte eine weitere Erhöhung des Kindergeldes von derzeit 154 Euro auf 200 Euro an. Wann, das ließ sie allerdings offen. Schließlich hat Bundesfinanzminister Hans Eichel bisher die Aufstockung des Kindergeldes ausgeschlossen. Stattdessen sollten, so der oberste Finanzhüter der Republik, die Betreuungseinrichtungen ausgebaut werden.

      Mit ihren Ankündigungen sind Eichel, Schmidt und der Kanzler nicht allein. Alle Parteien überbieten sich derzeit mit Angeboten an die Familienväter und Mütter sowie deren Sprößlingen - selbst die FDP besserte ihr Programm nach, und die Grünen, die Jahre lang das Wort "Familie" gar nicht in den Mund zu nehmen wagten, schlugen in den letzten Monaten eine neue Richtung ein. Nun wird die Förderung der Kinderaufzucht bei den einstigen Alternativen sogar zu einem ihrer Wahlkampfschwerpunkte. Im allgemeinen Chor der Kinderfreunde will auch Edmund Stoiber nicht zurückstehen. So erklärte der Christsoziale denn auch diese Woche, seine Partei könne von sich behaupten, "ein Herz für die Kinder zu haben."

      Dabei sieht es gerade in Bayern, was die Kinderbetreuung angeht, düster aus. Nur jedem hundertsten Kleinkind steht dort ein Krippenplatz zur Verfügung - in Brandenburg dagegen jedem zweiten, ermittelte im vergangenen Jahr das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

      Selbst Stoibers Tochter will Beruf und Familie

      Der Grund für den Aufstieg der Familienpolitik auf die vorderste Rangliste der Wahlthemen liegt auf der Hand. Die Gesellschaft überaltert, weil immer weniger Frauen bereit sind, zu Gunsten der Kinder auf den Beruf zu verzichten. Der Wertewandel hat selbst konservative Familien erreicht: Auch die älteste Tochter Stoibers will nach ihrem Mutterjahr wieder in den Anwaltsberuf zurück.

      Die Folgen der bisherigen kinderfeindlichen Politik und der Arbeitswelt sind dramatisch. Frauen in Deutschland haben mit eine der niedrigsten Geburtenraten in Europa: 1,4 Kinder pro Frau. In Skandinavien und Frankreich sind bis zu 80 Prozent der Frauen berufstätig (in Deutschland nur 62 Prozent) - und trotzdem liegt die Geburtenrate dort bei 1,8.

      Unter den Akademikerinnen in Deutschland ist die Gebärfreude sogar noch niedriger. 41 Prozent verzichten auf Nachwuchs. Renate Schmidt, die sich seit geraumer Zeit in der SPD für ein Umsteuern in der klassischen Familienpolitik einsetzt, weiß, dass es nicht allein auf Kindergeld und Steuersubventionen ankommt. Solange sich die Betreuungssituation nicht verbessert, entschieden sich viele Frauen gegen Kinder und für den Beruf. Und nur wenige verdienten so gut, dass sie sich eine Tagesmutter leisten könnten.

      Um die Situation wirklich tiefgreifend zu verbessern, müsste die Politik gewaltige Summen aus den Haushalten des Bundes, der Länder und der Kommunen mobilisieren. Eine Anhebung der Kinderbetreuung auf französisches oder dänisches Niveau - knapp die Hälfte aller Kinder hätten dann einen Ganztags- und jedes fünfte einen Krippenplatz - würde jährlich 8,5 bis 10,5 Milliarden Euro kosten, errechnete das DIW.

      Große Forderungen - wenig Geld

      Die Forderungen der Parteien lesen sich vordergründig vielversprechend. Allein fünf Milliarden Euro wollen die Grünen pro Jahr für einen flächendeckenden Ausbau von Horten und Tagesstätten für Kinder bis drei Jahre ausgeben. Nur am entscheidenden Detail hapert es - an konkreten Vorlagen zur Finanzierung. Ein "Kindergipfel" solle nach der Wahl über die Verteilung zwischen Kommunen, Ländern und Bund beraten, meint Parteichef Fritz Kuhn. Zusätzlich zum Kindergeld wollen die Grünen auch noch eine Grundsicherung von 100 Euro pro Kind und Monat für ärmere Familien einführen - macht weitere 2,5 Milliarden pro Jahr. Das könne über das Absenken des Ehegattensplitting finanziert werden, hofft Kuhn, dessen Partei allerdings schon in dieser Legislaturperiode mit diesem Vorschlag an der SPD gescheitert war.

      Noch nebulöser fällt die Rechnerei bei den Liberalen aus: Sie setzen auf ein steuerfreies Existenzminimum von 7500 Euro pro Familienmitglied, auch will die FDP kostenfreie Kindergartenplätze zur Verfügung stellen. Als Generalsekretärin Cornelia Pieper kürzlich die Pläne vorstellte, musste sie bei der Frage nach der Finanzierbarkeit passen. Sie könnten aber bezahlt werden, wenn die Steuern gesenkt würden - denn dann werde es mehr Beschäftigung, folglich mehr Steuereinnahmen geben.


      Auch das Programm des Kanzlerkandidaten Stoiber ist ebenso ambitioniert wie wolkig. Denn ab 2004 will die Union zunächst für Kinder bis drei Jahren monatlich 600 Euro Familiengeld zahlen. Im ersten Jahr würde dies eine Milliarde, im Folgejahr 2,7 Milliarden kosten, rechnete Stoiber am Dienstag in Berlin vor. Zusätzlich wolle sich die Union "bemühen", dass Eltern Betreuungskosten von jährlich über 1000 Euro steuerlich absetzen könnten. Und weiterhin verspricht Stoiber, schon während der Erziehungszeit berufstätigen Eltern einen "Kinderbonus" auf die Beiträge in der Renten- und Pflegeversicherung eingzuräumen.

      Würde das gesamte Programm der Union zum Familiengeld verwirklicht - also auch Kinder bis zum Alter von 18 Jahren und Zöglinge in der Ausbildung mit einbezogen werden - müssten nach Angaben des CSU-Chefs in der Endstufe 24 Milliarden pro Jahr aufgebracht werden. So viel, wie derzeit im Rüstungsetat eingeplant ist. Vorsorglich ergänzte Fraktionschef Friedrich Merz denn auch am Dienstag, dass die Union jedoch nicht mehr Geld ausgeben wolle. Stattdessen wollen CDU und CSU durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe Einsparungen erzielen. Um, wie es Merz ausdrückte, "zusätzliche Spielräume für die Familienpolitik zu schaffen."

      Ansonsten vertraut die Union auf die Psychologie und die Kräfte des Marktes. Die Finanzierung des Familienprogramms, meinte Kanzlerkandidat Stoiber im Pressesaal des Reichstages, hänge "in erster Linie an dem weiteren wirtschaftlichen Wachstum, von dem wir ja bei einer Regierungsübernahme ausgehen."

      Zumindest Letzteres will Gerhard Schröder vermeiden, wenn er am Donnerstag früh im Bundestag über die Familienpolitik spricht.


      Quelle: spiegel.de
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      schrieb am 22.04.02 23:30:29
      Beitrag Nr. 75 ()
      Beißende Ironie der FAZ:



      Das letzte Start-Up-Unternehmen: Projekt 18 alias Guido Westerwelle

      Marktesgegenwart: Das Prinzip Westerwelle



      Man kann die witzigen Einfälle der FDP belächeln, aber man wird damit ihrem Wesen nicht gerecht. Als Guido Westerwelle bei Sabine Christiansen am Sonntag Schuhe trug, in deren Sohlen eine leuchtende "18" eingraviert war, war das nicht bloß ein harmloser Gag. Einen Tag später wurde der Parteivorsitzende deutlicher als in der Sendung und sagte ausdrücklich, er denke "ernsthaft" darüber nach, als Kanzlerkandidat seiner Partei in den Wahlkampf zu gehen. Dies ist offenkundig eine Entscheidung von ähnlichem Gewicht wie die, ob die "18" Prozent als offizielles Wahlkampfziel angestrebt werden sollen. Niemand rechnet ja damit, daß der FDP-Chef wirklich mehr Stimmen als Schröder oder Stoiber bekommt; aber was anderen schaden würde, nämlich ein selbstgestecktes Ziel nicht zu erreichen, gereicht der FDP anscheinend strukturell zum Vorteil. Man wählt einen Kanzlerkandidaten Westerwelle nicht, weil er wirklich Kanzler werden soll, sondern weil der Einfall gut ist und etwas zum Ausdruck bringt, was an der Zeit ist: Aufbruch.

      Bei Christiansen gab Westerwelle diesem Programm eine bezeichnende Formulierung. "Bei allem Respekt", so sagte er in Hinblick auf einen der Landeskandidaten, wer mit einer "verbrauchten Körperhaltung" seinen Wahlkampf bestreite, der brauche sich über seine Niederlage nicht zu wundern. Nötig ist im Gegenteil also eine Körperhaltung, die "nicht verbraucht" ist und daher den anstehenden Aufbruch signalisieren kann. Worum es geht, ist Haltung und Frische, mit einem Wort: Gegenwärtigkeit. Tatsächlich wirkte Westerwelles immer schon phänomenale Gegenwärtigkeit an diesem Abend gegenwärtiger denn je, ließ seine Umgebung wie Fossilien einer untergegangenen Ära erscheinen.

      Haltung und Unverbrauchtheit sind wesentliche Bestandteile des Prinzips der sich selbst erfüllenden Prophezeiung, wie es auch im jüngeren Marketing zum Durchbruch gekommen ist: Gegenstand der Überzeugung ist nicht ein bewußtseinsexterner Faktor wie die Qualität des Produkts, sondern die Unbedingtheit des eigenen Willens ("Wir schaffen es"). Diese Überzeugungsarbeit wird von modernen Konzernen nach innen und außen geleistet. Die Motivierung der eigenen Mitarbeiter ist ein Teil der Außendarstellung; das gilt für Teppichunternehmen genauso wie für Bundesligavereine. Oft folgt, wie das exemplarisch bei Start-up-Unternehmen an der Börse der Fall war, die Entscheidung für das zu verkaufende Produkt tatsächlich erst diesem Prozeß und wird ihm laufend angepaßt. Alle anderen Vorgehensweisen würden durch die unvermeidlichen Reibungsverluste mit der äußeren Wirklichkeit zuviel Zeit kosten. Nur wer konsequent sich selbst zum Programm macht und so ganz im Inneren des Bewußtseins bleibt, kann immer ganz auf der Höhe der Zeit, ganz gegenwärtig sein.

      Das schafft auch die Grundlage für das außerordentliche Selbstbewußtsein, mit dem Westerwelle aufzutreten versteht. Er präsentiert sich als jemand, der von den ideologischen Bürden der Vergangenheit, an denen SPD und CDU noch zu tragen haben, vollkommen frei ist und damit ganz offen für das, was die "Vernunft" gebietet. Gemeint ist damit natürlich nicht die Vernunft, die am Ende des von komplizierten Prozeduren geleiteten Verständigungsprozesses einer Diskursgesellschaft steht. Vernunft ist vielmehr das, was sich von selbst versteht.

      Westerwelle und andere FDP-Politiker erwecken den Eindruck, als stellten politische Streitthemen von Stammzellen bis zur Globalisierung tatsächlich kein Problem für sie dar, als wüßten sie gar nicht, worüber da gestritten wird. Es sind für sie nichts anderes als Lobby-Themen überholter Institutionen, von Gewerkschaften bis Kirchen.
      Vom reinen Programm her sollte man es nicht für möglich halten, daß die FDP sich gegenüber SPD und CDU als "Mitte" profilieren könnte. Aber unter dem Paradigma der allein der Vernunft hörigen Ideologie- und Ideenfreiheit schafft sie es doch. "Viele Menschen in West wie Ost", hatte Westerwelle vor der Wahl in einer Kolumne für das Offenburger Tageblatt geschrieben, "sehen sich nach einer Alternative zu beiden klassischen Volksparteien um. Die SPD hat ihren Wählern die neue Mitte versprochen und eine Politik der alten Linken serviert. In der Union werden bereits jetzt Stimmen von Konservativen laut, denen ausgerechnet der grundkonservative Edmund Stoiber nicht genügend profiliert ist." Die FDP als einzige Partei der wahren Mitte dagegen sei dadurch gekennzeichnet, daß "sie nicht menschliche Ängste schürt, um diese auszunutzen, sondern Lösungen anbietet, um zu überzeugen statt aufzuputschen". Wer mit Problemen, Geschichte und Ideen hantiert, schürt bloß "menschliche Ängste". Mutig ist dagegen, sich davon frei zu machen, "sich als Partei so weit zur Mitte hin zu öffnen", wie Westerwelle schreibt.

      Dies eben ist zugleich das wirklich Vernünftige: Es ist im Zweifel das, was auch eine Chance hat, sich am Markt zu behaupten. Deshalb braucht alle Energie nicht mehr auf Ideologien, Ideen und ähnlichen Ballast verwandt werden, sondern bloß noch auf die Weise der Vermittlung. Diese Vernunft des Selbstverständlichen scheint sich nun allgemein durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund bekommt Westerwelles Kommentar, die FDP sei seit dem Wahlsonntag in Sachsen-Anhalt als dritte gesamtdeutsche Partei, als "Partei für das ganze Volk", etabliert, eine besondere Bedeutung. Die Evidenz ergreift die Massen.

      MARK SIEMONS

      Frankfurter Allgemeine Zeitung
      Avatar
      schrieb am 22.04.02 23:59:13
      Beitrag Nr. 76 ()
      Schröder kneift - Stoiber keift
      Nach der SPD-Pleite in Sachsen-Anhalt misslingt dem Bundeskanzler auch noch seine Spezialität: die Selbstdarstellung
      BERLIN taz Erstmals im laufenden Wahljahr hat Bundeskanzler Gerhard Schröder durch eigenes Zutun seinem Herausforderer Edmund Stoiber eine Vorlage geliefert. Nach dem Debakel seiner Partei bei der Wahl in Sachsen-Anhalt ließ sich der SPD-Vorsitzende gestern bei der Pressekonferenz im Anschluss an die Präsidiumssitzung von Generalsekretär Müntefering vertreten.

      Obwohl die Praxis nicht neu ist, nutzte der Kanzlerkandidat der Union Schröders Blöße sofort: "Feigheit vor den Medien, das ist für den Medienkanzler sicher ein Novum."
      Weil die Zeitungen vom Montag den Wahlausgang einhellig als schweren Schlag für Schröder gewertet hatten, war ein persönlicher Auftritt des Kanzlers weithin erwartet worden.

      Schröders Fehleinschätzung verhalf der Union zu ihrer bisher wirkungsvollsten Attacke auf einen Kanzler, den sie seit Wochen als Entertainer abqualifiziert. "Versprochen, gebrochen, verkrochen", variierte CDU-Chefin Angela Merkel den Unions-Slogan über Schröders angeblich gebrochene Wahlversprechen. Edmund Stoiber warf seinem Kontrahenten vor, keine Bilanz seiner Arbeit vorzulegen. Dieser hatte am Morgen in ein Mikrofon gesagt, es gehe im Herbst um die Frage: "Wollt ihr den Bundeskanzler Schröder weiter oder wollt ihr den Stoiber?" Der bayerische Ministerpräsident konterte, er nehme Schröders Herausforderung gerne an, "aber es geht nicht um seine Person und nicht um meine Person, sondern um die Politik, die dahinter steht."

      In einem Wahlkampf, der nicht zuletzt dank der SPD immer stärker zur täglichen Konkurrenz um Schlagzeilen und Fernsehbildern wird, musste Generalsekretär Müntefering gestern passen: Er konnte die Abwesenheit seines Chefs nicht erklären.
      PATRIK SCHWARZ

      taz
      Avatar
      schrieb am 25.04.02 11:45:12
      Beitrag Nr. 77 ()
      Interview
      „Stoiber sollte Schröder das Entertainment überlassen“


      25. April 2002 Personalisierung statt Programm? Am Donnerstag wird darüber verhandelt, ob das Fernsehduell zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber stattfinden wird oder nicht. Die SPD richtet ihren Wahlkampf ganz auf Bundeskanzler Gerhard Schröder aus. Das sei eine vernünftige Strategie, sagte der Hamburger Politikwissenschaftler Hans J. Kleinsteuber zu FAZ.NET. Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber müsse dagegen auf Authentizität und Kompetenz setzen. Wenn ihm das gelinge, könne er Schröder nachhaltig schädigen.

      Wollt Ihr Schröder oder Stoiber? Mann gegen Mann. So stellt sich Bundeskanzler Gerhard Schröder den Bundestagswahlkampf vor. Eine vernünftige Strategie?

      Ganz sicher. Bei den Meinungsumfragen, wer das bessere Bild als Kanzler abgibt, liegt Schröder schließlich eindeutig vor Edmund Stoiber. Dagegen schneidet die SPD seit Monaten in den Umfragen schlechter ab als die Union.

      Aber reicht das dem Wähler, der das Spiel ja durchaus durchschaut, wenn Programme auf Personen reduziert werden?

      Die Wähler sind hin- und hergerissen. Einerseits sehen sie die Parteien, die rechts oder links von der Mitte bestimmte Spektren besetzen, andererseits sehen sie die Personen vor diesen Parteien. Aus früheren Untersuchungen wissen wir: Je näher der Zeitpunkt der Wahl rückt, desto mehr stehen Persönlichkeiten im Vordergrund. Vor allem die Unentschiedenen, die politisch wenig Interessierten und die Wechselwähler setzen viel mehr auf Personen als auf Programme.

      Heute wollen die Unterhändler der beiden Spitzenkandidaten mit den Verantwortlichen der vier größten Fernsehsender entscheiden, ob das TV-Streitgespräch des Jahres stattfinden wird oder nicht. Gestritten wird vor allem über das Wann. Je später das geplante Fernsehduell stattfinden wird, desto besser auf jeden Fall für Schröder?

      Natürlich will Schröder, der im Fernsehen souveräner wirkt als Stoiber, ganz kurz vor dem Wahltermin auftreten, damit der positive Eindruck bis zum Wahltag bestehen bleibt. Die Stoiber-Leute wollen das Duell natürlich auf Distanz planen. Gemein ist dann natürlich, wenn die SPD-Strategen spotten, das Stoiber-Team brauche noch mindestens eine Woche zwischen Duell-Termin und Wahltag, um zu erklären, was ihr Kandidat im Fernsehen eigentlich hätte sagen wollen. Ob die Strategien, die Monate vorher konzipiert werden, tatsächlich aufgehen, ist jedoch eine andere Frage.

      Wie kann Stoiber verhindern, dass der Eindruck entsteht, er habe Angst vor Schröder?

      Ich würde Stoiber empfehlen, die Verentertainerung der Politik Schröder zu überlassen und selbst zu versuchen, für Kompetenz und Authentizität in der Politik zu stehen. Wenn ihm das gelingt, kann er Schröder damit nachhaltig schädigen.

      Wir haben gerade in Frankreich erlebt, dass Lionel Jospin, dessen Ausstrahlung der Stoibers ähnelt, im ersten Wahlgang gescheitert ist. Er erobert vielleicht den Verstand der Wähler, nicht aber deren Herzen, schrieb eine französische Zeitung. Könnte Stoiber, der auf den Plakaten als „Kantig. Echt. Erfolgreich“ bezeichnet wird, Ähnliches widerfahren?

      Dass, was das Stoiber-Team macht, ist handwerklich in Ordnung. Stoiber ist nun einmal sehr viel eckiger als Schröder. Umgekehrt sagt die Union zu Recht, Schröder sei ein glatt geschmiergelter Kandidat mit einem hohen Unterhaltungswert.

      Guido Westerwelle ist auch so ein Schröder-Typ. Sollte er sich ernsthaft überlegen, als Kanzlerkandidat anzutreten?

      Die Liberalen waren schon immer Vorreiter darin, Politik und Entertainment zu verbinden. Die FDP muss sich jedoch sorgsam überlegen, ob sie einen eigenen Kanzlerkandidaten aufstellt. Bei früheren Wahlen ist sie meist mitgetragen worden vom großen Koalitionspartner, der eine sichere Mehrheit anstrebte. Das wird man nicht mit einer FDP machen, die selbstbewusst ein 18-Prozent-Ergebnis anstrebt oder einen eigenen Kanzlerkandidaten stellt. Andererseits haben die Liberalen natürlich das Fernsehduell im Auge. Die FDP wird fordern, dass ihr Kandidat als Dritter daran teilnimmt. Schröder und Stoiber wiederum haben das gemeinsame Interesse, dritte Konkurrenten durch ein Mann-gegen-Mann-Duell klein zu halten.

      Der Bundestagswahlkampf 2002 - der zweite richtige Medienwahlkampf in Deutschland?

      Vor allem mit dem Regierungsumzug nach Berlin, wo doppelt so viele Journalisten akkreditiert sind wie in Bonn, hat sich natürlich einiges verändert. Deshalb bezeichnen manche Autoren den Bundestagswahlkampf von 1998 als ersten echten Medienwahlkampf. Gleichwohl ist vieles nicht so dramatisch neu, wie es zurzeit dargestellt wird. Es handelt sich um kontinuierliche und nachvollziehbare Entwicklungen. Wahlkämpfe sind seit Jahrzehnten sehr stark medienbezogen - natürlich immer abhängig vom Stand der technischen und medialen Möglichkeiten. Als Helmut Kohl 1976 die Wahl gegen Helmut Schmidt knapp verlor, argumentierte man sehr ernsthaft darüber, dass er diese Wahlen im Fernsehen verloren habe. Schon damals wurde das Fernsehen als zentraler Faktor angesehen. Und auch die Medien haben schließlich ein Interesse daran, den Medienwahlkampf auszurufen.

      Wenn es schon so viele Jahre Medienwahlkämpfe gibt, warum gibt es so wenige politische Medienberater - etwa im Vergleich zu den Vereinigten Staaten?

      Die politischen Systeme sind nicht vergleichbar. Bei uns sind Wahlkämpfe traditionell aus den Parteiapparaten heraus geführt worden. Es war ja eine kleine Sensation, als die SPD 1998 erstmals mit der Kampa diese Funktion ausgelagert hat. In den Vereinigten Staaten sind die Wahlkämpfe schon immer personalisiert, Parteien haben eine geringe Bedeutung. Die einzelnen Kandidaten haben ihre political consultants engagiert. Deshalb ist in den Vereinigten Staaten eine Berufssparte entstanden, die es hier in dieser Form nicht gibt. Dafür gab es dort aber nie den Beruf des Parteibürokraten.

      Wohin wird die Politikberatung in Deutschland in den nächsten Jahren gehen?

      Es wird massive Umschichtungen geben. Politikberatung hat es in Deutschland schon immer in großem Stil gegeben - unter anderem durch die parteinahen Stiftungen. Das gibt es in kaum einem anderen Land. Heute erfüllen die Stiftungen nach Ansicht der Parteien ihre Beratungsfunktionen nicht mehr. Deshalb bauen sie weitere Strukturen auf, von denen die Parteien meinen, sie seien den Medien näher - und operierten deshalb besser. Es handelt sich weniger um den Neuaufbau eines Apparates, sondern um eine Umorientierung.

      Das Gespräch führte Thea Bracht (FAZ)
      Avatar
      schrieb am 25.04.02 18:59:41
      Beitrag Nr. 78 ()
      SCHRÖDER CONTRA STOIBER

      Erstes TV-Duell am 25. August


      Nach stundenlangen Verhandlungen haben sich die Unterhändler der TV-Sender auf die Termine für die Fernsehduelle zwischen Kanzler Gerhard Schröder und seinem Herausforderer Edmund Stoiber geeinigt. Im privaten Fernsehen (Sat.1 und RTL) treffen sich die beiden am 25. August und im öffentlich-rechtlichen Fernsehen am 8. September.



      Berlin - Die Sendungen sollen im öffentlichen Fernsehen von den Moderatorinnen Sabine Christiansen um Maybrit Illner moderiert werden. Im Privatfernsehen sollen Peter Kloeppel und Peter Limbourg die Fragen stellen. Als Sendezeit sind jeweils 75 Minuten vereinbart worden. Außerdem wurde vereinbart, dass in den Studios keine Zuschauer anwesend sein werden.
      Die Gespräche werden zu den jeweiligen Terminen jeweils gleichzeitig in ARD und ZDF beziehungsweise RTL und Sat.1 ausgestrahlt. Die Fernsehduelle sollen an den beiden Sonntag-Abenden jeweils um 20.15 Uhr stattfinden. Schröder und Stoiber sollen stehend und ohne Zuschauer debattieren. Die reine Redezeit werde 75 Minuten betragen, teilten die Vertreter der Fernsehsender mit.


      Die Forderung des FDP- Vorsitzenden Guido Westerwelle auf eine Teilnahme an den Streitgesprächen wiesen die Sendervertreter zurück.

      Zwischen Schröder und Stoiber hatte es in den vergangenen Tagen erhebliche Differenzen über die Modalitäten des Fernsehduells gegeben. Am Donnerstag führte für den Kanzler SPD-Bundesgeschäftsführer Matthias Machnig die Verhandlungen. Stoiber schickte seinen Wahlkampfberater Michael Spreng.


      Quelle: Spiegel.de
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 20:56:52
      Beitrag Nr. 79 ()
      CDU-WAHLPROGRAMM

      "Herr Stoiber, können Sie das konkretisieren?"

      Von Nicole Janz

      Obwohl die Sozialdemokraten das Wahlprogramm der Union schon vor der Veröffentlichung heftig attackierten, fiel die Gegenwehr der Union eher lau aus. Unions-Kanzlerkandidat Stoiber kann offenbar keine klaren Konzepte zur Finanzierung seiner Vorhaben vorlegen.

      Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU): "Zeit für Taten"


      Berlin - Eine Frage mochte Edmund Stoiber bei der Bekanntgabe seines Wahlkampfprogramms nicht gern hören: "Können Sie das konkretisieren?", fragten die Journalisten mehrfach, als es um die Finanzierbarkeit der Wahlversprechen der Union ging. Stoiber hielt sich an seinem Redepult fest und antwortete einmal tatsächlich zunächst mit "Nein", um dann über ein ganz anderes Thema zu reden.
      Umso energischer pries der Schröder-Herausforderer die Highlights seines "Regierungsprogramms 2002 bis 2006": Im Fall eines Wahlsieges der Union werde die fünfte Stufe der Ökosteuer ausgesetzt, ein gestaffeltes Familiengeld in Höhe von 150 bis 600 Euro pro Kind eingeführt und der Niedriglohnsektor im deutschen Arbeitsmarkt ausgebaut. Das werde 700.000 bis 800.000 Arbeitsplätze schaffen und sieben Milliarden Euro kosten, erklärte Stoiber. Finanzierbar sei das durch "Umschichtungen" und zusätzliche Einnahmen, die durch Reformen entstünden, versprach der Kandidat vage, von Konkretisierung keine Spur.

      Genau solche Unklarheiten hatte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering der Union eine Stunde zuvor vorgeworfen. Das Wahlprogramm der Unionsparteien sei eine Täuschung, schimpfte Schröders Parteimanager. Es führe zu einer neuen "gigantischen Staatsverschuldung", sei ein "Programm der sozialen Kälte" und solle eine Umverteilung "von unten nach oben" praktizieren.

      Schon seit Tagen muss sich die Union solche Kritik gefallen lassen. Ein internes Papier aus der SPD-Wahlkampfzentrale, in dem die Kritiker das vorab bekannt gewordene Unions-Wahlprogramm auseinander nehmen, hatten die SPD-Strategen lanciert und so den Boden bereitet. Als "verlogen", "zynisch" und "unsolide" geißelten die Sozialdemokraten darin das Unionsprogramm und kalkulierten Mehrkosten für die öffentlichen Haushalte von mindestens 50 Milliarden Euro, die nicht durch Einnahmen gedeckt seien.

      SPD-Generalsekretär Franz Müntefering: "Wahlprogramm der Union ist eine Täuschung"


      Gelegenheit, sich zu wehren, hätten die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel und ihr Kanzlerkandidat heute bei der Vorstellung des Programms reichlich gehabt. Doch sie nutzten sie kaum. Nur einmal sagte Merkel, "die Verleumdungen von Rot-Grün", das Programm sei nicht finanzierbar, seien "haltlos". "Wir machen keine leeren Versprechungen." Genauer wurde aber auch sie nicht, und besonders engagiert schien die Parteivorsitzende auch nicht gerade - wie während der ganzen Veranstaltung. Nach ein paar Minuten überließ sie Stoiber das Wort, sah auf ihr Blatt, in die Runde, wieder auf ihr Blatt.

      Derweil erklärte der Kandidat, die Zeit der ruhigen Hand sei vorbei, nun komme die "Zeit der Taten". Ludwig Erhards Formel "Wohlstand für alle" müsse in moderner Version mit der Überschrift "Drei mal 40" versehen werden, beschrieb Stoiber das Konzept. Die Staatsquote, die Steuersätze und die Sozialabgaben sollten jeweils unter 40 Prozent sinken, verspricht Stoiber und kündete für 2004 eine neue Steuerreform an, die einen Spitzensteuersatz von unter 40 und einen Eingangssteuersatz von unter 15 Prozent vorsieht.

      Aber gerade die "Drei mal 40"-Idee greift die SPD frontal an. Dies könne nur bei Inkaufnahme eines "massiven Sozialabbaus" umgesetzt werden, heißt es in der SPD-Analyse des Wahlkampfprogramms. Auch Privatisierungserlöse könnten, so die SPD, nicht einmal annähernd die benötigten Spielräume öffnen.

      Dass Stoiber bei der Vorstellung des Wahlkampfprogramms auf solche, vorher bekannte Kritik kaum reagierte, lag wohl auch daran, dass er einmal mehr peinlich darauf bedacht war, nichts Falsches zu sagen - um sich nicht angreifbar zu machen. Lieber folgte er eisern seinem Manuskript und nahm unter Druck Zuflucht zu schwammigen Ausflüchten. Nur einmal verhaspelte er sich. Auf die Frage, ob die "Zeit für Taten", die die Union einläuten will, nicht schon unter der 16-jährigen Kohl-Regierung hätte sein können, meinte Stoiber: "Es kommt doch nicht darauf an, was wir von 1980 bis 1986 oder 1986 bis 1990 gemacht haben." Merkel blickte wieder auf ihr Blatt.


      Quelle: Spiegel.de

      -------------------------------------------------

      ähnlich lief heute die Stellungnahme im ZDF ab:

      Einfach nur peinlich, viele Null-Sätze, nur Ausflüchte, keine inhaltlichen Stelungnahmen.

      Der Mann wird verlieren - und Merkel 2006 Bundeskanzlerin.
      (oder Eichel Bundeskanzler?)
      Avatar
      schrieb am 06.05.02 20:59:25
      Beitrag Nr. 80 ()
      Schröder hat es weizterhin nicht verdient, gewählt zu werden:

      ARBEITSLOSIGKEIT

      Auch im April über vier Millionen

      Offenbar kommt die rot-grüne Regierung mit ihrer Arbeitsmarktpolitik auf keinen grünen Zweig. Die Zahl der Arbeitslosen hat nach Medienberichten auch im April über der psychologisch wichtigen Vier-Millionen-Marke gelegen.

      Kein Fortschritt: Arbeitslose vor dem Arbeitsamt


      Nürnberg/Hamburg/München - Nach einem Vorab-Bericht der "Bild"-Zeitung waren im Vormonat 4,024 Millionen Menschen ohne Arbeit. Das wären 132.000 Erwerbslose weniger als im März, aber 156.000 mehr als im April 2001. Die Arbeitslosenquote sank dem Blatt zufolge damit von 10,0 auf 9,7 Prozent. Die offiziellen Zahlen will der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, am Dienstag bekannt geben.
      Fachleute bewerten vor allem den starken Anstieg der Arbeitslosenzahl im Jahresvergleich als Beweis für eine nach wie vor schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt. Das Plus von 156.000 ist der stärkste jahresbezogene Anstieg der Erwerbslosigkeit seit fünf Jahren. "Die Konjunktur fängt sich langsam, aber auf dem Arbeitsmarkt hat sich das noch nicht positiv niedergeschlagen", hatte bereits in den vergangenen Tagen der Arbeitsmarktexperte eines Wirtschaftsforschungsinstituts festgestellt. Im März hatten die deutschen Arbeitsämter 4,156 Millionen Menschen als arbeitslos registriert.

      Unterdessen machen nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit (BA) immer mehr Arbeitslose von den neuen Vermittlungsgutscheinen Gebrauch. Seit Einführung der neuen Regelung Anfang April seien bereits 25.000 Gutscheine für private Arbeitsvermittler ausgestellt worden, berichtete die Behörde am Montag. Allerdings seien die Gutscheine erst vereinzelt eingelöst worden, hieß es. Künftig will die Bundesanstalt die Zusammenarbeit mit den privaten Arbeitsvermittlern weiter verstärken. So sollen private Job-Agenturen in den Eingangsbereichen der Ämter mit Prospekten in den Infoständen sowie per Querverweis auf der Internetseite der Bundesanstalt auf ihre Arbeit hinweisen.

      BA-Chef Gerster warnte derweil auf einer Unternehmertagung in München davor, ältere Beschäftigte aus den Betrieben zu verbannen. "Die Personalpolitik der Unternehmen muss von einem Menschenbild ausgehen, das nicht schon bei 55 Jahren endet", sagte Gerster am Montag auf einer Konferenz der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in München. Noch gebe es im deutschen Arbeitsmarkt ein hohes Potenzial von gut Qualifizierten mittleren und höheren Alters, sagte Gerster. Es könne aber nicht sein, dass die Belegschaften nur noch aus 30- bis 50-Jährigen bestehe, die später einen flexiblen Generationenwechsel erschwerten.
      Avatar
      schrieb am 16.05.02 08:58:16
      Beitrag Nr. 81 ()
      SPD: Neuer Kurs ohne Kursänderung


      Die Partei will über den Wechsel ihrer Wahlkampfstrategie nicht reden, sonst müsste sie über ihre Fehler sprechen
      BERLIN taz Die SPD versucht den Eindruck zu vermeiden, sie hätte ihren Kurs für den Wahlkampf geändert. "Ich glaube nicht, dass wir einen Strategiewechsel nötig hatten", sagte Wilhelm Schmidt, der paralamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, am Mittwoch in Berlin. Ein solches Dementi gehört allerdings zum Einmaleins in der Politik: Wer einen Strategiewechsel zugibt, würde damit ja gestehen, dass die bisherige Strategie falsch war. Schmidt räumte aber immerhin ein, dass sich seine Sozialdemokraten momentan "in einer schwierigen Phase" befänden.

      Die SPD möchte ihren Schwenk weg vom reinen Personenwahlkampf hin zu einer inhaltlich geführten Auseinandersetzung mit Union und FDP als etwas Selbstverständliches erscheinen lassen. Es soll ja keiner glauben, der bisherige Plan von Gerhard Schröder, seinen Herausforderer Edmund Stoiber in eine Er-oder-ich-Entscheidung zu zwingen, sei nicht aufgegangen. Also behaupten alle in der SPD-Führung, die scharfe Auseinandersetzung mit Union und FDP sei die logische Folge davon, dass die beiden Parteien jetzt ihre Wahlprogramme vorlegt haben. "Schröder hat diese Auseinandersetzung angenommen", sagt Matthias Machnig, Chef der SPD-Wahlkampfzentrale, gegenüber der taz. Dahinter stehe aber keine Kurskorrektur. "Die Person Schröder war schon immer mit bestimmten Inhalten verbunden", so Machnig. "Genauso wie die Person Stoiber."

      Die SPD-Linken hingegen sehen in der Tatsache, dass Schröder den Kampf gegen Union und FDP jetzt weniger persönlich, sondern mehr politisch führen will, keine pure Selbstverständlichkeit - auch wenn sie sich darüber freuen. Andrea Nahles, die Sprecherin der Parteilinken, nennt den Schwenk einen "moderaten Strategiewechsel".

      Die entscheidende Frage wird aber ohnehin sein, ob die SPD damit Punkte machen kann. In den neuesten Umfrageergebnissen ist davon logischerweise noch nichts zu spüren. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa sind die Sozialdemokraten und die rot-grüne Regierung sogar noch weiter abgesackt als bisher. Nur noch 29 Prozent der Deutschen äußern sich danach zufrieden mit der Arbeit der Regierung. Bei der so genannten Sonntagsfrage kommt die CDU/CSU derzeit auf 41 Prozent und die SPD auf 32 Prozent. Im Vergleich mit Stoiber liegt Schröder aber weiterhin klar vorn - hier sprechen sich 41 Prozent für den Amtsinhaber und 31 Prozent für den Unionskandidaten aus. JENS KÖNIG

      taz Nr. 6750 vom 16.5.2002, Seite 7, 83 Zeilen (TAZ-Bericht), JENS KÖNIG
      Avatar
      schrieb am 16.05.02 14:58:05
      Beitrag Nr. 82 ()
      Hihi - ich bring mal ne Graphik, damit sich einige aufregen :D























      :)
      Avatar
      schrieb am 16.05.02 15:21:17
      Beitrag Nr. 83 ()
      Das trifft genau den Kern..sagt alles über unser größtes Problem aus....Das ist ganz einfach die Wahrheit!

      Der Fehler liegt tief im politischen System. Die Macht geht von den Parteien aus - das steht so glaube ich nicht im Grundgesetz. Wir leben in einer Diktatur der politischen Parteien. Sie haben sich ein eigenes feudalistisches System aufgebaut. Macht es denn einen Unterschied, ob irgendein schwarzer Despot in Simbabwe seinen Familienclan versorgt, oder eine Partei ihre Bonzen?

      Jedenfalls ist es die totale Verarschung! Diese stromlinienförmigen Parteifunktionäre erscheinen mir alle wie geklont. Das System züchtet einen bestimmten Typus Politiker, der wiederum perfekt in das Räderwerk von Geben und Nehmen paßt. Ein sich selbst optimierendes System von Seilschaften, Korruption und Machtmißbrauch.

      Neue Parteien werden in einem jahrzehntelangen Prozeß assimiliert. Die Grünen sind dafür ein sehr gutes Beispiel. Die Partei ist doch nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Grünen-Bonzen sind inzwischen so von den Annehmlichkeiten der Macht berauscht, daß sie jede Bodenhaftung verloren haben.

      Wohin das führt, zeigt Japan. Die Politik erstarrt in Bewegungslosigkeit. Reformen werden unmöglich, denn jeder, der das Potential für Änderungen am System hätte, wurde bereits assimiliert und gleichgeschaltet. Politiker werden zu leeren Hüllen, die schlaffen Körper hängen wie Vampire am Pulsschlag der Wirtschaft.

      Bis dieses Herz aufhört zu schlagen.
      Avatar
      schrieb am 17.05.02 11:02:51
      Beitrag Nr. 84 ()
      Hab noch einen gefunden :D














      .
      Avatar
      schrieb am 17.05.02 11:43:39
      Beitrag Nr. 85 ()
      Porsche-Chef Wiedeking kritisiert Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne

      Porsche-Chef Wendelin Wiedeking kritisiert die Steuerbefreiung für den Verkauf von Firmenbeteiligungen. Die Folge davon sei ein "Monopoly auf Steuerzahlerkosten". Banken und Versicherungen verkauften Industriebeteiligungen. Und mit dem Erlös kauften sie andere Banken oder Versicherungen. "Die Verkrustung der Wirtschaft, die dadurch ursprünglich einmal aufgelöst werden sollte, wird so bestimmt nicht geringer." Insgesamt aber sieht Wiedeking die Leistung der Regierung - und auch die Steuerreform - positiv. Die Regierung habe einiges getan, um den Reformstau aufzulösen. "Die Steuerreform war ein guter Anfang. Der Standort Deutschland ist international wieder wettbewerbsfähiger geworden", sagt er. Wer bestreite, dass sich in den vergangenen Jahren für die Wirtschaft etwas getan hat, "der ist ein Ideologe". Die Glaubwürdigkeit der Marktwirtschaft hat nach Ansicht des Porsche-Chefs in jüngster Zeit gelitten. "Welchem Banker oder Aktienhändler kann man denn noch glauben?", fragt Wiedeking. Die Banken hätten oft Firmen ohne ausreichende Prüfung an die Börse gebracht. "Es hat keiner gefragt, wann können die neuen Unternehmen Gehälter, Mieten und andere Fixkosten bezahlen, sind sie überhaupt existenzfähig. Selbst Banker haben die betriebswirtschaftliche Basiskalkulation vergessen." Viele Banken hätten mit Börsengängen "richtig viel Geld hereingeholt". Doch nach den Kursstürzen und Pleiten komme "der große Katzenjammer". Wenn die Sparer ihr Geld nun nicht mehr in bisherigem Umfang an der Börse anlegen könnten und wollten, dann fehle den Unternehmen diese Möglichkeit der Finanzierung. Für Porsche sieht Wiedeking trotz des Absatzeinbruchs in den USA gute Chancen. "Wir werden im laufenden Geschäftsjahr mindestens den Gewinn des vergangenen Jahres erreichen, und das war der höchste in unserer Geschichte." Auch ein sinkender Dollarkurs werfe die Kalkulationen des Sportwagenbauers nicht um. Porsche sichere seine Währungseinnahmen langfristig ab. "Wir wissen heute schon, mit welchem Kurs wir in den nächsten zwei- bis zweieinhalb Jahren rechnen können."

      Quelle: Spiegel.de
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      schrieb am 27.05.02 10:40:32
      Beitrag Nr. 86 ()
      Ein weiterer Fall krassen Versagens der Bundesregierung, die lieber Milliarden in sinnlose Kohlesubventionen steckt als High-Tech, die auch noch von politisch-militärischer Brisanz ist, vor fremden zugriff zu schützen.

      Ich hatte bereits vor einigen Wochen dazu etwas gepostet, jetzt wird es endlich in den Schlagzeilen gewürdigt:



      US-ÜBERNAHME

      Angst um deutsche U-Boot-Technologie

      Alarm im Kartellamt: Das Know-how zum Bau eines deutschen U-Bootes könnte in die Hände eines US-Rüstungskonzerns geraten. Die Amerikaner haben angeblich eine klammheimliche Übernahme eingefädelt - und damit auch Rudolf Scharping ausgetrickst.


      Prestigeobjekt für Patrioten: Die U31 zeigt, dass nicht-nukleare U-Boote technologisch führend sein können


      Kiel - Sein Name ist U31, und das klingt nach irgendeinem x-beliebigen Unterseeboot. Rüstungsexperten aber halten das U31, das bei der HDW-Werft in Kiel gebaut wird, für das derzeit beste, nicht-atomare U-Boot der Welt: Kein anderes verfügt über einen vergleichbaren Brennstoffzellenantrieb. Seinetwegen ist es für Feinde fast unmöglich, U31 unter Wasser zu orten, wenn es sich nähert.
      Bis zum März war die U31-Technologie in deutschen Händen, dann entschieden sich die bisherigen Mehrheitseigner zum Verkauf der HDW an den US-Finanzinvestor One Equity Partners (OEP). Ein Verkauf, den die Kartellbehörde der EU am Freitag, den 31. Mai, durchwinken sollte. Bisher sah es so aus, als würde sie dies tun - nun aber sind beim Bundeskartellamt und in Brüssel ernste Zweifel daran aufgetaucht, wer eigentlich hinter One Equity steckt.

      Verkappte Übernahme durch den Riesen?

      Der Verdacht: One Equity ist aufs Engste mit dem Rüstungskonzern General Dynamics verflochten, dem auch schon Interesse an der Ausschlachtung von Patenten des deutschen Panzers Leopard II unterstellt wird. Wieder einmal geht die Angst um, deutsche Rüstungstechnologie könnte an die Amerikaner ausverkauft werden.



      Die EU jedenfalls will sich den Fall offenbar noch einmal genauer ansehen: Nach Informationen des "Handelsblattes" wird sie den HDW-Verkauf anders als geplant frühestens in vier Monaten absegnen. Zuvor sollen die Vorwürfe geprüft aus einem Warnschreiben geprüft werden, das laut Bericht das Bundeskartellamt abgeschickt hat. One Equity, so dieses Dokument, werde von der Bank One dominiert, an der wiederum die Henry Crown Investmentgesellschaft beteiligt sei. Die aber hält auch elf Prozent an General Dynamics. Hinzu kommen personelle Verflechtungen: Der Finanzmagnat James Crown, ein Vertreter der Investmentgesellschaft, gehört zur Führung sowohl von Bank One als auch General Dynamics. Ist der scheinbar lupenreine Finanzinvestor also doch keiner? Crown jedenfalls bestreitet, in operative Details der HDW-Übernahme einbezogen gewesen zu sein.

      ThyssenKrupp ging leer aus

      Am Fall HDW sind mehrere Aspekte brisant. Zum einen haben Babcock Borsig und die Preussag, die den 75-Prozent-Anteil an HDW weiterverkauft haben, mit dem deutschen ThyssenKrupp-Konzern gar nicht mehr verhandelt. Er hatte nach der amerikanischen Offerte ein vergleichbares Angebot vorgelegt. Von Babcock hieß es, das Angebot hätte keine Vorteile gebracht und den Kauf nur verzögert.

      Und dann könnte wieder einmal der Bundesverteidigungsminister in die Schusslinie geraten: Er hatte öffentlich für die Vertrauenswürdigkeit von One Equity gebürgt und versichert, ein Abfluss deutsche Technologie sei nicht zu befürchten. Dabei warnt der Minister selbst jüngst in Brüssel gewarnt, um die Fairness der Amerikaner sei es beim Technologietransfer in der Rüstungsindustrie schlecht bestellt.
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      schrieb am 03.06.02 19:23:26
      Beitrag Nr. 87 ()
      Das System Schröder


      „Ich bin der Gerd“




      Das System Schröder steht vor seiner härtesten Bewährungsprobe: Ausgerechnet im Wahlkampf-Duell stumpfen seine Werkzeuge der Macht ab. Als umwehe ein Duft von schwerem Rotwein und edlen Zigarren das SPD-Wahlprogramm, hatten die Autoren ihren Vormann Gerhard Schröder beschrieben: „Er zeigt, dass er das Leben mag.“ Der Machiavelli mit der Cohiba justiert in großen Anzeigen nach. „Unser Land erneuern“, verkündet der Kanzler, „dafür werde ich hart arbeiten.“ Schließlich möchte sich Herausforderer Stoiber „für mein Vaterland zerreißen“.

      Schröder setzt alles auf eine Karte – auf sich. Die absolute Chefsache – es geht um seine Zukunft. Der Wahlkampf als One-Man-Show ist nicht nur Notlösung angesichts sackender SPD-Umfragewerte und unerfüllter Versprechen. Er ist die Fortsetzung des Machtprinzips der vergangenen dreieinhalb Jahre: Zu Schröder drängt, an Schröder hängt doch alles.

      Anders als sein Vorgänger nutzt der Kanzler nicht die große Volkspartei als Rückhalt fürs Regieren. Das „System Kohl“ hatte die CDU fest im Griff bis in den letzten Kreisverband, als Machtbasis des Patriarchen. Das „System Schröder“ funktioniert anders. Der SPD-Kanzler hat Koalition und Partei, das Spiel mit der Öffentlichkeit und das Gerangel mit den Interessengruppen ganz auf sich zugeschnitten. Es ist ein Geflecht aus Menschen und Macht, aus Masche und Methode. Im Zentrum: Gerhard Schröder, der Medien-Zampano und Politik-Moderator.

      Das Netzwerk des Niedersachsen steht vor seiner größten Bewährungsprobe – dem Angriff des jahrelangen CSU-Alleinherrschers. „Stoiber hat in München keinen Widerspruch erfahren, er musste nie kämpfen“, erhoffen die Kanzlerberater Probleme beim Wechsel auf die Bundesbühne. „Schröder hat bei seinem Aufstieg schon alle Risiken und Nebenwirkungen durchlebt. Stoiber hat den Beipackzettel noch nicht mal gelesen.“

      Während SPD-Wahlkampfleiter Matthias Machnig ausgeklügelte Strategien entwirft, setzt der Chef auf sein Gespür und ein simples PR-Konzept: „Bild, BamS, Glotze“, bekennt Schröder – sie sind der Horizont, vor dem er seine Wähler ins Visier nimmt. Die Medien – der Fixpunkt seines Regiments. Mit seiner kumpeligen Art ("Ich bin der Gerd") umgarnte er einst Journalisten aller Lager.

      Manchmal gezielt, manchmal spontan wirft Schröder Ideen unters Volk wie Karnevalsjecken die Kamellen. Das Wahlkampf-Duell „Der oder Ich“, die staatlichen Bürgschaften für Bundes-ligavereine, deutsche Soldaten nach Nahost – mit immer neuen Vorstößen testet der Regierungschef persönlich die Stimmung in der Öffentlichkeit. Wenn die Parolen nicht ankommen, kassiert er sie genauso schnell wieder ein.

      Sympathie für einen Kandidaten ist für 44 Prozent der Deutschen ein wichtiges Kriterium ihrer Wahlentscheidung, ergab eine Emnid-Umfrage für FOCUS. Trotzdem erzielt die SPD derzeit ihren schwächsten Wert seit 1999. Vizekanzler Joschka Fischer meint gar, es gebe beim „System Schröder“ gar kein System, nur Schröder. „Glauben Sie nicht an große strategische Pläne“, warnt der Grüne. „Da ist vieles einfacher gestrickt.“ Auch Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye, seit zwölf Jahren Schröders Zweitstimme, bekennt: „In neun von zehn Fällen ist es in der Politik so, dass die Philosophie nachgeliefert wird.“

      Angreifer-Mentalität. „Man muss mit Risiken nicht nur leben, man muss sie wollen.“ Den zweifelnden Planern seiner Südamerika-Reise beispielsweise beschied der Kanzler: „Bei Argentinien kneifen wir nicht“ – trotz Wirtschaftskrise und Bürgerprotesten. Auch zur Bewerbung um die Fußball-WM 2006 reiste er, obwohl seine Büchsenspanner eine Rückkehr mit leeren Händen fürchteten: „Das Risiko ist es wert.“ Nach dem Bombenangriff auf die chinesische Botschaft in Belgrad entschuldigte er sich im Namen der Nato in Peking – obwohl die Deutschen nichts für den tödlichen Irrtum konnten. „Ich schlage mich nicht seitwärts in die Büsche.“ Das ebnete im Reich der Mitte den Weg zu engen Kontakten. Als bloß „obersten Handlungsreisenden der Deutschland AG“ möchte sich Schröder freilich nicht sehen. Etwas mehr darfs schon sein. „Wenn da die Vorstellung des Vorstandsvorsitzenden dahinter steht, habe ich nichts dagegen.“

      Den Aufstieg aus der Nachkriegsbaracke ins Kanzleramt hat er heiß ersehnt und über den zweiten Bildungsweg hart erarbeitet. „Was er tut, wie er`s tut – fast alles lässt sich aus seinem Aufsteiger-Ehrgeiz erklären“, weiß Heye. „Kanzler zu werden war sein Lebenstraum“, sagt Götz von Fromberg, der beste Freund. Seit Referendarzeiten kennen sie sich, haben zusammen gekickt. „Als Torjäger brauchte er eine gewisse Portion Egoismus, Durchsetzungsvermögen und Härte. Das nutzt ihm auch in der Politik.“ Letztlich sei er „mit seinem Kampfgeist immer noch ein bisschen der alte Straßenfußballer“.

      Inzwischen hat er ein Team beisammen, das der Sturmspitze Vorlagen serviert und das eigene Tor sichert. Dass es ohne Helfer nicht geht, berichtet einer seiner Freunde, „musste er hier erst lernen“. Auch wenn der Einfluss der „Niedersachsen-Combo“ durch neue Vertraute gesunken ist, seine wichtigste Stütze in Berlin – neben dem aus Hannover mitgebrachten Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier – ist nach wie vor Büroleiterin Sigrid Krampitz. Sie war schon des Ministerpräsidenten Schröder rechte und linke Hand. Stets außerhalb der Öffentlichkeit, weiß sie nicht nur blind, welche Termine, Besucher und Vorlagen Schröder noch verkraftet, sie ist auch Korrektiv und mentale Stütze. Er schätzt ihre Menschenkenntnis. Wenn es brenzlig wird, begleitet sie Schröder „als psychologischer Rückhalt“ (ein Kanzler-Vertrauter) zu Terminen, kontrolliert im Hintergrund Presseauftritte und Parteitagsreden.

      Das Kabinett interessiert den Regierungschef kaum, viele seiner Minister nimmt er nicht für voll. „Spannend ist es da nur, wenn Schröder die Botschaften setzt, die wir am nächsten Tag in der Zeitung lesen sollen“, sagt eine Ministerin. Entsprechend behandelt der Kanzler manche Kabinettskollegen. „Er ist abgebrühter geworden“, registriert sein Unternehmer-Freund Jürgen Großmann. „Sein Humor ist etwas zynischer als früher.“ Auch Freund von Fromberg erlebt ihn nun ernster. „Die spontane Fröhlichkeit ist seltener geworden.“ Geblieben sei „die unglaubliche Nervenstärke. Hat er entschieden, zweifelt er nicht mehr“.

      16.05.02, 9:45 Uhr

      Focus.de
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      schrieb am 03.06.02 19:25:36
      Beitrag Nr. 88 ()
      Das System Schröder basiert auf dem persönlichen, kurzen Draht zu ausgewählten Beratern, Büchsenspannern und Bossen. Ratschläge und Meinungen nimmt er auf, die Entscheidungen trifft er aber allein.

      Den inneren Kreis um Gerhard Schröder prägen immer noch seine Hannoveraner Vertrauten. Aus dem Kabinett sind nur wenige Minister nah am Kanzler:

      Bela Anda – Der Biograf – Schrieb das erste Buch über Schröder, könnte bald vom Vize- zum Regierungssprecher aufrücken.

      Jürgen Großmann – Manager-Kumpel – Den Stahl-Sanierer (Georgsmarienhütte) schätzte Schröder schon als Ministerpräsident.

      Uwe-Karsten Heye – Zweit-Stimme – Der Regierungssprecher setzt bei seinen Medienkontakten vor allem auf ein Netzwerk alter Kollegen.

      Manfred Bissinger – Der vertraute – Seit dem Ende der Zeitung „Die Woche“ fehlt die Schützenhilfe des Herausgebers.

      Ferdinand Piëch – Der Auto-Krat – Schon als Aufsichtsratsmitglied bewunderte Schröder den VW-Lenker.

      Alfred Tacke – Not-Löser – Als Wirtschafts-staatssekretär Mann für heikle Fälle (Spitzname „Atacke" ). Effizient, listig, lustig.

      Hans Eichel – Kassenwart – Als „eiserner Hans“ zwei Jahre lang wichtigste Stütze im Kabinett.

      Frank-Walter Steinmeier – Der VollstreckerDer Kanzleramtschef garantiert Ruhe im Laden. Schröder halst ihm jedes Problem auf.

      Otto Schily – Otto-Verstand – Zunehmend setzt der Kanzler auf die konservative Ausstrahlung des Ex-Grünen.

      Bodo Hombach – Der Waz-Mann Der Geschäftsführer der WAZ-Gruppe und Ex-Kanzleramtschef gilt seit Jahren als Schröders Strippenzieher.

      Wolfgang Nowak – Querdenker Als Planungschef Ideenlieferant. Der frühere Staatssekretär Biedenkopfs stehtloyal zum Kanzler und kritisch zu seiner SPD.

      Sigrid Krampitz – Schaltzentrale – Die Büroleiterin ist Frühwarnsystem und psychologischer Rückhalt in einem.

      Götz v. Fromberg – bester Freund – Die Juristen kennen sich seit Referendarzeiten. Nach der Hillu-Trennung zog Gerd bei dem Vertrauten ein. Seit 1996 steht Schröder auf dem Brief-bogen der Anwaltskanzlei.

      Franz Müntefering – Der General Der Partei-manager muss dem Chef den Rücken frei- und die eigenen Truppen ruhig halten.

      Hubertus Schmoldt – Arbeiterboss – Schröders Lieblingsgewerkschafter (Chemie), Vermittler zwischen Arbeitern und Unternehmern.

      Wolfgang Clement – Kampfgenosse – Der NRW-Ministerpräsident ist Verbindungsmann zum Bundesrat; einig in der Skepsis gegen Grüne.
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      schrieb am 03.06.02 19:30:32
      Beitrag Nr. 89 ()
      Am liebsten im Dunstkreis der Macht

      „ Machtsüchtig werden die, die in ihrer Kindheit die Ohnmacht erlebt haben – wie Schröder“, analysiert ein ehemaliger SPD-Abgeordneter, der ihn seit 20 Jahren beobachtet. „Deshalb bewundert er die Unternehmer.“ Froh und stolz ist er, in der Welt der Mächtigen – wenn auch vielleicht auf Zeit – angekommen zu sein. Welch ein Genuss, im Regierungsflieger edelste Rotweine für mehr als 6000 Euro zu genießen, die Freund Großmann, erfolgreicher Sanierer des Stahlwerks Georgsmarienhütte im niedersächsischen Osnabrück, für die gemeinsame Reise nach Südamerika mitgebracht hat.


      „Leute, die ihren eigenen Weg gehen, faszinieren ihn“, hat Großmann festgestellt. Wie der langjährige VW-Boss Ferdinand Piëch oder Porsche-Lenker Wendelin Wiedeking. „Ihr wählt mich zwar nicht, aber bei euch fühle ich mich am wohlsten“, charmierte er einst eine erlesene Unternehmer-Runde um DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp. Die Bosse sind ihrerseits dankbar; wie schon beim verachteten Vorgänger Kohl sind sie froh, wenn sie am Tisch des Herrn sitzen dürfen.

      Die Mechanismen der Macht sind klar sortiert. Wo ein schneller Triumph winkt, wo der Kanzler mit der Autorität seines Amts einen Durchbruch erhofft – das ist Chefsache. Nicht die Größe der Aufgabe entscheidet, sondern die Erfolgsaussicht. Keine Entrümpelung des Arbeitsrechts hat je das Interesse des Regierungschefs gefunden – zu groß wäre die Gefahr, den Bruch mit den Gewerkschaften zu provozieren.

      Wo keine Lösung in Sicht ist, muss eine Expertenkommission, ein Rat oder Bündnis den Weg bahnen, den Ausgleich schaffen. „Konsensrunden dienen dazu, den Gegner zu diskreditieren, weil er außerhalb des Konsenses steht“, analysiert Klaus-Peter Schöppner, Geschäftsführer des Bielefelder Emnid-Instituts.

      Als großer Deutschland-Moderator will Gerhard Schröder die „Partikularinteressen“ (das ist, was die anderen wollen) und das „Gemeinwohl“ (das ist, was alle unter seiner Führung wollen sollen) in Einklang bringen.

      „Schröder ist ein Spieler und ein Dealer“, beschreibt ihn ein enger Mitarbeiter. Hartnäckig, aber bisweilen auch schelmisch feilscht er um Kompromisse. Jede Branche beispielsweise kann auf einen Kuhhandel hoffen. „Da müssen wir was machen“, stimmt er Besucher hoffnungsvoll. Der Chemieindustrie bot er Unterstützung gegen die Chemikalien-Richtlinie der EU an – „aber ihr müsst mir auch helfen“. Sonderzahlungen der Pharmabranche in die Krankenversicherung oder ein Lob für die rot-grüne Steuerpolitik.

      Und wenns nicht weitergeht oder es die öffentliche Meinung zu drehen gilt, agiert der Kanzler selbst als Lautsprecher. In der hektischen Stimmungsdemokratie spielt nur in der ersten Reihe, wer sofort reagiert und griffig formuliert. Das Macher-Image ist gewünscht. „Wenn unser Kanzler ein Hemd anzieht, krempeln sich die Ärmel ganz von selber auf“, witzelte ein Kabarettist beim SPD-Wahlkampf-Auftakt in Sachsen-Anhalt.

      Doch in letzter Zeit rutschen die Manschetten immer wieder herunter. Gleich mehrere seiner Werkzeuge der Macht wirken abgewetzt.

      Sein Kampfspruch von der „Politik der ruhigen Hand“ sollte Vertrauen wecken, doch legten ihm Kommentatoren das als Aussitzen aus und die Opposition als Ausrede für Ohnmacht und Nichtstun. „Ruhige Kugel“, spottete der FDP-Wirtschaftspolitiker Rainer Brüderle, und Stoiber konterte ungewohnt pfiffig: „Das riecht mir schon sehr nach dem Wunsch, Rentner zu sein.“

      Auch der Versuch, als Schutzheiliger der Fußballfans Punkte zu sammeln und mit Machtworten und Bürgschaften die durch die Krise des Fernsehkonzerns Kirch gefährdeten Bundesliga-Übertragungen zu sichern, endete im medialen Desaster. Tenor: Der Staat müsse nicht für die Millionengagen der Kicker-Stars einstehen. Und als hätte sich alles gegen ihn verschworen, rauschte auch noch der zwei Jahre zuvor mühsam von ihm durchgepäppelte Holzmann-Konzern in die Pleite. Die Opfer tröstete er nicht mehr mit einem Beileidsbesuch, sondern mit einer dürren Presseerklärung: Er hätte „einen Kompromiss zum Erhalt von Holzmann begrüßt“.

      „Mit symbolischer Politik und Kraftsprüchen kann man durchaus erfolgreich sein“, sagt der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter. „Aber nicht wiederholt auf demselben Feld.“ Die Chefsache Ost sei verbraucht, wenn sich nach vier Jahren nichts gebessert habe.

      Was für Altkanzler Kohl die „blühenden Landschaften“, ist für den Nachfolger das Versprechen, die Arbeitslosigkeit unter 3,5 Millionen zu drücken. „Das Ziel wurde relativiert durch den Einbruch der Konjunktur vor dem 11. September“, begründet Schröder sein Scheitern – und hat gleich den nächsten Wahlslogan parat: „Gebt uns mehr Zeit. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber der Weg ist eben länger.“ Welch glücklicher Zufall, dass just zum Abschmieren der Wirtschaftsdaten die manipulierten Statistiken in der Bundesanstalt für Arbeit publik wurden.


      17.05.02, 14:08 Uhr
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      schrieb am 03.06.02 19:34:10
      Beitrag Nr. 90 ()
      „Lafo ist weg, Scharping kaltgestellt“


      Seinen Machiavelli hat er in der Reclam-Ausgabe gelesen




      Schröder gibt den großzügigen Chef mit Killerinstinkt. „Wenn sie am Boden liegen, hilft Schröder ihnen auf – und damit hat er sie schon in der Hand“, haben enge Weggefährten beobachtet. Er verzeihe auch dumme Pannen – solange sie nicht sein Siegerimage gefährden. Erst dann macht er kurzen Prozess – so wie bei Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke. „Schröder ist ein angenehmer Chef“, bestätigt eines seiner Opfer, „man weiß nur nicht, wie lange.“

      Den Langmut hat Schröder in Berlin erworben: „Sie wissen nie, wann wieder einer eine Bombe hochgehen lässt. Wenn man weiß, dass man es nicht weiß, wird man großzügiger.“ Mal durfte Kanzleramtsminister Bodo Hombach lange direkt vor Schröders Türschwelle ein Chaos anrichten, mal pöbelte Umweltminister Jürgen Trittin ungestraft gegen die Opposition. Und Verteidigungsminister Rudolf Scharping, der als einziges Kabinettsmitglied schon Ärger zu Lande (wie jetzt im Haushaltsausschuss), zu Wasser (Pool-Fotos) und in der Luft (Mallorca-Flüge) hatte, steht unter Artenschutz: Er ist der letzte Brandt-Enkel, der überhaupt noch neben Schröder aktiv ist.


      Trotz der beispiellosen Pannenserie in seinem Bereich – von vermurkster Privatvorsorge bis manipulierter Auftragsvergabe – hält der Kanzler treu zu Sozialminister Walter Riester. Dabei hatte der Glücklose artig beim Chef nachgefragt: „Gerd, ich demissioniere, wenn du es willst.“ Doch der Kanzler beruhigte – auf seine Art und bis auf weiteres: „Wenn ich es bräuchte, sage ich es schon.“ Im vertrauten Kreis erklärte Schröder seine Zurückhaltung: „Riester lasse ich nicht fallen. Der kann nicht zu den Gewerkschaften zurück, da ist er unbeliebt.“

      Längst hat sich der einstige Rebell die SPD untertan gemacht. Als Juso-Häuptling hatte er die Partei rechts, als Ministerpräsident links liegen lassen. Als Regierungschef und Vorsitzender wollte er sich unterhaken, doch nun, im Stimmungstief, lässt Schröder die alte Tante SPD lieber hinter sich. Auf den Kanzler kommt es an.

      Scheitert Schröder mit seinem Alleingang, sieht es für die Sozialdemokraten düster aus. Die nächste Generation ist dünn besetzt. Im schlechtesten Fall blieben die abgewählten Minister weitere vier Jahre im Bundestag sitzen und blockierten Nachrückern die Aus-bildungsplätze im Parlament. Bis auf den Niedersachsen Sigmar Gabriel und den Mecklenburger Harald Ringstorff streben auch die roten Ministerpräsidenten direkt in die „Arbeitsgemeinschaft 60plus“, die Seniorenorganisation der SPD.

      Oskar Lafontaine, sein linker Gegenspieler, habe nach dem Wahlsieg die Richtung vorgegeben und ihn zum Regierungssprecher degradieren wollen. Da habe er ("Ich eigne mich nicht zur Gefolgschaft") leider nicht mitmachen können: „Das war mit dem Amt und mit mir nicht zu machen.“

      Vor kurzem fragte ihn ein Journalist mit Blick auf die Wahl: „Wer ist Ihr gefährlichster Gegner?“ Da stutzte der Kanzler ganz verwirrt und dachte nicht an die Opposition: „Ich verstehe Ihre Frage gar nicht. Lafo ist weg, und Scharping ist kaltgestellt.“

      Seinen Machiavelli hat Schröder gelesen, „in der Reclam-Ausgabe“. Es war ja vor dem steilen Aufstieg. Besonders erinnert sich der Kanzlerschafts-Duellant an die Einteilung guter und schlechter Mitarbeiter: „Der schlechteste ist der, der selber glänzen will, statt den Fürsten glänzen zu lassen.“



      17.05.02, 11:32 Uhr
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      schrieb am 03.06.02 19:35:35
      Beitrag Nr. 91 ()
      Boulevard-Kanzler mit markigen Sprüchen


      Schröder hat eine Gabe, die sonst nur Werbetexter oder Journalisten auszeichnet: Er vermag griffige Formulierungen zu prägen, denen fast jeder zustimmen kann. „Wir wollen nicht alles anders machen, aber vieles besser“, versprach der Kanzlerkandidat 1998. Die Wähler fühlten sich nach 16 Jahren Helmut Kohl von frischem Wind umspielt, ohne einen Eissturm der Veränderung fürchten zu müssen. Schröders Spruch war ebenso plastisch wie nichts sagend – und darum ebenso erfolgreich wie risikolos.

      Der Stimmführer

      Kinderschänder wollte Schröder nach Morden an kleinen Mädchen schon mehrmals „wegschließen – und zwar für immer!“. Wer könnte dazu schon nein sagen. Schröder bietet den Bürgern ein simples Tauschgeschäft an: Er macht sich zu Volkes Stimme und bekommt dafür die Stimmen des Volkes.

      Der Ausweichler

      Als offensichtlich wurde, dass Rot-Grün nicht – wie versprochen – die Arbeitslosenzahl unter 3,5 Millionen drücken könnte, eröffnete Schröder die Jagd auf Drückeberger. Es gebe „kein Recht auf Faulheit“, wer Stütze vom Staat wolle, müsse auch eine Gegenleistung bringen. Jahrelang hatten Liberale und Konservative genau dies gefordert und sich dafür von Sozialdemokraten und Grünen als herzlos schmähen lassen müssen.

      Der Ablenker

      Der Vorstoß hat Methode. Wenns schwierig wird, wenn neue Themen hochkochen, gibt Schröder frühzeitig populistisch die Richtung für eine heiße Debatte vor. Das lenkt nicht nur von anderen Problemen ab, es gibt den sozialdemokratischen Funktionären und Traditionsgruppen auch Zeit, ihre Einstellung zu korrigieren.

      Der Themenbesetzer

      „Wer unser Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eins: raus, und zwar schnell“, drohte Gerhard Schröder 1997 kriminellen Ausländern. Die schweigende Mehrheit fühlte sich verstanden – selbst und gerade rechtschaffene ausländische Mitbürger sehen nicht ein, warum Drogenhändler oder Schutzgelderpresser hier bleiben dürfen, in vielen Fällen sogar ihren Lebensunterhalt durch Sozialhilfe finanzieren. Der Union fehlte plötzlich ein Thema, weil der wendige Niedersachse sie rechts überholt hatte. Geändert hat sich seitdem praktisch nichts.

      Der Anpasser

      Immer wieder korrigiert der wortgewandte Kanzler seine Positionen. Meinte er 1993 noch, „das Deutschtum gehört in die Mottenkiste“, klang das 1998 ganz anders: „Wir sind stolz auf dieses Land, seine Landschaften, seine Kulturen, auf die Kreativität und den Leistungswillen seiner Menschen.“ Der flotte Wandel sei den rasanten Zeitläuften geschuldet. „Man muss nicht Angst haben vor Politikern, die sich in Frage stellen, ihr Denken und Handeln, sondern vor Politikern, die nicht lernfähig sind“, meint Schröder. „Das sollte man nicht als Prinzipienlosigkeit denunzieren.“

      „Die überhastete Währungsunion hat zu einer kränkelnden Frühgeburt geführt“ – Gerhard Schröder, März 1998

      „Hinter dem Euro steht eine der stärksten Wirtschaften der Welt. Das macht ganz klar, dass an der Stabilität dieser Währung überhaupt nicht gezweifelt werden kann“ – Gerhard Schröder, Dezember 2001

      Macht kommt von machen – oder ist es umgekehrt?

      „Wir machen es. Basta“, beschied der Kanzler öffentlich die Gewerkschaftsführer, die keine Privatvorsorge neben der Rentenversicherung wollten. Mal kippt er mit einem Machtwort im Alleingang eine Steuervorschrift für Internet-Surfer im Büro, mal verspricht er den Mitarbeitern der Autoindustrie einen Bonus.

      In der Steigerung heißt das Machtwort „Chefsache“. Hier ist nicht Reden, sondern Handeln gefordert. Nach dem Amoklauf von Erfurt lud er die Intendanten der privaten und öffentlich-rechtlichen Sender zur Debatte über Gewalt im Fernsehen. Regieren nach dem Ford-Slogan: Schröder – der tut was. Green Card und Kernenergie, Kirch-Pleite und Zuwanderung oder die kurzzeitige Rettung des Holzmann-Konzerns vor dem Konkurs im November 1999. Schröder persönlich setzte den Schlussstein auf der Krisen-Baustelle – und labte sich an den „Gerhard, Gerhard"-Rufen.

      Lieblingsrolle Retter

      In Niedersachsen hatte Schröder kurz vor der Landtagswahl den Stahlkocher Salzgitter AG in staatliche Obhut genommen. Nun schwebte er im Sachsen-Anhalter Wahlkampf im Waggonbauwerk Ammendorf ein, um den vorläufigen Erhalt von 850 Jobs zu feiern. Mehr als Absichtserklärungen hatte er dem Chef des Bombardier-Konzerns aber nicht abringen können.

      Konsens Runden statt Parlament

      „Ich bin für den Konsens zuständig“, verkündet n Weizsäcker und Rita Süssmuth Politiker, die nicht nur beide der oppositionellen CDU entstammen, sie vertreten dort auch notorisch eine abweichende Meinung – die idealen Kronzeugen für Rot-Grün.

      Parlamentsersatz

      „Das Regieren mit Gremien wie dem Bündnis für Arbeit oder dem Nationalen Ethikrat entmachtet die Institutionen wie Parlament und Fraktionen“, klagt der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter. Die normalen Wege der Legitimationpolitischer Entscheidungen würden umgangen. „Es nützt nur der Macht und Popularität des Kanzlers.“ Der Bundestag werde zum Notar fremder Entscheidungen.

      Umgehungstaktik

      Den Nationalen Ethikrat berief Schröder, um seine Haltung zum Import von Stammzellen für die Gentechnik-Forschung durchzusetzen. Denn die etablierte Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ beim Bundestag war dagegen.

      Am Ziel störte auch der Rüffel des Bundespräsidenten nicht mehr: „Wer die Entscheidungen über das, was gemacht werden soll, der Wissenschaft überlassen will“, hatte Johannes Rau kritisiert, „verwechselt die Aufgaben von Wissenschaft und Politik in einem demokratischen Rechtsstaat.“

      Magere Bündnisbilanz

      Das Bündnis für Arbeit war schon unter Amtsvorgänger Helmut Kohl geplatzt. Schröder belebte den Verhandlungsmarathon zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern neu, doch wieder blieben die Erfolge dürftig.

      Nach der letzten Sitzung blieb selbst dem Gastgeber nur ein kleinlautes Resü-mee: „Zunächst mal hat sich das Treffen deshalb gelohnt, weil es möglich geworden ist, die unterschiedlichen Positionen überhaupt mal zu diskutieren.“



      17.05.02, 11:05 Uhr
      Avatar
      schrieb am 03.06.02 19:38:04
      Beitrag Nr. 92 ()
      „Doris hat gesagt“

      Die vierte Gattin, Doris Schröder-Köpf dient Kanzler Gerhard Schröder als Frühwarnsystem, Beraterin und Allzweckwaffe in einer Person. „Doris hat gesagt“, hört man oft von Gerhard Schröder. Stimmungen an der Schule fängt sie von Tochter Klara auf, andere im Supermarkt, bei ihren karitativen Engagements. Dass mehr für Familien getan werden müsse, hat Doris Schröder-Köpf dem Kanzler immer wieder nahe gebracht. Die Nöte allein erziehender Mütter durchlebte sie selbst.

      Die Engagierte

      Als Schirmherrin fürs Kinder-Sorgentelefon oder Helferin bei Spendenaktionen für afghanische Flüchtlingskinder sammelt sie Geld für gute Zwecke – und nebenbei Sympathiepunkte und damit Stimmen für ihren Mann. Ihre vielen Kontakte zu ehemaligen Journalisten-Kollegen nutzt Schröder-Köpf offensiv. 1998 gehörte sie sogar zur Wahlkampfmannschaft. Inzwischen bezog die Ex-FOCUS-Redakteurin als erste Kanzlergattin ein Büro in der Berliner Regierungszentrale. Ihr Kinderbuch „Der Kanzler wohnt im Swimmingpool“ erklärt Jungwählern der nächsten Jahrzehnte die Politik.

      Die Nothelferin

      Mit der suggestiven Kraft des Privaten, Persönlichen, des scheinbar ganz Nahen spielt das Ehepaar Schröder virtuos. In Notfällen kommt die Geheimwaffe Doris zum Einsatz: Als die CDU mit dem „Fahndungsplakat“ den „Rentenbetrug“ Schröders anprangerte – er hatte vor der Bundestagswahl versprochen, die Altersversorgung nicht anzutasten -, protestierte Schröder-Köpf gegen die Kampagne: „Ich empfinde das als Aufruf zur Gewalt gegen meinen Mann.“

      Als Arbeitslosigkeit und die mageren Erfolge rot-grüner Familienpolitik zum Thema wurden, teilte die frühere Klosterschülerin öffentlich allen Eltern mit, wie sie ihre Kinder zu erziehen hätten.

      Beim BSE-Skandal sah die Regierung nicht gut aus. Doris fasste ihre Sorge, was eine Mutter noch auf den Tisch bringen kann, in einen „Bild"-Kommentar.



      17.05.02, 10:29 Uhr
      Avatar
      schrieb am 10.06.02 11:11:39
      Beitrag Nr. 93 ()
      Vergiftetes Klima

      Dachauer Ortsvorsitzende tritt nach dem CSU-Wahlbetrug bei der Kommunalwahl zurück. Goppel schweigt dazu
      MÜNCHEN taz Die CSU-Spitze macht im größten Wahlbetrugsskandal ihrer Partei eine schlechte Figur. Zwei Dachauer Stadträte sitzen bereits in Untersuchungshaft, und trotzdem schweigen die Parteizentrale und Innenminister Günther Beckstein immer noch. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel will seit Tagen mit der Presse über dieses Thema nicht sprechen und schiebt es auf den Ortsverband in der oberbayrischen Stadt ab.

      Die bayerische SPD schlachtet das genüsslich aus. Bereits vor drei Wochen schimpfte Susann Biedefeld, Generalsekretärin der Bayern-SPD: "Die CSU will aus purer Machtversessenheit wieder einmal aussitzen und es so machen wie die berühmten drei Affen - nichts sehen, nichts hören und nichts sagen." "Die Wahlfälscher werden von den CSU-Verantwortlichen gedeckt." Dass eine Volkspartei wie die CSU massive Wahlfälschung betreibe, stelle eine neue Dimension dar, meinte Franz Maget, Oppositionsführer im Landtag, und verlangte von CSU-Chef Edmund Stoiber, gegen die Dachauer Parteifreunde vorzugehen.

      Völlig aufgebracht trat gestern immerhin die Vorsitzende der Dachauer CSU, Gertrud Schmidt-Podolsky zurück. "Ich habe mir persönlich nichts vorzuwerfen, übernehme aber die persönliche Verantwortung", sagte die Stadträtin der taz. Sie hat mittlerweile begriffen: "Das Klima in der Stadt ist so vergiftet, dass gar nichts anderes mehr als eine Nachwahl möglich ist."

      Damit gab die CSU in der 40.000-Einwohner-Stadt ihren dreimonatigen Widerstand gegen eine Wiederholung der Wahl auf. Auch im Landtag hatte die Regierungspartei es abgelehnt, dass die Kommunalwahl in Dachau für ungültig erklärt wird. Laut Staatsanwaltschaft wurden bei der Stadtrats- und Kreistagswahl Anfang März offenbar 740 Stimmzettel zugunsten der CSU manipuliert, 3.500 Briefwahlformulare vernichtet.

      Der festgenommene 66-jährige Stadtrat Wolfgang Aechtner soll nach Zeugenaussagen bei 800 Hausbesuchen Wahlbenachrichtigungen eingesammelt und so der CSU Stimmen beschert haben. Tatsächlich gewannen die Christsozialen zwei Stadträte hinzu. Wegen Fluchtgefahr holte die Polizei am Freitag auch den 36-jährigen CSU-Stadtrat Georgios Trifinopoulos ab.

      Kurz danach handelten auch Landratsamt und Regierung von Oberbayern. Beide Aufsichtsbehörden leiteten die Wiederholung der Stadtrats- und Kreistagswahl ein. "Wir halten so viele Wahlverstöße für erwiesen, dass wir an einer Ungültigkeitserklärung der Stadtratswahl nicht vorbeikommen", so der Sprecher des Dachauer Landratsamts.

      Das paradoxe an der Nachwahl des Stadtrats: Auch die inhaftierten CSUler Aechntner und Trifinopoulos sollen erneut auf den Stimmzetteln stehen. So sieht es das Gesetz vor. Aechtner gab allerdings bereits mit einem ärztlichen Attest sein Mandat zurück und bot der CSU an, die Partei zu verlassen. Seither ruht seine Mitgliedschaft. OLIVER HINZ

      taz Nr. 6770 vom 10.6.2002, Seite 7, 97 Zeilen (TAZ-Bericht), OLIVER
      Avatar
      schrieb am 10.06.02 21:16:34
      Beitrag Nr. 94 ()
      Vielen Dank Deep Thought für Deinen Beitrag vom 10.6.2002.
      Dieser Artikel spricht für sich, auch wenn ich die taz ansonsten nicht lese.
      Ich bin immer wieder überrascht, zu welchen plumpen Machenschaften Politiker fähig sind.
      Noch mehr überrascht mich allerdings die Tatsache, daß dies kaum einer hier im board so richtig zur Kenntnis nehmen will.
      Nicht den Mund aufmachen, ignorieren und wegschauen.
      Ist es da ein Zufall, daß EIN EINZELNER Vertreter der einzigen gesamtdeutschen Partei, die den Begriff Liberal in ihrem Parteinamen trägt schon seit Wochen wie die sprichwörtliche Sau durch’s Dorf getrieben wird? Und halb Deutschland schließt sich diesem Kreuzzug an. Herrn Möllemann würde ich ebenso wie seinen Gegenspieler Herrn Friedman als populistische Egomanen bezeichnen, aber genau solche Personen faszinieren die Deutschen immer wieder. Polarisation ersetzt die inhaltliche Auseinandersetzung mit politisch wesentlich wichtigeren und parteiübergreifenden Themenfeldern. Über einen Wahlbetrug, den man sonst nur aus Bananenrepubliken kennt, regt sich keiner groß auf. Das scheint also vollkommen in Ordnung zu sein?

      Ihr Deutschen ergötzt Euch an Eurer kleinbürgerlichen Fassade, delegiert politische Zivilcourage an die Meinungsführer, die gerade in den Medien hohe Zuschaltquoten bringen und merkt nicht wie Ihr als ehemaliges Wirtschaftswunderkind Europas den Beispielen Japans und Argentiniens folgt und langsam aber sicher immer weiter in die Mittelmäßigkeit abrutscht.
      Hinterher will natürlich niemand schuld gewesen sein.

      Grüße
      Anne Kristin
      Avatar
      schrieb am 26.06.02 09:26:48
      Beitrag Nr. 95 ()
      MACHTWECHSEL IN BERLIN

      Wenn Schröder fällt...


      Von Wolfram Bickerich

      ...wird auch eine Regierung Stoiber den finanziellen Engpässen und den Sachzwängen der deutschen Lobby-Demokratie nicht entkommen. Ein großer Umbruch, gar Aufbruchstimmung sind nicht zu erwarten. Was eine erneute CDU/FDP-Koalition ändern kann und was alles nicht - eine Prognose.

      Kandidat Stoiber: Die Illusion von Macht


      22. September 2002, 18.01 Uhr: Bundeskanzler Gerhard Schröder erbleicht, als ARD uns ZDF die ersten Wahlprognosen verkünden. Sein Konkurrent Edmund Stoiber hat für CDU/CSU einen erdrutschähnlichen Wahlsieg eingefahren: Die Union ist wieder stärkste Fraktion im Bundestag. Sie könnte nach Gutdünken schalten und walten, nachdem sie sich schon im Mai bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt die Mehrheit im Bundesrat gesichert hatte.

      Stoiber braucht zwar eine Koalition mit der FDP; aber nun könnte er durchsetzen, was er an Reformen für dringlich und nötig erachtet. Was wird das sein? Kommt auf die Bundesbürger im Falle jenes Falles eine Kursänderung zu? Oder will Stoiber, der in München früher "das blonde Fallbeil" hieß, nun nach der Wandlung zum Staatsmann, wie vier Jahre zuvor Schröder die griffig-gefällige Formel verwenden, er wolle "Nicht alles anders, aber manches besser machen"?

      Eines steht schon jetzt fest: Die Republik wird sich, siegen die Schwarzen, nicht mehr verändern als nach der Machtübernahme durch Rot-Grün.

      Schäuble wird nicht Minister

      Es ändert sich, natürlich, das Personal, und wenn dabei Fehlbesetzungen wie der sture Gewerkschafter Walter Riester, die farblos schwache Gesundheitsministerin Ulla Schmidt oder der langweilig-desinteressierte Wirtschaftsmann Werner Müller aus den Ämtern scheiden, kann das ein Schaden nicht sein. Stattdessen kommt Stoibers "Kompetenzteam" zur Geltung, aber auch das nur ein bischen:

      Politbarometer im Juni 2002: Schwarz-Gelb liegt vorn


      Wolfgang Schäuble wird natürlich weder für Außen- noch für Verteidigungspolitik zuständig, sondern er wird - schließlich darf die Union nach dem Wahlsieg diesen Posten besetzen - Präsident des Bundestages. Günter Beckstein wird Innen-, sein CSU-Freund Horst Seehofer Gesundheitsminister - sofern dessen eigene Gesundheit nach seiner schweren Herzerkrankung dies zulässt.

      Anette Schavan, CDU-Vize aus Stuttgart und dortige Kultusministerin, übernimmt keinesfalls den Posten als Grüß-August und Bundeskultur-Beauftragte. Selbst der ihr von Stoiber angetragenen Posten als Nachfolgerin von Forschungsministerin Edelgard Bulmahn erscheint ihr derzeit nicht attraktiv, als Bildungspolitikerin hat sie wegen der Kultushoheit der Länder in Stuttgart mehr Einfluss als in Berlin. Auch, ob Lothar Späth seine Vorstandsposition in der freien Wirtschaft gegen die Kabinettsdisziplin als noch so mächtiger Super-Wirtschaftsminister tauscht, ist keineswegs ausgemacht.

      Kompetenz heißt eben noch nicht Kabinett. Schließlich sind die Regionalfürsten der Union gar nicht glücklich darüber, dass bisher nur süddeutschen Parteifreunden eine Art Kompetenz zugesprochen wurde; für die Regierungsarbeit braucht Stoiber noch ein paar Namen aus den Gebieten nördlich des Mains.

      Vom Personal abgesehen - es ändert sich aber natürlich nach dem Wahltag die Stimmung in Wirtschaft und Gesellschaft - ein wenig. Die Studenten gehen zwar nicht auf die Strasse, weil ihnen schwarz-gelb so schnurz ist wie rot-grün. Aber schon am 23. September reagieren die Börsen und die Aktienkurse. Unternehmer und Arbeitgeber müssen keine gewerkschaftlich angehauchten, schon gar keine Unternehmer-feindlichen Eskapaden mehr fürchten.

      Top-Manager Späth: Übernahme des Super-Ministeriums noch nicht ausgemacht


      Allerdings - die hat es, von einigen kleinen Versuchen im chaotischen Anfangsjahr der rotgrünen Koalition abgesehen, ohnehin nicht gegeben. Im Gegenteil: Der Beschluss der Regierung, großen Konzernen die Steuern zu erlassen, wenn sie Unternehmensbeteiligungen verkaufen, gehörte zu den größten Geschenken, die eine Regierung jemals der privaten Wirtschaft gewährte. Kaum anzunehmen, dass Stoiber ausgerechnet diese Reform wieder kippen wird, obwohl sich sein jetziger Finanzminister Kurt Faltlhauser tapfer und mittelstandsfreundlich dergestalt äußerte.

      Enge Grenzen für das Austeilen von Wahlgeschenken

      Tatsächlich muss auch der neue Kanzler alles tun, um die Stimmung im Unternehmerlager weiter zu heben, damit wieder mehr investiert wird. Nur so können mehr Arbeitsplätze entstehen. Ihm kommt dabei zupass, dass sich schon seit dem Frühsommer der Geschäftsklima-Index verbessert; zu deutsch: dass die Konjunktur wieder auf Touren kommt. Das Wachstum dieses noch zarten Pflänzchens wird und kann er durch Gesetzesänderungen nicht gefährden.

      Ohnehin sind dem Austeilen von Wahlgeschenken oder neuen Subventionen für marode Bittsteller durch die strengen Haushaltsvorschriften der EU enge Grenzen gesetzt: Auch Stoiber muss sich ja den Standards unterwerfen, die sein Parteifreund Theo Waigel einst durchsetzte - Begrenzung der Kreditaufnahme auf maximal drei Prozent vom Brutto-Inlandsprodukt bei allmählichem Abbau der Neuverschuldung.


      Natürlich liebäugeln Stoiber und sein künftiger Steuerminister Friedrich Merz - nur davon versteht der jetzige Fraktionschef wirklich etwas - mit einem radikalen Umbau des Steuersystems, wie ihn etwa der Hamburger Wirtschaftssenator Gunnar Uldall oder die FDP seit langem empfehlen. Natürlich wäre jeder Steuerzahler glücklich, wenn er nur noch mit drei und obendrein wesentlich niedrigeren Steuerklassen zu rechnen hätte. Aber diese wichtigste aller Reformen kostet so viel, dass sie nur in Zeiten der Hochkonjunktur - also bei gefülltem Staatssäckel - möglich ist. Außerdem würden so viele liebgewordene Vergünstigungen entfallen, dass diese seit 30 Jahren angekündigte Jahrhundertreform keine Frage der Politik, sondern des Mutes zu sein scheint; den gibt es derzeit nicht in Berlin. Stoiber selbst nannte das Jahr 2004 als (frühest)möglichen Termin.

      Schon beim versprochenen Verzicht auf die geschmähte Ökosteuer werden sich Stoiber und Merz schwer tun. Da dann deren Einnahmen nicht mehr in die Kassen der Rentenversicherung fließen, droht automatisch eine gravierende Erhöhung der Rentenbeiträge. Das wäre schlecht für die Konjunktur, Gift für den Konsum und ein Widerspruch zum Wahlversprechen der Union, die die Sozialabgaben zu senken.

      Für Arbeitslose werden die Zeiten noch schwerer

      Sein plakatives Ziel "Aufwärts" kann Stoiber nur erreichen, wenn er sich offensiv und einfallsreich um jene Bereiche kümmert, bei denen sich trotz rotgrünen Bemühens in der Realität nicht viel getan hat, nämlich in der Gesundheits- und der Arbeitsmarktpolitik. Krankenkassen-Beiträge können nur sinken, wenn dem Versicherten statt eines unbezahlbaren Rundum-Schutzes nur noch eine Grundversorgung garantiert wird. Wer im Krankheitsfall mehr will, wird mehr zahlen müssen. Für den Bereich der Altersvorsorge hat Riesters Rentenreform diesen Trend bereits aufgezeigt; Seehofer wird ihm bei den Gesundheitskosten folgen.

      Weil Stoiber die Gewerkschaften ohnehin nicht zum Freund hat, mag er den Arbeitslosen größere Einschränkungen zumuten als sein Vorgänger: Arbeitslosen- und Sozialhilfe werden zusammengelegt, die Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose, einen Job zu akzeptieren , werden verschärft. Überhaupt wird die Garantie des Staates, auch für Arbeitsunwillige aufzukommen, verringert oder beseitigt. Zugleich muss Städten und Gemeinden, die unter der schlecht kalkulierbaren Last der Sozialhilfeausgaben leiden, mit einer Finanzreform geholfen werden; sie brauchen Planungssicherheit für ihre Aus- und Aufgaben.

      Manche Wahlversprechen werden Stoiber & Co. allerdings gar nicht einlösen können:

      Bauen sie die Ökosteuer ab, müssen sie an anderer Stelle die Abgaben erhöhen. Auch die Riester-Rente lässt sich nicht so schnell und so leicht wieder abschaffen, wie Stoiber uns noch auf dem CDU-Parteitag glauben machen wollte. Etliche Abschlüsse und Verträge sind schon rechtskräftig; der Bundestag kann schon aus Zeitgründen vor dem geplanten Inkrafttreten das Gegenteil nicht so einfach beschließen. Dabei ist Riesters Rentenreform nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Union zu einem bürokratischen Monstrum geworden, das niemand mehr versteht; nötig wäre eine Vereinfachung, nicht die Abschaffung.

      Auch die versprochene schnellere Modernisierung der Bundeswehr wird keine große Sache. Steckt die neue Koalition mehr in den Verteidigungsetat, muss sie anderswo sparen oder Investitionen kürzen, das wird nur schwer durchsetzbar.


      Drückt sie die Abgabenlast für Renten- oder Krankenkassen, muss das fehlende Geld entweder vom Staat kommen, der es nicht hat - oder die Leistungen werden sinken. Vor solchen "Grausamkeiten" haben die CDU-Länderchefs aus Hannover und Wiesbaden, Christian Wulff und Roland Koch, aber schon lauthals gewarnt: Sie fürchten um ihre Landtagswahlen im kommenden Jahr.

      Steigen werden dagegen staatliche Prämien für Geburt und Erziehung von Kindern; bei allen Parteien gilt inzwischen als unstrittig, dass Nachwuchs als Garant der sozialen Systeme gebraucht wird und gefördert werden muss.

      Der Atomausstieg bleibt beschlossene Sache

      Und schließlich, dies als Prognose, wird manches heiß diskutierte Wahlkampfthema nach dem 22. September gar nicht erst angepackt.

      Dazu gehört das rot-grüne Gesetz zum Ausstieg aus der Atomwirtschaft, das er heftig befehdete, aber das der Energiewirtschaft Planungssicherheit gibt. Dazu gehört die Getränkedosenverordnung, die Stoiber bekämpft, aber die auf einem christliberalen Gesetz aus Kohl-Zeiten basiert.

      Dazu gehört auch das Thema Zuwanderung, das im Wahlkampf zu erörtern Angela Merkel noch auf dem CDU-Parteitag Anfang der Woche versprach: Nur zum Stimmenfang mag sich dies Thema eignen, nicht aber zu einer jahrelangen Emotionalisierung der Wähler.


      Kanzler Stoiber wird die Erfahrung machen, die sein Vorgänger schon hinter sich hat (und Stoibers dezenter Wahlkampf bestätigt den Trend): Jeder Kanzlerkandidat braucht die Mitte zum Wahlsieg, aber auch zum Regierungserfolg. Die Mehrheit der Klein-, Spieß- oder Großbürger - also uns alle - darf ein deutscher Regierungschef nicht verprellen. Er muss lavieren, dem Glauben an Patentrezepte abschwören und Kompromisse mit sich selber schließen. Er muss Zuversicht verbreiten und Stimmungen fördern, muss Sicherheit versprechen und darf sich nicht bei Unwahrheiten oder Widersprüchen erwischen lassen. Er muss sich freuen an seinem eher schlecht bezahlten Job (22 116 € im Monat), sich dem aber pausenlos und fern von Wolfratshausen 24 Stunden täglich an 365 Tagen hingeben.

      Den Einfluss, den er hat, muss er teilen mit dem Koalitionspartner, der Regierungsfraktion, dem Parteivorstand, dem Proporz, den Länderfürsten, den Verbänden, der Öffentlichkeit, den Umständen, der Europäischen Union, der Nato, den Verbündeten, seiner Familie.

      Dafür hat er eines uneingeschränkt - die Illusion von Macht

      spiegel.de
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 12:15:28
      Beitrag Nr. 96 ()
      das hartz-papier

      13 Module


      1. Schnellere Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes.(wo gibt´s die??? )
      2. Verschärfte Regeln für die Zumutbarkeit eines neuen Jobs.(volkwirtschafztlicher Wahnsinn: Akademiker als Hilsarbeiter?? )
      3. Fusion von Arbeits- und Sozialämtern zu Job-Centern.(Noch unbeweglichere und sinnlose Verwaltung)
      4. Besondere Maßnahmen für jugendliche Arbeitslose.(Wie solen die aussehen, wenn´s keine Ausbildungsplätze gibt???)
      5. Verleih von Arbeitslosen zur Zeitarbeit an Firmen.( DAmit die keine Festeinstellungen mehr machen brauchen, wird in der Baubranche schnell Schule machen)
      6. Besserer Service für die "Kunden" Arbeitgeber.( DAbei ist doch eigentlich der Arbeitslose Kunde?? )
      7. Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und -hilfe.( Schöne Formulierung für weniger Geld)
      8. Ausbau der Landesarbeitsämter zu "Kompetenzzentren" für neue Arbeitsplätze.( Die waren noch nie kompetent)
      9. Arbeitlose können sich als "Ich-AG" selbstständig machen.( Das ist das größte... :laugh: Als Selbstständiger hat man nur noch recht auf Sozialhilfe und nicht mehr auf Arbeitslosengeld und Fortzahlung der Sozialbeiträge und kann zu jeder Arbeit herangezogen werden - so möchte jeder Arbeitgeber künftig alle Arbeitnehmer haben)
      10. Alle Betriebe müssen Arbeitsplatzbilanzen offen legen.( DAs wird eine neue Form von Bilanzfälschungen)
      11. Ältere Arbeitslose fallen aus der Statistik heraus.( ADamit man Pseudo-Erfolge feiern kann und man den älteren Arbeitnehmern deutlich macht, daß die 30JAhre voller Arbeit vor der Arbeitslosigkeit nichts mehr zählen)
      12. Mehr Transparenz bei den Arbeitsämtern.(DAs ist einer der besten Witze, die ich je gehört habe... :laugh: )
      13. Bewusstseinswandel in der Gesellschaft. ( "Arbeitslose sind selbst schuld!" )


      taz Nr. 6785 vom 27.6.2002, Seite 6, 29 Zeilen (TAZ-Bericht)
      Avatar
      schrieb am 02.07.02 09:30:20
      Beitrag Nr. 97 ()
      Mehrheiten gegen Leistungskürzung

      Klientelpolitik - bisher schien klar, was das heißen soll. Klientelpolitik ist, wenn der Gewerkschaftsboss an seine Arbeiter denkt, und Klientelpolitik ist auch, wenn der Spitzenkandidat der Union ein etwas größeres Herz für Unternehmer hat. So schlicht war es natürlich noch nie. Aber nun ist die Welt der Klientelpolitik ein wenig unordentlicher geworden.

      Kommentar
      von ULRIKE HERRMANN

      Denn wenn es stimmt, was Mitglieder der Hartz-Kommission berichten, dann hat sich Isolde Kunkel-Weber, die Vertreterin der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, durchgesetzt: Das Arbeitslosengeld für Ältere wird nicht gekürzt, die Arbeitslosenhilfe nicht auf das Niveau der Sozialhilfe reduziert. Inzwischen bekannten sich alle großen Gewerkschaften zu dieser Linie.

      Nur Klientelpolitik? Wäre es reiner Lobbyismus gewesen, dann wäre wieder mal zu besichtigen gewesen, wie schwach die einst starken Arme der Gewerkschaften sind. Dann wäre es nie zu diesem Verhandlungserfolg gekommen. Denn wen vertreten die Bosse der Genossen noch? Viele Gewerkschaften zählen fast mehr Rentner als aktive Mitglieder. Aber das ist egal, wenn die Gewerkschaften den mächtigsten Bündnispartner haben, den es gibt: die Mehrheitsmeinung. Und die Mehrheit der deutschen Wähler will nicht, dass die Arbeitslosen für ihre Arbeitslosigkeit mit Leistungskürzungen bestraft werden.

      So jedenfalls scheinen es die Wahlkampfstrategen in der Union inzwischen einzuschätzen. Auch wenn CDU-Chefin Angela Merkel sich nicht zu eindeutigen Botschaften entschließen kann; auch wenn Kompetenz-Superminister Lothar Späth die Hartz-Vorschläge zunächst als "Revolution" feierte - die Signale von Kanzlerkandidat Edmund Stoiber sind überraschend: Er prangert die "soziale Ungerechtigkeit" des Papiers an.

      Die Gewerkschaften und Stoiber auf der einen, Späth und der Kanzler auf der anderen Seite - mit den klassischen Mustern von Klientelpolitik hat das nichts zu tun. So etwas passiert nur, wenn die Akteure noch nicht die Positionen in ihrem jeweiligen politischen Lager vereinheitlicht haben. Wir haben Wahlkampf - wessen Glaubwürdigkeit nützt das nun am meisten? Auch hier ein Verstoß gegen die bekannten Regeln. Kandidat Stoiber mag man Freundlichkeiten gegen Arbeitslose nicht wirklich glauben - Kanzler Schröder mögliche Unfreundlichkeiten aber sehr wohl. Über einen Positionswechsel Schröders würde sich die Klientel freuen. Stoiber aber ist dieser Weg verschlossen.

      taz Nr. 6789 vom 2.7.2002, Seite 1, 85 Zeilen (Kommentar), ULRIKE HERRMANN, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 02.07.02 09:44:05
      Beitrag Nr. 98 ()
      die union hatte - ganz im gegensatz zur fdp - schon immer zumindest einen rest an sozialem gewissen.

      dass dieses gerade der spd unter schröder vollends abgeht, zeigt wie heruntergekommen dieser verein mittlerweile ist.

      man mag ja von oskar lafontaine halten was man will (mein fall ist er auch nicht unbedingt) der war aber der letzte führungsmann bei den sozis, der noch einigermassen sozialdemokratisches profil hatte.
      Avatar
      schrieb am 05.07.02 09:18:05
      Beitrag Nr. 99 ()
      Die Blamage von Schröder und Stoiber

      Von Markus Deggerich

      Der Kandidat kniff und der Kanzler überzog. In der letzten Regierungserklärung vor der Wahl warf Schröder seinen Vorgängern "Bilanzfälschung" vor, verlief sich aber selbst im Zahlendschungel.

      "Rechenkünstler" Gerhard Schröder


      Berlin - Am Ende sind es oft die Details und kleinen Fehler, die entscheiden. Es gab mal einen SPD-Kanzlerkandidaten, der in einer Bundestagsrede netto und brutto nicht auseinander halten konnte. Das allein brachte ihm nicht die Niederlage, aber das Image des tapsigen Politikers ohne Wirtschaftskompetenz haftet Rudolf Scharping bis heute an und passte ins Klischee: Sozen können nicht mit Geld umgehen.
      Das wollte Gerhard Schröder unbedingt widerlegen. Er konzentrierte sich in seiner letzten Regierungserklärung vor der Bundestagswahl auf die wahlentscheidenden Themen Wirtschaft und Arbeit und auf die in seiner Wahrnehmung positive Bilanz von Rot-Grün: Die deutschen Unternehmen seien international wettbewerbsfähig wie nie zuvor. Die Bundesrepublik habe die jüngste Weltwirtschaftskrise "mit am besten überwunden". Seit 1998 - dem Jahr seines Amtsantritts - hätten deutsche Firmen trotz harter Konkurrenz immer neue Marktanteile erobert. Die Exporterfolge seien Spitze. "Deutschland ist als Investitionsstandort wieder sehr, sehr attraktiv geworden." Die Direktinvestitionen seien seit 1998 um das Zehnfache gestiegen. Deutschland stehe kurz vor einem Wirtschaftsaufschwung, sagte der Kanzler. Er sehe eindeutige Aufwärtstendenzen.

      Allerdings befürchte er, dass die Arbeitslosenzahlen im Juni "weniger optimistisch stimmen werden". Insgesamt aber habe sich die Situation am Arbeitsmarkt gebessert, nachdem die Union in ihrer Zeit mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen "Bilanzfälschung" betrieben habe. Seit 1998 seien 1,2 Millionen sozialversicherungspflichtige Jobs neu entstanden. Dies gehe auf die rot-grüne Politik zurück, listete Schröder weiter atemlos auf und verkündete schließlich stolz: Die Nettoeinkommen der Arbeiter und Angestellten seien um sieben Prozent gestiegen.


      Sieben Prozent? Das war die Steilvorlage für den Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU). Neben der üblichen Rhetorik über "vier verlorene Jahre für Deutschland" verbiss sich der Steuerexperte in diese Behauptung Schröders: Der Genosse der Bosse kann nicht richtig rechnen?

      Schröder hatte strahlen wollen und stützte sich auf Zahlen aus seinem Finanzministerium. Das hatte tatsächlich für den Zeitraum 1998 bis 2001 einen Anstieg der Nettoreallöhne um 7,1 Prozent errechnet. Unter Berücksichtigung der neu geschaffenen Arbeitsplätze kommt man aber auf 3,5 Prozent Wachstum beim Nettoeinkommen pro Arbeitnehmer, also rund 1,2 Prozent pro Jahr. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) beziffert das jährliche Einkommenswachstum seit 1998 mit 0,3 bis 0,9 Prozent.

      Geschönte Zahlenspiele

      Schröder machte es daher der Opposition leicht, weil er sich die schönste Zahl aussuchte, ohne sie richtig einzuordnen. Dabei hätte er auch schon mit den 3,5 Prozent glänzen können, wenn er die Zahl mit dem Ergebnis seines Vorgängers Helmut Kohl verglichen hätte. Denn sowohl sein Finanzministerium als auch das IW stellten der Opposition für ihre Regierungszeit bis 1998 ein sehr viel schlechteres Zeugnis aus: Beide errechneten ein deutliches Minus für die Geldbörse der Arbeitnehmer unter der letzten Regierung Kohl.

      Aber so konnte Merz munter auf die Regierung einprügeln. Nannte die Vorschläge der Hartz-Kommission in einem etwas schiefen Bild ein "Kaninchen aus dem Ärmel" und die Regierungserklärung eine Verhöhnung der Arbeitslosen. Schröders Erklärung, er wolle seinen Weg die kommenden vier Jahre "unbeirrt weitergehen", müssten Wirtschaft und Bevölkerung als "blanke Drohung" empfinden.


      REUTERS

      Diener seines Herrn: Merz sprach statt Stoiber


      Und noch einen taktischen Fehler nutzte Merz gnadenlos aus: Dass Schröder kein Wort über den Aufbau Ost sagte, der selbst erklärten "Chefsache". "In einer Regierungserklärung zur Wirtschaftspolitik kommen die neuen Länder mit keinem einzigen Wort vor. Das ist doch ein unglaublicher Vorgang", triumphierte Merz.

      Aber auch die Union gab sich in der Debatte Blößen. SPD und Grüne kritisierten, dass Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber nicht auf Schröder erwiderte, sondern Merz. Stoiber sprach zur gleichen Stunde in Berlin auf dem Kongress "Soziale Marktwirtschaft". "Stoiber kneift", sagte Außenminister Joschka Fischer, "weil er kein Finanzierungskonzept für seine illusorischen Wahlversprechen hat."

      Der K-Kandidat selbst wehrte sich gegen den Vorwurf, das sei Feigheit vor dem Feind. Doch seine Erklärung, warum er sich in der Debatte Schröder nicht gestellt habe, geben eine Ahnung von Stoibers Demokratieverständnis und Regierungsstil, die auch Unions-Abgeordnete aufhorchen lässt: "Die Leute überbewerten den Bundestag."

      (Spiegel.de)
      Avatar
      schrieb am 05.07.02 09:58:47
      Beitrag Nr. 100 ()
      Der Threadtitel sagts schon - egal, wer die Wahl
      gewinnt, man kommt immer vom Regen in die Traufe ... :(

      Dieses Pseudo-Demokratische System ist einfach überlebt,
      solange die Großfinanz das Land regiert, wird es keine
      einschneidenden Veränderungen geben.

      Gue
      Avatar
      schrieb am 06.07.02 16:02:34
      Beitrag Nr. 101 ()
      ungewöhnlich deutlich, zutreffend und für die FAZ positiv, dieser Artikel:


      Das Zauberwort

      wmu. Einen Vorteil hat das Institut der Ministererlaubnis: Es macht transparent, mit welch fadenscheinigen Begründungen die Regierung, allen voran des Kanzlers Hausmeier Alfred Tacke, den Wettbewerb auszuhebeln und die Verbraucher zu schädigen vermag. Das Zauberwort der Ministererlaubnis lautet "Gemeinwohl". Wenn eine Fusion diesem dient, dann darf der Minister sie laut Gesetz genehmigen - auch wenn sie nach dem Urteil aller zuständigen Instanzen den Wettbewerb behindert.

      Tacke, der Stellvertreter des Ministers, hat nun tatsächlich herausgefunden, inwiefern die Eon-Ruhrgas-Fusion dem Gemeinwohl förderlich ist: Sie sichere den Deutschen die Versorgung mit Energie. Dieses Argument, aufgebracht von Eon, ist, mit Verlaub, lächerlich. Die Monopolkommission hat das überzeugend dargelegt - übrigens mit Verweis auf einen Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Ministerialen schreiben, daß allein die Integration der nationalen Energiemärkte in der EU dieses vorgebliche Problem gegenstandslos macht. Nein, es geht bei dieser Entscheidung nicht um einen Konflikt zwischen Wettbewerb und Gemeinwohl. Dieser Konflikt existiert nicht.

      Es geht darum, daß die Politik "Gemeinwohl" in völliger Willkür umdeuten kann. Es ist dann gleichbedeutend mit dem Wohl jener Konzerne, denen unsere industriepolitischen Steuermänner "strategische" Bedeutung beimessen - oder denen sie schlicht aus dem einen oder anderen Grund gewogen sind.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.07.2002, Nr. 154 / Seite 11
      Avatar
      schrieb am 06.07.02 17:39:11
      Beitrag Nr. 102 ()
      Wie treffsicher Schröders wirtschaftlichen Einschätzungen sind zeigen seine spektakulären Besuche bei den Loser-Firmen und Geldvernichtern wie

      Holzmann
      Vulkan
      Plasmaselect ("Leuchtturm im Osten! " :laugh: )
      SER ("Beispielhaft in der IT-Szene" )

      u.v.a.mehr... :D
      Avatar
      schrieb am 08.07.02 01:38:18
      Beitrag Nr. 103 ()
      V.Z. Erinnert sich noch jemand des einzigartigen Erfolgs der Schill-Partei in Hamburg? Im September erreichte die neugegründete "Rechtsstaatliche Offensive" aus dem Stand ein Wahlergebnis von fast zwanzig Prozent. Doch daran konnte die Partei bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt schon nicht mehr anknüpfen. Sie bekam die erforderlichen fünf Prozent Stimmenanteil für den Landtagseinzug nicht zusammen. Schill selbst hatte und hat die vorhersehbaren Probleme; Schwierigkeiten, die jeder hätte, der plötzlich Chef einer riesigen Behörde ist, die jahrzehntelang sozialdemokratisch aufgestellt und eingerichtet wurde, die aber zehnfach schwer wiegen, wenn man selbst noch nicht einmal über eine eingeführte Partei mit dem entsprechenden Funktionärs- und Mitgliederkorps verfügt. Dem Hamburger Erfolg kann die Schill-Partei mangels Masse kaum gerecht werden.

      Schill ist Realist genug, um das einzusehen - aber für seine Leute gilt das nicht. Sie bereiten ihm eine Niederlage nach der anderen, teils aus Absicht, teils aus Unfähigkeit und Überforderung. Trotz des Magdeburger Menetekels will die Partei nun am 22. September unbedingt aufs Eis, wohin es den Esel bekanntlich treibt, wenn es ihm zu wohl wird. Es mag immerhin sein, daß die Rechtsstaatliche Offensive der Union entscheidende Stimmenanteile abjagt, ohne selbst den Sprung in den Bundestag zu schaffen. So mag Schills Partei gegen Schills Willen der rot-grünen Koalition noch eine Chance verschaffen.

      Die Geschichte entspricht den Mißerfolgen anderer populistischer (und radikaler) Parteien. Regelmäßig verspielten sie den ersten Erfolg. Deshalb sehen die Bundestagsparteien mit gleichgültigem Hochmut auf die Populisten herab. Sie mißdeuten die Hamburger Mahnung. Dort hatte nämlich schon einmal eine vermeintlich irreguläre Gruppierung - die Statt-Partei - die SPD in Schwierigkeiten gebracht, dann jedoch sich selbst vernichtet. Aber damit war das zugrundeliegende Phänomen nicht etwa erledigt, wie Schills Hamburger Erfolg zeigt; erledigt war die Regierung der SPD, und die CDU hat mit verloren. Das gibt zu denken. Nicht nur bei den europäischen Nachbarn, auch in Deutschland existiert ein populistisch ansprechbarer Stimmenpool. Es fehlt ihm nur das parteipolitische Äquivalent. Was nicht ist, kann aber werden.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.07.2002, Nr. 155 / Seite 1
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      schrieb am 08.07.02 02:46:55
      Beitrag Nr. 104 ()
      Doppelbödige Normalität
      Das Berliner Stadtschloss wird rekonstruiert. Mit "linkem Wilhelminismus" hat die Entscheidung nichts zu tun. Aber sie zeigt die Zweideutigkeit rot-grüner Geschichtspolitik
      Der Bundestag hat entschieden: Das Stadtschloss wird gebaut. In traditionell linker, bundesdeutscher Lesart mag dieser Entschluss wie eine Rolle rückwärts wirken - wie ein Rechtsschwenk, wie trübe Normalisierung. Ein feudales Bauwerk am zentralen Ort der Republik - da wird nicht nur eine Fassade, da wird, pars pro toto, die Illusion einer heilen nationalgeschichtlichen Kontinuität wieder aufgebaut.

      So lautet der Verdacht. Doch bei genauerem Hinschauen verschwindet das Eindeutige. Denn jede routinierte "Nie wieder"-Rhetorik verfehlt die doppelsinnige Pointe der Schlossrekonstruktion. Dieses Schloss, mit barocker Fassade und modernem Inneren, wird die Zweideutigkeiten der rot-grünen Geschichtspolitik widerspiegeln.

      Als Rot-Grün frisch im Amt war, erwärmte sich Gerhard Schröder für das Stadtschloss. Damals redeten manche prompt besorgt von einem heraufziehenden "linken Wilhelminismus". Das lag nahe, denn 1998 geschah ja mehr als ein Regierungswechsel: Zum ersten Mal waren Politiker an der Macht, die den Krieg nicht mehr erlebt hatte. Sie regierten nicht im Geschichtsvakuum Bonn, sondern in Berlin, umgeben von prekärer nationaler, historischer Symbolik. Der Kanzler, ein Aufsteiger, dem Geschichte wurscht ist, redete nassforsch vom "Selbstbewusstsein einer erwachsenen Nation". Sprach also nicht einiges dafür, dass Rot-Grün mit flottem Eklektizismus alle Traditionen beerben würde, wenn sie gerade ins Geschäft passten?

      Die Vokabel "Normalisierung" ging dieser Regierung leichter über die Lippen als jeder zuvor. Unter Helmut Kohl hätten viele argwöhnisch Schlussstrich-Mentalität vermutet - jede konservative Regierung stand erinnerungspolitisch unter Generalverdacht. Für Rot-Grün galt gerade das Gegenteil. Wie nebenbei riss diese Regierung die außenpolitischen Schranken ein, die für die Kohl-Generation noch gegolten hatten: Die Doktrin, dass die Bundeswehr nicht eingesetzt wird, wo die Wehrmacht gewütet hatte, verschwand von der Tagesordnung. Das Ende der Nachkriegszeit besiegelten 1999 deutsche Panzer in Prizren, ein Ereignis, das die in Vergangenheitsfragen so empfindsame hiesige Öffentlichkeit mit einem Achselzucken hinnahm.

      Joschka Fischer und Rudolf Scharping versuchten sogar den Kosovokrieg, mit dem Verweis auf Auschwitz moralisch zu retten. Das war ein grobes, diskursives Foul: eine hochmütige, unzulässige Moralisierung eines politischen Konflikts, ein Vergleich des Unvergleichbaren. Denn es gab auch gegen den Kosovokrieg vernünftige Gründe - das sollte der Verweis auf Auschwitz verdrängen.

      Dies war im Grunde ein erinnerungspolitischer GAU - eine dreiste Indienstnahme von Geschichte für eigene Zwecke. Doch die Kritik blieb rar, der Skandal fand nicht statt. Fischer & Co., die Unverdächtigen, die gegen die Kiesinger-und-Globke-Republik politisierten 68er, konnten sich erinnerungspolitisch fast alles erlauben. Kanzler Schröder durfte sich leutselig ein Holocaust-Mahnmal wünschen, zu dem man gerne geht, und (allerdings als Vernunft in Person) am 8. Mai mit Martin Walser auftreten. Die Empörung hielt sich stets in Grenzen.


      Die rot-grüne Koalition hat einen symbolischen Normalisierungsschub beschleunigt, von dem manche Konservative in den 90er-Jahren vergebens geträumt hatten. Doch das ist nur die knappe Hälfte der Wahrheit. Denn zur rot-grünen Bilanz gehört auch die Habenseite: die Zwangsarbeiterentschädigung, die Rehabilitierung der Wehrmachtdeserteure, das Holocaust-Mahnmal, der Inbegriff, dass der Holocaust unverrückbar zum Selbstbild der Republik gehören soll.

      Auch da ist manches zu kritisieren - die stumpfe bürokratische Weigerung, italienische Zwangsarbeiter zu entschädigen, oder Schröders engherzige Krämerkommentare zu den Entschädigungsverhandlung etwa ("fünf Milliarden Mark und nicht mehr" ) . Aber zumindest Letzteres verblasst.

      Was bleibt, sind die Fakten: Ohne Rot-Grün hätte kein früherer Zwangsarbeiter in Minsk und Warschau, in Lwow und Pilsen je Geld bekommen. Ohne Rot-Grün hätte keiner der wenigen noch lebenden Wehrmachtdeserteure eine offizielle Geste der Gerechtigkeit erlebt. Vereinfacht gesagt: Diskursiv und symbolisch hat Rot-Grün versagt - dafür praktisch halbwegs das Nötige getan.

      Das ist nicht gering zu schätzen. Gerade die Zwangsarbeiterentschädigung hat den Blick für die Egomanie des hiesigen Erinnerungsbetriebs geschärft: Steile Thesen, ob von Daniel J. Goldhagen oder Walser, sorgen verlässlich für Radau und Auflage - die komplizierten, undurchsichtigen Entschädigungsverhandlungen wurden indes als irgendwie strapaziös empfunden.

      Zur Habenbilanz zählt auch ein Lerneffekt. Sogar der, was Historisches betrifft, desinteressierte und begriffsstutzige Gerhard Schröder hat gelernt, dass deutsche Normalität eine vertrackte dialektische Veranstaltung ist. Wer glaubt, sie endlich zu besitzen und für sich reklamieren zu dürfen, erzeugt damit manchmal genau das Gegenteil - nicht nur in Washington und Jerusalem.

      Die Entscheidung, die barocke Schlossfassade zu rekonstruieren, spiegelt das vermischte, uneindeutige Bild der Geschichtspolitik der rot-grünen Ära. Vor ein paar Jahren erregte die Idee, das Schloss wieder aufzubauen, vor allem den Verdacht, dass hier ein ästhetischer und geschichtspolitischer Rollback unternommen werden sollte. Doch die Front der Gegner bröckelte von Jahr zu Jahr, und zwar in dem Maße, in dem die Rhetorik des "Nie wieder" ermüdete. Nun hat, was gestern als reaktionär und antimodern verdammt wurde, gesiegt - nicht zufällig unter Rot-Grün. Denn dieses Schloss passt zu gut zu Schröders doppelbödiger neuer Normalität.

      Als Beweis für "linken Wilhelminismus", als Beschwörung einer wiedergefundenen heilen nationalstaatlichen Kontinuität taugt diese Fassade gerade nicht. Wenn nicht alles täuscht, wird dieses Schloss ein eigentümliches, bizarres Stilpuzzle, ein historisches Patchwork mit barockem Außen und dem Volkskammersaal aus dem Palast der Republik innen.

      Dieser Bau - innen Beton, außen Imitat - wird die geschichtspolitischen Befürchtungen der Kritiker so wenig erfüllen wie die Nostalgiewünsche mancher Anhänger. Er wird aussehen wie der Frankfurter Römer: putzig und künstlich, so als wäre er eigens für US-amerikanische Touristen gebaut.

      "Disneyland" haben seine Kritiker den Bau genannt. Das war ein unscharfes Argument - denn das Stadtschloss wird weder echt noch wie einem Comic entlehnt wirken, sondern wie etwas dazwischen - eben wie ein Barockgebäude des 21. Jahrhunderts. Es wird keine historische Rekonstruktion werden, sondern ein Monument des Posthistorie. Dieses Schloss wird, mitten in Berlin, ein unübersehbares Zeichen sein für dumme Sehnsucht nach Unerfüllbarem: nach der "neuen Normalität" der deutschen Vergangenheit. Das ist die List der (Architektur-)Geschichte.


      STEFAN REINECKE

      taz Nr. 6794 vom 8.7.2002, Seite 13, 241 Zeilen (Kommentar), STEFAN REINECKE, taz-Debatte
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      schrieb am 08.07.02 02:50:25
      Beitrag Nr. 105 ()
      Die Deister- und Weserzeitung aus Hameln schreibt zur Haltung der Gewerkschaften zur Hartz-Kommission:

      "Der Wert des pompös präsentierten Hartz-Opus liegt nicht in originellen allgemeinen Zielvorstellungen, sondern gerade in jenen konkreten Vorschlägen, die in dem Gespräch zwischen dem Kanzler und den Gewerkschaften ausgespart wurden. Schröder lobt, dass man sich "nicht in Details verbissen" habe. Aber der DGB-Chef lässt bereits Warnungen durchklingen: Der Kanzler wisse ja, wo die "Schmerzgrenze" der Gewerkschaften liege. Und: "Sozialabbau" komme nicht in Frage. Ein Ja zu Hartz ist das nicht. Es ist nur schöner Schein, der bis zum Wahltag anhalten soll. Die Wähler sollen glauben, Schröder verfolge ein kraftvolles, zugleich mit alten Sozialvorstellungen verträgliches Konzept zur massiven Verringerung der Arbeitslosigkeit. Das besonders Schlimme daran ist jedoch die Tatsache, dass dies alles die wirklichen Notwendigkeiten verdeckt: Stärkung des Mittelstandes, kräftigere Steuersenkungen, weniger Bürokratie."
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      schrieb am 08.07.02 02:59:01
      Beitrag Nr. 106 ()
      Kommentar

      Genies des Ungefähren

      Edmund Stoiber contra Gerhard Schröder: Das erste Duell endet ohne Treffer.

      Von Heribert Prantl



      (SZ vom 8, Juli 2002) Es gab keinen Sieger. Beim ersten Rededuell zwischen Kanzler Schröder und dessen Herausforderer Stoiber war in erster Linie bemerkenswert, dass es stattfand, als erstes einer kleiner Reihe und diesmal noch abseits der Öffentlichkeit. Diese konnte den Verlauf der Sache noch nicht am Fernsehgerät mitbeobachten, sondern nur in der Sonntagszeitung nachlesen – ohne dabei von neuen Argumenten überrascht zu werden: Man findet in dem Streitgespräch nichts, was man von den Disputanten nicht schon x-mal anderweit gelesen und anderswo gehört hätte.

      Es ist nämlich so: Beide sind Genies des Ungefähren. Nur die Technik der Darstellung ist verschieden. Der eine kommt, wenn er seine Politik an die große Wand malen soll, mit der großen Bürste. Der andere macht es mit dem schmalen Heizkörperpinsel. Aber beide versuchen, den anderen dabei vollzuspritzen. Ein Vergnügen wird erst daraus, wenn man zuschauen kann.

      Bewusst aneinander vorbeigeschossen

      Es war im Übrigen auch in den alten Zeiten, als Duelle noch mit der Pistole ausgetragen wurden, nicht die Regel, dass einer der Zweikämpfer getroffen zu Boden sank. Erstens hatten die Duell-Pistolen keine hohen Trefferquoten. Zweitens stellten sich die „Ehrenmänner“, so schildert es Ute Frevert in ihrem Standardwerk, zwar mannhaft der Herausforderung, umgingen aber das Risiko bisweilen dadurch, dass sie bewusst aneinander vorbeischossen. Im Falle Schröder/Stoiber war das anders. Sie schossen nicht absichtlich in die Luft – sie konnten es nicht besser. Der Reiz der Rededuelle liegt denn auch weniger darin, was gesagt, sondern wie es gesagt wird.

      Im Übrigen wird das Dauer-Duell bis zu dessen TV-Höhepunkt die Zuspitzung des Wahlkampfes auf die beiden großen Parteien verstärken; sowohl die FDP als auch die Grünen werden unter der Polarisierung leiden. Das Bemühen Guido Westerwelles, den Zweikampf per Gerichtsentscheidung in einen Dreikampf zu verwandeln, wirkt schon jetzt nur noch krampfig.

      FDP geriert sich selbst als Duellant

      Seitdem sich Jürgen Möllemann, der Hypnotiseur der FDP, selbst entzauberte, hat auch sein Produkt, die 18-Prozent-Kampagne, ihre Überzeugungskraft verloren. Das Selbstbewusstsein, mit dem sich der FDP-Vorsitzende noch immer ins Duell drängt, wirkt aufgesetzt. Die FDP macht den Eindruck eines Sekundanten, der, weil er nicht weiß, welcher Partei er sekundieren will, sich selbst als Duellant geriert.

      Bis zum TV-Duell sind noch ein paar Wochen Zeit. Schröder wird sich überlegen müssen, wie er reagiert, wenn Stoiber dabei in die Robe des Anwalts der kleinen Leute zu schlüpfen versucht. Es ist dies nämlich das Kleidungsstück, das zur Grundausstattung eines SPD-Vorsitzenden gehört. Der Unionskanzlerkandidat redet aber mittlerweile öfter von sozialer Sicherung, von Gerechtigkeit und Solidarität als der sozialdemokratische Kanzler. Das muss Schröder stutzig machen; es kann ihm passieren, dass ihm bald ein Stoiber gegenübersitzt, der so redet, wie sich Genossen ihren Schröder wünschen. Wenn es so kommt, dann hilft dem Kanzler auch der Schlachtruf „Hartz, Hartz hurra!“ nichts mehr.

      süddeustche zeitung
      Avatar
      schrieb am 08.07.02 04:49:42
      Beitrag Nr. 107 ()
      #103

      Interessanter Artikel, der in Anlehnung an die Geschichte als Mahnung tatsächlich kein gutes Licht auf die Sozialdemokratie Deutschlands wirft. Auch damals wollte man Tatsachen verharmlosen, nicht zur Kenntnis nehmen und schwelgte in dem Glauben: Wir werden sie (die NSDAP) für unsere Zwecke einspannen, sie instrumentalisieren (Volkes Welle ausnutzen), aber darüber hinaus jederzeit die Kontrolle über dieses "Spielzeug" behalten, und die Nationalsozialisten selbst, sie werden es nicht mal bemerken, wie sie benutzt werden.

      Die Rechnung ging nicht auf, die Welle hielt an und drehte den Spieß um und urplötzlich waren die Sozialdemokraten der Büttel (der Regieführende wurde zum Statisten). Falsch gepokert um politische Machtverhältnisse, die Quittung stellten dann ca. 20 Millionen Todesopfer aus. Snobistische, süffisante Gelassenheit, in "völliger Verkennung des populistisch ansprechbaren Stimmenpools" war das damals, etwas, was sich dann furchtbar rächen sollte.

      Soetwas kann zum Selbstläufer werden, auch heute noch, denn dieser ansprechbare Stimmenpool ist nun wieder da, es müssen nur die richtigen Indikatoren zusammentreffen. Das Fatale ist, daß gerade demokratische Strukturen soetwas erzeugen können. Klingt irrwitzig, aber so ist es tatsächlich, wir können alle selbst beobachten, welche Hürden eine Demokratie aus sich selbst heraus überwinden muß, um ein Parteienverbot der NPD durchzusetzen.

      Und mit Hamburg und Schill wurde per demokratischer Rechtmäßigkeit nun wieder so ein kleines Modell wiederbelebt. Ganz legitim und in staatlicher Eintracht! Sicher nicht mit den Folgen von damals, aber der Teufel steckt im Detail. "Benutzer" war diesmal die CDU, die Schill für ihre Zwecke einspannen wollte, hinweggefegt wurde die SPD, mit der Folge, daß auch der "Benutzer beschädigt zurückblieb. Lachender Dritter war dann der 20%-Schill (damals war´s Hitler). Der (Hitler) gab sich übrigens nach seinem Putschversuch und der Entlassung aus der Festungshaft in Landsberg auch ganz lammfromm, und befolgte bis zur Machtergreifung penibel die geltende Gesetzeslage (das Volk sollte mitziehen, Stimmen waren gefragt).

      Und nun, als ob wir hier wieder ein Gleichnis der Geschichte neu erkennen, möchte auch die Schillpartei (Schill selbst wohl noch nicht in richtiger Überzeugung, aber das macht ihn nur um so gefährlicher) das politische Fahrwasser der Bundesebene betreten.

      Mit dem richtigen Stimmenanteil würde man dort dann ja auch an den wichtigen Hebeln sitzen. Man mag sich gar nicht vorstellen, was dann in Deutschland wieder für Aussichten möglich werden könnten. Aber das Ganze ist bereits ein europäisches Problem, denn der Trend ist europaweit zu verzeichnen. Man sieht es in Frankreich, Italien, Belgien und eben auch mit Schill in Deutschland, aber auch vielen anderen kleinen Gruppen hierzulande, die sich fortwährend aus dem Stimmenpool bedienen. Selbst unser Kanzlerkandidat sprach in Bierzelten von "der Gefahr einer durchrassten Gesellschaft".

      Wie gesagt, Demokratie kann dies ermöglichen, unter ungünstigen Konstellationen (auf die wir alle Einfluß haben) ist dies (wieder) möglich. Der Stimmenpool ist da und er wächst beständig, dazu braucht man sich nur eine Statistik von Straftaten mit eindeutig rechtsextremistischen Hintergrund der letzten 10 Jahre anzuschauen. Die so erlangte Erkenntnis kann man schon als Explosion, was die Zahlen anlangt, bezeichnen.

      Und was nicht ist, hat noch keinesfalls den Beweis geführt, daß es auch nie wieder werden kann. Zubringer sind die großen Volksparteien (wie damals), ihr Verhalten der Wählerschaft gegenüber, was dann weitere Zubringer, wie Politikverdrossenheit und eben das Gefühl bei Menschen erzeugt, daß sie ihre Interessen eben nicht mehr ausreichend genug vertreten sehen. Die andere Seite sitzt in den Startlöchern, scharrt mit den Hufen und wartet nur darauf, daß der Pool mächtig wird.

      TT
      Avatar
      schrieb am 08.07.02 10:40:40
      Beitrag Nr. 108 ()
      In Deutschland ist eine politische Relevanz der Neonazis (gottseidank) m.E. völlig unmöglich.

      WAs jedoch möglich ist, ist die ungeheure Wucht der (bereits mehrfach bei Wahlen bewiesenen) enormen WUT und ENTÄUSCHUNG der Wähler über die Politik ALLER Parteien, die in einem anderen Thread jemand sehr zutreffend sinngemäß mit

      desinteressiert, eigennützig, überheblich

      bezeichnete.

      In einem Punkt muss ich Möllemanns Analyse als völlig korrekt ansehen:

      Die Wähler spüren geradezu körperlich, daß alles schiefläuft.
      Und sie spüren, daß die etablierten Parteien nur noch alte Verpackungen ohne jeglichen zeitgemäßen Inhalt, auf jeden Fall ohne Zukunftsfähige Lösungen sind.

      Ist doch normal, daß man mangels Alternativen dann demonstrativ z.B. die "Schrill"- PArtei ;) wählt. Die Leute sind einfach verzweifelt.
      Avatar
      schrieb am 08.07.02 10:44:48
      Beitrag Nr. 109 ()
      Von wegen des KAnzlergeschwätzes, es sei der Aufschwung unmittelbar bevorstehend:

      Handwerk baut Stellen ab -
      4,8 Prozent weniger Mitarbeiter


      Wiesbaden (dpa) - Die Handwerksbetriebe in Deutschland haben innerhalb eines Jahres 4,8 Prozent ihrer Stellen abgebaut.
      Bau- und Ausbaugewerbe am stärksten betroffen
      Am stärksten von dem Rückgang betroffen war nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes vom Montag in Wiesbaden das Bau- und Ausbaugewerbe (Straußenbauer, Maler und Lackierer, Fließenleger u.a.). Hier sank die Beschäftigung zwischen März 2001 und März 2002 um 8,8 Prozent. An zweiter Stelle lag das Holzgewerbe (Schreiner) mit 6,6 Prozent Rückgang. Am geringsten fiel der Beschäftigungsrückgang mit 2,6 Prozent im Gewerbe für Gesundheits- und Körperpflege (Frisöre, Kosmetik) sowie Reinigung aus.

      Umsätze gesunken
      Parallel zum Stellenabbau sanken auch die Umsätze. Insgesamt betrug der Umsatzrückgang im ersten Quartal im Jahresvergleich 4,9 Prozent. Auch hier lag das Bau- und Ausbaugewerbe an erster Stelle mit 8,6 Prozent, gefolgt vom holzverarbeitenden Gewerbe mit 8,1 Prozent. Beim Nahrunsmittelgewerbe, etwa bei Bäckern und Metzgern, betrug der Umsatzrückgang 2,6 Prozent und war damit am wenigsten betroffen. Absolute Zahlen über die Umsätze und die Beschäftigung konnten die Statistiker nicht nennen, da die Veränderungen nur auf Grund von Stichproben errechnet wurden.
      Avatar
      schrieb am 08.07.02 12:00:01
      Beitrag Nr. 110 ()
      #108 Völlig unmöglich, Deep Thought?

      Dein Wort in Gottes Ohr! Wie gesagt, belächelt hatte man schon mal alles. Und mit Frankreich und Le Penn konnten wir dann alle ein Paradebeispiel bewundern, was, gottlob nur "beinahe" passiert wäre, wenn man Akteure belächelt.

      TT
      Avatar
      schrieb am 08.07.02 12:13:56
      Beitrag Nr. 111 ()
      Wieso grade die Schill-Partei ?
      Die habens ja nun geschafft, innerhalb allerkürzester
      Zeit nachzuweisen, daß deren Wähler sich noch übler
      haben verarschen lassen ... :D
      Avatar
      schrieb am 08.07.02 13:06:09
      Beitrag Nr. 112 ()
      @ GI

      Ich schrieb ja auch nicht, daß dieser HAufen um einen verwirrten Richter Zukunft hat, aber er hat innerhalb kürzester Zeit erste einmal ZWANZIG ( ! ) Prozent der Stimmen geholt.... wenn DAS nicht sehr beeindruckend zeigt, wie es den Wählern stinkt, dann weiß ich nicht....

      Möllemann hat Recht: Wer es schafft, dise Wähler zu mobilisieren UND durch sachorientierte Bemühunmgen um Lsöungen zu überzeugen (was angesichts der derzeitigen "politischen Alternativen" ja nicht besonders viel politisches Niveau erfordern würde) der hat auf Dauer zweistellige Ergebnisse, die so schnelle nicht mehr verschwinden.

      Zum Beispiel eien PArtei, die einzig und allein die berchtigten Klagen und Vorschläge der Bundes-und LAndesrechnungshöfe umsetzt und ein gesetz zur persönlichen HAftung bei der fahrlässigen Vergeudung der Steuergelder auch nur in den Bundestag einbringt, der kann sich sicher sein, auf Wogen der Sympathie getragen zu werden.

      Auch die Grünen haben einmal (tja, jetzt mag man es kaum mehr glauben :( ) mit wenigen, aber nachvollziehbaren Umwelt-Visionen Einzug in den Bundestag gehalten.

      Und jetzt fliegen sie zwecks Erneuerung und Wiederfinden des Bodenkontaktes besser wieder raus. :(
      Avatar
      schrieb am 08.07.02 16:45:44
      Beitrag Nr. 113 ()
      oh gott..... :rolleyes:

      ich hätte #112 doch erste einmal korrektur lesen sollen... :rolleyes:
      Neuer rekord an Tippfehlern.... :confused:
      Avatar
      schrieb am 10.07.02 01:46:01
      Beitrag Nr. 114 ()
      DIE ZEIT; Politik 28/2002 ;Politiker, in Beton gegossen

      Deutschlands politische Elite ist abgeschottet wie eine Kaste. Es fehlt der Austausch mit Wirtschaft und Verwaltung, Quereinsteiger haben kaum Chancen. Das System muss sich öffnen: Durch Vorwahlen nach US-Muster, offene Kandidatenlisten, Begrenzung der Amtszeit von Bundeskanzler und Ministerpräsidenten

      von Dietmar Herz

      Wenn Gerhard Schröder auf den langen Weg zurückblickt, der ihn ins Kanzleramt geführt hat, wird ihm manches wunderbar und vieles nur folgerichtig erscheinen.

      Wunderbar, fast märchenhaft der Aufstieg aus einfachsten Verhältnissen: vom Bauhilfsarbeiter und Kaufmann im Eisenwarenhandel zum obersten Repräsentanten der politischen Elite der Nation.

      Ein erstaunlicher Aufstieg war das gewiss - aber ist Schröders Weg auch für andere gangbar? Hat hierzulande jeder, der sich anstrengt und um Bildung bemüht, eine faire Chance, eines Tages zur politischen Elite zu zählen - ungeachtet seiner sozialen Herkunft? Wohl kaum.

      Der soziale Aufsteiger Schröder kam vor allem durch konsequente Karriereplanung ins Bundeskanzleramt: Sein Weg folgte der für Deutschland typischen geraden Linie des Berufspolitikers. Kanzler wurde Schröder erst nach einer 35-jährigen Partei- und Politikkarriere. 1963, im Alter von 19 Jahren, war er SPD-Mitglied geworden, 1978 stieg er zum Juso-Bundesvorsitzenden auf, 1980 wurde er Bundestagsabgeordneter, 1990 niedersächsischer Ministerpräsident. Als sozialer Aufsteiger ist Schröder eine Ausnahme, als Parteipolitiker ist er typisch.

      Damit sind die beiden entscheidenden Probleme der politischen Elite Deutschlands benannt: die vertikale und die horizontale Abgeschlossenheit dieser sozialen Gruppe. Zugang zur politischen Elite zu gewinnen ist schwierig, sowohl von unten, aus den nicht-elitären Schichten der Gesellschaft, als auch von der Seite, aus anderen elitären Gruppen, zum Beispiel der Elite der Wirtschaft oder der Wissenschaft. Beides wirkt sich auf Qualität und Leistungsfähigkeit der politischen Elite Deutschlands negativ aus.

      Eliten sind jene Gruppen, die eine Spitzenstellung in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen einnehmen und an den für die Gesellschaft zentralen Entscheidungen maßgeblich und regelmäßig mitwirken. Dabei gibt es voneinander unterscheidbare Eliten in den verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen: in Wirtschaft, Kultur und Bildung - und selbstverständlich auch in der Politik.

      Per Ochsentour in den Bundestag

      Die politische Elite ist eine mehr oder weniger fest umrissene Gruppe, oft ein Club nur für Mitglieder. Diese relative Abgeschlossenheit kennzeichnet sie als Elite. Zwei grundlegende Forderungen müssen jedoch an eine in diesem Sinne verstandene Elite gestellt werden. Erstens muss sie intellektuell fähig sein, in komplexen Situationen und bei konkurrierenden Interessen für das Gemeinwohl abgewogene Entscheidungen zu treffen. Zweitens muss für alle Bevölkerungsgruppen ein fairer und gleicher Zugang zur politischen Elite gewährleistet sein. Beide Forderungen zusammengenommen, heißt das: Die politische Elite darf sich nicht völlig abschotten, sondern muss offen sein.

      Setzt man diesen Maßstab an, ist es um die Eliten in der Bundesrepublik Deutschland nicht gut bestellt. Das zeigte sich zum Beispiel bei der Berufung des neuen Direktors des Internationalen Währungsfonds im Frühjahr 2000. Der erste deutsche Kandidat, Caio Koch-Weser, wurde von der amerikanischen Regierung abgelehnt, der zweite, Horst Köhler, erst nach längerem Hin und Her akzeptiert.

      Das Argument gegen die Kandidaten, unter Diplomaten nur hinter vorgehaltener Hand geäußert, sprach der Ökonom Paul Krugman in der New York Times öffentlich aus: Die Deutschen seien zwar keine Nation von "dummkopfs", aber ihnen fehle der richtige Hintergrund. Sie hätten weder eine Elite des öffentlichen Dienstes wie die Franzosen oder Briten noch die gegenseitige Befruchtung von Wirtschaft, Wissenschaft und Regierung, die einen Robert Rubin (früher USFinanzminister, jetzt Chef der Citigroup) oder einen Larry Summers (früher gleichfalls US-Finanzminister, jetzt Präsident der Harvard-Universität) hervorbringe. Krugmans vernichtendes Urteil: "Keinem, mit dem ich geredet habe, fiel ein geeigneter deutscher Kandidat ein. Koch-Weser war der beste, den Deutschland finden konnte - und er war einfach nicht gut genug."

      In der Tat, Deutschland hat ein Problem mit seinen Eliten. Ein Austausch zwischen den einzelnen Elitesparten, den Krugman als Bedingung für Qualität der politischen Elite voraussetzt, findet nicht statt. Das Problem ist durchaus erkannt, aber die Politik ist nicht bereit, die notwendigen Schritte zu einer Verbesserung der Situation einzuleiten.

      Deutlich wird das Problem vor allem in den Parlamenten. Ihre Mitglieder gehören sicherlich zur politischen Elite - ihrer Funktion wie ihrem Status, aber auch ihrem formalen Bildungsniveau nach. Dabei zeigt sich in der Geschichte der Bundesrepublik ein Trend zur Akademisierung des Parlaments: Im 14. Deutschen Bundestag haben 80,1 Prozent aller Abgeordneten einen Hochschulabschluss, im 2. Bundestag hatte der Akademikeranteil noch bei 44 Prozent gelegen.

      Mit der Akademisierung geht einher, was man, positiv ausgedrückt, Professionalisierung nennen könnte: Fast alle Abgeordneten haben inzwischen eine Karriere als Berufspolitiker vorzuweisen. Fast alle haben vor dem Einzug in den Bundestag lokale oder regionale Ämter bekleidet. Davor stand wiederum in aller Regel ein längeres parteipolitisches Engagement. Der Weg in den Bundestag ist die berühmte Ochsentour, die mit dem Plakatekleben für lokale Parteiorganisationen beginnt und auf der sich der Ehrgeizige Schritt für Schritt nach oben arbeiten muss, um mit rund 40 Jahren vielleicht ein Mandat im nationalen Parlament zu erringen. Wer von diesem Karriereweg abweicht, seine Existenz als Berufspolitiker unterbricht, an einer regulären beruflichen Karriere arbeitet und also Erfahrungen außerhalb seiner politischen Sozialisation erwirbt, für den ist ein Aufstieg in Wahlämter zumeist verschlossen.

      All das spiegelt sich in Zahlen: Allein 20,7 Prozent der Volksvertreter waren vor ihrer Wahl bei politischen Parteien oder Interessenverbänden, also Gewerkschaften und ähnlichen politiknahen Organisationen, fest beschäftigt. Eine scheinbare Durchlässigkeit gibt es allenfalls für Angehörige des öffentlichen Dienstes: 39,8 Prozent der Abgeordneten der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode sind Beamte, ehemalige Landtagsabgeordnete oder Regierungsmitglieder, weitere sechs Prozent Angestellte des öffentlichen Dienstes. Die Zahlen belegen: Eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist noch am ehesten mit einer politischen Karriere zu vereinbaren. Nur ein gutes Viertel der Abgeordneten kam aus der Wirtschaft: Beschäftigte der Privatwirtschaft, Freiberufler und Selbstständige sind im derzeitigen Parlament deutlich unterrepräsentiert.

      Die politische Elite ist mithin ein geschlossenes System, das sich hermetisch abschottet. Ausnahmen bestätigen die Regel: Der parteilose Exmanager Werner Müller ist im politischen Betrieb noch immer ein Exot. Der zunächst als Wirtschaftsminister vorgesehene Jost Stollmann erregte nur Aufsehen, weil er als Unternehmer so untypisch in der politischen Landschaft war; an seinen politischen Erfolg glaubte niemand.

      Die Bereitschaft der politischen Klasse, Seiteneinsteiger für politische Spitzenämter zuzulassen, die die Ochsentour nicht mitgemacht haben, ist gering. Und welcher engagierte Berufsanfänger hat schon die Zeit, sich nebenher so für eine Partei abzurackern, dass daraus eine politische Karriere werden kann? Es sind gerade die weltoffenen, ehrgeizigen und engagierten jungen Leute, für die eine konventionelle (partei-)politische Karriere keine Option darstellt.

      Die Zementierung der politischen Karrierewege lässt kaum eine Möglichkeit zu, zu einem späteren Zeitpunkt einzusteigen oder auf Zeit wieder auszusteigen. So behindern in Deutschland die Mechanismen der politischen Elitebildung in schädlicher Weise den Austausch mit anderen Eliten. Eine oft negative Selbstauswahl des politischen Personals ist die Folge. Weil der Typus des Berufspolitikers vorherrscht, fehlen in der Politik Menschen mit administrativer Erfahrung, unternehmerischem Hintergrund oder wissenschaftlichen Qualifikationen. Deshalb mangelt es in den Kernbereichen der Politik an fachlichem und unternehmerischem Know-how.

      Die Selbstauswahl des politischen Personals verstärkt den Trend zu einer langsamen Selbstentmachtung des Parlaments. Fachleute der Exekutive, Vertreter von Parteien und Interessengruppen bestimmen zunehmend schon im Vorfeld parlamentarischer Abstimmungen wichtige politische Beschlüsse. Den Anforderungen der "Verhandlungsdemokratie" zeigen sich die Parlamente immer weniger gewachsen.

      Bereits einige wenige gezielte Reformen könnten zu einer Öffnung der Parteien gegenüber Seiteneinsteigern aus nichtpolitischen Eliten führen und durch höhere Durchlässigkeit die Qualität des politischen Personals verbessern.

      Hierzu gälte es zunächst, die Landeslisten der Parteien für Nichtparteimitglieder zu öffnen, so geschehen vonseiten der PDS, als sie prominenten Außenseitern wie der Fernsehjournalistin Luc Jochimsen und dem Dissidentensohn Florian Havemann sichere Listenplätze für die Bundestagswahl im Herbst offerierte. Was in diesem Fall durchsichtige Imagewerbung ist, könnte aber, generell praktiziert, durchaus alternative Karrierewege zu den beschriebenen politischen Sozialisations- und Karrieremustern schaffen - sofern die Parteien dazu bereit sind.

      Ein wichtiger Schritt in die gleiche Richtung ist auch der Vorschlag von SPD-Generalsekretär Franz Müntefering, entsprechend den amerikanischen primaries Vorwahlen für Kandidaturen abzuhalten. An diesen Vorwahlen sollten sich auch nicht parteigebundene Kandidaten beteiligen können. Die Parteien müssten, um gegenseitig konkurrenzfähig zu bleiben, gezielt versuchen, besonders qualifizierte - ihnen gegebenenfalls nahe stehende - Personen zu einer Kandidatur zu bewegen. Wenn altgediente Parteisoldaten heute Neueinsteigern mit Ablehnung und Skepsis begegnen, sollten sie eine Zusammenarbeit morgen als Bereicherung erfahren.

      Eine zweite wichtige Reform wären Zeitbegrenzungen für politische Ämter. Sie könnten ein gravierendes Hemmnis für Berufspolitiker darstellen, von der Politik und nur von der Politik zu leben. Politiker müssten sich Alternativen zum endlosen Verbleib im politischen System schaffen - und dazu müssten sie den Austausch mit anderen Eliten pflegen.

      Manche bleiben zu kurz im Amt, andere zu lange

      Amtszeitbegrenzungen sind also notwendig, müssen aber mit Augenmaß durchgeführt werden. Die Ämterrotation bei den Grünen hat die Entstehung einer funktionsfähigen grünen Parteielite lange Zeit behindert, wenn auch nicht gänzlich verhindert. Sie hatte einen hohen Preis, da sie erfahrenen und profilierten Politikern eine angemessene Verweildauer in Parlament und Ämtern unmöglich machte oder erschwerte. Parlamente brauchen jedoch erfahrene Parlamentarier, die Gesetzesmaterien und Entscheidungsprozesse kennen und jüngere Kollegen darin einführen können. Die zeitliche Mitgliedschaft in Parlamenten sollte daher nicht begrenzt werden - die Öffnung der Parlamente für Nichtparteimitglieder und die Einführung von primaries würden hinreichenden Austausch gewährleisten.

      Hingegen sollten exekutive Spitzenämter - Bundeskanzler und Ministerpräsidenten - strikt auf zwei Amtsperioden begrenzt werden. Eine Restriktion, die das Grundgesetz seltsamerweise nur für das nicht gerade mit übermäßig viel Macht ausgestattete Amt des Bundespräsidenten vorschreibt.

      Eine Beschränkung der Amtszeit von Kanzler und Ministerpräsidenten würde die Amtsinhaber frühzeitig zwingen, über geeignete Nachfolger nachzudenken, eine Vergreisung im Amt wäre ausgeschlossen. Die zweite Garde der Politik - Landes- und Bundesminister sowie herausragende Parlamentarier - wäre veranlasst, sich auf die Übernahme eines Spitzenamtes vorzubereiten, und würde ihrerseits den Weg für Fachleute von außen schneller freigeben.

      Über diese Maßnahmen hinaus bedarf es jedoch eines Wandels der gesamten politischen Kultur. Die Einsicht, dass die Durchlässigkeit der Eliten für alle von Nutzen ist, dass sie neue Perspektiven ermöglicht und andere Erfahrungen mit einbeziehen hilft, muss sich auch in Deutschland durchsetzen.

      In den USA etwa findet bei jedem Wechsel der Präsidentschaft ein nahezu vollständiger Austausch der politischen Elite in der Exekutive statt. Die Mitglieder der abgewählten Administration, die politische Führung wie ein großer Teil der Beamtenschaft, wandern in Think Tanks, die Wirtschaft und in den akademischen Betrieb; umgekehrt rekrutiert die neue Administration einen Großteil ihres Personals aus diesen Bereichen. Die politische und administrative Elite wird also weitgehend erneuert. Ein solch radikaler Austausch von oft mehreren tausend Personen ist im heutigen Deutschland nicht möglich.

      Aber die Öffnung der politischen Elite muss sich auch auf das politisch-administrative Vorfeld erstrecken; durch eine größere Fluktuation in Parlamenten und Regierungen allein ist eine Erneuerung der politischen Elite nicht zu erreichen. Denn auch in den Spitzenpositionen der öffentlichen Verwaltung findet eine Befruchtung von außen nicht statt. Wie in ein Prokrustesbett passt in eine Leitungsfunktion in der Verwaltung nur, wer in der Regel die juristischen Staatsexamina abgelegt, sodann eine Sozialisation als Beamter durchlaufen hat und zudem auf die jeweils relevante parteipolitische Ausrichtung verweisen kann. Bewerbern von außen - und seien sie noch so qualifiziert - ist die Tür zumeist versperrt.

      Die Öffnung der Politik muss daher von einer Öffnung der (politischen) Administration begleitet werden. Eine grundlegende Änderung des Beamtenrechts muss gut ausgebildeten Frauen und Männern eine administrative (Teil-)Karriere ermöglichen. Konkret: Eine Juniorprofessorin sollte für einige Jahre als Referatsleiterin in einem Ministerium arbeiten und dann in Wissenschaft und Lehre zurückkehren können; ein Ministerialrat sollte in die Wirtschaft wechseln können, ohne damit bereits das definitive Ende seiner Laufbahn in der Verwaltung in Kauf nehmen zu müssen; Absolventen von speziellen Public-Policy- oder Public-Management-Studiengängen sollten den Juristen zumindest gleichgestellt, mitunter sogar vorgezogen werden. Ein permanenter Austausch von Funktionseliten würde die Errichtung von Erbhöfen erschweren und Reformen erleichtern. Die Fluktuation zwischen den verschiedenen Eliten muss zur Normalität werden.

      Die Ressourcen müssen umverteilt werden

      Das bisher Gesagte bezog sich auf eine notwendige horizontale Öffnung der Eliten. Notwendig ist aber auch eine vertikale Öffnung, die es den Mitgliedern von nichtprivilegierten Bevölkerungsgruppen ermöglicht, zur Elite zu stoßen. Notwendig ist die Sicherstellung eines tatsächlich (und nicht nur rechtlich) fairen und gleichen Zugangs aller Bevölkerungsschichten zu den Führungspositionen. Die Ausgangsbedingungen für die dafür notwendige Aufwärtsmobilität - für Menschen aus Arbeiterfamilien, für Frauen, für Bürger mit Migrationshintergrund - muss und kann nur das Bildungssystem schaffen. Dieses bedarf einer grundsätzlichen und umfassenden Reform.

      Die Pisa-Studie hat ein desolates Bild der deutschen Schulen gezeichnet. Ein besonders entmutigendes Ergebnis der Studie wird in der öffentlichen Diskussion freilich oft übersehen: In keinem anderen mit Deutschland vergleichbaren Land ist der Zusammenhang zwischen Testergebnis und sozialer Herkunft so eng wie in Deutschland. Möchte man verhindern, dass das deutsche Bildungssystem weiterhin einer permanenten Selbstrekrutierung der mehr oder weniger gebildeten und begüterten Schichten gleicht, sind tiefgreifende Veränderungen unerlässlich.

      Derzeit ist die deutsche Bildungspolitik kaum mehr als ein dankbares Wahlkampfthema. Im Verteilungskampf um knappe Haushaltsmittel zieht sie in aller Regel den Kürzeren, denn eventuelle Erfolge sind langfristig und daher nur schwer messbar. Kurzfristige Vorteile beim Wähler bringt eine solide, langfristig angelegte Bildungspolitik kaum.

      Inhaltsleere bildungspolitische Diskussionen und Versprechungen, wie zuletzt in den Wahlkämpfen in Sachsen-Anhalt und in Hamburg, führen zu nichts. Notwendig ist daher eine gesellschaftspolitische Grundsatzentscheidung, und das heißt, dass Ressourcen umverteilt werden müssen. Dies wird angesichts der gegenwärtigen Finanzlage - horribile dictu - zu Einschränkungen in anderen Bereichen führen müssen. Über die Verteilung der Lasten haben die Parlamente und die öffentliche Diskussion zu entscheiden.

      Die notwendige Umverteilung von Ressourcen wird noch keine "gerechte" Gesellschaft schaffen, kann Aufstiegschancen aber grundlegend verbessern. Eine Elite, auch und gerade die politische, muss sich auch von unten erneuern.
      Avatar
      schrieb am 10.07.02 02:25:57
      Beitrag Nr. 115 ()
      D.T. für mich unterstreicht das nur die Dämlichkeit
      dieser Wähler, ihre Stimmen an eine Gruppierung zu
      hängen, die im Grunde noch übler ist, als das, was
      wir schon vorher hatten ... :(
      Avatar
      schrieb am 10.07.02 02:40:32
      Beitrag Nr. 116 ()
      Stoiber oder Schroeder ist doch wirklich fast egal.

      Wenn Stoiber nach Berlin gewaehlt wird, dann wird
      bald darauf Haider die Luecke in Muenchen schliessen
      und ein paar Jahre spaeter in Berlin einziehen .....
      den Rest kennt ihr ja schon ....

      Gruss,

      CAH
      Avatar
      schrieb am 10.07.02 10:52:15
      Beitrag Nr. 117 ()
      Deutsche Fragen - deutsche Antworten

      Enttäuschend für die SPD


      G.H. Zweieinhalb Monate vor der Bundestagswahl steht Bundeskanzler Schröder gescheitert da. Er hatte sich am Rückgang der Arbeitslosenzahl messen lassen wollen - und nun hat er zum Sommeranfang im Vergleich zum Vormonat sogar noch einen Anstieg hinzunehmen. Was sich der Sozialdemokrat Schröder vorgenommen hatte, ist Makulatur geblieben; "Erfolge" hat die rot-grüne Koalition vor allem bei den Projekten zu verzeichnen, die den Grünen wichtig waren: bei der Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts, in der Einwanderungspolitik, bei gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Daß diese Projekte großteils weder zum sozialdemokratischen Herz passen noch langfristig die Probleme des Landes lösen helfen, hat die Grünen nie gekümmert. Deutlicher hat noch in keiner Koalition der Schwanz mit dem Hund gewedelt.

      In Schlußpanik schiebt Schröder die Hartz-Kommission vor, um nach vier verlorenen Jahren den Weg ins gelobte Land zu weisen. Wie unsicher der SPD-Chef dabei ist, zeigt die Strenge, mit der er jegliche Diskussion über die Hartz-Vorschläge in seiner Partei unterdrückt. Denn mit jeder Einzelheit käme die Wahrheit schneller ans Licht: Das ganze Streben ist auf die Schönung der Arbeitslosenstatistik gerichtet, kein einziger Vorschlag aber veranlaßt die Wirtschaft, echte, dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen.
      Die Debatte über die Lohnnebenkosten beweist, daß die Unternehmen scharf rechnen - so scharf, daß sie Arbeitskräfte sofort einstellen, sobald das Produktionsmittel "Zusatzkraft" mehr Gewinn als Last verspricht. Den Ausschlag gibt, ob der Absatz von Waren und Dienstleistungen kalkulierbar und gesichert ist. Hartz kann allenfalls Leute vermitteln und über Leiharbeitsagenturen - subventioniert - zur Verfügung stellen, den Aufschwung herbeizaubern kann er jedoch nicht.

      Es war der Sozialdemokrat in Schröder, der den Osten zur Chefsache machte (die Grünen kümmert die Gegend wenig). Doch selbst die SPD-Wähler werden es ihm nicht nachsehen, daß ihm dazu nichts anderes eingefallen ist, als die Abwanderung der jungen Leute von dort zu beschleunigen. Schon sagt Stolpe, Schröder habe die Probleme unterschätzt. Kommt noch ein Fehlgriff hinzu, etwa daß Schröder den Telekom-Chef zur Disposition stellt, aber keinen überzeugenden Nachfolger findet, dann hat er zwar den Unmut der Aktionäre bedient, aber sich vollends um den Ruf des Machers gebracht.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.07.2002, Nr. 157 / Seite 1
      Avatar
      schrieb am 10.07.02 11:01:27
      Beitrag Nr. 118 ()
      DIW erwartet nur ein "Wachstumsstrohfeuer"

      ZEW-Konjunkturerwartungen stabil / Produktion sinkt wegen Streiks / EU-Kommission zuversichtlich


      ami./dfb./Ho. BERLIN/FRANKFURT/BRÜSSEL, 9. Juli. Deutschland steht am Beginn eines kräftigen Konjunkturaufschwungs, doch wird der schon Ende kommenden Jahres wieder weitgehend in sich zusammenbrechen. Davon geht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seiner neuesten Konjunkturprognose aus, nach der das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,6 und im kommenden Jahr um 2 Prozent wachsen wird. Der Grund für das "Strohfeuer" liegt nach Ansicht von DIW-Präsident Klaus Zimmermann einerseits im stärker werdenden Euro. Der verhindere einen Exportboom für deutsche Waren und Dienstleistungen, was schon im Jahresverlauf 2003 die Wachstumskräfte schwächen werde. Zudem werde die vermutlich weiterhin restriktive Haushaltspolitik mit dem Ziel, 2004 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, einen halben Prozentpunkt Wachstum kosten, kritisierte Zimmermann. Die Politik führe nicht nur zu niedrigerem Wachstum und sinkenden Steuereinnahmen, auch erschwere sie damit die Lösung der Arbeitsmarktprobleme. Der Europäischen Zentralbank empfiehlt das DIW, die Zinsen stabil zu halten und ihren Expansionskurs beizubehalten. Das DIW wies auf die herausragende Rolle der Vereinigten Staaten mit Wachstumsraten von 2,8 und 3,3 Prozent für die Weltwirtschaft hin. Doch nehme die amerikanische Auslandsverschuldung weiter zu. Das berge das Risiko von Dollar-Abwertungen, die sehr kurzfristig einsetzen und 20 bis 30 Prozent ausmachen könnten.<BR/><BR/>Der vom DIW erwartete kräftige Konjunkturaufschwung läßt auf sich warten. Bisher hat sich der vermehrte Auftragseingang nicht auf die Produktion durchgeschlagen. Vielmehr haben die Streiks in der Metall- und Elektroindustrie und überdurchschnittlich viele Brückentage im Mai dazu geführt, daß die Produktionstätigkeit zurückgegangen ist. Im Mai sank die Erzeugung des Produzierenden Gewerbes (Industrie und Baugewerbe) gegenüber April um 1,3 Prozent, teilte das Bundesfinanzministerium am Dienstag in Berlin mit. Das Vorjahresniveau wurde um 9,2 Prozent unterschritten. Die Zahlen beurteilen Bankvolkswirte unterschiedlich. Die Fachleute von HSBC Trinkhaus & Burkhardt stellen fest, daß die Erholung im Verarbeitenden Gewerbe mehr Zeit in Anspruch zu nehmen scheine als bisher angenommen. Nur bei einem deutlichen Plus im Juni sei im gesamten zweiten Quartal noch ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen. Nach Einschätzung der Commerzbank-Volkswirte hingegen führen beide Sonderfaktoren im Juni zu einer entsprechenden Gegenbewegung, so daß dann mit einem kräftigen Produktionsanstieg zu rechnen sei. Auch der Auftragseingang in der Industrie spreche für eine spürbare Produktionsausweitung in den kommenden Monaten.<BR/><BR/>Auch die hohen Niveaus der Stimmungsindikatoren wie des Ifo-Geschäftsklimaindex und der ZEW-Konjunkturerwartungen deuten weiter auf eine Belebung der Industrieproduktion. Den am Dienstag veröffentlichten Daten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zufolge sind die Konjunkturerwartungen der befragten Finanzmarktanalysten nur leicht gesunken. Die ZEW-Konjunkturerwartungen gingen im Juni gegenüber Mai um 0,5 Punkte auf 69,1 Punkte zurück. Damit liegen sie weiterhin oberhalb des langjährigen Mittelwerts von 34 Punkten.<BR/><BR/>Für den Euro-Raum sieht die Europäische Kommission deutliche Anzeichen für ein allmählich stärker werdendes Wirtschaftswachstum. Nach einem Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Leistung um 0,3 Prozent in den ersten drei Monaten habe der Euro-Raum im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal ein reales Wachstum von 0,3 bis 0,6 Prozent erzielt. Für das dritte Quartal prognostiziert die EU-Behörde einen Zuwachs zwischen 0,7 und 1 Prozent. Die Nachfrage im Einzelhandel bleibe vorerst zwar schwach, dafür hätten sich das internationale Umfeld sowie die geldpolitischen Bedingungen spürbar verbessert. Der gestiegene Euro-Kurs gegenüber dem Dollar bremse zudem die Geldentwertung. Dies lasse im weiteren Verlauf des Jahres auf einen Zuwachs des privaten Verbrauchs hoffen, was entscheidend sei für ein ausgewogenes Wachstum. Für das gesamte Jahr rechnet die Kommission unverändert mit einem Wachstum von durchschnittlich 1,4 Prozent.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.07.2002, Nr. 157 / Seite 11
      Avatar
      schrieb am 10.07.02 11:03:37
      Beitrag Nr. 119 ()
      Arbeitslos im ostdeutschen Labor der Moderne

      Jeder Wahlkampf ist eigentlich so wie der letzte Wahlkampf, nur besser. Was vor vier Jahren falsch gelaufen ist, das wollen die Parteien jetzt richtig machen.

      Die Erkenntnisse von 1998 ließen sich in eine Formel pressen: "Im Osten werden Wahlen nicht gewonnen, aber verloren." Seit gestern ist sie wieder aktuell, als die Arbeitsmarktdaten für Juni bekannt gegeben wurden: Im Osten sind doppelt so viele Menschen erwerbslos wie im Westen. Da stellen sich in Wahlkampfzeiten gleich zwei Fragen: Was kann man tun? Und, noch wichtiger: Wer ist schuld?

      Genaues Hinsehen bringt da eine überraschende Antwort: Tun kann man eigentlich nichts. Und "schuld", ein völlig unpassender Begriff, "schuld" sind unter anderem die Frauen und die vielen Babys, die vor etwa zwanzig Jahren geboren worden sind. Die Arbeitslosigkeit im Osten ist nicht nur, aber auch ein demografisches und ein soziokulturelles Phänomen. Denn die geburtenstarken Jahrgänge der 50er- und 60er-Jahre in der DDR haben selbst wiederum früher Kinder bekommen. So lebt ein Drittel aller deutschen 16- bis 24-Jährigen in Ostdeutschland - obwohl die Ostler nur ein Fünftel der Gesamtbevölkerung ausmachen.

      Können diese Kinder ein Problem sein? Nein, sie sind "ein Geschenk", wie es der Brandenburger Exministerpräsident Stolpe gestern ausgedrückt hat. "Schuld" an der Arbeitslosigkeit im Osten sind auch die vielen Frauen auf Jobsuche; es sind 15 Prozent mehr als im Westen. Können sie ein Problem sein? Nein, auch sie machen der Gemeinschaft ein Geschenk, indem sie ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen.

      Wir haben uns angewöhnt, den Osten als rückständig zu definieren. Aber er ist auch ein Labor der Moderne. Dort haben wir die Gesellschaft, die uns sonst als fortschrittlich angepriesen wird: viele Jugendliche (allerdings wenig Kinder) und viele Frauen mit Erwerbswunsch. Wir haben auch eine zunehmend produktive Wirtschaft, die über eine immer bessere Infrastruktur verfügt.

      Es gibt Nachholbedarf, zugegeben, aber niemand wird ernsthaft glauben, dass die Arbeitslosigkeit verschwunden ist, wenn der Osten über ebenso viele Autobahnen verfügt wie der Westen. Nein, wir müssen uns daran gewöhnen, der Osten führt es vor: Eine moderne Gesellschaft, wie wir sie wollen, wird immer wieder hohe Arbeitslosigkeit kennen. Aber das ist kein Grund zur Panik: In erster Linie müssen Arbeit und Reichtum gerecht verteilt werden.
      ULRIKE HERRMANN

      taz Nr. 6796 vom 10.7.2002, Seite 1, 56 Zeilen (Kommentar), ULRIKE HERRMANN, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 10.07.02 11:05:41
      Beitrag Nr. 120 ()
      SCHRÖDERS DEBAKEL
      Höchste Arbeitslosigkeit im Juni seit 4 Jahren. Der kommende Aufschwung wird auch nicht lange währen. Kanzler kämpft um Glaubwürdigkeit
      BERLIN taz Der Sommereffekt ist ausgeblieben: Auch im Juni ist die Zahl der Erwerbslosen weiter gestiegen. Die Statistik der Bundesanstalt für Arbeit verzeichnete 3,954 Millionen Menschen ohne Arbeit, 260.000 mehr als vor einem Jahr und 8.000 mehr als im Mai. Schröders Versprechen, die Arbeitslosigkeit unter die 3,5-Millionen-Marke zu drücken, rückt in weite Ferne.

      Es gab gegensätzliche Entwicklungen in West und Ost: Während die Zahl für die alten Bundesländer um 1.000 auf 2,560 Millionen Erwerbslose zurückging, kletterte sie in den neuen um 9.000 auf 1,394 Millionen. Saisonbereinigt gibt es insgesamt 4,09 Millionen Erwerbslose. Damit ist die Arbeitslosigkeit erstmals seit neun Jahren im Juni nicht zurückgegangen. Im Westen ist es der höchste Juniwert seit vier Jahren, im Osten sogar seit der Wende.

      Die Aussichten sind nicht sonniger: Für das Gesamtjahr rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit durchschnittlich 4,02 Millionen Erwerbslosen. Eine Trendwende gebe es erst 2003. Die Union wusste die Vorlage zu nutzen. Die Entwicklung sei "im Wesentlichen hausgemacht", sagte Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU). "Richtige und notwendige Reformen" seien "seit Jahren verschleppt" worden. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer kündigte ein Gegenkonzept zur Hartz-Kommission an.

      Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) machte dagegen die weltweite Konjunkturschwäche verantwortlich. "Ich glaube, dass man weiß, dass die Aufschwungtendenzen, die es gibt, den Arbeitsmarkt noch nicht erreicht haben", sagte er. Für den Osten werde die Hartz-Kommission allerdings "maßgeschneiderte Vorschläge" entwickeln müssen. Diese Konjunkturhoffnungen dämpfte jedoch das DIW. Seine Experten prognostizieren für den Aufschwung im nächsten Jahr ein jähes Ende. Grund: der Brüssel gegenüber versprochene Sparkurs. Dieses Problem werde aber auch eine mögliche neue Bundesregierung haben.

      BEATE WILLMS

      inland SEITE 7, wirtschaft SEITE 8
      taz Nr. 6796 vom 10.7.2002, Seite 1, 68 TAZ-Bericht BEATE WILLMS
      Avatar
      schrieb am 14.07.02 15:07:56
      Beitrag Nr. 121 ()
      STEUERREFORM

      Wieder Milliardenrückzahlung für die Konzerne

      Die rot-grüne Unternehmensteuerreform entwickelt sich immer mehr zu einem Desaster für den Fiskus. So müssen die Finanzämter auch in diesem Jahr Milliardenbeträge an die großen Konzerne auszahlen.


      Frankfurter Bankenviertel: Zwei Milliarden Miese für den Fiskus


      Viele Bundesländer verbuchen deswegen bei der Körperschaftsteuer unterm Strich ein kräftiges Minus. Allein Hessen mit seinen zahlreichen Konzernzentralen im Frankfurter Bankenviertel hat in der ersten Jahreshälfte rund zwei Milliarden Euro mehr an Unternehmen ausgezahlt, als es eingenommen hat. Baden-Württemberg vermeldet einen Fehlbetrag bei der Körperschaftsteuer von 570 Millionen Euro, Bayern immerhin 440 Millionen. "Unsere Finanzämter werden immer mehr zu Auszahlungsstellen für die Großkonzerne", klagt Bayerns Ministerpräsident und Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber :eek: , "diese Entwicklung ist verheerend."
      Offenbar nutzen die großen Firmen auch in diesem Jahr massiv die Möglichkeit, Gewinnrücklagen aufzulösen und sich dafür im Gegenzug Steuern vom Fiskus zurückzuholen, die sie für diese Rücklagen vor Jahren gezahlt haben.
      Verschärft wird dieser Effekt noch durch den Konjunktureinbruch, der bei vielen Unternehmen die Gewinne drückt - und damit auch deren Steuerzahlungen an den Staat. Bereits im Vorjahr war die Körperschaftsteuer drastisch eingebrochen: Während die Finanzämter im Jahr 2000 über 23 Milliarden Euro einnahmen, mussten sie 2001 rund 430 Millionen Euro auszahlen. Das Bundesfinanzministerium unter Hans Eichel (SPD) hatte dies im Frühjahr noch als "Einmal-Effekt" abgetan (SPIEGEL 5/2002). Eichels Mannschaft streute damals Zuversicht, die Einnahmen würden in diesem Jahr wieder kräftig steigen. "Diese Hoffnung", kritisiert Stoiber, "erweist sich als falsch. Wir müssen die Fehler, die Rot-Grün bei der Körperschaftsteuer gemacht hat, nach der Wahl korrigieren."


      spiegel.de
      Avatar
      schrieb am 14.07.02 23:49:44
      Beitrag Nr. 122 ()
      Die Schröder AG

      JJ. In einer Zeit, in der viele Unternehmen von Krisen geschüttelt werden und zahlreiche Vorstände ein schlechtes Bild abgeben, versucht sich der Bundeskanzler fahrig als Krisenmanager - gestern bei Babcock Borsig, heute bei der Telekom. Die Deutschland AG ist tot, es lebe die Schröder AG. Kein Gedanke mehr an die Mahnung eines früheren SPD-Kanzlers, der Staat könne nicht Reparaturbetrieb des Kapitalismus sein. Keine Spur mehr von einer Politik der ruhigen Hand. Angesichts dauerhaft hoher Arbeitslosigkeit rund siebzig Tage vor der Wahl läßt Schröder überall dort eingreifen, wo Wahlsieggefährdungen drohen. Bei der Telekom gerät die Intervention jedoch zum Debakel - für das Unternehmen, für die Bundesregierung als Großaktionär und für das Ansehen des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

      Dem nach einem strahlenden Aufstieg zunehmend glücklos operierenden Telekom-Chef Sommer mag manches anzulasten sein. Er ist ein umstrittenes Engagement in den Vereinigten Staaten eingegangen, hat einen Schuldenberg angehäuft und das Vertrauen der fast drei Millionen Kleinaktionäre nachhaltig enttäuscht. Gleichwohl: So dilettantisch kann und darf kein Spitzenmanager abgelöst werden, nur weil sich die Regierung profilieren will. Sommer wehrt sich daher zu Recht. Eine Wachablösung an der Spitze eines Großunternehmens mit rund 260 000 Beschäftigten, das auf das Vertrauen der Finanzmärkte angewiesen ist, gehört nicht in den Wahlkampf, selbst dann nicht, wenn der Staat Großaktionär ist. Daß rund ein Dutzend Nachfolgekandidaten aus der Wirtschaft in dieser Situation dem "Genossen der Bosse" Schröder abgesagt haben, spricht für sich.

      Der nun als Nachfolger vorgeschlagene und von den Gewerkschaften gestützte sozialdemokratische Telekom-Technik-Chef Tenzer ist damit schon im Vorfeld beschädigt. Auch ist zu fragen, ob er als Techniker ausreichend Geschick und Charisma hat, die Telekom zu konsolidieren. Die zwanzig Mitglieder des paritätisch besetzten Aufsichtsrats stehen also bei ihrer Sondersitzung vor einer schwierigen Aufgabe, wenn Sommer nicht vorher freiwillig den Hut nimmt. Dabei steht auch das Ansehen des Kontrollgremiums auf dem Spiel, vor allem das seines Vorsitzenden, eines renommierten Chemiemanagers; denn es hat ebenfalls durch das Politspektakel Schaden genommen.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.07.2002, Nr. 161 / Seite 1
      Avatar
      schrieb am 21.07.02 17:49:58
      Beitrag Nr. 123 ()
      Avatar
      schrieb am 21.07.02 23:54:01
      Beitrag Nr. 124 ()
      Deep Thought,

      ich habe da 3 Dinger auf der Pfanne:

      wie kopfstark ist Deine Redaktion - angesichts Deines ungeheueren Durchsatzes an Schriftlichem müssen es jede Menge sein, besonders, als Du ja sauber argumentierst und gewaltige Mengen Material herbeischaffst. Auch Deine Ironien sind bestens komponiert. das kostet doch alles viel Zeit.

      Ich dilettiere hier an der Tastatur - und es dauert schon Stunden, selbst kleinste Texte zu posten.(Meine Spracherkennungssoftware funktioniert nicht richtig.)



      Weil Du oder Ihr so fix mit mit dem Schreiben seid:
      Bei der Özdemir-Geschichte ist das Stichwort Gewerkschaft gefallen. Kannst Du den geneigten Lesern nicht mal verklaren, was es mit den gelben, den Guggenheimgewerkschaften auf sich hat?


      Meinst Du, bei unseren präkonditionierten Betriebswirten ließe sich die Taubheit in Sachen Polit-Ökonomie durchdringen?

      Noch ein viertes:

      Wieviel Verlage wollten Dich schon als Lektor anheuern ?
      Walsers Drahtverhau (Zettels Traum) wäre in Deinen Händen nicht so verwickelt geraten, meine ich.

      Wenn Du nicht schon hast, schreibe doch mal ein Buch, 2000 Auflage hättest Du allein hier schon in den Foren - und erst die vielen Abteilungen des Wahrheitsministeriums!
      Avatar
      schrieb am 22.07.02 00:36:23
      Beitrag Nr. 125 ()
      @ Amtmann

      :O :eek: :confused:

      Ist das wirklich ernst gemeint.... :eek: :O :confused:
      Avatar
      schrieb am 22.07.02 00:51:56
      Beitrag Nr. 126 ()
      Deep Thought,

      ja, ist ernst gemeint, auch wenn ich nicht so gut Ironie kann wie Du, handelt es sich nicht etwa um eine solche Verstolperte.
      Avatar
      schrieb am 22.07.02 00:56:17
      Beitrag Nr. 127 ()
      :O :O :O danke.....
      Avatar
      schrieb am 22.07.02 01:09:40
      Beitrag Nr. 128 ()
      DT,
      noch was: falls Du das mit dem Drahtverhau meinen solltest,
      wendet sich Walser nur an die kleine, elitäre Literaturscene, hätte hätte er schweigen können.

      Dort gilt R.R. doch ohnehin als selbstverliebter Schlagedrauf.

      Wollte er aber einen größeren Personenkreis einbeziehen, um auf gewisse Verwerfungen in jener Scene aufmerksam zu machen, hätte er nicht gar so literarisch anspruchsvoll komponieren dürfen, oder, wie manche einwenden mögen: es zu versuchen.
      Avatar
      schrieb am 22.07.02 01:33:19
      Beitrag Nr. 129 ()
      @ Amtmann

      Habe das inkriminierte Buch von walser nicht gelesen.
      Aber nach einer sendung mit WAlser, in der fast eine Stunde lang darüber gesprochen wurde, fand ich das Buch interessant. Ich glaube erst einmal, daß es eine berechtigte Abrechnung mit der Kritikerszene im Allgemeinen und R.R. im Besonderen ist.

      Werde es mir mal reinziehen.

      Gruß

      D.T.
      Avatar
      schrieb am 22.07.02 01:36:42
      Beitrag Nr. 130 ()
      In der sendung hat man übrigens einen völligen Ausfall von R.R. (vor vielen Jahren,also vor dem Buch Walsers über den Tod eines Kritikers) gegenüber Walser im literarischen Quartett gezeigt.

      DAs war so stillos, daß es mich schüttelte.

      Dieser Mann (R.R.) hat es offensichtlich geliebt, andere nicht zu kritisieren, sondern zu zerstören.

      Naja, das ist ja eigentlich nicht zum Threadinhalt gehörend...
      Avatar
      schrieb am 22.07.02 10:41:06
      Beitrag Nr. 131 ()
      Hier übrigens nochmals der Link zur Spiegel-Präsentation der Wahlversprechen Gerd Schröders aus dem JAhre 1998:

      sehr lesenswert! :D

      http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,179261,00.h…

      Gruß

      d.T.
      Avatar
      schrieb am 30.07.02 08:41:59
      Beitrag Nr. 132 ()
      Überraschungscoup
      Schröder will Hartz als Superminister


      Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) plant nach Informationen der "Bild"-Zeitung einen Überraschungscoup für die Schlussphase des Bundestagswahlkampfes. Das Blatt will aus der SPD-Spitze erfahren haben, dass der VW-Personalvorstand Peter Hartz Mitte August zum künftigen Superminister für Wirtschaft und Arbeit im Falle eines SPD-Wahlsieges nominiert werden soll.


      Hartz gegen Späth
      Die Personalie, von der sich Schröder eine Verbesserung der schlechten SPD-Umfragewerte erhoffe, solle unmittelbar nach der offiziellen Präsentation der Reformvorschläge der Hartz-Kommission zum Arbeitsmarkt am 16. August verkündet werden. Der VW-Manager, der bisher jedes Interesse an einem politischen Amt bestritten hat, solle dann als Gegenspieler von Unions-Schattenwirtschaftsminister Lothar Späth (CDU) positioniert werden, schreibt "Bild" weiter.

      t-online.de

      -----------------------------------------------------

      DAs einzige, was ich als Wähler daraus ersehe:

      Schröder dokumentiert damit, daß die derzeitige Besetzung des Wirtschafts- und Arbeits-Ressorts nicht gut war.

      Denn nur dringend Verbesserungswürdiges ändert man personell.

      Wenn man die Schmierenkomödie um den e-mail-Wirtschaftsminister im 1998er Schattenkabinett und jetzt diese "indirekte Kompetenz-Bewertung" von Riester und Müller
      dazuzählt, ist das deFacto Ministerwechsel Nummer zehn und elf!!!!!


      Damit ist Schroeder wenigstens in dieser traurigen Bilanz "führend" in der Geschichte der Bundesrepublik.

      Wie kann man nur so viel Führungsinkompetenz zeigen und Ministerbesetzungen nach Öffentlichkeitswirkungen betreiben!

      Wenn Schroeder so weitermacht, dann bekommt die SPD nicht mal mehr 30%...... :D

      .
      Avatar
      schrieb am 30.07.02 08:51:00
      Beitrag Nr. 133 ()
      WAs Schroeder nicht begriffen hat:

      Anstatt ständig Minister auszutauschen hätte man ihn besser ausgetauscht.

      Mit jemandem im Bundeskanzleramt, der kompetent wäre und Fähig, ein starkes Team zusammenzustellen und auch zum Erfolg zu führen, hätte die SPD eine gute Chance gahabt - so jedoch ist´s aus.
      Avatar
      schrieb am 30.07.02 09:38:03
      Beitrag Nr. 134 ()
      US-Angriff auf irak
      Nach der Wahl ist vor dem Krieg


      In nicht einmal zwei Monaten wählt die Republik ein neues Parlament. Krampfhaft konstruieren die Wahlkampfzentralen derweil wirtschaftspolitische Kontroversen und üben sich in inhaltsleeren Image- und Spaßkampagnen. Dabei steht keine 48 Stunden nach Schließung der Wahllokale eine Entscheidung an, die alles andere als spaßig ist: Am 24. und 25. September wird nach derzeitigem Stand bei einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister unter anderem über Art und Umfang der deutschen Unterstützung für die US-Invasion im Irak entschieden. Der neue Golfkrieg wird zu einem dominierenden Thema der deutschen Politik werden - und für Wochen bleiben.

      Kommentar
      von ERIC CHAUVISTRÉ

      Doch bislang ist aus Berlin zu diesem Thema nichts zu hören - und das wird wohl auch so bleiben. Ob aus Furcht vor kontroversen Debatten in den eigenen Reihen oder aus der vordemokratischen Einstellung heraus, dass über Kriege nicht das niedere Fußvolk zu entscheiden habe: In dieser Frage sind sich die Führungsetagen von SPD, Union, Grünen und FDP offenbar einig. Die rot-grüne Regierung und die schwarz-gelbe Opposition unterscheiden sich allein dadurch, dass Schröder und Fischer lästige Nachfragen mit dem Verweis abwiegeln, ein Krieg stehe zurzeit nicht bevor, während Stoiber und Westerwelle das Wort "Irak" erst gar nicht über die Lippen bringen.

      Die Entscheidung über Art und Umfang der eingesetzten Truppen mag in Washington noch nicht gefallen sein, ebenso wie der genaue Zeitpunkt der Invasion. Fest steht: Die USA werden den Irak angreifen. Die Zustimmung zu einer deutschen Beteiligung an dieser Invasion wird nicht dadurch weniger bedeutend, weil es diesmal - anders als im Kosovo- und Afghanistan-Krieg - wohl nicht um die aktive Teilnahme deutscher Soldaten gehen wird. Die Bereitstellung von Material und die Genehmigung zur Nutzung deutscher Stützpunkte für US-Bombardements sind für die Bush-Regierung weitaus wichtiger als der Einsatz einiger Bundeswehreinheiten.

      Der demokratische Souverän hat deshalb ein Recht darauf zu erfahren, ob die von ihm gewählten Repräsentanten das Land nach der Wahl in einen Krieg führen wollen. Wenn die politischen Eliten der Republik der Auffassung sind, die elementare Entscheidung über eine deutsche Kriegsteilnahme sei kein Thema für das Wahlvolk, dann ist das die größte denkbare Herabsetzung der parlamentarischen Demokratie.

      taz Nr. 6813 vom 30.7.2002, Seite 1, 85 Kommentar ERIC CHAUVISTRÉ, Leitartikel

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 02.08.02 10:36:23
      Beitrag Nr. 135 ()
      nach gysis rücktritt

      Macht, Moral und die Linke

      Drei Politiker linker Parteien sind zurückgetreten: Rudolf Scharping, Cem Özdemir und Gregor Gysi. Gewiss, die Fälle liegen verschieden: Scharpings Rücktritt war überfällig. Özdemir erscheint heute als das zielsicher ausgesuchte erste Opfer der Bonusmeilen-Kampagne der Bild-Zeitung. Gysi dagegen ist an sich selbst gescheitert.

      Kommentar
      von STEFAN REINECKE

      Scharping, Özdemir, Gysi - das sind drei verschiedene Fälle, die zusammen betrachtet ein Muster ergeben. Die Botschaft der drei Rücktritte lautet: Die deutsche Linke hat ein ungelöstes Problem mit Macht und Moral.

      Zum Beispiel Gysi. Es ist egal, ob man den Rücktrittsbegründung des Sozialisten glaubt oder sie für einen Trick hält, um ein ungeliebtes Amt loszuwerden. Gysis Schritt zeigt zweierlei: Rot-Rot hat in Berlin - außer Sparen - einfach keine Idee. Wenn SPD-PDS eine florierende Koalition wäre, dann wäre er noch Senator - Bonusmeilen hin oder her.

      Zweitens: Die moralische Ordnung der Arbeiterbewegung, in der das Individuum wenig, das Kollektiv viel und die gemeinsame Sache alles zählte, existiert nicht mehr. Für die SPD hat das Oskar Lafontaine demonstriert, für die PDS nun Gregor Gysi, der seiner eigenen Moral folgt und so seiner Partei schadet.

      Und Scharping? Gewiss, der Fall lag anders. Gysi gibt das Amt leicht, zu leicht auf. Scharping klammerte sich an seinen Posten bis zuletzt in verzweifelter Egomanie. Doch es gibt Gemeinsames: Denn auch Scharping, der treue Parteisoldat, der die Welt der Public Relations und Polit-Inszenierung entdeckte und dort unterging, zeigt die Auflösung des tradierten linken Moralkodexes.

      Kurzum, die traditionelle, kollektivistische Parteimoral der Linken ist mit der Arbeiterbewegung untergegangen - übrig geblieben ist eine hohe, manchmal zu hohe individuelle Moral. Oder kann sich jemand vorstellen, dass Roland Koch wegen eines Kredits, wegen Bonusmeilen oder eines Buchhonorars zurücktreten würde? Eben.

      Das Beispiel zeigt: Moralfragen sind auf tückische Art mit der Machtfrage verknüpft. Kann es sein, dass die linke Rücktrittsfreudigkeit ein Zeichen für mangelnden Machtwillen ist? Es gibt zumindest die Gefahr, dass sich diese Lesart durchsetzt. Wenn die Linke (wie Rot-Grün derzeit) gerade keine zündende Idee mehr hat, tritt sie zurück. Dies würde auf fatale Art das eingeschliffenen Vorurteil erhärten, dass die deutsche Rechte eine Art natürlichen Anspruch auf die Macht hat. Das ist, in Richtung 22. September, eine trübe Aussicht.

      taz Nr. 6816 vom 2.8.2002, Seite 1, 85 Zeilen (Kommentar), STEFAN REINECKE, Leitartikel

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 02.08.02 12:06:54
      Beitrag Nr. 136 ()
      Der US-Präsident hat Millionen mit Insidergeschäften gemacht, betriebliche Steuerflucht betrieben, ebenso wie sein Vize Cheney. Jetzt wettert er gegen seinesgleichen, word jedoch bereits von prominenten Wirtschaftsdenkern als "Teil desProblems" gesehen und hat immer noch die SEC am Hals.

      Ein italienischer Medientycoon beschließt, seine Probleme mit der Judikative zu lösen, indem er in der Sparte "Legislative" einfach mal die MAcht übernimmt und sich die Gesetze selber macht.

      Kohl stellt sein "Ehrenwort" über geltendes Recht.
      Es geht um Abermillionen von "Spenden", die in engem zeitlichem Zusammenhang mit Leuna von Elf/Aquitaine gezahlt wurden.

      Ein Postminister, sozusagen "schwarz und Schillernd" , macht glänzende Geschäfte mit seiner eigenen Behörde.
      Der einzige "Sonnenschein" dabei ist der in seiner KAsse.

      Der langjährige Lobbyist und chronische Geldraffer BAngemann, lange als solcher identifiziert und weiterhin langjährig von seiner PArtei gedeckt, (FDP) steigt nach Erreichen der Berechtigung für maximale Ruhegelder aus dem Europaparlament aus und verrät die gemeinschaft der europäischen Bürger für 1,5 Mio € pro JAhr an eine spanische telefongesellschaft.

      Der Innenminister des Bundes läßt mit anderen CDU-Mitgliedern (übrigens in einem ekelhaften Spiel mit dem Anti-Antisemitismus) fiktive "jüdische Vermächtnisse" erfinden, und betreibt damit genau diejenige organisierte Kriminalität, die er vor den KAmeras vorgibt, zu verteidigen.
      Millionen an Steuergeldern werden so ergaunert.

      Koch verspricht "brutalstmögliche Aufklärung", ist jedoch selber Teil des Problems.

      Möllemann gibt den Friedensbewegten kritischen Begleiter Israels, macht jedoch seit vielen Jahren glänzende Rüstungsgeschäfte mit arabischen Staaten.

      Die CDU/FDP wirtschaftet Deutschland volle 16 JAhre ab, bis selbst die nicht im Verdacht linker Fantasien stehende Wirtschaft ihn nicht mehr ertragen kann.

      Die Rot-Grünen begehen dann 4 JAhre lang den fehler, eine hohle Figur an ihre Spitze zu setzen, die als Mini-Kohl nur Eigennutz im Sinn hat: 8 minister und eine fatale Strecke an dummheiten und politischen Wechseln auf die Zukunft, die Dokumentation von Führungsschwäche, die Inkarnation des Peter-Prinzips.

      Und jetzt kommt die alte CDU/CSU wieder.
      Sie gibt sich neu, hat aber bei genauerem Hinsehen keine Lösungen, sondern verspricht erneut "Blühende LAndschaften" mit unhaltbaren Steuersenkungsversprechungen.

      Die CDu will jemanden zum Superminister machen, den man am besten mit der Vokabel "DAmpfplauderer" charakterisiert.

      Der als Ministerpräsident zwar TRittbrettfahrer seiner fleiigen schwäbischen Landsleute war, aber unterdessen Regiment die Schulden BAden-Würtembergs explodierten.

      Einem, der wegen Korruption, Vorteilanahme als MP zurücktreten musste.

      Einer, der den "JENoptik-RETTER" gibt, wobei ihm wohl einzig die guten Beziehungen aus alten TAgen 3,8 MILLIARDEN AN STEURGELDERN in Form von Subventionen sowie das Verscherbeln des reichen Tafelsilbers des gekaperten Konzerns die Möglichkeiten gab.

      Wieviele Arbeitsplätze im Mittelstand hätte man im Osten mit den 3,8 Milliarden schaffen können?

      Späth - dem gnadenlose Massenentlassungen, Einkauf von West-Start-Ups und Schaffung von Arbeitsplätzen im Westen, das ganze mit dem glücklichen Ritt auf der Börsen-und Technologie-Blase erst möglich, gerade Recht waren, dessen "Knallharten" (stolzer O-Ton Späth) Führungsstil von Pierer (Siemens) in einer Sendung öffentlich mit einem mitleidigen Blick nur bewertete:

      "So können Sie heutzutage kein Unternehmen mehr langfristig führen"

      Späth hat nur eines bewiesen:

      Sprücheklopfen kommt gut an, man muss im rechten Moment das richtige Trittbrett finden, aufspringen und abspringen (wie in Jena), bevor eine alles einholt.

      Klar, daß Jemand, der jahrelang seine Urlaube durch die Industrie hat finanzieren lassen, zu Miles and More schweigt...


      Charakterisierend für die Glaubwürdigkeit der "Steuersenkungspläne" sämtlicher PArteien ist die TAtsache, daß bereits in der Presse einzig über Zeitpunkt und Ausmaß zu erwartender und erforderlicher Steuererhöhungen nach den Wahlen diskutiert wird.

      Der schöne Begriff der "Gegenfinanzierung" von stattgehabten und zukünftigen Steuer"senkungen" entlarvt ja seit vielen JAhren die Politiker als Diebe, die für Abwechslung sorgen, indem sie mal anstatt in die rechte für ein Weilchen in die Linke Hosentasche greifen.


      Auch die FDP hat mit 40/40/40 die KArten auf den Tisch gelegt:
      Gnadenloser Sozialabbau, unter dem Etikett "mutige Reform", die Arbeitslose mehr und Reiche weniger in die Pflicht nimmt.
      DAbei - wie Eichel zutreffend bemerkt - hat die eine 40 ( Die Prozentzahl für die Staatsquote) die gleiche Wichtigkeit wie die andere 40 (der Höchst-Steuersatz)
      Eine sehr interessante Gewichtung des notwendigen Krisenmanagements..... Die Besserverdiener benötigen offensichtlich den drinenden Schutz des Staates.... :D


      Und das alles findet statt in einem Klima der Renaissance der zwanziger Jahre nach dem Motto: "wir tanzen auf dem Vulkan Tango" , in dem soziales Engagement nur noch als dumm angesehen wird, man sich im Fernsehen über Stunden nur noch mit Berichten über Kosmetische Chirurgie und die Filmaufnahmen für Pornoproduktionen konfrontiert sieht.

      In Zeiten, indenen z.B. der Giessener Psychologie-Prof. und Motivationsforscher Corell, der seit über 25 JAhren die Motivationslage der deutschen Bevölkerung wissenschaftlich untersucht, bereits seit über 8 JAhren über einen "für diese Gesellschaft extrem bedrohlichen Schwund an selbstmotiviernden Unternehmerpersönlichkeiten, die nicht nur auf schnelles Geld aus sind" klagt.

      Der Prozentsatz dieses unentbehrlichen "Types" ist deutlich unter die Mindestquote gefallen, ebenso wie die Quote sozial engagierter Menschen, die für eine Stabilisierung des sozialen gefüges und des sozialen Friedens wichtig sind, geradezu implodiert.

      Naja, und dann haben wir auch einmal eine Bonusmeilendiskussion gehabt.

      Die kochte nur hoch, weil die gezielt und parteiselektiv veröffentlichten Personen in der Sicht vieler klar denker, verzeweifelter Bürger und Wähler die einzige aufrechte Alternative zu sein schien.
      Einzig die Wut über den eigenen Fehlschluss, aber auch über den jetzt endgültig evidenten Mangel an jedweder Alternative und den jetzt vorprogrammierten Höllenritt unserer gesellschaft in schwer wiegende jahrzehntelange Agonie ist es, die zu der verständlichen Empörung führte.

      Aber - wenn man sich die Liste oben anschaut - Bonusmeilen sind eher peanuts, oder?

      gestern wurde die hervorragende ARD-Dokumentation über die Schleyerentführung bzw. die Entführung der LAndshut mit Interviews der zeitzeugen gezeigt.

      Als ich Helmut Schmidt und Wischnewski sah, hätte ich heulen können.
      Solche Leute wird es nie wieder geben.
      Schmidt zu Stoiber und Westerwelle:

      "Über solche Figuren diskutiere ich nicht einmal"

      Schröder hätte bei dieser Krise ebenso versagt wie Stoiber oder jeder andere in Führungsposition der PArteien.

      DAS ist unser Problem:
      Unsere Ideale sind uns abhanden gekommen, der gesellschaftliche Konsens ist aufgekündigt und wir glauben allen Ernstes, einzig wirtschaflich messbare Quantitäten können gesellscahftliche Qualitäten ersetzen.
      Egomanie wird zur Volksseuche, der Ellenbogen zum wichtigsten Organsystem, die Intrigante Show zur einzigen Ideologie der gesellschaft.
      Avatar
      schrieb am 03.08.02 00:30:24
      Beitrag Nr. 137 ()
      Pferdewechsel

      Dt. Mitten im Rennen die Pferde zu wechseln ist immer ein riskantes Manöver.
      Die SPD-Führung ist aber offenbar verzweifelt genug, es dennoch zu wagen. Vorbei ist es mit der Ruhe des Bundesgeschäftsführers Machnig, der das Wahlkampfpulver der SPD - aber welches eigentlich? - noch bis zum 23. August trocken halten wollte. "Jetzt muß Tempo rein", befiehlt Generalsekretär Müntefering. Vorbei ist es jetzt endgültig auch mit dem Wohlfühl-Wahlkampf, der Schröder auf einer Woge emotionaler Zustimmung ins Ziel tragen sollte. Der war dem Nahkämpfer Müntefering schon lange zu zahm. Jetzt wird der Gegner nicht mehr herablassend in Nebensätzen abgefertigt; jetzt wird er frontal angenommen. Kennzeichen für den Strategiewechsel der SPD ist die neue "zentrale Botschaft": "Stoiber ist der falsche". Doch in dem Zusatz "Schröder ist der richtige Kanzler" kommt die ganze Inhaltsleere dieser Kampagne zum Vorschein. Während Müntefering die Kanonen lädt, melden sich erste Zweifler aus der dritten Reihe, denen die ganze Schröder-Richtung schon lange nicht mehr paßt. Einige in der SPD hoffen bereits darauf, ihre ideologischen Batterien bald in der Opposition aufladen zu können.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.08.2002, Nr. 178 / Seite 8
      Avatar
      schrieb am 03.08.02 14:10:20
      Beitrag Nr. 138 ()
      Wahlkämpfer Edmund in Aachen:
      "Besonders türkische Kinder haben kein Sprachvermögen, wir müssen es ihnen mehr lernen."

      Mein Gott, Edmund! Si tacuisses! :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 03.08.02 14:19:53
      Beitrag Nr. 139 ()
      Deutsche Soldaten für Militäraktion gegen Irak
      Schäuble schließt eine deutsche Beteiligung nicht aus

      Der außenpolitische Experte der CDU, Wolfgang Schäuble, hat sich für eine Beteiligung Deutschlands an einer möglichen Militäraktion gegen den Irak ausgesprochen. Schäuble, der im Wahlkampfteam von Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) für den Bereich der Außenpolitik zuständig ist, machte in der Zeitung "Bild am Sonntag" allerdings deutlich, dass vor einer Militäraktion gegen den Irak "eine klare Beschlusslage der Vereinten Nationen erfolgen" müsse.
      Schäuble deutet Beteiligung an
      Deutschland, so führte Schäuble weiter aus, habe sich immer dafür eingesetzt, dass UN-Beschlüsse auch durchgesetzt werden. Daher sei es logisch, "dass sich Deutschland nicht entgegenstellen würde, wenn die Beschlüsse der Vereinten Nationen durchgesetzt werden. Sie können davon ausgehen, dass sich Deutschland in diesem Fall in einer angemessenen Form beteiligen würde."

      Diplomatie hat Vorrang
      Militärische Einsätze seien "nie ganz ohne Gefährdungen möglich", fügte Schäuble hinzu. Aber noch sei ein militärisches Vorgehen nicht abzusehen. Seiner Ansicht nach sollte Deutschland jetzt alle Anstrengungen darauf verwenden, auf diplomatischen Weg den Irak dazu zu bewegen, dass die UN-Waffeninspektionen wieder in vollem Umfang aufgenommen werden können. Die Einladung Iraks an den Chef der UNO-Waffeninspektoren, Hans Blix, zu Gesprächen nach Bagdad, nannte Schäuble in der "Rheinischen Post" einen Anlass "zu einer gewissen Hoffnung".

      Waffeninspektionen - USA lehnen Angebot Iraks ab
      Stoiber will beruhigen
      Union-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) hat unterdessen vor Panikmache wegen eines möglichen US-Angriffs auf den Irak gewarnt. Auch in den USA sei die Debatte über die richtige Irak-Politik noch lange nicht abgeschlossen, sagte Stoiber dem Sender "Deutsche Welle TV". Er erwarte von Gesprächen zwischen den Vereinten Nationen (UN) und der irakischen Führung, dass Bagdad UN-Waffeninspektoren ins Land lässt. Eine Diskussion über einen möglichen US-Militärschlag erübrige sich dann. Ob er im Falle eines Wahlsieges als Bundeskanzler einen amerikanischen Angriff auf den Irak unterstützen würde, bezeichnete Stoiber als "hypothetische Frage".

      SPD: "Keine Abenteuer"
      Die SPD hatte zuletzt deutlich gemacht, dass sie angesichts der wachsenden Furcht vor einem möglichen US-Militärschlag auch die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik ins Zentrum ihres Wahlkampfes rücken will. Kanzler Gerhard Schröder bezeichnete eine zuverlässige deutsche Außenpolitik "ohne Bereitschaft zu Abenteuern" als zentrale Wahlkampfaussage seiner Partei. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering unterstrich, die Bundesrepublik müsse in diesem Konflikt ihren "deutschen Weg gehen" und versuchen, über die UNO und auf anderen Kanälen zur Entspannung beizutragen.
      Avatar
      schrieb am 05.08.02 10:30:31
      Beitrag Nr. 140 ()
      Wahlentscheidungen über weit Entferntes

      Von Georg Paul Hefty


      Wer zur Wahl steht, ist allseits bekannt, was aber zur Wahl steht, bleibt unklar. Zwei Formeln haben sich mit Blick auf die Wählerentscheidungen zum Bundestag eingebürgert: "Dieses Thema sollte aus dem Wahlkampf herausgehalten werden" und "Dieses Thema ist ein Ablenkungsmanöver". Die erste Formel wurde lange für die Frage der Ausländer allgemein, der Asylregelung, des Staatsangehörigkeitsrechts und zuletzt der Einwanderungspolitik gebraucht. Die zweite Formel hält in diesen Tagen der Unionskanzlerkandidat Stoiber dem Titelverteidiger Schröder entgegen, weil der Bundeskanzler angefangen hat, über das Szenario eines Krieges gegen den Irak zu sprechen.

      Immer wieder stehen in den Wahlkämpfen die leicht begreiflichen, hautnahen Themen im Vordergrund, seien sie so belanglos wie die Bonusmeilen oder so wesentlich wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, über die Stoiber lieber und fundierter redet als Schröder, der unübersehbar die Reflexe des gebrannten Kindes zeigt und daher seinen Vertrauten Hartz mit gleichermaßen originellen wie bodenlosen Lösungsvorschlägen vorschickt. Die Fragen aber: "Wie sieht Deutschland in zwei, drei Jahrzehnten aus?" und "Wie wollen wir, daß es aussieht?" werden nicht gestellt, geschweige denn beantwortet - obwohl es für die nächsten vier Jahre jetzt die letzte Gelegenheit für die Wahlbürger ist, darauf bundespolitisch Einfluß zu nehmen.

      Bis zum 22. März, dem Tag der Bundesratsabstimmung über das Einwanderungsgesetz, schon etwas leiser bis zum 20. Juni, als der Bundespräsident das Gesetz unterzeichnete, verkündeten CDU und CSU dem Anschein nach unermüdlich, man werde die Ausländer- und Integrationspolitik in den Wahlkampf einbringen. Über nichts wird jedoch in diesen Wochen bundesweit so wenig geredet wie darüber, ob noch mehr Menschen aus den Ländern außerhalb der EU einwandern sollen oder nicht. Im Vergleich zu der Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ist die jetzige Befassung mit dem im Kern selben Thema nun lediglich ein einschläferndes Säuseln. Dabei ist vor wenigen Tagen aus einem Bericht der Bundesregierung bekanntgeworden, daß seither der Anteil der Doppelstaatler unter den neu Eingebürgerten von einem Sechstel auf fast die Hälfte gesprungen ist - wie es die Union befürchtet hatte. An Doppelstaatler kann nicht einmal mehr die Aufforderung zur Integration gestellt werden - die einfachen Staatsbürger werden dagegen zu zweitklassigen Bürgern.

      Ein ursprünglich ganz anderes, aber damit immer mehr zusammenhängendes Thema wird im Wahlkampf gleichfalls beschwiegen statt beredet. Es ist die Zukunft der EU, die innere Ausgestaltung und die Erweiterung um - auf längere Sicht - ein Dutzend Staaten. Die formelhaften Auskünfte des Bundeskanzlers nach seinem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten in Schwerin sind keine Aufklärung des Bürgers darüber, worauf er sich einzurichten habe. Schon gar nicht sind sie Grundlage für eine Willensbildung und eine Willensbekundung in der Wahlkabine. Daran trägt allerdings auch Stoiber Mitschuld, weil seine Europa-Vorstellungen nicht detaillierter und wägbarer sind als die Schröders und seines Außenministers Fischer, der im Wahlkampf eher den familienpolitischen Experten geben wollte.

      Doch nun haben alle miteinander eine Nuß zu knacken, die ihnen über Nacht die Türkei übersandt hat. Seit 1987, mit der Entgegennahme des türkischen Aufnahmeantrags, hat die Europäische Gemeinschaft eine Entwicklung mitgemacht, die immer mehr zum Selbstläufer wurde, obwohl sich insgeheim alle vorgenommen hatten, sie zu bremsen. 1999 hat dann die damals neue Bundesregierung Schröder/Fischer dazu beigetragen, der Türkei den Kandidatenstatus zu geben. Im Dezember 2000 kam es zur Beitrittspartnerschaft zwischen der EU und der Türkei. Während aber die meisten EU-Regierungen auf Zeit spielten, setzte die Türkei auf Beschleunigung. Und ausgerechnet das Parlament in Ankara, das sich vor seiner vorzeitigen Auflösung befindet, hat am Samstag morgen Brüssel und Berlin mit einem Fait accompli überrumpelt, von dem man meinte, es würde noch Jahre auf sich warten lassen. Selbstverständlich sind die neuen Beschlüsse nicht europareif; die Abschaffung der Todesstrafe erregt Aufsehen, langfristig bedeutender aber ist, daß die christlichen Religionsgemeinschaften bei weitem nicht mit den islamischen gleichgestellt sind und daß die Leitkultur durch Parlamentsakte nicht von heute auf morgen zu ändern ist. Aber die Reaktionen des EU-Erweiterungskommissars und des Bundesinnenministers klingen geradezu schicksalsergeben. Beide sprechen von "Annäherung". Dies ist nicht mit einem Öffnen aller Tore gleichzusetzen, aber Brüssel beschränkt sich in seinem Zeithorizont bereits darauf, daß die Verwirklichung der türkischen Parlamentsbeschlüsse in den "kommenden Monaten" genau beobachtet werde. Von langen Fristen ist urplötzlich keine Rede mehr. Und die bevorstehenden Gipfeltreffen der europäischen Regierungschefs könnten ebensolche Überraschungen bergen wie das in Auflösung befindliche türkische Parlament.

      Da ist ein Automatismus im Gange, über den nie ein Wähler in Deutschland abgestimmt hat und der weite Teile der Konzeption einer Einwanderungssteuerung Makulatur werden ließe. Und weil kein einschlägiges Wählervotum vorliegt, handeln die Gipfelteilnehmer jeweils nach bestem Wissen und Gewissen, aber auf Grund eines sehr allgemeinen Mandats. Aus den Beliebtheitswerten einzelner Koalitionsführer zu folgern, die Bevölkerung sei mit deren Europapolitik im einzelnen einig, wäre falsch.

      Es ist an der Zeit, von den Spitzenkandidaten Aussagen auch über Langfristiges zu fordern. Und es ist dringend, das bürgerliche Augenmerk von wohlfeilen Belanglosigkeiten umzurichten auf die Fragen, die zwar erst in der nächsten Generation begreifbar sein werden, aber heute schon in greifbarer Nähe sind.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.08.2002, Nr. 179 / Seite 1
      Avatar
      schrieb am 05.08.02 10:59:57
      Beitrag Nr. 141 ()
      HARTZ-VORSCHLÄGE BELEGEN: DIE REGIERUNG IST HANDLUNGSUNFÄHIG
      Wer bietet mehr?


      Es herrscht Inflation. Nicht beim Geld, sondern beim Wert der politischen Konzepte. Sieben Wochen vor der Bundestagswahl meint Kanzlerberater Peter Hartz offensichtlich, nur noch mit gigantischen Zahlen Gehör finden zu können. 150 Milliarden Euro glaubt der von Gerhard Schröder als Retter in der Not angeheuerte VW-Manager für Investitionen zugunsten der ostdeutschen Bundesländer mobilisieren zu können.

      Nicht weniger als eine Million Arbeitslose sollen neue Jobs finden. Wow! Die Union müsste 200 Milliarden Euro bieten und zwei Millionen Jobs, um das zu übertrumpfen. Die Entwertung derartiger Pläne spiegelt die Aldi-mäßige Sprache der Hartzschen Verkündigung: Einen "neuen Riesenhammer" - quasi das Wirtschaftswunder im Osten - verspricht uns des Kanzlers Arbeitsmarktprophet.

      Ginge es nicht etwas bescheidener?
      Die Idee an sich macht ja einen pfiffigen Eindruck. Die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau soll sich größere Summen bei der Bevölkerung leihen, indem sie ein Wertpapier herausgibt. Sie selbst zahlt dafür Zinsen, der Bund lockt zusätzlich mit Steuervorteilen. Das Geld wird in Kredite und Startkapital für die Wirtschaft investiert - allerdings nur, wenn sich die Betriebe im Gegenzug verpflichten, Erwerbslose einzustellen. Nicht erläutert hat Hartz freilich bislang, aus welchen Mitteln die Anleihe dereinst zurückgezahlt wird - und das ist kein ganz unwichtiger Punkt.

      Merkwürdig mutet es außerdem an, dass sich die Bundesregierung ihre Wirtschaftspolitik künftig über den Finanzmarkt finanzieren soll. Hat sie selbst nicht genug Geld, um ihre dringendsten Aufgaben zu erledigen? Nein, denn Schröder und sein Finanzminister Hans Eichel stecken in der Klemme zwischen ihrer Politik der Steuersenkung und dem selbst auferlegten Sparzwang, den sie mit dem Europa-Vertrag von Maastricht rechtfertigen. Beides zusammen geht nicht, wenn die eine Rezession gerade überwunden ist und die nächste schon vor der Tür steht. Das Konzept der Hartzschen Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes zeitigt deshalb zunächst vor allem eine Wirkung: Es verdeutlicht, dass die Bundesregierung sich selbst fast handlungsunfähig gemacht hat. HANNES KOCH

      taz Nr. 6818 vom 5.8.2002, Seite 13, 48 Zeilen (Kommentar), HANNES KOCH

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 06.08.02 13:47:43
      Beitrag Nr. 142 ()
      spd vs. "bild"
      Dummheit muss bestraft werden

      Bild ist klug, die SPD dumm. Ist es das Grauen vor dem 22. September, das den Genossen das Gehirn vernebelt? Um die Bild-Kampagne in Sachen privat verflogener Bonusmeilen von Abgeordneten zu stoppen, haben führende Sozialdemokraten einen Angriff auf die Pressefreiheit gestartet und Strafanzeigen im Dutzend gestellt.
      Daraus hat Bild prompt und instinktsicher eine neue Kampagne gestrickt: Mit dem üblichen Empörungsgestus verteidigt das Boulevardblatt nun das Recht auf freie Berichterstattung und hat sich dabei der Unterstützung prominenter Medienmacher versichert. Das hätte jeder, der von Berufs wegen mit den Spielregeln einer Medienrepublik vertraut ist, voraussehen müssen.

      Kommentar
      von BASCHA MIKA

      Dabei war Ende vergangener Woche scheinbar ein wenig Ruhe an der Bonusmeilenfront eingekehrt. In der veröffentlichten Meinung hatte sich die Überzeugung durchgesetzt, dass sich die überführten Abgeordneten zwar eines Vergehens, aber keines Verbrechens schuldig gemacht haben. Die Meilensünder sollten sich bekennen, über die Regeln nachdenken, die sie sich selbst gegeben haben. Und sich für ihr Verhalten entschuldigen. Eine Affäre - kein Skandal. Der Vorgang war auf sein rechtes Maß zurückgestutzt worden.

      Gleichzeitig blieb das Misstrauen gegenüber der Bild-Zeitung und deren Veröffentlichungsmethoden. Es ist schon seltsam, dass das Blatt bisher fast nur namhafte rote und grüne Politiker beim Missbrauch erwischt haben will. Der Verdacht einer parteipolitisch motivierten Kampagne liegt durchaus nahe. Zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung gehört eben auch eine möglichst vollständige Darstellung. Dass die Bild, die ihren Lesern jeden Tag häppchenweise neue rote und grüne Politiker zum Fraß vorgeworfen hat, diese publizistische Regel missachtet hat, darf man getrost annehmen. Ebenso, dass das Blatt eher im eigenen als im Interesse der Öffentlichkeit gehandelt hat.

      Eine souveräne SPD hätte auf diesen Verdacht gelassener reagieren können. Die Bild-Kampagne war längst kein echter Aufreger mehr. Unabhängig von möglichen weiteren Outings war sie dabei, ins Leere zu laufen. Sie fing sogar an, Rot-Grün zu nützen. Diesen Bonus haben SPD-Generalsekretär Müntefering und Fraktionsvorsitzender Stiegler mit ihrem Geschrei gegen die Pressefreiheit zunichte gemacht. Sie haben Bild die Chance gegeben, auf die alte Kampagne eine neue zu setzen, bei der die SPD nun wirklich schlecht aussieht. Das ist mehr als dumm.[7b]

      taz Nr. 6819 vom 6.8.2002, Seite 1, 85 Zeilen (Kommentar), BASCHA MIKA, Leitartikel

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 06.08.02 14:28:52
      Beitrag Nr. 143 ()
      Ein außergewöhnlicher Coup

      Franz Müntefering hat nicht nur alle Journalisten gegen sich aufgebracht. Auch für den Wahlkampfauftakt der SPD interessierte sich gestern niemand


      aus Hannover JENS KÖNIG

      Im Gehirn fast eines jeden Politikers scheint es ein kleines Zentrum zu geben, das offenbar nur dafür eingerichtet ist, komplett auszufallen, wenn es um das Verhältnis der eigenen Person oder der eigenen Partei zu den Medien geht. Das kleine Zentrum ist dann tot und kann kein Signal mehr an seinen Besitzer senden. Es kann ihn nicht mehr davor warnen, dass es fast nie etwas bringt, Medien zu beschimpfen oder zu verklagen, nur weil man sich von ihnen ungerecht behandelt fühlt. Strauß, Lafontaine, Lambsdorff, Kohl … Die Liste der Verirrten ist lang.

      Bei Franz Müntefering ist dieses kleine Zentrum am Freitagnachmittag ausgefallen.
      :laugh:

      Der SPD-Generalsekretär konnte seinen Zorn über die Miles&More-Kampagne der Bild-Zeitung nicht länger zurückhalten und stellte bei verschiedenen Staatsanwaltschaften Strafanzeige. Für diese juristische Übung schlüpfte er in die für ihn sonst ungewöhnliche Zweitrolle als Bundestagsabgeordneter.

      Dass das Boulevardblatt sich bei der Veröffentlichung der Bonusmeilen-Sünder auf linke und grüne Galionsfiguren konzentrierte und Leute aus dem Stoiber-Lager verschonte, das stank Müntefering. Aber dagegen konnte er nichts tun. Dass Bild aber nur unter Verletzung des Datenschutzes an diese Informationen gelangt sein konnte, das schien Müntefering sonnenklar und nicht hinnehmbar. Also zeigte er das Boulevardblatt sowie den Bund der Steuerzahler an; der SPD-General vermutete, die beiden steckten beim Verstoß gegen das Datenschutzgesetz unter einer Decke.

      Dann kam alles so, wie es kommen musste. Bild fuhr in seiner Montagsausgabe elf prominente Chefredakteure auf (von Spiegel über Stern bis hin zur FAZ), die Müntefering allesamt attestierten, mit der Anzeige eindeutig zu weit zu gehen. Das Echo in den anderen Zeitungen war für den SPD-Generalsekretär ähnlich katstrophal.

      Müntefering ist ein außergewöhnlicher Coup gelungen. Er hat durch seine Strafanzeige eine Art Zwangssolidarisierung mit der Bild-Zeitung bewirkt. Das muss ihm erst mal einer nachmachen, und das in einer Situation, wo nicht nur die meisten Journalisten, sondern auch weite Teile der Bevölkerung in der Bonusmeilen-Berichterstattung des Boulevardblattes eine Kampagne erkannt hatten. Fast war man schon geneigt zu glauben, die rot-grüne Regierung könnte durch eine Art Mitleidsbonus von dieser Affäre sogar noch profitieren. Damit dürfte es vorerst vorbei sein.

      Aber nicht nur damit. Müntefering hat sich ja nicht nur einen Rohrkrepierer geleistet, der schnell im kollektiven Gedächtnis der Affären-Republik abgespeichert wird. Seine Meisterleistung hat der SPD-Generalsekretär ausgerechnet zum Start des lang ersehnten Wahlkampfes seiner Partei vollbracht. :laugh: In diesem Wahlkampf wollte die SPD endlich mal wieder über Politik reden, über Kündigungsschutz, Ganztagsschulen und den bösen Stoiber. Wegen ihrer schlechten Umfragwerte hatte die Partei ihre Anhänger extra drei Wochen früher als ursprünglich geplant zu ihrer Auftaktveranstaltung an diesem Montag nach Hannover geladen. Aber worüber musste Müntefering in Hannover nach der SPD-Präsidiumssitzung Auskunft geben? Eben, über seine Anzeige. Die Bonusmeilen-Affäre hat sich spätestens ab jetzt verselbstständigt.

      Aber Müntefering schien nicht mal etwas zu dämmern, er zeigte sich nicht etwa einsichtig. Er hat sich, so sagt er selbst, im Parteipräsidium auch keine Kritik anhören müssen. Schröder war offenbar nicht mal sauer, dass sein Generalsekretär ihn über die Anzeige vorher nicht informiert hatte. Im Präsidium sollen sich alle einig gewesen sein: Die Flugaffäre ist eine zielgerichtete Bild-Kampagne gegen Rot-Grün. Nein, sagt Müntefering auf der Pressekonferenz im Maritim-Hotel, seine Anzeige belaste nicht den Wahlkampf der SPD. Er wiederholt stattdessen seinen Vorwurf: Es könne nicht sein, dass Politiker die einzige Berufsgruppe seien, die keinen Datenschutz genieße. Die zum Freiwild erklärt und gejagt werden dürfe. "Da muss man sich wehren", sagt er. Das heiße natürlich nicht, fügt Müntefering hinzu, dass er die private Nutzung dienstlich erflogener Bonusmeilen bei seinen Kollegen Abgeordneten gutheiße. Und es heiße auch nicht, dass Journalisten nicht recherchieren dürften.

      Was er darunter versteht, sagt der Generalsekretär eine halbe Stunde später, draußen auf dem Opernplatz in Hannover während der Auftaktveranstaltung des SPD-Wahlkampfes. "Wir lassen uns von Bild-Journalisten nicht plattmachen", ruft er den Schröder-Anhängern zu. "Das sind Leute, denen es nicht gelungen ist, Kohls Spender ausfindig zu machen." Münteferings kleines Zentrum im Gehirn war schon wieder stillgelegt.
      :laugh:

      taz Nr. 6819 vom 6.8.2002, Seite 3, 129 TAZ-Bericht JENS KÖNIG
      Avatar
      schrieb am 06.08.02 14:31:02
      Beitrag Nr. 144 ()
      SPD und Presserecht
      Lex Lafontaine

      Wann immer Politikern die Berichterstattung von Journalisten nicht passt, wird der Ruf nach schärferen Pressegesetzen laut. Am deutlichsten demonstrierte das Oskar Lafontaine (SPD), der 1994 als damaliger Ministerpräsident des Saarlandes sogar eine Änderung des Landespresserechts durchsetzte. Durch dubiose Pensionsbezüge und die sogenannte "Rotlichtaffäre" in die Schlagzeilen geraten, schmähte er die kritische Berichterstattung als "Schweinejournalismus". Der Landtag verabschiedete daraufhin ein neues Pressegesetz, wonach Gegendarstellungen nicht mehr kommentiert und der so genannte Redaktionsschwanz - die übliche redaktionelle Erwiderung - nicht mehr angehängt werden durfte. Presserechtsexperten kritisierten die Novelle als verfassungswidrigen Eingriff in die Pressefreiheit. Die Lex Lafontaine - allgemein als persönlicher Rachefeldzug des Ex-SPD-Kanzlerkandidaten vor allem gegen den Spiegel gesehen - wurde erst im März 2000 von der saarländischen CDU-Regierung wieder außer Kraft gesetzt.
      ANN

      taz Nr. 6819 vom 6.8.2002, Seite 3, 30 Zeilen (TAZ-Bericht), ANN

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 07:54:40
      Beitrag Nr. 145 ()
      Schröder laufen die Frauen davon


      D ie Damenwelt hat die letzte Bundestagswahl zugunsten von Gerhard Schröder entschieden, diesmal wird das eher nicht funktionieren. Wenn am Sonntag Wahlen wären, würde eine von Edmund Stoiber (CSU) geführte Union unter der weiblichen Bevölkerung die meisten Stimmen holen, wie eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage des Hamburger Gewis-Instituts für die Illustrierte „Neue Revue“ ergab. 56 Prozent der Frauen in Deutschland würden sich für ihn als Kanzler entscheiden. Nur noch 44 Prozent würden Schröder und seine Regierung wählen.

      Der Stern Schröders ist bei den Frauen offenbar dramatisch gesunken: Nur 18 Prozent der weiblichen Bevölkerung sind der Auffassung, der Kanzler habe in den letzten vier Jahren viel für die Frauen getan, wie die Umfrage weiter ergab. Bei den über 40-Jährigen sind nur 14 Prozent mit seiner Frauenpolitik zufrieden.

      Weil er um die Echtheit seiner schwarzen Haare sogar prozessierte, empfinden 71 Prozent der Frauen Schröder als eitel. Als “Typ zum Verlieben“ sehen ihn gar nur drei Prozent. Dass er dreimal geschieden ist, spielte bei der Bundestagswahl 1998 offenbar noch keine Rolle ­ heute empfinden 68 Prozent der Frauen das als störend (Altersgruppe 18 bis 39: 63 Prozent, über 40-Jährige: 72 Prozent).

      Das Meinungsforschungsinstitut Gewis befragte 1029 wahlberechtigte Frauen ab 18 Jahren.

      06.08.02, 18:31 Uhr
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 10:37:36
      Beitrag Nr. 146 ()
      KRIEGSPLÄNE GEGEN IRAK

      Schröder und Stoiber werfen Nebelgranaten

      Von Severin Weiland

      Pünktlich zum Beginn der heißen Wahlkampfphase beginnen sich Regierung und Opposition in der Frage einer möglichen Beteiligung bei einem Angriff auf den Irak zu beharken. Dabei wollen eigentlich beide dasselbe.

      Berlin - Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Lamers, kommt in diesen Tagen aus dem Staunen nicht heraus. Sicherlich, es sei Wahlkampf, sagt er. Aber dass die rot-grüne Koalition ausgerechnet die Frage einer deutschen Beteiligung an einem Irak-Einsatz zum Wahlkampfthema machen würde, das überrascht den Bundestagsabgeordneten dann doch. "Es zeigt, in welcher verzweifelten Lage die Koalition ist, dass sie glaubt, zu diesem Rettungsanker greifen zu müssen", sagt der 66-jährige, der demnächst aus dem Bundestag ausscheidet. "Wir", betont der Christdemokrat, "haben das Thema nun wirklich nicht aufgebracht."
      Tatsächlich hat der Kanzler selbst einen möglichen "Irak-Feldzug" zum Thema in einem bislang fast themenlosen Wahlkampf gemacht. "Schröder warnt vor Irak-Einsatz" - solche Überschriften wie am Montag in der "Welt" mögen den Wahlkämpfern der SPD gefallen. Doch in der Sache hat sich allenfalls die Tonlage geändert - nicht aber die Linie, die die rot-grüne Koalition seit Monaten in dieser Frage einnimmt.

      Die Stimmunslage der Bevölkerung ausnutzen

      Geschickt bedient Schröder in diesen Tagen die vorhandenen Vorbehalte in der Bevölkerung gegen einen Irak-Krieg. Eine Mehrheit der Deutschen ist gegen eine Beteiligung - und zwar quer durch alle politischen Lager. "Wer da reingeht, muss wissen, wo er reingeht und was er da will", hatte Schröder am Wochenende zum Wahlkampfauftakt in Hannover unter dem Applaus der Zuhörer erklärt. Dabei könnte der Satz ebenso gut auf die eigene Strategie gemünzt sein, mit der Rot-Grün den Antiterrorkampf der USA unterstützt. Seit Ende vergangenen Jahres sind ABC-Schützenpanzer in Kuweit stationiert, doch seit Monaten wird die Öffentlichkeit im Unkklaren darüber gelassen, welchen Zweck sie eigentlich erfüllen sollen - obwohl die Gerüchte nicht enden wollen, dass die Panzer im Kriegsfall entweder die kuwaitische Zivilbevölkerung oder die US-Truppen vor irakischen Giftgas-Angriffen schützen sollen.

      Auch die Äußerungen von SPD-Generalsekretär Franz Müntefering zum Thema "Irak" sind in diesen Tagen besonders spitzfindig formuliert. "Ein Uno-Beschluss würde nicht automatisch zum Einsatz deutscher Soldaten im Irak führen", meinte er am Montag nach der SPD-Präsidiumssitzung. Deutschland müsse seine eigenen Interessen vertreten, stehe zudem für "Kriegsabenteuer nicht zur Verfügung." Münteferings Äußerungen sind jedoch kaum mehr als Wahlkampfrhetorik - eine neue außenpolitische Linie ist es nicht. Denn von einer "Automatik", also einem unmittelbaren Einsatz deutscher Soldaten nach einem Uno-Beschluss, war bislang ohnehin nie die Rede. Und was am Ende, wenn die USA sich zum Schlag gegen Diktator Saddam entschließen, unter "Kriegsabenteuer" zu verstehen ist, bleibt eine Definitionsfrage.

      Auch Schröder ist für Uno-Mandat

      Noch Mitte März hatte Schröder bei einem Treffen mit Intellektuellen im Kanzleramt "jedes weitere militärische Engagement der Bundesregierung unter den Vorbehalt eines Schutzes durch ein Uno-Mandat gestellt", wie anschließend eine Regierungssprecher ein wenig umständlich erklärte. Konkret: Deutschland beteiligt sich an einem Irak-Einsatz nur, wenn ein Uno-Beschluss vorliegt. Das entspricht der außenpolitischen Linie der rot-grünen Regierung - in welcher Art und Weise, in welchem Umfang wäre wohl später zu klären.

      Wie damals so kommt es auch diesmal auf die Zwischentöne an. Auch kritische Anmerkungen zur Politik von George W. Bush sollen die grundsätzliche Solidarität Deutschlands mit den USA keinesfalls in Frage stellen. Müntefering versicherte denn auch am Wochenende gegenüber der "FAZ", die ABC-Panzer würden auch im Falle eines Krieges nicht aus Kuweit abgezogen.

      Unterschiede im Millimeterbereich

      Der Unionspolitiker Lamers, der selbst zu den Kritikern eines Militäreinsatzes gehört ("Ich wäre unglücklich, wenn es zu einer solchen Lage käme"), kritisiert, dass das "hochsensible Thema" nun von Rot-Grün in den Wahlkampf hineingezogen wird. Dazu sei es völlig ungeeignet, zumal es den bisherigen Konsens beim Anti-Terrorkampf zwischen Union und Rot-Grün aushöhle. "Es gab bislang in dieser Frage Positionsunterschiede allenfalls im Millimeterbereich", meint Lamers. Worauf es ankomme, sei Einigkeit nicht nur innenpolitisch, sondern auch auf europäischer Ebene. "Nur wenn wir Europäer mit einer Stimme sprechen, haben wir eine Chance, auf den noch im Fluss befindlichen amerikanischen Willensbildungsprozess einzuwirken", glaubt der Außenpolitiker.


      DDP

      Schäuble und Stoiber: Die SPD rückt die Union in die "kriegstreiberische Ecke"


      Doch davon kann derzeit keine Rede mehr sein. Die Taktik der SPD scheint zu verfangen. Zunehmend reagiert die Union gereizt auf die Vorstöße des Kanzlers. Wolfgang Schäuble, außenpolitischer Experte in Edmund Stoibers sogenanntem Kompetenzteam, warf den Sozialdemokraten vor, die Union mit ihren Angriffen in eine "kriegstreiberische Ecke zu drängen." Wohl wahr. Doch bei näherer Betrachtung bemühen sich Rot-Grün und die Union gleichermaßen darum, das heikle Thema möglichst unscharf zu halten. Auch Schäubles Erklärungen zum Irak dienen eher der Verneblung als zur Erhellung. In "angemessener Form" würde sich Deutschland an einer durch Uno-Beschluss erfolgten Aktion beteiligen. Auch müssten zunächst "alle Mittel der Diplomatie im Rahmen der Vereinten Nationen" eingesetzt werden. Nichts anderes wollen am Ende auch Gerhard Schröder und Joschka Fischer.

      Und Edmund Stoiber spricht über eine mögliche Beteiligung Deutschlands an einen Militärschlag dieser Tage so orakelhaft wie es Gerhard Schröders bis zum Start des heißen Wahlkampfes tat: Es mache keinen Sinn, "solche hypothetischen Fragen zu erörtern".

      Spiegel.de
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 10:41:30
      Beitrag Nr. 147 ()
      SPIEGEL ONLINE - 06. August 2002, 17:19
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,208446,00.h…
      Wahlkampf

      Wirtschaft attackiert Schröder

      Als "fünfte Kolonne der Opposition" bezeichnete Gerhard Schröder die deutsche Wirtschaft. Die will sich den Vorwurf jedoch nicht gefallen lassen und holt zum Gegenangriff aus. Der Kanzler hätte lieber mal seine Arbeit machen sollen.


      Berlin - "Die Wirtschaftsverbände fühlen sich der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet und die Gewerkschaften offensichtlich dem Wahlsieg der SPD", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ludolf von Wartenberg. Er bezeichnete Schröders Äußerungen als Wahlkampfgeplänkel. Auch Handwerks-Präsident Dieter Philipp kritisierte den Kanzler und warf ihm angesichts der Zahl der Arbeitslosen vor, seine Arbeit nicht richtig gemacht zu haben. Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt erklärte, die Verbände verhielten sich parteipolitisch neutral, aber nicht unpolitisch.

      Schröder hatte zum Auftakt der heißen Wahlkampfphase der SPD am Montag in Hannover an die Unternehmen gerichtet gesagt: "Mein Appell an die deutsche Wirtschaft: Spielt Euch nicht als fünfte Kolonne der Opposition auf, sondern sorgt für die Ausbildungsplätze in euren Betrieben." Zugleich forderte er von Spitzenmanagern eine neue Moral, die sich nicht nach dem US-Vorbild vorrangig an millionen- und milliardenschwere Abfindungen orientiere.


      "Hätte der Bundeskanzler seinen Job richtig erledigt, gäbe es jetzt genug Arbeitsplätze", sagte Handwerks-Präsident Philipp Reuters. Das Handwerk mache seine Hausaufgaben, und auch 2002 würden voraussichtlich so viele Lehrstellen wie im Vorjahr zur Verfügung stehen. "Wer der Wirtschaft unterstellt, Wahlkampf auf dem Rücken unserer Jugend zu betreiben, handelt wider besseres Wissen", sagte Philipp.

      Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) hat nach den Worten ihres Präsidenten Hundt Konzepte für eine bessere Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik vorgelegt, da die Bundesregierung in diesen Bereichen die falsche Politik betrieben habe. "Statt parteipolitischer persönlicher Polemik sollte sich die SPD mit diesen Konzepten auseinander setzen", kritisierte Hundt.

      Mittelstand: Gewerkschaften als fünfte Kolonne hinter Schröder

      Die Aktionsgemeinschaft Wirtschaftlicher Mittelstand (AWM) sieht Schröders Vorwurf als primitivste Stimmungsmache und Rückkehr in den Klassenkampf. Schröder selbst habe vielmehr eine fünfte Kolonne hinter sich, da die Gewerkschaften mit einer finanzstarken Kampagne erneut die SPD unterstützen wollten, sagte AWM-Vize-Präsident Konrad Löcherbach.


      Den Unternehmen, die in den vergangenen Jahren Hunderttausende von Arbeitsplätzen geschaffen hätten, Verantwortungslosigkeit und Raffgier vorzuwerfen, wie es Schröder in seiner Rede getan habe, ziele voll daneben, sagte ASU-Chef Max Schön. "Wir Unternehmer sind auch keine `fünfte Kolonne` irgendeiner Partei, sondern sind nur für einen da: Für unseren Kunden, denen wir unsere Produkte und Dienstleistungen anbieten", fügte der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Unternehmer (ASU) hinzu.
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 10:56:25
      Beitrag Nr. 148 ()
      Deutsche Wege, auf denen nicht zu gehen ist

      Wer die Reden und Parolen der Wahlkämpfer hört, möchte manchmal nicht glauben, daß es den Tag nach der Wahl überhaupt gibt. Was würde geschehen, müßten den Worten Taten folgen? Der "deutsche Weg", auf den sich die Sozialdemokraten begeben haben, könnte sich dann als ein Holzweg erweisen. Und so vieles, was im Eifer der Versprechungen und Ankündigungen als Sofortheilmittel angepriesen wird. Kaum ein Wähler wird all dies für bare Münze nehmen, er begnügt sich damit, das Ritual der gutgemeinten Überzeugungen zu würdigen. Wie viel da erfunden wird! Daß die Grünen eine Partei von Kinderfreunden sind, kann nur glauben, wer in ihnen selbst Kinder sieht, die allmählich aus ihren Sachen herausgewachsen sind. Immer noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich für Kinder zu interessieren, wird man abwarten müssen, bis sich großelterliche Gefühle gegenüber den nachwachsenden Generationen regen. Der Wähler sieht dem mit Gelassenheit entgegen. Aber nicht alles ist gleichermaßen kostenlos zu haben. Der Militärschlag der Vereinigten Staaten gegen Saddam Hussein, der dieser Tage von Bundeskanzler Schröder zum Wahlkampfthema gemacht wurde, ist von anderem Kaliber. Schröders Versicherung, daß Deutschland für Abenteuer nicht zur Verfügung stehe, hält sich bei aller Entschiedenheit im Vagen. Denn was ist ein Abenteuer und wird, was heute als ein solches gilt, noch als eines erscheinen, wenn der Ernstfall näher rückt? Merkwürdigerweise hat Schröder seine Kritik an den Plänen der Amerikaner mit dem Hinweis untermalt, daß die Zeit der Scheckbuchdiplomatie zu Ende sei, daß man sich also den Verpflichtungen gegenüber den Vereinigten Staaten nicht durch irgendwelche Formen der Arbeitsteilung entziehen werde. Es soll als eine klare Alternative gelten: entweder Bündnistreue aktiv unter Beweis stellen oder abseits stehen. Letzteres wäre der "eigene Weg", den Deutschland, laut Müntefering, gehen soll. Außenminister Fischer verbreitete diplomatisch einen kleinen Wortnebel mit der Bemerkung, der geplante Militärschlag sei eine "falsche Prioritätensetzung". Viel besser trifft dies die Absicht, die Planspiele der Amerikaner zum Wahlkampfthema zu machen. Was dahintersteckt, ist leicht zu durchschauen: Stoiber und Schäuble, die sich betont zurückhaltend äußerten, sollen als Kriegspartei erscheinen. Denn durchsichtig ist der Schleier, den Schäuble mit dem Hinweis webt, eine Unterstützung der Aktion gegen den Irak werde nur "aufgrund einer klaren Beschlußlage der Vereinten Nationen erfolgen". Man wird die eine Seite nicht für kriegslüsterner halten als die andere. Aber in einem unterscheiden sie sich: Stoiber äußert sich so vorsichtig, wie er es wohl auch als Bundeskanzler tun müßte, während Schröder, ganz Wahlkämpfer, schon vergessen hat, daß er als Wahlsieger über diese Frage ganz neu nachzudenken hätte.

      Ri.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.08.2002, Nr. 181 / Seite 33
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 11:18:08
      Beitrag Nr. 149 ()
      Schröders Geheimnis für die Zeit nach der Wahl

      ami. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus, sagt das Sprichwort. Und so wird sich der Kanzler, einst auch bekannt als "Genosse der Bosse", wenig über die Dissonanzen wundern, in denen Industrievertreter auf seinen Wahlkampfgesang auf dem Hannoveraner Opernplatz antworten. Insgeheim wird sich Schröder über die wutentbrannten Reaktionen des Industrieverbandspräsidenten und anderer Unternehmer vermutlich sogar freuen. Denn sie unterstreichen die tiefe Trennlinie, die Schröder zwischen sich und den Repräsentanten der Wirtschaft mit dem Vorwurf gezogen hat, die Wirtschaft sei "die fünfte Kolonne der Opposition", die darüber hinaus nichts für junge Menschen tue. Noch vor drei Jahren waren dem Kanzler der neuen Mitte die drei "B" - Bosse, Brioni und Brazil - die liebsten Freunde. Doch in schlechten Wahlkampfzeiten wie diesen, in denen Schröder nicht den präsidialen Kommunikator geben kann (jetzt fehlt ihm ein linker Wadenbeißer vom Schlage eines Oskar Lafontaine), da muß er eben selber beißen. Kann er schon aus der darbenden Konjunktur keinen Nektar saugen, so sind ihm Manager und Unternehmer willkommene Opfer. Lob wird Schröder dafür von Gewerkschaften und der Linken einheimsen. Wie er aber auf diese Weise die Wahl gewinnen und anschließend noch ein seriöser Gesprächspartner der Wirtschaft sein will, das bleibt sein Geheimnis.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.08.2002, Nr. 181 / Seite 11
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 11:21:39
      Beitrag Nr. 150 ()
      Kasten: Rückläufige Industrieproduktion


      Deutscher Arbeitsmarkt ohne Lichtblicke
      Stetiger Anstieg der Arbeitslosigkeit
      In Deutschland hat die Arbeitslosigkeit wieder den hohen Stand von September 1999 erreicht, in den neuen Bundesländern sogar den höchsten seit der Wiedervereinigung. Eine gewisse Verbesserung zeichnet sich zumindest vorübergehend für das Winterhalbjahr ab, doch sind die Erwartungen nicht allzu hoch zu schrauben.

      Ww. Berlin, 9. Juli

      Die politischen und professionellen Konjunkturauguren Deutschlands sind sich zurzeit einig wie selten: Der Wirtschaftsaufschwung kommt bestimmt, doch beginnt er vielleicht (noch) später und vielleicht nicht ganz so dynamisch wie ursprünglich erwartet. Für das laufende Jahr schwanken die Wachstumsprognosen für das Bruttoinlandprodukt (BIP) wegen der wenig vorteilhaften Entwicklung im ersten Semester zwischen 0,5% und 1% und für 2003 zwischen 2%und 2,5%, nach einer vorübergehenden Beschleunigung im Winterhalbjahr 2002/03 auf bis zu 3%. Diese Prognose, die von einigen renommierten deutschen Wirtschaftsinstituten (Ifo München, HWWA Hamburg oder auch DIB Berlin) geteilt wird, impliziert aber eine erneute Verlangsamung des Expansionstempos bereits im Lauf der ersten Jahreshälfte 2002. Als Konsequenz sind auch kaum Lichtblicke für den deutschen Arbeitsmarkt erkennbar. Die Arbeitslosenzahl dürfte im laufenden Jahr bei durchschnittlich gut 4 Mio. Personen und 2003 bestenfalls leicht darunter liegen.

      Blockierter Aufschwung
      Die neusten verfügbaren Konjunkturindikatoren deuten denn auch an, dass es mit der Lancierung des Aufschwungs in Deutschland ziemlichharzt. Viele Faktoren mögen zu dieser Verhaltenheit beitragen, das binnenwirtschaftliche Stimmungsbild haben aber im Wesentlichen zwei Elemente geprägt. Erstens handelt es sich um den nur teilweise subjektiven Eindruck, dass mit der Einführung des Euro vieles teurer geworden ist. Daraus ergab sich eine Konsumeinschränkung, die etwa die Umsätze des Einzelhandels in unerwartete Tiefen drückte. Zweitens haben Warnstreiks und befristete Arbeitsniederlegungen in verschiedenen Branchen in den letzten Monaten nicht zur Produktionssteigerung und zu überschwänglicher Euphorie bei der Personalbeschaffung geführt. So verwundert es nicht, dass die Industrieproduktion in den Monaten April/Mai gegenüber dem Vorjahr um nicht weniger als 3,2% zurückging. Grund war vor allem die Krise in der Bauindustrie, doch wies auch die Autoproduktion nach unten.

      Mit Blick auf den politischen Kampf um die Bundestagswahlen vom 22. September besonders sensitiv ist freilich die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Auch hier ist nur wenig Erfreuliches zu melden. Auf saisonbereinigter Basis sank die Zahl der Erwerbstätigen im April auf 38,64 (i. V. 38,78) Mio. Personen, während sich diejenige der Arbeitslosen im Juni entgegen dem üblichen Jahrestrend auf 4,09 (3,84) Mio. erhöhte. Bei der Erwerbstätigkeit wurde - mit einer kurzen Unterbrechung - der tiefste Stand seit Februar 2001 verzeichnet, bei der Arbeitslosigkeit der höchste seit September 1999. Dies entspricht einer Arbeitslosenquote von 9,8 (9,3)%. Westdeutschland verzeichnete im Juni 2,65 (2,47) Mio. Arbeitslose oder eine Quote von 7,8 (7,4)%. In den neuen Bundesländern erreichte die Zahl der Arbeitslosen mit 1,44 (1,37) Mio. Personen, entsprechend einer Quote von 18,4 (17,5)%, den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung.

      Die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, deren Basiswerte von der Deutschen Bundesbank jeweils saisonbereinigt werden, führt die unerfreuliche Entwicklung neben dem Hinweis auf diekonjunkturellen Probleme vor allem auf den ungewöhnlich frühen Ferienbeginn in Sachsen,Sachsen-Anhalt und Thüringen zurück (die normale Saisonbereinigung berücksichtigt solcheEffekte nicht). Der Einfluss des zeitigen Ferienanfangs machte sich durch besonders zahlreicheAnmeldungen in die Arbeitslosigkeit nach schulischer und betrieblicher Ausbildung bemerkbar, und zwar allein in den neuen Bundesländern. Ausserdem kam es zu mehr Zugängen in die Arbeitslosigkeit, als dass Personen neu vermittelt werden konnten. Schliesslich wird aber auch darauf hingewiesen, dass die Arbeitslosigkeit nochhöher ausgefallen wäre, wenn nicht die Abmeldungen in die Nichterwerbstätigkeit (Ruhe- und Vorruhestand, Aus- und Weiterbildung usw.) enorm zugenommen hätten.

      Doch ein Euro-induzierter Preiseffekt
      Zu der in hiesigen Landen emotional geführten Diskussion um Euro-induzierte Preiseffekte hat sich mit der neusten Zwischenbilanz, die gemeinsam vom Statistischen Bundesamt und von derDeutschen Bundesbank auf der Beobachtungsbasis von 18 000 ausgewählten Gütern des täglichen Bedarfs erstellt worden ist, nun doch eingewisser Teuerungseffekt bestätigt. Der jetzt geschätzte Einfluss aller von Mai 2001 bis Mai 2002 festgestellten Euro-induzierten Preisänderungen auf die Jahresinflationsrate liegt zwischen 0,9 und 2,2 Prozentpunkten. Bei den Dienstleistungen ging die Umstellung von der D-Mark zum Euro gemäss dieser Untersuchung mit deutlichen Preiserhöhungen einher. Diese Anpassungen nachoben sind bis heute nicht zurückgenommen worden, sondern die Preisentwicklung setzt sich hier mit langfristig steigendem Trend einfach auf höherem Niveau fort. Bei Nahrungsmitteln kam es bei einzelnen Produkten gezielt zu Preissteigerungen.



      Rückläufige Industrieproduktion
      Berlin, 9. Juli. (Reuters) Die deutsche Industrie hat im Mai vor allem wegen Streiks und einer Häufung sogenannter Brückentage unerwartet deutlich weniger produziert als im Vormonat. Saisonbereinigt wurde im Mai 1,3% weniger hergestellt als im April, als die Produktion revidiert um 0,2% abgenommen hatte, wie das Bundesfinanzministerium (BMF) am Dienstag mitteilte. Brückentage sind Tage zwischen Feiertagen und einem Wochenende, solche Ereignisse werden laut BMF vom Saisonbereinigungsverfahren nicht berücksichtigt. Die Erzeugung der westdeutschen Industrie sank im Mai um 1,4%, jene in Ostdeutschland stieg dagegen leicht um 0,2%.







      10. Juli 2002 NZZ
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 14:35:51
      Beitrag Nr. 151 ()
      zu stoibers gefälschten bilanzen und seiner umverteilungspolitik zulasten des steuerzahlers bzw. wirtschaftlichen inkompetenz:


      Stoiber und der "Deutsche Orden"

      Frontal21 vom 6. August 2002

      Ende 2000 war der Krankenhausträger "Deutscher Orden" zahlungsunfähig. Ein Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags klärt jetzt die Rolle von Ministerpräsident und Laienbruder Stoiber, der den Orden protegierte.

      gesamter text unter:

      http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/0,1872,2007746,00.html
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 21:31:09
      Beitrag Nr. 152 ()
      Selbst eingebrockt, Herr Schröder

      Sechs Wochen vor der Wahl steigt die Zahl der Arbeitslosen auf 4,047 Millionen. Das sind zwar 90.000 weniger als in Helmut Kohls letztem Regierungsjahr. Doch der Kanzler hatte Besseres versprochen: nur noch 3,5 Millionen Erwerbslose



      BERLIN dpa/taz Bundeskanzler Gerhard Schröder gab sich gestern kleinlaut: "Die Zahlen sind nicht gut. Das kann man gar nicht bestreiten." Und selbst dieses Eingeständnis war noch euphemistisch. Denn die Arbeitsmarktzahlen könnten kaum schlechter sein für die Bundesregierung. Knapp 4,047 Millionen Menschen waren im Juli erwerbslos, wie die Bundesanstalt für Arbeit gestern bekannt gab.

      Diese Zahl ist weit weg von jenem legendären Versprechen, das Schröder am Wahlabend 1998 gab: Er werde die Arbeitslosenzahl in Deutschland halbieren. :laugh: Später korrigierte er sich und peilte 3,5 Millionen Erwerbslose an. Und nun dieses Desaster: Im Juli trennten die Regierung Schröder nur noch 90.000 Arbeitslose von den Statistiken der Ära Kohl. Da hilft es kaum noch, dass die SPD an ihre eigene Ehrlichkeit erinnert. "Wir machen keinen ABM-Wahlkampf wie Kohl", trumpfte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering gestern auf. "Wir manipulieren keine Statistik." Und akribisch rechnete er vor, dass die Kohl-Regierung 1998 kurz vor der Wahl 250.000 Arbeitslose mit einem ABM-Job versorgte, um die Statistik zu schönen.

      Aber auch die CDU hat einen Generalsekretär, der gerne rechnet. Also erinnerte Laurenz Meyer gestern daran, dass jedes Jahr etwa 200.000 ältere Menschen den Arbeitsmarkt verlassen, für die keine Jugendlichen mehr nachwachsen. Das Ergebnis seiner Kalkulation: Schon allein aus demografischen Gründen hätte die Zahl der Arbeitslosen in den letzten vier Jahren eigentlich um mindestens 800.000 Personen sinken müssen.

      [Anmerkung: Ach, und der Demographische Faktor hat erst schlagartig mit der Abwahl Kohls begonnen, ja??? :D ]

      War diese Schlacht der Zahlen erwartbar, so überraschte eine andere Auseinandersetzung. Sie fand im Regierungslager statt. Die Bundesanstalt für Arbeit ging gestern davon aus, dass sie mehr Geld vom Bund benötigt als bisher eingeplant. Chef Florian Gerster prognostizierte einen Bedarf von 3,5 Milliarden Euro; bisher hat Finanzminister Hans Eichel nur zwei Milliarden Euro vorgesehen.

      Prompt dementierten Finanz- und Arbeitsministerium. Es bleibe bei zwei Milliarden Euro. "Abgerechnet wird erst am Ende des Jahres", sagte eine Sprecherin. Und die Regierung erwarte, dass die Konjunktur im zweiten Halbjahr anspringt. Zudem hofft man, dass die jüngsten Tarifabschlüsse mehr Sozialbeiträge in die Kassen spülen.

      Diesen Konjunkturoptimismus kann man sich bei der Bundesanstalt für Arbeit nicht erklären, kam doch der eigene Verwaltungsrat zu wenig erfreulichen Prognosen. Aber man will die Differenzen nicht weiter verschärfen und beschränkt sich auf die Anmerkung: "Das können wir nicht kommentieren."

      Ob dieses Gefeilsche um 1,5 Milliarden Euro vielleicht etwas mit den EU-Stabilitätskriterien zu tun haben könnte? Aber überhaupt nicht! Das sagte jedenfalls gestern ein Sprecher des Finanzministers: "Wir kalkulieren mit entsprechenden Schwankungen im Haushalt."

      Florian Gerster macht gestern auch deutlich, dass ein scheinbar innovatives Arbeitsmarktinstrument bereits weitgehend gescheitert ist: die Vermittlungsgutscheine. Sie waren nach dem Skandal um die Statistiken der Arbeitsämter eingeführt worden - und sehen vor, dass sich Erwerbslose nach drei Monaten auch an Privatvermittler wenden können. Zwar seien inzwischen 88.000 Vermittlungsgutscheine ausgegeben worden, so Gerster. Aber nur 3.046 wurden davon bisher eingelöst. Das bedeutet: Nur in diesen seltenen Fällen wurde eine Beschäftigung gefunden. "Das ist natürlich nicht berauschend", meinte Gerster. Dennoch wollte er nicht auf die Vermittlungsgutscheine verzichten: "Bis zum Jahresende muss man schauen, ob man vielleicht noch nachsteuern muss."

      Kanzlerkandidat Edmund Stoiber hat offensichtlich aus dem Debakel der Schröder-Regierung gelernt. Er war gestern vorsichtig genug, nichts Konkretes zu versprechen. Für den Fall eines Wahlsieges der Union kündigte er nur eine "Stimmungswende" an. ULRIKE HERRMANN

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      taz Nr. 6821 vom 8.8.2002, Seite 1, 133 Zeilen (TAZ-Bericht), ULRIKE HERRMANN

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 23:16:03
      Beitrag Nr. 153 ()
      Auch wenn ich die Thread-Überschrift hier (leider) nicht als unbedingt gelungen empfinde ...
      Folgendes sah ich gerade im Gästebuch auf rezzo.com - ob`s stimmt entzieht sich meiner Kenntnis und ich bitte um Verzeihung falls dieses Mini-Thema schon einmal hier besprochen wurde:

      Und ausserdem: "Saubermann" Stoiber ist mit einem Herrn Holzer (Waffenschieber, wird vom BKA gesucht, nachdem er sich nach einer Warnung aus bayerischen Justizkreisen verdrücken konnte) in den Urlaub nach Südfrankreich geflogen. Da war nicht nur der Flug, sondern auch die Unterbringung in Holzers Edelhütte gleich mit drin. (Wed Aug 7 7:06pm ET)
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 23:20:56
      Beitrag Nr. 154 ()
      .... -.de ........... (etwas mehr Konzentration, principessa ! )
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      schrieb am 07.08.02 23:31:41
      Beitrag Nr. 155 ()
      D.T. Du wirst zugeben müssen, das mit den AL-Zahlen ist
      ein finsteres Komplott der Wirtschaft, die nicht will, daß
      Schroeder nochmal das Sagen hat ... :D
      Die elenden Fräcker entlassen einfach die Leute ... :eek:
      Womit wieder mal bewiesen wäre, daß das Kapital die Politik
      macht und nicht die Politiker ... :laugh:

      Gue
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      schrieb am 08.08.02 10:40:28
      Beitrag Nr. 156 ()
      SCHRÖDER - DREIST WIE NIE ZUVOR!

      Allein für diese Unverschämtheiten muss er am 22.9. einen Tritt in den Hintern bekommen -für wie blöd hält der uns eigentlich?? !!! ?
      :mad:

      Visionen für Deutschland
      Wovon Schröder und Stoiber träumen


      Was würden Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein konservativer Herausforderer Edmund Stoiber anders machen, wenn sie nicht nur für einen Tag "König von Deutschland" wären? Über diese Frage muss man seit heute nicht mehr spekulieren. In zwei Zeitungsbeiträgen legten beide ihre Zukunftsideen dar.
      Stoibers "Vision für Deutschland"
      In der "Bild"-Zeitung zählte Unionskanzlerkandidat Stoiber die Punkte auf, die in Deutschland "wieder in Ordnung" gebracht werden müssen. Er erklärte, Deutschland gehöre beim Wirtschaftswachstum und beim Abbau der Arbeitslosigkeit nicht auf den letzten Platz in Europa. Arbeit müsse sich wieder lohnen und das Land müsse wieder Wachstumslokomotive werden. Er sei "felsenfest davon überzeugt" dass dies "in einer großen gemeinsamen Anstrengung" zu schaffen sei.

      Schröder: "Mein Deutschland"
      Schröder sprach im gleichen Blatt von einem stolzen und solidarischen Land, "das seine Leistungen nicht mies machen lässt". Er schrieb, "mein Deutschland hat Arbeit für alle" :laugh: :mad: . Arbeit fürs Gemeinwohl würde besser bezahlt als Tatenlosigkeit. Deutschland werde nicht von denen beherrscht, die das große Kapital haben :laugh: , "sondern sein größtes Kapital sind die Menschen". Es sei ein Land der Chancen. "Aber: wer hingefallen ist, wird nicht liegen gelassen. :laugh: :mad: "

      Thema: Bildung
      Stoiber forderte, dass die Schulen in Deutschland wieder wie früher internationale Vorbilder werden sollten. Familien mit Kindern müssten besser gefördert werden. Kinder dürften nicht das Armutsrisiko Nummer eins bleiben. Schröder schrieb von einem kinderfreundlichen Land, "in dem Kinder so gut betreut werden, dass sie beim Spielen lernen können und beim Lernen spielen können". Den Kindern würden alle Chancen eingeräumt, eine erstklassige Bildung und Ausbildung zu bekommen. "Mein Deutschland ist ein Land für Familien. In dem Ältere und Jüngere füreinander da sind."

      Thema: Ost-West
      Stoiber bezeichnete schließlich als eine der wichtigsten Aufgaben, Ost und West zusammenzuführen. Die Schere zwischen beiden Landesteilen müsse sich schließen, damit die Bürger in allen Regionen vergleichbare Chancen hätten. 18 Prozent Arbeitslosigkeit im Osten seien eine der bedrückendsten Zahlen aus der Schlussbilanz der Regierung Schröder. Schröders Deutschland-Vision hat die Wiedervereinigung geschafft und das Leben in allen Teilen attraktiv gemacht.

      Quelle: t-news
      Avatar
      schrieb am 08.08.02 16:03:31
      Beitrag Nr. 157 ()
      CLINTONS CHEFBERATER MORRIS:

      Rüffel für die Regenmacher Schröder und Stoiber

      Der Mann hat Erfahrung. Dick Morris war Chefberater von US-Präsident Bill Clinton. Jetzt hat der Polit-Marketingprofi den Wahlkampf von Bundeskanzler Schröder und Unionskandidat Stoiber kritisiert. Hauptvorwurf: Beide Politiker hätten die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

      Marl - "Die Wähler begreifen, dass ein Politiker, der Arbeitsplätze verspricht, genau so gut Regen versprechen könnte", erläuterte Morris in einem Schreiben an das Marler Grimme-Institut. Der ehemalige Wahlkampf-Manager von Clinton will seine Thesen Anfang September bei den Marler Medientagen vertreten, kündigte das Institut am Donnerstag an.
      Weder Schröder noch Stoiber hätten verstanden, worin der Knackpunkt aller Politik in diesem Jahrzehnt eigentlich liege, schrieb Morris. Den Wählern sei klar, dass die globalisierte Wirtschaft nicht von Politikern, sondern von Banken, Managern und unkontrollierten Märkten bestimmt werde.
      Schröder und Stoiber sollten daher besser die Themen Umwelt, Bildung, Gesundheit, Renten, Kriminalität und Einwanderung in den Vordergrund rücken, die sie auch wirklich beeinflussen könnten.

      "Als Chirac Kriminalität zum Wahlkampfthema machte, wurde er gewählt", schrieb Morris zu Wahlerfahrungen in Frankreich. "Als Jospin über gerechtere Einkommen sprach, schaffte er es nicht einmal in die Endrunde."

      Auch Tony Blair habe in Großbritannien mit den Themen Gesundheitswesen, Bildung und Kriminalität die Wahlen gewonnen. "In ganz Europa haben linksgerichtete Kandidaten wegen ihrer Konzentration auf wirtschaftliche Themen verloren, während die Rechte über soziale Fragen wie Kriminalität und Einwanderung spricht und gewinnt."
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 15:33:05
      Beitrag Nr. 158 ()
      Alle wollen, was keiner richtig kennt

      Kanzler, SPD und Grüne loben das Hartz-Papier, obwohl das Gesamtkonzept noch gar nicht vorliegt und erst am Freitag offiziell übergeben wird. Opposition und 58 Prozent der Wähler halten die Diskussion um die Arbeitsamtsreform für Wahlkampf


      von ULRIKE HERRMANN

      Wie kann man "einstimmig" unterstützen, was man gar nicht kennt? Jedenfalls nicht so richtig? Der grüne Bundesvorstand und das SPD-Präsidium ließen sich gestern nicht beirren. Sie begrüßten uneingeschränkt das "Gesamtkonzept" der Hartz-Kommission, obwohl deren endgültige Reformvorschläge für den Arbeitsmarkt noch nicht vorliegen und erst am Freitag übergeben werden.

      Doch den Regierungsparteien reichte, was sie in Gesprächen mit Kommissionsmitgliedern gehört und in den Medien gelesen hatten. Und so konnte der Kanzler gestern von "Chancen", einem "großen Wurf","innovativen Ideen" reden. Viel konkreter wollte er nicht werden, denn noch ist ja alles "vorläufig". Das nennt man auch Agenda-Setting. Eigentlich gibt es weder etwas zu beschließen noch zu berichten, aber man verbreitet sich trotzdem öffentlich. Tut so, als ob man tut, und wirkt aktiv.

      Etwas deutlicher wurde Schröder nur beim Thema Steueramnestie. Dieser "unorthodoxe Vorschlag" sieht vor, dass Steuerflüchtlinge dann straffrei ausgehen, wenn sie ihr illegal im Ausland angelegtes Geld in Ostdeutschland investieren. Nach dem Motto: "Besser Arbeit in Leipzig als Geld in Liechtenstein". Allerdings müssten "die Bedingungen stimmen", so der Kanzler. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass Ungesetzliches honoriert werde. Auch dies fasste Schröder in ein Motto: "Verzicht auf Strafe, aber keineswegs Verzicht auf Gegenleistung." Ähnlich äußerte sich der grüne Parteivorsitzende Fritz Kuhn. Selbst CDU-Superkompetenzkandidat Lothar Späth gab bei der Steueramnestie gestern zu: "Da bin ich mit dem Bundeskanzler ausnahmsweise einig."

      Ansonsten allerdings wiederholte Späth seinen Vorwurf, die Hartz-Kommission sei "Wahlkampf pur". Das glauben laut dimap-Umfrage auch 58 Prozent der Wähler. In Ostdeutschland sind es sogar 69 Prozent, und die Einschätzung der Arbeitslosen ist noch drastischer: Von ihnen glauben 86 Prozent, die Kommission betreibe nur Wahlkampf (siehe auch Interview).

      Der Hartz-Terminplan bis zur Wahl sieht jedenfalls so aus: Am Mittwoch wird das Kabinett beraten - und auch schon "Arbeitsaufträge" verteilen, obwohl sich Schröder gleichzeitig beeilte zu versichern, dies sei nur "vorläufig". Am Freitagmorgen wird die Endfassung des Berichts dem Kanzler übergeben, um nachmittags im Französischen Dom in Berlin mit allen gesellschaftlichen Gruppen diskutiert zu werden. Allerdings ist bisher unklar, ob auch die Oppositionsparteien und die Arbeitgeber erscheinen.

      Am Sonntag folgt eine Parteikonferenz der SPD, doch weiß Kanzler Schröder schon jetzt, dass seine Genossen zustimmen werden. Da sei er "sehr zuversichtlich". Mittwoch nächster Woche kann sich das Kabinett dann erneut mit dem Hartz-Bericht befassen, diesmal "endgültig". So wären etwa Entscheidungen über eine Neuorganisation der Bundesanstalt für Arbeit denkbar. Mit Gesetzesänderungen ist jedoch erst nach den Wahlen zu rechnen :D , zumal die meisten im Bundesrat zustimmungspflichtig wären.


      taz Nr. 6825 vom 13.8.2002, Seite 6, 103 TAZ-Bericht ULRIKE HERRMANN

      taz muss sein
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      schrieb am 13.08.02 15:35:18
      Beitrag Nr. 159 ()
      Die Amnestie war nicht so gemeint

      Regierung verwickelt sich bei Angeboten für Steuersünder in Widersprüche. "Kein Bonus" - aber Zinsbefreiung?


      FREIBURG taz Die Bundesregierung will Steuerhinterzieher auch künftig nicht besser stellen als steuerehrliche Bürger. Es werde "keinen Bonus" für diejenigen geben, die Auslandskapital nach Deutschland zurückbringen, sagte Regierungssprecher Heye gestern. Im jüngsten Spiegel hatte Bundeskanzler Schröder erklärt: "Ich lasse über eine Amnestie mit mir reden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen."

      Heye rückte das nun zurecht. Der Begriff "Amnestie" passe nicht auf das Vorhaben des Kanzlers, "er will nur, dass Geld in Leipzig arbeitet und nicht in Liechtenstein modert." Unklar blieb allerdings, wie das heimlich ins Ausland transferierte Kapital nach Deutschland zurückgelockt werden soll. "Darüber denken wir im Moment intensiv nach", hieß es im Kanzleramt.

      Auf Steuerhinterziehung stehen fünf Jahre Haft oder saftige Geldstrafen. Doch schon seit Jahrzehnten hat jeder Steuersünder die Möglichkeit, straflos zu bleiben, wenn er sich rechtzeitig selbst anzeigt. Rechtzeitig heißt: bevor die Tat entdeckt ist oder der Steuerfahnder schon an der Haustür steht. Die hinterzogenen Steuern müssen dann allerdings vollständig (und zwar für die letzten 10 Jahre) nachgezahlt werden. Außerdem erhöht sich dieser Betrag noch um 6 Prozent Hinterziehungszinsen.

      Nach Angaben der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DStG) machten im Jahr 2000 rund 48.000 Steuerhinterzieher von dieser Möglichkeit Gebrauch. Die Gewerkschaft schätzt, dass dabei Steuern in Höhe von rund 750 Millionen Euro nachgezahlt wurden. In normalen Jahren gab es in der Regel nur rund 15.000 Selbstanzeigen. Nach der Durchsuchung zahlreicher Banken waren aber viele Steuerbetrüger nervös geworden.

      Wie aber können Selbstanzeigen attraktiver werden, ohne dass es einen finanziellen Bonus gibt? Nahe liegend ist ein Trick: Es wird auf vollständige Nachzahlung der Steuern bestanden, aber Hinterziehungszinsen erlassen. "Das ist zwar faktisch auch ein Bonus, aber damit könnten wir noch leben", sagt Dieter Ondracek von der Steuergewerkschaft, die sonst streng auf Gleichbehandlung achtet.

      Doch selbst wenn künftig die Zinseinkünfte des deutschen Fluchtkapitals wieder in der Steuererklärung angegeben und damit versteuert werden, kommt das Kapital selbst deshalb nicht nach Deutschland zurück. In Zeiten der Kapitalmarktfreiheit kann jeder sein Geld da anlegen, wo er will - auch in Liechtenstein. Die von der Hartz-Kommission geplanten "Job-Floater"-Anleihen, die auch steuerehrlichen Bürgern offen stehen, müssen daher noch einen eigenen Anreiz haben. Vermutlich wird er darin bestehen, dass die Zinsen aus der Anleihe steuerfrei bleiben. Möglicherweise ist das aber nur ein psychologischer Anreiz - wenn die Floater-Zinsen niedriger sind als die Zinsen gewöhnlicher Staatsanleihen. CHRISTIAN RATH

      taz Nr. 6825 vom 13.8.2002, Seite 6, 94 Zeilen (TAZ-Bericht), CHRISTIAN RATH

      taz muss sein
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      schrieb am 13.08.02 17:26:17
      Beitrag Nr. 160 ()
      Recht nach Kassenlage

      G.H. Ein Bundeskanzler ist bis zu seiner Abwahl Bundeskanzler. Das gilt auch für Schröder. Daß er zugleich SPD-Vorsitzender ist, ist nebensächlich, solange er nicht ausdrücklich sagt, daß er in einer Sache nicht als Kanzler rede. Alles, was Schröder zur Hartz-Kommission sagt, ist von vornherein dem Bundeskanzler zuzurechnen, der in dieser Funktion die Kommission berufen hat. Wenn also Schröder mit Blick auf die Finanzierungsnöte des Hartz-Modells sagt: "Ich lasse über eine Amnestie mit mir reden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen", dann sagt er das als Inhaber der Richtlinienkompetenz. :laugh:

      Wenn dann aber sein Sprecher sagt, es gehe dem Kanzler nicht um eine Amnestie, sondern darum, das im Ausland versteckte Kapital nach Deutschland zu holen, dann merkt man darin sowohl die rechtliche Fahrigkeit des Kanzlers als auch die Listigkeit des SPD-Vorsitzenden, der weiß, daß seine Basis Amnestien nicht mag, aber doch den Rücklauf des Geldes gern sähe. Auch wenn man zugesteht, daß selbst ein Bundeskanzler nicht jeweils die Tragweite seiner gern gehörten Aussagen auf Anhieb zu erkennen vermag, :laugh: ergibt die Taktik des Ich-versuch-es-einmal nicht die an der Spitze der Regierung erforderliche Verläßlichkeit. Für populistische Versuchsballons muß ein Kanzler willige Helfer in der Partei und in der Fraktion, allenfalls noch im Kabinett haben; als oberster Experimentator darf er sich nicht begreifen. Das Markenzeichen der Ernsthaftigkeit ist schnell verspielt.

      Die Steueramnestie als Beschaffungsmethode für Job-Floater ist eine rechtswidrige Idee. Sollen so aus Sündern die Helden der schönen neuen Welt werden? Hätten sie ihre Steuern rechtzeitig gezahlt, hätte der Staat frühzeitig investieren können oder sich weniger verschulden müssen. Im übrigen sind Steuern allgemeine Pflichtabgaben, bei denen sich der Zahlungspflichtige nicht den Verwendungszweck aussuchen kann nach dem Motto "Für Ost-Arbeitsplätze ja, für die Besoldung von Steuerfahndern nein".
      Amnestien schaffen die Notwendigkeit immer neuer Amnestien. Wer von nun an Schwarzgeld im Ausland versteckt, dürfte nicht schlechter behandelt werden als derjenige, der dies vor Jahren getan hat. Der Rechtsstaat leidet, wenn das Recht nicht stetig um seiner selbst willen gewahrt wird, sondern je nach Kassenlage.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.08.2002, Nr. 186 / Seite 1
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 17:29:37
      Beitrag Nr. 161 ()
      Union lehnt Steuer-Amnestie für Finanzierung des Ostens ab

      "Lasten breiter verteilen" / Politiker aller Parteien wollen steuerehrliche Bürger nicht benachteiligen


      mas. BERLIN, 12. August. Die Union lehnt eine Steueramnestie zur Finanzierung von Arbeit im Osten ab. "Ich rate dringend dazu, beide Probleme unabhängig voneinander zu behandeln", sagte ihr Fraktionsvorsitzender, Friedrich Merz, dieser Zeitung. Der Aufbau Ost sei das eine, das Steuerrecht das andere.

      Schröder hatte sich am Wochenende erstmals öffentlich über die Amnestie-Bedenken Eichels hinweggesetzt. Hinter dem Sinneswandel der Koalition steht der Vorschlag der Hartz-Kommission, mit Schwarzgeld aus dem Ausland Arbeitsplätze im Osten zu fördern. Am Montag ergänzte Schröder, die Rückführung der Gelder solle "nicht ohne Buße" geschehen. Anstelle einer Strafe könnten Leistungen für die Allgemeinheit erbracht werden. Es gelte der Satz: "Besser Arbeit in Leipzig als Geld in Liechtenstein."

      Nach Ansicht von Merz heißt das zentrale Problem nicht Amnestie, sondern Nachversteuerung. Schon heute könne sich jeder mit einer Selbstanzeige von einer Strafe befreien. Dann müsse er jedoch bis zu 10 Jahre das Geld nachversteuern. Die FDP hat deshalb vorgeschlagen, das Fluchtkapital bei einer Selbstanzeige mit 25 Prozent zu belasten. Merz äußerte Zweifel, ob dann der Anreiz groß genug sei, Schwarzgeldkonten offenzulegen. Das im Ausland schwarz angelegte Kapital müßte ein oder zwei Jahre nachversteuert und der Rest dem Staat niedrig verzinst für einige Jahre überlassen werden, sagte Merz. Ziel sei es, die Steuerlast auf eine breitere Basis zu verteilen. Damit das Geld künftig im Inland angelegt und versteuert wird, muß die Belastung sinken. Deshalb ist Merz für eine Abgeltungssteuer. "Mein Vorschlag ist: maximal 25 Prozent", sagte er. Mit Hilfe der Abgeltungssteuer werden Zinsen und Dividenden endgültig versteuert, nach dem geltenden Recht werden die Kapitalerträge nur vorläufig mit 30 Prozent belastet. Anschließend muß jeder Bürger seine Kapitalerträge in der Steuererklärung angeben. Die Erträge werden so mit dem persönlichen Steuersatz belastet (zur Zeit bis zu 48,5 Prozent plus Solidarzuschlag). Voraussetzung für den Systemwechsel ist nach den Worten von Merz eine grundlegende Reform. Man könne nicht einen Teil des Einkommens mit 25 Prozent und einen anderen mit mehr als 50 Prozent belasten. Selbst ein Spitzensteuersatz von 40 Prozent wäre nach Ansicht des CDU-Politikers noch zu hoch. "Man muß unter 40 Prozent gehen."

      Einig sind sich alle Parteien, daß man die steuerehrlichen Bürger nicht benachteiligen darf. "Wir müssen auf jeden Fall vermeiden, daß die Ehrlichen den Eindruck gewinnen, die Dummen zu sein", sagte Merz. Regierungssprecher Carsten Heye sagte, einen Bonus für Steuersünder werde es nicht geben. Im Bundeskanzleramt und im Finanzministerium werde über Lösungen nachgedacht. Das Kabinett solle darüber schon in der kommenden Woche beraten. Im Finanzministerium konnte man nicht sagen, an welches Besteuerungsmodell gedacht wird. Der Grünen-Vorsitzende Fritz Kuhn warnte davor, Steuersünder gegenüber Steuerzahlern zu begünstigen. Schätzungen, wieviel Geld im Ausland liegt, reichen von 100 Milliarden bis zu einer Billion Euro. Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, geht von 300 Milliarden Euro aus, davon ein Drittel in Luxemburg, ein Drittel in der Schweiz und ein Drittel in Österreich, auf den Kanalinseln und anderen Ländern. Ondracek sprach sich gegen eine Amnestie aus. Man könnte sich jedoch überlegen, die Hinterziehungszinsen von 6 Prozent für eine gewisse Zeit auszusetzen.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.08.2002, Nr. 186 / Seite 11
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 17:34:53
      Beitrag Nr. 162 ()
      13.08.2002 17:00

      Wortduell


      Schröder und Stoiber streiten über Irak-Politik

      Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Herausforderer Edmund Stoiber lieferten sich im Streitgespräch der „Süddeutschen Zeitung“ eine heftige Auseinandersetzung um die Position zu einer militärischen Intervention gegen Saddam Hussein.
      Von Nico Fried



      (SZ vom 14.08.2002) Berlin – Ein möglicher Krieg der USA gegen den Irak stellt den traditionellen außenpolitischen Konsens der großen Parteien in Deutschland auf eine Probe. Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Herausforderer Edmund Stoiber lieferten sich im Streitgespräch der „Süddeutschen Zeitung“ und der „Welt“ eine heftige Auseinandersetzung um die Position zu einer militärischen Intervention gegen Saddam Hussein. Der Kanzlerkandidat der Union griff Schröder auch für dessen Wahlkampf-Slogan vom „deutschen Weg“ scharf an. Schröder sagte, an der Verlässlichkeit Deutschlands könne kein Zweifel bestehen.

      „Ich bin der festen Überzeugung, bezogen auf die Situation im Nahen Osten und bezogen auf den Zusammenhalt der internationalen Koalition gegen den Terror, dass es ein Fehler wäre, im Irak militärisch zu intervenieren“, sagte Schröder. Mit dieser Auffassung stehe er nicht alleine, so der Kanzler mit Blick auf den französischen Präsidenten Jacques Chirac. Er habe sich auf diese Position festgelegt, „damit auch in der öffentlichen Diskussion keine Zweifel aufkommen und bevor Fakten gesetzt werden, die nachher nicht mehr auszuräumen sind“. Die Solidarität mit den USA in der Terrorbekämpfung sei davon unberührt. „Das ist die selbstverständliche Beistandspflicht Deutschlands für einen Bündnispartner, der in seinem Land angegriffen wurde. Daran ist nichts zu deuteln.“

      Auch am Engagement deutscher Truppen auf dem Balkan und in Afghanistan werde nichts verändert. „Aber die Taliban sind nicht besiegt, und nation building in Afghanistan ist längst nicht realisiert.“ Eine Kritik, dass Deutschland seine internationalen Verpflichtungen nicht wahrnehme, habe seine Regierung „nicht verdient“. Seit 1998 habe Deutschland seine Ausgaben für internationale Einsätze um das Zehnfache auf 1,7 Milliarden Euro gesteigert und sei hinter den USA der zweitgrößte Truppensteller.

      Stoiber lehnte eine Festlegung gegen eine Intervention im Irak ab. „Ich halte die Beantwortung einer hypothetischen Frage nicht für zielführend“, sagte der Kandidat. Federführend seien die Vereinten Nationen. Diese seien „mitten in den Verhandlungen, wie erfolgreich sie auch sein mögen, dass der Irak die UN-Waffeninspektoren wieder ins Land lässt“. Diese Verhandlungen und eine abschließende Entscheidung der UN müsse man abwarten, dabei dürfe aber der Druck auf Saddam Hussein aufrecht erhalten und dürfe „nicht relativiert“ werden. Stoiber sprach sich aber gegen eine „separate deutsche Lösung“ aus. Was Schröder wolle, müsse man mit den Europäern gegenüber den Amerikanern vertreten. „Mit einem deutschen Sonderweg in einer solch schwierigen Frage“ schade man der Sache mehr, als man ihr nutze.

      Der Kanzlerkandidat griff auch Schröders Slogan vom „deutschen Weg“ an. Er könne mit diesem Begriff nichts anfangen. „Ich halte diese Floskel in der Außenpolitik für gefährlich.“ Der Begriff werde im Ausland „absolut falsch verstanden“. An den Kanzler gewandt sagte Stoiber: „Außenpolitik so zu instrumentalisieren, weil Sie im Moment im Wahlkampf Schwierigkeiten haben, überhaupt auf die Füße zu kommen, ist verantwortungslos.“ Schröder wies den Vorwurf der Instrumentalisierung aus wahltaktischen Gründen zurück: „Da bin ich ungeeignet.“ :laugh: :laugh::laugh: Die Debatte werde in allen europäischen Ländern geführt. „Es wäre doch fatal, wenn man in Deutschland so täte, dass so eine zentrale Frage deutscher Politik, nur weil Wahlkampf ist, außen vor gelassen werden könnte.“

      Schröder war bemüht, den Begriff des deutschen Weges stärker innenpolitisch zu definieren: Er bezeichne seine „Vorstellung unserer Gesellschaft“. Dabei gehe es um einen „vernünftigen Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit“. Dies beinhalte die Verteidigung von Rechten der Arbeitnehmer wie auch der Schutzfunktion der Gewerkschaften. Außenpolitisch stehe der deutsche Weg für „eine völlige Integration in die EU ebenso wie in das westliche Bündnis“. Dies schließe nicht aus, dass Deutschland seine Interessen vertreten müsse, „sehr selbstbewusst, ohne überheblich zu sein“. Stoiber wies auch dies zurück: Offenbar bedeute der deutsche Weg, Letzter im Wirtschaftswachstum zu sein und den geringsten Abbau an Arbeitslosigkeit zu haben.
      Avatar
      schrieb am 14.08.02 15:39:30
      Beitrag Nr. 163 ()
      Auch, wenn mir fast das herz bricht, weil´s die Bild ist,aber das ist zu köstlich - und Schröder-typisch... :D :laugh:


      http://www.bild.t-online.de/news/topthemen/politikinside/ver…


      .
      Avatar
      schrieb am 14.08.02 15:45:23
      Beitrag Nr. 164 ()
      D.T.

      Nimm es halt als gelungene Real-Saar-Tiere und Lebenshilfe ... :D
      Der Vorbildcharakter für manche Leute hier im Board
      ist onhehin offensichtlich ... :laugh:

      Gue
      Avatar
      schrieb am 15.08.02 20:20:55
      Beitrag Nr. 165 ()
      Kanzler wieder mit Chefsache

      Es ist wie in der Geschichte vom Hasen und vom Igel. Während die Union angesichts der Fluten in Süd- und Ostdeutschland mühsam Umweltkompetenz im Kompetenzteam nachzuweisen sucht, ist der Kanzler zwei Schritte weiter. Noch ist die Ostdeutsche Angela Merkel damit beschäftigt, den Umweltschutz zur Chefsache der Union zu erklären, da legt der Kanzler mit seiner Chefsache Ost nach. Jetzt will er prüfen, ob der Solidarpakt II vorgezogen werden könne. Ein kluger Schachzug, der den Wahlausgang zumindest im wechselwählerischen Ostdeutschland wieder offen erscheinen lässt.

      Kommentar
      von NICK REIMER

      Das Werk von zehn Jahren sei in einer Nacht zerstört, hatte Schröder bei der Ortsbesichtigung in Grimma gesagt. Damit hat er all das nachgeholt, worauf die Ostdeutschen eine Legislatur lang gewartet haben: Anerkennung. Eine grandiose Abwendung von Faulenzerdebatte und der Tatenlosigkeit bei wirtschaftlicher Stagnation. Nun lautet Schröders Botschaft: Ihr Ostdeutschen habt fleißig gearbeitet. Euch widerfährt großes Unglück. Ich aber werde euch helfen.

      Während sich also die Union in der Umweltpolitik verstrickt, erklärt Schröder den verzweifelten Menschen, wie ihr Leben wieder ins Lot kommen könnte. Das treibt Herausforderer Stoiber in weiteres Mal in die Defensive. Denn gegen Schröders Vorstoß, sosehr der Kanzler auch im Wahlkampf steht, kann Stoiber nicht wettern. Wenn den Ostdeutschen etwas von der politischen Biografie des bayerischen Ministerpräsidenten haften geblieben ist, dann dessen harter Kampf gegen den Solidarpakt II. Mühsam hat der Herausforderer auf seinen Ostreisen seinen schlechten Eindruck zu mildern versucht.

      Beipflichten kann Stoiber seinem Widersacher aber ebenso wenig - zu deutlich trägt der Solidarpakt II die Handschrift Schröders. Er hat das Zahlenwerk gegen die Widerstände aus dem schwarzen Süden und dem reichen Westen durchgeboxt. Und er hat den Pakt so ausgeformt, dass die Regierung handeln kann, ohne den komplizierten Bund-Länder-Finanzausgleich noch einmal gänzlich aufzuschnüren. Wenn Schröder Ernst macht, kann er handeln.

      Des Kanzlers Schachzug ist aber auch in finanzpolitischer Hinsicht klug. Schon lange raten Wirtschaftsforschungsinstitute, den Solidarpakt II vorzuziehen. Dazu bietet sich mit den enormen Schäden in Dresden und anderen Städten jetzt ein passender Anlass. Auszahlen muss der Bund die Solidarpaktmilliarden sowieso. Früher oder später.

      taz Nr. 6827 vom 15.8.2002, Seite 1, 85 Zeilen (Kommentar), NICK REIMER, Leitartikel * nicht in taz-Ffm

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 15.08.02 22:00:49
      Beitrag Nr. 166 ()
      Klar, wenn es keine echte Wahl gibt: :mad:


      Wähler komplett ratlos

      Fünfeinhalb Wochen vor der Bundestagswahl weiß offenbar fast jeder zweite Deutsche nicht, wem er sein Kreuzchen geben soll. In einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag des Magazins „Stern“ und des Fernsehsenders RTL gaben 46 Prozent an, sie hätten sich noch nicht endgültig für eine Partei entschieden. Bisher waren die Wahlforscher von rund 30 Prozent ausgegangen. Ihre Wahlentscheidung bereits getroffen haben der Umfrage zufolge 47 Prozent. ´

      Union und FDP haben in der Gunst der Befragten weiterhin eine stabile Mehrheit. Zusammen kämen sie wie bei der letzten Forsa-Erhebung vor einer Woche auf 51 Prozent. Rot-Grün läge zehn Punkte dahinter. Die PDS erreichte nach dem Rücktritt ihres Aushängeschildes Gregor Gysi als Berliner Wirtschaftssenator erneut nur noch vier Prozent; sie wäre damit wie bereits in einer Emnid-Umfrage von vergangener Woche an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und nicht mehr im Bundestag vertreten.

      Allerdings verschlechterte sich die CDU/CSU um einen Punkt auf 41 Prozent, dafür gewann die FDP einen Punkt hinzu und kommt jetzt auf 10 Prozent. Die Sozialdemokraten lagen unverändert bei 35 Prozent, die Grünen bei sechs.

      Schröder holt wieder auf

      Bei der Frage nach der Kanzlerpräferenz konnte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) seinen Rückschlag aus der Vorwoche wieder wettmachen. Er gewann vier Punkte hinzu und rangiert mit 42 Prozent weit vor seinem Herausforderer Edmund Stoiber (CSU) mit 28 Prozent. Für Guido Westerwelle als Kanzler würden sich elf Prozent entscheiden.

      Die guten Werte für den Kanzler sind möglicherweise auch auf seine Haltung zum Irak-Krieg zurückzuführen. 82 Prozent der Befragten erklärten in der Erhebung, Schröders Ansicht, sich nicht an einem Krieg gegen den Irak zu beteiligen, sei richtig. Als falsch bezeichneten dies nur 13 Prozent. Für 43 Prozent der Bürger spielt die Frage nach einer deutschen Beteiligung an einem derartigen Krieg für die eigene Wahlentscheidung eine große Rolle.

      Forsa befragte zwischen dem 5. und 10. August 3008 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger. Datenbasis für die Frage nach dem Irak-Krieg und der Wahlentscheidung sind 1004 Befragte am 9. und 10. August.

      14.08.02, 20:25 Uhr
      (Quelle: dpa)
      Avatar
      schrieb am 18.08.02 23:52:23
      Beitrag Nr. 167 ()
      Die Sünden der CSU
      Die Umweltpolitik der bayerischen Regierungspartei ist mitverantwortlich für die Häufung der gefährlichen Hochwasser


      aus München OLIVER HINZ

      Kanzlerkandidat Edmund Stoiber tourt als Retter durch die Überschwemmungsgebiete in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Seine Bayerische Staatskanzlei überschlägt sich mit Hilfemeldungen für die ostdeutsche Katastrophenregion. Unterdessen geben Opposition und Naturschutzverbände dem CSU-Chef Stoiber und seine Partei zumindest Mitschuld an den verheerenden Schäden, die das Hochwasser in Bayern selbst angerichtet hat.

      "Für das Ausmaß der Schäden ist die CSU mit ihrem mangelhaften Klima- und Hochwasserschutz verantwortlich", erklärt der Landesbeauftragte des Bundes Naturschutz (BN), Richard Mergner. Die Pro-Auto-Politik der Regierungspartei habe den Treibhauseffekt in Bayern verschärft. Entgegen dem Bundestrend nahm der Kohlendioxidausstoß von 1990 bis 1999 um 5 Prozent zu. Deutschlandweit sank er dagegen um 15 Prozent. Gegen den Klimawandel versuche man mit Schneekanonen in den Skigebieten anzukämpfen. Doch das Abholzen der Wälder, um Wasserbecken für die energieintensiven Beschneiungsanlagen zu schaffen, sei nur ein weiterer Beitrag zur Klimakatastrophe. Den Flüssen werden in Bayern ständig weite und flache Auen genommen, die als Überflutungsflächen dienten. 90 Prozent der bayerischen Fließgewässer wurden laut BN seit 1945 begradigt, vertieft oder in Rohre gezwängt und so ihrer natürlichen Dynamik beraubt. Hochwasserrückhalteräume verschwänden: 1.000 Quadratkilometer allein an der Donau zwischen Ulm und Regensburg durch den Ausbau von Staustufen und die Kanalisierung.

      Fatal habe sich auch die Flurbereinigung von landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgewirkt, sagt der BN-Landesbeauftragte. Mit jedem Quadratkilometer bereinigter Landschaft seien 10.000 Quadratmeter Wasserrückhalteraum verloren gegangen. "Alle Wasseraustreibungsmaßnahmen der Vergangenheit im Oberlauf der bayerischen Flüsse beginnen sich jetzt im Unterlauf bitter zu rächen", klagt Mergner.

      Zwischen Versprechungen und Taten klaffe bei der CSU ein eklatanter Widerspruch, berichtet der BN-Experte. In Landtagsbeschlüssen und Fachplanungen der Naturschutzbehörden wimmele es zwar von positiven Zielsetzungen, doch fast nichts davon werde umgesetzt. Im Landesentwicklungsprogramm 1994 heißt es etwa: "Naturnahe Gewässer einschließlich ihrer Uferbereiche sollen von beeinträchtigenden Nutzungen freigehalten werden." Die Wirklichkeit sieht anders aus. Hochwassersünden dokumentiert Mergner zum Beispiel in Franken an allen Zulaufgewässern am Main. Mitten in das Überschwemmungsgebiet zweier Bäche wird in Rottendorf bei Würzburg ein Gewerbegebiet gebaut. Entgegen den Warnungen des BN werden jetzt die beiden Bäche ausgebaut: Das beschleunigt ihre Abflussgeschwindigkeit gefährlich. Immer größere Gewerbegebiete wuchern zudem direkt in den Flussauen des Mains, so bei Kulmbach und Burgkunstadt. "Es ist die Summe all dieser Hochwassersünden, die jedes Jahr die Hochwassersituation am Main und den Unterläufen verschärft", warnt Mergner. Ohnehin ist Bayern beim Flächenfraß mit 30 Hektar pro Tag deutscher Spitzenreiter, auch in Talauen. Das führt zur Zunahme der Spitzenabflüsse und zur Verkürzung der Zeitspanne zwischen Niederschlags- und Abflussbeginn.

      Der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf preist dennoch sein Aktionsprogramm 2020. In den nächsten 18 Jahren sollen unter anderem 10.000 Hektar Uferflächen renaturiert werden. Doch der BN glaubt nur noch Taten.

      taz Nr. 6830 vom 19.8.2002, Seite 6, 96 Zeilen (TAZ-Bericht), OLIVER HINZ
      Avatar
      schrieb am 20.08.02 21:11:33
      Beitrag Nr. 168 ()
      Doris S.-K. greift ein zum Thema Würde:
      AOL:
      Berlin - Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf hat erneut die "Bild"-Zeitung scharf kritisiert. In einem am Dienstag veröffentlichten Offenen Brief an Verlegerin Friede Springer warf sie dem "Bild"-Kolumnisten Franz Josef Wagner "Schmutz-Journalismus" und Demokratieverachtung vor. Schröder-Köpf forderte Springer dazu auf, sich von Wagner zu distanzieren.

      "Die Deutschen kennen sich im Elend aus"

      In seiner "Post von Wagner" hatte der Journalist am Montag an Bundespräsident Johannes Rau zur Hochwasserkatastrophe geschrieben: "Die Deutschen kennen sich im Elend aus. Meist haben sie Politiker ins Elend geführt. Wir werden uns selbst von dem Schlamm befreien."

      Beleidigungen und Entgleisungen

      In dem Brief an Friede Springer, für den der SPD-Parteivorstand verantwortlich zeichnet, schrieb Schröder-Köpf: "Wie vertragen sich Ihre eigenen Ansprüche an Stil, Anstand und Würde mit den Beleidigungen und Entgleisungen, die ich immer wieder in einer Briefkolumne in der `Bild`-Zeitung lesen kann?". Gleichzeitig fragte die Kanzlerfrau, die vor der Ehe mit Gerhard Schröder (SPD) auch Redakteurin der "Bild"-Zeitung war: "Ist diese Form von `Schmutz-Journalismus` und Demokratieverachtung in Ihrem Sinne?"

      Axel Springer Verlag: Kein Kommentar"

      Der Axel Springer Verlag lehnte eine Stellungnahme zu dem Brief ab. "Hier erübrigt sich jeder Kommentar ganz von alleine", sagte Verlagssprecherin Edda Fels. "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann sagte der dpa: "Offenbar hat die SPD die Pleite von Franz Müntefering mit der zurückgezogenen Strafanzeige gegen `Bild` noch immer nicht verwunden. Schade, dass da niemand dazu gelernt hat." SPD-Generalsekretär Müntefering hatte gegen "Bild" im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Bonusmeilen-Affäre Strafanzeige gestellt, zog diese dann jedoch wieder zurück.

      Schröder-Köpf hatte "Bild" vor drei Wochen wegen der Berichterstattung über die Freiflug-Affäre eine "parteipolitische Kampagne" vorgeworfen. "Bild"-Chefredakteur Diekmann hatte damals erklärt, er nehme die Vorwürfe "nicht ernst". Es handle sich um keine Kampagne, sondern um Aufklärung für die Leser. (sa/dpa)
      Avatar
      schrieb am 20.08.02 21:17:37
      Beitrag Nr. 169 ()
      zum diesem Thread-Thema:

      Wer in Tageszeitungen ohne Quellenangaben (!) Themen kopiert hat weder Stil, noch Anstand, noch Würde und verdient keine Achtung.

      !
      Avatar
      schrieb am 20.08.02 21:27:48
      Beitrag Nr. 170 ()
      Hääääää?????

      Was willst Du damit sagen????

      Wen meinst Du????


      ??????????????????????


      :eek:
      Avatar
      schrieb am 20.08.02 22:10:41
      Beitrag Nr. 171 ()
      wählerverhalten
      Jeder kommentiert die Inszenierung
      Es ist ein eigenartiges Phänomen: Viele Bürger entwickeln sich zu Experten für die Inszenierung von Politik. Heutzutage geht das Wahl-Gespräch zwischen Nachbarn so: Na, der Schröder wird durch seinen Auftritt bei der Flutkatastrophe sicher Punkte machen, so was nutzt doch immer der amtierenden Regierung. Oder so: Das Hartz-Konzept kommt einfach zu spät, das kaufen die Wähler dem Schröder nicht mehr ab.

      Kommentar
      von BARBARA DRIBBUSCH

      Auch am Sonntag, wenn das "TV-Duell" zwischen Schröder und Stoiber über den Bildschirm flimmert, werden die Zuschauer in sachkundigem Ton im Wohnzimmer darüber plaudern, welcher Kandidat denn nun am überzeugendsten auf "die Wähler" gewirkt habe. Die Qualität politischer Programme oder die Seriosität der Personen spielen keine Rolle mehr, sondern werden einfach übersprungen. Im Halbdunkel eines Polit-Kinos geht es gleich um die Wählerwirkung: Jeder beobachtet aus sicherem Abstand, wie die Spitzenkandidaten auf der Leinwand um die Gunst der Millionen Wankelmütigen buhlen. Und das sind immer die anderen, weil man selbst fachkundig jede politische Inszenierung durchschaut.

      Diese genüssliche Betrachtung von Politik zu Wahlkampfzeiten oblag bislang vor allem hauptberuflichen Kommentatoren. Doch inzwischen haben sich alle Bürger fortgebildet. Und es befriedigt auch ein paar Rachegefühle, die Spitzenkandidaten jetzt im Fernsehstress um die Wählergunst zu wähnen. Schließlich haben Kanzler & Co. oft nicht die gewünschte Dienstleistung erbracht und kommen trotzdem täglich in die Medien, während der Normalbürger bestenfalls dann in den Nachrichten erscheint, wenn er bei einer Flutkatastrophe Sandsäcke stapelt.

      Wenn Wähler vor allem über Wählerwirkung spekulieren, könnte das zwar einen Autonomiegewinn der Bürger anzeigen, Motto: Alles wird durchschaut. Aber so einfach ist es nicht. Denn in dieser distanzierten Betrachtung liegt auch eine Entfremdung der Wähler von der Politik - und von sich selbst. Schließlich ist der Akt des Wählens für die meisten die einzige politische Handlungsoption. Deshalb sprechen die Wähler doch immer auch von sich selbst, wenn sie über die anderen reden.

      Darum könnten sie genauso gut konkret werden und darüber diskutieren, wen sie selbst wählen wollen und aus welchem Grund. Ganz unentfremdet - denn schließlich enden doch alle allein in den Wahlkabinen, wenn das Polit-Kino vorbei ist.

      taz Nr. 6832 vom 21.8.2002, Seite 1, 86 Zeilen (Kommentar), BARBARA DRIBBUSCH, Leitartikel

      taz muss sein


      ----------------------------------------------------------


      Dazu passt das Folgende gut:

      Im Anschluss an die interessante Vorstelung der aktuellen "Shell-Jugendstudie" am gestrigen TAg kam die Jugendministerin zu Wort.

      Zuvor hatte der leiter der Studie erwähnt, daß nur noch ganze 18% der Jugend den PArteinen PROBLEMLÖSUNGSKOMPETENZ zutrauen.

      Und unsere Ministerin:

      "Es hat sich gezeigt, daß unsere Jugend besser ist als ihr Ruf" :rolleyes:

      Und die Politische Entwicklung besser beurteilen können als die Politiker... :D
      Avatar
      schrieb am 22.08.02 01:37:59
      Beitrag Nr. 172 ()
      #171, dieser TAZ-"Leitartikel" beinhaltet dasselbe "Plaudern", welches die gute Frau B.D. dem "sachkundigen" TV-Duell Publikum vorwirft, nur daß es sich bei ihr selbstverständlich auf einer anderen intellektuellen Ebene abspielen soll ?!
      Mir gefällt der Artikel einfach nicht. SORRY.

      #170, der Adressat wird es verstanden haben.
      Avatar
      schrieb am 22.08.02 04:52:40
      Beitrag Nr. 173 ()
      nun ging ich in dieser vor-Vollmondnacht extra nochmal online, denn D.T.,
      bevor Du Dich heute morgen eschauffieren wirst, den Brief von Doris S.K. fand ich auch leicht disqualifizierend, zum einen vor dem Hintergrund, daß sie eine Journalistin ist, was sich im Schreibstil keinesfalls bemerkbar machte, und zum anderen, weil ihr die geographisch-historischen Umweltsünden und - Versäumnisse der Politik durchaus bekannt sein müssten. Ich finde den Bild-Brief, auch weil sie sogar die Distanz zu diesem Herrn Wagner fordert (!?) wirlich naiv, obwohl ich die Bild gar nicht lese. Die Antwort (siehe Thread "ein offener Brief ... OnlineTrader) finde ich super :), bei diesen Menschen hätte sie etwas früher aufstehen müssen – wie man so sagt.
      Ich hoffe, jeder konnte Dienstag die Sendung Frontal 21 (u.a.: Besiederlung der Fluß-Auen durch Gewerbegebiete, Ausweisung von Ackerland, welches von der EU dann subvensioniert wird, u.v.a.); s. Dein Thread #167, auch TAZ.

      Auszug aus Namen, die keiner mehr nennt, über Ostpreußen, von Gräfin Dönhoff, S. 60:
      ... Endlos erschien der Winter, die kurzen Tage und langen Nächte und auch die nie endenden Ansprüche der Hauslehrer an ihre Schüler. Bis dann eines Tages die Stürme, die durch die alten Alleen brausten, im Walde die Fichten kreuzweise übereinanderlegten. Kilometerweit traten dann die Flüsse über die Ufer, alle Wege wurden grundlos, und an den geheimnisvollen Abenden hörte man ...

      Wer die Bilder über China und Indien sah, weiß doch, wie privilegiert sogar unsere europäischen Gebiete liegen, durch Menschenhand „verändert“ lagen ?
      Avatar
      schrieb am 27.08.02 10:25:16
      Beitrag Nr. 174 ()
      Spiegeleien oder: Das Duell zweier Kanzler-Testbilder


      Gute Produkte in Kunst, Zauberei und Warenwelt verbergen ihr Produziertsein, lassen die Regeln ihrer Herstellung allenfalls ahnen. Das politische TV-Duell der Bewerber ums nächste Kanzleramt erinnerte von Anfang an an frühere, weniger raffinierte Zeiten massenmedialer Darstellung.
      Denn alles begann damit, daß die Regeln, denen das dann Gezeigte folgte, erklärt wurden; zweimal erklärt, weil an diesem Abend schlechterdings alles mindestens zweimal erklärt wurde. Die zugelassene Höchstzeit für erste und die für weitere Antworten, das Überziehungskonto, die Frequenz der Fragen und die Abfolge des Rederechts - gute Verfahren demokratischer Entscheidungsfindung, so heißt es, legen ihre Regeln dem Publikum offen. So gesehen mag die strikte Verfahrensordnung, zuvor zwischen den Fernsehsendern und den Wahlkampfberatern beider Seiten ausgehandelt, nicht nur zur Disziplinierung der Redner bestimmt gewesen sein. Sie wollte wohl auch markieren, daß es sich hier um eine Veranstaltung im Dienste der parlamentarischen Demokratie handeln sollte, um die wie immer originelle Neuzusammenstellung eines Verfahrens aus ihren ältesten semantischen Beständen: öffentliche Diskussion, Balance zwischen Regierung und Opposition, transparente, ausnahmslos und ohne Ansehen der Person geltende Gesetze.

      Und doch mußte sich der solcherart informierte Zuschauer in einem entscheidenden Punkt alleingelassen sehen. Denn es blieb völlig unerläutert, weil es offenbar für völlig selbstverständlich gehalten wurde, welche Art von Sendung diese Regeln denn regelten. Gewöhnlich unterscheidet das Publikum im Fernsehen ja die Berichterstattung von Unterhaltungssendungen und diese von ihrer Unterbrechung durch die Werbung. Niemand erklärt, nach welchen Regeln die Tagesthemen, der Musikantenstadl oder Reklame für Nachtcremes hergestellt werden, aber wie zum Ausgleich dieses Nichtwissens fühlt sich der Betrachter wenigstens darin sicher, anhand von Eigenschaften des Gesehenen das eine und das andere im Normalfall auseinanderhalten zu können.

      Das TV-Duell zwischen Gerhard Schröder und Edmund Stoiber führte die Umkehrung dieses Normalfalls vor. Wer wollte sagen, ob es politische Information, Unterhaltung oder Reklame war, was wir sahen? Für politische Information sprach zwar die Auswahl der Themen und der Beteiligten, einschließlich der Nachrichtenredakteure als Zeitnehmer und Stichwortgeber. Doch wie alle Nachbetrachter mindestens zweimal feststellten und wie es vom Politologen Jürgen Falter als diensthabendem Bestätiger dessen, was alle schon zweimal gesagt haben und sowieso jeder weiß, dann noch einmal gesagt wurde: Die politische Information war keine, war bekannt und so schon oft gehört. Das Mitgeteilte informierte allenfalls über die Gedächtnisleistungen vielbeschäftigter Spitzenkräfte, die sich auch unter Streß an Versatzstücke ihrer Wahlkampfreden erinnern können. Folgerichtig bestanden die Kommentatorenrunden aus bereits lange pensioniertem politischem Personal, Frisören und Trendberatern. Aber Unterhaltung war es auch nicht. Zwar sorgte die Redundanz des Mitgeteilten dafür, daß sich das Wahrnehmungsinteresse, vom Sinn im engeren Sinne entlastet, sogleich auf ästhetische Merkmale der Darbietung konzentrierte. Man mochte die Bräunungszustände, die verschiedenen Grade an Souveränität oder die Frequenz der Wendung "im übrigen" vergleichen und war dazu durch die Erwartung, Stoiber sei Schröder rhetorisch völlig unterlegen, ja auch voreingestellt. Doch wenn Unterhaltung irgendetwas mit Spiel und Überraschung und Virtuosität zu tun hat, war es gewiß keine. Noch nie dürfte Interaktion unter Abwesenden von zwei Anwesenden so konsequent dargestellt worden sein. Daß Edmund Stoiber offensichtlich die Regel zuvor nicht mitgeteilt worden war, seinen Kontrahenten durchaus anblicken zu dürfen, führte insofern zu einer durchaus folgerichtigen Selbstdarstellung: Der Kandidat sprach, als stehe er vor einem Spiegel, als memoriere er nur, und das war seine Art, es einem Kanzler gleichzutun, der stets so spricht, als stünde er vor einer Kamera, weil er das ja auch ziemlich häufig tut.

      War es also aus Mangel an Spannung, Emotion, Witz und Raffinesse keine Unterhaltungssendung, bliebe als letzte Möglichkeit die Reklame. Zum Produktvergleich war das Publikum durchaus angeregt. Die Promptheit, mit der im Anschluß repräsentative Stichproben in allen Dimensionen Punktwerte abwarfen, mochte ebenfalls an den Warenkunden als Testbatterie des Marketing erinnern - bei einem Sender pulsierte sogar ständig eine Art Thermometer mit Zustimmungswerten irgendeiner ausgewählten Zuschauerschaft. Aber solche pseudowissenschaftlichen Punktwerte suggerierten doch nur, daß hier eine räsonnable Kaufentscheidung durch Produktinformation vorbereitet wurde. Denn wer könnte Nachtarbeitszuschläge mit Spitzensteuersätzen vergleichen, die Förderung des Mittelstands mit der Solidarität gegenüber Flutopfern, Veräußerungsgewinnbesteuerung mit Bundesbankgewinnumwidmung? Niemand könnte also überhaupt nur sagen, was genau hier beworben werden sollte. Nicht informativ, nicht unterhaltend, nicht werbend - wir wurden Zeugen der Geburt eines neuen Sendeformats: Man könnte es das politische Testbild nennen.

      JÜRGEN KAUBE

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.08.2002, Nr. 198 / Seite 31
      Avatar
      schrieb am 27.08.02 14:24:49
      Beitrag Nr. 175 ()
      SPIEGEL ONLINE - 26. August 2002, 0:44
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,210974,00.h…



      Showdown in Adlershof

      Die Spreng-Maschine


      Von Markus Deggerich

      Auf diesen Abend hatten sich die Jusos gefreut. Sie wollten "ähs" zählen und zusehen wie Stoiber untergeht. Doch Staatsmann Schröder überließ dem Kandidaten die Abteilung Attacke.

      Berlin - Willy wacht und gibt die Richtung vor. "Für ein modernes Deutschland" steht auf dem großen Plakat in der Berliner SPD-Zentrale. Davor thront die mächtige Statue von Willy Brandt, dem Genossen-Übervater, und weist mit ausgestreckter Hand nach vorne. Im weiten Atrium stehen die 300 Jungsozialisten, Parteifreunde, Funktionäre und Sympathisanten und erwarten am Sonntagabend selbiges vom aktuellen Vorsitzenden, der über acht Bildschirmen bei ihnen ist. Aufwärts soll es gehen, endlich wieder vorwärts, zum Sieg. "Mach ihn fertig", ruft ein junger Mann im SPD-Unterstützerhemd, als bei RTL noch Werbung läuft für Bier (Stoiber?) und italienische Nudeln (Schröder?) vor dem großen Duell.

      1972 war es ähnlich, als Willy Brandt und die SPD in den Umfragen hoffnungslos hinten lagen und erst im Endspurt mit der starken Persönlichkeit Brandts und einem Überthema (Ostpolitik) doch noch die Wende schafften. Gerd soll "mehr Willy wagen" sagt ein Juso vor dem Duell. Die große Zustimmung zu Schröder, der in den persönlichen Werten immer noch weit vor Stoiber liegt, und die Flut als nationale Katastrophe in der die Genossen-Solidarität zum Zuge kommt, sollen es bringen.

      Eigentlich kann nichts schief gehen. Zwar gibt es nur Wasser in der SPD-Zentrale, aber sie sind schon vorher in Sektlaune. Sie lachen sich warm und freuen sich auf "ähähäh" Stoiber. Was soll der langweilige und umständliche Aktenfresser schon gegen charming Gerd ausrichten können, wenn es Mann gegen Mann geht? Einer wird gewinnen, und das kann nur Schröder sein.

      Sie wittern Verrat als Moderator Peter Kloeppel mit einer Statistik die Duellanten noch mal persönlich vorstellen will. Was hat das zu bedeuten, wenn RTL es für nötig hält, die Zahl der Ehen zu erwähnen und die Lieblings-Sportarten. Stoiber, monogam und Fußballfan. Schröder in vierter Ehe Anhänger des Elitesports Tennis. Das muss System haben: Stoiber der Bodenständige und Schröder der Luftikus? Nicht mit uns. Noch lässt sich das weglachen.

      Dann sind sie einfach da nach einer weiteren Werbepause und Schröder macht den ersten Fehler. Er grüßt nicht. Er, der sonst keine Hand auslässt, die sich ihm bietet, steht da, lächelt verkniffen und kriegt den Mund nicht auf für ein schlichtes "Guten Abend". Stoiber gibt den Grüßonkel und lächelt. Kurz und knapp.

      Thierse schwitzt

      Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sitzt im Hemd in der ersten Reihe des "Willy-Brandt-Hauses" und schwitzt. Neben ihm hockt Verkehrsminister Kurt Bodewig und putzt die Brille. Nicht nervös werden.

      Immer wieder haben sie es ihm eingebimst: Du bist Kanzler, Staatsmann, der der zupackt in der Krise. Nicht zu arrogant und nicht zu jovial, Kanzler des Volkes sollst Du sein. Der andere wird sich schon selbst demaskieren mit seinem Gestammel, den teuren Versprechen und unbezahlbaren Versprechern. Schröder fügt sich in die Rolle, und später spüren alle, er zwängt sich hinein, obwohl er das andere besser beherrscht: Den Schlagabtausch, die Spontanität, mit einem feinen Witz die Botschaft an den Mann bringen.

      Das Frage-Antwort-System in vorgegebenen Zeiten kommt dem Kandidaten entgegen. Es zwingt ihn, sich zu konzentrieren. Kurze Sätze. Klare Botschaften. Stoiber wiederholt sich, aber er bringt die Formeln immer wieder, die ihm seine Berater aufgeschrieben haben: "Ein schwerer Fehler", er dehnt den Satz, betont ihn lange und schwer, es ist die Formel, mit der er jedes Urteil über die rot-grüne Politik einleitet: Arbeitsmarkt, Steuern, Zuwanderung, Wirtschaft: alles "ein schweeeerer Fehler".

      Schröder quält das Korsett, er will dazwischengehen, richtig stellen, den Kandidaten stellen. Seine Fans in der SPD-Zentrale warten darauf, ihren Gerd, den Medien-Kanzler zu erleben. Fast dankbar klingt das Auflachen, wenn er hin und wieder die Rolle verlässt und kleine Spitzen setzt. Stoiber hält ihm vor, dass Schröder selbst mal gesagt habe, Stoiber sei einer, der zupackt, verlässlich sei: "Der zieht das durch". "Das muss lange her sein", frohlockt Schröder gleich zweimal und die Genossen lachen. Kurz. Sie wollen mehr davon. Aber Schröder kann sich nicht entscheiden zwischen der ruhigen Hand des Staatsmannes und dem linken Haken für einen Gegner, den er spüren lassen will, dass er ihn nicht ernst nimmt. Eloquenz gegen Kompetenz lautete die Ausgangsposition.

      Aber es wird ernst. Der Kandidat darf urteilen, der Kanzler muss rechtfertigen, erklären. Dafür bräuchte es die Zeit für Argumente, eine Diskussion, die sich entfalten darf. Das sieht ein Duell nicht vor. Schuss. Treffer. Versenkt. Mehr nicht. Vorteil Stoiber.

      Die Journalisten Peter Limbourg und Peter Kloeppel finden Fragen zu den vorformulierten Antworten. Und Stoiber hat sie alle auswendig gelernt. Sein Wahlkampf-Manager Michael Spreng hat ihn perfekt eingestellt. Stoiber, die Spreng-Maschine. Er lässt seinen Zeigefinger weg und wird nur bei den Frauen schwach. Die Antwort über die Rolle seiner Frau setzt er voll in den Sand. Fast schon erlöst atmen die Schröderianer in der SPD-Zentrale auf, als er endlich-endlich das Bild bedient, das sie von ihm haben: Der knochentrockene Konservative, der Frauen nur am Herd sieht. Einmischung in die Politik seitens der Hausdame findet er "unangemessen." Da johlt die SPD-Gemeinde.

      Das kostet Stoiber Sympathie. Deutlich zu spüren an seinem Zögern: Das war die einzige Frage, auf die er nicht vorbereitet war. Die zweite Schwäche zeigt Stoiber beim Thema Umwelt. In seinem Kompetenzteam gibt es alles mögliche, aber keinen Umweltexperten. Die Union wurde geflutet. Hilflos der Versuch, das Thema mitten im Regen als Rettungsring zur Chefsache zu erklären. Vorteil Schröder. Er betont wiederholt die "ökologische Sensibilität" in seiner Koalition. Die Grünen werden sich wundern über so viel plötzliche Zuneigung.

      Auf dem Frauenthema rumreiten

      Auf den Handys der Genossen in der Zentrale in Berlin gehen die ersten SMS der Wahlkampfplaner ein: "Auf dem Frauenthema müssen wir morgen rumreiten. Das kostet Stoiber Sympathie." Zu anderen Themen schweigt der Mobilfunk. Thierse vergräbt das Gesicht in den Händen. Er findet die Frage nach den Frauen unpolitisch, nicht statthaft. Er, der Grundsatzdebatten liebt, ahnt wieder, wo er ist: Im Wahlkampf. Bei RTL und Sat1. Im Duell. Thierse schwitzt.

      Alle schauen auf Gerd. Wann legt er endlich los? Sein Job ist es, die Imagewerte für das Markenprodukt Schröder auf das Sub-Unternehmen SPD zu übertragen. Stoiber hingegen muss wenig tun: Einfach das vermeiden, was alle erwartet hatten. Ähh.

      Im Willy-Brandt-Haus wird die Luft dick, die Zuschauer sind müde. Schröder verharrt im Staatsmännischen, glaubt unerschütterlich an sich, sieht keinen Grund sein Politik in Frage stellen zu lassen. Stoiber meidet klare Aussagen und lächelt dazu, hat nur eine Botschaft: Die können es nicht, wir sind besser. Schröder zementiert den Machtanspruch. Stoiber mogelt sich hoch. Schröder gibt sich staatsmännisch, fast überheblich, fast wie Kohl - früher. Stoiber greift an, scharrt mit den Füßen, fast wie Schröder - früher. "Willy", sagt ein Jungsozialist, "wollte mal mehr Demokratie wagen". Dann packt er ein.
      Avatar
      schrieb am 27.08.02 14:29:36
      Beitrag Nr. 176 ()
      Münchner Merkur

      "Endlich treten auch bei uns die Kandidaten zusammen in den Fernseh-Ring. Gerhard Schröder oder Edmund Stoiber: Wer wird politischer Meister aller Klassen? Es fehlt nicht an ernst zu nehmenden Warnungen, dass sich die Demokratie mit dieser Verschauspielerung des Wahlkampfes auf ein gefährliches Gleis begibt. In keinem anderen Medium entfaltet die manipulierte Oberfläche eine ähnliche Dominanz wie im Fernsehen. Bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit hoher Zahl unentschlossener Wähler können aus grotesken Nebensächlichkeiten im TV-Duell tatsächlich mitentscheidende Wirkungen auf die politische Stimmung entstehen. Dass dieser Effekt beide Kandidaten gleichermaßen treffen kann, macht die Sache nicht besser."
      Avatar
      schrieb am 28.08.02 10:56:50
      Beitrag Nr. 177 ()
      Auslandspresse zum TV-Duell

      "Mutation zur Show"

      Die europäische Presse ist sich weitgehend einig: Im TV-Duell zwischen Kanzler Gerhard Schröder und Herausforderer Edmund Stoiber gab es keinen klaren Sieger. Stattdessen hagelt es Kritik am Fernseh-Showdown selbst.

      ÖSTERREICH:

      Die Presse: Das deutsche Fernsehduell hat die Quoten einiger Sender vergrößert, den Durchblick auf Deutschlands Zukunft jedoch nicht. Weder der nervöse Herausforderer noch der überhebliche Amtsinhaber konnten den Eindruck vermitteln, im wichtigsten Staat Europas stehen Staatsmänner zur Auswahl, auf die man sich verlassen kann. Männer, die Deutschland aus seiner schlimmsten Nachkriegskrise steuern können. Hinter den von Beratern aller Kreativität entkleideten Positionen und gedrechselten Sätzen sind die Visionen ausgeblieben. Deutschlands Parteiendemokratie hat durch die Mutation zur Show nicht an Qualität gewonnen.

      Kurier: Einen eindeutigen Gewinner der Konfrontation bietet die versammelte Meinungsforschung nicht. Was zumindest für SPD und CDU/CSU recht praktisch ist. Kann doch jede der beiden Parteien jetzt locker behaupten, dass ihr Spitzenkandidat vorn liegt. Und da macht es auch gar nichts aus, dass inhaltlich nur wenig Neues geboten wurde. Denn Schaukämpfe brauchen keine Sieger. Nur Zuschauer. Und davon gab es genug.


      FRANKREICH:

      Le Figaro: Nun haben sich zwei Champions real gegenüber gestanden. Es ist ein neuer Sport entstanden. Die Anhänger Schröders reklamieren, dass die strengen Regeln des Duells Stoiber zugute kommen, der mehr verstandesmäßig agiert, während Schröder emotionaler auftritt. Für den 8. September fordern sie eine Auflockerung der Regeln. Das zeigt nur ihre Besorgnis. Stoiber ist dagegen seinem negativem Image entkommen, er war schnell und mündlich brillant. Schröder blieb Schröder, aber ein bisschen weniger gut und oft in der Defensive.

      Le Monde: Eingezwängt in sehr strikte Regeln hat die Debatte, ersten Reaktionen zufolge, aber keinem der beiden Kontrahenten Aufwind gegeben. Sie hat den Partnern Deutschlands auch keinerlei Hinweise darauf gegeben, wie die Wahl ausgehen könnte. Bevor die Berliner Regierung nicht gewählt ist, wird sich in Europa nichts Entscheidendes bewegen.


      ENGLAND:

      The Times: Obwohl sich Schröder beim Ausnutzen des Hochwassers als sehr geschickt erwiesen hat, könnte die gestiegene Zustimmung für ihn so schnell wieder abebben wie das Flutwasser. Stoiber hat unbarmherzig die Dinge angesprochen, die der SPD das größte Unbehagen bereiten: eine Arbeitslosigkeit von über vier Millionen und eine träge Wirtschaft.

      Financial Times: Entgegen allen Erwartungen erwies sich die 75-minütige Fernsehübertragung am Sonntag nicht als Hinrichtung. Es war sogar der einst so gestelzte und hölzerne Stoiber, der als Bester aus dem Duell hervorging. Während sich Schröder darauf konzentrierte, staatsmännisch rüberzukommen, gelang es seinem Rivalen, schlagfertig und aggressiv zu wirken. Für den größten Teil der Zeit lenkte Stoiber die Diskussion auf das Zwillingsthema hohe Arbeitslosigkeit und niedriges Wirtschaftswachstum - das Thema, bei dem die Regierung am verwundbarsten ist.


      RUSSLAND:

      Kommersant: Die Debatte hat keinen klaren Sieger gebracht. Herr Stoiber zeigte sich selbstsicher und war in einigen Punkten sogar besser als der amtierende Kanzler. Er hatte vor der Sendung eigens geübt, auf Fragen überzeugend zu antworten.

      Wremja MN: Der deutsche Sozialdemokrat traf sich zum Duell mit einem Konservativen. Ein Schuss fiel, und der Sozialdemokrat fiel tödlich getroffen um und starb nach drei Tagen. Anlass dieses Duells war natürlich die Liebe; wegen der Politik hätte damals niemand geschossen. Der Verlierer war Ferdinand Lassalle. Und das einzig Bemerkenswerte an dieser 138 Jahre alten Geschichte ist, dass sie fast am gleichen August-Tag stattfand, an dem auch Gerhard Schröder und Edmund Stoiber ihre Kräfte gemessen haben.


      SPANIEN:

      El Mundo: Überraschenderweise war das TV-Duell ausgeglichen. Beobachter sagen, es sei unmöglich, einen Gewinner zu ermitteln. Angesichts der geringen Aussichten, mit denen Stoiber gestartet war, bedeutet dies für ihn einen Erfolg. Nach Ansicht des Kanzlers war das Format der Sendung mit zwei Moderatoren und kaum direktem Gespräch zwischen den Kandidaten dafür verantwortlich, dass es keine brillanten Wortwechsel gab.
      Avatar
      schrieb am 28.08.02 10:59:58
      Beitrag Nr. 178 ()
      SPIEGEL ONLINE - 26. August 2002, 18:32
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,211100,00.h…



      Steuer-Streit nach dem Duell

      Wer hat nun gelogen?


      Von Markus Deggerich

      "Lüge" und "Unsinn": Empfindlich reagiert die Union auf den Vorwurf des Bundeskanzlers, sie wolle die Zuschläge für Feiertags- und Nachtarbeit besteuern. Zwar findet sich kein eindeutiger Beleg, aber die SPD wittert einen Wahlkampftrick beim Kampf um das Logo "sozial gerecht".

      Alles nur "Unsinn"?: Duell Schröder-Stoiber


      Berlin - Nach dem Duell wird weitergeschossen. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) aufgefordert, seine Behauptung aus dem TV-Duell zu widerrufen, die Union wolle die Zuschläge für Feiertags- und Nachtarbeit besteuern. "Das ist schlicht und ergreifend die Unwahrheit", sagte Merkel nach der Vorstandssitzung am Montag in Berlin. Schröder "sollte die Kraft haben und sagen, ich habe mich geirrt".

      Schröder sah hingegen keinen Anlass, seinen Vorwurf zurückzunehmen. Das Unions-Wahlprogramm beziehe sich in diesem Punkt eindeutig auf die so genannten "Petersberger Beschlüsse" aus der Endzeit der Regierung Kohl. In ihnen sei dies angekündigt worden, erklärte der Kanzler am Montag trotzig.

      Stoiber hatte bereits während der Sendung die Bemerkung als "Unsinn" zurückgewiesen. In ihrem Wahlprogramm 2002 verspricht die Union in dem Abschnitt "Steuerpolitik" auch nur eine "große Steuerreform", "die von den Vorgaben einfacher, niedriger und gerechter gekennzeichnet ist." Eine unverbindliche und unkonkrete Ankündigung. Einen direkten Hinweis auf die Petersberger Beschlüsse gibt es nicht. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass die "Vielzahl von Sonderregelungen das Steuerrecht verkompliziert". In dem Papier heißt es auch: "Da Ausnahmetatbestände dem Konzept einer einfachen und transparenten Besteuerung widersprechen, wollen wir sie auf den Prüfstand stellen." Die Steuerfreiheit für Nacht- oder Feiertagsarbeit ist ein solcher Ausnahmetatbestand.

      Was als kleinlicher Streit um eine einzelne Steuerregelung erscheint, ist von großer politischer Brisanz. Auch die Wortwahl am Montag von Unionspolitikern zeigte die Nervosität: CSU-Generalsekretär Thomas Goppel warf Schröder vor, er habe "ganz bewusst mit Lügen gearbeitet"

      Hinter dem Steuerstreit steckt der Kampf um die Mitte und das Markenzeichen "soziale Gerechtigkeit", das Union und SPD für sich reklamieren. Die Union ist in dem Punkt besonders nervös, weil sie 1998 vor allem wegen verfehlter Sozialpolitik bei Gesundheit, Renten und Steuern bei den Wählern in Verruf geriet.

      Es trifft die Geringverdiener

      Und eine Besteuerung der Zuschläge würde besonders Berufsgruppen wie Feuerwehrleute, Bäcker, Zeitungsdrucker und Krankenschwestern treffen. Zur Zeit sind Zuschläge von der Steuer befreit, solange sie eine bestimmte Höhe nicht übersteigen. Bei Nachtarbeit beispielsweise wird der Zuschlag bis zu einer Höhe von 25 Prozent des Grundlohns nicht versteuert. An Feiertagen belaufen sich Zuschläge auf bis zu 150 Prozent. Da viele der genannten Berufsgruppen im Niedriglohnbereich arbeiten, sind sie auf die Zahlungen stark angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.


      Die Steuer- Enthüllung erst nach der Wahl: FDP


      Nacht-, Sonn-, und Feiertagszuschläge wurden ursprünglich mit dem Gedanken eingeführt, Arbeitnehmern mit einer physisch und psychisch belastenden Arbeitszeitregelung einen monetären Ausgleich zu verschaffen. Da diese Arbeitszeiten vor allem in sozialen Einrichtungen - Krankenhäuser, Altenheime, Behinderten-Einrichtungen - üblich sind, war die Befreiung auch immer eine Art staatliches "Dankeschön" für den Dienst an der Gesellschaft. Wer dort die Axt anlegt, macht es dem politischen Gegner leicht ihn als "unsozial" zu stigmatisieren.

      Deswegen beharrt Merkel darauf, dass die Union keinesfalls die Befreiung der Zuschläge abschaffen wolle. Im unkonkret formulierten Programm findet sich dazu allerdings keine einzige eindeutige Verneinung.

      Die Lücke als Wahlkampftrick für die SPD

      "Jetzt wird von der CDU/CSU-Spitze hektisch der Nebelwerfer bedient. Sie versucht zu vertuschen, was Teil ihres Steuerplanes ist: Die Steuerbefreiung für Zuschläge soll entfallen. So steht es in den Petersberger Beschlüssen der CDU", sagt SPD-Generalsekretär Franz Müntefering. Noch vor kurzem habe Fraktionschef Friedrich Merz betont, dass die Union ihre Steuerreform auf Grundlage der "Petersberger Beschlüsse" plane. "Stoiber ist erwischt", frohlockt Müntefering.

      Interessant in dem Zusammenhang ist der schweigende Dritte, die FDP, als potenzieller Koalitionspartner der Union. Zwar kann die CDU/CSU nun steif und fest behaupten, sie werde diese Steuerregelung nicht ändern. Aber nach den Koalitionsverhandlungen könnte sie behaupten, sie hätte in diesem Punkt den Liberalen entgegen kommen müssen. Denn in ihrem Wahlprogramm kündigt die FDP eine Vereinfachung des bisher bestehenden Steuerrechts an. Die Liberalen wollen einen radikalen Stufentarif von 15, 25 und 35 Prozent, der Opfer fordert: Arbeitnehmer würden eben genau jene steuerfreien Zuschläge einbüßen - darum wohl schweigt die FDP im aktuellen Steuerstreit hartnäckig.

      Die SPD lenkt so die Aufmerksamkeit auf diese soziale Frage, weil ein Großteil ihrer Stammwähler davon betroffen wäre. Einer Analyse der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zufolge wären etwa 20 bis 25 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder Opfer dieser Aufhebung der Freistellung.

      Sollte es zu einer Besteuerung der Zuschläge kommen, bedeutete das laut Verdi eine Nettolohnkürzung, die sich beispielsweise bei einem Münchner Busfahrer mit einem Bruttolohn von 2802,50 Euro auf 5,67 Prozent belaufen würden. Welcher Busfahrer, welche Krankenschwester, kalkuliert die SPD, wählt dann noch Union, wenn sie wissen, das die nur mit der FDP regieren können?
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      schrieb am 30.08.02 01:43:32
      Beitrag Nr. 179 ()
      schröders versprecher
      Vielen wird es schlechter gehen

      Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich ohne Not in die Ecke manövriert. Er hat ein Versprechen gegeben, das sich nicht einhalten lässt. Niemandem solle es nach der Flut materiell schlechter gehen als vorher, hat der Kanzler erklärt und erweckte in Dresden, Grimma und Bitterfeld die Hoffnung auf allumfassende Hilfen.
      In ein paar Jahren könnte es jedoch so aussehen: Viele Privatleute haben ihre Häuser wieder aufgebaut, viele Betriebe das Gröbste überstanden. Doch man wird nicht lange suchen müssen, um Gegenbeispiele zu finden: Leute, die früher ein Reihenhaus bewohnten und nun im Plattenbau leben, einst selbstständige Handwerker, die sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten.

      Kommentar
      von HANNES KOCH

      Nicht wenigen Leuten vor allem in Sachsen und Sachsen-Anhalt wird es auf die Dauer schlechter gehen als vorher. Denn die Schäden der Flut sind zu groß. Schon jetzt klafft eine Finanzlücke zwischen dem staatlichen Hilfsprogramm und den Kosten, die Versicherungen und die EU-Kommission voraussehen. Während Rot-Grün 10 Milliarden Euro aufbringt, sollen die Gesamtschäden 15 Milliarden betragen. Niemand erweckt zurzeit den Anschein, diese Lücke schließen zu wollen - nicht einmal die Union, die Schröders misslungenes Versprechen zu Recht kritisiert. Und die Chancen, demnächst noch mehr Geld für die Opfer der Flut einzusammeln, dürften sinken. Die Solidarität derjenigen, die die Ereignisse nur am Bildschirm verfolgt haben, hat Grenzen. Was jetzt gerade noch akzeptabel erscheint, ist in Kürze nicht mehr möglich - andere Sorgen werden dominieren.

      Hinzu kommen ganz alltägliche Probleme. Mancher Betrieb bleibt geschlossen, weil die Hausbank alte Kredite nicht annulliert, die der Meister nun nicht mehr bezahlen kann. Große Teile der privaten Verpflichtungen abzudecken, ist die öffentliche Hand aber wegen Geldmangels gar nicht in der Lage.

      Schröders Äußerung erinnert fatal an die Ansage, die Zahl der Arbeitslosen bis Ende 2002 auf 3,5 Millionen zu reduzieren - oder auch an das Kohlsche Diktum von den "blühenden Landschaften". Jeder lacht, wenn die Sprache darauf kommt. Dass er einen Fehler gemacht hat, ist dem Kanzler inzwischen klar geworden. Während seiner gestrigen Regierungserklärung räumte er ein, dass es zu "Härten" kommen könne. Trotz dieser verspäteten Einschränkung wird Schröder an seiner ursprünglichen Aussage gemessen werden. Sein Glück, dass sich erst nach dem Wahltag erweisen wird, wie falsch sie ist.

      taz Nr. 6840 vom 30.8.2002, Seite 1, 85 Zeilen (Kommentar), HANNES KOCH, Leitartikel
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      schrieb am 02.09.02 22:28:24
      Beitrag Nr. 180 ()


      Hans Well, Kabarettist der Biermösl Blosn, erklärt, warum Angela Merkel zu unvorsichtig war und seine Katze manchmal Reißaus nimmt

      Von Alexander Pfülb (Zeitung zum Sonntag, Freiburg)

      Seit nunmehr über 25 Jahren wetzten drei Brüder, gebürtig aus Günzlhofen zwischen Augsburg und München, ihre kabarettistischen Messer und schlagen sich mit ihren Liedern durch den Urwald und Sumpf bayerischer und bundesdeutscher Politik. Christoph, Hans und Michael Well heißen sie, sind aber wesentlich bekannter unter dem Namen Biermösl Blosn. Zahlreiche Kabarett- und Kleinkunstpreise haben die Drei, die eng mit Gerhard Polt und den Toten Hosen befreundet sind, im heimischen Regal stehen. Den oberbayerischen Kulturpreis aufgrund einer CSU- und Republikanermehrheit im Bezirktag aber nicht. Die Zeitung zum Sonntag sprach mit Hans Well (49), Ältester der Blosn und Kenner der bayerischen Politszene, über die Kanzlerkandidatur von Edmund Stoiber.

      Herr Well, haben Sie mit Angela Merkel Mitleid?

      Hans Well: Ja sicher, wir haben sogar eine traurige Ballade getextet. Sie hat den Stoiber unterschätzt. Wenn sie nachgeschlagen hätte in der Geschichte von Bayern und vom Stoiber, dann hätte sie mitgekriegt, wie er den Streibl, den vorherigen Ministerpräsidenten, politisch gemeuchelt hat. Und wie er dem Waigel seine Scheidung genutzt hat, um ihn auszuschalten, und den Sauter wegen der LWS-Affäre opfert, da hat er einen Schuldigen gebraucht. Die Merkel ist sehr unvorsichtig in die Schlacht gegangen. Wenn ein Stoiber sagt, er hat keine Ambitionen auf das Bundeskanzleramt, müssen doch die Alarmglocken schrillen. Nach der vierten Weißwurst beim Frühstück hat’s aber dann kapiert und vor der 5. kapituliert.



      Wie reagieren Sie, wenn Edmund Stoiber sich nach Berlin verabschiedet?

      Well: Ja, das ist traurig - für die Berliner Eierwerfer aber ein interessantes Projekt. Der Stoiber ist für uns aber schon immer nur peripher interessant. Er kommt immer wieder mal vor, prägt unser Programm aber nicht, sonst würd’s fad. Ich merke allerdings jetzt schon, wie das Interesse an Bayern steigt (siehe dieses Interview). Stoiber ist für uns aber berechenbar.

      Aber nicht für die Bundesrepublik.

      Well: Er hat im Moment eine Kurskorrektur vom Image her. Weil sein Imagedesigner hat gesagt, dass er sich entbayern soll, das kommt in Norddeutschland besser an. Jetzt hat er seine Krallen entstoibert und Kreide gefressen – er ist nun ein Mann der Mitte geworden. Inzwischen geht er kaum mehr mit dem Trachtenanzug weg. Ich glaub’, die Gebirgsschützentracht hat er verbrannt.



      Spätestens am Aschermittwoch in Passau wird aber wieder der alte Stoiber zu sehen sein?

      Well: Na, des glaub’ i ned. Man wird einen vollkommen anderen Stoiber erleben. Man wird merken, wie unglaublich wandelbar dieser Mensch ist; er wird staatsmännisch auftreten. Er wird natürlich attackieren, das ist klar. Aber von der Tendenz her wird er versuchen, die Mitte darzustellen. Was ist das Beste beim Hot Dog? In der Mitte as Würschtl und des woass er.

      In einem Ihrer Lieder singen Sie: „Wir in Bayern brauchen keine Republikaner, sogt der Beckstein und der Stoiber, weil rechts und radikal, des warn mir oiwei scho soiber (...das waren wir immer schon selbst)?

      Well: Das Gute für den Stoiber ist ja, er braucht dieses Image nicht mehr zu verstärken, weil er es sowieso hat. Dieses Klischee braucht er nicht mehr zu bedienen, weil diese Aura sowieso an ihm hängt. Und zu Recht. Ich glaub’, der Haider und der Berlusconi sind schon in freudiger Erwartung.

      Damit die beiden gemeinsam mit Stoiber die Lega Süd gründen können, wie Sie es formuliert haben.

      Well: Aber nur im Falle des Scheiterns, dann wird Bayern sich endlich mal besinnen, dass es im Süden auch noch was gibt – mit dem man sowieso besser zusammenpasst.

      Wer wäre denn Ihr Lieblingsnachfolger als Ministerpräsident, vorausgesetzt Stoiber wird Kanzler?

      Well: Mei, da gibt’s in Bayern einen Fundus, der ist schier unerschöpflich. Da gibt’s den Erwin Huber, der scharrt schon, oder der Faltlhauser. Nicht zu unterschätzen die Monika Hohlmeier, die übt mit Rasierklingen an den Ellbogen. Oder da Verkehrsminister Wiesheu, der mit 1,9 Promill einen Polen totgefahren hat. Ich tät vorschlagen: Max Strauß. Der bringt bayrische Tradition mit einer sizilianischen Prägung mit.

      Und guten Kontakten nach Kanada.

      Well: Ja, da kommt auch noch das Flair einer unabhängigen bayerischen Justizpolitik dazu.

      Stoiber wird ganz gerne als Ziehsohn von Franz-Josef Strauß beschrieben. Was fehlt ihm noch, dass er den gleichen Status wie das CSU-Urgestein und ehemalige Kanzlerkandidat erreicht?

      Well: Kaum etwas. Allein sein Redetalent und sein Körpergewicht. Und wenn man gesehen hat, wie er bei der Christiansen unglaublich oppulent gepunktet hat, wie barock er redet – da fehlt nicht mehr viel. Im Grund genommen ist er äh, sicherlich äh, äh, äh, äh, äh, sicherlich. Sie verstehen. Ich glaube einfach, dass der Stoiber in Bayern eine Lichtgestalt ist. Er redet sehr lange, so lange, bis die hinteren Reihen im Bierzelt einschlafen. Und dass die nicht revoltieren ist ein Zeichen, dass der Mann sehr gescheit ist.

      Aber Proteste in bayerischen Bierzelten gegen CSU-Politiker sind sowieso selten?

      Well: Das gibt’s schon. Wenn die Leute Alkohol intus haben und wenn sie merken, dass der Entertainer da vorne ein Langweiler ist. Aber beim Stoiber? Man ist so fest überzeugt, dass der Mann wahnsinnig gescheit ist, dass man überhaupt nicht mehr hinhört, was er von sich gibt.

      Im Lied „Tag des Rollbratens“ singen Sie, dass bei einer Stoiberrede alle Besucher zum Schluss mit Magen- und Darmproblem ins Krankenhaus mussten...

      Well: Das war wirklich eine wahre Begebenheit. Wahrscheinlich war’s ein muslimischer Küchengehilfe, der hat eine eitrige Wunde am Finger gehabt und damit Kartoffelsalat gerührt, und dann sind irgendwie Streptokokken oder so hinein geraten, die sich rasend schnell vermehrt haben. Worauf die ganze Turnhalle in Hausen am Boden gelegen war. Und irgendwann sind dann die Sankas um die Wette gefahren, damit man die Leute schnell in die überfüllten Krankenhäuser bringt. Das war aber gar nicht der Kartoffelsalat, wie es die CSU behauptet hat. Mir wissen natürlich die Wahrheit, nämlich dass das auf die Rede vom Stoiber zurückzuführen war. Die Leute haben sich gekugelt, die Rede war so lustig, so humorig, dass die Leute am Boden gelegen waren und sich gekrümmt haben vor Lachen und davon Bauchweh gekriegt ham. Der Stoiber ist nämlich zusammen mit dem Kardinal Ratzinger Valentinsordensträger. Zwei große Humoristen!

      Zum Schluss meinen Sie, dass Sie nie mehr zu einer Stoiber-Versammlung geht.

      Well: Die Leute in dieser Ortschaft gewiss, die sind jetzt bestimmt vorsichtiger.

      Und die Biermösl Blosn?

      Well: Wir kennen unseren Stoiber, wir brauchen den nicht mehr anschauen. Das ist uns ja sowas von geläufig. Wir haben vor einem Jahr in Graz gespielt. Da war gerade Wahlkampf und der Stoiber ist aufgetreten. Wir haben ihn nur von der Ferne gehört – es war uns alles sehr bekannt. Er hat den Grazern versprochen, dass BMW zu ihnen kommt – das Werk wurde dann doch in Leipzig gebaut.



      Vergangene Woche sind Sie bei Boulevard Bio zum Thema Alpenglühen aufgetreten.

      Well: Mein Gott, das ist halt eine Plauderei.

      Auf Ihren Auftritt musste der Zuschauer lange warten, weil vorher unter anderem Herbert Herrmans und Hansi Hinterseer gesprochen haben.

      Well: Das ist die geistige Elite, da muss man ein bisschen warten.

      Wie fanden Sie denn die Unterzeile „Bayerns böse Buben“.

      Well: Sie könnten ja wenigsten „böse Jungs“ schreiben. Beim Thema Alpenglühen wäre es halt interessant gewesen, über Kitsch zu reden.

      Trotzdem sind Sie nicht richtig zum Zug gekommen.

      Well: Das ist schwierig. Man ist ja in einem Gesprächsumfeld und wartet auf die Fragen. Und wenn man gerade zur Antwort ansetzt, dann fällt einem der Maximilian Schell ins Wort mit „Woher kommt eigentlich das Alpenglühen?“ und der Biolek zitiert den Brockhaus. Dann kommt man schon gar nicht mehr richtig weiter. Ich wollte eigentlich weiter ausführen, warum die Alpen vor Scham so rot werden.

      Aber mit Ihrem Lied, begleitet von Alphörnern, haben Sie doch noch einen würdigen Abschluss gefunden.

      Well: Das Edelweißlied verkörpert halt dieses reine Bayern, und auch die Menschen in Bayern, die so unglaublich rein miteinander umgehen wie die Edelweiße.

      Gibt’s eigentlich schon ein Lied über den Bundesinnenminister Otto Schily?

      Well: Der ist schon peripher dabei. Er hat sich ja jetzt doch enttarnt, dass er ein V-Mann der CSU ist. Das haben wir schon gewürdigt.

      Bitte ein Auszug aus dem Lied.

      Well: Oh, das weiß ich jetzt gar nicht so auswendig, das singen normalerweise meine Brüder. Irgendwie: Der Old Shatterhand g’hört zum Winnetou, wie zum Manitu der Schuh und der Otto Schily g’hört zu den V-Männern in der CSU.

      Die Toten Hosen zählen zu Ihren Freunden, haben Sie die neue CD schon gehört?

      Well: Ja, die haben sie uns geschickt. Ich find’ sie auch ganz gut, scheint ja hoch in den Charts bewertet zu sein. Was aber ein gutes Zeichen ist: Unsere Katze hört das auch gerne.

      Die Katze?

      Well: Sie nimmt nicht Reißaus bei den Hosen. Wenn der Stoiber redet, wird sie unruhig. Er hat da mal ein Interview gemacht mit dem Sigmund Gottlieb, und daraufhin ist die Katze vom Sofa gehupft und weggegangen. Wir haben sie dann geschimpft, dass sie sich so wenig als bayerischer Staatsbürger erweist.

      Vielleicht zählte ja eine niedersächsische Katze zu den Vorfahren.

      Well: Wahrscheinlich irgendwie eine ausländische. Irgend sowas.

      Nochmal zur Kanzlerfrage: Hat Stoiber eine reele Chance gegen Schröder?

      Well: Das kommt darauf an, in welche Kochsendung er geht.

      Und die wäre?

      Well: Unbedingt Alfredissimo. Er muss irgendwas kochen, wo zum Schluss alles verbrannt ist. Damit er seinem Image gerecht wird. Und alles muss schwarz sein im Kochtopf.

      Was kocht er da am besten?

      Well: Weißwürscht, schwarze Weißwürscht!







      http://www.biermoesl-blosn.de/presse001.htm
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      schrieb am 03.09.02 02:16:29
      Beitrag Nr. 181 ()
      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 04.09.02 15:32:48
      Beitrag Nr. 182 ()
      Schröder - Der Kanzler im Wahlkampf
      Mittwoch, 4. September 2002, 21.45 Uhr im ERSTEN Programm


      Ein Portrait von Petra Nagel und Werner Sonne

      Er kommt aus ärmlichen Verhältnissen, und er ist stolz darauf, es bis ganz oben geschafft zu haben. Gerhard Schröder hat die SPD nach 16 harten Oppositionsjahren wieder zurück an die Macht gebracht. „Jetzt will ich meinen Job gut machen,“ sagt er nach seinem Wahlsieg 1998, „das ist der einzige Ehrgeiz, den ich noch habe, und ich will selber bestimmen wie lange.“
      Und dann geht es los: der Spaß-Kanzler, der Chaos-Kanzler, der Hau-Ruck-Kanzler, der Genosse der Bosse - immer neue Etiketten werden Gerhard Schröder angehängt. Ein Politiker der Kontraste. Ein Mensch mit Widersprüchen.
      Wofür steht Gerhard Schröder? Hat er die Möglichkeiten genutzt, die in seiner Macht standen? Oder war ihm die Macht allein genug?
      Mehrere Monate beobachtet das ARD-Team den Kanzler bei seiner Arbeit - vom Treffen mit Wladimir Putin in Weimar bis hin zum Besuch im Kleingartenverein, vom Schornsteinfegertag bis nach Afghanistan, von der Wahlniederlage in Magdeburg bis zum Jubelparteitag der SPD in Berlin - und in seiner raren Freizeit beim Einkaufsbummel mit Ehefrau Doris in Hannover.
      Zugleich führten die Autoren vor der Kamera zahlreiche Gespräche mit Wegbegleitern, Freunden, Kritikern und Gegnern, die Gerhard Schröder in den vergangenen vier Jahren aus unmittelbarer Nähe erlebt haben. Sie ergeben ein dichtes, aber auch differenziertes Bild des Kanzlers, der mit aller Kraft um seine zweite Wahl kämpft: Schröder - der Machtmensch - in Höhen und Tiefen.
      Avatar
      schrieb am 07.09.02 13:51:58
      Beitrag Nr. 183 ()
      Wahr ist, was schief geht
      Wahlkämpfe sind weniger verlogen als ihr Ruf. Dafür sorgen schon die Politiker, die mit ihren Patzern die Inszenierungen der Strategen vermasseln
      aus Marl PATRIK SCHWARZ

      Der CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Lammert staunte nicht schlecht. Die Maria-Sibylla-Merian-Gesamtschule in seinem Heimatwahlkreis Bochum hat den Politiker für kommenden Montag auf ein Podium geladen. "Für die Diskussionsrunden bitten wir schon jetzt um die Einhaltung von Gesprächsregeln", wurde der Vorsitzende der mächtigen NRW-Landesgruppe im Einladungsschreiben belehrt. Er habe "90 Sekunden Zeit, auf eine Frage zu antworten, nach einem Durchgang stehen jedem Politiker weitere 60 Sekunden zur Verfügung". Noch ehe sich morgen die Kanzlerkandidaten zum abschließenden "TV-Duell" gegenübertreten, haben die Regeln des Fernsehens bereits bis in den letzten Winkel der Republik die Auseinandersetzung verändert.

      Spätestens seit das Duell das politische Mobiliar der Bundesrepublik erweiterte, gilt der Wahlkampf 2002 als Höhepunkt eines Trends, der Inszenierung über Inhalte stellt. Politologen wie Medienwissenschaftler verfolgen die Entwicklung mit berufsbedingter Sorgenmiene, so zuletzt auf den Marler Tagen der Medienkultur des renommierten Adolf-Grimme-Instituts.

      Schon der Tagungstitel "TV-Duelle, Spin-Doktoren und Guidomobil" verriet das diffuse Unbehagen der Medienwächter. Doch die Sorge, dass Schein über Sein siegt, ist unbegründet. Das garantieren schon die Politiker, die mit ihren Patzern noch jede Inszenierung der Parteistrategen vermasselt haben - und damit dem Wahlkampf eine ungewollte Wahrhaftigkeit verleihen.

      Trickreich verwischen die Wahlkampfmanager die Grenze zwischen Absicht und Täuschung. Waren Möllemanns Ausfälle gegen Friedman antisemitischem Kalkül oder überschießendem Adrenalin geschuldet? Mit letzter Sicherheit vermag das wohl nicht mal der FDP-Rambo selbst zu unterscheiden.

      Misstrauen ist auch angebracht gegenüber den allzu willigen Angeboten der postmodernen Wahlkämpfer, ihre Ziele, Strategien und Methoden offen zu legen. "Der Blick hinter die Kulissen gehört längst zum Wahlkampf", hat der Filmemacher Stefan Lamby erlebt, der für den Sender Phoenix an einem Projekt zur theatralischen Inszenierung des Politischen arbeitet. Der Blick hinter die Kulissen ist nicht mehr investigatives Werkzeug des Journalisten, sondern inszenatorisches Instrument der Werbefachleute. Seit die Arbeitsweise der SPD-Kampa 1998 ein Dauerrenner der Wahlkampfberichterstattung war, gilt es unter deutschen Parteimanagern als letzter Schrei, Medien und Wahlvolk beim Inszenieren der Inszenierung zuschauen zu lassen.

      Die Entstehung von Gedanken beim Denken mit zu reflektieren galt unlängst noch als höchste Kunst der Postmoderne. Im Jahrhundert der Spin-Doctors ist diese Weisheit Allgemeingut. 49 Prozent der öffentlichen Berichterstattung über Wahlkämpfe besteht inzwischen aus Beiträgen über die verschiedenen Formen von Kampagnen und deren Macher, hat eine Studie für die Zeitschrift PR Report herausgefunden. Die Inhalte wurden mit knapp 40 Prozent klar auf den zweiten Platz verdrängt. Das ist in etwa so, als hätte "Star Wars" weniger Zuschauer als die Werbedoku "The Making of Star Wars".

      Als Folge kennen inzwischen vermutlich mehr Deutsche den Wahlkampfmanager Michael Spreng als die Bildungsministerin Edelgard Bulmahn. Edmund Stoibers PR-Stratege darf sich daher im ARD-Porträt "Die Kanzlermacher" zu Recht rühmen, sich besser zu vermarkten als Kampa-Chef Matthias Machnig. Sein Chef Stoiber wiederum ist klug genug, zu akzeptieren, dass Sprengs Eigenlob der Lorbeer ist, aus dem sein eigener Siegeskranz geflochten wird. Die Medien verfolgen fasziniert, wie sie von Showmastern zu Oberbeleuchtern degradiert werden. Irgendwie ahnen die Journalisten, dass sie eifrig daran mitwirken, beschissen zu werden, doch finden sie im Labyrinth der Kulissen den Notausgang nicht.

      Wo bleiben also die Inhalte? Der Wunsch, aus den Duellanten mehr Substanz herauszuholen, ist ziellos: Es steckt in ihnen nicht mehr drin. Dasselbe gilt für den Wahlkampf als Ganzes. Wirbt die SPD nicht, wie sie regiert? Nur wer vom Wahlkampf erwartet, dass er besser ist als die Politik (und die Politik besser als das Volk), kann sich beklagen. Wenn die Wähler Schröder verzeihen, wie er regiert, warum sollten sie ihm nicht verzeihen, wie er Wahlkampf betreibt?


      "Ohne attraktives inhaltliches Angebot und ohne Meinungsführerschaft keine maximale Mobilisierung des eigenen Potenzials", warnte schon im Frühsommer dieses Jahres der Leiter der legendären "Willy wählen"-Kampagne von 1972, Albrecht Müller. Doch der Kandidat Schröder war im Wahlkampf so sprunghaft, chaotisch und bar jeder Leitlinie, wie er vier Jahre regiert hatte. Das Drehbuch des Herrn Machnig verpatzte er bereits, als er Monate zu früh die geplante Schlusspointe "Der oder ich" hinausposaunte. Die behelfsweise hinterhergeschobene "programmatische Initiative" erschöpfte sich im wiederholten Gebrauch der Vokabel "Solidarität". Der halbgaren Idee vom "deutschen Weg" war keine längere Halbwertszeit beschieden, Schröder verwendet sie nur noch auf Nachfrage.

      Auch mit den Grünen sprang der Wahlkämpfer Schröder so willkürlich um wie zuvor der Kanzler: Am Anfang gab es ein gemeinsames Anzeigenmotiv mit Joschka Fischer, dann war monatelang Funkstille. Nach der Flut räuberte er den grünen Themenfundus, jetzt wird für den Sonntag vor der Wahl noch rasch eine gemeinsame Kundgebung mit Fischer drangepappt.

      Institutsleiter Bernd Gäbler rügte in Marl: "Weil die rot-grüne Regierung keinen Begriff davon entwickelt hat, was das Wesentliche ihres Tuns war, kann sie ihn auch nicht vermitteln."
      Trotzdem, und darin liegt das Paradox, steht die Regierung in den Umfragen besser da als je seit Beginn der Kampagne. Man kann sagen, die Flut und der Irak haben Schröder geholfen. Zutreffender ist, dass eine ohnehin chaotische Kampagne besser auf das Unvorhergesehene reagieren kann. Es ist das Wunder des rot-grünen Wahlkampfs: Obwohl so ziemlich alles schief lief, lief es gut.

      Nur ein Branchenblatt für Spin-Doctors wie politik&kommunikation kann noch die Illusion verteidigen, der Plan bestimme die Politik. "Eine erfolgreiche Wahlkampagne setzt voraus, dass Programm, Kandidat und Kampagne übereinstimmen", verkünden dort treuherzig die Lehrer der "Parteischule beim SPD-Parteivorstand", Jessica Wischmeier und Klaus Reiners. Tatsächlich ist das Leben in Schröders Wahlkampf zurückgekehrt, weil die Praxis der Theorie nicht gehorchte. Man könnte daraus zwei Gesetze ableiten: Erstens, wirksam ist, was wahr ist. Zweitens, wahr ist, was schief geht. Womöglich schätzen die Wähler Echtheit mehr als Perfektion. Ein Wahlkampf ohne Pannen ist dann nicht nur ein verlogener, er ist auch ein verlorener Wahlkampf. Es müssen nur die richtigen Pannen sein.

      Mit all ihren Widersprüchen bot die permanente Schröder-Improvisation den Wählern die Chance zur Anteilnahme. Die Stoiber-Kampagne ist das beste Beispiel für Perfektion bis zur Langeweile. Kein gravierender Fehler pflasterte den Weg des Kandidaten, sogar Erzkonkurrentin Merkel hat eisern geschwiegen, und was bleibt? Kein Mensch in der U-Bahn und in den Friseursalons der Nation spricht über "Zeit für Taten" oder "Gemeinsam für Deutschland". Die Unions-Slogans verpuffen, vom Kandidaten bleibt nur die ferne Erinnerung an einen lustigen Auftritt bei Christiansen. Die Pleite war der eine Moment des echten Stoiber, an den seine Berater hätten anknüpfen müssen. Stattdessen haben sie den kantigen Kandidaten rundgeschliffen.

      Die Politiker, kein Zweifel, hassen die Pannen so sehr, wie es ihre Spin-Doctors tun. Harald Schmidt stellte nach dem ersten "TV-Duell" fest: Mit 15 Millionen Zuschauern sind Stoiber und Schröder das beliebteste Fernsehpärchen seit Kurt Felix und Paola. Gleichzeitig haben sie durchgesetzt, was es in keiner anderen Gameshow gibt: Die Kandidaten bestimmen die Regeln. Im völligen Widerspruch zur martialischen Rhetorik vom Duell haben Stoiber und Schröder sich den Schutzraum zimmern lassen, den sie in der Wahlkampfwirklichkeit so oft entbehren müssen. Das TV-Studio wurde zum Streichelzoo, in dem jede Aggression hinter dem Gitterzaun der Regularien eingehegt ist. So fühlten die Kandidaten sich sicher voreinander. Beim Wähler hätte ihnen der eine oder andere Fehler mehr gebracht.

      taz Nr. 6847 vom 7.9.2002, Seite 3, 282 Zeilen (TAZ-Bericht), PATRIK SCHWARZ
      Avatar
      schrieb am 09.09.02 21:23:41
      Beitrag Nr. 184 ()
      http://www.sueddeutsche.de/index.php?url=/ausland/politik/52…

      SZ, 09.09.2002, 17:01, Irak-Politik

      Chirac geht auf Distanz zu Schröder(SZ-Druckausgabe vom 10.09.2002)

      Bundeskanzler Gerhard Schröder droht mit seinem Kurs in der Irak-Politik innerhalb der EU in die Isolation zu geraten.

      Obwohl der Kanzler von einer Bestätigung durch immer mehr europäische Partner sprach, gingen die Regierungen in Paris und Madrid überraschend deutlich auf Distanz zur Politik Berlins, einen Angriff auf den Irak in jedem Fall abzulehnen.

      Der französische Präsident Jacques Chirac schlug vor, der UN-Sicherheitsrat solle dem irakischen Präsidenten Saddam Hussein ein Ultimatum stellen. Chirac ist der erste, der dies fordert. Präsident George W. Bush und der britische Premier Tony Blair hatten am Wochenende in Camp David die Frage eines Ultimatums offen gelassen.

      Chirac sagte der New York Times, die UN-Waffeninspektoren müssten innerhalb von zwei bis drei Wochen ohne Einschränkungen und Bedingungen in den Irak zurückkehren. Bei einer Weigerung Bagdads müsse der Sicherheitsrat entscheiden, „ob man eine militärische Aktion einleiten soll oder nicht“. Er gehe nicht so weit wie Bundeskanzler Schröder mit seiner kategorischen Ablehnung einer Beteiligung an einer Militäraktion auch unter UN-Mandat.

      Madrid: Möglichkeiten der Diplomatie ausschöpfen

      Bei Schröder spiele wohl auch die bevorstehende Wahl eine Rolle.
      Das erste Ziel für Chirac ist, durch die Inspektionen zu erfahren, ob der Irak tatsächlich über Massenvernichtungswaffen verfügt. Bush und Blair hatten dagegen betont, solche Beweise gebe es bereits und Saddam werde schon bald die Atombombe haben. Weiter sagte Chirac, seines Wissens gebe es derzeit keine Beweise für Verbindungen Iraks zum Terrornetzwerk von al-Qaida.

      Die spanische Außenministerin Ana Palacio sagte in Madrid, ihre Regierung teile nicht die Haltung der deutschen Regierung, einen Militäreinsatz gegen den Irak grundsätzlich abzulehnen. Zwar trete Spanien dafür ein, alle Möglichkeiten der Diplomatie auszuschöpfen, wenn dies aber keinen Erfolg habe, müsse entschieden werden, ob militärische Gewalt angewandt werde. Man dürfe aber Gewalt nicht von vornherein ausschließen. Saddam Hussein verstoße gegen neun Resolutionen der Vereinten Nationen.

      Schröder sieht sich dagegen nach wie vor auf dem richtigen Weg. Mehr und mehr Kollegen in Europa teilten inzwischen diese Auffassung. Zum deutsch-amerikanischen Verhältnis meinte der Kanzler, es stehe „auf einer völlig gesicherten Basis“. Freundschaft könne nicht bedeuten, „dass die eine Seite sagt, was sie will, und die andere die Hacken zusammenschlägt“.

      Ein von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber gefordertes Telefonat mit Bush hält der Kanzler für unnötig. Er wies aber den SPD-Fraktionschef Ludwig Stiegler zurecht, der Bush mit Cäsar und den US-Botschafter Daniel Coats wegen dessen Kritik an der Bundesregierung mit dem früheren Sowjetbotschafter in der DDR, Pjotr Abrassimow, verglichen hatte.

      Das Internationale Institut für Strategische Studien in London warnte eindringlich vor der Bedrohung durch den Irak. Das Land könne „innerhalb von Monaten“ eine Atombombe bauen und damit Israel angreifen.

      .

      (meine Anm.: stellt Euch doch mal das Gesicht von Bush Junior vor, als er die News von seinem schulterklopfenden "German Friend" Schroeder auf seinem "Nachrichtenticker" lesen musste ... Ich würde aktuell `mal sagen, daß sich die Doris S.-K. mit ihrem Gatten einen zukünftigen Loft in NY vorerst abschminken kann)
      Avatar
      schrieb am 12.09.02 14:59:24
      Beitrag Nr. 185 ()
      "Wirtschaft außer Kraft gesetzt"
      Die irrationale Wahl



      Von Klaus-Peter Schöppner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Emnid

      Die Bundestagswahl am 22. September könnte als „die Irrationale“ in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen. Alle politischen Gesetzmäßigkeiten scheinen außer Kraft. Das bisherige Leitmotto: „It’s the economy, stupid!“ die ausschlaggebende Bedeutung der Wirtschaftskompetenz, mit der Bill Clinton zweimal und zuletzt Gerhard Schröder die Wahl ’98 gewann, hat offenbar massiv an Bedeutung eingebüßt. Statt dessen werden Vertrauen, Solidarität, das Kümmern um die Sorgen der Menschen anstelle Hilfe für die Wirtschaft zum Wahl entscheidenden Motiv. Der Kanzler wird einmal mehr zum Meister der politischen Kommunikation.

      Die Deutschen wissen um unsere desaströse Wirtschaft. Und schwenken um in das Lager der Partei, die nur wenig dagegen zu unternehmen gedenkt. Das „Regine Hildebrandt Syndrom“, Politik als spontane Solidarisierung mit den Wählerproblemen ohne sie auch anzupacken, könnte die Wahl entscheiden. Vor allem im Osten: Dort sehen trotz Rekordarbeitslosigkeit plötzlich 61% die SPD und nur noch 9% die Union im Stimmungshoch. Anfang August wollten nur 30% der Ostdeutschen die SPD wählen, jetzt sind es 39%, während die Union von 32 auf 29% zurück fiel.

      Selten waren die Voraussetzungen für einen Regierungswechsel so günstig wie diesmal: Die Wirtschaftserwartungen sind deutlich schlechter als vor vier Jahren: Unmittelbar vor der 98er Wahl erwarteten 23% eine bessere, nur 14% eine schlechtere Wirtschaftsentwicklung. Jetzt sind nur noch 18% positiv, 32% aber negativ eingestellt. 1998 erwarteten 31% einen Rückgang, 26% eine Zunahme der Arbeitslosenzahlen. Nun stehen nur noch 9% Optimisten 47% Arbeitsmarkt – Pessimisten gegenüber.

      Doch Stoiber kann unerwartet wenig Kapital aus dieser Steilvorlage schlagen. Bisher führten derartige Konjunkturperspektiven noch jedesmal zu einem Stimmungsverlust für die Regierung. Diesmal nur bis Anfang August: Bis dahin sahen 54% die politische Stimmung für die Union als besonders günstig an, nur 20% für die SPD.

      Nun plötzlich sehen nach einer TNS-EMNID-Umfrage für n-tv 47% die SPD und nur noch 25% die Union im politischen Stimmungshoch. Was heißt, dass den SPD-Argumenten geglaubt, deren Politik schlechthin für überzeugender gehalten wird.

      Die Flut war der Auslöser dafür, dass die SPD plötzlich positive Schlagzeilen lieferte, die Aktivitätshoheit übernahm und für die Wähler Kümmern statt Kompetenz wichtig wurde, so dass die Union in der Öffentlichkeit kaum mehr existierte. Das 100 Tage Sofortprogramm wurde kaum wahrgenommen und nur noch von jedem Dritten als Wirtschaftankurbler erlebt.

      Eigentlich müsste die Union punkten, weil ihr die vermeintlich bessere Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zugetraut wird.
      Beim Arbeitsmarkt vertrauen derzeit 39% der Union, nur 29% der SPD. Und 47% halten CDU/CSU in der Wirtschaftspolitik für die bessere Partei, nur 30% die SPD. Doch dieser Kompetenzvorsprung nützt auffallend wenig, weil er nicht mit entsprechenden Aktivitäten einher geht. Stoiber hat es bislang verpasst, den Wählern die Alternativen zu verdeutlichen.

      Monate lang haben CDU/CSU in der ersten Reihe des Polittheaters Platz genommen und genüsslich die immer neuen Schlechtbotschaften kommentiert. Nicht aber die Ärmel aufgekrempelt, Ziele aufgestellt, Wege aufgezeigt, ihre Politik durch Symbole dem Wähler verdeutlicht. Die Weichzeichnerpolitik der Union zeigt zum Wahlkampfende die für sie fatale Wirkung, dass die Mehrheit der Wähler trotz Kompetenzvorteilen keine bessere Politik erwartet. Und den Wählern dann der moderatere Kommunikator der liebere ist. Zum ersten Male glaubt mit 48% wieder eine Mehrheit, Rot-Grün hätte noch einen genügenden Ideenvorrat für weitere vier Jahre, nur noch für 47% bedarf es dazu eines Regierungswechsels. Vor einem Monat waren das 60%.

      Wegen der fehlenden inhaltlichen Alternative könnte es den Gutmenschen von der SPD gelingen, sich mit Flutversprechen, Solidaritätskundgebungen und Pazifismusparolen bis zum Wahltag durch zu mogeln. Weil noch niemand Lothar Späths Blaupausen für den Aufschwung kennt, Horst Seehofers Krankenkassenrettungsprogramm an keiner Litfasssäule pappt, Friedrich Merz noch keinem Wähler vorgerechnet hat, wieviel weniger er bei einem Unions-Wahlsieg an Steuern zu zahlen hat.

      Dafür gelingt es der SPD sogar, die Wirtschaftspolitik aus dem Wahlkampf immer stärker heraus zu halten: Zweidrittel der Wähler glauben inzwischen dem Kanzlerwort, wonach nicht die Regierung schuld an der Wirtschaftskrise ist, sondern die Weltwirtschaft, Amerika, der 11. September und sonstige höhere Mächte. :laugh:

      Fiktionen statt Fakten könnten auch die Bundestagswahl 2002 entscheiden. Es sei denn, es gelänge der Union doch noch, die Wahl zu dem hoch zu stilisieren , was sie eigentlich sein sollte: Zu einem Volksentscheid über die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands.
      Avatar
      schrieb am 12.09.02 15:02:29
      Beitrag Nr. 186 ()
      Das kommt von dem Chef eines Meinungsforschungsinstituts? :confused:


      Na denn - ich sag immer: lieber Gutmensch als Arschloch.
      Avatar
      schrieb am 12.09.02 15:06:24
      Beitrag Nr. 187 ()
      Abgesehen davon darf sich der Typ für Demokratie die Note "6 - setzten" geben.

      "...gelänge der Union doch noch, die Wahl zu dem hoch zu stilisieren , was sie eigentlich sein sollte: Zu einem Volksentscheid über die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands. "

      Irre ich mich oder wählen wir Parteien, und Parteien haben Programme, die recht unterschiedliche Dinge ansprechen - Wirtschaft- und Finanzpolitik, Familienpolitik, Bildungspolitik, Gesellschaftspolitik, Aussenpolitik, Umweltpolitik, Sicherheitspolitik usw. usf.
      Es mag ja der Spruch "Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft alles nichts" für die meisten gelten, aber noch beinhaltet die Wahl für manche mehr als nur Wirtschaftsfragen - und das ist gut so.
      Avatar
      schrieb am 14.09.02 11:21:21
      Beitrag Nr. 188 ()
      Schlagabtausch im Bundestag
      Stoibers Frontalangriff, Schröders Verteidigung



      13. Sep. 2002 Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber hat den letzten Schlagabtausch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder im Bundestag neun Tage vor der Bundestagswahl zu einem Frontalangriff auf Rot-Grün genutzt.

      Stoiber eröffnete als erster Redner die Generalaussprache in der Haushaltsdebatte mit einem Angriff auf die Außenpolitik des Bundeskanzlers in der Irak-Krise: „Heute machen Sie mit anti-amerikanischer Stimmung Wahlkampf.“ Niemand in Deutschland wolle Krieg, sagte Stoiber zur Irak-Krise.

      Schröder: „Verzerrungen“

      Der Bundeskanzler warf seinem Herausforderer dagegen „Verzerrungen“ vor. Er halte an seinen Argumenten in der Irak-Frage fest, sagte Schröder: „Unter meiner Führung wird sich Deutschland an einer militärischen Intervention nicht beteiligen.“ Schröder griff den bayerischen Ministerpräsidenten auch persönlich an: „Sie wollen vielleicht Kanzler werden, aber Sie haben nicht die Fähigkeit dazu.“

      Die Debatte fand in ausgesprochen aufgeheizter Stimmung statt. Stoiber wurde von Rot-Grün zum Teil ausgebuht und von den eigenen Reihen heftig beklatscht.

      Wie Schröder lehnte auch Außenminister Joschka Fischer einen Tag nach der Rede von US-Präsident George W. Bush vor der UN-Vollversammlung einen Militärschlag gegen Irak ab. „Meine Sorgen sind nicht geringer geworden - überhaupt nicht“, sagte Fischer. „Ich sehe keine wesentlich neuen Fakten, was die Bedrohungsanalyse betrifft.“

      „Kriegsszenarien hochgezogen“

      „Sie schüren Kriegsangst“, sagte der bayerische Ministerpräsident an den Kanzler gerichtet. Niemand verlange den Einsatz deutscher Soldaten im Irak. Schröder „täusche“ die Bevölkerung. Stoiber betonte, dass er die internationale Lage in den beiden vergangenen Tagen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan und mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac in Telefonaten erörtert habe.

      „Aus Wahlkampfgründen haben Sie den europäischen Weg verloren und Kriegsszenarien hochgezogen“, sagte der Unionsherausforderer zum Kanzler. Entscheidend sei eine einheitliche europäische Position in der Irak-Frage.

      Auch Fischer zieht positive Bilanz

      Schröder und Fischer zogen zum Abschluss der Legislaturperiode eine positive Bilanz. Die Koalition habe wichtige Reformen angepackt und für mehr soziale Gerechtigkeit gesorgt. Laut Schröder ist das reale Einkommen in den vergangenen vier Jahren um mehr als sieben Prozent gestiegen und die verfassungswidrige Besteuerung der Familien beendet worden. Gewinner der rot-grünen Steuerreform seien Geringverdiener, Eltern und der Mittelstand.

      Der Kanzler gestand erneut ein, sein Ziel, die Arbeitslosenzahl auf mindestens 3,5 Millionen zu drücken, nicht geschafft zu haben. Das hänge mit der weltweiten Konjunkturkrise nach den Anschlägen des 11. September zusammen. Stoiber und andere, die behaupteten, die Regierung sei Schuld an der Arbeitsmarktkrise, „haben entweder keine Ahnung oder sind böswillig“.

      „Binnenrezession“ und „Jobkiller“

      Stoiber attackierte dagegen die rot-grüne Wirtschaftspolitik. „Sie haben kein Konzept und keine Mannschaft. Sie haben kein Angebot für Deutschland.“ Die Regierung Schröder habe eine „miserable“ wirtschaftspolitische Bilanz.

      „Der Aufschwung ist in weite Ferne gerückt“, beklagte Stoiber. Deutschland habe eine „Binnenrezession“, da die Regierungspolitik den Mittelstand benachteilige. So sei das Gesetz zur Scheinselbstständigkeit ein „Jobkiller“, und das geänderte Betriebsverfassungsgesetz belaste den Mittelstand ebenso wie der unkonditionierte Anspruch auf Teilzeitarbeit. Dies werde eine Regierung unter seiner Führung ändern. „Abwärts oder Aufwärts - das ist die Entscheidung, die die Deutschen am 22. September zu treffen haben“, sagte Stoiber.

      Text: @bar, FAZ
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 19:00:49
      Beitrag Nr. 189 ()
      das Foto ist einfach zu schön, als daß wir es in der Versenkung verschwinden lassen sollten:



      http://www.sundayherald.com/27676
      =
      With only one week before Germany goes to the polls, Angus Roxburgh in Berlin finds it`s a close-run battle between Schroeder`s genial yet combative manner and Stoiber`s lederhosen tactics


      FOR much of this year, it looked as if Germany`s Social Democrat Chancellor, Gerhard Schroeder, was destined to be a one-term-only leader. He was personally popular, but his administration was judged to have been a failure, particularly in dealing with the economy and unemployment. He seemed to have strange obsessions -- such as proving, in a court of law, that he did not dye his hair. Until the middle of August opinion polls had him trailing as many as seven points behind his rival, the Christian Democrat, Edmund Stoiber.
      Devastating floods, the threat of war in Iraq and two face-to-face television duels with Stoiber may have changed all that. Next Sunday`s election now looks too close to call. Latest polls have put the two contenders neck-and-neck.

      Any incumbent leader has a chance to shine in a catastrophe, so the recent floods in eastern Germany came as a gift to the chancellor. He was widely regarded as having reacted swiftly and positively, while Stoiber -- through no fault of his own -- could do little but limp along behind him offering sympathy. The Christian Democrats` deputy leader in the Bundestag, Wolfgang Bosbach, was forced to admit: `Schroeder used the flood emergency skillfully to boost his profile as a crisis manager.`

      Another crisis, this time a foreign policy one, was soon on its way. Schroeder`s stance on Iraq -- ruling out German participation in any US-led attacks, regardless, almost, of the circumstances -- was a powerful card to play in a country where many still believe German troops should be used abroad only under the most compelling of circumstances. It was Schroeder who, for the first time since the second world war, ordered German forces into action in Kosovo in 1999, causing much anguish among his own supporters and even more so among the pacifist Greens, his coalition partners. Risking further alienation by entering another war with much hazier goals was not something this canny chancellor was going to do on the eve of an election.

      Both moves will have helped Schroeder, particularly in the former communist eastern regions of the country, where the main opposition comes from the reformed-communist Party of Democratic Socialism (PDS). Until now it could pose as the only true friend of the unemployed and poor in the eastern part of united Germany, and as the only staunch anti-war party. Yet Schroeder was rushing to help in their flood-stricken hour of need and rejecting US plans to attack Iraq. `I welcome it, of course, that Mr Schroeder is adopting our positions,` said one PDS leader, ruefully.

      Becoming ever more deft as election day approached, Schroeder even appointed a Christian Democrat -- the popular former federal president, Richard von Weizsaecker -- to head the commission charged with apportioning disaster relief to the flooded regions. In return, von Weizsaecker supported the chancellor`s Iraq policy, saying it would not harm US-German relations.

      All of this played into Schroeder`s hands during last weekend`s television duel, watched by 15 million viewers, a majority of whom warmed even more to the man they voted into power four years ago. He came across as statesman-like, genial, and combative without appearing aggressive. Edmund Stoiber, by contrast, looked stiff and cold.

      Stoiber represents an alliance of two centre-right parties -- the Christian Social Union (CSU) in his native Bavaria and its sister party, the Christian Democratic Union (CDU), in the rest of Germany. His earlier lead in the polls was probably thanks more to support for the grouping he leads than to him personally. These are the parties that governed Germany for 16 years under Helmut Kohl, and they have a large core electorate.

      The trouble for the Christian Democrats, in a word, is Stoiber himself. First of all, he is a Bavarian, with all that implies for other Germans: strongly Catholic, quaintly old-fashioned, the German equivalent of teuchters, but wearing lederhosen not kilts and drinking beer not whisky.

      Stoiber himself is no country bumpkin -- he comes across as rather professorial, and has tried to make a virtue of his background. As prime minister of Bavaria he has run a remarkably successful economy, with higher growth and much lower unemployment than the rest of the country. It was the mixture of high-tech and tradition, he claimed -- laptops and lederhosen -- that was the key to his success. Stoiber hoped to persuade Germans his Bavarian model could work throughout the country.

      It was never clear to voters the model could in fact do so. The Social Democrats argued Bavaria`s circumstances were different. As for Schroeder`s record, it was true he had allowed unemployment to soar back above four million, having reduced it for a while in 2001. But that was due to global conditions -- from which even Bavaria was suffering. So the Bavarian miracle, on which the Christian Democrats had staked everything when choosing Stoiber as their candidate, was already beginning to look less convincing as an election theme when the floods and the prospect of war pushed it into the background.

      The race is now so close that a clean-cut result next Sunday is unlikely. Neither of the main parties can expect to govern alone, and there could be weeks of horse-trading as each tries to find a suitable coalition partner. Schroeder would prefer to continue his alliance with Joschka Fischer`s Greens, but Stoiber could still find himself chancellor even if his Christian Democrats come second -- if they can strike a deal with the Liberals, who look as if they might win more seats than the Greens. A `grand coalition` of both major parties is also possible, though neither side wants to be forced into such a position.

      The past four years of red-green government in Berlin have brought changes: Schroeder`s `new centre` politics are to the left of Tony Blair`s `third way`. The Greens pushed through a pledge to phase out nuclear power and led attempts to reform the EU`s common agricultural policy, and Germany has pioneered moves to encourage legal immigration to fill gaps in the job market, while the rest of Europe looked for ways to keep asylum-seekers out. As foreign minister, Joschka Fischer transformed Germany`s image abroad.

      In this campaign, neither candidate has offered radical economic reforms. But a Stoiber win could certainly set Germany on a new course in other areas. The Bavarian has pledged to close the doors again to asylum-seekers. He may well back away from Schroeder`s attempts to reform EU farm policy, and be more lukewarm towards the enlargement of the Union into eastern Europe.

      Whoever wins, another crisis lies just around the corner. By the time a coalition has been agreed, war in Iraq may be imminent, and Berlin will have to repair its rift with Washington. Free of electoral considerations, Schroeder may provide at least moral support to President Bush, but he is unlikely to commit German troops to battle. Stoiber has left the door open. That choice may in the end be the one that swings next Sunday`s vote one way or the other.
      Avatar
      schrieb am 17.09.02 18:51:07
      Beitrag Nr. 190 ()
      Ich möchte jetzt kurz etwas "in eigener Sache"
      mitteilen.

      Einigen habe ich das Folgende bereits per Board-Mail zukommen lassen, aber den unbekannten passiven Usern, die meine Threads mitlasen, möchte ich das auch mitteilen:


      Bitte nicht wundern.....

      .....wenn ich demnächst relativ wenig - vielleicht auch immer weniger, möglicherweise auch garnicht mehr hier im Board poste.

      Ich habe hier eine Reihe netter und intelligenter Leute kennengelernt, das habe ich sehr genossen, aber es passierte auch genau das Gegenteil.

      Ich werde nicht eine totale Auszeit, aber zumindest eine sehr deutliche Reduktion der Boardaktivitäten vornehmen.

      Anlaß waren einige heftige persönliche Beleidigungen meiner Person und eine schwachsinnige Sperrung, Ärger über einige MODs - Ursache ist aber eher die Tatsache, daß ich der Meinung bin, zuviel Zeit hier zu verschwenden.

      Ich bin - wie immer mehr User - zunehmend vom Board enttäuscht.

      Da ich keine Inszenierung möchte, habe ich nicht wie andere einen "Abschieds-Thread" aufgemacht, sondern möchte mich einfach nur bei einigen netten Usern, die meine Threads anklicken, verabschieden.

      es kann ja sein, daß ich wieder Lust am posten bekomme, aber im Moment ist mir nicht mehr danach.

      Gruß

      D.T.


      P.S.: Es wäre ein gewisser minimaler Anstand, wenn der eine User jetzt KEINEN Kommentar abgibt, da ich ihn auch nicht erwähnt habe.

      ich bitte sogar sehr darum.
      Avatar
      schrieb am 20.09.02 10:55:58
      Beitrag Nr. 191 ()
      Wie wähle ich taktisch klug?

      von KLAUS HILLENBRAND

      Glaubt man den Umfragen, haben sechs Parteien eine realistische Chance, an diesem Sonntag in den 15. Deutschen Bundestag einzuziehen - SPD, CDU, CSU, Grüne, FDP und PDS. Keine wird eine absolute Mehrheit erhalten - woraus sich verwirrend viele Möglichkeiten ergeben.

      Sie können natürlich einfach der Partei Ihre Stimme geben, die Ihnen am meisten behagt. Aber wenn Ihre Wahl dazu beiträgt, dass Mehrheitsverhältnisse entstehen, die Koalitionen begünstigen, denen Sie den Teufel an den Hals wünschen? Genau das wird nämlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit passieren. Damit sich aber Ihre wertvolle Stimme nicht in das Gegenteil dessen verkehrt, was Ihnen am Herzen liegt: Wählen Sie taktisch. Die taz zeigt Ihnen, wie.

      1. Die große Koalition. Ist es die große Koalition, die Ihren Wünschen am ehesten entspricht? Immerhin acht Prozent der Bundesbürger teilen laut einer Dimap-Umfrage Ihre Überzeugung. Doch für Sie wäre es dennoch ganz falsch, am Sonntag SPD oder die Union anzukreuzen. Denn damit erhöht sich die Gefahr, dass eine dieser Parteien einen so hohen Stimmenanteil erhält, dass sie eine Koalition mit einer kleineren Partei eingehen kann - was schließlich der eingestandene Wunsch der beiden "Großen" ist.

      Umgekehrt erhöht sich dagegen die Wahrscheinlichkeit einer großen Koalition, je geringer der Stimmenanteil von SPD und CDU/CSU ausfällt. Kommen beide Parteien beispielsweise nur auf jeweils 35 Prozent, müssten ihre Wunschpartner - also Grüne bzw. FDP - schon gewaltig zulegen, um Rot-Grün oder ein konservativ-liberales Bündnis zu ermöglichen.

      Deshalb gilt es für Feunde der großen Koalition, diejenige Partei zu unterstützen, mit denen weder Sozialdemokraten noch Union ein Bündnis eingehen wollen. Wählen Sie also die PDS - auch wenn Sie den Kommunismus hassen und Brie höchstens zum Frühstück genießen möchten.

      Aber: Je stärker die PDS im Bundestag vertreten ist, desto geringer wird die rechnerische Chance auf eine "kleine Koalition". Bei fünf Prozent PDS benötigt Rot-Grün für eine Mehrheit im Bundestag mehr Sitze als CDU, FDP und PDS zusammen. Gleiches gilt umgekehrt für Schwarz-Gelb. Mit der PDS über fünf Prozent benötigt eine kleine Koalition also etwa 48 Prozent aller Stimmen für eine Mehrheit.

      Fehlt die PDS im Bundestag, dürften rund 46 Prozent zur Gründung einer kleinen Koalition genügen - auch deshalb, weil voraussichtlich rund vier Prozent an weitere Parteien fallen werden, die den Einzug in den Bundestag verpassen. Ergo: Ohne die PDS im Bundestag kommt es garantiert zu einer kleinen Koalition.



      2. Rot-Grün. Soll Bundeskanzler Schröder eine zweite Chance erhalten? Eine relative Mehrheit der Deutschen will Rot-Grün weiter regieren sehen: 36 Prozent.

      Wenn Sie es sich einfach machen wollen, können Sie SPD oder Grüne wählen. Für optimistische Taktiker empfiehlt es sich, die Grünen zu begünstigen. Sollte nämlich ihr Stimmenanteil den der FDP übersteigen, dürfte der Druck auf Gerhard Schröder wachsen, einem denkbaren Bündnis mit der FDP eine Absage zu erteilen. Dadurch erhöht sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass die Union zur stärksten Partei avanciert. Das aber ist kein Hindernisgrund zur rot-grünen Koalitionsbildung: 1969, 1976 und 1980 wurde die SPD zur Regierungspartei, obwohl die Union mehr Stimmen und Mandate erhalten hatte.

      Pessimisten sollten dagegen gleich die PDS wählen. Denn die Demoskopen von Allensbach waren sich zuletzt sicher, dass Rot-Grün ohnehin keine Chance hat. Zwar sieht Allensbach SPD und Union fast gleichauf bei 37 Prozent, die Differenz zwischen FDP (10,1) und Grünen (7,2) dürfte jedoch kaum zu überbrücken sein. Also gilt es, eine Koalition von Stoiber und Westerwelle zu verhindern - um jeden Preis! Der Einzug der PDS in den Bundestag macht es Union und FDP viel schwerer, eine eigene Mehrheit zu erhalten. Was dann zumindest die Chance erhöht, dass Schröder Kanzler in einer großen Koalition bleibt.


      3. Rot-Gelb. Sozialliberal ist Ihre Lieblingskonstellation, die von neun Prozent aller Bundesbürger geteilt wird? Dann lassen Sie als Optimist die Finger von der SPD! Bundeskanzler Schröder wird sich nur dann zum Wechsel der Koalition erweichen lassen, wenn die FDP ganz deutlich vor den Grünen rangiert. Wer Westerwelle und Schröder will, muss Westerwelle wählen.

      Pessimistisch eingestellte Sozialliberale können dagegen gerne die Union bevorzugen - dann kommt es wenigstens zu einer Koalition aus Union und FDP.

      4. Schwarz-Gelb. Das Lieblingsprojekt von Ihnen, Edmund Stoiber und 22 Prozent der Deutschen ist in Gefahr! Nach den neuesten Daten der "Forschungsgruppe Wahlen" haben SPD und Grüne (47 Prozent) Schwarz-Gelb (44,5 Prozent) deutlich überholt. Deshalb gilt es jetzt für Pessimisten, die rot-grüne Chaostruppe zu verhindern. So schwer es Ihnen auch fallen mag: Wählen Sie deshalb lieber die Sozialisten von der PDS. Dank des Einzugs der SED-Nachfolger in den Bundestag kommt es wenigstens noch zur großen Koalition - wenn Sie ganz viel Glück haben, unter einem Bundeskanzler Edmund Stoiber. Nur ganz große Optimisten glauben Allensbach und setzen weiter auf eine konservativ-liberale Koalition. Aber Obacht! Eine Stimme für die Union könnte schlussendlich auch zur großen Koalition führen. Setzen Sie besser auf Westerwelle!

      5. Rot-Rot-Grün. Ein Bündnis von Sozialdemokraten, Grünen und PDS hat Gerhard Schröder zwar mehrfach ausgeschlossen, und auch nur jeder hundertste Deutsche präferiert diese Koalition. Aber wenn es um die Macht geht, wird der Kanzler gewiss über seinen eigenen Schatten springen. Ihr Lieblingsbündnis kommt nur dann zustande, wenn es weder für Rot-Grün noch für eine sozialliberale Koalition reicht.

      Zudem müssten Verhandlungen über eine große Koalition oder ein Ampelbündnis aus SPD, FDP und Grünen scheitern. Also sollten Sie Ihre Stimme bei der PDS abgeben, damit diese wenigstens die Fünfprozenthürde übersteigt.

      Allerdings erhöhen Sie damit auch die Chancen für eine große Koalition, was wohl kaum in Ihrem Sinn sein dürfte. Deshalb bietet sich als Alternative die Wahl der Union an. Denn damit verringern Sie die Chance, dass es für Rot-Grün ohne die PDS reicht!


      6. Die Ampel. Guido Westerwelle hat sie ausgeschlossen, Joschka Fischer mag sie nicht, Gerhard Schröder hat keine Lust dazu und nur ein Prozent der Deutschen finden Gefallen daran. Aber die Ampel könnte sich dennoch als Alternative zur großen Koalition durchsetzen, wenn alle anderen Konstellationen rechnerisch unmöglich sind. Dazu dürfen also weder SPD und Grüne noch SPD und FDP, schon gar nicht Union und FDP, aber auch nicht SPD, Grüne und PDS genügend Stimmen einsammeln. Da hilft nur eins: Bleiben Sie zu Hause!

      taz Nr. 6858 vom 20.9.2002, Seite 6, 231 Zeilen (TAZ-Bericht), KLAUS HILLENBRAND
      Avatar
      schrieb am 21.09.02 10:32:06
      Beitrag Nr. 192 ()
      Die Haifischdompteuse

      von PATRIK SCHWARZ

      "Dös is a ganz a neue Methode", wienert der Mann im weißen Kittel. In der Tat besitzt er Instrumente, diese Frau so gründlich zu durchleuchten, wie das bisher noch niemand getan hat: Angela Merkel, die den einen als Aufsteigerin des Jahrzehnts gilt, den anderen als Verliererin des Jahres, und deren Zukunftsplanung selbst ihren Vertrauten Rätsel aufgibt. Der Direktor in Berlins Riesenklinikum Charité hat der prominenten Besucherin eine Art Pille überreicht. Drahtloses Kapsel-Endoskop heißt das Ding und ist ein U-Boot für die Eingeweide. "Schlucken muss ich die einfach so, wie ne Tablette?", fragt Merkel.

      Einmal eingenommen, könnte sich das U-Boot Stunde um Stunde durch Schlund, Magen und Gedärme arbeiten - und pausenlos detaillierte Videobilder der CDU-Vorsitzenden auf einen Monitor senden. So genau kennt niemand Angela Merkel, nicht Roland Koch, hessischer Ministerpräsident, und ihr ewiger Konkurrent, nicht Beate Baumann, ihre treue Begleiterin und Büroleiterin vieler Jahre. "Die meisten scheiden die Kapsel nach ein bis zwei Tagen wieder aus", sagt ein Assistenzarzt, "der Darm ist ja sechs Meter lang."

      Angela Merkel hält das Darm-U-Boot zwischen zwei Fingern, rollt es vor und zurück. Ihr versonnenes Lächeln fragt: Soll ichs riskieren, jetzt, hier, vor den Honoratioren, den kichernden Krankenschwestern, den drei Fotografen, die mitgekommen sind zur Wahlkampfvisite ins Klinikhochhaus mit seinen 2.334 Betten? "Sie hat eine bis ins mädchenhafte gehende Neugier", hat ein enger Mitarbeiter beobachtet, "das ist für sie wie die Sendung mit der Maus."

      Aber wem gilt ihre Neugier? Dem Leben? Der Politik? Oder der Macht? An diesem Morgen fragt Angela Merkel nicht nach ihrem Innenleben, sondern nach der Kostenexplosion im Gesundheitswesen: "Die Kamera, kann man die danach regenerieren?" Nein, lautet die Antwort, die ist futsch. Merkel legt die Kapsel beiseite.

      Seit sie als 35-Jährige den deutsch-deutschen Vereinigungswirren entstieg, hat sich der politische Azubi zur versierten Managerin der Macht entwickelt. Irgendwann auf diesem langen Marsch sind sie eins geworden, die zwei: ihr Leben und die Macht. Nie ist das deutlicher geworden als in diesen letzten Tagen vor dem 22. September. Wenn heute schon eine Gewinnerin der Bundestagswahl feststeht, dann ist es die CDU-Vorsitzende.

      Für Edmund Stoiber hängt fast alles vom Wahlausgang ab, für Angela Merkel fast nichts. Gewinnt er, ist die CDU-Vorsitzende die wichtigste Frau der Koalition. Kehrt der Bayer nach München zurück, gehört die Berliner Bühne wieder ihr. "Wenn die Wahl gewonnen wird, sitzt sie fester im Sattel als je zuvor", sagt ein Vertrauter aus der CDU-Parteizentrale. Schließlich hat Merkel ihren Ehrgeiz Stoibers Kanzlerkandidatur untergeordnet. Verliert die Union, "kann niemand ihr vorwerfen, sie hätte irgendetwas zum Misslingen beigetragen". Stoibers Sieg wäre ein geteilter, seine Niederlage eine einsame.


      War sie Machtstrategin genug, die doppelte Chance zu ahnen? Im Januar schien die ewige Aufsteigerin am Tiefpunkt ihrer Laufbahn zu sein - und Edmund Stoiber der starke Mann. Doch Angela Merkels Weg von der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur an Stoibers Frühstückstisch bis zur Wahl am morgigen Sonntag ist so dramatisch verlaufen, wie ihn nur ein professioneller Dramaturg erahnen konnte. Bis morgen läuft im ungenutzten Berliner U-Bahnhof Reichstag "Angela, eine Nationaloper". Das Singstück gipfelt im "17. Bild - Frühstück in Wolfratshausen", Regieanweisung: "Showdown." Statt dem Bayern die Kanzlerkandidatur zu servieren, streckt Merkel ihn mit zwei Pistolenschüssen nieder. Das Volk stimmt dazu einen Choral an, Titel: "Deutscher Trost".

      Ist sie so hart? Wie kalt entschlossen geht sie in Machtkämpfe? Angela Merkel scheut nicht den Blick auf die gruseligen Seiten des Lebens. In der Charité will der Klinikdirektor ihr den Anblick der Ausnüchterungszelle ersparen. "Zeigen Sie mal her!", ruft sie, "ist da einer drin?" Die Zelle ist leer, Merkel enttäuscht.

      In Wolfratshausen hat die CDU-Chefin ihrem Konkurrenten von der CSU nur ungern den Vortritt gelassen. Umso mehr darf man ihr Hintergedanken unterstellen. "Ich denke vom Ende her", sagt sie gerne über sich. "Ich bin nicht sicher, ob sie wusste, dass ihr Schritt zur Seite der richtige war", sagt ein konservativer Chefredakteur, der sie schon lange kennt, "aber sie hat es schnell gemerkt." Gegnerbeobachtung war schon immer ihre Stärke. Stoiber, das Kunstprodukt, gezüchtet im Glashaus der bayerischen Staatskanzlei, würde es draußen im Wahlkampf schwer haben, das war der Pfarrerstochter vom Lande klar.

      Seit acht Monaten ist Edmund Stoiber Kanzlerkandidat, nicht immer lief es gut, und acht Monate lang hat sich Angela Merkel nicht einen Halbsatz der Kritik entlocken lassen. Die Union, noch mehr als andere Parteien, liebt die Loyalität. Merkels Schweigen ist ihr Sparbuch: Je länger sie es durchhält, desto größer ist ihr Guthaben.

      Ihre eigenen Verletzungen vergräbt sie. "Vor der Rettungsstelle, da hab ich den allerhöchsten Respekt", sagt sie nur, als der Klinikrundgang sie in die Notaufnahme führt, "was da jeden Abend passiert, das ist schlimmer als Politik." Spätestens seit ihrem Kampf um den CDU-Vorsitz leiden weit mehr Menschen mit ihr, als die Union Wähler hat. Doch Mitleid mit Merkel entspringt einem Missverständnis.

      "Sie lässt sich so lange verhauen, bis der richtige Zeitpunkt da ist", hat ein Mitarbeiter beobachtet. Dann haut sie zurück. "Schauen Sie nur, wie viele Leute sie aus dem Weg geräumt hat", sagt der rechte, konservative Chefredakteur, der sie ein bisschen bewundert und ein bisschen unheimlich findet, "wie viele de Maizières, Krauses, Kohls und Schäubles …" Und das sind nur ihre Ziehväter.

      Seit sie selbst an der Spitze von 600.000 Parteimitgliedern steht, hat sie es erstmals mit Gleichaltrigen zu tun: Merz, Müller, Rüttgers, Wulff und Koch. Da ist das Warten auf den richtigen Zeitpunkt noch wichtiger geworden. Spätestens 2006 wird ein neuer Bundestag gewählt, und spätestens dann möchte Angela Merkel Kanzlerin werden.

      Auch ihr Widersacher Roland Koch ist im Jahr 2006 gerade erst 48 Jahre alt. Doch ehe jemand auf falsche Ideen kommt, sagt sein Regierungssprecher Dirk Metz: "Das Verhältnis ist viel, viel, viel besser, als Journalisten gerne verbreiten." Von einer möglichen Konkurrenz um die Kanzlerkandidatur mag Metz nichts hören: "Mich interessiert die Baustelle 2. Februar 2003, da haben wir Landtagswahlen." Auch Koch hat das Warten gelernt.

      Den Ärzten in der Charité erzählt Merkel, wie sich kürzlich in ihrem Büro Verbandsfunktionäre aus dem Gesundheitswesen fast an die Gurgel gingen - bis sie einschritt: "Die Politik hat die Macht, die Haifische zu zähmen." So sieht sie sich: allein im Tiefseebecken. Dass sie zum Überleben noch manches lernen muss, gibt sie in kleinen Runden durchaus zu.

      Wie Angela Merkel die Zeit bis 2006 nutzen kann, hat der FAZ-Leitartikler Georg Paul Hefty ihr schon im Sommer 2000 aufgeschrieben. Sein Leitartikel vom 28. August liest sich wie eine Wegbeschreibung ins Kanzleramt. Mädchen, lern von Papa Kohl, lautet Heftys Quintessenz: In der CDU hält sich nur oben, wer noch im letzten Kreisverband Getreue hat.

      Merkel hat den Rat beherzigt, und so können selbst Landtagsabgeordnete von überraschenden Anrufen der Parteivorsitzenden berichten. Man habe sich doch vor zwei Jahren hier oder dort getroffen, heißt es dann zum Beispiel am anderen Ende der Leitung, und ob man nicht zu einem bevorstehenden CDU-Fachkongress einen Artikel beisteuern wolle? Dann fragt sie noch: "Und alles in Ordnung daheim?" Es klingt nach Kohl.

      Doch Merkel beherrscht mehr als die Netzwerktechnik des Dicken: Wo er Menschen überrollt, erobert sie ihre Herzen. Im Konferenzsaal der Charité referiert ein Verwaltungsleiter - mit Halbglatze und Tageslichtprojektor - noch keine fünf Minuten zur Geschichte des Klinikums, da hat ihn die Besucherin bereits zweimal mit einer Frage unterbrochen, keck, ungeniert, präzise. Zweimal erntet sie dafür Oberlehrerblicke. Der Referent fährt fort, rühmt sich, sein Haus entlasse die Kranken immer früher. "Liegt das am Arzt", geht Merkel zum dritten Mal dazwischen, "oder kommt der Mensch halbtot nach Hause?" Die zwei Patienten im Morgenmantel, die durch die offene Tür zuschauen, kichern jetzt unverhohlen. Der Klinikfunktionär steht als Wichtigtuer da, und die Quertreiberin ist zur Volksanwältin geworden. Im Frühjahr 2000 beklatschten die CDU-Regionalkonferenzen Angela Merkel dafür so lange, bis ihr der Parteivorsitz sicher war.

      So viel Zuwendung wie der Basis lässt die Vorsitzende nur noch einer Gruppe in der CDU zuteil werden: ihren Feinden. So ist der saarländische Ministerpräsident Peter Müller nicht der Einzige, der in kleinen Runden klagt, die Vorsitzende kümmere sich mehr um ihre Gegner als ihre Freunde. Ganz so ist es nicht. Aber mit Koch, meint ein CDU-Abgeordneter aus dem Merkel-Lager, verbindet sie ein Gleichgewicht des Schreckens: Die beiden seien einander "ebenbürtige Gegner".

      Einen nicht ganz so ebenbürtigen Konkurrenten will Merkel möglichst schon nächste Woche loswerden. Egal wie die Wahl ausgeht, die Parteivorsitzende wird wohl nach dem Fraktionsvorsitz greifen. Die Chancen von Friedrich Merz auf erfolgreiche Selbstverteidigung gelten als schlecht. Angela Merkel würde dann nicht nur die größere der beiden Unionsparteien führen, sondern auch die gut 200 Abgeordneten, von deren Unterstützung selbst ein Kanzler Stoiber abhängen wird - jeden einzelnen seiner Tage als Regierungschef. Kehrt der Bayer dagegen in den Süden zurück, kann sie in einer großen Koalition Gerhard Schröders Vizekanzlerin werden - oder in der Opposition auf 2006 warten.

      Der Besuch in der Charité geht zu Ende. Am Schluss hat die Naturwissenschaftlerin noch mit den Ärzten über Forscherdrang und Forschungsfreiheit diskutiert. Die Parteivorsitzende versteht die Bedürfnisse der Professoren: "So wie sich jemand im Tierversuch eine Katze kaufen muss, brauchen Sie einen Patienten." In der CDU muss sich in den kommenden Wochen ein jeder überlegen, was er unter Laborchefin Merkel sein will: Laborant oder Katze.

      taz Nr. 6859 vom 21.9.2002, Seite 6, 349 Zeilen (Portrait), PATRIK SCHWARZ

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 12:51:43
      Beitrag Nr. 193 ()
      Konservative haben mehr Albträume als Linke

      Ernst Corinth 21.09.2002
      Wahlen sind tatsächlich wichtig

      Die Deutschen sterben aus. 1995 lebten in der Bundesrepublik noch 81,8 Millionen Menschen, im Jahr 2050 werden es nach diversen Schätzungen nur noch 50 Millionen sein, und danach geht es erst richtig bergab. Eine Entwicklung, die manche begrüßen und andere fürchten. Besonders letztere sollten sich ganz genau überlegen, was sie in Zukunft wählen. Denn Untersuchungen in Großbritannien und Australien haben fürwahr Sensationelles entdeckt. Demnach steigt unter konservativen Regierungen die Selbstmordquote drastisch an. Und außerdem wurde bekannt, dass Konservative mehr Albträume haben als Linke ­ zumindest in den USA, wo nach Angaben einer 2001 veröffentlichen Studie Anhänger der Republikaner dreimal so häufig von bösen Träumen gequält werden wie Parteigänger der Demokraten.

      Ob es da einen Zusammenhang gibt, muss allerdings noch geklärt werden. Dagegen stehen die mörderischen Auswirkungen konservativer Regierungen auf das von ihnen regierte Volk eindeutig fest. So gab es, wenn in Australien Konservative gerade an der Macht waren, durchschnittlich 17 Prozent mehr Suizide bei Männern und gar 40 Prozent mehr bei Frauen. Ähnlich schaut es in Großbritannien aus: Die geringste Selbstmordquote mit jährlich 85 pro einer Million Einwohner gab es zwischen 1916 und 1920 unter der liberalen Regierung von David Lloyd George. Unter Margaret Thatchers konservativem Regiment stieg die Quote auf bis zu 121 an, während sie unter Tony Blair wieder auf 103 gefallen ist.

      Der Grund für die tödliche Konsequenz rechten Regierens liegt nach Vermutungen der Forscher in dem kälteren sozialen Klima der von konservativen Regierungen gern propagierten "Winner-takes-all"-Gesellschaft. Das verstärke bei vielen das Gefühl, ein Versager zu sein, und führe bei Menschen, die nicht erfolgreich seien, direkt in die Vereinzelung und in die Depression. Linke Regierungen stärkten dagegen das Gemeinschaftsgefühl, selbst bei hoffnungslosen Losern.

      Kurzum: Am kommenden Sonntag und auch bei allen zukünftigen Wahlen geht es also nicht nur um die Fragen: Pest oder Cholera? Elend oder Jammer? Und Erbsen- oder Bohneneintopf?. Sondern auch um die Zukunft unseres Volkes. Wer hätte das gedacht?
      heise.de
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 17:55:22
      Beitrag Nr. 194 ()
      Ist in fünf Minuten endlich Schluss mit dem

      Bundesbeliebigkeitskanzler?

      Ich hoffe es mit Herzen.
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 17:57:28
      Beitrag Nr. 195 ()
      #194,

      jau, wenn das wenigstens eintrifft ....
      man wird ja bescheiden mit den jahren.
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:11:36
      Beitrag Nr. 196 ()
      Wer das versteinerte Gesicht von Guido "BigBrother" Spaßwelle gesehen hat und den den Journalisten trotzig-rotzige entgegengeschleuderten Quatsch hörte, der weiß:

      Nicht nur Mümmelmann (O-Ton Wehner) ist bei der heutigen FDP-Präsidiumssitzung in Bedrängnis geraten.
      JEDER Journalist hat ihn auch nach dem eigenen Rücktritt befragt...

      Schwesterwelle hat mit seinem oberflächlichen Gelaber ernsthaft denkende Menschen vergrault.

      Die Rolle des Mehrheitsbeschaffers als nahezu einzigem Programm hat die PArtei der ehemals Friedensbewegten übernommen, die sich wie eine WAschmittelfirma ihres allseits beliebten sorgenfaltenbewerten MArkenartikels namens Joschka bedient, und den Vertrauensverlust ihrer ehemaligen Stamm-Wähler gegen neues Wählerfleisch eintauschte.

      Westerwelle kann an seinen Fußsohlen verschämt die "1" jetzt schwärzen lassen...

      Er wird als der großmäuligste Kanzlerkandidat der Geschichte Deutschlands gelten - nach dem Containerbesuch bei Big Brother sein zweiter, vermutlich letzter "Erfolg".

      Schade, Gerhardt ist ein sehr sorgfältig denkender Mensch.

      Die können froh sein, daß sie noch über 5% liegen.


      Mein TRAum einer großen Koalition mit Schröder als Laienschauspieler im Ollerhauer-Haus und einer Kanzlerin Merkel mit Vize Eichel ist nicht wahr geworden - aber das ist ja auch unwahrscheinlich gewesen.

      Diese Kombination wäre im Moment wohl die einzige Chance gewesen, daß Deutschland wieder in die Gänge kommt.

      Im Übrigen - mit Merkel als KAnzlerkandidatin wären im Osten die entscheidenden CDU-Stimmen zusamengekommen.

      Deutschalnd braucht dringendst ernsthafte Politiker, die den Titel "Staatsmann/frau" verdienen.

      Bei der jetzigen Situation (Rotgrün knapp vorne) kann davon keine Rede sein.

      Allerdings ist Gerhard "CAssiusClay" Schröder etwas weniger großmäulig geworden. Wird aber icht lange halten, denn der MAnn ist was das liegenlassen und Aussitzen von Problemen anbelangt, Kohl völlig ebenbürtig.

      In zukunft umgekehrt zur letzten Legislaturperiode werden die Grünen wohl eher die SPD am Nasenring durch die Arena ziehen. Die Schrödersche Erpressungs-Nummer ist Vergangenheit - aber die Grünen werden sich an die Demütigungen gut erinnern und zurückzahlen.

      Schröder ist mit Schwesterwelle der große Verlierer.
      Und das weiß er - sein gesicht sprach Bände, auch, wenn er in der "Elefantenrunde" am Ende nicht mehr so dankbar-hündisch zu Kuhn heraufschaute, sondern schon wieder ebenso kecke wie hohle Sprüche klopfte.


      Erst in einem halben Jahr wird die Wechselstimmung im Volk wieder realistisch sein - aber dann muss man halt lange 3,5 Jahre warten. Erst dann wird man erkennen, daß dieser KAnzler (Däubler-Dingsda eingerechnet) nicht zufällig sage und schreibe 10 Minister verbrauchte.

      2006 wird Deutschland eine Kanzlerin haben.
      Eindeutige Gewinnerin ist die Merkel.

      Rüschpeckt!!!


      Gruß

      D.T.
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:17:13
      Beitrag Nr. 197 ()
      hat eigentlich Stoiber sein Glas Champagner schon aufgemacht oder sucht er noch den Kronkorken am Glasrand ???
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 00:09:26
      Beitrag Nr. 198 ()
      #197, der Satz wurde sogar auf CNN übertragen, aber sehr galant übersetzt. ;)
      (er kam gerade in München >60%! an und ist jetzt sicher mit dem Korken beschäftigt.)

      @all, steht ihm doch mal einen Nervositäts- und/oder Glücksfaktor zu. :)
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 00:15:57
      Beitrag Nr. 199 ()
      kommen nun neue Inspirationen und Impulse ?

      kleine Anmerkung auch für andere Threads:
      W-O bietet immernoch die Möglichkeit der Verlinkung unter [.thread] z.B.537405[./thread] (ohne Punkt eingeben ! )
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 16:58:56
      Beitrag Nr. 200 ()
      Thread: Kein Titel für Thread 6374621

      den Rest zeigt ein Blick auf das aktuelle Börsengeschehen ?!
      Avatar
      schrieb am 26.09.02 02:44:57
      Beitrag Nr. 201 ()
      .


      absolut brillianter Kommentar zum Zustand von Schröder und SPD:laugh:


      koalitionsgespräche
      SPD - die Partei, die stets verneint
      SPD und Grüne ringen um einen Koalitionsvertrag, und das Publikum wartet gespannt. Die konkreten Ergebnisse interessieren natürlich auch, aber eher weniger. Vor allem bewegt eine sportliche Frage: Wer verlässt das Match als Sieger - Rot oder Grün? Wie viel bleibt etwa von der Ökosteuer übrig, die die Grünen so vehement fordern?


      Kommentar
      von ULRIKE HERRMANN

      Doch eigentlich steht die Antwort schon fest. Was immer die Koalitionsverhandlungen ergeben, der Verlierer heißt SPD. Denn sie ist schon jetzt in der Defensive. Ihr fehlt die Vision, das Konzept. Die Sozialdemokraten wissen immer nur, was sie nicht wollen. Sie sind die Partei, die stets verneint.

      So will die SPD die Ökosteuer nicht anheben, die Kohlesubventionen nicht kürzen, die Wehrpflicht nicht abschaffen, die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen nicht reformieren. Die SPD hat sich offenbar darauf verlegt, sich an den grünen Vorschlägen abzuarbeiten. 251 Bundestagsabgeordnete hat die SPD. Da dürfte man mehr Fantasie erwarten.

      Denn was die SPD selbst wollen könnte, bleibt nebulös. Beim Publikum kommt die Botschaft an: weiter so. Die Vergangenheit ist die Zukunft. Die Sozialdemokraten wirken, als könnten sie Neues nur denken, wenn sie von Haushaltslöchern dazu gezwungen werden: Die SPD präsentiert sich als die Hüterin der Defizite. Krankenkassen, Rentenversicherungen, Arbeitsmarkt, Finanzen - überall ist nur Ärger zu erwarten, und immer sind Minister mit SPD-Parteibuch dafür zuständig, die unbeliebten Reformen durchzusetzen. Keine schöne Rolle, stets nur das Schlimmste zu verhindern.

      Die Grünen hingegen preschen voran. Egal, wie viel oder wie wenig sich von der Ökosteuer durchsetzen lässt: Die Grünen haben ihr Profil geschärft. Sie werden als die moderne und liberale Partei dastehen, die leider, leider an der vergangenheitsseligen Tante SPD gescheitert ist.

      Allerdings tünchen die Sozialdemokraten schon eifrig. Auch wenn nicht viel Modernes enthalten sein wird im rot-grünen Regierungsvertrag, so soll doch "Zukunft" wenigstens drauf stehen. Gestern prägte Bundeskanzler Schröder ein Wort, das wir sicher noch oft hören werden: "Erneuerungskoalition" heißt die Regierung der nächsten vier Jahre.

      Nicht gemeint, aber dennoch offensichtlich: Auch die SPD muss sich in dieser Koalition erneuern. Am besten beginnt sie damit gleich am nächsten Montag und sagt in den rot-grünen Verhandlungen nicht: nicht.


      taz Nr. 6863 vom 26.9.2002, Seite 1, 85 Zeilen (Kommentar), ULRIKE HERRMANN, Leitartikel


      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 28.09.02 08:12:20
      Beitrag Nr. 202 ()
      Union liebäugelt mit den Grünen


      Nach der Niederlage bei der Bundestagwahl macht sich die Union auf die Suche nach einem möglichen neuen Koalitionspartner. Trotz der Neuauflage der rot-grünen Koalition wird innterhalb der Union erneut die Debatte um mögliche schwarz-grüne Bündnisse in der Zukunft geschürt.

      Als erster brachte CDU-Präsidiumsmitglied Hermann-Josef Arentz öffentlich eine solche Variante ins Spiel, die bislang auf Landes- und Bundesebene noch nicht verwirklicht wurde. „Wir müssen uns aus der babylonischen Gefangenschaft mit der FDP lösen. Wir brauchen mehrere Optionen“, sagte Arentz am Freitag in der ARD.

      Auch der baden-württembergische Fraktionschef Günther Oettinger will ein solches Bündnis nicht mehr ausschließen.
      CSU-Generalsekretär Thomas Goppel bezeichnete derartige Überlegungen hingegen als „unnötige Gefühlsduselei“.

      „Bei den Grünen ist alles andere zu beobachten als eine Öffnung zur bürgerlich-konservativen Politik“, sagte Goppel dem „Münchner
      Merkur“. Die FDP bezeichnete er als einen „chaotischen Haufen, der wieder eine Linie finden muss“. Während die Grünen bei der Wahl ihren schwachen Partner gestützt hätten, habe die FDP „ihren starken Partner geschwächt“.

      Nach Ansicht von Arentz gibt es zwischen CDU und Grünen in zahlreichen Bereichen programmatische Anknüpfungspunkte – etwa in der Verkehrs-, aber auch in der Familien-, Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik. „Es gibt keinen Grund für eine fundamentalistische Abgrenzung von den Grünen.“ Auch im Präsidium würde es viele geben, „die über unser Verhältnis zu den Grünen neu nachdenken“.


      Oettinger sagte der „Financial Times Deutschland“, die Frage nach Koalitionsoptionen stünde für die CDU „auf Wiedervorlage von Landtagswahl zu Landtagswahl“. Man könne dies aber nicht am grünen Tisch planen. Auch der aus dem Bundestag ausgeschiedene Haushaltsexperte der Grünen, Oswald Metzger, riet seiner Partei dazu, sich für Koalitionen mit der Union zu öffnen. „Es darf zur SPD keine Nibelungentreue geben.“

      Dagegen sagte Merz der Tageszeitung „Welt“, die CDU müsse in zentralen Politikfeldern wie Wirtschaft, Soziales, Außen und Sicherheit wieder stärker eigene Konturen entwickeln. Von der Partei- und Fraktionsspitze verlangte er, politische Führungskraft zu zeigen. CDU-Chefin Angela Merkel hatte Anfang der Woche Merz als Fraktionschef abgelöst.

      27.09.02, 16:38 Uhr focus.de


      Frage: Wer war eigentlich noch mal Herr Merz?? :eek: :D

      2006: Kanzlerin Merkel + Aussenminister Fischer
      Avatar
      schrieb am 28.09.02 08:24:13
      Beitrag Nr. 203 ()
      SPIEGEL ONLINE - 27. September 2002, 17:37
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,215913,00.h…



      Nach der Wahlniederlage

      Merz` Abrechnung mit Stoibers Strategie


      Von Severin Weiland

      Kaum vier Tage hielt die Geschlossenheit der Union. Als Erster meldete sich der in die zweite Reihe zurückgedrängte Ex-Fraktionschef Friedrich Merz mit einer harschen Kritik an der Wahlkampf-Strategie seiner Partei zu Wort, dann folgte Niedersachsens CDU-Landeschef Christian Wulff.


      Unions-Fraktionschef Merz am Tag seines Rücktritts: "Fatale Entwicklung für die Union"


      Berlin - Noch am Montag, nach der Präsidiums- und Vorstandssitzung der CDU in Berlin, hatte Edmund Stoiber erklärt: "Nach wie vor sind wir der Gewinner der Wahl." Als der bayerische CSU-Ministerpräsident diesen Satz aussprach, war Unions-Fraktionschef Friedrich Merz bereits so gut wie abgemeldet - noch am selben Tag verkündete er seinen Rücktritt. Vier Tage später keilt der 46-jährige Rechtsanwalt in der Tageszeitung "Welt" zurück. "Nein, die Union hat am Sonntag eine schwere Wahlniederlage erlitten."

      Was Merz artikuliert, wird von anderen Unionsmitgliedern ebenso gesehen - nur noch nicht so offen ausgesprochen. Die Posten in der Fraktion sind noch nicht alle verteilt.

      Der Sauerländer, der zu Gunsten der CDU-Parteichefin Angela Merkel sein Amt zur Verfügung stellte, kann seinen Ärger über Stoiber in diesen Tagen kaum zurückhalten. Am Dienstag, nach der Wahl Merkels zur neuen Fraktionschefin, war auf den Fluren des Reichstages der Zorn des Verdrängten auf den CSU-Chef ein Thema unter den Unionsabgeordneten.

      Merz, so hieß es, fühle sich vom Kanzlerkandidaten im Stich gelassen. Dieser hatte im Vorstand der CDU für Merkel als neue Fraktionsspitze plädiert - und damit das politische Ende des bis dahin loyalen Fraktionschefs eingeleitet. Zusätzlich demütigend musste es für Merz sein, wieder als einfacher Abgeordneter "ins Glied zu treten", wie ein hochrangiger CDU-Politiker gegenüber SPIEGEL ONLINE erklärte. Künftig wird Merz, der sich in den neunziger Jahren als Finanzexperte der Fraktion einen Namen gemacht hatte, nun noch im Rechtsausschuss mitarbeiten. Ein Trost bleibt ihm: Sein nordrhein-westfälischer Landesverband schlug ihn für das CDU-Präsidium vor. Dort wird er dann künftig in Sitzungen regelmäßig auf Merkel treffen.

      Merz und Stoiber: Die Wut über den CSU-Chef sitzt tief


      Ohne Stoiber namentlich zu nennen, ließ Merz in der "Welt" vom Freitag seiner Enttäuschung über das Abschneiden der Union freien Lauf. Doch auch so war klar, wer gemeint war. Man müsse "über die strategische Ausrichtung der Union insgesamt sprechen", forderte Merz. Und: Die Union müsse "wieder unterscheidbarer von den Sozialdemokraten werden". Fast wie ein Angriff auf den Stoiber-Berater Michael Spreng klang der Satz, wer "immer nur mit dem Zeitgeist segelt, dessen Weg wird von anderen bestimmt". Spreng hatte - zum Ärger mancher in der Union - maßgeblich Stoiber weichgezeichnet.

      Auch was die Ausgangslager der Union angeht, fand Merz deutliche Worte. Während die CDU-Vorsitzende Angela Merkel am Montag sogar noch die schmalen Zuwächse ihrer Partei in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin (plus 1,9 Prozent, plus 1,5 Prozent und plus 2,2 Prozent gegenüber der Wahl 1998) herausgestrichen hatte, sprach der Ex-Fraktionschef Tacheles. Gerade in den Großstädten sei die Partei "praktisch nicht mehr vorhanden, überall nur die zweite, zuweilen die dritte Wahl". Das, schlussfolgert der enttäuschte Christdemokrat, sei "eine fatale Entwicklung für die Union".

      Auch Altkanzler Helmut Kohl forderte zum Realitätssinn auf. Die Ergebnisse in den Ost-Ländern dürfe die Union nicht gelassen hinnehmen. Hier habe die Union schlechter abgeschnitten als "man erwarten konnte."

      Wie Merz denken auch andere

      Schonungslos beschrieb Merz das Erscheinungsbild von CDU und CSU: Weder erreiche die Union mit ihrer "im Kern richtigen Familienpolitik" die Frauen, noch gebe es unter der Kulturszene "bekannte Vertreter, die sich zur Union bekennen".

      Wohl wahr. Kurz vor dem 22. September hatte die "Bild"- Zeitung auf einer ganzen Seite hundert Prominente zu ihrer Stimmabgabe befragt. Ergebnis: Der überwiegende Teil wollte für SPD oder Grüne stimmen - oder für den Konkurrenten der Union im bürgerlichen Lager, die FDP.

      Auch das Nein zu einer deutschen Beteiligung an einem Irak-Krieg, den Schröder zu seinem Thema machte, war aus Merz` Sicht entscheidend für die Wahlniederlage der Union. "Wir hatten erkennbar keine Strategie, wie wir mit allen Eventualitäten umgehen, was wir für richtig und für falsch halten", so Merz.

      In der Tat: Zunächst hatte sein Mentor Wolfgang Schäuble eine "angemessene" Beteiligung Deutschlands im Falle eines Uno-Mandats in Aussicht gestellt, dann ruderte kurze Zeit später Stoiber zurück und warnte vor einem Alleingang der USA. Um dann schließlich zwei Tage vor der Wahl mit einer missverständlichen Äußerung zur Nutzung von US-Stützpunkten in Deutschland für zusätzliche Verwirrung zu sorgen.

      Angst vor Roland Koch

      Nach der Wahlniederlage - CDU und CSU erreichten zusammen 38,5 Prozent, und das auch nur wegen des sehr guten Ergebnisses in Bayern - beginnt in den Reihen der Funktionsträger der allgemeine Katzenjammer. Die Aussicht, vier weitere Jahre in der Opposition zu sitzen, liegt manchem schwer auf dem Gemüt. Zwar beschwor Stoiber zu Wochenanfang noch, die Regierung werde binnen zwei Jahren zusammenbrechen, doch so recht glauben mag das wohl niemand.

      Auch die Versicherung der Partei- und Fraktionschefin Merkel, Stoiber werde dann wieder Kandidat sein, klang eher pflichtschuldig. Viel stärker als Rot-Grün blickt mancher in der Union auf die innerparteiliche Konkurrenz am rechten Flügel. "Im Februar muss erst einmal eine Wahl gewonnen werden", sagt ein CDU-Mitglied - und spielt auf die Zukunft von Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch an. Der, wird von manchem Christdemokraten befürchtet, könnte mit einem stramm konservativen Wahlkampf die Geschlossenheit der Union auf die Probe stellen - insbesondere des liberalen Flügels um Merkel.

      Wulff rechnet ebenfalls ab


      REUTERS

      Niedersachsens CDU-Chef Wulff: "Wachstum allein ist den meisten gar nicht wichtig"


      Wie künftige Erfolge erreicht werden, darüber herrscht trotz aller zur Schau gestellten Geschlossenheit keine Einigkeit in der Union. Vorsichtig werden erste neue Akzente gesetzt. Auf einer Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung tadelte Niedersachsens Landeschef Christian Wulff schon einmal wesentliche Teile der Stoiber-Strategie. Kandidat Stoiber, betonte Wulff zunächst pflichtbewusst am Freitag, habe einen "glänzenden Wahlkampf" geführt. Doch dann griff er einen Kern des Stoiber-Wahlkampfes an: dessen Plädoyer für Wirtschaftswachstum. "Wachstum allein ist den meisten gar nicht wichtig und bedeutet ihnen nichts", interpretierte der hochgewachsene Niedersachse die Befindlichkeiten der Wähler.

      Stattdessen forderte Wulff eine Hinwendung zu weicheren Themen. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Erziehungsprobleme, die Vereinsamung von alten Menschen, Schutz von Kindern und Kultur seien Felder für die Union. Wenigstens in dieser Frage sind sich Merz und Wulff einig. "Wir müssen", appellierte der frühere Fraktionschef in seinem wohl letzten großen Interview vor dem Abgang in die zweite Reihe, " heraus aus der reaktiven Haltung".
      Avatar
      schrieb am 07.10.02 12:15:16
      Beitrag Nr. 204 ()
      Rückblick
      Vier Jahre Rot-Grün


      "Regieren muss auch Spaß machen" - so lautete das Motto von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nach seinem Sieg bei der Bundestagswahl im Herbst 1998. Doch in den folgenden vier Jahren ist dem Kanzler der Spaß wohl mehr als einmal vergangen. Die rot-grüne Koalition musste sich in dieser 14. Wahlperiode so intensiv mit internationalen Krisen und Konflikten befassen wie keine andere Bundesregierung zuvor.
      Umstrittene Bundeswehreinsätze im Ausland
      Deutsche Soldaten wurden in Schröders Regierungszeit zu Einsätzen auf dem Balkan und in Afghanistan stationiert. Der grüne Außenminister Joschka Fischer wurde zum wichtigen Vermittler im Nahost-Konflikt, weil er als einer der wenigen europäischen Politiker das Vertrauen von Israelis und Palästinensern gleichermaßen genoss. Die Grünen unterstützen erst nach langen Zerreißproben die nicht immer nur "grüne" Außenpolitik Fischers, der sich mehrfach aktiv in die internationale Krisenbewältigung einschaltete. Höhepunkt der Entwicklungen war die Vertrauensfrage von Kanzler Schröder am 15. November 2001 im Bundestag wegen der Bundeswehr-Teilnahme am Kampf gegen den internationalen Terrorismus nach den Anschlägen vom 11. September in den USA.

      Eichels Steuerreform und die Ökosteuer
      Die innenpolitischen Ergebnisse der Regierung Schröder traten hinter solch großen Debatten im öffentlichen Bewusstsein oftmals zurück. Dabei hat die rot-grüne Koalition in vier Jahren rund 500 Gesetze auf den Weg gebracht. Zu den wichtigsten gehört die Steuerreform 2000 von Finanzminister Hans Eichel (SPD). Heftig umstritten blieb die Ökosteuerreform. Die Einnahmen aus der Steuer auf Treibstoff und Strom sollen die Rentenbeiträge stabilisieren.

      "Riester-Rente" und Job-Aqtiv-Gesetz
      Die "Riester-Rente" gilt als besonders ehrgeiziges Projekt der rot-grünen Bundesregierung. Sie soll die gesetzliche Alterssicherung um eine kapitalgedeckte Privatvorsorge ergänzen. Mit dem so genannten Job-Aqtiv-Gesetz (Aqtiv steht für Aktivieren, Qualifizieren, Trainieren und Investieren) versuchte Rot-Grün zum Ende der Legislaturperiode, das Problem der Arbeitslosigkeit konsequenter zu bekämpfen als bisher. Schließlich hatte der Kanzler versprochen, die Zahl der Arbeitslosen auf 3,5 Millionen zu senken - ein Ziel, das er um rund 500 000 verfehlte. Sechs Wochen vor der Bundestagswahl am 22. September hat die Zahl der Arbeitslosen wieder knapp die vier Millionen-Grenze überschritten, und ist damit fast so hoch wie vor 1998.

      Staatsbürgerschaftsrecht und Zuwanderungsgesetz
      Am 1. Januar 2000 trat das neue Staatsbürgerschaftsrecht in Kraft. Kinder ausländischer Eltern werden mit der Geburt automatisch deutsche Staatsbürger, wenn die Eltern bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Heftige Debatten gab es um das Zuwanderungsgesetz. Die Union will dagegen sogar vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Das Zuwanderungsgesetz soll erstmals in der Bundesrepublik die Zuwanderung neu regeln und nach den Erfordernissen des Arbeitsmarktes ausrichten.

      Ende der Atomenergie und Homo-Ehe
      Mit dem Gesetz über den Ausstieg aus der Atomenergie setzte Rot- Grün eines ihrer zentralen Wahlversprechen um. Des weiteren reformierte die Regierung Schröder die Zivilprozessordnung, die Bundeswehr und das Mietrecht. Außerdem erließ sie das Lebenspartnerschafts-Gesetz, das die so genannte Homo-Ehe erlaubt.

      Acht Minister verließen Schröders Kabinett
      In knapp 50 Regierungserklärungen hat Schröder versucht, das Regierungsprogramm von einer "Republik der Neuen Mitte" umzusetzen. Dabei blieben insgesamt acht Minister auf der Strecke. Die BSE-Krise kostete Agrarminister Karl-Heinz Funke (SPD) und Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) das Amt. Oskar Lafontaine räumte schon sechs Monate nach Amtsantritt seinen Posten als Finanzminister und SPD-Vorsitzender. Der jüngste Rücktritt war der von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), der über zweifelhafte Geschäfte mit dem PR-Berater Moritz Hunzinger stolperte.

      t-online.de
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      schrieb am 08.10.02 20:47:47
      Beitrag Nr. 205 ()
      SPIEGEL ONLINE - 23. September 2002, 1:06
      URL: http://www.spiegel.de/politik/europa/0,1518,215226,00.html



      Kommentar

      Kanzler ohne Sieg


      Von Mathias Müller von Blumencron

      Gerhard Schröder hat es geschafft: Mit hauchdünnem Vorsprung rettete er die Macht für Rot-Grün. Doch anders als vor vier Jahren gewann er nicht als Reform-Kanzler, sondern als Instinktpolitiker, der Wasserfluten und Kriegsangst für seine Wiederwahl instrumentalisierte. Nun muss er zeigen, dass er nicht nur Wahlkämpfe führen, sondern ein Land aus der Krise ziehen kann.

      So richtig jubeln konnte der Kanzler nicht, sein "wir haben keinen Grund, uns zu verstecken", kam Sonntagabend müde von der Bühne vor der Berliner SPD-Zentrale. Die Enttäuschung über die schweren Verluste seiner Partei stand dem Regierungschef ins Gesicht geschrieben. Schröder kann Kanzler bleiben, die Wahl gewonnen hat er nicht.

      Gewonnen hat dagegen der Herausforderer Edmund Stoiber, vor allem in seinem Heimatland, wo er für die CSU eines der besten Ergebnisse bei einer Bundestagswahl seit 1949 erzielte. Gewonnen hat auch Schröders Außenminister, der Grüne Joschka Fischer, dessen Partei auf Bundesebene noch nie so gut abgeschnitten hat. Dass Schröder überhaupt noch regieren kann, hat er alleine seinem bisherigen Vize zu verdanken, Deutschlands beliebtestem Politiker. Dessen Ergebnis rettet dem Sozialdemokraten das Kanzleramt, bewahrte ihn vor der Schmach, der erste Regierungschef zu werden, den die Wähler nach vier Jahren wieder davonjagten. Für Deutschland indes ist der knappe Wahlausgang eines der denkbar ungünstigsten Resultate.

      "Mehrheit ist Mehrheit", sagt Schröder angesichts des dünnen Vorsprungs trotzig, und damit hat er zunächst einmal Recht. Konrad Adenauer wurde mit einer Stimme Mehrheit, seiner eigenen, zum Kanzler gewählt - es folgte eine der erfolgreichsten Amtszeiten der deutschen Nachkriegsgeschichte. Auch Helmut Kohl regierte lange mit nur vier Abgeordneten Vorsprung. Doch die Zeiten sind anders.

      Geschwächte Partei, geschwächter Kanzler

      Das Land steckt in tiefer Krise. In den vergangenen acht Jahren wuchs die Wirtschaft langsamer als in irgendeiner der anderen führenden Industrienationen - außer Japan. Das Schulsystem ist nicht nur marode, sondern auch noch ungerecht - in kaum einem anderen Land bestimmt die soziale Herkunft so sehr über den Bildungserfolg. Noch immer dient das Gesundheitssystem vornehmlich dem Gewinnstreben der Pharmaindustrie, belasten die steigenden Kassenbeiträge Unternehmen und Patienten. Und noch immer gibt es kein Konzept, wie Renten und Sozialausgaben der rasch alternden Republik in Zukunft finanziert werden sollen.

      Um den Reformstau zu durchbrechen, bedarf es nicht nur mutiger Ideen, sondern auch stabiler Mehrheiten. Nun stellt eine geschwächte Partei einen geschwächten Kanzler, der zudem in den vergangenen Wochen bewiesen hat, dass er zwar Wahlen retten, nicht aber unbedingt ein Land voranbringen kann.

      An der Macht blieb der Kanzler gerade nicht, weil er für die Reform-Agenda das bessere Programm vorweisen konnte. Antworten darauf, wie er Deutschland aus der Krise führen wollte, blieb er ebenso schuldig wie sein Gegner. Überhaupt ging es in den letzten Wochen des langweiligsten Wahlkampfs der Nachkriegsgeschichte nicht um Argumente, um Themen, um Politik. Stattdessen spielten Schröder und seine Helfer skrupellos auf der Klaviatur der Populisten und betrieben Wahlkampf mit Ängsten und Gefühlen.

      Innerhalb weniger Wochen gelang es Schröder, die Diskussion von den wichtigen Sachthemen wegzuziehen, bei denen seine Bilanz hoffnungslos aussah. Am Ende war es eine Persönlichkeitswahl, in der Rot-Grün gewinnen konnte, weil Schröder vielen Wählern als der sympathischere Onkel erschien. Das ist kein stabiles Fundament, um den Reformstau zu durchbrechen.

      Wahlhilfe aus Washington

      Vom Wechsel in die Opposition bewahrt wurde Schröder, weil er unerwartet Wahlhilfe von höheren Mächten bekam. Noch vor zwei Monaten schien die Wahl für SPD und Grüne haushoch verloren. Die Stimmungswende kam mit der Flut, ein Gottesgeschenk für den SPD-Wahlkampf: Die Jahrhundertkatastrophe erlaubte es dem Kanzler, sich plötzlich wieder als Macher zu profilieren, besonders in Ostdeutschland. Der Kanzler in der Schlammwüste - das gab kernige Bilder für den TV-Wahlkampf in den Sommerferien. Das saugte Stimmen von der schon durch den Rücktritt Gregor Gysis von seinem Posten als Berliner Wirtschaftssenator geschwächten PDS. Verdrängt war die Wirtschaftskrise, plötzlich hieß die Losung Solidarität, ein in den vergangenen Jahren fast vergessener ureigener sozialdemokratischer Wert rückte wieder in den Vordergrund.

      Der zweite große Wahlhelfer des Kanzlers residiert in irdischen Sphären, im fernen Washington. Die Kriegstreiberei des US-Präsidenten George W. Bush erlaubte es Schröder, sich als Friedensfürst zu profilieren. Gnadenlos nutzte er die Furcht vieler Deutscher vor einem Waffengang. Der Kanzler betrieb Anti-Amerikanismus mit bisher nicht für möglich gehaltener Schärfe und begeisterte damit nicht nur die Jusos, sondern auch PDS-Anhänger und sogar nationalistische Rechte. Mit seinen deutlichen Worten, die das Verhältnis der Deutschen zu den USA und anderen westlichen Partner-Länder erschütterte, punktete der Kanzler bis tief in die Stammwählerschaft der Konservativen.


      Vergessen waren die Worte seines Außenministers ("wir haben die Amerikaner nicht zu kritisieren"). Plötzlich war Amerika-Kritik wieder erlaubt, und Schröders Attacken gen Washington wirkten für viele seiner Wähler, als hätte er sich und ihnen endlich den Maulkorb abgerissen, den sie seit dem 11. September hatten tragen müssen. Geschickt, aber skrupellos nutzte er ein verbreitetes und undifferenziertes Ressentiment für die Stimmungsmache zu seinen Gunsten. Dabei lässt sich Kritik an der amerikanischen Regierung auch artikulieren, ohne damit die vielen Millionen Amerikaner zu kränken, die die Deutschen bislang für ihre besten Freunde in Europa hielten.

      Der Möllemann-Faktor

      Weitere Wahlhelfer wirkten noch näher an der Bundeshauptstadt. Der FDP-Vize Jürgen Möllemann nahm der FDP jede Chance auf ein zweistelliges Ergebnis. Sein Flirt mit dem Antisemitismus verschreckte potenzielle Wähler in Scharen und verwehrte schließlich Stoiber den Einzug ins Kanzleramt an der Spitze einer schwarz-gelben Koalition. Aber auch der Herausforderer selbst agierte unglücklich. Von Beginn an fehlte ihm der Mut, den Kanzler mit klaren Konzepten zu attackieren. Bis heute erklärte er den Wählern nicht, wie er denn nun die Wirtschaftskrise, die er zu seinem Kernthema erkoren hatte, überwinden wolle.

      Je mehr der Wahlkampf fortschritt, umso mehr wurde der Herausforderer zum Getriebenen. Der Kanzler präsentierte zum Sommeranfang das Hartz-Papier, Ende August, einen Monat vor der Wahl, kam Stoiber mit seinem Wirtschaftskonzept. Das nahmen ihm selbst Unionsanhänger nicht mehr ab. Der Kanzler sammelte Charme-Punkte, Stoiber versuchte es im TV-Duell mit einem antrainierten, verkrampften und oftmals fehl platzierten Grinsen.

      Keine Partei wagte, den Wählern die Wahrheit zu sagen

      Doch möglicherweise noch wichtiger als alle externen Faktoren war ein Grundgefühl der Deutschen, das in dem sich andeutenden Krisen-Herbst - Börsenabsturz, Massenentlassungen, Kriegsdrohungen - wieder hervorbrach, und das der Kanzler mit zielsicherem Instinkt aufspürte: Die deutsche Angst.

      Keine Partei wagte, den Wählern die Wahrheit zu sagen: dass Überalterung, steigende Sozialabgaben und zunehmende Bürokratisierung das Land abzuwürgen drohen. Und vielleicht wollten es die Wähler auch gar nicht so deutlich wissen. Angst vor Krieg, Angst vor Jobverlust, Angst vor mehr Konkurrenz verdrängten - durchaus verständlich - zunehmend die Reformlust.

      Noch vor vier Jahren sehnten sich die Menschen nach Veränderung. Selten waren die Deutschen so reformbereit wie nach den bleiernen Kohl-Jahren - doch Schröder nutzte den Schwung nicht. Nach zaghaften Reform-Versuchen in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit stoppte er mit der Politik der "ruhigen Hand" den Fortschritt. Heute ist der Reformstau in Deutschland teilweise noch dramatischer als vor vier Jahren.

      Kampf gegen die Interessenbewahrer

      Nun muss der Kanzler zeigen, dass er nicht nur Wahlen gewinnen, sondern auch regieren kann. Vor ihm liegen große Aufgaben, das Konflikt-Potenzial ist gewaltig. Nahezu sämtliche Reformen verlangen harte Schnitte, gegen die es vor allem in den eigenen Reihen jede Menge Interessenbewahrer gibt. Wird sich der Kanzler mit Hauchdünn-Mehrheit wirklich mit Ärzten und Pharmalobbyisten anlegen, oder gar auf höhere Selbstbehalte bei den Krankenkassen drängen, wo ihm schon bisher der Mut dazu fehlte? Wird er sich mit den vielen Lehrern in den eigenen Reihen, aber auch unter seinen Wählern anlegen, um unter den Studienräten für mehr Konkurrenz und Leistungsdruck zu sorgen? Wird er es wagen, mehr Einwanderung zu fordern, damit der Sozialstaat zumindest halbwegs finanzierbar bleibt? Und wird er es wagen, mit mutiger Liberalisierung der Wirtschaft wieder die Luft für Investitionen und Wachstum zu geben, die sie so dringend braucht? Bisher bremste der Kanzler, wenn es etwa darum ging, Selbständigkeit zu erleichtern oder den Niedriglohnsektor auszuweiten, um die boomende Schwarzarbeit zu begrenzen.

      Die Reformsehnsucht der Deutschen ist wie weggeblasen, das hat der Regierungs-Chef geschickt erkannt. Eine Mehrheit, so zeigen die Umfragen, empfindet den Begriff derzeit als negativ. Vor vier Jahren hatten die Deutschen Schröder gewählt, weil sie Veränderung wollten. Heute haben die Wähler für ihn gestimmt, weil er vielen als Garant dafür gilt, sie vor großen Veränderungen zu bewahren.

      Zu befürchten ist, dass Schröder seine Wähler nicht enttäuschen wird.
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      schrieb am 30.10.02 10:58:09
      Beitrag Nr. 206 ()
      gestern hat eine perfekt vorbereitete SAndra MAischberger auf n-tv den Lügenbaron und Täuscher Müntefering perfekt vorgeführt.
      Es war ihr ein sichtliches Vergnügen, den beharrlich und selbstzerstörerisch leugnenden Münti Faktum für Faktum der WAhllügerei zu überführen.

      Münti hatte offensichtlich einen neuen Schub seiner alten, jahrelangen Erkrankung:

      Er hält alle anderen für so blöd, daß sie auf ihn hereinfallen, wenn er nur dreist genug lügt, daß sich die BAlken biegen.

      Die feine Ironie der Maischberger verstand Münti zumeist erst eine Minute später - da war es schon zu spät.

      nur ein Beispiel von vielen: Münti wollte den Steuer-Betrug( Einführung der "Ökosteuer" für das umweltsfreundliche Erdgas!! ) an den Bürgern, die in der Vergangenheit Milliarden in umweltfreundliche Gasheizungen investierten, weil sie einen Teil über Steuererleichterungen in den folgenden JAhren zurückbekommen sollten, dummdreist als "steuergerechtigkeit" gegenüber den Ölverbrauchern verkaufen. Schlißelich würden "die ja auch heizen". :rolleyes:

      Da meinte Maischberger ganz trocken:

      "Aha, das ist dann die "ökologische Erneuerung" , ja? "

      Müntefering - geistig nicht besonders beweglich, wie immer:

      "JA!!" :laugh: :laugh:

      Und so ging es munter weiter. Es war einfach genial, wie MAischberger ihn fertiggemacht hat.

      Am Schluß hat er ihr offensichtlich so leid getan, daß sie noch eine Minute dafür verwandte, ihn nach dem Sinn der an seinem Revers angehefteten roten Stecknadel zu fragen... erstmals hatte er in dieser sendung das Niveau erreicht, auf dem er "sicher" war... :laugh:

      Wer Zeit hat: wird heute morgen (und SICHER :D Freitag) wiederholt...



      Fazit:
      Eine echte Sternstunde kritischen Journalismus, der sich nicht mehr durch dreistes Lügen und Leugnen abkanzeln lässt, sondern durch Zitate und FAkten den Lügenbaron mit der harten Wirklichkeit konfrontiert.

      NAch der morgendlichen, schwächsten Regierungserklärung, die jemals in dieser Republik zum Besten gegeben wurde, das Pünktchen auf dem journalistischen i.

      Ich kann mich nicht entsinnen, auf sämtlichen Sendern derart gleichermaßen brutale wie vernichtende, aber (leider für unsere Repulik) absolut zutreffende Kritiken für das hohle Geschwätz eines völlig überforderten, heruntergekommenen Entertainers im Bundeskanzleramt vernommen zu haben.

      Die Rede der Merkel zeigte:

      Wir werden 2006 eine KAnzlerin haben.





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      Die Wahrheit ist konkret, Genosse!

      Angela Merkel tritt zum ersten Mal als Oppositionsführerin auf - und nutzt die Chance, die Schröder ihr bietet / Von Karl Feldmeyer


      BERLIN, 29. Oktober. Tage wie dieser sind im Bundestag die Ausnahme. Wann je zuvor hat ein Kanzler mit seiner Regierungserklärung dem Oppositionsführer so eine Chance geboten - und wann hätte der sie so zu nutzen gewußt wie Angela Merkel? Eine Stunde und acht Minuten hatte Schröder gesprochen, ohne auch nur eine einzige konkrete Neuigkeit oder Absicht zu präsentieren. Nichts geht über die Hoffnung hinaus, Deutschland werde in zehn Jahren wieder zu den führenden Nationen im Bildungswesen zählen. Keine Konkretisierung seiner Wirtschafts- und Steuerpolitik, keine seiner Arbeits- und Sozialpolitik und erst recht keine zur Außen- und Sicherheitspolitik; nicht einmal eine Geste des Bemühens um Amerika.

      Als der blasse Pflichtbeifall der Koalitionsabgeordneten verebbt ist, steht Angela Merkel am Rednerpult: erstmals als Fraktionsvorsitzende, um dem Kanzler zu antworten. "Salbungsvoll", so lautet ihr erster ironischer, aber zutreffender Kommentar, habe Schröder die Ziele seiner Politik aufgezählt. "Als ich Ihnen zuhörte, fiel mir dazu nur noch der Satz aus dem Johannes-Evangelium ein: ,Mein Reich ist nicht von dieser Welt.` Ihre Wahrnehmung der Realität, Herr Bundeskanzler, Ihre Regierungserklärung ist auch nicht von dieser Welt", fährt Merkel, die Bibel paraphrasierend, fort, um dann aus ihrem marxistischen Zitatenschatz schöpfend den Verriß zu krönen: "Die Wahrheit ist konkret, Genosse!"

      Das trifft den Nagel auf den Kopf und den Kanzler an der Kinnspitze, denn seine Rede war vor allem eines gewesen: vage, entsetzlich vage. Schröder, so diagnostiziert Merkel, trage - man spüre es förmlich - schwer an der Erblast seiner eigenen Regierungsjahre: Die Löcher in der Staatskasse würden täglich größer, und das werde so bleiben. Die Arbeitslosigkeit werde zudem steigen, und dabei gehe es nicht um die Zahl von vier Millionen, sondern um die konkreten menschlichen Schicksale, die sich mit ihr verbänden. "Keines von ihnen hat in Ihrer Rede eine Rolle gespielt."

      Das wichtigste Mittel ihrer rhetorischen Auseinandersetzung mit Schröder ist die Konkretisierung ihrer Vorhaltungen. Das, was dem Kanzler an Konkretem fehlte, liefert sie, um ihn vorzuführen. Wählertäuschung lautet eine ihrer Anklagen, und um sie zu belegen, zitiert sie am liebsten den Kanzler selbst. Wer hat vor der Wahl Steuererhöhungen ausgeschlossen? Der Bundeskanzler, stellt Merkel fest und belegt es mit Zitat, Quelle und Datum. Wer hat eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge vor der Wahl ausgeschlossen? - Zitat, Quelle und Datum. Um die vorsätzliche Wählertäuschung am Beispiel der Neuverschuldung zu belegen, bemüht sie ausnahmsweise Finanzminister Eichel. Der Befund aber ist eindeutig und belegt: "Dies ist ein Koalitionsvertrag der Enttäuschung, der Täuschung und der Vertuschung."

      Versteht sich, daß Merkel bei dieser Abrechnung die Eingriffe in die Eigenheimzulage nicht mit gütigem Schweigen übergeht. Die SPD-Abgeordnete Margrit Wetzel hat ihr das Urteil schon mit der Feststellung abgenommen: "Das ist ein Schlag ins Gesicht der Bauindustrie." Merkel ergänzt das Zitat mit dem Hinweis, es sei für diejenigen, denen durch die Streichung der Förderung die Kreditwürdigkeit bei ihrer Bank verlorengehe, "schlicht eine Katastrophe". Und das alles solle "gerecht und maßvoll" sein, wie der Kanzler seiner Politik selbstgefällig testiere, zweifelt sie und fragt nun selbst: Wieso sind diese Belastungen gerecht? "Vielleicht deshalb, weil alle schon sowieso am Boden liegen."

      "Rot/Grün macht arm", lautet Merkels Schlußfolgerung, an die sie nun eine Voraussage anknüpft. Nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen, die dem Kanzler schon jetzt im Magen lägen, würden weitere Belastungen präsentiert werden. Mehrwertsteuer und Kilometerpauschale sind dabei nur einige der Stichworte, die Merkel dazu parat hat. "Wir verlangen von Ihnen, daß Sie uns hier und heute reinen Wein einschenken und sagen, was Sie in den nächsten Monaten vorhaben", herrscht die CDU-Vorsitzende Schröder an, bevor sie ihre Freude am Wortspiel in die Formulierung gießt: "Sie sind keine Regierung der Erneuerung, sondern der Verteuerung."

      Dann ist Merkel bei der Außen- und Sicherheitspolitik, konkret bei Schröders Wahlkampf-Versprechen zum Thema Irak-Krieg. Von allem, was sich Schröder geleistet habe, sei das der größte Betrug gewesen, urteilt sie und verweist auf seine Parole vom "deutschen Sonderweg". Das war vor der Wahl - und danach? Da habe sein Außenminister Fischer das Thema mit dem Satz erledigt: "Forget it."

      Die Lust an der Präzisierung der Probleme läßt Merkel für einige Augenblicke ihre Rede zur Fragestunde mit dem Kanzler umfunktionieren. Mit dem "ohne mich" zu einem Irak-Krieg kommt er bei ihr nicht durch. Wie will sich die Bundesregierung verhalten, wenn sie nach einem Militärschlag um einen Beitrag zu einer Peace-keeping-Operation, gebeten wird - und wie, wenn der Irak Israel angreifen sollte; vor allem aber: Wie will sich die Bundesregierung im Sicherheitsrat verhalten (dem Deutschland derzeit angehört), wenn dort über eine Resolution abgestimmt wird, die Militärmaßnahmen gegen den Irak einschließt? Wird die Bundesregierung dann etwa Weisung geben, mit Nein zu stimmen, möglicherweise als einzige? Schröder und seine Minister sitzen während dieses Stakkatos von Fragen wie in einem Gewitterguß auf der Regierungsbank. Selbst die Hände von Außenminister Fischer, die sonst fast ständig seine Unterhaltungen begleiten, erlahmen. Merkels Druck auf die Regierungsbank ist in diesem Augenblick fast körperlich spürbar, und Schröder macht nicht den Eindruck, als dränge es ihn, solche Fragen zu erörtern. Sein Motto bleibt zwar unausgesprochen, ist aber dennoch wahrnehmbar: Nur nicht daran rühren. Man kann nur ahnen, wie Merkel dieses Thema aufbereiten würde, wenn sie nicht um die eigene Blöße wüßte: Stoibers Einschwenken auf die Position des Kanzlers unter dem Erfolgsdruck des Wahlkampfes.

      All das ist wichtig, aber es ist nur Kritik an Details. Merkels Unzufriedenheit mit Schröder aber geht tiefer. Sie zielt auf das Politikverständnis, auf das, was diesen Kanzler als Politiker ausmacht - oder eben nicht ausmacht. "Sie haben es bis heute nicht geschafft, unsere nationalen Interessen zu definieren", lautet ihr Vorwurf. Merkels Stimme ist von einer Selbstsicherheit, als habe sie sich dieser Pflicht selbst längst unterzogen. Aber darum geht es jetzt nicht. Merkel hat wieder einen Parteifreund Schröders als Kronzeugen, den thüringischen SPD-Landesvorsitzenden Matschie. Seine Bewertung der Politik Schröders - "man weiß nicht, wo es hingeht" - kommt ihr gerade recht. "Was ist Ihr Gestaltungsanspruch, Herr Bundeskanzler?"

      Sogleich setzt sie ihre Philippika fort. Vier Jahre habe Eichel sich mit seinem Sparkurs profiliert und dafür fast schon Bewunderung in der Bevölkerung gefunden, und nun verlasse er ihn. Vor vier Jahren habe Schröder sich den Abbau der Arbeitslosigkeit zum Ziel gesetzt, betreibe aber eine Politik, die sein Ziel von weniger als zwei Millionen Arbeitslose illusorisch mache. Er ermutige die Bürger zu mehr Eigenverantwortung und Selbständigkeit, entziehe ihnen aber durch Steuererhöhungen die dafür notwendigen Voraussetzungen. "Alles, was Sie vorschlagen, ist Gasgeben und Bremsen zugleich. Das kann nur zu einem nachhaltigen Motorschaden führen, zu sonst nichts."

      Merkel setzt die Liste der Beispiele fort, immer auf Präzision bedacht. Ihr Fragen zielt nicht auf Erkenntnis, sondern darauf, den Kanzler bloßzustellen, deutlich zu machen, daß seine Politik ohne Ratio, ohne einen wirklichen inneren Kompaß sei, der ihr Ziel und Richtung gibt. Was er heute sage, sei morgen schon überholt. Am Ende ihrer Rede steht ein Verdikt: "Sie, Herr Bundeskanzler, wollen vielleicht dieses Land irgendwie von Ereignis zu Ereignis bringen; aber die Fähigkeit, es zum Wohle der Menschen zu führen und die schöpferischen Kräfte in diesem Land zu wecken, die haben Sie nicht, weil Sie keine Idee haben und weil Sie die Menschen nicht ernst nehmen."

      Vieles spricht für Merkels Urteil. Daß sie selbst über diese Qualität verfügt, muß sie noch belegen.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.10.2002, Nr. 252 / Seite 3
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      schröders auftritt
      Die Rede zum Fehlstart
      Wer immer von Gerhard Schröder eine gute, vielleicht sogar eine große Rede erwartet, bleibt nach den Auftritten des Kanzlers regelmäßig mit zwei fundamentalen Fragen zurück: Wer, in drei Teufels Namen, setzt eigentlich jedes Mal das elende Gerücht in die Welt, diesmal werde Schröder ganz bestimmt eine grandiose Ansprache halten? Und was treiben eigentlich die Redenschreiber des Kanzlers? Man kann in ihrem eigenen Interesse nur inständig hoffen, dass sie für die gestrige Regierungserklärung nicht verantwortlich sind. Das wäre ein Entlassungsgrund.

      Kommentar
      von JENS KÖNIG

      Was sollte die Schröder-Rede nicht alles sein: das Aufbruchsignal für ein Kabinett, das ziemlich alt aussieht. Die große Philosophie einer rot-grünen Regierung, die sich schon kurz nach dem Wahlsieg im Klein-Klein zermürbt. Eine schonungslose Bestandsaufnahme der Probleme unseres Landes. So eine Art Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede also. Schröders Regierungserklärung war in sich konsequent: Sie hat keinen der Ansprüche eingelöst. Kein Blut, keine Tränen, bestenfalls ein bisschen Schweiß. Angstschweiß. Die ideale Rede zum Fehlstart von Rot-Grün II.

      SPD und Grüne haben versprochen, das kommende Jahrzehnt prägen zu wollen. Gemessen an Schröders Worten wird das eine rot-grüne Epoche der Plattitüden. Gemeinwohl befördern, Chancen eröffnen, Gerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung organisieren - so hört sich das an. Und als Krönung des ganzen Eiapopeia das provinzielle Remake der alten Kennedy-Schnulze, demzufolge wir alle aufhören sollen zu fragen, was nicht geht, sondern dazu beitragen sollen, dass es geht. Man hat schon schlimmere Aufrufe gegen allgemeine Miesmacherei gehört - aber gleich danach kommt der müde Kanzlerappell an jeden Einzelnen von uns. Das ist Roman Herzog minus Ruck.

      Die rot-grüne Regierung droht geistig in die Defensive gedrängt zu werden. Ihre einzige Hoffnung ist die Realität. An ihr wird der sozialdemokratische Traum (den SPD und Grüne gemeinsam träumen), mit mehr Staat und ein paar Reförmchen könne Deutschland endlich eine andere, gerechtere, ökologischere Republik werden, scheitern. Es wird in den kommenden vier schweren Jahren genügend Krisen geben. Dann schlägt wieder die Stunde des großen Meisters des Augenblicks. Da muss Schröder nicht reden, da kann er handeln. Da kann er das umsetzen, was er sich jetzt nicht zu sagen traut. Das ist für jemanden, der sich als Reformkanzler versteht, nicht viel. Aber besser als nichts.

      taz Nr. 6891 vom 30.10.2002, Seite 1, 85 Zeilen (Kommentar), JENS KÖNIG, Leitartikel

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      Die Rollen sitzen schon

      Ernste Regierung, fröhliche Opposition: Die gestrige Bundestagsdebatte bot einen Ausblick auf die nächsten vier Jahre
      aus Berlin BETTINA GAUS

      Der Kanzler sprach gerade über Klimaschutz, als er sich plötzlich abrupt am Rednerpult des Bundestages umdrehte: "Kann ich Ihnen helfen, meine Damen und Herren?", fragte er höflich. Kurze Verblüffung im Saal - und dann schadenfrohes Gelächter, während die parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen dastanden wie begossene Pudel. So elegant hatte sich noch niemand darüber beschwert, dass sie mit dem Präsidium des Parlaments allzu laut über Fragen der Geschäftsordnung verhandelten und damit die Konzentration des Redners störten.

      Der souveräne kleine Scherz blieb allerdings fast die einzige Pointe, die sich Gerhard Schröder bei der ersten Regierungserklärung seiner zweiten Amtszeit gönnte. Trocken und nüchtern umriss der Kanzler sein Konzept für die nächsten vier Jahre. Die Mitglieder seines Kabinetts verzogen unterdessen fast keine Miene. Kollektiv schienen sie sich um einen ganz besonders würdigen Gesichtsausdruck bemühen zu wollen - dem Ernst der Stunde angemessen. Das sollte die Runde allerdings noch ein wenig üben. Die meisten sahen eher griesgrämig als erhaben aus.

      Ganz anders die Opposition. Die gab sich schon vor Beginn der Sitzung betont munter. Ganz zart umfasste der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle den Arm seiner CDU-Kollegin Angela Merkel, gerade lange genug, damit das schöne Bild der Eintracht auch noch dem letzten Fotografen auffallen musste. Nett plaudernd gesellten sich sodann Friedrich Merz, Wolfgang Gerhardt und Michael Glos zu den beiden. Wer von den Diadochenkämpfen der Vergangenheit noch nie etwas gehört hat, musste glauben, diese Leute seien einander alle besonders herzlich zugetan.

      Die ernste Regierung und die fröhliche Opposition: Die jeweiligen Rollen wurden konsequent durchgehalten. Hat Gerhard Schröder jemals gesagt, Regieren mache Spaß? Davon war ihm zumindest gestern nichts anzumerken. Langweilig sei seine Rede gewesen, allzu kleinteilig und uninspiriert, befanden hinterher zahlreiche Beobachter in den Wandelgängen des Parlaments, und tatsächlich hätten vermutlich nicht einmal engste Freude oder seine loyale Ehefrau den Vortragsstil des Kanzlers als mitreißend bezeichnet.

      Ob er das bedauern würde? Vieles spricht dafür, dass Schröder, dessen rhetorisches Talent ohnehin nicht zu seinen größten Gaben gehört, aus der Not eine Tugend gemacht hat und durchaus absichtsvoll alles vermied, was ihm als charmante Dampfplauderei hätte ausgelegt werden können. Denn was er zu sagen hatte, verträgt sich schlecht mit optimistischem Frohsinn: Er verkündete den Abschied vom Wohlfahrtsstaat, wie wir ihn heute kennen. Einige seiner Regelungen seien "zur Disposition zu stellen", manches aus der Bismarckzeit oder aus den letzten Jahrzehnten "hat heute seine Dringlichkeit und damit seine Begründung verloren".

      Indirekt räumte der Bundeskanzler ein, dass wohl zunächst nicht mit einer Rückkehr der fetten Jahre zu rechnen sein wird: Mehr Wachstum und mehr Produktion bedeute nicht automatisch auch mehr Lebensqualität. "Mehr als auf die Verteilung knapper werdender öffentlicher Mittel kommt es heute auf die Verteilung der Chancen an. Unsere Generation steht vor der historischen Aufgabe, Gerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung zu definieren und zu erreichen." Schröder warb um Verständnis, "dass man bei bestimmten staatlichen Leistungen auch einmal langsamer treten muss, dass auf das erreichte Leistungsniveau des Staates und der Sozialversicherungen nicht fortwährend draufgesattelt werden kann".

      Wumm. Der Öffentlichkeit ist es zwar keineswegs neu, dass politisches Handeln längst vor allem in der möglichst klugen Verwaltung von Mangel besteht. Aber diese Erkenntnis einmal ehrlich und öffentlich von einem amtierenden Regierungschef zu hören, das gleicht einer Sensation. Hätte Schröder bei anderen Themen vergleichbar großen Mut bewiesen - seine Regierungserklärung wäre eine große und bedeutende Rede geworden. Nicht etwa deshalb, weil alle seine Analysen notwendigerweise für richtig gehalten werden müssten. Sondern deshalb, weil endlich definiert worden wäre, um welche grundsätzlichen Fragen es in der politischen Auseinandersetzung heute geht.

      Allerdings hat der Mut über diese Sätze hinaus nicht gereicht. Die "große Reform der Arbeitsmärkte", die Schröder die "vordringliche Aufgabe in der beginnenden Legislaturperiode" nannte, wird immer noch als "Eröffnung neuer Chancen" und eben nicht als möglichst effiziente Mangelverwaltung bezeichnet - gerade so, als gebe es noch irgendjemanden im Deutschen Bundestag, der an die Wiederherstellung der Vollbeschäftigung glaubt. Mit Gelächter quittierte die Opposition die Ankündigungen, die Politik der Steuersenkungen werde "fortgesetzt", der europäische Stabilitätspakt stehe nicht zur Disposition, und die Regierung wolle bis 2006 einen ausgeglichenen Haushalt erreichen.

      Als Schröder sich darum bemühte, die "zentrale Botschaft" zu benennen, die "auch Maxime der vor uns liegenden Regierungsjahre sein muss", da wurde er ziemlich lyrisch: "Hören wir auf, immer nur zu fragen, was nicht geht. Fragen wir uns, was jeder und jede Einzelne von uns dazu beitragen kann, dass es geht!" Eine Steilvorlage für Angela Merkel. Als "Kennedy-Verschnitt aus Hannover" bezeichnete sie den Kanzler und fragte höhnisch: "Was ist - es?" Die Unionsfraktion war begeistert. Ihre neue starke Frau legte gleich noch einmal nach: "Was ist - es?" Tosender Jubel.

      Unterschiedlicher können zwei Reden kaum ausfallen als die von Gerhard Schröder und von Angela Merkel. Etwas aber haben beide gemeinsam: Die Vortragenden haben deutlich gemacht, dass sie ihre jeweiligen Rollen kennen - und auszufüllen bereit sind. Der Bundeskanzler sprach als Akteur, dessen Aufgabe es ist, der Öffentlichkeit seine Absichten mitzuteilen. Die Opposition möchte er nicht wichtig genug nehmen, um in einer Grundsatzrede viel Zeit auf Attacken gegen sie zu verschwenden. Die neue Oppositionsführerin entwickelte hingegen kein eigenes Programm, sondern beschränkte sich darauf, Schwächen der Regierung anzuprangern. Sie habe keine alternativen Vorstellungen entwickelt, warf Außenminister Joschka Fischer der neuen Fraktionsvorsitzenden später vor. Das betrachtet Angela Merkel in dieser Situation offenbar auch nicht als ihren Job.

      Stattdessen richtete sie ungewöhnlich scharfe Angriffe gegen die rot-grüne Koalition und schreckte dabei auch nicht vor Kalauern zurück: "Sie sind keine Regierung der Erneuerung, Sie sind eine Regierung der Verteuerung." Der Bruch von Versprechungen sei "unanständig", die Menschen komme die Wahl "teuer zu stehen", der Koalitionsvertrag sei ein Dokument der "Enttäuschung, der Täuschung und der Vertuschung". Ebenso wie später der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle machte Merkel deutlich, dass sie nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen weitere Steuererhöhungen erwartet.

      Die Irakpolitik der Bundesregierung nannte die CDU-Vorsitzende den "größten Betrug an Wählern in der Nachkriegsgeschichte", obwohl Schröder gestern noch einmal betonte, dass sich die Bundesregierung nicht an einer Militäraktion gegen das Land beteiligen wolle. Angela Merkel erklärte jedoch viele Fragen in diesem Zusammenhang für weiterhin ungeklärt - und sie verwies darauf, dass im Koalitionsvertrag das Thema sorgsam ausgespart worden ist: "Ich vermute, Sie hatten wenigstens den Außenminister davor, der Sie daran gehindert hat, Ihre Lügen in Schriftform zu fassen", sagte sie an die Adresse von Gerhard Schröder.

      Aus Sicht der Union hat die Fraktionsvorsitzende ihre erste Bewährungsprobe offenbar erfolgreich bestanden. Die Regierungserklärung des Kanzlers bereitete hingegen das rot-grüne Lager vor allem darauf vor, dass die nächsten Jahre nicht einfach werden dürften. Nun kann der parlamentarische Alltag beginnen.

      taz Nr. 6891 vom 30.10.2002, Seite 3, 222 Zeilen (TAZ-Bericht), BETTINA GAUS

      taz muss sein...

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      GELDSORGEN WACHSEN
      Unzufriedenheit steigt
      Nur vier von zehn Bundesbürgern sind mit ihrer finanziellen Situation zufrieden. 14 Prozent der Deutschen haben Geldsorgen, so eine Umfrage. Im vergangenen Jahr hatte nur jeder zehnte Bundesbürger angegeben, mit seiner finanziellen Lage nicht zufrieden zu sein.
      (afp)

      taz Nr. 6891 vom 30.10.2002, Seite 8, 12 Zeilen (Agentur)

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      Avatar
      schrieb am 12.11.02 02:32:25
      Beitrag Nr. 207 ()
      cdu-parteitag
      Das Ergrünen der Angela Merkel

      Angela Merkel hat gestern die erste Regierungserklärung einer schwarz-grünen Koalition abgeliefert. Sie hat, ohne die Grünen mehr als einmal zu erwähnen, skizziert, was die gemeinsame Wertebasis eines solchen Bündnisses sein könnte. Dass sie die Grünen, einst Lieblingsgegner konservativer Redner, dabei von direkten Angriffen fast ausgenommen hat und sich ganz auf den Sozi Gerhard Schröder konzentrierte, passt ins Bild. Ihr zentraler Vorwurf an den Kanzler schließlich müsste eigentlich von den Grünen kommen: Schröders Tun und Denken fehlt es an Nachhaltigkeit, er betreibt "eine Politik des Augenblicks".

      Kommentar
      von PATRIK SCHWARZ

      Schwarz und Grün - so ähnlich kann es sein: Unter Heimat versteht Merkel nicht den röhrenden Hirsch überm Sofa, sondern die selbstbestimmte Suche nach Sinn in einer unübersichtlichen Welt. Steckt darin nicht der Kern für ein buntes, womöglich sogar multikulturelles Deutschlandbild? Innere Sicherheit definiert Merkel nicht länger als alleinige Domäne der Polizei, sondern als Forderung nach sozialer wie ökologischer Lebensqualität. Die Biokarotte als Frage der inneren Sicherheit - so provokativ formuliert sonst nur Renate Künast. Die CDU denke den Staat von den kleinen Einheiten her, nicht von der allmächtigen Zentrale, sagt Merkel - und Bürgerinitiativen wie grüne Mittelständler müssten applaudieren. En passant hat Merkel schließlich den Abschied der CDU vom Christentum als alleinigem Heilsbringer formuliert: Weil sie Gott nicht nur im Singular denkt, ist Merkel anschlussfähig bis in die modernen Sinnsucher-Szenen.

      Um die grünen Wähler wie Politiker warb sie dabei als Letztes. Die Vorsitzende hat lediglich formuliert, wie sie sich die CDU in Zukunft vorstellt, und siehe da - die neue Union passt zu den Grünen besser als zu SPD oder FDP.

      Merkel bot ihre ganz persönliche Synthese aus evangelischer Akademie (selbst ein Psalm durfte nicht fehlen) und soziologischem Proseminar ("Deutschland braucht die Rückkehr des Politischen"). Den Delegierten war Merkels Mischung ein wenig unheimlich. Doch von allen Parteichefs dieses Wahljahres hat sie am ehesten einen programmatischen Entwurf geboten. Gegenüber Rot-Grün ist das ein Fortschritt, denn die jetzige Regierung entzieht sich jeder Kritik. Ihre eigenen Maßstäbe enthält sie uns vor - und andere Maßstäbe als die eigenen akzeptiert sie nicht. Welche Politik Angela Merkel aus ihren Prinzipien ableitet, ist noch offen, aber immerhin kann man sie jetzt an Prinzipien messen.

      taz Nr. 6902 vom 12.11.2002, Seite 1, 85 Kommentar PATRIK SCHWARZ, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 02:46:56
      Beitrag Nr. 208 ()
      .... und zum thema "Mehrheiten" noch diesen Artikel:

      SPIEGEL ONLINE - 09. November 2002, 20:03
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,222261,00.h…
      Rot-grüne Koalitionskrise

      "Dann kann die SPD sich einen neuen Partner suchen"

      Nur Wochen nach der Wahl schlittert Rot-Grün in die erste bedrohliche Krise hinein. Grüne Abweichler wollen die Erhöhung der Rentenbeiträge stoppen, drohen gar mit dem Bruch der Koalition - und zweifeln öffentlich an Versprechen der SPD.

      Spitzenpolitiker Fischer, Schröder: In mindestens einem Drittel der Grünen-Fraktion rumort es - und vor allem junge SPD-Genossen sympathisieren insgeheim mit den Abweichlern



      Berlin - Für Katrin Göring-Eckardt stand das Wochenende im Zeichen der Schadensbegrenzung. In verschiedenen Interviews sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, sie rechne damit, dass die Koalition am Freitag die Erhöhung der Rentenbeiträge beschließen werde. "Wir werden die Handlungsfähigkeit der Regierung nicht gefährden", versprach sie etwa in der Zeitung "Sonntag Aktuell". Und das war nicht etwa eine Feststellung - sondern vor allem ein Appell an die eigenen Parteikollegen.

      Denn dass Göring-Eckardt das eigentlich Selbstverständliche beteuern muss, zeigt nur: Nur Wochen, nachdem sie den Koalitionsvertrag unterschrieben haben, kriselt es gewaltig im Verhältnis zwischen Sozialdemokraten und Grünen. Mehrere Grüne, darunter Nachwuchspolitikerinnen wie Anna Lührmann, drohen trotz aller Einigkeitsappelle aus der Fraktionsspitze, den Renten-Entwurf im Bundestag abzulehnen. Er soll den Beitragssatz auf 19,5 Prozent hochschrauben - in den Koalitionsverhandlungen waren noch 19,3 Prozent vereinbart worden.

      Alarmierend viele Abweichler

      Eine Abstimmungsniederlage würde die junge Koalition in die erste, gravierende Existenzkrise stürzen, das fürchtet nicht nur Göring-Eckardt. Und angesichts knapper Mehrheitsverhältnisse muss die grüne Spitze bangen: Bereits am Dienstag hatte der Beschluss in der Fraktion Unmut ausgelöst. Etwa ein Drittel der Abgeordneten verweigerten die Zustimmung. Alarmierend viel angesichts der knappen Bundestagsmehrheit: Die Regierung verfügt nur über neun Abgeordnete mehr als die Opposition.

      Der Abgeordnete Werner Schulz, einer der prominentesten Kritiker der Beitragserhöhung, hält die Zahl der möglichen Neinsager für groß. Die Truppe der Abtrünnigen in der Fraktion sei "drei- bis viermal so groß wie die Ströbele-Gruppe",
      sagte er dem SPIEGEL. Die Gruppe von Kriegsgegnern um den Berliner Abgeordneten Hans-Christian Ströbele hatte den Kanzler vergangenes Jahr genötigt, bei einer Abstimmung über den Anti-Terror-Einsatz die Vertrauensfrage zu stellen.

      "Koalitionen sind kein Selbstläufer"

      In der "Bild am Sonntag" bekräftigte Schulz seine Kritik - und griff zugleich den Kanzler frontal an. "Am schlimmsten ist diese Art, mit Kanzler-Wort zu regieren", sagte er. "Das kann Schröder ja versuchen, aber dazu bräuchte er auch den entsprechenden Koalitionspartner. Den sollten die Grünen nicht abgeben." Schulz fügte hinzu, Koalitionen seien keine Selbstläufer.


      Viele Grüne erklären die Erhöhung der Beiträge zur Prinzipienfrage. Der Abgeordnete Alexander Bonde etwa kritisierte das geplante Gesetz im SPIEGEL als "das glatte Gegenteil von Generationengerechtigkeit. Das steht diametral dem entgegen, weshalb ich bisher Politik gemacht habe." Bondes Fraktionskollege Albert Schmidt sagte in einem anderen Interview: "Wenn die SPD weiterhin nicht zu wirklichen Strukturreformen bereit ist, kann sie sich einen anderen Koalitionspartner suchen."

      Die Forderung kam per Fax

      Wie sehr manche Grünen dem SPD-Lager misstrauen, zeigt eine Forderung Schmidts. Er verlangt als Bedingung für seine Zustimmung eine "verbindliche schriftliche Vereinbarung" mit der SPD über die geplante Reform-Kommission für die Gesundheits- und Rentenpolitik. Am vergangenen Freitag faxten die Grünen bereits ihren Entwurf für den Kommissionsauftrag an Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier.

      Im Klartext heißt das: Einige Grüne wollen sich einen Zeitplan zur Absenkung der Lohnnebenkosten schriftlich garantieren lassen - fast eine Art Koalitionsvertrag nach dem Koalitionsvertrag. Das bloße Versprechen von SPD-Politikern wie Ulla Schmidt, die Sozialbeiträge künftig wieder zu senken, reicht vielen Grünen-Mitgliedern offenbar nicht aus. Auch die Grünen-Finanzexpertin, Christine Scheel, sagte, die Zustimmung der Grünen zur Rentensatz-Erhöhung hänge von einem schriftlichen Zeitplan zur Senkung der Lohnnebenkosten ab.

      "Auch die Älteren zur Kasse bitten"

      Damit nicht genug: Auch in der SPD-Fraktion grummelt es. Vor allem die Genossen aus dem "Netzwerk", eine Gruppe überwiegend junger Abgeordneter, fühlen sich von den Altvorderen an den Rand gedrängt - und warnen vor den Folgen der aus ihrer Sicht einseitigen Politik. "Auch die Älteren müssen zur Kasse gebeten werden", fordert der 38-jährige Abgeordnete Christian Lange.

      Göring-Eckardt versuchte derweil, nicht nur zu beschwichtigen - sondern wirft zugleich eine neue Idee in die Debatte. Die Rentenbeiträge, sagte sie der "Berliner Zeitung", ließen sich durchaus stabilisieren - dazu aber müsse das Renteneintrittsalter erhöht werden.
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 11:56:15
      Beitrag Nr. 209 ()
      ...und wieder eine echte reform einkassiert:

      Diese Koalition wird keine 2 JAhre halten.
      Stückwerk, wohin man schaut..... einfach nur noch erbärmlich...


      Spekulationsfrist für Aktien soll länger werden

      Die Finanzpolitiker der rot-grünen Koalition haben nach Angaben der Grünen-Expertin Christine Scheel vereinbart, die Spekulationsfrist für Wertpapierverkäufe nicht vollständig abzuschaffen sondern lediglich zu verlängern.


      Verlängerung auf fünf Jahre im Gespräch
      "Darüber waren wir uns einig", sagte Scheel der Nachrichtenagentur Reuters nach einem Gespräch der Finanzexperten von SPD und Grünen in Berlin. Nun gehe es um eine Verlängerung der bislang einjährigen Spekulationsfrist für die Besteuerung von Gewinnen aus Wertpapierverkäufen. In der Diskussion sei der Vorschlag einer Fristverlängerung auf fünf Jahre sowie die Belassung der Spekulationsfrist für nicht selbst genutzte Immobilien bei unverändert zehn Jahren. Einig seien sich beide Seiten auch, dass die neue Besteuerungsregel nicht rückwirkend gelten werde. Stichtag solle das Kaufdatum von Wertpapieren oder Immobilien sein, erklärte Scheel.

      Kontraproduktiv
      Die Grünen hatten sich stets strikt gegen eine Abschaffung der Spekulationsfrist für die Besteuerung von Gewinnen aus Aktienverkäufen ausgesprochen. "Wir würden das für völlig kontraproduktiv halten", bekräftigte Scheel. Die endgültige Festlegung zu Details der Spekulationssteuer muss nun vom Finanzministerium in einer Gesetzesvorlage getroffen werden.

      Bisherige Frist: ein Jahr
      Nach den ursprünglichen Plänen des Ministeriums sollten Wertzuwächse bei Aktien oder Fondsanteilen generell besteuert werden. Bislang müssen Anleger Gewinne nur versteuern, wenn sie Aktien innerhalb eines Jahres und Immobilien innerhalb von zehn Jahren verkaufen. Rot-Grün hatte zudem vereinbart, auch Transaktionen von nicht selbst genutzten Grundstücken künftig generell zu besteuern.
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      schrieb am 14.11.02 17:27:11
      Beitrag Nr. 210 ()
      Der Absturz

      hst. "Unser Deutschland heute - ein Land mit dem Mut zur Veränderung." Das ist nicht der Anfang eines programmatischen Leitartikels, der Reformen einfordert. Nein, das ist der erste Satz der Präambel der Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün. Schon die Sprache ist entlarvend. Die Regierung spricht von einem Sparpaket. Tatsächlich jedoch steigt die Neuverschuldung kräftig, ebenso wie die Steuer- und Abgabenlast für Bürger und Unternehmen. Bundeskanzler Schröder ist nicht willens und fähig, dem Land die dringend benötigten psychologischen und ökonomischen Impulse zu geben. Obwohl der Anteil der Staatsausgaben mit 50 Cent von jedem Euro in Deutschland so hoch liegt wie in keinem anderen großen Land, führen die Pläne von Rot-Grün, die insgesamt einen wachstums- und leistungsfeindlichen Geist atmen, zu einer weiteren Verlagerung von privaten zu öffentlichen Ausgaben.

      Der einstmals stolzen deutschen Volkswirtschaft droht der Absturz in die zweite Liga der Industriestaaten. Der deutsche Wohlstand ist gefährdet, weil fast alle anderen Länder innerhalb und außerhalb Europas seit Jahren viel schneller wachsen. Das zeigt: Nicht die Talfahrt der Weltwirtschaft, sondern die katastrophale Wirtschaftspolitik von Rot-Grün ist für die wirtschaftliche Misere verantwortlich. In- und ausländische Unternehmer sind entsetzt, streichen ihre Investitionspläne in Deutschland zusammen und entlassen weitere Mitarbeiter. Die Verbraucher sind verängstigt. Sie sparen, wo immer es noch möglich ist, und schränken ihren Konsum ein. Wie soll in einem solchen Umfeld die Wirtschaft wieder wachsen? Schließlich trägt auch in Deutschland der private Verbrauch fast sechzig Prozent zur Gesamtnachfrage bei.

      Wer glaubt schon, daß Schröder und sein Finanzminister Eichel die Milliardenlöcher im Haushalt erst wenige Tage nach der Wahl entdeckt haben? Wäre Deutschland ein Unternehmen und die Regierung der Vorstand, dann hätte die Staatsanwaltschaft gute Gründe, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung einzuleiten. Die Wähler können der Regierung für diesen Wahlbetrug die Rechnung präsentieren. Bald sind wieder Wahlen.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.11.2002, Nr. 265 / Seite 1
      Avatar
      schrieb am 14.11.02 17:41:22
      Beitrag Nr. 211 ()
      na, dt,

      schröder wird sich den "notwendigkeiten" schon unterwerfen:

      kündigungsschutz aufheben, steuern senken (!), die reichen zahlen eh schon keine mehr.

      die industrielle reservearmee aus dem ausland als lohndrücker ist bereits zur stelle.

      die anleitungen von milton friedman und goldman sachs werden uns alsbald in eine lichte zukunft bringen, - schließlich wird sie schröder doch umsetzen.
      Avatar
      schrieb am 15.11.02 10:20:02
      Beitrag Nr. 212 ()
      Der Blindflug der Neulinge
      aus Berlin HEIKE HAARHOFF

      Die Worte wabern durch den Versammlungsraum im Reichstagsgebäude. Absenkung der monatlichen Schwankungsreserve. Rückkehr zum indikationsabhängigen Festzuschuss. Kapitaldeckungsverfahren der Zusatzversorgungskassen.

      Michael Hennrich sagt keinen Ton. Er versteht ja auch kaum einen Ton. Zu wenig jedenfalls, sagt der Bundestagsabgeordnete, "um mich zu Wort zu melden und mehr zu erreichen als eine Erwähnung im Protokoll". So schweigt er und verfolgt das Geschehen im Saal.

      Knapp 50 Experten aus Krankenhäusern, Krankenkassen, Arzneimittelhersteller- und Apothekerverbänden, Verbraucher- und Versicherungsgesellschaften, Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen halten an diesem Dienstag ihre Vorträge. Das Publikum besteht aus 40 Abgeordneten, die dem "Ausschuss für Gesundheit und soziale Sicherung" des Bundestags angehören. Kurz vor der Abstimmung erhoffen sie sich noch einmal Argumentationshilfen von außerparlamentarischen Experten. Am heutigen Freitag wird abgestimmt. Es geht darum, dass Millionen Arbeitnehmer und ihre Unternehmen höhere Rentenbeiträge zahlen müssen und dass für die Gesundheitsversorgung der Menschen weniger Geld zur Verfügung steht. Zwei höchst umstrittene Gesetzentwürfe der rot-grünen Bundesregierung.

      Michael Hennrich sitzt für die CDU im Gesundheitsausschuss. 37 Jahre ist er alt, von Beruf Rechtsanwalt, spezialisiert auf Wirtschaftsverfahren. Die Wähler aus dem Kreis Nürtingen westlich von Stuttgart haben ihn Ende September in den Bundestag befördert, damit er ihre Interessen vertrete. Es sind seine ersten Wochen als Abgeordneter, der Ausschuss hat sich erst letzte Woche konstituiert. "Ich wollte wirklich gern in den Gesundheitsausschuss", sagt er, "und als unbefangener Mensch im Interesse des Allgemeinwohls entscheiden."


      Über Nacht 63 Seiten Protokoll

      Das hat er nun davon: Drinnen müht er sich, der Diskussion zu folgen, draußen demonstrieren 15.000 Menschen gegen die Gesundheitspolitik der Regierung, und am Freitag wird Michael Hennrich abstimmen. Er weiß, dass er opponieren wird. Er ist schließlich in der CDU. Aber er wird als inhaltlicher Laie entscheiden. Für eine gewissenhafte Auseinandersetzung mit den geplanten Gesetzen blieb keine Zeit, sagt Michael Hennrich. Nicht einmal den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses, die sich mit den Gesetzentwürfen eingehender befassen sollen, bevor das ganze Parlament über sie berät und beschließt. Und die gelten innerhalb ihrer Fraktion immerhin als Experten.

      Experten. Er guckt aus großen Augen wie einer, der betrogen wurde und zur Gegenwehr noch zu überrascht ist. "In kürzester Zeit werden hier Gesetze durchgepeitscht", sagt er, "ohne Rücksicht auf Neulinge." Jeder kann selbst zusehen, wie er sich durch die sperrig formulierten Papiere kämpft.

      Der Anhörung im Bundestag folgt einen Tag später eine Ausschusssitzung. Es ist die zweite dieser Legislaturperiode, nicht mal alle Abgeordneten gleicher Parteizugehörigkeit hatten bislang Gelegenheit, sich mit Namen kennen zu lernen. "Den Herrn Hennrich suchen Sie? Ja, in welcher Partei soll der denn sein", fragt ein CDU-Abgeordneter am Eingang zum Sitzungsraum.

      Einen Tag nach der Anhörung geht es im Ausschuss wieder um die Spar- und Eilgesetze im Sozialbereich. Die Protokollanten waren fleißig: 63 Seiten stark ist über Nacht ihre Zusammenfassung der Expertenanhörung aus dem Reichstag geworden. Hennrich wünscht sich eine Woche Zeit, um die Ergebnisse bewerten zu können, Fachbegriffe noch einmal nachzuschlagen. Schon aber bringt die Hauspost sieben neue Änderungsanträge zu einem Gesetzentwurf, der zuletzt vor acht Tagen geändert wurde, und dessen Namen Hennrich schon wieder vergessen hat. Zur Kenntnisnahme. Für mehr reicht es ohnehin nicht.

      "Das Parlament muss aus eigener Kraft initiativ werden." Hennrich grinst ein bisschen, wie er, der Jurist, sich da selbst erzählt, was Gewaltenteilung ist, so als laufe er Gefahr, es zu vergessen. "Tatsächlich verlassen sich die Abgeordneten aus Zeitmangel zu stark auf die Regierung."

      Was bleibt ihnen auch? Von 40 Mitgliedern gehörten nur 15 bereits in der vergangenen Legislaturperiode dem Gesundheitsausschuss an. Sieben haben sich immerhin schon im früheren Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung mit dem Thema Rente beschäftigt. Die 18 anderen sind neu im Bundestag oder aus anderen Fachausschüssen hierher gewechselt. Die Wahl 2002 brachte den Generationenwechsel. Der Gesundheitsausschuss gilt als einer der thematisch komplexesten, einer, der seinen Mitgliedern ein hohes Maß an Fleiß, aber auch Misstrauen abverlangt: So viele widerstreitende Interessen und mächtige Lobbyisten gibt es anderswo selten. Umso schwerer wiegt der Verlust von Kontinuität und Fachwissen.

      Bei den Grünen ist nach dem Ausscheiden von Monika Knoche und Exministerin Andrea Fischer aus dem Bundestag sowie dem Aufstieg der Rentenexpertin Katrin Göring-Eckardt zur Fraktionschefin gesundheits- und rentenpolitisches Fachpersonal rar. Von den vier Grünen im Ausschuss hat nur eine bereits Bundestagserfahrung, jedoch nicht in der Gesundheitspolitik. Die anderen schlagen sich durch.

      Einmal und nie wieder

      Der Politikwissenschaftler Markus Kurth, 36, hatte auf Platz zwölf der Grünen-Landesliste von Nordhrein-Westfalen kaum mit einem Ruf nach Berlin gerechnet. Erst nach der Wahl fing er an, sich gezielt einzuarbeiten - in die Gebiete Wirtschaft und Arbeit. Es war das falsche Thema, denn er ließ sich von Parteifreunden in den Gesundheitsausschuss drängen. Zur Belohnung wurde er sozialpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion.

      Markus Kurth sagt, er könne nicht beschwören, alle Details des Sparpakets zu kennen, für das er heute stimmen wird. "Ich gehe aber davon aus, dass ein solcher Vorgang, vor allem die Geschwindigkeit, mit der er vorangetrieben wurde, die Ausnahme bleibt."

      Ein zweites Mal, da sind sich die Neuen im Bundestag über Parteigrenzen hinweg einig, wollen sie sich nicht vom politischen Aktionismus der Regierung überrumpeln lassen. Nicht etwa aus Wut über die eigene Unterlegenheit, sagt der CDU-Neuzugang Jens Spahn, o nein. "Es heißt, die Opposition soll konstruktiv mitarbeiten. Dann muss ihr dazu auch Gelegenheit gegeben werden."

      Aus Ahaus kommt er, dort, wo Atomkraftgegner regelmäßig die Straßen vor dem Castor blockieren. Mit 15 in die Junge Union, mit 17 in die CDU, mit 22 als Direktkandidat in den Bundestag. Jens Spahn, von Beruf Bankkaufmann, weiß, wie man sich durchsetzt. "Wir werden das System grundlegend ändern müssen", sagt er nach nicht mal zwei Monaten im Parlament. Krankenkassen sollten wie Hausratversicherungen funktionieren, "Leistung und Eigenbeteiligung legt jeder selbst fest", und von den Alten müsse endlich Gerechtigkeit, also Verzicht eingefordert werden, "die jetzige Rentenpolitik ist eine Katastrophe für unsere Generation". Jens Spahn findet, dass es dafür lohnt, sich mit der eigenen Fraktion anzulegen. Noch sei er dazu nicht ausreichend eingearbeitet. Wann hätte er das auch tun sollen? In den ersten Wochen musste er sich eine Wohnung in Berlin suchen, als Arbeitsraum wurde ihm ausgerechnet ein altes PDS-Büro zugeteilt, das zuerst nicht einmal einen Computer hatte. Das fand er nicht lustig. Die Visitenkarten sind bis heute nicht gedruckt.

      Normal, ganz normal sei dieses Aufmucken, wenn einer neu ist im Bundestag, sagt der SPD-Politiker Peter Dreßen. Mit acht Jahren Parlamentszugehörigkeit gehört der 59-jährige Gewerkschafter aus Südbaden schon zu den alten Hasen. "Du wirst ins kalte Wasser geworfen, kämpfst dich durch, ärgerst dich auch über die eigenen Leute, denkst, was die machen, dafür bist du nicht gewählt worden, diesen Dreck trägst du nicht mit." Für Dreßen hieß der Dreck Kosovokrieg. Er wehrte sich. Stimmte dagegen. "Sprecher oder Staatssekretär ist dann natürlich nicht mehr drin." Stattdessen: Einladungen zu Ranghöheren, vermeintlich verständnisvolle Gespräche, sanfter Druck. Wer die Mehrheit gefährdet, gefährdet sich selbst.

      Die Nullrunden für Krankenhäuser, die Erhöhung der Rentenbeiträge? "Wir müssen das jetzt machen", sagt Dreßen, "ich glaube, was da als Gesetzentwurf vorliegt, ist gut." Um Abweichler muss sich die SPD bei der Abstimmung jedenfalls keine Sorgen machen, nicht einmal bei denjenigen, die wissen, dass die Gesetze nicht der große Wurf sind.

      Der große Wurf kommt später

      Die Hautärztin Marlies Volkmer, 55 Jahre, hatte schon zwölf Jahre Gesundheitspolitik im sächsischen Landtag hinter sich, bevor sie vor wenigen Wochen nach Berlin wechselte - mit dieser Qualifikation ist sie eine Ausnahme unter den Neuen. "Wir in den neuen Ländern werden durch die Nullrunden stärker belastet", sagt die SPD-Politikerin, und macht zum Beweis eine Rechnung auf: Ursprünglich seien dem Osten 2,1 Prozent Budgetsteigerung zugesagt gewesen, dem Westen hingegen nur 0,8 Prozent. "Bei eingefrorenen Budgets ist der Verzicht im Osten also real größer." Trotzdem wird Marlies Volkmer zustimmen, sie hofft ja,dass die wirkliche Reform erst noch kommt.

      Darauf setzt auch die 48-jährige SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis aus Ulm. "Natürlich konnte ich in der kurzen Zeit nicht Punkt für Punkt überprüfen, ob das Gesetz wirklich hält, was es verspricht", sagt die Lehrerin. Wichtig ist der Bundestagseinsteigerin, dass vor allem Pflegerinnen und Pfleger nicht noch mehr arbeiten müssen als bisher, wenn die Budgets eingefroren werden. Genau deswegen aber gingen diese in den vergangenen Tagen auf die Straße. Hilde Mattheis sagt: "Ich vertraue den Einschätzungen meiner Kollegen mit längerer Erfahrung."

      taz Nr. 6905 vom 15.11.2002, Seite 3, 267 TAZ-Bericht HEIKE HAARHOFF

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 15.11.02 15:12:06
      Beitrag Nr. 213 ()
      Erschütternd:

      Ab 13:30 leerte sich bei noch laufender Debatte über das existenzielle Problem dieses Staates (Die Sozialvesricherungssysteme) das Plenum.
      um 14:30 waren noch ca. 20% der MdB´s im Bundestag....

      Gehälter wie geschäftsführer, Arbeitsmoral und Engagement wie ein Pfoertner.

      Und arrogant und dreist wie Bundesligaspieler.

      laut dem heutigen ZDF-Politbarometer würde die

      SPD 26% (!!!)
      CDU 55% (!!!)

      und

      Grüne 9%
      FDP 5% (!)
      PDS 3%

      bekommen.
      Avatar
      schrieb am 15.11.02 15:26:41
      Beitrag Nr. 214 ()
      @dt
      Glaubst du an Schwarz-Grün? Meiner Meinung nach gibt es dazu bei der Union zuviele Betonköpfe wie Goppel! Darum war ja auch Stoiber und nicht Merkel Kanzlerkandidat...
      Avatar
      schrieb am 15.11.02 20:46:27
      Beitrag Nr. 215 ()
      ja, ich glaube an Schwarz-Grün.

      Denn ich glaube fest an die hohe Adhäsionskraft der Diäten und Ämter bei ehamals engagierten, aber nun zumeist durch die Macht korrumpierte Grüne MdB´s.

      Die würden für den (scheinbaren) MAchterhalt alles , aber auch alles tun.

      Und ich glaube, daß die Merkel eine der wenigen ist, die etwas positives bewegen wollen.


      Hast Du gestern die Scheel bei Illner "Berlin Mitte" gesehen?

      Die kann ja nicht mal geradeaus reden, vom gedanklichem rotem Faden bei Äusserungen wollen wor garnicht erst reden... einfach nur peinlich .. wie kommt so eine intellektuell mäßig begnadete in den Finanzausschuss??????
      Avatar
      schrieb am 16.11.02 13:34:45
      Beitrag Nr. 216 ()
      Maximale Verwirrung
      Wie schlimm muss man finden, was die Regierung gestern im Bundestag abgeliefert hat? Die Regelungen zu Rente und Gesundheit wurden nicht umsonst "Notgesetze" getauft. Es handelt sich um Notfälle und um Notdürftigkeit. Na gut. Aber gestern passierte auch das Gesetzespaket zum Thema Hartz in absoluter Rekordgeschwindigkeit den Bundestag. Warum um Himmels Willen dieses Tempo?


      Kommentar
      von HEIDE OESTREICH

      Dass es viel zu schnell ging, zeigte nicht nur die Leidensmiene des SPD-Gewerkschafters Ottmar Schreiner, der nicht fassen konnte, dass die Koalitionsfraktionen diskussionslos die Absenkung der Arbeitslosenhilfe beschlossen haben. Das belegt auch ein Entschließungsantrag zum Gesetz. Danach sollen die Gesetze in Zukunft da, wo sie leider noch völlig unausgegoren sind, durch weitere Gesetze präzisiert werden. Das tut weh.

      Was Arbeitsminister Clement und Kanzler Schröder mit diesem Hartz-Schnellschuss erreicht haben, ist maximale Verwirrung:
      Die Leiharbeitsbranche jammert nicht nur, sie hat tatsächlich keine Ahnung, ob die Gewerkschaften so freundliche Tarifverträge abschließen werden, wie Onkel Clement anmahnt. Solche Verunsicherungen wären vermeidbar gewesen. Mit etwas mehr Vorlauf hätte man klären können, welche Form von Leiharbeit man will. Ja, man hätte sich auf ohnehin vorhandene Grundlagen beziehen können: etwa die neue EU-Richtlinie zur Leiharbeit, die eine Diskriminierung von Leiharbeitern, also ihre Schlechterstellung gegenüber der Stammbelegschaft, verbietet.

      Stattdessen log Clement zur Beruhigung der Branche, es gebe nur Basislöhne für Leiharbeiter. Im Gesetzentwurf dagegen steht, dass viele Zulagen in die Entlohnung eingeschlossen sind. Was sinnvoll ist, denn es ist EU-konform. Hat Clement sich nicht mehr getraut, das zu sagen?

      Genauso wie bei Leiharbeit hätte man in Ruhe überlegen müssen, was haushaltsnahe Dienstleistungen eigentlich sind oder was eine Ich-AG tun darf. Doch: Handlungsfähigkeit sollte demonstriert werden, Dilettantismus ist herausgekommen. Diese Regierung liefert der Opposition eine Steilvorlage nach der anderen. Die Steilvorlage Notgesetze hätte sie sich mit mehr Ehrlichkeit vor der Wahl ersparen können. Dass ihr nicht danach war, ist nachvollziehbar, wenn auch nicht entschuldbar. Die Steilvorlage Hartz-Gesetze jedoch kickt Clement der Union völlig unnötig vor die Füße: Jetzt muss er sich nicht wundern, wenn die auch schießt.

      taz Nr. 6906 vom 16.11.2002, Seite 1, 85 Zeilen (Kommentar), HEIDE OESTREICH, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 16.11.02 13:39:08
      Beitrag Nr. 217 ()
      Tief Gerhard über Deutschland
      Dramatisch schlechte Umfragen für Kanzler und SPD. Bundestag verabschiedet Sparpaket zu Rente und Gesundheit sowie Hartz-Konzept. Fischer warnt in Grünenfraktion vor großer Koalition

      BERLIN taz Drei Wochen regiert die neue rot-grüne Koalition, gestern verabschiedete der Bundestag die ersten Not- und Sparprogramme der Regierung, und schon verlieren die SPD und Bundeskanzler Gerhard Schröder dramatisch an Ansehen in der Bevölkerung. Die Sozialdemokraten büßten in einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen zur politischen Stimmungslage zehn Punkte ein und kamen nur noch auf 26 Prozent. Die Union hingegen legte zehn Punkte zu und kam auf 55 Prozent. Die Grünen konnten sich bei 9 Prozent behaupten.

      Auch bei der so genannten Sonntagsfrage, bei der längerfristige Überzeugungen der Wähler berücksichtigt werden, brach die SPD ein. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD nur noch auf 34 Prozent (Oktober: 38 Prozent). Die CDU/CSU würde sich um vier Prozentpunkte auf 44 Prozent verbessern. Die Grünen kämen auf 9 Prozent (plus 1), die FDP auf 5 Prozent (minus 1). Für den Fehlstart der Regierung wird Schröder auch persönlich verantwortlich gemacht. Auf der Skala der beliebtesten Politiker rutschte er auf Platz sieben ab.

      Überhaupt scheint sich der Kanzler als politischer Akteur aus der Öffentlichkeit verabschiedet zu haben. Auch gestern im Bundestag sagte er kein Wort. Dort verabschiedete eine rot-grüne Mehrheit das Harzt-Konzept zur Reform des Arbeitsmarkts. Der Bundestag beschloss mit den Stimmen der Koalition auch die Sparmaßnahmen für das Renten- und Gesundheitssystem. 18 grüne Abgeordnete kritisierten in einer Erklärung den Anstieg des Rentenbeitrags auf 19,5 Prozent als ein "falsches Signal". Anfang der Woche hatte Joschka Fischer die Kritiker in der Fraktion noch scharf angegriffen. Die Grünen könnten nicht bei jeder schwierigen Entscheidung die Regierungsmehrheit in Frage stellen, sonst drohe eine große Koalition. In der SPD, so Fischer, würden die Nerven blank liegen.

      Auch 40 meist jüngere SPD-Abgeordnete stimmten der Rentenerhöhung nur mit dem Hinweis zu, dass die sozialen Sicherungssysteme weiter reformiert werden müssten. Eine entsprechende Erklärung gaben sie zu Protokoll. Der Bundestag verlängerte mit einer eigenen rot-grünen Mehrheit auch das Bundeswehrmandat für den internationalen Antiterrorkampf. Bei den Grünen gab es zwei Gegenstimmen und eine Enthaltung.

      Bereits in der nächsten Woche droht der Regierung neuer Ärger. Die Koalitionsspitzen treffen sich am Sonntagabend, um über die Einzelheiten für den Nachtragshaushalt 2002 und den Etat 2003 zu beraten. Dabei werden voraussichtlich Vorentscheidungen über weitere Einsparungen fallen. Die Gesetze will das Kabinett am Mittwoch beschließen. Berichte über Milliardenfehlbeträge im Etat wies das Finanzministerium gestern als "Unsinn" zurück. JENS KÖNIG

      inland SEITE 6, meinung SEITE 11
      taz Nr. 6906 vom 16.11.2002, Seite 1, 95 Zeilen (TAZ-Bericht), JENS KÖNIG
      Avatar
      schrieb am 18.11.02 01:55:18
      Beitrag Nr. 218 ()
      "Völlig antiquiertes Politikverständnis"

      Der Münchener Soziologieprofessor Ulrich Beck kritisiert die rot-grüne Reformpolitik als ideenlos und veraltet

      BERLIN taz Die rot-grüne Regierung zeichnet sich durch einen eklatanten Mangel an "großen Ideen" aus, die gerade eine wirkliche "Reformpolitik in Zeiten der Krise" ausmachen. Diesen Vorwurf erhebt der Münchener Soziologe Ulrich Beck im taz-Interview. Die Regierung verfange "sich immer wieder in einem Pragmatismus des Kleinredens von Ideen", sagt Beck. Bundeskanzler Gerhard Schröder verfahre nach dem Motto: "Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen."

      Beck, der den Begriff der "Risikogesellschaft" prägte und als einer der meistdiskutierten deutschen Sozialwissenschaftler gilt, wirft Rot-Grün ein "völlig antiquiertes Politikverständnis" vor: "Die denken doch tatsächlich, sie sitzen an den Hebeln der Macht und müssen von paritätisch besetzten Kommissionen ergrübelte, konsensgestählte Konzepte ,nur eins zu eins` umsetzen." Ausgerechnet Rot-Grün verpasse damit aber die Chancen einer "sich verflüssigenden Welt".

      Das Versagen der etablierten Parteien begünstige den Rechtspopulismus. Denn trotz der politischen Entzauberung dieser Parteien in Österreich, Deutschland und den Niederlanden sieht Beck die Gefahr nicht gebannt. Zwar sei der Rechtspopulismus kein stabiler Bündnispartner für konservative Parteien, doch bestünden die Gründe fort, die dem Rechtspopulismus zum Aufstieg verhalfen. GB

      interview SEITE 3
      taz Nr. 6907 vom 18.11.2002, Seite 1, 46 Zeilen (TAZ-Bericht), GB

      taz muss sein: Was
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      schrieb am 18.11.02 01:58:47
      Beitrag Nr. 219 ()
      "Rot-Grün verpatzt die Chancen"
      Interview ROBERT MISIK

      taz: Herr Beck, Sie haben Ihrem neuen Buch eine Einleitung über das Aufkommen des Rechtspopulismus in Europa vorangestellt. Nun ist die Liste Pim Fortuyn in Holland kollabiert, Schill ist entzaubert, Möllemann ist krank, und in Österreich droht der FPÖ eine vernichtende Niederlage. Ist der Spuk schon wieder vorbei?

      Ulrich Beck: Ich fürchte, diese Deutung ist zu einfach. Die Gründe, die dem rechten Populismus zum Aufstieg verholfen haben, bestehen fort. Dazu gehört vor allem, dass sich die etablierten Parteien nicht die Mühe machen, die großen Fragen anzugehen, die weltweit auf der Tagesordnung stehen. Die Schwäche der traditionellen Kräfte ist die Stärke der populistischen Kräfte. Aber in den Ereignissen, die Sie erwähnen, liegt dennoch eine Lehre, nämlich die: Der Rechtspopulismus ist kein stabiler Bündnispartner für konservative Parteien. Die rechte Mitte hat darum zwei sehr unangenehme Alternativen, die beide für sie schwer zu akzeptieren sind: Entweder muss sie sich für sozialdemokratische und grüne Themen öffnen, oder sie geht ein Bündnis mit dem Chaos ein.

      Man könnte aber doch auch sagen: Nehmt die Populisten so schnell wie möglich in die Regierung, dann sind sie nämlich hin.

      Schauen wir doch kurz über Europa hinaus. Im Grunde haben wir doch auch eine rechtspopulistische Regierung in den USA, die es sehr geschickt versteht, durch eine große Mission - Krieg gegen den Terror - andere Fragen zu absorbieren und große Mehrheiten zu erzielen. Freiheitsrechte werden abgebaut und militärische Optionen aufgebaut. Das strahlt auf Europa aus. Die Gefahr des Rechtspopulismus ist keineswegs gebrochen.

      Einzelne Debakel sind also einzelne Debakel - nicht mehr?

      Fragen wir umgekehrt: Wo liegt der Sieg der Rechtspopulisten? Vordergründige Antwort: in dem Einzug in die Regierung. Aber das ist nicht alles. Er liegt ja wesentlich darin, dass ihre Ziele und Werte in die etablierten Parteien hineingetragen werden. Der rechte Populismus infiziert das politische Milieu. Das sieht man in Frankreich, in Österreich und in Italien sowieso, auch in Großbritannien.

      Sie haben vom Dilemma der traditionellen Politik gesprochen. Dafür, so die Schlüsselthese Ihres neuen Buchs, ist deren fortbestehende Nationalstaatszentriertheit verantwortlich. Demgegenüber plädieren Sie für einen "selbstkritischen Kosmopolitismus" als die nächste "große Idee". Ist das nicht Wunschdenken?

      Das ganze Buch ist ein Versuch, zu zeigen, dass es kosmopolitische Realpolitik gibt. Früher hieß es, es gibt nationale Realpolitik auf der einen, den humanitären, kosmopolitischen Idealismus auf der anderen Seite. Ich drehe das um. Im Grunde sind wir in einer Situation, in der nationalstaatliche Lösungen fiktiv und illusionär geworden sind. Politischer Realismus heißt daher, zu sehen, dass wir unsere drängendsten, auch nationalen Probleme eben nicht mehr im Alleingang lösen können.

      Politik hat daraus bisweilen ihre Schlüsse gezogen, nehmen wir nur die Schaffung der Europäischen Gemeinschaft. Zuerst stand ein eher katholisch-konservativer Kosmopolitismus Pate. Die Integration vertiefte sich durch die Schaffung wechselseitiger Wirtschaftsinteressen und durch zunehmende Verrechtlichung bis hin zur Europäischen Union. Was Europa bestimmt, ist heute ein kosmopolitisches Modell, keineswegs ein nationalstaatliches, wenngleich das noch immer in den Köpfen herumspukt.

      Andererseits krankt es genug in diesem seltsamen europäischen Superstaat. Bis die Bürger die EU als ihr Staatswesen begreifen, ist es noch ein weiter Weg …

      Das liegt aber daran, dass dieser Kosmopolitismus noch nicht richtig verstanden wird. Wir glauben, am Ende der europäischen Staatsbildung müsse entweder ein Europa der Vaterländer stehen oder aber ein europäisches Volk, eine Homogenität, wie wir sie aus dem Nationalstaat kennen. Beide Vorstellungen leiten in die Irre.

      Der Verfassungsentwurf, der nun dem EU-Konvent vorgelegt wurde, ist der ein großer Sprung vorwärts?

      Für die Vielfalt der politischen Verfassungskulturen braucht es jetzt einen Verfassungsrahmen und den - sehr wichtigen - symbolischen Überbau. Denn wie man die Bürgerrechte im europäischen Rahmen definiert, entscheidet darüber, wie sich die Bürger mit Europa identifizieren, über Grenzen hinweg engagieren.

      Sie nennen noch weitere Beispiele für Ihre These vom kosmopolitischen Realismus: den Fall Pinochet, den Internationalen Strafgerichtshof. Aber gibt es nicht auch genügend Gegenbeispiele?

      Ja, und es gibt auch verwirrende Mischformen. So kann der Kosmopolitismus für nationalstaatliche Hegemonieinteressen instrumentalisiert werden. Oder die Kooperation zwischen Staaten kann im Dienste einer Zitadellenvision stehen; das sieht man deutlich an der gegenwärtigen Irak-Debatte und auch insgesamt am Krieg gegen den Terror.

      "Realitätsveränderung setzt Blickveränderung voraus", schreiben Sie. Dass die Welt sich ändert, wenn wir nur unsere Perspektive auf sie ändern, ist ja eine gewagte These.

      Das ist mein zentraler Punkt. Die Vorstellung, dass die Politik am Ende ist und sich in ihrem Detailgestrüpp verfängt - wie das jetzt wieder in Deutschland hochkommt -, die stimmt nur, wenn man Politik mit nationalstaatlicher Politik gleichsetzt.

      Was müsste ein Politiker, der auf der Höhe unserer Zeit ist, Ihrer Meinung nach tun?

      Die Vorstellung etwa, dass man mit der Konzentration auf einzelne Detailfragen der Arbeitsmarktregulierung - wie sie in Deutschland der Hartz-Plan vorsieht - die Gesellschaft reformieren kann, ist jedenfalls eine Fehlvorstellung. Gerade eine Reformpolitik in Zeiten der Krise bedarf großer Ideen, um große Mehrheiten zu erlangen. Nur so kann man Menschen aktivieren oder dazu bewegen, Einschnitte hinzunehmen.

      Aber Leute wie Schröder oder Fischer sind ja nicht dumm. Und doch bleiben sie meist weitgehend reaktiv, weil sie einfach mit einer Fülle immer neuer Probleme konfrontiert sind, auf die sie meist auch schnell reagieren müssen.

      Und sie verfangen sich immer wieder in einem Pragmatismus des Kleinredens von Ideen. Dann dürfen sie sich aber nicht wundern, wenn sie in diesem Mechanismus zerrieben werden. Der Verzicht auf Ideen ist ein Verzicht auf Macht.

      Das Publikum wäre bereit für eine ambitionierte Reformpolitik?

      Ich denke schon. Im Grunde sind doch alle unsere Gesellschaften gespalten: in eine experimentierfreudigere Hälfte und in jene, die sich stärker abkapseln, traditionalistisch, protektionistisch reagieren. Diese Polarisierung ist stark zu spüren, ob in den USA, in Deutschland oder anderswo. In Deutschland hat sich gezeigt, dass sich die eher weltoffene Strömung durchsetzen konnte, auch bei Wahlen.

      Allerdings nicht auf der Basis eines besonders elaborierten Reformprogramms.

      Ich sage: Obwohl sie ein charismatisches Reformprogramm nun wirklich nicht hatte, hat sie sich dennoch durchgesetzt!

      Nur zwei Monate nach der Wahl ist Rot-Grün einem Kreuzfeuer der Kritik ausgesetzt. Schon wieder ein Fehlstart?

      Schröder verfährt nach dem Motto: Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. Rot-Grün hat ein völlig antiquiertes Politikverständnis. Die denken doch tatsächlich, sie sitzen an den Hebeln der Macht und müssen von paritätisch besetzten Kommissionen ergrübelte, konsensgestählte Konzepte nur "eins zu eins" umsetzen. Ausgerechnet Rot-Grün verpatzt die Chancen einer sich verflüssigenden Welt, hat die Macht bildende Kraft der Ideen verloren und droht darum zu scheitern.

      Ist es nicht so, dass ambitioniertere Ideen meist untergehen, weil die Politik nach allen Seiten hin Kompromisse schließen muss - innerhalb der nationalen Gesellschaften, im Kontext der EU, gar nicht zu reden vom globalen Kontext. Wie soll da große Politik wieder entstehen?

      Nehmen wir den 11. September 2001. Damals wurde schlagartig ein Konsens geschaffen. Die Gefahr für alle ließ alte Gräben, zumindest für eine historische Weltsekunde lang, zusammenbrechen. Das eröffnete Handlungsräume. Ein anderes Beispiel: Die größte Revolution, die Schröder in seiner Regierungszeit vollbrachte, vollzog sich im Wirbelsturm der BSE-Krise. Da wurde möglich, was vorher undenkbar war: Die Agrarlobby, die das Landwirtschaftsministerium seit Jahrzehnten geradezu besitzt, wurde mit einem Federstrich entmachtet.

      Politiker sollten Gewehr bei Fuß stehen, um bei der nächsten Katastrophe die Gelegenheit zu nutzen?

      In solchen Momenten gerät das, was völlig sicher schien, ins Wanken. Das zu nutzen ist eine der handwerklichen Fähigkeiten, die man von einem Politiker verlangen kann. Natürlich gibt es auch positivere Beispiele …

      … der Herbst 1989, der Fall der Mauer, wäre ein solches …

      … ja, nur kann die Politik solche windows of opportunities nur nutzen, wenn sie gewillt ist, sich Mehrheiten für große Ideen zu erkämpfen.

      taz Nr. 6907 vom 18.11.2002, Seite 3, 253 Interview ROBERT MISIK

      taz muss sein
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      schrieb am 18.11.02 02:03:03
      Beitrag Nr. 220 ()
      :laugh:

      DAs sagt alles:

      schröder sagt ab
      Deutsche Wahlhilfe unerwünscht
      Die deutsche Bundesregierung ist in den letzten Tagen ins Zentrum des österreichischen Wahlkampfes gerückt. Auch gestern hatte die Volkspartei (ÖVP) von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wieder ganzseitige Zeitungsanzeigen geschaltet, in denen die Politik der rot-grünen Regierung in Berlin als abschreckendes Beispiel für Österreich dargestellt wird. Selbst die österreichischen Sozialdemokraten (SPÖ) kanzelten zeitweise die Berliner Regierungspolitik ab. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat deswegen seinen in dieser Woche geplanten Wahlkampfauftritt in Wien verärgert abgesagt. In der SPÖ freue man sich über die Absage, :laugh: heißt es inoffiziell in der Partei. Denn mit dem deutschen Nachbarn sei in Österreich zurzeit kein Staat zu machen.
      DPA

      taz Nr. 6907 vom 18.11.2002, Seite 4, 25 Zeilen (Agentur)
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      schrieb am 18.11.02 02:05:45
      !
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      schrieb am 18.11.02 02:07:55
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      schrieb am 18.11.02 02:09:34
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      schrieb am 18.11.02 02:09:36
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      schrieb am 18.11.02 02:15:22
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      schrieb am 18.11.02 02:15:23
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      schrieb am 18.11.02 02:15:25
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      schrieb am 18.11.02 02:15:26
      Beitrag Nr. 228 ()
      Superreformer Rürup prescht vor
      Kaum ist Bert Rürup zum Chef der großen Reformkommission der Sozialversicherungen ernannt, sendet er auf allen Kanälen. Auf seine Ministerin nimmt er dabei wenig Rücksicht. In der SPD kommt Skepsis auf: Ist der Querkopf überhaupt der Richtige?
      :laugh:
      von JEANNETTE GODDAR

      Man fragt sich, wer da eigentlich mit wem streitet. Wenn die Riester-Rente als private Vorsorge nicht massenhaft genutzt werde, müsse man über eine Zwangsversicherung nachdenken, sagt die eine. "Eindeutig verfrüht", sagt der andere. Die Deutschen würden schon lernen, sich eigenverantwortlich um ihre Altersvorsorge zu kümmern.

      Die eine, das ist die Ministerin für Gesundheit und Soziales, Ulla Schmidt (SPD). Der andere ist mitnichten ihr christlich-sozialer Widersacher Horst Seehofer. Sondern ihr Parteigenosse Bert Rürup - jener Mann, der Schmidts neue Superkommission leiten soll.

      Die Besetzung der "Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme" ist noch nicht einmal bekannt, da lassen sich Rürups Positionen schon allerorten finden. In zahllosen Interviews und Beiträgen tut er sie kund - und lässt dabei kaum ein gutes Haar an der Politik seiner Auftraggeberin.

      Die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze bei der Rente hält er für "konzeptionslos". Er sagt: "Das hätte ich so nie gemacht!" Besser wäre es, so Rürup, von 2011 bis 2030 das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 anzuheben.

      In der Gesundheitspolitik sind seine Vorschläge noch umwälzender: Weg mit den einkommensabhängigen Krankenkassenbeiträgen, fordert er. Stattdessen solle jeder eine "Kopfpauschale" von 200 Euro bezahlen. Dadurch entstehende Ungerechtigkeiten sollten das Steuersystem sowie Transferleistungen ausgleichen. Gesetzliche Kassen sollten nur noch für Basisleistungen zuständig sein, für "Wahlleistungen" von Akupunktur bis Zahnersatz möge man sich privat versichern.


      Nun ist der 59-jährige Finanzwissenschaftler, der auch schon die CDU-Regierung beriet - von Rürup etwa stammte Norbert Blüms demografischer Rentenfaktor -, zwar im Besitz eines SPD-Parteibuchs. Dennoch war übertriebene Nähe zu sozialdemokratischen Urpositionen nicht zu erwarten. Wofür Rürup steht, kann man seit Jahren an seiner Arbeit ablesen. Ob als Finanzwissenschaftler, Wirtschaftsweise, Rentenexperte oder Mitglied des Sozialbeirats der Bundesregierung - immer steht Rürup für eines: dass die sozialen Sicherungssysteme ohne einen radikalen Kurswechsel vielleicht stückchenweise zu reformieren, aber letztlich nicht zu retten seien.

      Dass das so manchem SPD-Ordnungspolitiker zu weit gehen würde, war ebenfalls zu erwarten. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Karl Hermann Haack, war jetzt der Erste, der auf Rürups lautstarken Dienstantritt reagierte. Haack teilte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit, führende Fraktionsmitglieder seien der Auffassung, Rürup möge sich "entsprechende Zurückhaltung" auferlegen. Laut FAZ gibt es bereits Überlegungen, ihm den Auftrag zu entziehen. Ein Sprecher des Sozialministeriums erklärte, man halte an Rürup fest: "Und dabei bleibt es auch."

      taz Nr. 6907 vom 18.11.2002, Seite 8, 100 Zeilen (TAZ-Bericht), JEANNETTE GODDAR
      Avatar
      schrieb am 18.11.02 17:24:56
      Beitrag Nr. 229 ()
      SPIEGEL ONLINE - 15. November 2002, 5:46
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,222843,00.h…



      Rot-Grünes Grauen

      Die gefesselte Koalition


      Von Markus Deggerich

      Der Kanzler wirkt müde und erschöpft. Die Abgeordneten von SPD und Grünen sind genervt. Am Freitag müssen sie im Bundestag ihre Notgesetze durchbringen - und dann in der Sitzungspause zu Hause die miesen Zeugnisse abholen für ihren Stolperstart.

      Einziger Kassenschlager der Koalition: Der Steuer-Song


      Berlin - Sie haben Sehnsucht nach ihrem Chef. Das Verhältnis zwischen den Genossen und ihrem Bundeskanzler war keineswegs immer das Herzlichste. Aber jetzt brauchen sie ihn - und er braucht sie.

      Am Freitag stimmen sie ab über die Not- und Eilgesetze zur Rente und Gesundheit; die ersten Hartz-Maßnahmen für den Arbeitsmarkt sollen auf den Weg gebracht und nebenbei das Militär-Mandat "Enduring Freedom" verlängert werden, für das vor knapp einem Jahr Gerhard Schröder mit der Vertrauensfrage seinen Kopf hinhalten musste.

      Schröder braucht am Freitag die Kanzlermehrheit. Er will das endlich hinter sich haben nach den anstrengenden Wochen in Berlin und wieder Ruhe reinbringen. Doch den Abgeordneten von SPD und Grünen schwant alles andere als Ruhe, wenn sie am Freitagnachmittag nach langen Sitzungswochen im Bundestag in ihre Wahlkreise zurückkehren. Dort erwartet sie Volkes Stimme und Kommentar zum rot-grünen Stolperstart in die zweite Legislaturperiode. Und der einzige Kassenschlager der Gerd-Show ist zurzeit der Spottgesang über die Steuererhöhungen.


      Die Opposition gab am Donnerstag einen Vorgeschmack darauf, was den Volksvertretern der Koalition zuhause droht: miserable Zeugnisse. Ein neues Steuerloch von 37 Milliarden Euro, eine Klage der EU-Kommission wegen zu hoher Neuverschuldung und eine schallende Ohrfeige der fünf Wirtschafts-Weisen liefern Angriffsflächen satt. Dazu das koalitionsinterne Gezerre um den richtigen Weg bei Rente und Gesundheit, ein von den Gewerkschaften geschliffenes Hartz-Konzept, dessen Wirksamkeit in Frage steht. Dazu gesellten sich dann am Donnerstag noch erhebliche Meinungsunterschiede über eine Verschärfung des Sexualstrafrechts. Justizministerin Brigitte Zypries will den sexuellen Missbrauch von Kindern künftig höher bestrafen. Die Grünen-Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk hält bereits dagegen: Man sei "über das Vorpreschen der Ministerin ohne Absprache irritiert".

      Irritiert ist auch die SPD - über ihren Chef. "Im Moment müssen wir das stemmen", sagt ein führender Kopf der Fraktion. Der Kanzler wirkt auf viele ausgebrannt und müde. Der lange, unsichere Wahlkampf, direkt danach die hektisch ausgehandelte Koalitionsvereinbarung inklusive Sparpaket, das längst wieder Makulatur ist; eine uninspirierte und kraftlos vorgetragene Regierungserklärung des Chefs, schließlich - fast im Tagestakt - Horrormeldungen von der Steuer-, Konjunktur-, Arbeitsmarkt-, Haushalts-, Gesundheits- und Rentenfront. Schröder müht sich, die aktuellen Probleme in der Koalition als "Teil des ganz normalen Politikbetriebs in der Anfangsphase einer Koalitionsregierung" herunter zu spielen.

      Wie viel Steuerlast ist zumutbar? Diskutieren Sie mit anderen SPIEGEL-ONLINE-Usern!


      Aber die Abgeordneten sind genervt. An den Sitzungstagen können sie kaum ihr Büro verlassen. Jederzeit kann es bei Abstimmungen passieren, dass ein paar fehlende Mandatsträger der Opposition die Vorlage liefern, der Koalition peinliche Niederlagen zu bereiten. Hintergrundgespräche, Pressetermine, Lobbyistentreffen, Fachkonferenzen - alles müssen sie absagen, immer bereit stehen, die Hand zu heben.

      Verletzliche Mehrheit

      Durch die Präsenzpflicht sind sie gefesselt, durch die knappe Mehrheit verletzlich. Jeder Hinterbänkler mit einer abweichenden Meinung taugt so zum Kronzeugen für eine Koalitionskrise. Politische Journalisten machen weidlich Gebrauch davon - ebenfalls angeheizt von einer angespannten Lage auf dem Zeitungsmarkt suchen oder erzeugen sie "exklusive Nachrichten", die die eigene Existenzberechtigung untermauern. "Das alles macht das Regieren nicht leichter", sagt ein SPD-Führungskopf.

      CDU und CSU werden Rot-Grün weder im Bundestag noch im Bundesrat die Hand zu Steuererhöhungen reichen. Da müssen sie alleine durch. Dazu kommen leichtfertige Ankündigungen wie vom SPD-Generalsekretär Olaf Scholz. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer schloss er am Donnerstag kategorisch aus - und zwar für die ganze Legislaturperiode: "Das verspreche ich." Angesichts des offenen Ausgangs der rot-grünen Pläne eine Ansage, die ihm noch mal auf die Füße fallen kann.

      Dabei wäre das eine Maßnahme, die die Opposition vermutlich sogar mittragen würde - wenn Rot-Grün dafür andere Entscheidungen zurücknähme. "Direkte Steuern zu erhöhen ist in dieser konjunkturellen Lage immer noch besser, als dauernd die Lohnnebenkosten hochzutreiben und damit Arbeit zu verteuern und die Sozialkassen zu belasten", sagt ein CDU-Abgeordneter. Namentlich zitieren lassen will sich kein Oppositionspolitiker: "Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, das selbst vorzuschlagen." Das Überbringen schlechter Nachrichten überlassen sie dann doch lieber der gefesselten Koalition.






      Im Internet: · Der Steuer-Song zum Download
      http://www.steuerkanzler.de/
      Avatar
      schrieb am 18.11.02 17:35:25
      Beitrag Nr. 230 ()
      SPIEGEL ONLINE - 18. November 2002, 11:06
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,223258,00.html


      Gastkommentar

      Grüne Vernunft, rote Irrlehren


      Von Christoph Keese

      Angesichts der dramatische Schieflage der deutschen Wirtschaft versagt die SPD beim Aussprechen ökonomischer Wahrheiten. Nur die Grünen haben verstanden.

      Von Woche zu Woche wird klarer, wer die wahre Reformkraft im Lande ist. Es sind die Grünen. Sie haben die richtigen Lektionen aus der Niederlage gelernt, die sie beim Streit mit Kanzler Gerhard Schröder um die Rentenerhöhung erlitten haben. Lektion Nummer ein: Der politische Instinkt des Kanzlers ist nicht untrüglich. Schröder hatte prognostiziert, die Rentner würden keinen Verzicht leisten und der Koalition bei den nächsten Landtagswahlen eine Niederlage zufügen, wenn die Rentenerhöhung nicht sofort beschlossen wird. Eine Fehleinschätzung: Laut jüngstem "ZDF-Politbarometer" der Forschungsgruppe Wahlen sind 50 Prozent der Rentner für eine Verschiebung der Erhöhung.


      Lektion Nummer zwei: Die Grünen sind nicht nur eine Ökopax-Partei, sondern auch eine Partei der ökonomischen Vernunft. Seit Beginn der Friedens- und Umweltbewegung haben Grüne Firmen gegründet, um Alternativen am praktischen Beispiel vorzuleben. Diese Betriebe mussten meist ohne Subventionen auskommen. Wenn sie nicht scharf kalkulierten, gingen sie unter. Projekte wie die "tageszeitung" überlebten jahrelang durch Kreativität und fast ohne Kapital; zahlreiche Alternativ-Betriebe sind heute profitabel. In dieser Gründerkultur haben die Grünen ihre Wurzeln. Sie wissen: Geld, das man nicht verdient, kann man nicht ausgeben.

      Lektion Nummer drei: Mit dem Aussprechen ökonomischer Wahrheiten können die Grünen Punkte bei vielen Bürgern machen, die das Schönreden und Gesundbeten anderer Politiker nicht mehr ertragen. Der Reformhunger ist groß geworden, die Opferbereitschaft wächst. Derzeit greifen nur die Grünen diese Stimmung auf. Nachdem Schröders Instinkte so erkennbar versagt haben, gewinnen sie neues Selbstbewusstsein und räumen offen ein, dass es ein Fehler war, dem Kanzler nachzugeben. Parteichef Fritz Kuhn hat das am Wochenende deutlich gesagt.

      Wahrheiten aus der Fraktion

      Erstaunlich viel Statur hat die neue Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckhardt gewonnen. Sie fordert jetzt völlig zu Recht, dass künftig auch Beamte in die Rentenkasse einzahlen sollten. Sie bezweifelt, dass Staatsdiener beamtet werden müssen, wenn sie keine hoheitlichen Aufgaben ausüben. Einen späteren Eintritt in die Rente will sie überdenken. Und für Minister und Staatssekretäre verlangt sie ein Ende der Doppelversorgung durch Parlament und Regierung. All das sind neue Töne - unpopulär bei den Betroffenen, aber vernünftig in den Ohren aller anderen. Wer etwas ändern will, darf die Reform nicht vom Beifall der Reformierten abhängig machen. Die Grünen haben das verstanden, werfen alte Konzepte über Bord und riskieren einen Konflikt mit Interessengruppen.

      Ganz anders die SPD. Wenn Sozialdemokraten eine Reform angehen, berufen sie gerne Experten wie den Wirtschaftsprofessor Bert Rürup und übertragen ihm ein komplexes Problem - wie die Sanierung des Renten- und Gesundheitssystems. Der Experte referiert dann den Stand der Wissenschaft, und die Sozialdemokraten prüfen, ob das zu ihrem Dogma passt. Falls nicht, schneiden sie ihm das Wort ab und verordnen Denkverbote.

      Bestreiten der Forschungsergebnisse

      Genau das musste Rürup vergangene Woche erleben. Er trug die ökonomische Binsenweisheit vor, dass die Rente nur zu retten ist, wenn künftig alle länger arbeiten und die heutigen Pensionäre etwas Verzicht üben. Prompt bezweifelten führende Mitglieder der SPD-Fraktion Rürups Eignung als Chef der Reformkommission. Traditionelle Sozialdemokraten haben ein Problem mit der empirischen Wissenschaft. Oftmals bestreiten sie das Ergebnis der Forschung und pochen auf ihr Dogma.


      Besonders von einem Glaubenssatz möchten die linke SPD und große Teile der Gewerkschaften nicht lassen: dass die Summe der Arbeit in einer Volkswirtschaft feststehe und nur fair auf alle Arbeitswilligen verteilt werden müsse. Kein anderer Irrglaube richtet so großen Schaden an wie dieser. Beschäftigung ist das Ergebnis einer makroökonomischen Funktion und damit flexibel. Wenn man die Parameter richtig einstellt, ist Vollbeschäftigung auch in Deutschland jederzeit möglich. Diese Erkenntnis blendet die traditionelle Sozialdemokratie so hartnäckig aus wie fundamentalistische Christen die Evolution.

      Jüngstes Beispiel: SPD-Fraktionschef Franz Müntefering, Sozialministerin Ulla Schmidt und Familienministerin Renate Schmidt lehnen eine Erhöhung des Rentenalters kategorisch ab. "Jetzt, bei hoher Arbeitslosigkeit, ist dafür der falsche Zeitpunkt", sagen sie zur Begründung. Nach ihrem Verständnis nehmen alte Leute den jungen die wenigen Jobs weg, wenn das Rentenalter steigt. Auch darin steckt die Annahme einer fixen Beschäftigungsmenge. Das Weltbild dieser Politiker ist nicht dynamisch. Sie verstehen nicht, dass eine Volkswirtschaft auf einen Wachstumspfad geraten kann, wenn mehr Menschen arbeiten. Beschäftigung kann Wachstum bringen, nicht nur umgekehrt.

      Ein Aufschwung kann sich selbst tragen und die Gesellschaft wie von Zauberhand wohlhabender machen. Solange die linke SPD und Gewerkschaften ihre ökonomischen Irrlehren in der Praxis ausprobieren dürfen und sich von keiner Falsifizierung belehren lassen, wird die SPD das Land nicht aus der Krise führen. Die Grünen sind damit die Kraft, auf die es ankommt. Sie müssen Kontra geben und für die Vernunft kämpfen. Ohne sie ist Rot-Grün verloren.

      Christoph Keese ist Chefredakteur der "Financial Times Deutschland"

      .............................................................


      ein weiters Indiz für eine Schwarz-Grüne Koalition noch in den nächsten 4 jahren.


      schröder hat fertig.
      Avatar
      schrieb am 19.11.02 13:40:21
      Beitrag Nr. 231 ()
      haushaltslügen: Handeln unter Beschuss

      Nach wochenlangem Chaos stellte die Bundesregierung gestern ihre Beschlüsse zur Haushaltskonsolidierung vor. Das Gesamtpaket lässt sich dabei einordnen irgendwo zwischen "Es hätte schlimmer kommen können" und "Lügen haben kurze Beine". Der Hauptaufreger von gestern war die Spekulationssteuer auf Aktien und Immobilien: Die Haus- und Grundbesitzer sprachen von "Teilenteignung", die Banken von einer drohenden Verwüstung des Finanzplatzes Deutschland. Mit den vereinbarten Steuersätzen kann jedoch jeder leben. Ab 2005 sollen zusätzliche 650 Millionen Euro pro Jahr in die Bundeskasse kommen. Verglichen mit sonstigen Maßnahmen wie der schon vorher beschlossenen Erhöhung der Rentenbeiträge ist das Kleingeld.


      Kommentar
      von REINER METZGER

      Schlimmer ist da schon die Lügerei - oder eher das gekonnte Verschweigen bekannter Tatsachen vor einer Bundestagswahl. Noch vor zwei Monaten wurden vollmundig neue Kindergartenplätze, bessere Schulen und was sonst noch alles versprochen. Nun muss noch Jahre der Gürtel immer enger geschnallt werden. Und eine wirksame Reform von Arbeits-, Gesundheits- oder Rentensektor ist nicht in Sicht. Damit sind die nächsten Sparorgien in den kommenden Jahren sicher, die Selbstfesselung der Politik geht weiter.

      Die Opposition beklagt das alles wortreich - dummerweise hat man aber von der Union noch keinen vernünftigen Vorschlag gehört, wie sie den Sozialstaat ins Lot bringen will. Edmund Stoiber vermied in seinem Wahlkampf ebenso peinlich jede Aussage zur Finanzierung seiner Versprechen wie Schröder.

      Alles Luschen also in der deutschen Politik? Gemach. Mit der neuen Spekulationssteuer und der faktischen Aufhebung weiter Teile des Bankgeheimnisses werden künftig die kleinen und mittleren Vermögen zur Finanzierung des Staates stärker herangezogen als bisher. Hier wurden bisher in großem Maßstab und ohne Folgen Steuern hinterzogen. Die Reichen und die Konzerne können sich der Besteuerung zwar weiter entziehen, aber ein Anfang ist gemacht. Solche Gesetze können in Deutschland nur in einem scheinbaren Chaos durchgepeitscht werden: Wer Spezialisten und Lobbies zur Beratung hinzuzieht, wird zwischen den gut organisierten Interessengruppen zermahlen.

      Es wäre aber zu viel der Güte, Schröder & Co ein glückliches Händchen bei der Bewältigung der Krise zuzugestehen. Neben den Interessengruppen aller Art wurden auch die Wähler veräppelt. Das rächt sich.

      taz Nr. 6908 vom 19.11.2002, Seite 1, 85 Kommentar REINER METZGER, Leitartikel

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 19.11.02 13:49:21
      Beitrag Nr. 232 ()
      Was kostet uns eigentlich Rot-Grün?
      Mit der Flut kam die Wende in der Finanzpolitik der Regierung: Statt Steuererleichterungen kamen rasch die Belastungen


      BERLIN taz Wenn an Harald Schmidt Kritik geübt wird, muss etwas Schwerwiegendes im Lande vorgehen. "Es nervt", erregte sich dieser Tage das FAZ-Feuilleton. Denn Schmidt spotte, so die überraschend ironiefreie Anklage, über "Scharen von in ihren Existenzen getroffenen oder bedrohten Zuschauer, für die und deren Kinder ,Politik` ein urpersönliches Schicksal wird".

      Lästermaul Schmidt hat den Niedergang der drittgrößten Industrienation der Erde in seiner Show zu einem running gag verarbeitet. Er spielt zum Beispiel Lotto, um Eichels Haushaltslöcher zu stopfen. Oder er sagt Sätze wie diesen: "Deutschland ist viel entspannter, seit wir so pleite sind."

      Schmidt persifliert so den Ausbruch des nationalen Notstands. Rot-Grün entdeckte seine Finanzloch am Morgen nach der Bundestagswahl - seitdem langen Hans Eichel und seine Kumpane überall hin, wo sie nur Geld finden. Dabei sind die von der Koalition beschlossenen Maßnahmen wie die Kürzung der Eigenheimzulage oder die erhöhte Besteuerung von Dienstwagen noch die kleineren Probleme. Die kurze Abfolge immer neuer Sparbeschlüsse versetzt das Land in Unruhe. So hat die rot-grüne Bundesregierung, obwohl sie explizit das Gegenteil will, die Rentenbeiträge auf 19,5 Prozent erhöht. Die Beiträge für die Krankenversicherung wachsen von 14 auf 14,2 Prozent - Ausgaben, die jeder sofort im Geldbeutel spüren wird.

      Bitter wird es, das hat das Propagandafeuerwerk um die Hartz-Kommission bislang verdeckt, im kommenden Jahr für die Empfänger von Arbeitslosenhilfe. Sie müssen mit den drastischsten Kürzungen rechnen - zwischen 150 und über 200 Euro weniger im Monat; Einschnitte, die bisher noch kaum öffentlich diskutiert worden sind.

      Rein fiskalisch betrachtet hat Rot-Grün gar keine Grausamkeiten begangen. Denn weder für den Nachtragshaushalt 2002 noch für den Etat des Jahres 2003 wurden in Einzeletats eingespart. Bekannt ist bislang nur, dass für das kommende Jahr Minderausgaben von rund 1,3 Milliarden Euro realisiert werden müssen - wie, ist noch offen.

      Die Finanzkrise von Rot-Grün begann, streng genommen, bereits im Sommer mit der Flut. Mit dem steigenden Wasser erhöhte sich auch die Bereitschaft Gerhard Schröders, eine nationale Kraftanstrengung von den Bürgern zu verlangen - er meinte damit offenbar nicht allein eine hochwasserbedingte. Erst sagte er die für Anfang 2003 versprochene Steuerentlastung ab. Das heißt, erst 2004 sinkt der Eingangssteuersatz von 19 auf 17 Prozent und der Spitzensteuersatz von 48,5 auf 47 Prozent. Als vergangene Woche klar wurde, wie stark die Steuereinnahmen des Staates insgesamt sinken, gab es kein Halten mehr. Rot-Grün nimmt allein dieses Jahr 13,5 Milliarden Euro zusätzlich (zu geliehenen 21,1 Milliarden Euro) auf. Das heißt: Rot-Grün hat seinen Konsolidierungskurs aufgegeben.

      In der Bewertung sind sich die Forscher weitgehend einig. "Was wir jetzt sehen, sind kurzfristige Geldbeschaffungsaktionen. Sie sind vollkommen unsystematisch", sagt Viktor Steiner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die verschobene Steuerreform war noch durchdacht. Seitdem aber seien viele Probleme aufgetreten: der nicht erwartbare Einbruch der Körperschaftssteuer (minus 40 Milliarden Euro), die Flut und die Konjunktur.
      "Die Regierung hat das nicht voraussehen können", sagt Steiner dazu, "weil sich alle Institute in den Prognosen irrten."

      Dennoch spricht keiner der Forscher die Regierung frei. Steiners Kollege Achim Truger vom Forschungsinstitut des DGB macht das gleichzeitige Steuersenken und Schuldenabbauen von Rot-Grün für den jetzigen Crash verantwortlich. "Wenn dann etwas Unvorhergesehens passiert, fährt man den Karren eben an die Wand." Und dann beginnen selbst wohlgesinnte Feuilletons zu lästern - wie das der FAZ. Dort hat gerade eine kleine Reihe über "die Räuber" begonnen. "Haltet den Dieb!", rufen die Autoren - gemeint ist die Bundesregierung. CHRISTIAN FÜLLER

      taz Nr. 6908 vom 19.11.2002, Seite 3, 108 TAZ-Bericht CHRISTIAN FÜLLER

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 19.11.02 14:34:17
      Beitrag Nr. 233 ()
      DT
      ich kenne Deinen Traum von schwarz/grün mit einer Kanzlerin Merkel.
      Aber hat Merkel den Rückhalt in der Partei, sie hat von 978 Delegierten 232 Stimmen nicht bekommen.
      Vergleiche das mal mit anderen Ergebnissen.
      Der Kommentar aus der FAZ ist beispielhaft für die Probleme der CDU.
      J.



      Kommentar
      Eigentor Lügenausschuss
      Von Helmut Uwer, Berlin

      19. November 2002 Untersuchungsausschüsse sind bekanntlich immer auch Kampfinstrumente. Im Fall des von der Union beantragten Lügenausschusses geht es um Wahlkampf. Die Frage ist nur, ob die Union die knappe Niederlage bei der Bundestagswahl immer noch nicht verdaut hat und versucht hier nachzutreten. Oder geht es um die Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen und somit um den Versuch, einen drohenden FDP-Untersuchungsausschuss zu konterkarieren?

      „Was soll ein Untersuchungsausschuss noch untersuchen, wenn bereits jetzt die Fakten bekannt sind?“, fragte völlig zu Recht der FDP-Abgeordnete Jürgen Koppelin, bevor er von seinem Parteivorsitzenden Guido Westerwelle zurück gepfiffen wurde. Allerdings ist es verständlich, dass Westerwelle angesichts der Möllemann-Affäre nur zu bereitwillig auf den Zug aufspringt, den der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat abfahren lassen.

      Regierung „piesacken“

      Mit einem Untersuchungsausschuss „Vorsätzlicher Wahlbetrug“ würden Union und FDP SPD und Grünen zuvor kommen, die bereits laut darüber nachdenken, die Spendenpraxis von Jürgen Möllemann zum Gegenstand eines Ausschusses zu machen. Koch und Westerwelle fürchten nicht zu Unrecht, dass die FDP wegen Möllemann bei den Landtagswahlen am 2. Februar in ein tiefes Loch fallen könnte. Ohne die FDP aber kann Koch nicht weiterregieren und sein Traum von der Kanzlerkandidatur wäre geplatzt.

      Dass es der Union auch nicht in erster Linie um die Wahrheit geht, die ohnehin längst bekannt ist, sondern um ein taktisches Manöver, hat die CDU-Vorsitzende Angela Merkel deutlich gemacht. Es gehe darum, die Regierung zu „piesacken“. Also soll noch vor Weihnachten ein Untersuchungsausschuss her, damit man mit dem Thema Wahlbetrug Wahlkampf machen kann.

      Und die „blühenden Landschaften“?

      Doch mit einem solchen Ausschuss würde die Union ein Eigentor schießen. Erstens müsste sie sich damit abfinden, dass sie darin weder eine Mehrheit hätte, noch den Vorsitz führen würde. Zwar könnte sie aufgrund der neuen Minderheitsrechte auch Bundeskanzler Gerhard Schröder vorladen. Ob der aber bis zum 2. Februar käme, steht auf einem anderen Blatt.

      Zudem kann die Union gewiss sein, dass SPD und Grüne dann ihrerseits die Wahlversprechen der Union thematisieren würden. Wie war das noch mit den „blühenden Landschaften“, die Alt-Kanzler Helmut Kohl 1990 für die neuen Bundesländern versprochen hatte? Und schnell einmal würden wohl beide Seiten nicht nur Wahlkampfversprechen ins Feld führen, sondern auch andere Versprechen wie die Halbierung der Arbeitslosenzahl durch Kohl oder die „brutalst mögliche Aufklärung“ in der hessischen Spendenaffäre durch Koch.

      Sanktionsmöglichkeit Abwahl

      Politiker sind gut beraten, wenn sie das Strafrecht aus der Politik heraushalten. Die Einklagbarkeit von Wahlversprechen wird zwar nach verlorenen Wahlen immer gerne gefordert wie zuletzt durch den stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Christoph Böhr. Doch schon die Tatsache, dass diese Aussage weder in den Medien noch bei anderen Politikern auf Resonanz gestoßen ist, zeigt, wie irreal solche Forderungen sind. Auch die Wähler erwarten das nicht. Sie haben eine viel wirksamere Sanktionsmöglichkeit: die Abwahl.

      Text: @uwer
      Bildmaterial: dpa
      Avatar
      schrieb am 19.11.02 14:44:25
      Beitrag Nr. 234 ()
      Der Untersuchungsauchuss wurde ausgerechnet von Lügenbold Koch vorgeschlagen.

      Die listige merkel hat Koch´s Vorschlag akzeptiert... :laugh: ;)

      Schau´Dir einmal die reden von Clement und Merkel vor dem BDA heute auf Phoenix an, die werden sicherlich wiederholt.

      Die Merkel hat einen ziemlich klaren Kopf.

      und sie hat vor dem BDA auch von den Arbeitgebern Zugesträndnisse gefordert. Für eine Oppositionspolitikerin ziemlich stark.

      der geht es, so meine ich zumindest, wirklich um deutschland.

      Dabei will ich keineswegs behaupten, sie sei perfekt.

      Aber von allen die glaubhafteste.


      Gruß

      d.T.
      Avatar
      schrieb am 19.11.02 15:00:56
      Beitrag Nr. 235 ()
      DT
      Sie sah gestern abend in den Tagesthemen gar nicht so glücklich aus, als sie den Vorschlag verteidigte.
      Ein Eigentor der CDU und eine Steilvorlage für die Regierung.
      Siehe auch Koch Erklärung, dass er bei einer Wahlniederlage zurücktreten will.
      Er wird es aber auf keinen Fall tun, meiner Meinung nach.
      Thread 658055
      J.
      Avatar
      schrieb am 19.11.02 17:19:33
      Beitrag Nr. 236 ()
      Ich halte den stets beibehaltenen hinweis auf Koch als urheber für eine geniale Tretmine - schließlich ist die Merkel die einzige, die eine reine Weste hat in der CDU/CSU... ;) :D

      Der Koch sitzt in der Falleund merkt es nicht einmal... :D

      Gruß

      D.T.
      Avatar
      schrieb am 19.11.02 17:22:29
      Beitrag Nr. 237 ()
      --------------------------------------------------------------------------------

      P O L I T I K
      Reformkommission: Rürup für radikale Änderungen im Gesundheitssystem

      BERLIN. Schon vor der offiziellen Berufung der neuen Sozialreformkommission der Bundesregierung sorgt ihr designierter Vorsitzender Bert Rürup mit detaillierten Vorschlägen für Aufsehen. Der Darmstädter Wissenschaftler sprach sich für eine radikale Gesundheitsreform aus. So plädierte er am 16./17. November dafür, den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung auf das medizinisch Notwendige zu beschränken.

      Leistungen wie Zahnersatz könnten „aus dem Grundleistungskatalog herausgenommen und gegebenenfalls einer privaten Versicherung anheim gestellt werden“.
      Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) kündigte derweil an, die Mitglieder der Kommission in den nächsten Tagen vorzustellen. Nach Ansicht Rürups könnten die Bürger künftig auch dazu verpflichtet werden, eine „obligatorische private Unfallversicherung“ abzuschließen.

      Ferner könne der Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung in Form eines „Barlohns“ ausgezahlt werden. Dadurch ließen sich die „Gesundheitskosten von den Arbeitskosten entkoppeln“ und die Sozialabgaben senken. Der Experte sagte weiter: „Warum in Deutschland der Internet-Handel mit Medikamenten und der Besitz mehrerer Apotheken verboten ist, warum es eine Preisbindung für Medikamente gibt – das können Sie einem Ökonomen nicht erklären.“

      Der Wirtschaftsweise hält es zudem für sinnvoll, über einkommensunabhängige Beiträge zur Krankenversicherung nachzudenken. Nach gegenwärtigem Stand müsste jeder Erwachsene unabhängig von seinem Lohn eine Prämie von 200 Euro zahlen. Schmidt kündigte im Zug weiterer Reformen die flächendeckende Einführung der Patientenquittung für 2004 an.

      Allerdings würden die Patienten „dann zunächst nur sehen können, was der Arzt unternommen hat“. Die Preisauskunft werde noch etwas auf sich warten lassen. Schmidt will außerdem das Honorarsystem der Ärzte verändern. Ein Arzt, der mehr leiste und bessere Qualität anbiete, müsse auch mehr Geld verdienen.
      Zugleich stellte die Ministerin klar, dass sie sich Rürup als Kommissionspräsidenten gewünscht habe. /ddp
      Avatar
      schrieb am 20.11.02 11:17:16
      Beitrag Nr. 238 ()
      Viele sagen: So geht es nicht weiter

      Die SPD und die schlechte Stimmung in Deutschland
      / Von Günter Bannas


      BERLIN, 19. November. Heiko Maas ist - wiewohl Vorsitzender der saarländischen SPD - kein Wortführer in der Partei. Doch trifft seine Beschreibung die Stimmung in weiten Teilen der Sozialdemokratie. "Wir haben keine grundlegende Orientierung mehr in der Politik. Uns fehlen die politischen Grundlagen. Es gibt eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen ohne Zusammenhang, zumindest kommt es einem so vor. Das gibt ein schlechtes Bild, und das erklärt auch die schlechte Stimmung in Deutschland", sagte Maas am Dienstag nicht etwa in kleinstem Kreise, sondern im Fernsehen. "Auch der Parteivorsitzende muß sich darum kümmern", fügte er an, auch wenn seine Kritik die ganze Partei betreffe.

      Zwei Monate nach der Bundestagswahl ist der Überschwang des Sieges in der Koalition und in der SPD verflogen. Der Niedergang in den Umfragen drückt die Stimmung. Es verbreitet sich der Eindruck, die Koalitionsführung habe den Fehler gemacht, einige Vorhaben - Erhöhung des Rentenbeitrages, Sparmaßnahmen in der Gesundheitspolitik, Beschlußfassung über einige Hartz-Vorschläge - mit höchstmöglicher Geschwindigkeit noch vor Weihnachten durchsetzen zu wollen. Die Folge sei gewesen, daß es zu einer unübersichtlichen Diskussionslage gekommen sei, mit immer neuen Vorschlägen und Änderungen. Unbedachte Äußerungen einiger Politiker aus beiden Koalitionsparteien kamen hinzu - wie zuletzt die Forderung der Sozialministerin Ulla Schmidt, auch Beamte sollten Rentenbeiträge zahlen. Bundeskanzler Schröder und sein Fraktionsvorsitzender Müntefering gestehen ein, es habe bei der Durchsetzung dieser Vorhaben "Kommunikationsstörungen" in der Koalition gegeben. Sie tun manches, daß sich solches nicht wiederholt. Die Koalitionsgespräche sollen nun regelmäßiger und öfter stattfinden als früher. Doch seien "Kommunikationsstörungen" nie auszuschließen, fügte Schröder jetzt an - auch wegen des Mitwirkens der Medien seien sie sogar Bestandteil des politischen Prozesses.


      Andererseits ist die Koalitionsspitze der Auffassung, es sei richtig gewesen, zu Beginn der zweiten Amtszeit ein großes Arbeitspensum vorzulegen. Auch ein Abwarten, gar eine politische Pause, wäre der Koalition nicht nachgesehen worden. Der Grundsatz, "Grausamkeiten" seien am Anfang einer Tätigkeit durchzusetzen, steht hinter dieser Meinung. Schröder sagte letzthin in der SPD-Fraktion, wenn die Koalition ihre Vorhaben durchgesetzt habe, liege ein "planiertes Gelände" vor ihr. Den Sturm des Widerstands pflegt er mit der Interessenlage der Lobbyisten zu erklären, der er das Gemeinwohl entgegenstellt. Die "Aufteilung der Gesellschaft in partielle Interessen" müsse überwunden werden, sagte er nun, als er zusammen mit Finanzminister Eichel die bestehenden Sparvorhaben im Haushalt und die steuerlichen Maßnahmen erläuterte.

      In den Gremien spiegelt sich die Stimmung nur bedingt wider. Am Montag im SPD-Parteirat habe es erstaunlich wenig Aufregung gegeben, wurde versichert. Zwar sei Kritik am "Erscheinungsbild" der Koalition geübt worden - doch hatten das nicht auch Schröder und Müntefering getan? Die beschlossenen Vorhaben müßten nun verwirklicht und durchgesetzt werden, habe der SPD-Spitzenkandidat bei den hessischen Landtagswahlen, Bökel, gefordert. "Die Dinge müssen getan werden", wurde als Tenor der Aussprache zusammengefaßt. Inhaltlichen Widerspruch habe es nicht gegeben. Manche haben wohl eine schärfere Aussprache erwartet. Doch mag das auch daran gelegen haben, daß - beispielsweise - Maas aus dem Saarland nicht dabei war. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Gabriel, der zum eigenen Nutzen hin und wieder sich von der Berliner Linie absetzt, war nicht anwesend. Der Parteirat ist nicht ein wichtiges Gremium in der SPD.

      Schröder scheint die Stimmung und die Entwicklung in der Wirtschaft zu sehen. "Die ungute konjunkturelle Entwicklung führt zu sinkenden Einnahmen, die Erosion der Steuerbasis, die wir seit einiger Zeit beobachten, verschärft diesen Trend. Eine durchgreifende Änderung ist kurzfristig nicht zu erwarten", sagte er jetzt. Es scheint, als kommuniziere sich solches negativ in die Partei hinein. Abgeordnete beschreiben die Lage als "depressiv". Es gebe eine "ungemütliche Situation". Weder der Koalitionsvertrag noch die Regierungserklärung seien "ein großer Wurf" gewesen. Es verbreiten sich Meinungen bis in die Spitze hinein, besser wäre es gewesen, nach dem Wahlkampf hätten sich die Führungsleute einen Erholungsurlaub gegönnt. Doch wissen diejenigen, die solches sagen, zugleich von der Unmöglichkeit ihres Ansinnens. Viele aber sagen: "So geht es nicht weiter."

      In Teilen der SPD ist nun von einem "ideologischen Epochenwechsel" die Rede, wie das der Abgeordnete Bartels aus Schleswig-Holstein ausdrückte. Dieser gehört zu jenen - zumeist jüngeren - Sozialdemokraten, die sich vor Jahr und Tag als Reformer und Modernisierer verstanden. Das war in den Zeiten, als Schröder zusammen mit dem britischen Premierminister Blair gemeinsam ein Papier verfassen ließ, das sich von manchen sozialdemokratischen Traditionen zu lösen schien. Doch sind das vergangene Zeiten. Jenes Schröder-Blair-Papier stieß schon damals in der SPD auf den Widerstand derer, die mahnten, die Partei dürfe ihre Wurzeln nicht kappen. Die Parteibasis wurde durch jenen Kurs - das war 1999 - nicht mobilisiert, sondern desorientiert. Niederlagen bei Regionalwahlen wurden damit erklärt. Doch gingen die Forderungen der "Modernisierer" nicht über Allgemeines hinaus, alles mögliche müsse reformiert werden. Sie waren und sind Schröder ähnlich, der einst davon gesprochen hatte, es gebe nicht eine linke oder rechte Wirtschaftspolitik, sondern nur eine gute oder schlechte. Stets hatte die Unterteilung der SPD in "Reformer" und "Traditionalisten" etwas Beliebiges an sich. Einst hatte sogar Lafontaine die Gewerkschaften mit Thesen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes provoziert. Den Begriff der "neuen Mitte" hatten die Erfinder um Schröder und Müntefering inhaltlich nie so gefüllt, als daß sie ihn nicht ohne weitere Folgen schließlich beiseite legen konnten. Es hatte sich um ein Wahlkampfmotto für das Jahr 1998 gehandelt. Die beiden Mitarbeiter Schröders, die an diesem Thema gearbeitet hatten, sind nicht mehr im Bundeskanzleramt - 1999 schon hatte der Kanzleramtsminister Hombach zu gehen und auch der Leiter der Grundsatzabteilung, Nowak.

      Schröders Empörung über das Verhalten von führenden Wirtschaftsleuten und seine Enttäuschung über die Folgen der Arbeit in der vergangenen Legislaturperiode spiegeln sich bei jüngeren Sozialdemokraten wider. Die beschlossenen Steuersenkungen und andere wirtschaftsfreundliche Maßnahmen hätten sich nicht ausgewirkt - weder auf dem Arbeitsmarkt noch bei der Kaufkraft. Bartels schrieb darüber hinaus: "Es hindert die deutsche Wirtschaft, wie wir gesehen haben, ohnehin nicht daran, zur Wahl einer Oppositionspartei aufzurufen." Schröders Äußerungen im Wahlkampf, die Wirtschaft verhalte sich wie eine "fünfte Kolonne" zugunsten der Unionsparteien, schimmern durch. Doch hatte der SPD-Vorsitzende lange vor Beginn des Wahlkampfes deutlich gemacht, er gedenke das Bündnis mit den Gewerkschaften nicht zu vergessen. Nicht ohne Zufall und Folgen verwies er im Wahlkampf selber immer wieder auf seine eigene Herkunft. Zwischen ihm und dem BDI-Präsidenten Rogowski kam es zu persönlichen Auseinandersetzungen, die einem Gespräch der beiden im Wege stehen. Zwar sprach Schröder nun auch davon, das Sozialsystem in Deutschland müsse neu justiert werden. Doch sucht er dabei das Zusammenwirken mit den Gewerkschaften. Die Stimmung sei nur "durch solide Arbeit" zu verbessern, hat Schröder nun gesagt. Mit seinem Satz "Wer die Hitze nicht verträgt, soll die Hand vom Kochen lassen" sucht er wohl sich und anderen Mut zu machen. Doch steht Neues bevor, wenn es bei den Ankündigungen der Unions-Ministerpräsidenten bleibt, die Steuervorhaben der rot-grünen Koalition im Bundesrat abzulehnen. Manche Sozialdemokraten auf den hinteren Bänken sehen schon düstere Szenarien voraus - ein Scheitern der Koalitionsvorhaben im Bundesrat, ein Scheitern des Einwanderungsgesetzes beim Bundesverfassungsgericht und einen weiteren wirtschaftlichen Abschwung. Wie von selbst, glauben sie, könnte es dann zu einer großen Koalition kommen (müssen) - mit einer sauberen Arbeitsteilung: Die SPD kümmere sich um die Gewerkschaften und die Unionsparteien um die Wirtschaft.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.2002, Nr. 270 / Seite 3
      Avatar
      schrieb am 20.11.02 18:29:49
      Beitrag Nr. 239 ()
      Bush hat keine Zeit für Schröder
      Von Katja Noch

      20. November 2002 Chirac, Blair, Havel und der türkische Präsident Sezer haben die Ehre: Ein sogenanntes Bilateral mit dem amerikanischen Präsidenten George Bush am Rande des Nato-Gipfeltreffens in Prag. Gerhard Schröder guckt derweil in die Röhre, „keine Zeit“ ist die offizielle Begründung von amerikanischer Seite.

      Aber einen Handschlag werde es geben, versicherte ein Sprecher des Weißen Hauses, Bush werde Schröder beim Nato-Gipfel nicht meiden. Das dürfte ein schwacher Trost für den deutschen Bundeskanzler sein. Offensichtlich ist George Bush immer noch verstimmt wegen Schröders Wahlkampfrhetorik gegen einen möglichen Irak-Krieg. Oder er will den Bundeskanzler zumindest noch eine Weile schmoren lassen, verordnetes Nachdenken über den außenpolitischen Faux-pas.

      Bush lässt Schröder zappeln

      Nach Schröders Wahlkampf-Nein zum Irak-Krieg und einem missglückten Interview der damaligen deutschen Justizministerin fühlte sich Bush persönlich angegriffen. Von Verrat und vergifteten Beziehungen zwischen Amerika und Deutschland war die Rede, wochenlanges eisiges Schweigen folgte. Ein Telefonat zwischen Schröder und Bush vor eineinhalb Wochen war die erste vorsichtige Kontaktaufnahme, Verteidigungsminister Struck und Außenminister Fischer besuchten Washington. Tauwetter? Nein, so schnell sind die verletzten Befindlichkeiten des amerikanischen Präsidenten nicht einzurenken. Die Bundesregierung hofft nun bescheiden darauf, dass Schröder und Bush „sich sehen, sich treffen und kurz miteinander sprechen werden“, wenn der tschechische Präsident am Mittwoch Abend auf dem Hradschin einen Empfang gibt.

      Wer ist wichtig für George Bush?

      Aber vielleicht ist Schröder nach Bushs Maßstäben nicht wichtig genug für ein Gespräch. Wenn man sich die Liste seiner Gesprächspartner in Prag ansieht, drängt sich die Vermutung auf, dass es dem amerikanischen Präsidenten weniger um die Nato-Osterweiterung geht, sondern vielmehr um den Irak. Militärisch und geostrategisch ist Deutschland in diesem Punkt jedenfalls nicht so wichtig für Bush. Er kann es sich leisten, Schröder stehenzulassen. Beim Friedenseinsatz nach dem Krieg dürften die Deutschen wieder gefragt sein, wie Afghanistan beweist. Aber es macht für Bush wenig Sinn, darüber schon zu sprechen, bevor der Krieg überhaupt begonnen hat.

      Bleibt die Frage der persönlichen Sympathie. Während Schröder und Bush noch nie eine besonders herzliche Beziehung gepflegt haben, kann der amerikanische Präsident bestens mit dem russischen und stattet Wladimir Putin am Freitag im Anschluss an den Gipfel einen Besuch ab, ganz freundschaftlich, versteht sich. Dabei gäbe es durchaus offene Fragen über den Tschetschenien-Krieg und den Tod von zahlreichen Geiseln bei der Stürmung des Musical-Theaters in Moskau vor wenigen Wochen zu klären.

      Schröder muss den Büßer geben

      Aber der amerikanische Präsident hat ein überschaubares Weltbild. Im Krieg gegen den Terror gibt es nur Freunde oder Feinde - Deutschland ist von der Linie abgewichen und muss nun dafür büßen. Schröder kann wohl nur hoffen, dass Bush sich in Prag dennoch versöhnlich zeigt, ein paar Worte mit ihm wechselt und der versprochene Händedruck nicht zu kurz ausfällt - denn die Begegnung wird kritisch beobachtet. Von Bush wieder ernst genommen zu werden, dürfte allerdings ein längerfristiges Vorhaben sein. Bündnistreue im Ernstfall könnte Bush die missglückte Rhetorik vergessen lassen.

      Statt Liebesentzug und demonstrativem Übergehen des störrischen Bündnispartners würde ein persönliches Gespräch zwischen Bush und Schröder allerdings mehr dazu beitragen, Missverständnisse auszuräumen und die deutsch-amerikanischen Beziehungen aufzutauen. Aber Cowboys sind bekannterweise wortkarg.
      Avatar
      schrieb am 20.11.02 18:35:04
      Beitrag Nr. 240 ()
      würde ein persönliches Gespräch zwischen Bush und Schröder allerdings mehr dazu beitragen, Missverständnisse auszuräumen und die deutsch-amerikanischen Beziehungen aufzutauen.

      wie soll das gehen? schliesslich IST schröder das missverständnis!

      Avatar
      schrieb am 27.11.02 00:33:04
      Beitrag Nr. 241 ()
      Durchwursteln? Ist doch gut so!

      Politik in Berlin: ziemlich viel Chaos, ein großes und ratloses Hin und Her, Zwistigkeiten zwischen den Koalitionspartnern und immerzu dramatische Krisenarien, Gerüchteparolen, aufgeblasene Empörung. Alles ganz furchtbar. Aber alles auch ganz trivial. Denn so lief das schon fünfzig Jahre lange zuvor in der kleinen Bundeshauptstadt am Rhein. Die Hundert-Tage-Bilanzen der Regierungen fielen bereits damals regelmäßig trostlos aus. Auch die erfahrensten Strategen unter den deutschen Kanzlern bekamen in den ersten Wochen und Monaten nach den Wahlen nicht viel hin, hatten allesamt ihre liebe Mühe, das Räderwerk des Regierungsgeschäfts ans Laufen zu bringen. Vor allem der als effizienter Macher und Manager noch heute weithin gepriesene Helmut Schmidt war nach den Wahlsiegen 1976 und 1980 völlig von der Rolle, hatte sich seinerzeit schon des Vorwurfs der "Rentenlüge", des Wahlkampfbetrugs also zu erwehren. Und der große Staatsmann und Langzeitkanzler Helmut Kohl brauchte ein langes halbes Jahrzehnt, um das Kanzleramt zu einer einigermaßen funktionsfähigen Schaltzentrale der Regierungspolitik zu machen. Bis dahin gab es eben viel Durcheinander, viel Konfusion, viele Konflikte zwischen den Regierungsparteien und immer wieder dramatische Gerüchte über das vorzeitige Aus der Kanzlerschaft Kohl. Ludwig Erhard, Willy Brandt und selbst Konrad Adenauer ging es keineswegs anders. Man hat das alles nur wunderlicherweise verdrängt.

      So gesehen bräuchte sich Gerhard Schröder eigentlich nicht zu sehr zu grämen und zu viel Sorgen zu machen, selbst wenn alles so weitergehen sollte, was Tag für Tag in grellen Schlagzeilen lauthals angeprangert wird: Die Regierung wird an keiner Stelle eine Politik aus einem Guss betreiben; sie wird ihre Gesetzesvorlagen ständig korrigieren, umwerfen, abschwächen, neu zurechtzimmern. Der eine Minister wird dies, der andere darauf etwas ganz anderes verkünden. Der Kanzler wird dazu lange schweigen, später dann beides energisch dementieren. Am Ende all des Kuddelmuddels und Gewurstels wird viel Flickschusterei, ein ziemlich richtungsloser Kompromiss stehen. Exakt so wird es kommen. Und exakt so würde Politik auch dann noch verlaufen, käme es 2006 zu einem Regierungswechsel mit einem christdemokratischen Kanzler - und 2010 die Rolle rückwärts nochmals erfolgen sollte. Denn das alles sind keine zeitweiligen Pannen und Missgriffe; es ist die Substanz, und es ist die Struktur von Politik in Deutschland schlechthin.

      Natürlich wissen alle erfahrenen politischen Praktiker, ob nun in den Parteien oder im kommentierenden Journalismus, dass es so ist und so sein muss. Aber dennoch tun alle so, als wäre es auch ganz anders möglich. Die gesamte politische Öffentlichkeit operiert mit einem Begriff des Politischen, der zumindest in Deutschland nicht von dieser Welt ist. Eben dadurch wird fast jeder Kommentar über den wirklichen Politikbetrieb in Bonn zu einem aufgeregten Krisenmelodram, zu einer dramatischen Katastrophenoper, zu einem alarmistischen Paukenschlag. Und politisch bleibt alles ganz folgenlos.

      Irgendwie sind es immer noch die Maßstäbe aus den frühen demokratietheoretischen Modellen des 19. Jahrhunderts, die da herumgeistern: Eine Mehrheit der Wähler schickt demnach eine Partei in die Regierung, damit diese von dort aus mit den zentralstaatlichen Machtinstrumenten ihre programmatischen Konzepte verwirklichen und so die Gesellschaft durchformen, gestalten, prägen kann. Das mag ein wenig so noch immer für das englische Regierungssystem gelten. Das entspricht aber schon längst nicht mehr der Realität der meisten europäischen Staaten. Für Deutschland jedenfalls trifft es gar nicht zu. In Deutschland gibt es den zentralstaatlichen politischen Souverän nicht. In Deutschland haben wir gewissermaßen einen, wie es die amerikanischen Politologen nennen, "semisovereign state". In Deutschland ist die politische und gesellschaftliche Macht extrem fragmentiert; hier gibt es eine Menge Nebenregierungen und Einflussparzellen, die das Berliner Kabinett zu einem sicher nicht gänzlich einflusslosen, aber auch nicht uneingeschränkt souverän entscheidenden Akteur unter vielen anderen in der Arena der Macht reduzieren. In einer solchen Machtstruktur ist Politik, gleichviel welcher Couleur, immer zu einer mühsam ausbalancierten Kompromisspolitik gezwungen, meist auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Die Alternative ist allein: völlige Blockade, Paralyse, rien ne va plus. Kein Kanzler kriegt unter diesen Machtverhältnissen ein stimmiges, kohärentes Projekt durch.

      Doch ist dieses kohärente Projekt der Maßstab des politischen Urteils in Deutschland. Und einiges spricht ja auch dafür, dass das Land zielgerichtet aus seiner sich in der Tat Jahr für Jahr verschärfenden Krisenlage herausgeführt werden muss. Zugleich aber denkt keine einflussreiche Kraft in der deutschen Republik ernsthaft daran, die institutionellen Voraussetzungen für "Politik als Richtungsprojekt mit rotem Faden" herzustellen. Niemand tritt in Deutschland für die Abschaffung der vielen Regionalwahlen ein, für die Liquidierung des Föderalismus, für die Beseitigung oder auch nur die Reform des Bundesverfassungsgerichts und der autonomen Notenbank. Und so weiter. Für eine solche Systemtransformation gibt es nirgendwo einen gesellschaftlichen oder politischen Motor. Das aber macht die Fundamentalkritik am Durchwursteln sämtlicher Regierungen so richtungs- und wirkungslos. Alle haben sich mit den Voraussetzungen der föderalen Verhandlungs- und Konkordanzdemokratie abgefunden, aber alle tun trotzdem so, als wünschten sie eigentlich die zentralstaatlich orientierte Wettbewerbsdemokratie, um kraftvolle Innovationen und Reformen zustande zu bringen.

      Doch wäre es unter scharfen wettbewerbsdemokratischen Bedingungen dann passee mit der kommoden Stabilität der politischen Kultur. Es wäre vorbei mit Konsens, sozialem Frieden, Integration und Ausgleich, was in Wahrheit die Deutschen doch so über alles schätzen. Minderheiten jedenfalls haben in Wettbewerbsdemokratien nichts zu lachen. Und oft genug werden in harten Wettbewerbsdemokratien mit starker Zentralmacht die Gesetze überstürzt und schlampig durch die Parlamente gepeitscht. Solcherlei Fundamentalreformen stiften am Ende mehr Schaden als Nutzen - und sind schließlich nur noch schwer zu korrigieren, meist nach öffentlichen Massenprotesten, gar militant geführten Streiks. Nichts davon wollen die behäbigen und ängstlichen Deutschen natürlich ernsthaft. Und doch ist die zentralstaatliche Wettbewerbdemokratie Kriterium und Maßstab des politischen Diskurses in Deutschland, am Stammtisch wie in den Zeitungsredaktionen.


      Verrückterweise spielen die Politiker - voran natürlich diejenigen der jeweiligen Opposition - dieses Spiel mit, obwohl sie immer mehr zum Opfer ihrer eigenen Inszenierung werden. Sie wissen, wie eng ihr Handlungsspielraum ist. Sie wissen, wie stark die Verhandlungs- und Vermittlungszwänge ihre politische Souveränität einschnüren und begrenzen. Aber sie tun doch jederzeit so, als wären sie die potenten politischen Gladiatoren, die mächtigen Lenker der Staatsgeschäfte. Doch dann müssen sie die selbst erzeugten Erwartungen immer enttäuschen, weil die reklamierte kraftvolle Führung mit der realen saftlosen Moderatorenrolle nicht recht harmonisieren will. Eben das hat den tiefen Frust erzeugt, der wie ein depressiver Schleier über der Republik liegt.

      Darin liegt die Gefahr vor allem einer exponierten Fernsehpolitikerschaft. Die Telegesellschaft verstärkt den Eindruck einer im Grunde allmächtigen Zentralregierung mit einem im Grunde allmächtigen Bundeskanzler an ihrer Spitze. In der Telegesellschaft kommen Handlungsrestriktionen, institutionelle Einflussstrukturen, kommen Kompromisse und Zwänge nicht vor. In der Telepolitik zählt allein die Person ganz oben, die gewinnt oder verliert. Dazwischen gibt es nichts. Und da die Spitzenpolitiker als Telepolitiker nun nicht gut die Rolle der Verlierer und Schwachen spielen können, mimen sie pausenlos die kraftvollen Machertypen, die alles entscheidungsfreudig ganz fest - "Chefsache" - im Griff haben. Doch das Krisenmanagement des Kompromisses, das den wahren Alltag des Regierens ausmacht, delegitimiert diese Attitüde Stückchen für Stückchen. Und es führt zur Geringschätzung, ja Verachtung von Politik, Parteien, Parlament.


      Dazu: Es ist in der Telegesellschaft schwer, unorthodoxe und eigensinnige Reformprojekte auf den gesetzgeberischen Weg zu bringen. Denn die Scheinwerfer der Telegesellschaft leuchten schon die frühen tastenden Diskussionsprozesse und ersten Referentenentwürfe in den Ministerien aus. Das mobilisiert dann eher denn je die laut drohenden Verhinderungsbataillone der Gesellschaft und drängt die Regierenden in aller Regel zu eiligen Dementis und hastigen Rückzugsbewegungen. Insofern ist auch die Telegesellschaft, zumindest in dieser Hinsicht, ein Status-quo-Instrument der bundesdeutschen Konkordanzdemokratie. Man wird jedenfalls dem Arkanbereich der klassischen Politik noch nachweinen, in dem sehr verborgen und in aller Ruhe Politik gründlich vorbereitet, ihre Folgen reflexiv ausgemessen und ihre Umsetzung kaltblütig betrieben werden konnte. Irgendwann in den Fünfzigerjahren war das. Seither wurde es immer schwieriger.

      Doch nutzen solche Sentimentalitäten natürlich nichts. Politik wird auch künftig zu einem großen Stück Telepolitik sein. Überdies, es ist gewiss schwierig, aber es ist zu machen: Man kann mit Telepolitik auch Strukturen in Bewegung bringen, Vorhaben initiieren, neue politische Ansprüche und Ideen stimulieren, Bevölkerungsmehrheiten gegen begrenzte Gruppeninteressen mobilisieren. Ronald Reagan hat dies in den frühen 1980er-Jahren glänzend exerziert. Aber auch der österreichische Sozialist Bruno Kreisky hat es vorgemacht, der damit während der Siebzigerjahre dreimal hintereinander die absolute Mehrheit für seine Partei holte, was sonst keiner sozialdemokratischen Partei dieser Welt jemals gelungen ist. Auch Kreisky war ein brillanter Journalisten- und Telepolitiker. Aber er wusste - wie Reagan und ein bisschen auch Tony Blair -, wohin er wollte. Sie alle waren wendige und bedenkenlose Taktiker, doch sie hatten dabei scharf umrissene Ziele, waren gewissermaßen durchdrungen von einer spezifischen Idee, ja Mission. Bei ihnen verschmolz Telepolitik mit Leadership.

      Darauf aber wartet man bei Gerhard Schröder. Die wuchtige Fundamentalreform wird er in Deutschland nicht lancieren, schon gar nicht durchsetzen. Aber ein wenig erkennbar in eine solche Richtung könnte er doch seine teleplebiszitären Auftritte lenken. Mehr kann man von einem Kanzler in Deutschland nicht erwarten. So viel allerdings wird man auch erwarten dürfen. Wer mehr will, der muss an die Grundlagen des politischen Systems der Republik heran. Davor scheuen bislang alle zurück. Dadurch aber fehlen dem wütenden Lamento dieser Tage Richtung und Ziel. Zurück bleibt daher allein folgenlose Depression.

      taz Nr. 6915 vom 27.11.2002, Seite 5, 375 TAZ-Bericht

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 28.11.02 09:32:39
      Beitrag Nr. 242 ()
      Absolut lesenswerter Kommentar, eine phantastische beschreibung der grundsätzlichen Misere:




      Schröders schnelle Eingreifpuppe
      von BETTINA GAUS

      Doris Schröder-Köpf ist eine bedeutende Frau, die eine wichtige Rolle im politischen Leben der Bundesrepublik spielt. Oder? Wenn sie etwas zu sagen hat, dann wird das immerhin zum Gegenstand seriöser Nachrichtensendungen. Und sie ist trotzdem so volksnah geblieben! "Wenn Klara ihre Zahnspange wieder eingestellt bekommt, sitzen wir genauso im Wartezimmer wie alle anderen auch", betont die Kanzlergattin in einem Interview. Kein roter Teppich, keine Fanfaren? Bescheiden.

      Allerdings stellt sich die Frage, weshalb die 11-jährige Tochter den regelmäßigen Fünf-Minuten-Termin beim Kieferorthopäden nicht alleine wahrnimmt, wie das andere Kinder ihres Alters zu tun pflegen. Vielleicht kann das ein Mädchen nicht, das noch als Neunjährige abends um sieben Uhr ins Bett geschickt wurde. Wie ihre Mutter die Öffentlichkeit in einem selbst verfassten Zeitungsartikel wissen ließ.

      Frau Schröder-Köpf mag es übrigens gar nicht, wenn Journalisten über ihr Privatleben berichten. Was die Öffentlichkeit erfahren soll, möchte sie schon selbst entscheiden dürfen. Schließlich kann ihr niemand nachsagen, dass sie in dieser Hinsicht mit Informationen geizt: "Ich bügele auch", erzählt sie in der ARD-Talkshow von Gabi Bauer. Das sei ihre Entscheidung, ihr Mann könne die Schmutzwäsche schließlich auch in Berlin in eine Reinigung bringen. Aber: "Ich finde es praktischer und schöner, wenn ich das zu Hause selber mache. Es gibt aber auch Sachen, beispielsweise schwierige Näharbeiten, die ich nicht kann. Dann warten wir auf meine Mutter." Gut zu wissen.

      Die Ehefrau des Bundeskanzlers plaudert nicht nur aus dem häuslichen Nähkästchen. Gerne und häufig äußert sie sich auch zu aktuellen Fragen. "Ich würde wahrscheinlich krank werden, wenn ich nicht dann, wenn ich etwas besonders schlimm finde, meine Meinung äußern könnte", hat sie dem Spiegel mitgeteilt. Das kann natürlich niemand wollen.

      Doris Schröder-Köpf hat viele Hüte im Schrank, und stilsicher setzt sie sich immer den auf, der gerade passt. Mal den der Mutter, mal den der Gemahlin, mal den der ganz, ganz tapferen kleinen Frau. Wenn sie politisch Stellung bezieht, dann verweist sie regelmäßig auf ihre Vergangenheit als Journalistin: Überaus altmodisch wäre es doch wohl, so legt dieser Hinweis nahe, wenn sie sich nur deshalb nicht mehr zu Wort melden dürfte, weil sie einen bestimmten Mann geheiratet hat, der eine herausgehobene Position bekleidet.

      Als ob sich die Öffentlichkeit nicht ausschließlich deshalb für sie interessierte. Spaß beiseite: Welche Wirkung hätte es wohl gehabt, wenn die Focus-Redakteurin Doris Köpf sich in einem Brief an die Verlegerin Friede Springer über den "Schmutz-Journalismus" der Bild-Zeitung beschwert hätte? Oder den Kanzlerimitator Elmar Brandt als jemanden bezeichnete, "der parasitär Geld verdient"? Oder den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine zum Austritt aus der Partei aufgefordert hätte?

      Gar keine Wirkung hätte es gehabt, außer vielleicht für sie persönlich. Gewiss wären ihre Äußerungen jedenfalls nicht stündlich als "Exklusiv-Interview" in den Nachrichtensendungen von N24 gesendet worden. Das übrigens erkennbar in einem ICE-Abteil geführt worden ist. Üblicherweise kommen Gäste für ein ausführliches Interview ins Studio. Aber jemand wie die Ehefrau des Kanzlers hat dafür natürlich keine Zeit, da muss ein Gespräch halt zwischen zwei Termine gepresst werden. Bei ihrem Mann oder George Bush ist das schließlich nicht anders. Versteht sie das unter Gleichberechtigung?

      Niemand hindert Frau Schröder-Köpf daran, weiterhin in ihrem Beruf zu arbeiten, falls sie das wünscht. Von politischen Themen sollte sie sich allerdings fern halten. Nicht deshalb, weil sie dafür nicht qualifiziert wäre - sondern aus Solidarität mit ihrem eigenen Berufsstand. Wenn eine eheliche Gemeinschaft nicht den Tatbestand der unzulässigen Nähe zwischen Politik und Journalismus erfüllt: welcher denn dann? Natürlich kann auch der Mann seinen Beruf aufgeben. Die Entscheidung darüber bleibt dem Ehepaar überlassen. Und, in diesem Fall, vielleicht auch den Wählern.

      Doris Schröder-Köpf hat offensichtlich die Bodenhaftung verloren, und zwar schon länger. "Deutschland dankt", sagte sie einem Stern-Porträt zufolge schon vor einigen Jahren zu jemandem, der ihr freundlicherweise Feuer gab. Da sie bisher nicht durch besonderen Sinn für Ironie aufgefallen ist, kann man nicht einmal sicher darauf vertrauen, dass sie einen Scherz machen wollte. Aber selbst wenn: jeder Witz braucht für seine Pointe einen wahren Kern. Worin liegt der in diesem Falle - nach Ansicht der Kanzlergattin?

      Ihr steigendes Mitteilungsbedürfnis ließe sich achselzuckend als sehr privates, wiewohl ernstes Problem zu den Akten legen. Wenn sich die politische Klasse dem monarchisch anmutenden Anspruch der ehemaligen Redakteurin verweigerte. Das Gegenteil ist der Fall. Warum? Weil es gegenwärtig - aus unterschiedlichen Gründen - sowohl vielen Politikern als auch vielen Journalisten ins Konzept zu passen scheint, die Unverbindlichkeit zum Programm zu erklären. Das macht den Fall von Doris Schröder-Köpf zu einem Symbol für den rapiden Verfall des demokratischen Diskurses. In diesem Zusammenhang greifen derzeit wie Zahnräder verschiedene Mechanismen ineinander, die nur auf den ersten Blick nichts miteinander gemein zu haben scheinen.

      Kaum eine politische Arbeitsbesprechung und so gut wie kein Referentenentwurf bleiben noch vertraulich. Indiskretion wird mit Transparenz verwechselt. Was dazu führt, dass die Kreise immer kleiner werden, in denen ergebnisoffen diskutiert werden kann, und dass die Öffentlichkeit fast nur noch Versatzstücke aus dem Baukasten politischer Gemeinplätze zu hören bekommt. Für die Medien ist das unbefriedigend. Deshalb hat es sich eingebürgert, Leuten ohne jede berufliche Funktion denselben Stellenwert einzuräumen wie gewählten Volksvertretern.

      Der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine, der freiwillig auf Ämter und Mandat verzichtet hat, macht Schlagzeilen mit dümmlich zugespitzter Regierungskritik. Der ehemalige grüne Abgeordnete Oswald Metzger, dem von seiner Partei ein aussichtsreicher Listenplatz verweigert wurde, wird von den Medien behandelt, als sei er Fraktionsvorsitzender. Der "Historiker" Arnulf Baring hält es für geboten, zur Revolution aufzurufen, weil ihm die Politik der gerade neu gewählten Bundesregierung nicht gefällt. Hier kommen keine Elderstatesmen zu Wort, sondern politische Rabauken. Zugegeben: This makes great copy. Auflagen- und quotenfördernd ist es allemal.

      Warum aber lassen sich Abgeordnete und Minister in ungezählten Talkshows auf dieses Niveau herunterziehen? Weil es auch ihnen nützlich sein könnte. Werden bestimmte pointierte Statements von der Öffentlichkeit gut aufgenommen, dann kann man sie sich zu Eigen machen. Werden sie abgelehnt, dann lässt sich stets darauf verweisen, dass der oder die Betreffende schließlich keine Funktion innehat, ja, nicht einmal Mitglied der jeweiligen Partei ist. Arnulf Baring mutierte so innerhalb weniger Tage vom "bedeutendsten deutschen Historiker" (Bild) zum ehemaligen Anhänger von Willy Brandt.

      Der gemeine Talkshow-Gast erfüllt heute ungefähr dieselbe Funktion, die früher der Vorkoster am Fürstenhof innehatte: Er hat erst einmal zu prüfen, welche Meinungsäußerung bedrohlich sein könnte. Ist das geklärt, dann können Politiker auf dem nunmehr gesicherten Wege folgen. Dieses Verhalten zeugt nicht gerade von Zutrauen in die Überzeugungskraft eigener Konzepte und in die Funktionsfähigkeit demokratisch legitimierter Institutionen. Es ist kein Zufall, dass die Opposition gerade jetzt das ehrwürdige Instrument des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Verlängerung des Wahlkampfs mit anderen Mitteln missbraucht.

      Schlimm genug, wenn sich das politische Fußvolk aus Angst vor Popularitätsverlust dieser Form des Populismus nicht mehr zu widersetzen wagt. Wenn jedoch selbst der Regierungschef sich den vermuteten Gesetzen des Medienmarktes im beschriebenen Ausmaß zu unterwerfen bereit ist, dann bedeutet das eine Missachtung der eigenen Funktion. Will man nämlich nicht unterstellen, dass der Kanzler schlicht die häusliche Auseinandersetzung scheut, dann liegt der Verdacht nahe, dass er gerne seine Ehefrau vorschickt, um immer mal wieder die Außentemperatur zu testen. Dafür ist er nicht gewählt worden.

      Oskar Lafontaine war nicht nur Finanzminister, sondern auch Vorsitzender der SPD. Er hat den Bettel auf eine Art und Weise hingeschmissen, die eine bis dato beispiellose Missachtung seiner Anhänger bedeutete. Unvergessen das Bild, wie er seinerzeit auf dem Balkon des Eigenheimes stand, den kleinen Sohn auf den Schultern, und wartenden Journalisten zurief, dass er gar nicht verstünde, was sie von ihm wollten. Als Privatmann müsse er keine Interviews geben.

      Ein Privatmann, fürwahr! Diese Äußerung alleine hätte eigentlich für ein Parteiordnungsverfahren genügen müssen - jedenfalls zeugte sie von sehr viel größerer Verachtung gegenüber demokratischen Prinzipien als Lafontaines unangemessener Vergleich zwischen Schröder und dem gescheiterten Reichskanzler Brüning, der Hitler unfreiwillig den Weg bereitet hatte. Unmittelbar nach dem Rücktritt des ehemals starken Mannes aber hat sich keiner an Lafontaine herangewagt. Und offenbar glaubt der SPD-Vorsitzende bis heute, seine Frau vorschicken zu müssen. Da braucht man sich über fehlende Konzepte der rot-grünen Koalition eigentlich nicht zu wundern.

      taz Nr. 6916 vom 28.11.2002, Seite 4, 310 TAZ-Bericht BETTINA GAUS

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 01.12.02 17:17:43
      Beitrag Nr. 243 ()
      Richard Rogler in einer KAbarett-Veranstaltung gestern:

      "Wie erkennt man, daß ein Politiker lügt??"

      Seine Antwort war zweiteilig..

      "Erstens - für Politiker grundsätzlich kein Problem, die sind ja vom Fach.... :D " :laugh:


      "Zweitens - auch für alle anderen ganz einfach: Sobald sich die Lippen bewegen! " :laugh:


      Wir sind damit im wiedervereinigten Deutschland, was den Humor anbelangt, in der gleichen KAtegorie wie in der DDR vor der Wende..... das sollte zu denken geben - es gibt kein Vertrauen mehr.
      Avatar
      schrieb am 02.12.02 18:50:57
      Beitrag Nr. 244 ()
      80 Prozent mit Arbeit von Rot-Grün unzufrieden

      Die Kritik an Rot-Grün reißt nicht ab: 80 Prozent der Bürger sind mit der Arbeit der rot-grünen Bundesregierung unzufrieden. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Infratest dimap. Das ARD-Magazin Report aus München hatte die Umfrage in Auftrag gegeben. Demnach trauen nur noch 17 Prozent der SPD die Durchsetzung von Reformen zu. Satte 12 Prozent der Befragten halten die Grünen für fähig, Reformen durchzusetzen. Sieger in der derzeitigen Wählergunst sind CDU und CSU: 37 Prozent glauben, dass die Union am ehesten Reformen anpackt und verwirklicht.
      Avatar
      schrieb am 03.12.02 01:25:05
      Beitrag Nr. 245 ()
      Auf Koch als kanzlerkandidaten kann Deutschland wirklich verzichten.... ein beispiel von vielen:


      Erfolg darf nicht sein
      CDU in Hessen will Versuchsschule abschaffen - obwohl sie bei Pisa sogar besser war als Testsieger Finnland
      WIESBADEN taz Nicht für alle deutschen Schulen war die Pisa-Studie ein Schock, manche schnitten sensationell gut ab. Dazu gehört die Helene-Lange-Schule (HLS) in Wiesbaden: "Wenn wir ein Fußballclub wären, dann würden auf dem Balkon des hessischen Landtages stehen und einen Pokal für unsere Erfolge bekommen", so Schulleiterin Enja Riegel.

      Die Schüler ihrer integrierten Gesamtschule überholten bei der Lesekompetenz mit durchschnittlich 579 Punkten sogar Testsieger Finnland, wo die Schüler im Mittel 546 Punkte erzielten. Ähnlich gut waren die Resultate bei den Naturwissenschaften. Die HLS-Schüler kamen hier auf 598 Punkte und lagen damit 46 Punkte vor den Südkoreanern, die dort zum Testsieger avancierten. Nur im Fachgebiet Mathematik schnitten die Wiesbadener Schüler etwas schlechter ab als die führenden Japaner. Aber einen Spitzenwert erreichten die HLS-Schüler auch hier. Bundesweit gilt die integrierte Gesamtschule daher als ein Modell, das von Wissenschaftlern und Lehrerkollegen rege besichtigt wird.

      Doch die hessische CDU-FDP-Landesregierung schweigt zu diesen herausragenden Ergebnissen, die weit über Bundesniveau liegen. Zudem schlägt die Union im Wiesbadener Magistrat vor, den HLS-Status als "Versuchsschule" zu überprüfen. Genau dieser Status aber hat die Testerfolge ermöglicht, denn die Teamarbeit der Lehrer wurde ebenso gefördert wie eine enge Zusammenarbeit mit Hochschulen in Mainz und Hamburg. "Der CDU passt nicht, dass eine Gesamtschule so erfolgreich war", kommentiert Riegel die Pläne.


      Die schulpolitische Sprecherin der Wiesbadener CDU hat die Marschroute des schwarz-gelben Magistrats schon angedeutet: Es beweise "bildungspolitische Ahnungslosigkeit", so Rose-Lore Scholz, die Testergebnisse als ein Verdienst der integrierten Gesamtschule zu deuten. Schließlich sei die HLS mit Lehrern und Sachmitteln besser ausgestattet als vergleichbare Schulen.

      Das sieht die SPD genau anders herum. Für ihren schulpolitischen Sprecher Helmut Nehrbaß zeigt das "überzeugende Abschneiden" der HLS, dass das klassische, dreigliedrige Schulsystem unterlegen sei, das die Union favorisiert. Die CDU müsse "ihre ideologischen Vorurteile" abschütteln.

      Riegel betrachtet die CDU-Versuche, den Status ihrer Schule zu verändern, als einen "Schlag ins Gesicht". Die Arbeit von 15 Jahren würde zerschlagen. Sie will die Schulpolitik und die Magistratspläne zu einem Thema für die Landtagswahlen machen, die am 2. Februar anstehen.

      THOMAS KLEIN

      taz Nr. 6920 vom 3.12.2002, Seite 7, 87 Zeilen (TAZ-Bericht), THOMAS KLEIN

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 03.12.02 13:58:41
      Beitrag Nr. 246 ()
      Gute zeiten für eine Schwarz-Grüne Koalition unetr Angela Merkel:



      Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre,

      könnte die Union mit einem Stimmenanteil von 50 Prozent rechnen, ergab eine Emnid-Umfrage im Auftrag von n-tv. Das entspricht einem Zuwachs von zwei Prozentpunkten gegenüber der Vorwoche.

      Die SPD verliert derweil weiter und kommt der Umfrage zufolge nur noch auf 28 Prozent, ein Prozentpunkt weniger als in der Vorwoche. Die internen Streitigkeiten in der FDP drücken das Ergebnis bei den Liberalen um einen Punkt auf nunmehr fünf Prozent. Die Grünen liegen unverändert bei zehn Prozent, die PDS bei vier Prozent.

      Eine Koalition von Union und FDP hätte demnach derzeit eine absolute parlamentarische Mehrheit von 55 Prozent, während SPD und Grüne zusammen nur auf 38 Prozent kämen.

      Das Meinungsforschungsinstitut Emnid befragte 3247 Wahlberechtigte im Auftrag des Nachrichtensenders n-tv.
      Avatar
      schrieb am 03.12.02 14:01:14
      Beitrag Nr. 247 ()
      CDU auf Freiersfüßen


      Immer mehr CDU-Spitzen liebäugeln offenbar mit Schwarz-Grün. CDU-Vizechef Jürgen Rüttgers sagte laut „Kurier am Sonntag“, er erwarte eine Öffnung der Union zu den Grünen.
      Das komme automatisch mit der kommunalen Zusammenarbeit.

      Rüttgers sagte weiter, es gebe in Nordrhein-Westfalen auf kommunaler Ebene schwarz-grüne Bündnisse. Zurzeit existiere jedoch weder in Berlin noch in irgendeinem Land ein konkreter Ansatz für eine schwarz-grüne Koalition.

      Ins gleiche Horn blies sein Amtskollege Christoph Böhr. Er sieht eine große Übereinstimmung zwischen CDU und Grünen, die „manches möglich erscheinen“ lasse. In einer Fülle von Fragen hätten die Grünen eine Entwicklung genommen, „die ich nur begrüßen kann“, verkündete er laut „Bild am Sonntag“.

      Die Übereinstimmung von Schwarz und Grün in Fragen der Finanzpolitik, bei der Gentechnik oder der Reform der sozialen Sicherungssysteme sei inzwischen groß.


      30.11.02, 16:36 Uhr Spiegel-online.de
      Avatar
      schrieb am 03.12.02 14:43:13
      Beitrag Nr. 248 ()
      Eine weitere "Glanzleistung" der Regierung:




      A U S L A N D
      EU verbietet Tabakwerbung ab 2005 weitgehend

      dpa

      BRÜSSEL. Tabakwerbung in Presse und elektronischen Medien wird ab 2005 in der gesamten Europäischen Union verboten. Das beschlossen am 2. Dezember in Brüssel die EU-Regierungen gegen die Stimmen Deutschlands und Großbritanniens. Die Bundesregierung prüft nun eine erneute Klage gegen das Werbeverbot beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Deutschland ist zwar nicht gegen die Zielrichtung des Verbots, bestreitet aber die EU-Kompetenz dafür. [Anmerkung: scheinheiliger geht es wohl nicht mehr!! Für wie blöd halten die die Bürger??? :mad: ]

      Deutsche Ärzte nannten das Verhalten der Bundesregierung „skandalös“ Die Werbewirtschaft sieht in dem Verbot einen Arbeitsplatz-Vernichter. Überraschend folgten 13 der 15 EU-Mitgliedstaaten der Forderung von EU-Verbraucherschutzkommissar David Byrne und votierten für das weitgehende Tabak-Werbeverbot. Damit wurde eine zweite Lesung der Richtlinie im Europaparlament verhindert, deren Ausgang angesichts des starken Drucks der Tabaklobby ungewiss gewesen wäre, wie Byrne betonte.

      Die Parlamentarier hatten sich bereits im vergangenen Monat in Straßburg für ein Werbeverbot stark gemacht. In Kraft treten wird die Richtlinie im kommenden Jahr. Zur Umsetzung haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit. Deutschland hatte bereits gegen das 1998 schon einmal verabschiedete Werbeverbot geklagt. Der EuGH annullierte daraufhin im Oktober 2000 die erste Richtlinie.

      Die Bundesregierung erkenne an, dass Werbeverbote ein geeignetes Mittel seien, um den Tabakkonsum zu verringern, räumte der deutsche Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, Alexander Müller, ein. Die EU-Richtlinie überschreite aber die Kompetenzen der EU eindeutig, weil davon auch Medien betroffen würden, die nicht über die Grenzen hinaus vertrieben würden.

      Die Bundesregierung plant nach Angaben von Müller ein „Gesamtpaket“, mit dem gesundheitspolitische Ziele unterstützt werden sollen. Die Bundesregierung opfere die Interessen der Bürger denen der Tabakindustrie und der Zeitungsverleger, kritisierte Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe. /afp (02.12.2002)
      Avatar
      schrieb am 04.12.02 15:37:25
      Beitrag Nr. 249 ()
      Neuer Pleitenrekord
      Steigerung von 66,4 Prozent

      Die Zahl der Pleiten ist in Deutschland auf eine neue Rekordmarke gestiegen. Im laufenden Jahr stellten insgesamt 82.400 Unternehmen und Privatpersonen einen Insolvenzantrag, wie der Verband der Vereine Creditreform am Mittwoch in Neuss mitteilte. Dies entspricht gegenüber dem Vorjahr einer Steigerung von 66,4 Prozent.
      37.700 Betriebe stellten Insolvenzantrag
      Der Großteil der Pleiten entfiel laut Creditreform mit rund 44.700 auf Verbraucher und sonstige Insolvenzen wie etwa Gesellschafter eines zahlungsunfähigen Unternehmens. Daneben zählte die Wirtschaftsauskunftei 37.700 Betriebe, die einen Insolvenzantrag stellten.



      Großinsolvenzen sorgen für hohe Schäden
      Die finanziellen Schäden durch die Insolvenzen stiegen den Angaben zufolge von 32,3 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf 38,4 Milliarden Euro. Für diesen Anstieg waren auch Großinsolvenzen wie die des Baukonzerns Holzmann und des Medienunternehmens Kirch verantwortlich.

      Sinkende Zahl an Unternehmensneugründungen
      Zu dem dramatischen Anstieg der Pleiten kam im Jahr 2002 auch eine sinkende Zahl an Unternehmensneugründungen. Im Jahr 2002 wurden laut Creditreform 729.000 Neueintragungen gezählt, was einem Minus gegenüber dem Vorjahr von 3,8 Prozent entspricht. Die Zahl der Unternehmensabmeldungen war demnach aber ebenfalls rückläufig. Diese fiel von 660.000 im Vorjahr auf 627.000.

      Wenig Hoffnung auf nächstes Jahr
      Die Pleitewelle in Deutschland wird im nächsten Jahr noch größer. Bei den Unternehmen wird es 2003 mit bis zu 42.000 Fällen 10 Prozent mehr Insolvenzen geben, bei den Verbrauchern soll es mit bis zu 48.000 mehr als eine Verdoppelung geben. Dies prognostizierte die Wirtschaftsauskunftei Creditreform am Mittwoch in Frankfurt. In diesem Jahr würden die Firmenpleiten um 16 Prozent auf 37.700 zulegen. Bei den Verbrauchern werde es einen Anstieg von 70 Prozent auf 22.900 geben. Neben der Konjunkturflaute sind nach Ansicht des Hauptgeschäftsführers von Creditreform, Helmut Rödl, Erleichterungen des Insolvenzrechts für Verbraucher verantwortlich für die Zunahme.
      Avatar
      schrieb am 04.12.02 16:06:24
      Beitrag Nr. 250 ()
      Großmaul gerster ist kleoinlaut, aber weiterhin fürstlich bezahlt.

      Schröder grinst nicht mehr so viel und wird nicht mehr mit Cohiba und gutem Rotwein gesehen.

      Ansonsten hat sich nichts geändert.

      Selbst während der Redenzeiten der TOP-Politiker sind nicht einmal mehr 50% der Abgeordneten im Bundestag... bei einer der wichtigsten Sitzungstage der Legislaturperiode!
      Wer hier Politikverdrossen ist, das ist offensichtlich:Die regierung un die Abgeordneten.

      Die Bänke im Zuschauereraum sind jedenfalls immer voll besetzt - ob sich die über Gegenwind jammernden Politiker das einmal klarmachen, wie das auf die Bürger wirkt?

      Wie sagte Merz gestern so zutreffend im Bundestag?

      "Wer in guten zeiten bei Gottschalk ist, der landet im schlechten Zeiten bei harald Schmidt"

      Erbärmlicher als Schröder kann nicht mehr das nichterfolgen, was man früher einmal unter "Regieren" verstand.... Schröder hat das zu einem "nicht einmal mehr reagieren" gemacht.



      SPIEGEL ONLINE - 04. Dezember 2002, 9:53
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,225504,00.html


      Arbeitslosigkeit

      Stärkster Anstieg seit der Wiedervereinigung

      Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland hat wieder die Vier-Millionen-Marke überschritten. Im November stieg die Zahl der Erwerbslosen so schnell wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr.

      Arbeitsamt: Offenbarungseid für die Regierung



      Nürnberg - Im November registrierte die Bundesanstalt für Arbeit (BA) 4.025.800 Menschen ohne Beschäftigung. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen um 236.900. Die Konjunktur sei nach wie vor zu schwach, um den Arbeitsmarkt zu beleben, sagte Florian Gerster, der Vorstandsvorsitzende der BA, am Mittwoch. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt habe sich weiter verschlechtert. Die Wirtschaft komme mit immer weniger Personal aus.

      Die Arbeitslosenquote erhöhte sich binnen Monatsfrist um 0,3 Prozentpunkte auf 9,7 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie noch bei 9,2 gelegen. In den alten Bundesländern waren im November 2.650.000 Menschen ohne Beschäftigung. Das waren 44.800 mehr als im Oktober und 182.300 mehr als vor einem Jahr.

      4,5 Millionen bereits im Februar?

      Auf Grund des starken Anstiegs der Arbeitslosigkeit sei nicht mehr auszuschließen, dass im Februar 2003 ein neuer Höchstand erreicht werde, so Manuela Preuschl, Volkswirtin der Deutschen Bank: "Im Januar, wenn die Kündigungen dieses Quartals wirksam werden, erwarte ich .. einen kräftigen Anstieg der Arbeitslosenzahlen auf unbereinigt bis zu 4,5 Millionen."

      Auch aus Kreisen der Bundesregierung verlautete, angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung sei seien 4,5 Millionen im nächsten Jahr wahrscheinlich.
      Hauptproblem ist nach Ansicht Preuschls, dass es bei den Unternehmen an Vertrauen in eine Besserung der wirtschaftlichen Lage fehlt. Die Regierung zeige keinen klaren Reformwillen. "Die Politik ist derzeit zu kurzfristig auf das Stopfen von Haushaltslöchern ausgerichtet", so die Volkswirtin.


      ----------------------------------------------------------


      Heute nach einer Rede von Merkel, die Kooperation bei wichtigen Themen signalisierte, kam Müntefehring und geißelte die angeblich vorhandene Verrohung in der Diskussion, um danach in alter Primitivität z Merkel zu sagen: "Wer so agiert, dem sagt man in meiner heimat: Geh mal zum KlapsenDoktor"

      Merkwürdig, diese Verrohung bei denjenigen, die sie beklagen... im übrigen wäre das m.E. einen Ordnungsruf wert gewesen... :mad:
      Avatar
      schrieb am 04.12.02 16:21:03
      Beitrag Nr. 251 ()
      also Deep,ich nehm die Pest:)
      Avatar
      schrieb am 04.12.02 16:22:16
      Beitrag Nr. 252 ()
      # 244 weil Cholera zur Kackofonie führt :confused: :D
      Avatar
      schrieb am 04.12.02 16:23:14
      Beitrag Nr. 253 ()
      genau:laugh:
      Avatar
      schrieb am 04.12.02 16:28:20
      Beitrag Nr. 254 ()
      koch fällt bei den wertkonservativen almählich politisch durch... ich würde lügen, wenn ich leugnete, daß mich das für die Merkel nicht freut... :D



      Was geht mich meine Verfassungsauslegung von gestern an?

      Kochs zweiter Streich: Die Verfassungsrevolution geht weiter



      Nachdem die Regierung Schröder im Juli 2000 ihre Steuerreform durch den Bundesrat gebracht hatte, wurde CDU-Generalsekretär Polenz im Deutschlandfunk zu den drei von großen Koalitionen regierten Ländern befragt, deren Einschwenken den Sieg der Regierung herbeigeführt hatte. Polenz gab zu bedenken, man müsse "sicherlich unterscheiden die Situation in den Ländern, wo wir in großen Koalitionen sind, aber nicht den Ministerpräsidenten - und damit den Stimmführer - stellen, und Ländern, wo das anders ist". Der Generalsekretär wollte das Handeln des Berliner Regierenden Bürgermeisters Diepgen anders bewerten als das Verhalten der stellvertretenden Ministerpräsidenten von Bremen und Brandenburg, Perschau und Schönbohm.

      Die Auffassung der CDU-Führung, daß von Schönbohm nicht erwartet werden konnte, gegen seinen Ministerpräsidenten Stolpe eine - dem Nein gleichkommende - Enthaltung Brandenburgs zu erzwingen, entsprach der ungebrochenen Verfassungspraxis. Die Länder werden zur Stimmabgabe aufgerufen, und da sie ihre Stimmen nicht splitten können, antwortet eines der Mitglieder namens seines Landes. Wieso hätte man Schönbohm drängen sollen, eine Stimmführerschaft an sich zu reißen, die Stolpe schon deshalb wie von selbst zufiel, weil er den Rebellen noch in der Bundesratssitzung hätte entlassen können? Die Möglichkeit, ein abweichendes Votum zu Protokoll zu geben, schließt der simple Wortlaut des Grundgesetzes aus. "Die Stimmen können nur einheitlich abgegeben werden." Es heißt nicht: Nur einheitlich abgegebene Stimmen werden gezählt.

      Daß diese einfache Frage nun doch Gegenstand eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens ist, dessen Entscheidung in den nächsten Tagen erwartet wird, hat seine Ursache darin, daß die Unionsspitze eine Wiederholung der Blamage vom Juli 2000 um jeden Preis vermeiden wollte. Als im Februar dieses Jahres der Streit um das Zuwanderungsgesetz eskalierte, tat sich als strategischer Kopf der hessische Ministerpräsident Koch hervor. Er führte seinen Kollegen vor Augen, dürfte der Ministerpräsident im Konfliktfall das entscheidende Wort sprechen, würden alle Koalitionsvereinbarungen hinfällig, die bei Dissens Enthaltung im Bundesrat vorschreiben. Damit stellte Koch die Sache auf den Kopf. Diese Vereinbarungen setzen gerade voraus, daß die Freiheit des Stimmführers nicht rechtlich beschränkt ist, sondern nur politisch neutralisiert werden kann, indem dem Ministerpräsidenten für den Fall des Wortbruchs der Koalitionsbruch angedroht wird. Es wäre überflüssig, die Enthaltung vorzuschreiben, gäbe es ein Recht des einzelnen Bundesratsmitglieds, durch abweichende Stimmabgabe die Ungültigkeit der Stimmen seines Landes herbeizuführen.

      Dieses dem Grundgesetzkommentar von Maunz und Dürig und im Juli 2000 auch Polenz und Frau Merkel noch unbekannte Recht, von dem seine Inhaber in dreiundfünfzig Jahren nicht ein einzigesmal Gebrauch gemacht hätten, entdeckte der Bonner Rechtsprofessor Isensee. Welche Gründe gab der Gutachter der Union dafür, von einer nie bestrittenen Auslegung des Grundgesetzes abzugehen? Man möchte Isensees Theorie in ihrer Mischung aus Überscharfsinn und Oberflächlichkeit für ein Spätzeitprodukt halten und fühlt sich an die Furcht des Thomas Hobbes erinnert, die Interpretationskunst der Juristen zerstöre die Verbindlichkeit des Rechts. Wer Isensee folgt, sitzt einem Evidenzeffekt auf, den das Fernsehen herstellt. Im Bundesrat sitzen die Minister doch wirklich nebeneinander: Da soll es sich nicht um jenes "Parlament" handeln, das Koch in der Februarsitzung anredete?

      Indem SPD und Grüne erläuterten, warum jedes Land im Bundesrat als Einheit in Erscheinung tritt, ohne beweisen zu müssen, daß man sich hinter den Kulissen wirklich einig ist, vertraten sie die Sache einer altmodischen Staatsweisheit: Auch in einer Mediendemokratie kann nicht jedes Staatsorgan parlamentarisiert, das hieße zum öffentlichen Austrag interner Konflikte genötigt werden. Der Wille der Union, einen Wahlbetrugsuntersuchungsausschuß zu errichten, drängt die Bundesregierung nun erneut in die undankbare Rolle, öffentlich die Arcana zu schützen. Unabhängig von der Frage, ob der Untersuchungsauftrag verfassungsgemäß wäre, steht fest, daß die Union das Einverständnis darüber aufgekündigt hat, was jedenfalls kein geeigneter Gegenstand für das inquisitorische Instrument ist. Erinnert man sich noch der Klage, im Parteispendenausschuß werde ein Schauprozeß inszeniert? Immerhin konnte er hartnäckige Schweiger und geständige Lügner vorladen. Was bedeutet es, daß man einen ökonomischen Umgang mit Informationen, der eine Sache der politischen Klugheit oder Dummheit ist, durch ein Gremium aufklären lassen will, das seine Arbeit gemäß der Strafprozeßordnung organisiert? Hat die Opposition die Hoffnung aufgegeben, noch einmal die Regierung zu stellen?

      Es ist kein Zufall, daß Koch als Betreiber des Ausschußprojektes gilt. Wie er im Februar den Ansehensverlust des Bundesrates in Kauf nahm, so scheint ihm heute gleichgültig, daß nach Schließung der Wahlbetrugsakte niemand mehr glauben wird, daß ein Untersuchungsausschuß der Wahrheitsfindung dienen könne. Soll mit solcher Instrumentalisierung der Institutionen die bürgerliche Revolution in Deutschland beginnen? Ein Konservativer wird Koch oft genannt, doch konservativ wäre ein Gefühl dafür, daß nicht jedes Mittel recht ist. Schon einmal brachte es ein Ministerpräsident zum Bundeskanzler, der seine Verachtung von Formen und Üblichkeiten nicht verhehlte. Roland Koch ist der wahre Erbe von Helmut Kohl.


      PATRICK BAHNERS

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.12.2002, Nr. 282 / Seite 37
      Avatar
      schrieb am 04.12.02 16:31:22
      Beitrag Nr. 255 ()
      Merkel nehm ich auch:)von mir aus auch den Merz oder,..
      Hauptsache Schröder ist weg.
      Herr Doktor,viele Deutsche leiden zunehmend an Aversionen!
      Avatar
      schrieb am 04.12.02 16:38:35
      Beitrag Nr. 256 ()
      4. Dezember 2002, 02:05, Neue Zürcher Zeitung


      Katastrophenstimmung in Deutschland
      Steuererhöhungen und Wahlen erhitzen die Gemüter
      Der Ton der politischen Auseinandersetzung ist derzeit in Deutschland schrill. Der Bundeskanzler warf der Opposition eine kriegerische Sprache vor; der Opposition nahestehende Zeitungen riefen angesichts der Steuererhöhungen zum zivilen Ungehorsam auf. Der Bundestagswahlkampf geht nahtlos in zwei Landtagswahlkämpfe über.



      eg. Berlin, 3. Dezember

      Nach der Wahl ist vor der Wahl - diese Maxime beherrscht gegenwärtig die deutsche Innenpolitik und sorgt für einen geradezu apokalyptischen Ton in der Auseinandersetzung. Mit Blick auf die Landtagswahlen Anfang Februar bemüht sich ein zusehends gereizter Bundeskanzler Schröder, die Angriffe der Opposition zurückzuweisen und zugleich das eigene Lager zur Ordnung zu rufen. Er warf zu Beginn der Woche, in der der Nachtragshaushalt beraten wird, der Opposition die Diffamierung des Gegners und eine kriegerische Sprache vor. Ferner rügte Schröder, die Kakophonie in den eigenen Reihen sei unzuträglich. Er meinte damit unter anderem den SPD-Fraktionschef Müntefering. Dieser hatte das Gespenst weiterer Steuern an die Wand gemalt, indem er in einem Interview die Devise ausgab: «Weniger für den privaten Konsum - und dem Staat Geld geben, damit Bund, Länder und Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen können.»

      Aufruf zu zivilem Ungehorsam
      Bemerkungen wie die von Müntefering und vor allem die Steuererhöhungen nach der Bundestagswahl haben der rot-grünen Koalition scharfe Kritik eingetragen, die längst nicht mehr nur von der Opposition stammt. Auch seriöse Tageszeitungen ergehen sich in undifferenzierten Beschimpfungen der Bundesregierung. Hochkonjunktur haben pseudopolitische Aufrufe, die Bürger sollten die Finanzämter blockieren und auf die Barrikaden steigen. Inzwischen treten die Kritiker der Kritiker auf den Plan und monieren, die Deutschen hätten den Hang zu Weltuntergangsstimmung und Selbstzerfleischung; in der Politik fehle ihnen der gesunde Menschenverstand angelsächsischer Prägung.

      Das Volk macht allerdings nicht den Anschein, als lasse es sich von den Aufwallungen seiner politisch-medialen Klasse anstecken. Zwar haben in den letzten Wochen laut ernst zu nehmenden Berichten mehrere tausend Deutsche ein Hemd ins Kanzleramt geschickt, versehen mit der Bemerkung, die Regierung ziehe den Bürgern noch das letzte Hemd aus. Doch abgesehen von dem Murren über die Mehrbelastungen sind die Haushaltsmisere trotz überbordender Staatsquote und die Überforderung der Sozialsysteme nicht mehr ein Thema als zu anderen Zeiten. Ein grosser Teil der gegenwärtigen Probleme resultiert gerade daraus, dass diese Fragen weder von der Regierung noch von der Opposition etwa im Bundestagswahlkampf angesprochen wurden. Auch in der Bevölkerung ist das Anspruchsdenken gegenüber dem Wohlfahrtsstaat ungebrochen. Jede Interessengruppe hält an ihrem Besitzstand fest und findet stets ein offenes Ohr für ihre Forderungen.

      Wiederholung einer Kampagne
      Der rot-grüne Zickzackkurs zu Beginn der Legislaturperiode und die Unverfrorenheit, mit der die Bundesregierung nach dem 22. September ihre Zusagen und Prognosen korrigierte, können das vergiftete Klima allein nicht erklären.
      Die Verlierer der Bundestagswahl haben noch nicht verwunden, dass ihnen der bereits sicher geglaubte Sieg auf den letzten Metern noch geraubt wurde. Sie lassen ihrer Enttäuschung freien Lauf und bedienen sich dabei gelegentlich einer Wortwahl, die über das im politischen Tagesgeschäft Übliche deutlich hinausgeht. Überdies können sich die Unionsparteien der Hoffnung auf eine Revanche in Hessen und Niedersachsen hingeben. Der Bundestagswahlkampf geht daher nahtlos in zwei Landtagswahlkämpfe über, in denen die Opposition zudem die Regierungsarbeit durch eine Obstruktionspolitik im Bundesrat beträchtlich zu behindern vermag.

      Der hessische Ministerpräsident Koch verdankte vor vier Jahren den Wahlsieg auf Landesebene seiner bundespolitischen Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Er glaubt, an diesen Erfolg anknüpfen zu können, und nötigte seine Partei dazu, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses «Wahlbetrug» zu fordern. Obwohl weder die Vorsitzende Merkel noch wichtige CDU-Politiker vom Sinn des Ausschusses überzeugt sind, liessen sie Koch seinen Willen. Einzelne Unionspolitiker stellten fest, dass der Bruch der Wahlversprechungen offenkundig sei und nicht noch einer Untersuchung bedürfe. Andere fragen nach den langfristigen Konsequenzen, wenn Untersuchungsausschüsse so unverhüllt zum Instrument des Wahlkampfes gemacht würden. Doch stellte die Unionsfraktion im Bundestag die Zweifel zurück und entschied sich, den Antrag auf Einsetzung des Ausschusses zu stellen. Das Regierungslager kann die Einrichtung des Gremiums durch das Geltendmachen verfassungsrechtlicher Bedenken verzögern, aber nicht aus eigener Kraft verhindern.
      Avatar
      schrieb am 05.12.02 03:01:42
      Beitrag Nr. 257 ()
      brillianter Kommentar:


      Die SPD bei der Verwirklichung des Projekt18 .... von oben nach unten.... :D






      Kanzler im Tunnel
      Der Kanzler sprach von "bodenlosen Frechheiten" der Opposition, Angela Merkel vom "Tunnelblick" Schröders - und beide haben Recht

      aus Berlin JENS KÖNIG

      Es ist schon bemerkenswert, dass die Politik, die ja eher als ein staubtrockenes Metier gilt, in diesen Wochen eine auffällige Neigung zu Körperflüssigkeiten hat. Vor allem die Substanzen Blut, Schweiß und Tränen haben es ihr angetan. Landauf und landab fordern Politiker der Regierung wie der Opposition, der Kanzler möge endlich eine Rede halten, in der er der Bevölkerung die bittere Wahrheit verkündet, dass es in Deutschland in den nächsten Jahren nicht um mehr Wohlstand, sondern um harte Einschnitte geht. Und da seit jener berühmten Rede, die der britische Premierminister Winston Churchill im Mai 1940 gehalten hat, die Begriffe Blut, Schweiß und Tränen als Synonym für entbehrungsreiche Zeiten gelten, fordern von Gerhard Schröder so viele, er solle doch auch endlich eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede halten.

      Blut? Schweiß? Tränen? Natürlich ist das nichts anderes als moderner Krisenkitsch. Hinter diesem Gerede wird aber deutlich, wie groß die Sehnsucht in Deutschland nach klaren Worten des Regierungschefs offenbar ist. Bemerkenswert ist daran besonders, dass die Sehnsucht in der Partei dieses Regierungschefs, in der SPD, am größten ist. Sie vermisst in diesen Wochen des rot-grünen Durcheinanders am allermeisten klare Botschaften und eine straffe Führung.

      Mehr noch, in den Reihen der Sozialdemokraten geht die Angst um. In den neuesten Umfragen steht die SPD bei 27 Prozent. Die Wahlen in Hessen und Niedersachsen am 2. Februar drohen zum Desaster zu werden. Schon wird der überraschend gut gestartete Superminister Wolfgang Clement in dem permanent überhitzten Medienkessel in Berlin als Nachfolger für einen angesichts zweier Wahlniederlagen resignierenden Gerhard Schröder gehandelt. So verzweifelt ist die SPD dann doch noch nicht - aber verzweifelt genug.

      Also war für die gestrige Generaldebatte im Bundestag über die Haushalte 2002 und 2003 wieder mal eine große, ehrliche Rede des Kanzlers erwartet worden. Gewissermaßen der Auftakt zur Selbstbefreiung einer verzagten Regierungspartei. Bis Weihnachten müsse die negative Stimmung gedreht werden, heißt es in der SPD, dann könne man in den letzten vier Wochen des Wahlkampfes im Januar auch noch in Niedersachsen und Hessen alles reißen. Schröder hatte sich für seinen Auftritt, der ja endlich auch eine geistige Unterfütterung des ganzen Unternehmens Rot-Grün II liefern sollte, extra theoretischen Beistand gesucht. Der Soziologe Oskar Negt, 68, sowie die SPD-Opas Hans-Jochen Vogel, 76, und Erhard Eppler, 75, wurden um große Ideen gebeten. So viel zum Thema Generationengerechtigkeit in Kanzler-Reden. :laugh:

      Aber bevor Gerhard Schröder am Mittwoch auch nur ein einziges Wort sagen konnte, hatte der SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler eine weitere Körperflüssigkeit in den politischen Raum, nun ja, geträufelt. In einem seiner berüchtigten Rundumschläge beschimpfte Stiegler die von der Regierung höchstselbst eingesetzte Rürup-Kommission zur Reform der Sozialsysteme. "Professorengeschwätz" nannte er ihre Vorschläge, mit denen sie sich bis zum Beginn ihrer Arbeit gefälligst zurückzuhalten hätte. Die Herren Professoren, so Stiegler, sollten die Sozialdemokraten "nicht länger mit ihrer Ejaculatio praecox beglücken". Nun ist dieser lateinische Begriff nicht so eingängig wie das schöne deutsche Wort "Schweiß", und er ist auch um einiges unappetitlicher. Aber am Mittwochmorgen wusste dann auch ein Nichtlateiner wie Schröder, dass sein Fraktionsvize von einem vorzeitigen Samenerguss gesprochen hatte.

      So viel rentenpolitischer Sachverstand hatte dem Kanzler gerade noch gefehlt. Jetzt schien auch noch dem Letzten im Land klar zu sein, dass die SPD offenbar selbst nicht weiß, was sie eigentlich will. Heute Reform, morgen Reförmchen, übermorgen Samenfädchen. Wie soll der Kanzler in diesem intellektuell aufgeladenen Klima eine große Rede halten?

      Da konnte es nur so kommen, wie es kommen musste. Schröder war kämpferisch, er sprach weitgehend frei, er war rhethorisch um Längen besser als bei seiner müden Regierungserklärung vor vier Wochen - aber der erwartete Befreiungsschlag war seine Rede nicht. Kein Blut, kein Schweiß, keine Tränen, aber vor allem auch keine großen Linien der rot-grünen Politik. Am Anfang ließ sich der Kanzler eine Viertelstunde lang zu weitgehend fruchtlosen Repliken auf Michael Glos, der rhetorischen Allzweckwaffe der CSU, hinreißen. Glos hatte dem Kanzler im Allgemeinen Unfähigkeit vorgeworfen und ihm im Speziellen vorgehalten, eine Blut-Schweiß- und-Tränen-Rede gar nicht halten zu können. Schröder, so Glos, könne nämlich nicht so gut reden wie Churchill. "Er kann ja noch nicht mal so gut Zigarre rauchen wie Churchill."

      Schröder nutzte diese Bösartigkeiten zu einer Generalabrechnung mit dem Politikstil, den die Union in diesen Wochen betreibt. "Inhaltsleere", warf er ihr vor, "bodenlose Frechheiten", "persönliche Diffamierungen". "Außer dümmlichen Sprüchen", so Schröder, "haben sie nichts, aber auch gar nichts zu bieten." Von diesen Angriffen hangelte sich der Kanzler so langsam zur Erklärung seiner Politik, sprach über Haushaltskonsolidierung und Rentenreform, um sich dann ganz plötzlich und unvermittelt in den Details der Gesundheitsreform und der Mittelstandsförderung zu verlieren. Schröder sprach von der "Regelung der Fallpauschalen", von "Schwankungsreserven", von "Beitragsbemessungsgrenzen", und die Zuschauer auf der Besuchertribüne des Reichstages, die ja theoretisch Schröders Wähler sein können, verstanden wohl gar nichts mehr, als der Kanzler den bedeutungsschwer klingenden Satz "Basel II ist hilfreicher als Basel I" von sich gab. Klare rot-grüne Botschaften? Das war geheimes Regierungswissen.

      Nur an einer Stelle von Schröders Rede glaubte man einen Moment lang, jetzt werde er zum großen Schlag ausholen. Er richtete seine Worte auch an den einen oder anderen in den eigenen Reihen, sagte der Kanzler drohend, und man dachte schon, jetzt bekommen die Herren Müntefering, Scholz und Stiegler ihr Fett weg, die ja in den letzten Tagen allesamt durch Reformeifer der ganz sozialdemokratischen Art aufgefallen waren. Aber nein, Schröder erklärte, dass die Hälfte der 17 Millionen Rentner in Deutschland mit 500 bis 1.000 Euro im Monat auskommen müsste. Es könne ja wohl nicht sein, fügte er hinzu, dass unter dem Stichwort Generationengerechtigkeit über Kürzungen bei diesen Leuten nachgedacht werde. Das seien allesamt Menschen, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden sind.

      Das war ein Kanzler-Rüffel der allerersten Sorte. Er kam tief aus seinem sozialdemokratischen Herzen.

      So ging die angeblich große Rede dahin. Es war Angela Merkel vorbehalten, dem Kanzler einen Stoß zu versetzen, der ihn getroffen haben wird. Er leide unter einem "Tunnelblick", sagte die Frau Oppositionsführerin zum Herrn Bundeskanzler. Er verstehe sein Volk nicht mehr.

      Und da schaute Schröder so, als sehe er am Ende seines Tunnels nicht mal mehr Licht.


      taz Nr. 6922 vom 5.12.2002, Seite 3, 202 Zeilen (TAZ-Bericht), JENS KÖNIG

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 05.12.02 03:04:27
      Beitrag Nr. 258 ()
      brillianter Kommentar:


      Die SPD bei der Verwirklichung des Projekt18 .... von oben nach unten.... :D






      Kanzler im Tunnel
      Der Kanzler sprach von "bodenlosen Frechheiten" der Opposition, Angela Merkel vom "Tunnelblick" Schröders - und beide haben Recht

      aus Berlin JENS KÖNIG

      Es ist schon bemerkenswert, dass die Politik, die ja eher als ein staubtrockenes Metier gilt, in diesen Wochen eine auffällige Neigung zu Körperflüssigkeiten hat. Vor allem die Substanzen Blut, Schweiß und Tränen haben es ihr angetan. Landauf und landab fordern Politiker der Regierung wie der Opposition, der Kanzler möge endlich eine Rede halten, in der er der Bevölkerung die bittere Wahrheit verkündet, dass es in Deutschland in den nächsten Jahren nicht um mehr Wohlstand, sondern um harte Einschnitte geht. Und da seit jener berühmten Rede, die der britische Premierminister Winston Churchill im Mai 1940 gehalten hat, die Begriffe Blut, Schweiß und Tränen als Synonym für entbehrungsreiche Zeiten gelten, fordern von Gerhard Schröder so viele, er solle doch auch endlich eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede halten.

      Blut? Schweiß? Tränen? Natürlich ist das nichts anderes als moderner Krisenkitsch. Hinter diesem Gerede wird aber deutlich, wie groß die Sehnsucht in Deutschland nach klaren Worten des Regierungschefs offenbar ist. Bemerkenswert ist daran besonders, dass die Sehnsucht in der Partei dieses Regierungschefs, in der SPD, am größten ist. Sie vermisst in diesen Wochen des rot-grünen Durcheinanders am allermeisten klare Botschaften und eine straffe Führung.

      Mehr noch, in den Reihen der Sozialdemokraten geht die Angst um. In den neuesten Umfragen steht die SPD bei 27 Prozent. Die Wahlen in Hessen und Niedersachsen am 2. Februar drohen zum Desaster zu werden. Schon wird der überraschend gut gestartete Superminister Wolfgang Clement in dem permanent überhitzten Medienkessel in Berlin als Nachfolger für einen angesichts zweier Wahlniederlagen resignierenden Gerhard Schröder gehandelt. So verzweifelt ist die SPD dann doch noch nicht - aber verzweifelt genug.

      Also war für die gestrige Generaldebatte im Bundestag über die Haushalte 2002 und 2003 wieder mal eine große, ehrliche Rede des Kanzlers erwartet worden. Gewissermaßen der Auftakt zur Selbstbefreiung einer verzagten Regierungspartei. Bis Weihnachten müsse die negative Stimmung gedreht werden, heißt es in der SPD, dann könne man in den letzten vier Wochen des Wahlkampfes im Januar auch noch in Niedersachsen und Hessen alles reißen. Schröder hatte sich für seinen Auftritt, der ja endlich auch eine geistige Unterfütterung des ganzen Unternehmens Rot-Grün II liefern sollte, extra theoretischen Beistand gesucht. Der Soziologe Oskar Negt, 68, sowie die SPD-Opas Hans-Jochen Vogel, 76, und Erhard Eppler, 75, wurden um große Ideen gebeten. So viel zum Thema Generationengerechtigkeit in Kanzler-Reden. :laugh:

      Aber bevor Gerhard Schröder am Mittwoch auch nur ein einziges Wort sagen konnte, hatte der SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler eine weitere Körperflüssigkeit in den politischen Raum, nun ja, geträufelt. In einem seiner berüchtigten Rundumschläge beschimpfte Stiegler die von der Regierung höchstselbst eingesetzte Rürup-Kommission zur Reform der Sozialsysteme. "Professorengeschwätz" nannte er ihre Vorschläge, mit denen sie sich bis zum Beginn ihrer Arbeit gefälligst zurückzuhalten hätte. Die Herren Professoren, so Stiegler, sollten die Sozialdemokraten "nicht länger mit ihrer Ejaculatio praecox beglücken". Nun ist dieser lateinische Begriff nicht so eingängig wie das schöne deutsche Wort "Schweiß", und er ist auch um einiges unappetitlicher. Aber am Mittwochmorgen wusste dann auch ein Nichtlateiner wie Schröder, dass sein Fraktionsvize von einem vorzeitigen Samenerguss gesprochen hatte.

      So viel rentenpolitischer Sachverstand hatte dem Kanzler gerade noch gefehlt. Jetzt schien auch noch dem Letzten im Land klar zu sein, dass die SPD offenbar selbst nicht weiß, was sie eigentlich will. Heute Reform, morgen Reförmchen, übermorgen Samenfädchen. Wie soll der Kanzler in diesem intellektuell aufgeladenen Klima eine große Rede halten?

      Da konnte es nur so kommen, wie es kommen musste. Schröder war kämpferisch, er sprach weitgehend frei, er war rhethorisch um Längen besser als bei seiner müden Regierungserklärung vor vier Wochen - aber der erwartete Befreiungsschlag war seine Rede nicht. Kein Blut, kein Schweiß, keine Tränen, aber vor allem auch keine großen Linien der rot-grünen Politik. Am Anfang ließ sich der Kanzler eine Viertelstunde lang zu weitgehend fruchtlosen Repliken auf Michael Glos, der rhetorischen Allzweckwaffe der CSU, hinreißen. Glos hatte dem Kanzler im Allgemeinen Unfähigkeit vorgeworfen und ihm im Speziellen vorgehalten, eine Blut-Schweiß- und-Tränen-Rede gar nicht halten zu können. Schröder, so Glos, könne nämlich nicht so gut reden wie Churchill. "Er kann ja noch nicht mal so gut Zigarre rauchen wie Churchill."

      Schröder nutzte diese Bösartigkeiten zu einer Generalabrechnung mit dem Politikstil, den die Union in diesen Wochen betreibt. "Inhaltsleere", warf er ihr vor, "bodenlose Frechheiten", "persönliche Diffamierungen". "Außer dümmlichen Sprüchen", so Schröder, "haben sie nichts, aber auch gar nichts zu bieten." Von diesen Angriffen hangelte sich der Kanzler so langsam zur Erklärung seiner Politik, sprach über Haushaltskonsolidierung und Rentenreform, um sich dann ganz plötzlich und unvermittelt in den Details der Gesundheitsreform und der Mittelstandsförderung zu verlieren. Schröder sprach von der "Regelung der Fallpauschalen", von "Schwankungsreserven", von "Beitragsbemessungsgrenzen", und die Zuschauer auf der Besuchertribüne des Reichstages, die ja theoretisch Schröders Wähler sein können, verstanden wohl gar nichts mehr, als der Kanzler den bedeutungsschwer klingenden Satz "Basel II ist hilfreicher als Basel I" von sich gab. Klare rot-grüne Botschaften? Das war geheimes Regierungswissen.

      Nur an einer Stelle von Schröders Rede glaubte man einen Moment lang, jetzt werde er zum großen Schlag ausholen. Er richtete seine Worte auch an den einen oder anderen in den eigenen Reihen, sagte der Kanzler drohend, und man dachte schon, jetzt bekommen die Herren Müntefering, Scholz und Stiegler ihr Fett weg, die ja in den letzten Tagen allesamt durch Reformeifer der ganz sozialdemokratischen Art aufgefallen waren. Aber nein, Schröder erklärte, dass die Hälfte der 17 Millionen Rentner in Deutschland mit 500 bis 1.000 Euro im Monat auskommen müsste. Es könne ja wohl nicht sein, fügte er hinzu, dass unter dem Stichwort Generationengerechtigkeit über Kürzungen bei diesen Leuten nachgedacht werde. Das seien allesamt Menschen, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden sind.

      Das war ein Kanzler-Rüffel der allerersten Sorte. Er kam tief aus seinem sozialdemokratischen Herzen.

      So ging die angeblich große Rede dahin. Es war Angela Merkel vorbehalten, dem Kanzler einen Stoß zu versetzen, der ihn getroffen haben wird. Er leide unter einem "Tunnelblick", sagte die Frau Oppositionsführerin zum Herrn Bundeskanzler. Er verstehe sein Volk nicht mehr.

      Und da schaute Schröder so, als sehe er am Ende seines Tunnels nicht mal mehr Licht.


      taz Nr. 6922 vom 5.12.2002, Seite 3, 202 Zeilen (TAZ-Bericht), JENS KÖNIG

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 05.12.02 10:56:45
      Beitrag Nr. 259 ()
      5. Dezember 2002, 02:05, Neue Zürcher Zeitung


      Vulgär-Formeln und der Zwang zur Wahrheit

      Die Zeichen stehen für die rot-grüne Regierung in Deutschland auf Sturm. Fast täglich geraten neue Hiobsbotschaften in die Öffentlichkeit, welche die Lage der Nation in immer schlechterem Licht darstellen. Über den Bundeskanzler, seinen Finanzminister und andere Exponenten vorab der SPD ergiesst sich ein Sturzbach an Kritik aus Presse und elektronischen Medien, wie man es seit langem nicht mehr erfahren hat. Begründen lassen sich die Intensität und die Schärfe wohl nur dadurch, dass sich zu den offenkundigen Problemen der Regierung auch ein hohes Mass an Enttäuschung gesellt. Man kann, oder will, einfach nicht glauben, dass so kurz nach den Bundestagswahlen eine ganz andere Wahrheit ans Licht tritt.

      Aber die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache.
      Die Quote der Arbeitslosen ist - was nicht überrascht - erneut gestiegen und liegt nun für Gesamtdeutschland wieder bei 10 Prozent. Sie wird mit dem Eintritt in den Winter zweifellos weiter zunehmen. Ferner wird für 2002 mit über 40 000 Insolvenzen in Deutschland gerechnet. Der Bundeskanzler und seine Minister machen es sich gar einfach, wenn sie dieses Malaise nun den widrigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen anlasten, genauer gesagt, den Problemen des Neuen Marktes, «unseriösen Geschäftspraktiken» (der USA, aber nicht nur) oder der Irak-Krise. Wie lässt sich dies mit der Tatsache in Einklang bringen, dass es der deutschen Exportindustrie noch immer verhältnismässig gut geht?

      Die Frage stellt sich also, wie die gegenwärtige Führung in Berlin aus dieser Abwärtsspirale wieder herauskommen will. Antworten sind nur schwer zu erhalten. Immerhin hat der Fraktionschef der SPD, Müntefering, eine bestechend simple Vulgär- Formel geliefert: «Weniger für den privaten Konsum - und dem Staat Geld geben, damit Bund, Länder und Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen können.» In der expliziteren Sprache des Finanzministers Eichel heisst das, dass sich der Bund im Jahre 2003 um zusätzliche 18,9 Milliarden Euro verschulden wird. Am Ziel, bis 2006 ein ausgeglichenes Budget vorweisen zu können, hält Eichel wider besseres Wissen fest. Und immer wieder wird beschworen, dass der Schaffung neuer Arbeitsplätze absolute Priorität zukomme. Nur ist in den rot-grünen Rezepturen nicht sichtbar, wie dies geschehen sollte.

      Fast wie ein Hilferuf wirkte vor diesem Hintergrund am Mittwoch Schröders Verbalattacke gegen die Unionsparteien, sie sollten endlich ihre Pflicht als Opposition tun. Es mag für diese natürlich verlockend sein, vorerst einmal einfach abseits zu stehen, zuzuschauen und mit gezielter Kritik die finanzpolitische Flickschusterei der Regierung blosszustellen. Aber bemerkenswert ist doch immerhin, dass nun von der CDU ein Zehnpunkteplan entworfen worden ist, der konkrete Vorstellungen enthält, wie auf dem Arbeitsmarkt wieder Stellen geschaffen werden könnten. Vor allem soll die Attraktivität der sogenannten Billig-Jobs so weit erhöht werden, dass sich die Schaffung von Stellen wieder lohnt. Das war bis jetzt nicht der Fall.

      Der Plan stammt aus der Feder des niedersächsischen CDU-Präsidiums-Mitglieds Christian Wulff, der in seinem Bundesland, welches bekanntlich auch Schröders Heimat ist, im Wahlkampf steht.
      Wulff will die Wahlen in Niedersachsen zu einem Plebiszit über die rot-grüne Wirtschaftspolitik machen, und die Chancen stehen nicht schlecht, dass ihm dies gelingt. Im Falle eines Erfolges wird aber auch Wulff nicht darum herumkommen, seiner Wählerschaft klar zu machen, dass es ohne schmerzhafte Einschnitte in den Leistungen des Sozialstaates keine Sanierung der öffentlichen Finanzen geben wird. Gute Vorschläge zu lancieren, ist eine Sache. Unbequeme Tatsachen nicht zu verschweigen, eine andere. Besonders in Wahlzeiten fällt dies der Politik schwer. Die Konsequenzen einer Unterlassung sind, wie sich an den gegenwärtigen Problemen Schröders darstellen lässt, dann allerdings umso schwerwiegender.

      de.
      Avatar
      schrieb am 05.12.02 17:32:14
      Beitrag Nr. 260 ()
      Generaldebatte im Bundestag


      Das Requiem


      Von RÜDIGER SCHEIDGES


      Nein, Gerhard Schröder kann den Münchhausen, wenngleich auch er ein Niedersachse war, nicht geben. So fahrlässig hoch die Erwartungen an das Wiedererstarken des Kämpfers Schröder auch waren: Von diesem Kanzler ist vorerst nicht zu erwarten, dass er noch vorgibt, sich und seine Regierung aus eigener Kraft aus dem Schlamassel zu ziehen.

      Der beredten Ratlosigkeit in seinem Kabinett und der krachenden Kakofonie in seiner Partei hat er wenig, nicht einmal das Schwarzbrot der Hoffnung entgegenzusetzen.
      Kaum haben führende Genossen ihn mit Forderungen nach weiteren Steuererhöhungen brüskiert, fährt der Kanzler anderen, seinem Superminister Clement und SPD-Ministerpräsidenten, vor den Karren und verwirft deren Pläne zur Vermögensteuer. Dann seine Rede gestern: ein Potpourri des Flehens, Schmollens und Beteuerns. Darauf folgt der Zettelkasten von Mittelstand bis Rente, eine rhetorische Bastelstunde mit der Botschaft: Ich und meine Regierung werden diffamiert, schuld sind aber die anderen. Ansonsten aber ist alles im Lot.

      Wirklich? Ohne Dirigentenstab steht der Kanzler gestern im Bundestag und demonstriert auf fast schon anrührende Weise, wie er weder Takt noch Einsätze vorgeben kann, in der Regierung nicht, in der Partei nicht und schon gar nicht in diesen Krisenzeiten: Auch jetzt findet er nicht den Mut zur Zumutung. Weder nimmt da ein Kanzler die Bürger in die Pflicht noch die Wirtschaft; weder spricht er bei den Verbänden Tacheles noch bei den Gewerkschaften. Da sucht einer, sich selbst Mut zu machen und die Opposition als verantwortungslose Gesellen zu entmutigen. Das leere Ritual reicht ihm, das alte Spiel wir gegen die, die gegen uns. Als ob das noch interessieren würde. Business as usual?

      Den großen Linien und Entwürfen entflieht Schröder ins Kleinteil des Jetzt. Richtlinienkompetenz will sich dieser Kanzler in der Krise offenbar nicht mehr zumuten. Stattdessen reicht ihm ein hilflos anmutender Appell an die Vernunft und an die Gemeinsamkeit mit der Opposition – als ob von dort, wo derzeit das Lechzen nach Blut die Sinne umnebelt, Heil zu erwarten wäre. Ein Beiklang von Requiem lag deshalb in der Luft, ein Klagelied über die zerstäubten Hoffnungen, ein Abgesang auf jenen Regierungschef, der den Krisen einst Chancen abgewinnen konnte. Aber gestern ging ein Kanzler nur noch in die Opposition zur Opposition, als ob das sein Geschäft wäre. Als ob das genügte. Aber mehr ist nicht. Außer Ratlosigkeit.

      Vielleicht sollte das nicht verwundern, wenn auch die Begleitmusik in Moll ist. Zum einen: Die aktuelle Zahl von weiteren 200 000 Arbeitslosen mehr als vor Jahresfrist bedeutet einen Negativrekord – seit der Wiedervereinigung. Und auch: Ein neues Umfrage-Tief der Schröder-SPD belegt die grassierende Reue an der Wiederwahl des Niedersachsen. Alles weist also darauf hin: Er tagt längst in Deutschland, Tag für Tag und öffentlich, der „Wahrheitsausschuss“, den die Opposition erst noch einberufen will.

      Und gerade die Union will nicht wahrhaben, was er längst über sie ans Licht gefördert hat: Eine Opposition, die sich selbst vormacht, sie könne statt mit konstruktiver Arbeit mit Diffamierungen, Verunglimpfungen und Hetztiraden das Vertrauen der Leute gewinnen, verfehlt ihren Auftrag – und empfiehlt sich keineswegs als künftige Regierung. Das wäre dann eine wirkliche Münchhauseniade.


      HANDELSBLATT, Donnerstag, 05. Dezember 2002, 06:01 Uhr
      Avatar
      schrieb am 10.12.02 11:39:13
      Beitrag Nr. 261 ()
      Die Krise in der SPD spitzt sich zu: Bundeskanzler Gerhard Schröder hat der SPD-Führung indirekt mit seinem Rücktritt gedroht.

      Das berichteten die "Bild"-Zeitung und die "Frankfurter Rundschau". Die Streitigkeiten in der Partei über die Steuer- und Sozialpolitik hatten den Kanzler äußerst verärgert. Schröder mahnte erneut zu Geschlossenheit.

      "Ich habe die Wahl gewonnen und nicht die SPD"
      "Wer glaubt, dass er es besser kann, der soll es machen", zitierten die "Bild"-Zeitung und die "Frankfurter Rundschau" Äußerungen Schröders im SPD-Vorstand. Er habe die Bundestagswahl gewonnen und nicht die SPD, wurde der Kanzler und SPD-Vorsitzende weiter zitiert.

      Schröder greift Müntefering scharf an
      Schröder griff "Bild" und "FR" zufolge insbesondere SPD-Fraktionschef Franz Müntefering an, der sich unlängst aufgeschlossen für Forderungen der SPD-regierten Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gezeigt hatte, die Vermögensteuer wieder einzuführen. "Mit Steuererhöhungen kann man keine Wahlen gewinnen", sagte Schröder den beiden Zeitungen zufolge, die sich auf Teilnehmer der SPD-Vorstandssitzung beriefen. In Hessen und Niedersachsen werden am 2. Februar 2003 die Landtage neu gewählt.

      Mangelnde Geschlossenheit kritisiert
      Schröder habe kritisiert, dass es trotz mehrerer seiner Appelle nicht gelungen sei, Geschlossenheit insbesondere in der Sozial- und Steuerpolitik zu erreichen, hieß es weiter. Er sei nicht bereit, das "andauernde Stimmengewirr weiter zu tolerieren", zitierte "Bild" den Kanzler. Müntefering habe die Vorwürfe des Kanzlers mit der Äußerung gekontert, die Partei müsse wissen, was diskutiert werden solle und was nicht. Eine Bestätigung der Berichte war zunächst nicht zu erhalten.

      Deprimierende Atmosphäre in der Vorstandssitzung
      In beiden Zeitungen war von einer deprimierenden Atmosphäre in der Vorstandssitzung die Rede.
      Bereits in der vergangenen Woche hatte Schröder in einer Sitzung der SPD-Führung Geschlossenheit angemahnt und von einer "Kakophonie" der Stimmen gesprochen.

      Quelle: t-online.de


      Tja, er ist weiterhin völlig konzeptlos und wunder sich, daß er dann nicht mehr leitwolf ist.
      Erbärmlich, daß er weiterhin nur auf Wahlgewinne (dieses mal die Landtagswahlen) fokussiert, anstatt endlich zu regieren. Der schlechteste Kanzelr, den wir je hatten.

      Ich gebe ihm kein JAhr mehr - Stoiber hatte recht mit siener Prognose.

      Deutschland braucht einen MAcher, keine Witzfigur wie schröder-Schröpf oder Knallköppe wie Münte-Fahrig.
      Avatar
      schrieb am 10.12.02 15:28:16
      Beitrag Nr. 262 ()
      Vorsicht, SPD-Mitglieder!

      Freie Meinungsäusserung ist in der SPD nur theoretisch möglich:

      SPIEGEL ONLINE - 10. Dezember 2002, 7:32
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,225898,00.h…


      Parteiausschluss

      Wie die SPD ihre Genossen abserviert


      Von David Heimburger

      Der geplante Rauswurf Jürgen Möllemanns aus der FDP schlägt hohe Wellen. Doch so ungewöhnlich ist ein solches Verfahren nicht. Auch die SPD verfügt gegen missliebige Mitglieder den Parteiausschluss. In Berlin mussten jetzt zwei Genossen gehen.

      Berlin - Jürgen Möllemann ist schwer verstimmt. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass seine eigene Partei ihn vor die Tür setzen könnte. "Feige und hinterhältig" sei das. Bestimmt, so eine Ungeheuerlichkeit konnte nur ihm passieren.


      Von den Berliner Genossen ausgeschlossen: Sozialdemokrat Dolf Straub


      Sollte man meinen - aber weit gefehlt: Die FDP ist nicht die einzige Partei, die unliebsame Geister per Schiedsspruch vor die Tür setzt. Die SPD ist in Sachen Parteiausschluss geradezu Wiederholungstäterin.

      Die Berliner Sozialdemokraten versuchen gerade zwei Mitglieder abzuservieren, die im Bundestagswahlkampf für den Grünen Hans-Christian Ströbele geworben haben. Außerdem entscheidet die SPD-Bundesschiedskommission über den Ausschluss des ehemaligen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Kölner Rathaus, Heinz Lüttgen. Er soll illegale Spendenquittungen unterzeichnet und schwarze Kassen geduldet haben. Etwa zehn Mal im Jahr richtet die oberste Ordnungsinstanz der SPD über Parteiausschlüsse. Im Schnitt muss jeder Dritte der Angeklagten gehen.

      Das droht nun den Berlinern Irmtraud Schlosser und Dolf Straub. Für sie sei kein Platz mehr in der SPD, sagt der Berliner Parteivorsitzende Peter Strieder. Wenn man so ein Verhalten durchgehen lassen würde, "dann kann ja jeder seinen Lieblingskandidaten vorschlagen." Ihr Vergehen: Schlosser und Straub haben gemeinsam mit ihren SPD-Genossen Waldemar Klemm, Richard Stoess und Klaus Eschen eine Woche vor der Bundestagswahl am 22. September im Berliner "Tagesspiegel" einen Wahlaufruf für den Grünen Hans-Christian Ströbele geschaltet.

      In der Anzeige haben sie die SPD-Mitglieder im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg gebeten, die Erststimme dem künftigen Koalitionspartner zu geben. Das Layout der Anzeige mit dem Titel "Sozialdemokraten für Hans-Christian Ströbele" sah dem bekannten Erscheinungsbild der SPD-Plakate sehr ähnlich. Hintergrund des Aufrufs war, dass die Berliner Grünen Ströbele keinen Listenplatz gegeben hatten. Er konnte also nur mit den Erststimmen über das Direktmandat in Friedrichshain-Kreuzberg in den Bundestag zurückkehren.

      Sozi-Freunde: Ströbele ist ein "aufrechter Parlamentarier"

      Ströbele sollte wieder ins Parlament, damit "nach den Wahlen klarer als bisher eine rot-grüne Reformpolitik betrieben wird". Der Grüne sei ein "aufrechter Parlamentarier", der sich "nicht für persönliche Vorteile verbiege". Stoess warb für Fundi Ströbele, weil dieser im Bundestag gute Arbeit geleistet habe, "besonders in der Kriegsfrage und beim Spendenskandal".


      Über den eigenen Kandidaten der Sozialdemokraten schrieben die fünf Genossen in ihrer Anzeige: "Andreas Matthae, unser SPD-Kandidat, kann mit deiner Zweitstimme über die Landesliste in den Bundestag einziehen." Das hat dann aber leider nicht geklappt. Da die SPD in Berlin mehr Direktmandate als Listenplätze gewonnen hat, scheiterte seine Kandidatur. Schlecht für die Ströbele-Freunde.

      Für die SPD ist die Aktion ein grober Verstoß gegen die Grundsätze der Partei. "Insbesondere das innerparteiliche Demokratieprinzip :laugh: sowie der Grundsatz der Solidarität sind missachtet worden", heißt es in der Urteilsbegründung der Landesschiedskommission. Der Landesverband schloss nur zwei der fünf untreuen Genossen aus. Zwei Unterzeichner, Klemm und Stoess, hatten in der mündlichen Verhandlung widerrufen, ihr Verhalten bereut und Fehlverhalten zugegeben. Eschen, der fünfte Mittäter, ist Mitglied des Brandenburger Landesverbandes. Gegen ihn läuft in seinem Kreisverband noch das Parteiordnungsverfahren.

      Jetzt wird Widerstand geleistet

      Klemm wurde nur für drei Jahre vom Platz gestellt. Er muss seine Mitgliedschaft so lange ruhen lassen. Stoess darf weiter mitspielen, aber nicht mehr als Mannschaftskapitän. Sprich, er darf drei Jahre lang in der SPD kein Amt übernehmen. Er hat seine Strafe angenommen - anders als Klemm, Straub und Schlosser. Das Trio hat bei der Bundesschiedskommission Widerspruch eingelegt. "Wir wehren uns, weil das Urteil nicht im Entferntesten die Argumente aufgreift, die wir vorgebracht haben", sagt Irmtraud Schlosser zu SPIEGEL ONLINE.

      Übereinstimmung in der Kriegsfrage

      "Ich bin langjähriges Mitglied und komme schon aus einer sozialdemokratischen Familie", verteidigt Irmgart Schlosser ihre Parteizugehörigkeit. "Es war nur so, dass Ströbeles Friedensarbeit eng an das anschließt, was ich und meine Mitstreiter uns in der Kriegsfrage wünschen."


      Keiner in der Abweichler-Gruppe ist grundsätzlich gegen die eigene Partei. Sie selbst ist SPD-Abgeordnete der Bezirksversammlung Berlin-Steglitz. Straub war einmal Chef der Berliner Jusos und ist heute Strieders Mitarbeiter in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Klaus Eschen diente Berlin als Verfassungsrichter und kennt Ströbele aus einem gemeinsamen Anwaltskollektiv. Stoess ist Parteienforscher an der Freien Universität Berlin, Klemm arbeitet als Erzieher. Keiner der fünf lebt im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg.

      Wenn die Genossen dem einen oder anderen Mitglied dennoch das Parteibuch entreißen, können diese sich vertrauensvoll einer anderen Partei zuwenden. Die Bundeszentralen von CDU und Grünen kennen in ihren Parteien keine Ausschlüsse.

      Bei der FDP müsste das parteizugehörige Archiv des Deutschen Liberalismus erst ein Forschungsprojekt starten, um diese Frage zu beantworten. Vielleicht tröstet es Jürgen Möllemann, wenn der Blick in alte Akten verrät, dass er nicht der erste geschasste FDPler ist. Wahrscheinlich aber würde es einen wie ihn mehr freuen, der Erste zu sein.
      Avatar
      schrieb am 11.12.02 11:14:36
      Beitrag Nr. 263 ()
      Die "BILD" lügt:

      Sie schrieb: "Kanzler droht mit Rücktrit"

      Lüge!

      Mensch, das ist keine Drohung, das ist ein Versprechen! :laugh:

      Ich hoffe, er hält wenigstens dieses eine mal das Versprechen....



      Schröder hat ein Problem

      SPD-Generalsekretär Scholz dementiert Rücktrittsdrohung des Bundeskanzlers. Kritik an Schröder reißt jedoch nicht ab: Niedersachsens Ministerpräsident Gabriel besteht auf Vermögensteuer

      BERLIN taz Gerhard Schröder ist noch im Amt. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz hat gestern angebliche Rücktrittsdrohungen des Bundeskanzlers dementiert. Scholz sprach von einer "intriganten und verfälschenden Berichterstattung" über die SPD-Vorstandssitzung am Montag. Dort soll Schröder laut Pressemeldungen gesagt haben: "Wer glaubt, dass er es besser kann, soll es machen."

      Nicht dementiert werden konnte der anhaltende Streit in der SPD um die Steuerpolitik. Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel kritisierte das Erscheinungsbild der Bundesregierung und sagte über Schröder, er würde ihm "raten, die Konsistenz zu stärken".

      Ebenso wie sein nordrhein-westfälischer Kollege Peer Steinbrück (SPD) blieb Gabriel bei seinem Vorhaben, die Vermögensteuer wieder einzuführen. "Die Vermögensteuer hat 46 Jahre lang keinen aus dem Land getrieben", sagte Gabriel und widersprach damit dem Kanzler. Schröder hatte vor einer Woche betont, die 1997 ausgesetzte Vermögensteuer werde "aus guten Gründen" nicht mehr erhoben.

      Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) bekräftigte gestern, die Wiedereinführung der Vermögensteuer sei "kein Projekt der Bundesregierung". Dies habe Schröder im SPD-Vorstand nochmals unterstrichen. Die Länder müssten wissen, was sie täten.

      Doch auch in der SPD-Bundestagsfraktion wird Unmut über Schröders Ablehnung der Vermögensteuer laut. Der Kanzler habe auf "Druck von außen" nachgegeben, kritisierte der SPD-Abgeordnete Hans-Peter Bartels im taz-Interview. Die von Schröder beklagte "Kakophonie" in der SPD sei überdies "ein selbst gemachtes Problem", sagte der Wortführer eines Netzwerks junger SPD-Politiker. Als es Kritik an Regierungsmaßnahmen gegeben habe, "hat unsere Führung gesagt, dann macht doch bessere Vorschläge".

      Wirtschaftsminister Clement bestritt eigene Ambitionen :laugh: auf die Nachfolge Schröders, bestätigte damit aber indirekt das laut Generalsekretär Scholz nie gefallene Kanzlerzitat aus der Vorstandssitzung. Nach dem Angebot Schröders, seinen Platz zu räumen, habe sich "niemand gemeldet", sagte Clement. "LKW

      brennpunkt SEITE 5
      taz Nr. 6927 vom 11.12.2002, Seite 1, 75 Zeilen (TAZ-Bericht), LKW
      Avatar
      schrieb am 11.12.02 14:28:11
      Beitrag Nr. 264 ()
      SPIEGEL ONLINE - 11. Dezember 2002, 13:07
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,226657,00.h…


      Kanzler-Krise

      "Ach wissen Sie, niemand ist unersetzlich"


      Von Michaela Schießl

      Die Unterstützung für den Kanzler bröckelt. Trotz seines Wutausbruchs im Parteivorstand und obwohl er mit Rücktritt drohte, verweigert ihm die SPD zunehmend die Gefolgschaft. Zwar wolle er das Schiff nicht verlassen, sagte er am Mittwoch. Andererseits sei "niemand unersetzlich". Superminister Clement dementiert derweil Nachfolge-Ambitionen. :laugh:

      Gerhard Schröder: der kleine Diktator

      Berlin - Der Mittwochmorgen war ein Weckruf für den Kanzler. "Schröders Autorität schwindet" titelt die "Süddeutsche". "Hält der Kanzler durch?" fragt die "Bild"-Zeitung scheinheilig. "Schröder droht - und keiner hört hin", höhnt das "Handelsblatt". Und das alles, nachdem der Kanzler im Parteivorstand mit Rücktritt gedroht hat, falls nun nicht endlich Ordnung einkehrt in den eigenen Reihen.

      Die erhoffte Schreckens- und Maulstarre hat seine Drohung allerdings nicht ausgelöst - im Gegenteil. Fraktionschef Franz Müntefering, sonst als loyaler Vollstrecker von Kanzlers Willen bekannt, erklärte beiläufig, dass die Partei wissen müsse, in welche Richtung es gehe. Viel deutlicher kann man des Kanzlers Führungsschwäche kaum ausdrücken. Und Sigmar Gabriel, wahlkämpfender Ministerpräsident Niedersachsens und SPD-Hoffnungsträger, sagte: "Ich bin ganz sicher nicht zufrieden mit dem, was ich in den letzten acht Wochen vom Parteivorsitzenden erlebt habe."

      Kalt und einsam wird es rund um den Kanzler.
      Und so stieg er am Mittwochmorgen noch einmal in die Bütt, demonstrativ in glänzender Weihnachtsstimmung. Doch die Bilder, die er benutzte, blieben düster. "Der Kanzler wird nicht das Schiff verlassen", sagte er auf einer Pressekonferenz in Berlin, "alle, die daran Hoffnung knüpfen, werden enttäuscht werden". Eigentümlich distanziert klang das, als würde er über einen Kapitän sprechen, der tapfer auf aussichtlosem Posten verharrt. Und so antwortete er auf die Frage eines Journalisten, ob er denn einen mögliche Nachfolger für sich sehe: "Ach wissen Sie, niemand ist unersetzlich."

      Ob ihm in der Partei jemand diesen Satz abkauft? "Ich als Person habe die Wahl gewonnen, nicht die Partei", schnauzte er noch am Montag im Parteivorstand. Allein deshalb schon, so meint er, müsse die Partei ihm dankbar folgen. Doch deren Geduldsfaden ist längst gerissen. Schröder sei "zwar kein Diktator, aber manchmal macht er auf mich den Eindruck", sagt der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel - und bringt die Stimmung der Genossen damit auf den Punkt.

      Schon den ganzen Wahlkampf lang hatten sie die Luft angehalten, waren diszipliniert und geschlossen wie selten zuvor hinter ihrem Zugpferd hergetrabt. Allen war klar, dass nur die Person Schröder die Regierungsmacht sichern kann und so wurde der gesamte Wahlkampf auf ihn zugeschnitten. Nachdem er die Wahl gewonnen hatte, wollten sie wieder mitreden. Doch der Chef hatte sich Ego-Manieren angewöhnt. Er wollte steuern - ohne jedoch einen Fahrplan zu haben.

      Miserabel vorbereitet schickte er seine Parteioffiziere in die Koalitionsverhandlungen. Panikartig wurden unausgegorene Reformen angekündigt. Die Kommunikation war nicht abgestimmt, und zu allem Überfluss drehte der Kanzler eine Überraschungsvolte nach der anderen.


      So sei beispielsweise er es gewesen, der Gabriel und den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück ermuntert habe, den Vorstoß mit der Vermögenssteuer zu machen, sagen Parteifunktionäre. Auch Franz Müntefering sei auf diese Linie eingeschworen worden. Doch dann kam die Kehrtwende. Der Kanzler sprach sich, wohl auf Druck der Industrie, plötzlich gegen die Vermögenssteuer aus und massregelte die Abtrünnigen öffentlich. Der Ärger der Ministerpräsidenten ist verständlich, deren Ungehorsam praktisch programmiert. Und auch Münteferings Loyalität endet dort, wo er wissentlich vorgeführt wird. Statt eine Führungsfigur zu sein, die große Linien festlegt, ist der Kanzler zunehmend unberechenbar geworden - eine Ich-GmbH.

      Die Luft wird dünn da oben, und so verlegte sich der Kanzler am Mittwoch auf leisere Töne. Er wünsche sich keine andere Koalition, wehrte er die Gerüchte über Gesprächen mit der Opposition ab. Auch gäbe es "ganz und gar" kein gestörtes Verhältnis zu Müntefering, und Gabriels Aufbegehren in Sachen Vermögenssteuer könne er gut verstehen, sagte er. Schließlich habe er sich als Ministerpräsident auch als erstes um das Wohl seines Bundeslandes gekümmert. Die Vermögenssteuer jedoch, da ist er sich sicher, wird im Bundesrat ohnehin am Widerstand der CDU/CSU sterben, da ist seine persönliche Haltung ganz egal.

      Erneut betonte er, dass Geschlossenheit wieder hergestellt werden muss. Doch diesmal bat er mehr, als dass er anordnete. Er scherzte, statt zu schreien. Nach innen könne man ja diskutieren, schmeichelte er sich bei den Genossen ein. Doch nach außen müsse mit einer Stimme gesprochen werden. Mit seiner.

      --------------------------------------------------------



      Wetten???

      Der ist nächsten Sommer im dauerurlaub mit seiner Essgestörten....
      Avatar
      schrieb am 11.12.02 14:32:35
      Beitrag Nr. 265 ()
      SPIEGEL ONLINE - 11. Dezember 2002, 13:13
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,226661,00.h…


      Angebliche Amtsmüdigkeit

      "Der Kanzler wird das Schiff nicht verlassen"

      Vermögensteuer, Rente, Überflugrechte: Die Koalition spricht mit vielen Zungen in diesen Tagen. Mehrfach hieß es bereits, Gerhard Schröder sei angesichts dieser Kakofonie und seiner ungehörten Machtworte amtsmüde. Doch der Kapitän der Bundesrepublik Deutschland dementiert.

      Kanzler Schröder: Keine Spur von Amtsmüdigkeit?


      Berlin - Vor Journalisten im Kanzleramt sagte Schröder heute: "Der Kanzler wird nicht das Schiff verlassen. Alle diejenigen, die daran Hoffnungen knüpfen, werden sich irren ... Das gilt nicht nur in diesen Zeiten, sondern weit darüber hinaus."

      Schröder hatte am Montag im SPD-Vorstand angesichts öffentlich ausgetragener Meinungsverschiedenheiten in der Koalition zur Steuer- und Finanzpolitik ein Machtwort gesprochen und eindringlich zu mehr Geschlossenheit aufgerufen. Teilnehmer der Sitzung zitierten ihn mit dem Satz: "Wenn es einen gibt, der es besser kann, dann soll der das machen." Dies war als Rücktrittsdrohung interpretiert worden.

      Schröder äußerte sich jetzt auf Fragen nicht zu dieser angeblichen Äußerung. Er kritisiere immer Berichte aus vertraulichen Sitzungen. Daher könne man von ihm selbst auch nicht erwarten, dass er solche Sitzungsprotokolle mündlich öffentlich mache.

      Der Kanzler bekräftigte, dass das Wahlergebnis der SPD auf ihn persönlich zurückzuführen sei. Dass die Wahl auf der Ebene der Parteienkonkurrenz nicht zu gewinnen gewesen sei, sei unbestritten. "Dass wir sie gewonnen haben auf der Ebene der Personenkonkurrenz, ist auch völlig klar", sagte er. Was das für die politischen Perspektiven der SPD bedeute, sei genauso deutlich.

      [Anmerkung: Klar, das ist deutlich - jeden TAg wird es deutlicher....:mad: :laugh: ]

      Daraus leite die Opposition ihre Strategie ab und versuche mit allen Mitteln, die persönliche Integrität dessen, der auf der Ebene der Personenkonkurrenz gewonnen habe, zu zerstören. "Beeindrucken tut mich das alles nicht", sagte Schröder.

      Ihm sei es im Parteivorstand darum gegangen, deutlich werden zu lassen, dass man, wie geschehen, Wahlen nur gewinnen könne, wenn man geschlossen agiere. Diese Geschlossenheit müssen im Vorfeld wichtiger Landtagswahlen wieder hergestellt werden, und es sei seine Aufgabe, dafür zu sorgen. Die Menschen müssten spüren, dass bei zentralen Entscheidungen mit einer Zunge gesprochen werde. Das werde sich auch in den nächsten Tagen herausstellen. "Es muss klar sein, dass im Ergebnis das geschieht, was der Bundeskanzler und Parteivorsitzende für richtig hält", betonte Schröder.

      Zu Äußerungen des innenpolitischen SPD-Fraktionssprechers Dieter Wiefelspütz, Deutschland müsse den USA nach dem Nato-Truppenstatut Überflugrechte auch bei einem Angriff auf Irak ohne Uno-Mandat gewähren, sagte Schröder: "Die Bundesregierung äußert sich nicht zu Rechtsmeinungen, sie macht Politik." An seiner Position, diese Überflugrechte zuzugestehen, die im übrigen auch Außenminister Joschka Fischer teile, gebe es nichts zu rütteln. Er rate jedem, sich nicht auf theoretische Debatten einzulassen. Es gebe nicht den geringsten Grund, davon auszugehen, dass die USA die entscheidende Irak-Resolution 1441 des Weltsicherheitsrates nicht beachten werden.
      Avatar
      schrieb am 11.12.02 14:54:50
      Beitrag Nr. 266 ()
      . Dezember 2002, 13:28, NZZ Online


      Finanzpolitik für mitschuldig erklärt
      Institut für Weltwirtschaft senkt Konjunkturprognose für Deutschland
      Die deutsche Konjunktur kommt nicht vom Fleck. Nicht zuletzt wegen der Finanzpolitik der deutschen Regierung hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft seine Prognosen für 2003 nach unten korrigiert.



      (ap) Die Konjunkturaussichten für Deutschland sind nach Einschätzung des Instituts für Weltwirtschaft noch düsterer als im Herbst angenommen. Die Experten senkten ihre Wachstumserwartungen für 2003 auf 1,0%; in diesem Jahr soll das Plus sogar nur noch bei etwa 0,2% liegen. Die Arbeitslosigkeit dürfte im kommenden Jahr auf 4,2 Millionen steigen.

      Die Konjunktur in Deutschland erhole sich nur zögerlich und die Finanzpolitik dämpfe das Wachstum, erklärten die Ökonomen.
      Die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, zu denen auch das Institut für Weltwirtschaft zählt, hatten in ihrem Herbstgutachten noch ein Wachstum von 0,4% in diesem Jahr und von 1,4% für 2003 vorhergesagt.

      Zu Beginn des Jahres 2003 werde eine Beschleunigung der Konjunktur durch eine Reihe von Faktoren behindert. Dazu zählt das Institut eine höhere Belastungen der Bundesbürger durch steigende Steuern und Abgaben zur Sozialversicherung, die ungünstigen Aussichten auf dem Arbeitsmarkt sowie Vermögensverluste durch die Flaute an den Aktienmärkten in diesem Jahr. Zudem seien aus der Weltkonjunktur nur geringe Impulse zu erwarten.

      Deutliche Kritik übte das Institut an der Finanzpolitik der rot-grünen Bundesregierung. Das Sparpaket setze nicht generell bei den Staatsausgaben, sondern nur bei einzelnen Ausgabenkategorien an. «Es fehlen marktwirtschaftliche Reformansätze im Gesundheitswesen und Schritte zur Deregulierung des Arbeitsmarktes. Einige steuerpolitische Eingriffe widersprechen den bisherigen Reformschritten», kritisierten die Konjunkturexperten.

      Positiver beurteilte das Institut für Weltwirtschaft die Perspektiven für die Industriestaaten insgesamt. Die dämpfenden Faktoren, zum Beispiel die Folgen aus dem Kursverfall an den Aktienmärkten, würden im nächsten Jahr wahrscheinlich an Kraft verlieren. Zudem sollten die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank und der US-Notenbank zunehmend positive Wirkung zeigen.
      Avatar
      schrieb am 12.12.02 14:32:36
      Beitrag Nr. 267 ()
      Der Brutalstdreiste Lügner, Ministerpräsident Koch, hat sich endgültig für das Amt des Bundeskanzlers disqualifiziert:

      Erst werden betrügerische Geldwaschaktionen als angebliche "jüdische vermächtnisse" getarnt (Ein besonders perfides Spiel mit dem Andenken verstorbener Angehöriger eines verfolgten Volkes)..

      ... und jetzt wird die Wiedereineinführung einer Vermögensteuer mit dem Genozid verglichen - das ist m.E. eine strafwürdige Verniedlichung des Holocaust.


      Koch vergleicht Reiche mit Juden im Dritten Reich

      Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat im Zusammenhang mit der Debatte um die Vermögenssteuer den Umgang mit Reichen in Deutschland mit der Behandlung von Juden im Dritten Reich verglichen. Reichen seien zu Menschen "mit so einer neuen Form von Stern an der Brust" gemacht worden, sagte Koch hörbar erregt in einer aktuellen Stunde des hessischen Landtages zur Vermögenssteuer. Es sei eine "schlimme Parallele zu anderen Zeiten", wenn Reiche als Schmarotzer der Gesellschaft stigmatisiert würden.
      Nach Kochs Äußerung brachen im Landtag Tumulte aus. Die Sitzung wurde daraufhin unterbrochen.

      Quele: T-online.de





      Der Mann hat nicht mehr alle Tassen im Schrank...
      Avatar
      schrieb am 12.12.02 14:47:45
      Beitrag Nr. 268 ()
      Das Reizthema Vermögensteuer bringt den Wahlkampf in Hessen zum Brodeln:

      Im Landtag hat Roland Koch den Umgang mit Reichen mit der Behandlung von Juden im Nazi-Reich verglichen und für einen Aufschrei der Empörung gesorgt. In der Debatte um die Wiedereinführung der 1997 abgeschafften Steuer seien die Vermögenden zu Menschen „mit so einer neuen Form von Stern an der Brust“ gemacht worden, sagte CDU-Politiker Koch am Donnerstag erregt in einer aktuellen Stunde.

      Es sei eine „schlimme Parallele zu anderen Zeiten“, wenn Reiche als Schmarotzer der Gesellschaft stigmatisiert würden. Nach Kochs Äußerung brachen im Landtag Tumulte aus. Die Sitzung wurde daraufhin unterbrochen.

      Koch richtete sich mit seiner Bemerkung gegen Äußerungen des Verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske, der im Fernsehen die Namen reicher Bürger genannt hatte, die von einer Vermögensteuer betroffen wären.

      Nach der Sitzung entschuldigte sich Koch für die Äußerung und sagte, er habe sich in der emotionalen Debatte „vergaloppiert“. Gleichwohl sei es inakzeptabel, in einer politischen Diskussion Menschen zu stigmatisieren. Diesen Vorwurf richtete Koch auch an den Grünen-Landtagsabgeordneten Frank Kaufmann. Dieser hatte sich in der Debatte für eine „Reaktivierung der Vermögensteuer für Millionäre“ ausgesprochen und dabei die Namen zweier in Hessen ansässiger Familien samt Adressen genannt.

      „Einfach widerlich“

      Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckart, erklärte zu dem Vorfall: „Geschichtslos, unverschämt, einfach widerlich: Herr Koch verhöhnt die Millionen Opfer des Holocausts.“ Sie forderte seinen sofortigen Rücktritt.

      Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel zeigte sich empört: „Die aktuellen Ausfälle des hessischen Ministerpräsidenten sind eine unerträgliche Beleidigung aller Opfer und Überlebenden des Nazi-Terrors. Welches Geschichtsbewusstsein hat eigentlich Roland Koch, wenn er diesen historisch unhaltbaren und verletzenden Vergleich zieht?“


      Bökel schießt quer

      Ungeachtet der Geschlossenheitsappelle des Bundeskanzlers sprach sich Kochs SPD-Herausforderer Gerhard Bökel für die Steuer aus. Er sagte dem „Mannheimer Morgen“ vom Donnerstag, er wolle „die Vermögensteuer für die Bildung“. In Hessen wird am 2. Februar ein neuer Landtag gewählt.

      „Der Ansatz der Vermögensteuer ist richtig“, sagte Bökel. „Wer Millionen auf der hohen Kante hat, soll ein wohlhabender Mensch bleiben, aber er muss einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung leisten“, zitierte die Zeitung den SPD-Politiker.

      Gerhard Schröder (SPD) hatte sich am Mittwochabend in der ARD erneut gegen die Wiedereinführung der Vermögensteuer ausgesprochen und seine Partei einmal mehr aufgefordert, in der Öffentlichkeit geschlossen aufzutreten. „Das Thema Vermögensteuer wird den Bundestag erst gar nicht erreichen“, sagte Schröder in der Sendung „Farbe bekennen“. Die Union habe mit ihren Gesetzesplänen ein Modell vorgelegt, das zu einem „Flickenteppich“ führen würde. Damit sei klar, dass es für die Pläne der SPD-geführten Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen im Bundesrat keine Mehrheit geben werde.

      Schröder erneuerte seine Vorbehalte gegen die Vermögensteuer vor allem bei Betrieben. Die Steuer sei nicht gut für das Wirtschaftswachstum, weil damit Vermögenssubstanz für Investitionen vernichtet werde. Gleichwohl sei das Ziel Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens richtig, mehr Geld für die Bildung zu gewinnen. „Mehr Geld für die Bildung ja, aber nicht durch ein so ungeeignetes Mittel.“ Auch die SPD-Fraktion werde die Vermögensteuer gegebenenfalls ablehnen: Die Fraktion werde „das tun, was ich vorschlagen werde“, sagte Schröder.

      Kanzler sucht die Offensive

      Amtsmüdigkeit, Rücktrittsdrohungen: Schröder will davon nichts wissen. „Der Kanzler wird nicht das Schiff verlassen“, hatte der SPD-Vorsitzende am Mittwoch gesagt. „Alle diejenigen, die daran Hoffnungen knüpfen, werden sich irren. Und all diejenigen, die enttäuscht wären, werden sich freuen.“

      Zu den Meldungen, er habe bei einer turbulenten SPD-Vorstandssitzung zwei Tage zuvor mit seinem Rücktritt gedroht, wollte sich Schröder nicht äußern. Er könne nicht den Bruch der Vertraulichkeit kritisieren und sich selbst nicht daran halten, sagte er. Der Kanzler war mit dem Satz zitiert worden: „Wer glaubt, dass er es besser kann, der soll es machen.“

      Schröder bestritt, das es Differenzen zwischen ihm und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Franz Müntefering gebe. „Das ist ganz und gar nicht der Fall.“

      In der Diskussion um die Wiedereinführung der Vermögensteuer äußerte der Bundeskanzler Verständnis für abweichende Positionen von SPD-Ministerpräsidenten. Auch er habe als Ministerpräsident von Niedersachsen immer gesagt: „Erst das Land, dann die Partei.“ Es werde jedoch geschehen, „was der Bundeskanzler und Parteivorsitzende für richtig hält“.

      Regierungschefs maulen

      Die SPD-Regierungschefs von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen hatten weiter auf die Wiedereinführung der Steuer gepocht. Bereits im Januar werde eine entsprechende Bundesratsinitiative gestartet, kündigte der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) am Dienstag in Berlin an.

      NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) verteidigte die Vermögensteuer-Initiative ebenfalls. Große Vermögen trügen „immer weniger zum Steueraufkommen bei“, sagte Steinbrück. Dies müsse geändert werden.

      Der NRW-Regierungschef räumte zugleich ein, der Zeitpunkt für die Diskussion sei „denkbar ungünstig“. Allerdings habe Schröder von den seit Frühjahr laufenden Gesprächen zur Vermögensteuer gewusst und diese als Ländersache akzeptiert. Für das Machtwort von Schröder zeigte Steinbrück Verständnis. Der Kanzler sei zurzeit „geprägt“ von einer Debatte über viele steuerpolitische Vorschläge. Da könne er „gut verstehen“, dass der SPD-Chef versuche, „den Deckel auf den Topf zu bringen“.

      12.12.02, 14:25 Uhr focus.de
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      schrieb am 12.12.02 23:22:33
      Beitrag Nr. 269 ()
      Koch sieht "neuen Stern"

      BERLIN dpa/taz

      Koch goes Möllemann: Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat am Donnerstag einen Eklat im Landtag verursacht. Koch warf dem Ver.di-Bundesvorsitzenden Frank Bsirske vor, in der Debatte um die Vermögensteuer Namen einzelner vermögender Deutscher genannt zu haben. Dies sei "eine neue Form von Stern an der Brust" und "eine schlimme Parallele zu anderen Zeiten", sagte Koch. Oppositionsabgeordnete werteten dies als Anspielung auf den in der Nazizeit eingeführten Judenstern. Wegen lautstarker Proteste unterbrach Landtagspräsident Klaus Peter Möller (CDU) die Sitzung. Später entschuldigte sich Koch für die Äußerung und sagte, er habe sich in der emotionalen Debatte "vergaloppiert". Gleichwohl sei es inakzeptabel, in einer politischen Diskussion Menschen zu stigmatisieren.

      inland SEITE 9
      taz Nr. 6929 vom 13.12.2002, Seite 1, 30 Zeilen (TAZ-Bericht)
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      schrieb am 13.12.02 00:02:02
      Beitrag Nr. 270 ()
      AWACS-FLUGZEUGE: DER BUNDESKANZLER VERLIERT JEDE GLAUBWÜRDIGKEIT
      Das System Schröder am Ende


      Die Opposition darf sich freuen. Kaum hat sich die Aufregung um den so genannten Wahlbetrug bei Haushalt oder Rente ein wenig gelegt, da steht schon die Debatte um das nächste Wahlversprechen auf der Tagesordnung: Bricht Kanzler Schröder mit seiner Ankündigung, deutsche Soldaten auch im Falle eines Irakkriegs an Bord der Awacs-Flugzeuge zu belassen, sein wahlentscheidendes Wort - oder bricht er es nicht?

      Im Gegensatz zum Verteidigungsminister, der beim Einsatz der Spürpanzer in Kuwait längst wortbrüchig wurde, hat es der Kanzler wohlweislich vermieden, sich allzu konkret festzulegen. An einer Intervention werde sich Deutschland "nicht beteiligen" - über diese schwammige Formulierung gingen Schröders Ankündigungen in der Sache nie hinaus, auch wenn das lautstarke Wortgeklingel gegen amerikanische "Abenteuer" dem Wahlvolk einen anderen Eindruck vermittelte.

      Was aber ist eine "Beteiligung"? In dem engen Sinne, wie Schröder das Wort neuerdings definieren will, hat sich die Bundesrepublik auch an früheren Interventionen nicht wirklich "beteiligt". Auch im Falle Kosovo oder Afghanistan beschränkte sich der deutsche Beitrag, sieht man von den KSK-Soldaten einmal ab, auf die Unterstützung der Verbündeten außerhalb des eigentlichen Operationsgebietes. Erst danach kam die Friedenstruppe. Die Wähler haben die Botschaft anders verstanden, und das sollten sie.

      Für Schröder war die Irakfrage nur eines jener zahlreichen Themen, die er im geeigneten Moment aufgriff, um sie bei nächster Gelegenheit wieder fallen zu lassen. Damit hat er in der Innenpolitik zu oft Erfolg gehabt, als dass er die Grenzen dieses Systems noch erkennen könnte. Aber mit der Übertragung dieses Prinzips auf die Außenpolitik ist Schröder einen Schritt zu weit gegangen. Jetzt hat er es mit allen verdorben: Er hat die Wähler brüskiert, das Verhältnis zu den USA ruiniert und sich in Europa isoliert.

      Aber auch innenpolitisch schwindet nach vier Schröder-Jahren sogar in den eigenen Reihen der Glaube an verlässliche Grundlinien der Politik.
      Das hat sich zuletzt auch bei der Vermögensteuer gezeigt, wo der Kanzler die eigenen Ministerpräsidenten erst vorschickte, um sie anschließend öffentlich abzukanzeln.
      Und der nächste Test steht am kommenden Mittwoch bevor, falls die Verfassungsrichter das Zuwanderungsgesetz tatsächlich zu Fall bringen. Dann wird sich erweisen, ob Schröder ein wirkliches Interesse an einem Thema hat, das er vor drei Jahren unter dem Stichwort "Green Card" selbst in die Debatte warf. " RALPH BOLLMANN

      taz Nr. 6929 vom 13.12.2002, Seite 12, 56 Zeilen (Kommentar), RALPH BOLLMANN
      Avatar
      schrieb am 13.12.02 11:16:49
      Beitrag Nr. 271 ()
      POLITBAROMETER

      SPD bleibt im Loch


      Wäre am Sonntag Bundestagswahl, käme die Union dem ZDF-Politbarometer zufolge auf 46 Prozent und läge damit 14 Prozentpunkte vor der SPD. Fragt man die Menschen nach ihrer derzeitigen politischen Zustimmung zu den Parteien, sieht das Ergebnis für die SPD noch düsterer aus.

      Berlin - Bei der politischen Zustimmung bleiben die Sozialdemokraten bei 26 Prozent. CDU/CSU kommen unverändert auf 55 Prozent, die Grünen bleiben bei 9 Prozent, die PDS bei 3 Prozent. Nur die FDP verschlechterte sich auf 4 Prozent (- 1).
      Wäre am Sonntag Bundestagswahl, könnte die Union ihren Vorsprung auf 46 Prozent (+ 2) ausbauen. Die SPD bekäme 32 Prozent (-2), die Grünen erreichten unverändert 9 Prozent, die FDP bliebe bei 5 Prozent und die PDS schaffte es mit 4 Prozent erneut nicht in den Bundestag. Insgesamt könnte Schwarz-Gelb laut Politbarometer mit einem komfortablen Vorsprung die Regierung bilden. CDU/CSU und FDP kämen auf 51 Prozent, Rot-Grün dagegen nur auf 41 Prozent.


      CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer sah die Politik der Union durch die konstant guten Umfragewerte bestätigt. Die Bevölkerung glaube vielleicht nicht, dass die Union die "Weisheit mit dem Schaumlöffel gefressen" habe, sagte Meyer im ZDF-Morgenmagazin. "Aber dass wir es effizienter können und besser, das glauben sie schon."

      Spiegel.de




      DAs hieße also:Riesen-Mehrheit für Schwarz-Grün... :D
      Avatar
      schrieb am 13.12.02 11:21:38
      Beitrag Nr. 272 ()
      SPIEGEL ONLINE - 13. Dezember 2002, 6:37
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,226888,00.h…


      Kochs Judenstern-Eklat

      "Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack"


      Auch nach der Entschuldigung Roland Kochs für seinen Judenstern-Vergleich will sich der Sturm der Entrüstung nicht legen. "Bodenlos", "dumm", "geschmacklos", "diffamierend" und "unerträglich" sind nur einige der Urteile über die öffentliche Entgleisung des hessischen Ministerpräsidenten.


      Wiesbaden/Berlin - Koch hatte am Donnerstag im hessischen Landtag kritisiert, dass der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske in der Vermögensteuer-Debatte die Namen reicher Deutscher genannt hatte. Dies sei "eine neue Form von Stern an der Brust" und "eine schlimme Parallele zu anderen Zeiten", sagte er in Anspielung auf den in der NS-Zeit eingeführten Judenstern. Nach einer Unterbrechung der Landtagssitzung entschuldigte sich Koch für seine Wortwahl und sagte, er habe sich in der emotionalen Debatte "vergaloppiert".

      Der Münchner Historiker Michael Wolffsohn sprach in der "Thüringer Allgemeinen" von einer "bodenlosen Dummheit und Geschmacklosigkeit". Niemand verlange heute, dass die Reichen total enteignet oder gar vernichtet werden. "Die Situation der Wohlhabenden in diesem Land lässt sich mit der der Juden in Nazi-Deutschland nun wirklich nicht vergleichen. Das ist eine Verhöhnung der Opfer."

      Politiker von SPD und Grünen beschuldigten ihn, mit Diffamierungen die Landtagswahl am 2. Februar gewinnen zu wollen. Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) meinte, mit dem Vergleich habe Koch sein wahres Gesicht gezeigt. "Um Wahlen zu gewinnen, ist ihm die unerträglichste Diffamierung politisch anders Denkender recht", sagte die Politikerin.

      Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte, die Äußerung zeige, "wes Geistes Kind Koch ist". Beim Thema Geld fielen Koch nur Juden ein. Beck bezeichnete die hessische CDU in der "Berliner Zeitung" als Wiederholungstäter. Er verwies auf die CDU-Schwarzgeldaffäre, bei der illegale Transaktionen fälschlich als jüdische Vermächtnisse ausgegeben worden waren.

      Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) mahnte zu Vorsicht mit historischen Vergleichen. "Ich gebe den guten Rat, solche Vergleiche nicht anzustellen", sagte er in Erfurt. "Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass einem in der Hitze des Gefechts gelegentlich mal eine Äußerung entfährt, die man bei Licht gesehen lieber nicht gemacht hätte." Das habe Koch jedoch später auch zugegeben und sich entschuldigt.

      Zentralrat der Juden: Unterschiedliche Bewertung der Entschuldigung Kochs

      Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, Salomon Korn, nannte Kochs Entschuldigung akzeptabel. Die Bemerkung sei unangemessen gewesen, sagte Korn. "Dass Koch sie sofort zurückgenommen hat, ist in Ordnung."

      Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, hatte Kochs Äußerungen am Donnerstag als "unerträgliche Beleidigung" aller Opfer des Nazi-Regimes bezeichnet. Kochs spätere Entschuldigung im Landtag nehme er zur Kenntnis, aber: "Es bleibt ein sehr bitterer Nachgeschmack", sagte Spiegel dem "Handelsblatt".

      Spiegels Stellvertreter Michel Friedman sagte laut "Tagesschau", es dürfe nicht sein, dass Politiker durch fahrlässige Vergleiche "zur Banalisierung und Relativierung der unmenschlichen Vorgänge im Dritten Reich beitragen". Koch habe sich aber wenigstens "im Gegensatz zu vielen anderen sofort entschuldigt".

      Ver.di und Grüne fordern Kochs Rücktritt

      Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) forderte nach den "unsäglichen und unverantwortlichen Äußerungen" Kochs von allen Seiten "eine sprachliche Abrüstung". Die sich häufenden Vergleiche mit der Nazi-Zeit seien unerträglich und verhöhnten die Opfer des Dritten Reiches.

      Ein Ver.di-Sprecher sagte in Berlin, es sei eine "bodenlose Unverschämtheit, dass einem überhaupt ein solcher Vergleich in den Sinn kommt". Die Äußerung sei eine "Diffamierung, die eigentlich kaum entschuldigt werden" könne: "Eigentlich müsste man die Frage stellen, ob so jemand in diesem Amt verbleiben kann."

      Gewerkschaftschef Bsirske habe bestimmte Namen nur symbolisch genannt, um seine Forderung nach einer Neubelebung der Vermögensteuer für "Reiche" zu untermauern. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer erklärte, eine persönliche Entschuldigung bei Bsirske wäre ein "Minimum an politischer Kultur".

      Die Chefin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katrin Göring-Eckart, forderte Koch zum sofortigen Rücktritt auf. Er verhöhne die Millionen Opfer des Holocausts. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte, mit seinen Äußerungen "hat Herr Koch aus wahltaktischem Kalkül endgültig die Grundlagen demokratischer Politik verlassen". Von der CDU-Spitze verlangte er, "sich von dieser brutalstmöglichen Entgleisung Roland Kochs umgehend zu distanzieren".

      Auch SPD-Generalsekretär Olaf Scholz warf Koch eine Verharmlosung des Holocausts vor: "Herr Koch ist und bleibt der Mann der unsäglichen Worte und Vergleiche." Besonders bedrückend sei der Vorfall, weil er für die hessische CDU keine Premiere sei, sagte er mit Blick auf die schwarzen Konten des Landesverbands Hessen.
      Avatar
      schrieb am 14.12.02 13:11:53
      Beitrag Nr. 273 ()
      Und diesem Maximal-Trottel vertraut unsere Verfassung im Kriegsfall die oberste Befehlsgewalt über unsere Streitmacht an.... der Typ muss dringend ein bißchen Hirn unter den Schädel bekommen, und dies auch nutzen... das ist unfassbar, was dieser Schröder alles vernichten kann, wenn er dummschwätzt:




      So friedlich kommt Schröder nicht davon

      Verteidigungsministerium, Nato und Opposition bestreiten des Kanzlers Versicherung, Awacs würden nur verteidigen

      BERLIN / GENF taz Die Bundesregierung hat den USA zumindest "auf Arbeitsebene" bereits den Einsatz deutscher Soldaten in Awacs-Maschinen bei einem Krieg gegen Irak zugesagt - ohne die Vorbedingung, dass der UNO-Sicherheitsrat zuvor ein Mandat für militärische Maßnahmen erteilen muss. Die Darstellung von Bundeskanzler Gerhard Schröder sowie des verteidigungspolitischen Sprechers der Grünen-Bundestagsfraktion, Winfried Nachtwei, bei einem Awacs-Einsatz könne man unterscheiden zwischen "defensiven" Aufgaben zum Schutz des Nato-Partners Türkei und einer aktiven Teilnahme an operativen Kriegsmaßnahmen gegen Irak, stieß inzwischen auf Widerspruch im Bundesverteidigungsministerium, bei der Nato wie bei der Opposition.

      Im Verteidigungsministerium wurde auf Anfrage der taz ein Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom Freitag bestätigt. Sowohl dem Pentagon wie auch der Brüsseler Nato-Zentrale sei bereits die Zusage zu einem Einsatz der deutschen Soldaten signalisiert worden. Der Bundeskanzler hatte am Mittwoch erklärt, ein Einsatz der Awacs mit deutschen Soldaten an Bord diene auschließlich dem Schutz des Nato-Partners Türkei. Die Awacs seien "keine Instrumente, mit denen man operativ Krieg führen" könne. Im Verteidigungsministerium wurden die Darstellungen Schröders als "Ausdruck operativer Unkenntnis" :mad: : :laugh: bewertet. Ähnlich äußerte sich ein hoher Offizier der Brüsseler Nato-Zentrale gegenüber der taz.

      Der Verteidigungsexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Günther Friedrich Nolting, erklärte im SWR, deutsche Soldaten an Bord von Awacs-Flugzeugen während eines Irakkrieges bedeuteten "auf jeden Fall die Teilnahme an einem Kampfeinsatz". Das gelte "auch, wenn die Awacs nur über der Türkei und damit über Nato-Territorium fliegen würden". Die Awacs betrieben "zumindest Vorbereitung und Informationsgewinnung für einen Kampfeinsatz". Zwischen Soldaten an Bord der Awacs, die lediglich das Nato-Bündnisgebiet schützen, und solchen, die Kampfflugzeugen Zieldaten für Angriffe gegen Irak übermitteln würden, sei "keine scharfe Rollentrennung möglich". Ähnlich äußerte sich auch der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Christian Schmidt.
      Der grüne Fraktionsvize Christian Ströbele verlangte von der Bundesregierung eine "genaue Aufklärung" über Mission und Aufgaben der Awacs in der geplanten Operation.

      "ANDREAS ZUMACH

      taz Nr. 6930 vom 14.12.2002, Seite 6, 83 TAZ-Bericht ANDREAS ZUMACH


      Und das soll laut laut Schröder sogar mit Fischer "abgesprochen" sein.... sind die jetzt beide Hirnamputiert???!!?? :mad:
      Avatar
      schrieb am 16.12.02 14:44:08
      Beitrag Nr. 274 ()
      Die Selbstblockade des Staates

      Der deutsche Föderalismus ist aus den Fugen geraten. Werden die Zuständigkeiten
      von Bund und Ländern nicht neu geregelt, bleibt die Republik auf Dauer reformunfähig
      Übermorgen werden sie wieder einen großen Auftritt haben: der Trickser Wowereit, der Schweiger Schönbohm und der Schauspieler Koch.

      Am Mittwoch nämlich entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die rechtmäßige Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes durch den Bundesrat und das umstrittene Stimmverhalten Brandenburgs. Vieles spricht dafür, dass dann diejenigen jubeln werden, die im Frühjahr die Betretenen waren.

      Die nächstliegende Frage aber stellt niemand. Warum reden die Bundesländer beim Einwanderungsgesetz eigentlich mit? Ohne Zweifel sind das Einwanderungsrecht wie das der Staatsbürgerschaft oder des Asyls hoheitliche, gesamtstaatliche Angelegenheiten. Trotzdem ist im Bundestag hier eine Mehrheit keine Mehrheit mehr. Dasselbe gilt bei Themen wie Rente, Homoehe oder Gesundheitssystem. Umgekehrt ist es allerdings genauso wenig einzusehen, warum der Bund den Ländern etwa bei der Wirtschaftsförderung oder der Hochschulplanung reinredet. Hier wissen die Länder viel besser, was vor Ort gebraucht wird. Genau hier liegt das Problem. Klare Zuständigkeiten gibt es im bundesdeutschen Föderalismus nicht, jeder fuscht jedem ins Handwerk. Entscheidungsprozesse werden immer undurchschaubarer, deren parteipolischer Missbrauch immer häufiger.

      Auch beim Thema Zuwanderung stritten Bund und Länder, Regierung und Opposition schon lange nicht mehr um Inhalte. Hier waren sie sich längst sehr nahe gekommen. Doch weil wieder einmal Wahlkampf war, wurde eine Reform, die von einer der Mehrheit der Bevölkerung gewollt und vor allem von allen Experten dringend gefordert wurde, für politische Machtspiele geopfert. Klarer ist selten demonstriert worden, dass die föderale Ordnung in Deutschland völlig aus den Fugen geraten ist.

      So hatten es sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes nicht gedacht, als sie der Bundesrepublik 1949 einen föderalen Staatsaufbau verordneten. Die vertikale Gewaltenteilung sollte die ökonomisch, kulturell und religiös so unterschiedlichen Regionen des Landes in den Bundesstaat integrieren, gleichzeitig sollte sie dabei die Macht des Bundes begrenzen, aber nicht brechen.

      Davon ist längst keine Rede mehr. Waren in den Fünfzigerjahren noch zehn Prozent aller Bundesgesetze im Bundesrat zustimmungspflichtig, sind es heute rund zwei Drittel, darunter vor allem die wichtigen. Sukzessiv hat der Bund mit den so genannten Gemeinschaftsaufgaben etwa bei der Forschungsförderung oder der Strukturpolitik mehr Zuständigkeiten an sich genommen. Dafür hat er den Ländern ein Mitentscheidungsrecht bei allen Gemeinschaftssteuern (und das sind fast alle) eingeräumt. Weil aber kaum ein Bundesgesetz ohne finanzielle Auswirkungen bleibt, sitzen die Landesregierungen immer mit am bundespolitischen Tisch, selbst wenn sie das Thema, wie bei der Zuwanderung, eigentlich gar nichts angeht. Während Landesparlamente dadurch zu Befehlsempfängern degradiert sind, die weitgehend ohne eigene Gesetzgebungskompetenz sind, kompensieren die Landesregierungen ihren föderalen Bedeutungsverlust damit, dass sie immer hemmungsloser in bundesstaatliche Angelegenheiten hineinreden.

      Mit fatalen Folgen. Aus dem föderalen Korrektiv ist so mittlerweile ein parteipolitisches Forum geworden, aus dem Integrationsmotor ein Blockadeinstrument. Längst geriert sich der Bundesrat mehr und mehr als zweite Parlamentskammer. Weil jede Landtagswahl Auswirkungen auf die Mehrheitsverhältnisse in der Länderkammer hat, ist permanent Bundestagswahlkampf. Nichts geht mehr, die Konsensmaschine ist kollabiert. Das System des kooperatistischen Föderalismus ist entscheidungsunfähig geworden, es schiebt notwendige politische und gesellschaftliche Reformen vor sich her und provoziert Lähmung und Verantwortungslosigkeit.

      Der zunehmende parteipolitische Missbrauch des Bundesrates widerspricht dabei nicht nur dem Geist des Föderalismus. Der Bundesrat ist in seiner jetzigen Form als Oppositionskammer verfassungsrechtlich kaum noch legitimiert. Eine zweite Parlamentskammer, wie etwa der Senat in den USA, ist im Grundgesetz gerade nicht vorgesehen. Der Föderalismus steckt nicht nur in einer politischen Falle, sondern auch in einer Verfassungskrise.

      Doch darüber wird kaum gesprochen werden, wenn die Karlsruher Richter ihr Urteil zur Bundesratsabstimmung über das Einwanderungsgesetz verkündet haben. Stattdessen werden einmal mehr die Klagen über die Reformunfähigkeit Deutschlands zu hören sein und mit ihnen der Ruf nach einer großen Koalition. Dabei würde eine solche den gescheiterten föderalen Kooperatismus nur auf die Spitze treiben. In Wirklichkeit brauchte sich ein parteiübergreifender Konsens lediglich für eine einzige Reform zu finden, und zwar für die Reform des Föderalismus. Diese wäre der Schlüssel zur Auflösung des Reformstaus. Klare föderale Strukturen würden Blockaden lösen und Entscheidungsprozesse beschleunigen.

      Nun ist es nicht so, dass die Diskussion über eine Reform des Föderalismus neu wäre. Seit den 70er-Jahren klagen Experten über die lähmende Politikverflechtung. Zahllose Kommissionen haben getagt, den Reformbedarf aufgezeigt und mögliche Lösungen niedergeschrieben. Getan hat sich nichts, denn selbst die Föderalismusdiskussion steckt in der parteipolitischen Blockade fest. Vor allem die CDU-regierten Länder fordern mehr föderalen Wettbewerb, die rot-grüne Bundesregierung tendiert hingegen zu mehr gesamtstaatlichen Regelungen. (Würde die CDU in Berlin regieren, wäre es vermutlich genau andersherum.) Dabei liegen die Alternativen gar nicht so weit auseinander, denn wichtig sind vor allem klare Zuständigkeiten.

      Der Schlüssel zu einer Föderalismusreform ist eine neue Finanzverfassung. Warum soll der Bundesrat nicht über die Steuern entscheiden, die dann allein den Ländern zugute kommen. Dafür reden sie dann dem Bund bei seinen Steuern und hoheitlichen Aufgaben nicht länger herein. Die Länder bekämen wieder mehr Entscheidungsbefugnisse und müssten dafür allerdings bundespolitische Macht abgeben.

      Hinzu müsste das Konnexitätsprinzip wieder stärker zur Geltung kommen: Wer staatliche Leistungen beschließt, bezahlt sie auch. Gemeinschaftsaufgaben würden abgeschafft. Dann gäbe es wieder klare Zuständigkeiten und zuordenbare politische Verantwortung.

      Natürlich funktioniert föderaler Wettbewerb nur mit gemeinsamen Zielen und finanzieller Solidarität der reichen gegenüber den armen Ländern. Aber dafür reicht es, etwa Bildungsziele, Grenzen der Steuerbelastung oder Leitlinien für die Sozialpolitik festzulegen. Hinzu käme ein regelmäßiges Benchmarking, damit sich tatsächlich die besten Ideen in allen Ländern durchsetzen - und über diese Ideen hätten die Wähler dann abzustimmen. Somit wäre eine Landtagswahl wieder eine Landtagswahl und eine Bundestagsmehrheit eine Bundestagsmehrheit.

      CHRISTOPH SEILS

      taz Nr. 6931 vom 16.12.2002, Seite 13, 245 Zeilen (Kommentar), CHRISTOPH SEILS,
      Avatar
      schrieb am 23.12.02 00:49:30
      Beitrag Nr. 275 ()
      Ruf nach Neuwahlen wird lauter



      Die Deutschen sind von Rot-Grün dermaßen wenig erbaut, dass sie mehrheitlich für Neuwahlen schon im nächsten Jahr plädieren. 53 Prozent sind für so einen Schritt, wie die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf eine Umfrage des Institutes Infratest Dimap meldete.m
      44 Prozent sprachen sich dagegen aus.

      Besonders bei den Frauen büßte Rot-Grün an Ansehen ein: Von den weiblichen Befragten würden 56 Prozent Neuwahlen begrüßen. Enttäuscht über die Regierung sind vor allem Freiberufler und Selbstständige. In dieser Gruppe plädierten 67 Prozent für Neuwahlen.

      Selbst im Lager der Koalition zeigt sich der Wunsch nach Neubestimmung der Mehrheitsverhältnisse. 25 Prozent der Befragten, die sich als Anhänger der Grünen bekannten, würden Neuwahlen schon nächstes Jahr begrüßen.

      22.12.02, 10:09 Uhr focus.de
      Avatar
      schrieb am 07.01.03 23:19:24
      Beitrag Nr. 276 ()
      PHOENIX, Sa, 11.01.03, 23.15 Uhr


      Inszenierung von Politik im permanenten Wahlkampf
      Es ist Wahlkampf in Deutschland. Und zwar permanent. Gezielt inszenieren Politiker ihr öffentliches Erscheinen für die Bedürfnisse der Mediengesellschaft. Die Folge: Das Fernsehen vereinnahmt die Politiker - und umgekehrt. Die Pointe ersetzt die Argumentation. An Stelle der Überzeugung tritt der Effekt. Der Film blickt auf die Kulissen der politischen Kommunikation, beschreibt die neuen Herausforderungen der Mediendemokratie.

      FDP-Chef Guido Westerwelle reist mit dem "Guidomobil" durch Deutschland. Edmund Stoiber tritt mit Tochter Constanze bei "Bio" auf. Kanzler Schröder sucht die Nähe von Rudi Völler. Jürgen Trittin witzelt mit Harald Schmidt um die Wette. Finanzminister Eichel fährt mit dem Fahrrad zur Haushaltsdebatte. Und Roland Koch haut zu fest mit der Faust auf den Tisch.

      Zu "Politainment"-Strategien im andauernden Wahlkampf gibt es längst keine Alternative mehr. Beteiligen sich Politiker nicht am medialen Schaulaufen, werden sie nicht wahrgenommen. Allerdings: Richten Politiker ihr Handeln zu sehr nach den Anforderungen der Unterhaltungsindustrie, müssen sie sich Regeln unterwerfen, die nicht von ihnen stammen. Am Ende bleibt möglicherweise nicht nur der Politiker auf der Strecke, sondern auch die Politik.

      Stephan Lamby und Klaus Radke sprachen für den Film mit Personen, die das Handwerk von Inszenierungen beherrschen, aber selbst keine Politiker sind, darunter ein Medienberater, eine Regierungssprecherin und eine Publizistin, ein Filmregisseur, ein Pop-Musiker und ein Theaterregisseur.

      Filn von Stephan Lamby und Klaus Radke (2002)
      Avatar
      schrieb am 08.01.03 11:29:12
      Beitrag Nr. 277 ()
      Sozialabgaben in Prozent des
      Bruttoarbeitsentgelts
      1991 35,3 Kohl ist schon einige Jahre am Ruder
      1992 36,5
      1993 37,2
      1994 39,0
      1995 39,2
      1996 40,1
      1997 41,9
      1998 42,1 Rekord unter Kohl
      1999 41,3 SPD / Grüne treten (Ende 1998) an
      2000 41,1
      2001 40,9
      2002 41,3
      2003 42,0
      Quelle: Statistisches Bundesamt, siehe SZ, 25.9.2002


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      CDU-Generalsekretärin Angela Merkel warf der Regierung ein "Steuerchaos" vor. Münchner Merkur, 22.Mai 1999, S.1. Da die neue Regierung noch kaum Gesetze erlassen hat, trifft dies voll das Erbe Kohl/Waigels. Frau Merkel kann nicht verlangen, daß Schröder/Eichel innerhalb von sechs Monaten das Chaos entwirren können.
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      Bundeskanzler Helmut Kohl schaffte den Tag der deutschen Einheit, Gedenktag für den 17.Juni 1953, ab.
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      "Die CDU hat eine kritische Bilanz des bisherigen Verlaufs der inneren Einigung gezogen und dabei auch eigene Versäumnisse zugegeben. ... Die Leistungen von Altbundeskanzler Helmut Kohl werden im Gegensatz zu früheren Gelegenheiten in der CDU mit keinem Wort erwähnt." Süddeutsche Zeitung 15.Mai 1999, Seite 6. Nach Ablauf der Regierungspropaganda gibt es auch nichts mehr zu berichten: Kohls Leistung beim Aufkauf der DDR war überaus kläglich. Jeder Stammtischpolitiker hätte es besser gemacht.
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      "Die Finanzierung der Einheit war unsolide. Es wurden Schulden gemacht, Lasten übernommen und die Sozialkassen als Verschiebebahnhof benutzt." Hans Eichel, Finanzminister über Kohls folgenschwersten Mist. Münchner Merkur 5.Mai 1999, Seite 4. Im Klartext: die DDR wurde zu teuer eingekauft, die Sozialkassen wurden geplündert.
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      Verschuldungsstaat: von 0,3 Billionen DM (1982) zockten Kohl, Waigel & Co. die Schulden auf 1,5 Billionen (Ende 1998). Münchner Merkur 5.Mai 1999, Seite 4. Politikern fehlt die Vorstellung für Zahlen jenseits ihrer Diäten.
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      "... zwischen 1990 und 1999 ... Tatsache ist aber, daß den Unternehmen in diesem Zeitraum Belastungen zusätzlich aufgebürdet wurden, die die Entlastungen um mehr als 20 Milliarden Mark überstiegen." Anzeige des Verbands der Chemischen Industrie, Süddeutsche Zeitung, 29.April 1999, Seite 14. Den größten Anteil an diesem Zeitraum hatte die Regierung Helmut Kohls.

      die schulden verfünfacht, (so das heutige reformen kaum möglich sind, denn die kosten anfangs geld) ein steuerchaos hinterlassen - die wirklichen totengräber sind gottseidank in der opposition - und haben dort die große schnauze als wären sie die größten gewesen! - und die wahllügen hat der helmut doch erst erfunden-blühende landschaften, arbeitslosigkeit halbieren,aber soli einführen, mehrwertsteuer erhöhen,benzin um mehr als 20 pfennige....-danke liebe cdu und dank deinen blinden anhängern.

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      CDU-Generalsekretärin Angela Merkel warf der Regierung ein "Steuerchaos" vor. Münchner Merkur, 22.Mai 1999, S.1. Da die neue Regierung noch kaum Gesetze erlassen hat, trifft dies voll das Erbe Kohl/Waigels. Frau Merkel kann nicht verlangen, daß Schröder/Eichel innerhalb von sechs Monaten das Chaos entwirren können.
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      Bundeskanzler Helmut Kohl schaffte den Tag der deutschen Einheit, Gedenktag für den 17.Juni 1953, ab.
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      "Die CDU hat eine kritische Bilanz des bisherigen Verlaufs der inneren Einigung gezogen und dabei auch eigene Versäumnisse zugegeben. ... Die Leistungen von Altbundeskanzler Helmut Kohl werden im Gegensatz zu früheren Gelegenheiten in der CDU mit keinem Wort erwähnt." Süddeutsche Zeitung 15.Mai 1999, Seite 6. Nach Ablauf der Regierungspropaganda gibt es auch nichts mehr zu berichten: Kohls Leistung beim Aufkauf der DDR war überaus kläglich. Jeder Stammtischpolitiker hätte es besser gemacht.
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      "Die Finanzierung der Einheit war unsolide. Es wurden Schulden gemacht, Lasten übernommen und die Sozialkassen als Verschiebebahnhof benutzt." Hans Eichel, Finanzminister über Kohls folgenschwersten Mist. Münchner Merkur 5.Mai 1999, Seite 4. Im Klartext: die DDR wurde zu teuer eingekauft, die Sozialkassen wurden geplündert.
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      Verschuldungsstaat: von 0,3 Billionen DM (1982) zockten Kohl, Waigel & Co. die Schulden auf 1,5 Billionen (Ende 1998). Münchner Merkur 5.Mai 1999, Seite 4. Politikern fehlt die Vorstellung für Zahlen jenseits ihrer Diäten.
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      "... zwischen 1990 und 1999 ... Tatsache ist aber, daß den Unternehmen in diesem Zeitraum Belastungen zusätzlich aufgebürdet wurden, die die Entlastungen um mehr als 20 Milliarden Mark überstiegen." Anzeige des Verbands der Chemischen Industrie, Süddeutsche Zeitung, 29.April 1999, Seite 14. Den größten Anteil an diesem Zeitraum hatte die Regierung Helmut Kohls.

      die schulden verfünfacht, (so das heutige reformen kaum möglich sind, denn die kosten anfangs geld) ein steuerchaos hinterlassen - die wirklichen totengräber sind gottseidank in der opposition - und haben dort die große schnauze als wären sie die größten gewesen! - und die wahllügen hat der helmut doch erst erfunden-blühende landschaften, arbeitslosigkeit halbieren,aber soli einführen, mehrwertsteuer erhöhen,benzin um mehr als 20 pfennige....-danke liebe cdu und dank deinen blinden anhängern.

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      CDU-Generalsekretärin Angela Merkel warf der Regierung ein "Steuerchaos" vor. Münchner Merkur, 22.Mai 1999, S.1. Da die neue Regierung noch kaum Gesetze erlassen hat, trifft dies voll das Erbe Kohl/Waigels. Frau Merkel kann nicht verlangen, daß Schröder/Eichel innerhalb von sechs Monaten das Chaos entwirren können.
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      Bundeskanzler Helmut Kohl schaffte den Tag der deutschen Einheit, Gedenktag für den 17.Juni 1953, ab.
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      "Die CDU hat eine kritische Bilanz des bisherigen Verlaufs der inneren Einigung gezogen und dabei auch eigene Versäumnisse zugegeben. ... Die Leistungen von Altbundeskanzler Helmut Kohl werden im Gegensatz zu früheren Gelegenheiten in der CDU mit keinem Wort erwähnt." Süddeutsche Zeitung 15.Mai 1999, Seite 6. Nach Ablauf der Regierungspropaganda gibt es auch nichts mehr zu berichten: Kohls Leistung beim Aufkauf der DDR war überaus kläglich. Jeder Stammtischpolitiker hätte es besser gemacht.
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      "Die Finanzierung der Einheit war unsolide. Es wurden Schulden gemacht, Lasten übernommen und die Sozialkassen als Verschiebebahnhof benutzt." Hans Eichel, Finanzminister über Kohls folgenschwersten Mist. Münchner Merkur 5.Mai 1999, Seite 4. Im Klartext: die DDR wurde zu teuer eingekauft, die Sozialkassen wurden geplündert.
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      Verschuldungsstaat: von 0,3 Billionen DM (1982) zockten Kohl, Waigel & Co. die Schulden auf 1,5 Billionen (Ende 1998). Münchner Merkur 5.Mai 1999, Seite 4. Politikern fehlt die Vorstellung für Zahlen jenseits ihrer Diäten.
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      "... zwischen 1990 und 1999 ... Tatsache ist aber, daß den Unternehmen in diesem Zeitraum Belastungen zusätzlich aufgebürdet wurden, die die Entlastungen um mehr als 20 Milliarden Mark überstiegen." Anzeige des Verbands der Chemischen Industrie, Süddeutsche Zeitung, 29.April 1999, Seite 14. Den größten Anteil an diesem Zeitraum hatte die Regierung Helmut Kohls.

      die schulden verfünfacht, (so das heutige reformen kaum möglich sind, denn die kosten anfangs geld) ein steuerchaos hinterlassen - die wirklichen totengräber sind gottseidank in der opposition - und haben dort die große schnauze als wären sie die größten gewesen! - und die wahllügen hat der helmut doch erst erfunden-blühende landschaften, arbeitslosigkeit halbieren,aber soli einführen, mehrwertsteuer erhöhen,benzin um mehr als 20 pfennige....-danke liebe cdu und dank deinen blinden anhängern.[] rekordabgaben bei cdu/fdp - schon vergessen?
      Avatar
      schrieb am 10.01.03 19:06:44
      Beitrag Nr. 278 ()
      DIE ZEIT

      Politik 32/2002

      Die Spuren des Kanzlers, verweht


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      Vor zwei Jahren reiste Gerhard Schröder durch den Osten. Nicht alles wollte er ändern, aber vieles besser machen. Was wurde aus den Orten, die er besuchte?

      von Toralf Staud

      Eggesin, Mecklenburg-Vorpommern Irgendwie dachten die Leute in Eggesin, es hätte etwas zu bedeuten, wenn der Herr Bundeskanzler zu Besuch kommt. Wenn Gerhard Schröder mit dem Hubschrauber heranschwebt, den Bundeswehrstandort Eggesin lobt und seinen "Dank und Respekt" ausdrückt für alles, was hier geleistet worden ist. Schröder versprach nichts damals, aber von "hinreichender Sicherheit" für den Erhalt der Kasernen war doch die Rede. Und Rudolf Scharping, der neben ihm stand, nickte. Lange ist das her, zwei Jahre. Vor vier Wochen wurde die Vorpommern-Kaserne in Eggesin geschlossen. In Kürze ziehen auch aus der zweiten, riesigen Kaserne am Ort die Soldaten ab. Bundeswehrreform. Der Bürgermeister hat protestiert, hat Petitionen geschrieben, vor dem Reichstag demonstriert. Ohne Erfolg.

      Vor 50 Jahren hatten die ersten Einheiten der späteren NVA hier, ganz im Nordosten der DDR, ihre Quartiere ins Unterholz geschlagen. Bis zu 20 000 Soldaten wurden in Eggesin gedrillt. Der Standort war der Albtraum aller Wehrpflichtigen, "die Stadt der drei Meere: Sandmeer, Kiefernmeer, gar nichts mehr". 1990 kam die Bundeswehr, investierte mehr als hundert Millionen Mark. Sie wurde größter Arbeitgeber in Eggesin, größter Lehrbetrieb, größter Auftraggeber für das örtliche Handwerk. Zuletzt waren hier 1800 Soldaten stationiert. Vorbei.

      Die offizielle Arbeitslosenquote liegt schon jetzt über 25 Prozent. Im Gewerbegebiet blüht die Schafgarbe, Pferde weiden zwischen ein paar Baracken. Am Stadtrand verrotten Plattenbauten: fünf Stockwerke leere Fensterhöhlen, in den Zimmern noch geblümte Tapete. Auf dem früheren Wäscheplatz trinken vier Jugendliche Dosenbier. Sie erzählen, die Fenster seien ausgebaut und ins Kosovo gebracht worden.

      Wenigstens die Kasernen im benachbarten Torgelow bleiben, dort wird auch weiter investiert. In Eggesin versucht Andreas Rollinger unterdessen, die Erinnerung an bessere Zeiten zu bewahren. In einer Dachkammer stellt er Uniformen der NVA aus, Schulterstücke, einen vorschriftsmäßig aufgeräumten Spind. Gerade hat er das Traditionskabinett der 9. NVA-Panzerdivision übernommen. Sein Vater war dort Offizier. Jetzt sitzt der 25-Jährige zwischen Panzermodellen, einem geschnitzten Soldaten, einem Häkeldeckchen mit Hammer und Zirkel. Er sagt: "Ein anständiges Armeemuseum ist das Einzige, worauf Eggesin setzen kann."

      Teterow, Mecklenburg-Vorpommern Die Stahlhaut der Werkhallen glänzt in der Sonne, und in der getönten Glasfassade des Bürotraktes spiegeln sich die Wolken. Im Foyer warten Besucher in Sesseln aus schwarzem Leder. Bei der PlasmaSelect AG, dem Mecklenburger Vorzeigeunternehmen aus der Bio-Tech-Branche, sieht alles aus wie vor zwei Jahren - bis auf den Börsenkurs. 2,30 Euro ist die Aktie noch wert, 173 Euro waren es einmal.

      "Kursverlauf und Unternehmensqualität haben nichts miteinander zu tun", sagt PlasmaSelect-Vorstand Karl-Heinz Rickers. Im August 2000 war dergleichen nicht von ihm zu hören. Das war die Zeit, als am Neuen Markt in Frankfurt Geld gedruckt wurde. Als der Kanzlerbesuch die Aktie innerhalb eines Tages von 45 auf 53,80 Euro hoch schießen ließ. Um irrsinnige 101 Millionen Euro stieg der Börsenwert des Unternehmens, als Gerhard Schröder zur Laborbesichtigung einen weißen Kittel und eine Kopfbedeckung überzog, die aussah wie eine Duschhaube, und es in dieser Verkleidung auf allen Fernsehkanälen in die Nachrichten schaffte.

      Eine junge, blonde Finanzchefin hielt damals einen flotten Vortrag über "die Mission" von PlasmaSelect, über die kolossalen Leistungen ihrer Blutwäschemaschinen, die "ein Blockbuster" sein werde nach der Anerkennung durch die Krankenkassen, die ganz kurz bevorstehe. Schröder brachte die Frau mit zotigen Herrenwitzen aus dem Konzept. Vor den Kameras lobte er die "großartige" Firma als "Leuchtturm in der Region" und betonte, "wie wichtig es ist, dass Deutschland bei der Biotechnologie dabei ist".

      Die Frau hat das Unternehmen längst verlassen. Das Verfahren zur pauschalen Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist bis heute nicht abgeschlossen. Karl-Heinz Rickers gibt zu, man habe "manchmal Dinge getan, die zu schnell waren". Im Herbst 2000 mussten die Prognosen korrigiert werden, die Firma machte Millionenverluste, Dutzende Mitarbeiter verloren ihre Jobs. Im Sommer 2001 erwarb PlasmaSelect eine Firma, die Infusions-, Nähr- und Spüllösungen für Krankenhäuser herstellt - überhaupt nicht sexy, aber profitabel. Seither sind die Anlagen in Teterow ausgelastet, und mit den Gewinnen kann PlasmaSelect die Blutwäscheforschung in aller Ruhe fortsetzen.

      Vor ein paar Wochen gab es sogar wieder vier Neueinstellungen.

      Waren, Mecklenburg-Vorpommern Die Besitzerin der Boutique erinnert sich noch gut, wie sich vor zwei Jahren der Kanzlertross an ihrem Schaufenster vorbeischob. Was war das für ein Gewimmel damals. Die Leute rissen Schröder die Autogrammkarten aus den Händen. Der Kanzler strahlte mit der Sonne um die Wette, so hoch war die Woge der Sympathie in jenem Sommer, dass er verwundert im Pressebus stand und sagte: "Diese Herzlichkeit, die ist schon überraschend."

      Unten am Hafen von Waren hielt Schröder damals eine Kundgebung. Tausende klatschten freudig, als er die Ostler dafür lobte, "dass sie nicht verzweifelt sind, sondern angepackt haben". Heute ist Waren noch schöner. Noch mehr Häuser sind renoviert, Yachten schaukeln am Pier, eine Spielbank wird dieser Tage eröffnet. Die Stadt ist voll, der Tourismus boomt, Mecklenburg-Vorpommern macht Schleswig-Holstein die Urlauber streitig. Die Lage besser als vor zwei Jahren - nur Schröder-Fans sucht man vergeblich.

      Die Boutiquenbesitzerin hat 1998 "den Wechsel" gewählt. Jetzt hält sie "die Politiker" alle für "verlogen" und "korrupt". Im Tordurchgang zum Hinterhof hängt ein großes Farbfoto vom Schröder-Besuch: der Kanzler vor Fachwerkkulisse. Ein Stadtführer weist Touristen auf das Bild hin. Bald hänge dort dieser Bayer, sagt einer. "Ach, der Stoiber", antwortet mürrisch eine Frau.

      Dessau, Sachsen-Anhalt Die Stele im Dessauer Stadtpark ist aus rotem Quarzporphyr. Vor dem Stein stehen drei Blumenschalen, eine erloschene Kerze, sechs ausgebrannte Teelichter. Ein Kranz von der PDS liegt da, auf der roten Schleife die Aufschrift "In stillem Gedenken". In den Stein sind zwei Blüten gemeißelt, die Fläche für eine Widmung ist poliert und - leer. Dass dies der Gedenkstein für Alberto Adriano sein soll, den Mosambikaner, der hier im Juni 2000 von Jungnazis zu Tode geprügelt wurde, das wird nirgends verraten. Vor zwei Jahren legte Schröder hier Blumen nieder, außerhalb des offiziellen Programms, weil bei der Planung der Reise niemand ahnte, dass ein paar Wochen später alle Welt das Thema Rechtsextremismus plötzlich ganz wichtig finden würde.

      Hat der Kanzlerbesuch etwas verändert im öffentlichen Klima der Stadt? "No", sagt Alfred Krüger. "Das war eine Pflichtübung", meint Günter Donath, "aber besser, als wenn sie nicht stattgefunden hätte". Krüger und Donath gehören zum Dessauer Bündnis gegen Rechtsextremismus. 1998 hat sich die Gruppe gegründet: eine Hand voll Leute von linksautonom bis gutbürgerlich. Der Aufstand der Anständigen ist in Dessau eine Kleinveranstaltung geblieben. Weiterhin werden regelmäßig Ausländer und Nichtrechte angegriffen. Die örtliche Nazikameradschaft traut sich, offen aufzutreten. Der Oberbürgermeister betont, die Jungs, die Adriano erschlugen, seien ja nicht aus Dessau gewesen. Trotz etlicher Nachfragen verrät im Rathaus niemand, wann die rote Porphyrstele endlich eine Widmung bekommt.

      Wolfen, Sachsen-Anhalt Zwei Termine hatte der Kanzler in Wolfen, er besuchte den Fußballclub Grün-Weiß und die ORWO Media GmbH. Der Fußballverein ist nicht Pleite gegangen. Das neue Stadion, damals im Bau, ist inzwischen fertig. Stolz zeigt Pressesprecher Lothar Schwarz das Gelände. "Alles ABM", sagt er. Das Tribünendach strahlt in frischem Weiß, der Rasen ist picobello gestutzt. An den Wegen stehen Koniferen und Strauchrosen, der Rindenmulch zwischen den Pflanzen riecht nach Pestiziden. "Das ist das schönste Stadion zwischen Dessau, Halle und Leipzig", sagt Schwarz.

      Die ORWO Media GmbH hat vor vier Wochen Insolvenz angemeldet. Der Mutterfirma PixelNet, einst ein umjubelter Star am Neuen Markt, ist das Geld ausgegangen. Zu DDR-Zeiten exportierte das ORWO-Kombinat in alle Welt. 15 000 Menschen arbeiteten dort, heute beschäftigt die Nachfolgefirma noch knapp hundert. Sie fertigen Filme, entwickeln Fotos, digitale Bilder werden per Internet versandt. Die Technik ist hochmodern, der Kanzler war erfreut. Seine Reiseplaner hatten ihm im Sommer 2000 die High Flyer des Ostens zeigen wollen: Zum Beispiel PixelNet oder den Luftschiffbauer Cargolifter in Brandenburg. Beide sind abgestürzt. Viele Unternehmen, die damals nicht spektakulär genug waren, stehen heute erheblich besser da.

      Volkard Frenzel, ein Anwalt aus Halle an der Saale, ist der vorläufige Insolvenzverwalter. Er ist spezialisiert auf Konkurse. Es gibt viel zu tun in der Region. Für ORWO, sagt Frenzel, gebe es bereits sieben Interessenten. Schließlich arbeite das Unternehmen rentabel, "wir sind voller Zuversicht".

      Petra Wust, die amtierende Oberbürgermeisterin von Wolfen, sagt: "Eine Insolvenz ist immer auch eine Chance für einen Neuanfang." Sie verwaltet eine Stadt, die in den letzten Jahren Zehntausende von Arbeitsplätzen und fast die Hälfte ihrer Einwohner verloren hat. Tapfer preist sie die idealen Investitionsbedingungen: Brachflächen en gros, Autobahn und Flughafen vor der Tür. "Im Moment ist die Wirtschaft unten. Es muss aber wieder aufwärts gehen, das war in der Vergangenheit ja immer so."

      Die Frau würde dem Kanzler gefallen.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 05:56:23
      Beitrag Nr. 279 ()
      Kaiser, Kanzler und James Bond
      Welcher Reiz könnte darin liegen, mit Gerhard Schröder zu tauschen? Auf seiner Jahresauftakt-Pressekonferenz spielt der Kanzler ein vertrautes Spiel mit den Journalisten, bewegt sie aber immerhin dreimal zu einem "Oh, das war aber neu"-Ausruf

      aus Berlin JENS KÖNIG
      Dieser Tage hat GQ, Zentralorgan für alle Angelegenheiten des Mannes von Welt, herausfinden lassen, mit welchem Prominenten die Männer in Deutschland am liebsten tauschen würden. Platz 1: Franz Beckenbauer, Kaiser. Platz 2: Pierce Brosnan, James Bond der Jahre 1995 bis 2003. Platz 3: Gerhard Schröder, Bundeskanzler mit schlechtem Start in seine erste und zweite Amtszeit. Es hat in den letzten zehn Jahren mit Sicherheit kein vernichtenderes Urteil über den deutschen Mann an sich gegeben als diese Fachumfrage.

      Was, bitte schön, könnte einen Mann mit, sagen wir, durchschnittlichem Aussehen und gesundem Menschenverstand daran reizen, eine Jahresauftakt-Pressekonferenz in Berlin zu geben, in der 250 Hauptstadt-Korrespondenten Fragen stellen, deren Antworten sie schon zu kennen glauben, und auf der man als Gerhard Schröder Antworten gibt, von denen man glaubt, dass die routiniert funktionierenden Journalisten sie mit einem "Oh, das war aber neu" registrieren?

      Andererseits, was reizt den echten Gerhard Schröder daran, dass er sich diese komische Veranstaltung sogar selbst aussucht? Bisher hat er in seiner Amtszeit als Kanzler nur Jahresend-Pressekonferenzen oder Sommerauftakt-Pressekonferenzen oder Zwischenbilanz-Pressekonferenzen abgehalten. Jetzt also an diesem Dienstagvormittag eine Jahresauftakt-Pressekonferenz, und das liegt ja vielleicht auch nahe, wenn man als Bundeskanzler schon zum zweiten Mal den Start seiner eigenen Regierung versaut hat und jetzt so tun muss, als beginne mit dem neuen Jahr auch ebendiese Regierung noch mal von vorn. So ungefähr wie 1999 nach Lafontaine. Das Schinden dieses Eindrucks ist natürlich umso wichtiger, wenn man 2003 einiges vorhat, in diesem "wichtigen Jahr weit reichender Reformanstrengungen", wie der Kanzler sich gekonnt ausdrückt.

      :laugh:

      So gesehen hat für den echten Gerhard Schröder diese Veranstaltung einen ganz besonderen Reiz, der sich auf die Gerhard-Schröder-Tauschpartner möglicherweise ja doch überträgt. Es ging dem Kanzler ja auch runter wie Öl (Körpersprache: lässig, Mimik: nur nichts anmerken lassen), dass er die Journalisten immerhin dreimal zu einem "Oh, das war jetzt aber neu"-Ausruf bewegen konnte. Er sprach sich erstmals öffentlich für eine zweite UN-Resolution zum Irak aus, er unterstützte längere Inspektionen der UN-Waffenkontrolleure, und er beendete im Vorbeigehen die Neuverschuldungsdiskussion ("keine reale Grundlage"), die sein Superminister Wolfgang Clement erst zwei Tage zuvor losgetreten hatte.

      Der Rest war Feuilleton. Und der Beweis, dass der Kanzler der Ausgabe 2003 sich fest vorgenommen hat, wieder besser gelaunt zu sein. Selbst die Frage eines britischen Journalisten nach der angeblichen Krise in Schröders Ehe bewältigte dieser souverän. "Wie gehts denn in Ihrer?", fragte er zurück. Als der Reuters-Mann "Gut!" geantwortet hatte, setzte der Kanzler zu einem kleinen Vortrag über Respekt vor der Intimsphäre von Politikern an, der in dem Bekenntnis gipfelte, dass es sehr wohl das Recht gebe, über das Privatleben von Politikern zu berichten. "Es gibt aber kein Recht zu lügen." Diesen Satz wird die Union nicht vergessen.

      Wer jetzt immer noch nicht weiß, ob sich ein Tausch mit Gerhard Schröder lohnt - gemach, gemach. Der Kanzler hat gestern angekündigt, dass er möglicherweise auch für eine dritte Amtszeit kandidieren wird.

      taz Nr. 6954 vom 15.1.2003, Seite 6, 114 Zeilen (TAZ-Bericht), JENS KÖNIG
      Avatar
      schrieb am 17.01.03 05:45:35
      Beitrag Nr. 280 ()
      Von AWACS-RAdarleitstellen werden die Bombereinsätze der USA geflogen werden.
      Schröder ist bereits eingeknickt und will sich am Krieg beteiligen - aber aktive Teilnahme unserer Soldaten bei der Einsatz-Leitung der Bomber ist kein Krieg - für wie dumm hält uns der Schröder und der dreiste Beck? :mad:


      CDU/CSU: Schröder macht beim Krieg mit
      Awacs-Einsatz erfordert Bundestagsmandat, sagt die Union. Der Kanzler will die Abstimmung unbedingt vermeiden


      BERLIN taz Einen Tag nachdem die USA im Nato-Hauptquartier die Nutzung von Awacs-Flugzeugen für den Fall eines Irakkriegs beantragt haben, gerät die Koalition unter Druck. Die Unionsfraktion im Bundestag kündigte gestern an, für den Einsatz deutscher Soldaten an Bord der Überwachungs- und Kommandoflugzeuge auf einem Parlamentsbeschluss zu bestehen, selbst wenn die Maschinen nur über Bündnisgebiet zum Einsatz kommen. "Ein Awacs-Einsatz über der Türkei im Fall eines Irakkriegs ist eine Sache des Bundestages", sagte der CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger der taz. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte am Dienstag erklärt, für ihn liege die Grenze zu einer Kriegsbeteiligung "da, wo eine Regierung in den Deutschen Bundestag müsste".

      Der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sprach darum von einem "durchsichtigen Versuch der Union, der Koalition eine Kriegsbeteiligung unterzuschieben". CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer hatte auf taz-Nachfrage bereits bei der Vorstandsklausur seiner Partei am Samstag erklärt: "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir für Awacs einen Bundestagsbeschluss brauchen."
      " PATRIK SCHWARZ

      inland SEITE 6
      taz Nr. 6956 vom 17.1.2003, Seite 1, 42 Zeilen (TAZ-Bericht), PATRIK SCHWARZ
      Avatar
      schrieb am 22.01.03 09:27:19
      Beitrag Nr. 281 ()
      Wie kann man nur so blöd sein?

      Gerhard Schröder zog gegen die Verbreitung von Ehegerüchten vor Gericht. So blöd kann man nur sein, wenn man den Bezug zur Realität verloren hat

      von BETTINA GAUS
      Sie galten als Traumpaar - nun sind sie getrennt. "Es war super schwierig, unsere Terminpläne aufeinander abzustimmen", sagt er dazu. "Wir konnten uns kaum sehen und wenn, waren wir beide total gestresst." Die Rede ist nicht vom Ehepaar Schröder. Dessen Anwalt Michael Nesselhauf kann sich entspannt zurücklehnen. Es geht um Vanessa von den No Angels und Giovanni von BroSis. Aber es hätten doch die Schröders sein können, oder?

      Nein, keineswegs. Deren Beziehung ist sehr glücklich. Sagen beide. Die Ehefrau hat Details gerade erst zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit dem Stern erzählt. Der Ehemann ließ vor ein paar Monaten sogar bundesweit gemeinsame Fotos als Plakate aufhängen und behauptete liebevoll, wenngleich unzutreffend: "Meine Frau hat eine eigenständige Rolle im Wahlkampf."

      Schön, dass die beiden uns alle an ihrer Liebe teilhaben lassen. Dafür sollten wir uns dankbar erweisen und akzeptieren, dass Leute, die offenherzig über ihr Privatleben plaudern, doch wenigstens die Grenzen selbst bestimmen dürfen. Wenn sich manche Medien an diese Spielregel nicht halten wollen, dann müssen sie dazu gezwungen werden. So einfach ist das.

      So einfach ist das eben nicht. Der Löwe lässt sich nicht ungestraft am Schwanz ziehen. Die Preisgabe scheinbarer Intimitäten mag gelegentlich Wettbewerbsvorteile im Kampf um die Publikumsgunst erbringen - risikolos ist sie niemals. Politiker und Medien haben von jeher versucht, sich gegenseitig zu instrumentalisieren. Inzwischen sollten beide Seiten wissen, dass dieser Weg keine Einbahnstraße ist.

      Es ist nicht wahr, dass Medien die Grenzen des Persönlichkeitsrechts generell nicht mehr akzeptieren. Über das Privatleben der großen Mehrheit des politischen Führungspersonals ist nach wie vor fast nichts bekannt. Grund zur Klage haben nur diejenigen, die einen gelegentlichen Blick durchs Schlüsselloch gerne erlauben, wenn sie aufgeräumt haben. Und die sich dann wundern, dass sie gerade damit Neugier auf unordentliche Verhältnisse wecken.

      Selbstverständlich dürfen Zeitungen nicht lügen, und natürlich haben auch Personen des öffentlichen Lebens einen Anspruch auf den Schutz ihrer Privatsphäre. Deshalb gibt es entsprechende Gesetze. Aus guten Gründen ist auch Ruhestörung verboten. Trotzdem kann niemand Nachbarn leiden, die selbst gerne lärmen, aber beim ersten Ton aus der Nachbarwohnung sofort die Polizei rufen.

      Ob jemand als Prozesshansel oder als Opfer erscheint, hängt von dessen eigenem Verhalten und von der Höhe seiner Toleranzschwelle ab. Wo die bei Gerhard Schröder liegt, hat er letztes Jahr aktenkundig werden lassen. Da wehrte er sich mit juristischen Mitteln gegen die Unterstellung, er lasse seine Haare färben. Er hielt dieses Gerichtsverfahren offenbar für imagefördernd.

      Alle Prozesshansel haben eines gemeinsam: Sie können überhaupt nicht begreifen, wieso ihre Umgebung nicht zu erkennen vermag, dass sie schließlich nur ihr gutes Recht wahrnehmen. Wer das anders sieht, muss böswillig sein. Doris Schröder-Köpf hat im Zusammenhang mit der Berichterstattung über ihr Eheleben von einer "Kampagne" gegen ihren Mann gesprochen: "Die wollen den Gerd weghaben."

      Ja, vielleicht wollen das manche. Aber Gerüchte über Ehekrach und Affären bedienen zunächst einmal ein anderes Bedürfnis: Den uralten Wunsch nach guten Klatschgeschichten. Was braucht Klatsch, um gedeihen zu können? Nahrung. Was ist deshalb das Dümmste, was Leute tun können, über die geklatscht wird? Futter zu liefern.

      Es gibt entsetzliche, gemeine Unterstellungen, gegen die Betroffene sich kaum zur Wehr setzen können. Angebliche Beziehungskrisen gehören nicht dazu. Ein paar gut gelaunte gemeinsame Auftritte, amüsiertes Desinteresse an allen Tuscheleien - das wars. Aus die Maus. Nichts ist öder als die Beobachtung eines Ehepaares, das freundlich miteinander umgeht. Der Bundeskanzler hat sich für einen anderen Weg entschieden. Er sorgt selbst dafür, dass die Gerüchte über seine angebliche Ehekrise nicht mehr aus den Medien verschwinden. Gerichtsverfahren bieten viele Anlässe, um Geschichten wieder und wieder detailgetreu zu erzählen. Inzwischen könnten die Schröders den Weltrekord im Dauerküssen brechen - es nützte ihnen gar nichts mehr. Wie kann man bloß so blöd sein?

      So blöd kann man nur sein, wenn man in mancher Hinsicht den Bezug zur Realität verloren hat. Klatsch lässt sich nicht auf juristischem Weg aus der Welt schaffen, und ein Regierungschef, der bei unliebsamer Berichterstattung als Erstes an seinen Anwalt denkt, braucht sich nicht zu wundern, wenn ihm Sehnsucht nach dem Obrigkeitsstaat vorgeworfen wird.

      Was übrigens alles nichts daran ändert, dass die Berichte über das Eheleben der Schröders ärgerlich und überflüssig sind. Die guten wie die schlechten.

      taz Nr. 6960 vom 22.1.2003, Seite 6, 135 TAZ-Bericht BETTINA GAUS
      Avatar
      schrieb am 02.02.03 23:13:08
      Beitrag Nr. 282 ()
      Gerhard Schröder steht am Scheideweg


      Wahldesaster bringt den Kanzler in Not



      Von RÜDIGER SCHEIDGES


      Nach den schweren Niederlagen in Hessen und Niedersachsen stehen der Bundesregierung schwere Wochen bevor. Bundeskanzler Gerhard Schröder wird in der Partei für das Wahldesaster mit in die Verantwortung genommen. Die Opposition triumphiert mit historischen Siegen.
      BERLIN. Bereits um 17 Uhr verwandelten sich die Parteisoldaten im Willy-Brandt-Haus in echte Soldaten. Tapfer nahmen sie im kleinen Kreis in der Parteizentrale die ersten Umfrageergebnisse von Dimap entgegen: Totalverluste in Niedersachsen und Hessen. Die Berufsoptimisten an der Öffentlichkeitsfront, Generalsekretär Olaf Scholz und Fraktionschef Franz Müntefering, mussten nach der geschlagenen Schlacht Haltung zeigen – nachdem sie sich erst in die Furche geworfen hatten und sich dort lange Zeit vergruben. Haltung in der Niederlage, das war alles, was ihnen in Berlin angesichts der niederschmetternden Wahlpleite übrig blieb.

      Tapfer, aber hoffnungsarm gab Olaf Scholz dann in höchster Not den Durchhalteappell aus: „Die Regierung wird weitermachen!“ Sigmar Gabriel hatte da längst kapituliert: „Das ist doch klar: eine ganz, ganz schwere Niederlage.“ Und Schröder? „Der hat hier nicht kandidiert. Ich war der Spitzenkandidat.“ Dabei hatten er und Gerhard Schröder sich innerlich längst auf die Doppelniederlage in Niedersachsen und Hessen eingestellt. Da half es auch nichts mehr, dass der Parteichef und Kanzler am Mittwoch – schon in müder Tiefststimmung – in einem letzten Frontbefehl seine Truppen aufgefordert hatte, „noch mehr Disziplin“ zu zeigen. Vergeblich. Die Niederlage war total.

      Zwar wollten die Genossen noch am Sonntag kurz vor der Bekanntgabe des Ergebnisses den Prognosen nicht glauben: Die Umfragen zeigten ein historisches Tief der SPD. Nur noch 25 % Akzeptanz in der Bevölkerung – das würde zum Untergang führen. Und mit Glauben und Unglauben war es Sonntag spätestens um Punkt 18 Uhr dann auch vorbei. Gewissheit und Niedergeschlagenheit, dann auch kein bisschen Trost oder Hoffnung in der Parteizentrale. Die schlimmsten Befürchtungen waren eingetreten.

      Gerhard Schröder, das erwartet die Partei bibbernd, steht an einem Scheideweg. Seine Mannschaft in Berlin hat zu der Doppel-Niederlage erheblich beigetragen. Vielleicht hat sich der Kanzler auch schon längst entschieden, mutmaßten einzelne Genossen am Abend. Gesundheitsreform, Steuerreform, Mittelstandsinitiative, Lockerung des Kündigungsschutzes und Arbeitszwang für junge Erwachsene – mit diesen Ideen hatte Superminister Wolfgang Clement kurz vor den Wahlgängen für ein Supertief- Klima bei den Linken und Traditionellen in der Partei gesorgt. All dies droht nun neue Kakofonie, neuen Streit in die SPD zu tragen. „Bescheuerter geht es gar nicht mehr“, trotzte ein Juso nach der Bekanntgabe des Ergebnisses. „Wir haben doch alle, alle verprellt!“

      Selbst das Gespenst aus dem Saarland ging noch am Abend um. Oskar Lafontaine könnte jetzt wie der Phönix aus der Asche von Saarbrücken nach Berlin geflogen kommen, beunruhigten sich die Gemüter. „Alles kann passieren. Ich halte jetzt nichts für ausgeschlossen“, raunte ein intimer SPD-Kenner über seine Verlierer-Truppe. Aber eigentlich meinte er nur Schröder, zu dessen bislang finsterstem Karriere- Tiefpunkt der „Spiegel“ zu seiner Schmach rechtzeitig eine Ausgabe beisteuerte – die Titelgeschichte liest sich als ein einziger Nachruf auf den „einsamen Kanzler“. Und nicht nur das Magazin verhöhnt ihn. „Für Gerhard Schröder gilt ab sofort das Menetekel: gewogen und für zu leicht befunden“, urteilte barsch ein Genosse.

      Ganz anders die Union. Die war da längst in Champagner-Laune. Sogar die Niederlage der deutschen Handball-Mannschaft im WM-Finale konnte die Stimmung nicht vermiesen. Angela Merkel, die Chefin, kannte in Berlin nur Siegertypen: Roland Koch, ChristianWulff, natürlich sich selbst und auch Edmund Stoiber. Kleiner, feiner Unterschied: Während Roland Koch vor allem den Wählern in Hessen dankte, zollte Christian Wulff immer und immer wieder auch Angela Merkel und Laurenz Meyer seinen besten Dank. Merke: Auch die CDU hat ihre Parteisoldaten. Seit gestern einen gewichtigen mehr.


      HANDELSBLATT, Sonntag, 02. Februar 2003, 20:25 Uhr
      Avatar
      schrieb am 03.02.03 09:54:37
      Beitrag Nr. 283 ()
      Schröder verschlankt SPD
      Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen: Sozialdemokraten brechen dramatisch ein. Regierungswechsel in Hannover sicher.
      Koch vor absoluter Mehrheit. Grüne und FDP legen zu

      HANNOVER/WIESBADEN dpa/taz Doppelsieg für die CDU, Debakel für die SPD von Bundeskanzler Gerhard Schröder: Gut vier Monate nach dem knappen Erfolg von Rot-Grün im Bund ist die SPD bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen laut den Hochrechnungen dramatisch eingebrochen. Grüne und FDP konnten sich verbessern. Die FDP kehrte nach neun Jahren wieder in den Landtag in Hannover zurück.

      In Niedersachsen, dem Stammland von Schröder, zeichnete sich nach 13 Jahren SPD-geführter Regierung ein Machtwechsel ab. Die CDU mit Christian Wulff an der Spitze konnte nach den Hochrechnungen mit der absoluten Mehrheit der Sitze im Parlament rechnen. Gabriel erklärte, er wolle Oppositionsführer in Niedersachsen werden. "Der Ball ist rund, und das Rückspiel ist in fünf Jahren", sagte Gabriel. CDU-Wahlsieger Christian Wulff bezeichnete den Sieg seiner Partei als gerechtfertigt: "Wir werden zeigen, dass wir aus diesem Land mehr machen können."

      In der früheren SPD-Hochburg Hessen steuerte Regierungschef Roland Koch (CDU) auf eine absolute Mehrheit zu. Der Ministerpräsident sprach von einem "großen Tag für die CDU". Der Politiker erklärte: "Wir sind in 60 Jahren noch nie zu einem solchen Ergebnis gekommen. Dies ist der Beginn einer neuen Ära für die hessische CDU." Die SPD stürzte in Hessen auf ein historisches Tief. Der Spitzenkandidat der SPD, Gerhard Bökel, trat noch am Abend als Partei- und Fraktionschef der SPD zurück.

      Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat den Ausgang der Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen als "sensationellen Sieg" für die CDU gewertet. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber kündigte an, nun einen Politikwechsel in Deutschland erzwingen zu wollen. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz hat eine Mitverantwortung der Bundespolitik für die verheerenden Wahlniederlagen eingeräumt. Scholz kündigte an, im Bundesrat eine engere Zusammenarbeit mit der Union zu suchen. Die Parteichefin der Grünen, Angelika Beer, erklärte, die Wahlergebnisse "werden keineswegs Änderungen für den rot-grünen Reformkurs auf Bundesebene bedeuten". :rolleyes: Die Bedeutung der Resultate von Hessen und Niedersachsen spielte sie als "Zwischenergebnisse" herunter. FDP-Chef Guido Westerwelle sah den Kurs seiner Partei bestätigt. "Der Aufwärtstrend der Freien Demokraten geht ungebrochen weiter", erklärte er. :laugh:

      Für die Grünen bedeuten die Ergebnisse in etwa eine Bestätigung des Resultats der Bundestagswahl. Bei allen Landtagswahlen seit 1998 hatten sie Verluste verbucht - dieser Abwärtstrend wurde jetzt gestoppt.

      brennpunkt SEITE 3 und 4
      taz Nr. 6970 vom 3.2.2003, Seite 1, 91 Zeilen (TAZ-Bericht),
      Avatar
      schrieb am 03.02.03 18:14:29
      Beitrag Nr. 284 ()
      Schröder übernimmt "zentrale Verantwortung"

      Ohne wenn und aber hat Kanzler Schröder die Hauptverantwortung für die Wahlniederlagen seiner Partei in Niedersachsen und Hessen übernommen. Der SPD-Parteichef sprach von "einer der bittersten Niederlagen" seines politischen Lebens. Zwar hätten der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel und der hessische Spitzenkandidat Gerhard Bökel Mitschuld für den Wahlausgang übernommen. Die "zentrale Verantwortung" habe aber die Bundesregierung und damit er selbst.


      Keine personellen Veränderungen in der Parteispitze
      Das bedeutet aber nicht, dass der Kanzler seinen Platz räumen will: Auf die Frage, ob er an Rücktritt denke, sagte Schröder: "Ich denke nicht daran, und andere denken auch nicht daran." Es werde keine personellen Veränderungen in der Parteispitze geben. Die SPD sei personalpolitisch richtig aufgestellt. :laugh: Er werde Verantwortung übernehmen :laugh: , indem er seine Arbeit verstärke. [anm: NEEEEEIIIINNN!!!!! BIIITEEE NIIIIICHT!!! :cry: ] Alles andere wäre Flucht und keine Lösung, sagte der Kanzler. [ALso, flüchten tut er doch immer - aber es wäre die einzige Lösung mit seiner Beteiligung, die Sinn machen würde. Der sit ja bereits nach 4 JAhren wie Kohl erst nach 16 ... :eek: ]

      Zitate - "Wir haben den Kaiser noch nie verraten"

      Kanzler will mit der Union kooperieren
      Sein Angebot an die Union: Schröder will in wichtigen politischen Bereichen mit der Opposition zusammenarbeiten. Schon vor der Einleitung von Gesetzen wie zum Gesundheitssystem und zur Alterssicherung biete er ausdrücklich an, mit der Bundestagsfraktion der Union zu kooperieren, sagte der SPD-Chef. Er wolle die Bereitschaft von CDU und CSU, nach den Wahlsiegen in Niedersachsen und Hessen keine Blockadepolitik im Bundesrat zu betreiben, "offensiv annehmen". :laugh:

      [anm: WAs bleibt ihm anderes übrig?? Der tut so, als wenn er die Wahl hätte... :laugh: ]

      SPD setzt auf konsequente Reformen :laugh:
      Die rot-grüne Koalition werde ihre Arbeit entschieden fortsetzen und das Tempo erhöhen, kündigte Schröder an. Als Projekte nannte er weitere Maßnahmen für den Arbeitsmarkt, die Verbindung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe, die Gesundheitsreform und eine Fortführung der Reform des Alterssicherungssystems.


      --------------------------------------------------

      dieser Mann namens Schröder hat absolut kein Format.
      Bodenkontakt, realitätssinn, seit 4 Jahren vollends verloren.
      Absolute Beratungsresistenz.

      da hätten wir Kohl noch weiter behalten können.
      Avatar
      schrieb am 03.02.03 18:26:57
      Beitrag Nr. 285 ()
      SPIEGEL ONLINE - 03. Februar 2003, 17:43
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,233598,00.h…
      Schröders schwerer Gang

      SPD sucht den Superstar


      Von Markus Deggerich

      Von Rücktritt war die Rede. Aber Schröder will nicht fliehen - höchstens nach vorne. Der Bundeskanzler bekennt sich mitschuldig an dem Wahldebakel und erklärt sich zum Vorkämpfer für Reformen. Aber darüber ist in der SPD noch nicht das letzte Wort gesprochen.

      Macht macht einsam: Gerhard Schröder


      Berlin - Er ist ganz unten, im Keller. Der Bundeskanzler betritt über die Tiefgarage die SPD-Zentrale in Berlin, um den wartenden Journalisten auszuweichen, die auf Erklärungen des Parteichefs warten für das Wahldebakel vom Sonntag. Erklärungen sucht der Kanzler auch und findet dafür viele Worte, aber ein paar Bilder sagen am Tag danach etwas mehr über die Verfassung der Galionsfigur und ihrer Umgebung.

      Wirtschaftsminister Wolfgang Clement kommt ruhigen Schrittes durch den Haupteingang. Im Fahrstuhl posiert er noch für die Fotografen, lässig an die Wand gelehnt. Dann geht es aufwärts mit ihm Richtung Präsidiumssitzung. Für seine Politik gibt es nun Rückenwind, der Zwang zu Kompromissen mit der Union kommt ihm gelegen. Alle anderen SPD-Granden nahen an diesem Tag als schwankende Gestalten, wortkarg, mit ernster Miene.


      Clement kann nichts passieren. Würde der Druck auf Schröder zu groß, wäre er der Übergangskandidat in einer Großen Koalition. Hält Schröder an der Macht fest, muss er Clements Kurs folgen, denn nun gibt`s keine Ausrede mehr: Ihr werdet Reformpartei sein, oder nicht mehr sein.

      So sind es auch die Worte "Clement" und "Reformen", die Schröder am Nachmittag am häufigsten in den Mund nimmt. Auf Trost, Zuspruch und Erklärungen mussten die geschlagenen Anhänger lange warten. Fast 21 Stunden dauerte es, bis Gerhard Schröder am Montag endlich sein Schweigen brach und öffentlich zum Wahl-GAU Stellung nahm. "Eine der bittersten Niederlagen für die SPD, die ich jedenfalls erlebt habe", verkündete der Kanzler gleich zu Beginn mit Leichenbittermiene. Und ungefragt fügte er auch gleich hinzu: die Hauptverantwortung dafür trage die Bundespolitik, "und damit auch ich".


      Am Morgen nach dem SPD-Debakel in Hessen und Niedersachsen machten schon erste Rücktrittsgerüchte im Berliner Regierungsviertel die Runde. Gleich zwei Mal wurde der Beginn der SPD-Präsidiumssitzung verschoben. Regierungssprecher Bela Anda sah sich prompt zum Dementi genötigt: Personelle Konsequenzen im Kabinett stünden nicht an. So ganz trauen mochten auch danach Verunsicherte in den eigenen Reihen der simplen Erklärung für die Verschiebung nicht, wonach Schröders Maschine wegen heftigen Schneetreibens in Hannover nicht starten konnte. Sein einstiger Musterschüler Sigmar Gabriel jedenfalls blieb mit dieser Erklärung gleich ganz in Hannover. Für ihn führt zurzeit kein Weg nach Berlin, er will Partei- und Fraktionschef in Niedersachsen werden, die Mühen der Ebene druchschreiten.

      Kein Rücktritt

      Der Kanzler selbst erreichte nach einer Fahrt durch das am Sonntag politisch abgebrannte Schröder-Land mit der Bahn das für ihn ebenso eisige Berlin. Als er um kurz nach halb drei vor die Presse trat, stellte Schröder auch selbst noch einmal klar: Nein, an einen Rücktritt denke er nicht. Denn das wäre ja Flucht, und das sei noch nie seine Sache gewesen. Die Flucht nach vorn, die versucht er dann doch. Denn eher matt fiel die Erklärung für die Ursache der Schlappen aus: Die Vielstimmigkeit im eigenen Lager habe sicher geschadet. Und die SPD habe es auch nicht geschafft, den Menschen die Notwendigkeit von Reformen zu erklären. Richtig überzeugend konnte Schröder auch nicht sagen, wie das ab sofort anders werden soll: "Dafür gibt es kein Patentrezept."

      An seine eingeschränkten neuen Regierungsbedingungen hat sich Schröder offenbar schon gewöhnt. Dass die Union nun in vielen Fragen ein wichtiges Wort mitredet, ist ihm klar. Schon bevor Rot-Grün künftig eigene Gesetze präsentiere, sei die Opposition zur Mitarbeit eingeladen, ließ er wissen. Auffällig war beim Auftritt des Kanzlers dann das wiederholte Lob für seinen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, gegen den sich viele in der SPD und den Gewerkschaften gerade richtig warm laufen. Clement müsse mit seinen Plänen nach Kräften unterstützt werden. Und ein neues Logo hat er dafür auch schon parat: 2003 sei das Jahr der Reformen. Eine vierseitige Erklärung des Präsidiums lässt er dann verteilen, die jedoch über bereits Bekanntes nicht hinausgeht und wenig Konkretes bietet.

      Schwere Beben

      Denn der SPD stehen schwere innere Beben bevor. Auf dem neuen SPD-Topf steht zwar Reformen, was aber da hineingehört, daran scheiden sich die Geister. Während Schröder Clement vorschiebt, geben Parteilinke und der gewerkschaftsnahe Flügel eben jenem persönlich die Hauptschuld an dem tiefen Absturz. Die ständig neuen "Luftballons", die der Ressortchef etwa beim Kündigungsschutz oder mit seinem Vorschlag für einen Arbeitszwang für junge Leute gestartet habe, hätten der SPD dieses schlimme Ergebnis beschert, sagte Juso-Chef Niels Annen. "So kann man keine Politik machen."

      Und DGB-Chef Michael Sommer legte nach: Die Abkehr von traditionellen SPD-Werten habe für die Schlappe gesorgt. Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD), die in Schleswig-Holstein in einem Monat Kommunalwahlen überstehen muss, riet Schröder hingegen im Präsidium dringend, jetzt keine Rücksicht mehr auf die Blockierer in den eigenen Reihen zu nehmen.

      Schröder ringt um Fassung und Führungskompetenz. Die Oskar-Nostalgie bei einigen Genossen versucht er kleinzureden. Er stehe vor großen Problemen im Land, Lafontaine jedoch sei keines. Dazu versucht er dann sein erstes Lächeln im grauen Anzug mit blassem Gesicht. Das sehen einige Parteilinke anders. "Wir brauchen viele von den Ideen, für die Oskar Lafontaine steht", verkündeten die Jungsozialisten im Präsidium - ohne dass Schröder dort darauf einging.

      Politpensionär von der Saar

      Der wieder umworbene Politpensionär von der Saar zeigte sich schadenfroh. "Wer das Kainsmal der Unzuverlässigkeit und Unglaubwürdigkeit auf der Stirn trägt, wird abgewählt", rief er Schröder hinterher. Und per "Bild"-Kommentar forderte Lafontaine gleich zum offenen SPD-Aufstand gegen den Kanzler auf. Fast 140 Jahre kämpfe die SPD schließlich für Frieden und soziale Gerechtigkeit: "Die Genossinnen und Genossen sind gefordert, ihre Partei vor weiterem Schaden zu bewahren."


      Schröder hingegen predigt das "Weiter so". Er sieht keine Notwendigkeit für personellen Konsequenzen, drückt stattdessen lieber aufs Tempo. :laugh: Es komme jetzt darauf an, "das Zukunftsvertrauen zurückzugeben". Dazu wolle man in den nächsten Wochen "ein Bündnis für Deutschland" schmieden. So lange die einzige Alternative zu ihm Clement heißt, kann er sich einigermaßen sicher sein, dass ihn die Partei nicht vom Thron stößt. Doch wenn es ihm nicht gelingt, bis zum Sommer seine Linie durchzusetzen und dabei Fraktion, Partei, Gewerkschaften, Wirtschaft und Union mitzunehmen, droht das fragile Zweckbündnis zwischen Genossen und Kanzler endgültig aufbrechen. Dann könnte im November auf dem Parteitag der Herbst des Patriarchen einsetzen.
      Avatar
      schrieb am 03.02.03 18:33:00
      Beitrag Nr. 286 ()
      ..


      Bundesregierung hat zuviel Geld

      Von Kerstin Schwenn


      Die Bundesregierung hat offenbar Geld zu verschenken - gut 2,5 Milliarden Euro oder sogar noch etwas mehr. Der Betrag ist zwar noch nicht Teil der Finanzplanung, aber schon versprochen: Kanzler Gerhard Schröder, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Verkehrsminister Manfred Stolpe wollen damit den Transrapid in Deutschland schweben lassen. Sie sind durch die Jungfernfahrt des Magnetzuges von Siemens und ThyssenKrupp in Schanghai beflügelt. Die Befürworter des Transrapid sehen seine Realisierung so nah wie seit der Absage an die einst geplante Strecke Berlin-Hamburg vor drei Jahren nicht mehr. Das Planverfahren für den Metrorapid zwischen Düsseldorf und Dortmund läuft, der Planungsbeginn für die Trasse vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen steht bevor. Nichts scheint die beiden Prestigeprojekte aufhalten zu können - außer der mangelnden Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit. Sie haben dem Traum vom Schweben schon einmal ein jähes Ende bereitet.

      Die Freunde des Transrapid halten seine Kritiker für Feinde des technischen Fortschritts. Jene wiederum beschimpfen diese als kindgebliebene Technikfans, die mit schnellen Zügen spielen wollen und dabei die Kosten vergessen. Auf dem Grat zwischen Freund und Feind wandelt die Bundesregierung, die sich keinesfalls Innovationsfeindlichkeit nachsagen lassen will, die aber angesichts des überhöhten Staatsdefizits streng haushalten muß. In diesen Zeiten fällt das Geldausgeben nicht leicht - selbst für Investitionen, mit denen der Staat die Wirtschaft ankurbelt.

      Für das Vorhaben spricht die faszinierende Technik, die mit Tempo 450 ihre Vorzüge vor allem auf längeren, auch gebirgigen Strecken ausspielen und damit Auto, Zug und Flugzeug den Rang ablaufen kann. Führe der schnelle Zug nicht nur in China, sondern auch in Deutschland, erhöhten sich seine Exportchancen etwa in die Vereinigten Staaten deutlich. Das ist das legitime Anliegen der Industrie.

      Die legitime Sorge des Steuerzahlers muß dem Staatsanteil beim Transrapid gelten. Die Kosten für den Metrorapid werden auf 3,2 Milliarden Euro beziffert. In ihrem dürftigen Finanzierungskonzept rechnet die Düsseldorfer Landesregierung mit einem von 1,75 auf 2 Milliarden Euro aufgestockten Zuschuß des Bundes. Er soll außerdem 338 Millionen Euro abzweigen, die eigentlich für den Ausbau der Schienenwege vorgesehen sind, und den Betrieb über Zuschüsse für den Nahverkehr (Bestellerentgelte) mitfinanzieren. Die Industrie soll sich ebenfalls beteiligen, die Bahn auf Geld verzichten. Dennoch fehlen 679 Millionen Euro. Und selbst bei dieser Summe bleibt es nur, wenn sich das Großprojekt mit der Zeit nicht verteuert. Diese Hoffnung aber widerspricht aller Erfahrung mit anderen Bahnstrecken.

      Das Finanzierungskonzept verschweigt die Risikoverteilung. Es fehlen Angaben zur wahren Rolle von Industrie und Bahn, zu Kreditgebern und Bürgen. Die Rechnung mit so vielen Unbekannten läßt befürchten, daß der Staatsanteil nahe hundert Prozent liegt. Die Industrie ist wie schon bei Hamburg-Berlin nur begrenzt bereit, Risiko zu tragen. Auch die Deutsche Bahn, die mühsam ein wirtschaftlich geführtes Unternehmen wird, wehrt sich als möglicher Betreiber dagegen, wie zu frühen Zeiten, alle Ausfälle zu übernehmen. Sie stellt der Industrie Bedingungen und will die Wirtschaftlichkeit der Strecken weiter prüfen.

      Auch die bayerische Trasse für 1,6 Milliarden Euro, die Gutachten zufolge als Flughafen-Shuttle eine höhere Rentabilität verspricht und die deshalb nach sozialdemokratischer Logik einen geringeren Bundeszuschuß erhalten soll, braucht Finanzierer. Weil sich Private zieren, da sie offenbar nicht mit Rendite rechnen, spricht die Landesregierung mit öffentlichen Banken.

      Gegen den Transrapid sperren sich die Grünen. Nächste Woche will die Düsseldorfer SPD den Koalitionspartner dazu bewegen, einer Bürgschaft zuzustimmen. Die Grünen führen indes überzeugende verkehrspolitische Argumente an, die in der Erkenntnis münden, im Nahverkehr täten es moderne Regionalzüge oder S-Bahnen auch. In ein engmaschiges Rad-Schiene-Netz ist der Magnetzug zudem schwer zu integrieren - und überdies nur, wenn er in das Verbundpreissystem einbezogen wird. Damit erreichen die Fahrscheinerlöse im Zuschußgeschäft Nahverkehr nicht den nötigen Umfang, um die Strecke wirtschaftlich zu machen. Nach Einschätzung des Bundesrechnungshofs sind außerdem die Fahrgastzahlen schöngerechnet.

      Ganz geheuer ist den Grünen die Rolle des Spielverderbers allerdings nicht. Daher sind sie bereit, der vorzeitigen Freigabe von immerhin 80 Millionen Euro für die Planung des Metrorapid zuzustimmen, "um eine Entscheidungsgrundlage für weitere Subventionen zu schaffen". Finanzminister Hans Eichel hält sich mit seinen sonst üblichen Mahnungen zum Sparen zurück, weil der Transrapid in seiner Heimat Kassel produziert wird. Nach dem Auslaufen des China-Auftrages im Sommer könnten dort Arbeitsplätze verlorengehen. Stolpe wiederum begegnet wachsender Kritik inzwischen mit dem Hinweis auf eine Revisionsklausel: Der Bund werde erst nach Abschluß des Planverfahrens in einem Jahr entscheiden, ob er das Projekt weiterverfolgen oder aussteigen werde.

      Bis dahin werden sich die Staatsgelder, die in der Vergangenheit in die Magnettechnik geflossen sind, auf einen Milliardenbetrag addiert haben - ein Betrag, der dem steigenden Sanierungsbedarf bei Straßen, Schienen und Brücken gegenübersteht. Nach dem Straßenbaubericht der Regierung sind ein Drittel der Straßen und zwei Drittel der Brücken bald nicht mehr verkehrssicher. Auch die Bahn ist erst dabei, ihr vernachlässigtes Netz zu reparieren. Hinzu kommt der hohe Ausbaubedarf bei den Verkehrswegen - nicht zuletzt wegen der EU-Ost-Erweiterung. Was in den Transrapid fließt, wird bei Straße und Schiene fehlen. Die Regierung darf die Steuergelder nur für Investitionen ausgeben, die es verkehrspolitisch wert sind. Der Transrapid überzeugt in diesem Kalkül nicht.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.02.2003, Nr. 28 / Seite 13
      Avatar
      schrieb am 08.02.03 13:13:21
      Beitrag Nr. 287 ()
      .

      Schröder setzt alle Kraft und KOnzentration auf die in seinen Augen WIRKLICHEN Probleme dieser Welt... :D

      DAszeigt in erschreckendem Ausmaß die mangelnde Souveränität dieses MAnnes, der stets nur auf kurzfristige Wirkung und Image , nicht auf politische Inhalte abzielte.


      GERÜCHT UM KANZLEREHE
      Klage vor Landgericht

      Der Streit über die Verbreitung von Gerüchten über die Ehe von Kanzler Schröder geht vor Gericht in eine neue Runde. Schröder erhob am Berliner Landgericht Klage gegen die Märkische Verlags- und Druckhaus GmbH. Der Prozess ist für den 8. April vorgesehen. (dpa)
      Avatar
      schrieb am 22.02.03 11:10:14
      Beitrag Nr. 288 ()
      Ich möchte mich dafür entschuldigen, daß ich Frau Merkel für eine sachorientierte Alternative gehalten habe.

      Frau Merkel hat mich ein für allemal eines Besseren belehrt. :mad:

      Naja - besser als Oppositionspolitikerin deutschland in der Welt schlechtmachen (obwohl schon skandalös genug) als womöglich diesen gottserbärmlichen politischen Offenbarungseid in einem offiziellen Amt zu leisten...


      Ich hatte bereits dem FDP-MdB Hoyer einen empörte mail geschickt, weil dieser auf derSicherheits-Tagung in München deutschland in diesem Forum aus billigsten Innenpolitischem Kalkül vor der Weltöffentlichkeit der Lächerlichkeit preisgab.

      Wenigstens hatte Stoiber damals solche Peinlichkeiten vermieden und Rumsfeld durchaus kritische Fragen gestellt. Er hat damit die Etikette der Aussenpolitik eingehalten (nach Aussen repräsentiert eben nicht die Opposition, sondern die gewählte REGIERUNG) und Loyalität gegenüber deutschland eingehalten.

      Dieser Kommentar spricht mir aus der Seele:

      Angela Merkel hat den Schwenk in der US-Außenpolitik nicht begriffen

      Zugegeben: Es ist ein großer Hintern, den die Regierung der einzig verbliebenen Supermacht derzeit dem Rest der Welt zeigt, wenn es um ihre Pläne geht, in den Irak einzumarschieren. Dennoch: So tief wie Angela Merkel muss niemand dort hineinkriechen. Und erst Recht gibt es keine Notwendigkeit, das Klopapier in Form eines Meinungsartikels in der Washington Post gleich vorneweg zu stopfen. Merkel machts trotzdem.

      So weit wäre das Verhalten der deutschen Oppositionsführerin einfach nur eklig und vielleicht auch ein bisschen peinlich. Man könnte im Übrigen aber getrost darauf hoffen, dass es der außenpolitisch ahnungslosen CDU-Parteichefin schon selbst auf die Füße fallen wird, sich im Ausland mit Positionen profilieren zu wollen, die mehr als drei Viertel der bundesrepublikanischen Bevölkerung ablehnen - und das noch unter der Überschrift "Schröder spricht nicht für alle Deutschen". :laugh:

      Allerdings verweisen Text und Besuchsintention Merkels auf ein Problem, das tatsächlich längerfristige Auswirkungen auf den Zuschnitt der deutschen und der europäischen Außenpolitik haben wird. Mehr noch als innerhalb der deutschen Sozialdemokratie weigern sich die CDU-Außenpolitiker, die neuen strategischen Überlegungen der US-Außenpolitik und das von Washington zunächst einseitig veränderte Konzept der Beziehungen zu den Bündnispartnern zur Kenntnis zu nehmen.

      Die Pflügers, Schäubles und eben auch Merkels hängen stattdessen einem USA-Bild an, das selbst in Zeiten des Kalten Krieges schon falsch war. Aber damals ging dieses Bild zumindest mit den objektiven Interessen der Bundesrepublik einher.
      Die westdeutsche Demokratie war mit US-Hilfe entstanden, Westberlin wurde mit US-Hilfe verteidigt, und so beantwortete in der bipolaren Welt allein die Bündniszugehörigkeit die wesentlichen Fragen westdeutscher Außenpolitik. Die Unionspolitiker agieren heute immer noch so, als sei der Treueschwur Richtung Washington eine hinreichende Handlungsanleitung und jede Wahrnehmung von Realität ungehörig. Im besseren Fall ist das nur ein taktisch motivierter Beißreflex gegen die Regierung. Im schlechteren Fall - und der ist zu befürchten - meinen sie das wirklich so.

      Damit ist die CDU-Spitze inhaltlich im Rückstand und im eigenen Land so isoliert wie Europas rechte Regierungen von ihren Bevölkerungen und die US-Regierung weltweit. Beruhigend nur, dass Merkels provinzielle Art, mit andienernden Meinungsbeiträgen im Ausland die Position der eigenen Regierung konterkarieren zu wollen, weltweit als niveaulos angesehen wird. Der Klassenunterschied etwa zum - ebenfalls konservativen - französischen Außenminister, der im Weltsicherheitsrat Standing Ovations für seinen Appell zum Frieden erhielt, ist offensichtlich.

      Immerhin öffnen sich der CDU-Politikerin nun in Washington alle Türen. Wie ein Staatsgast wird Merkel von der rechtskonservativen Ideologenclique in Washington empfangen, die sich angesichts derart herzerfrischender Naivität freudig die Hände reiben." BERND PICKERT

      taz Nr. 6987 vom 22.2.2003, Seite 1, 82 Zeilen (Kommentar), BERND PICKERT, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 22.02.03 11:11:02
      Beitrag Nr. 289 ()
      Merz:)
      Avatar
      schrieb am 22.02.03 11:12:25
      Beitrag Nr. 290 ()
      Iknow,I know,aber fällt dir was Besseres ein:confused:
      Avatar
      schrieb am 22.02.03 11:23:23
      Beitrag Nr. 291 ()
      Zum Thema: "Merkel spricht für alle Deutschen" :laugh:


      Bush kommt schlecht weg
      Kriegsgefahr im Irak beunruhigt die Deutschen immer mehr. Bush auf Beliebtheitsskala ganz tief unten

      BERLIN dpa Die Kriegsgefahr im Irak beunruhigt die Deutschen immer mehr. Laut einer Politbarometer-Umfrage nach den großen Friedensdemonstrationen vom vergangenen Wochenende ist die Frage nach einer militärischen oder diplomatischen Lösung des Konflikts für 45 Prozent der Menschen das zur Zeit wichtigste Problem. Vor zwei Wochen seien es nur 20 Prozent gewesen, teilte das ZDF gestern mit. Auf die innenpolitische Bewertung der Parteien hat der Irakkonflikt dagegen kaum Auswirkungen. Bei der so genannten Sonntagsfrage änderte sich im Vergleich zu vor zwei Wochen nichts.

      US-Präsident George W. Bush kommt in der Bewertung der Bundesbürger schlecht weg: Auf einer Skala von minus fünf bis plus fünf erhielt er minus 2,7. "Ein so niedriger Wert wurde für einen wichtigen Politiker bisher noch nie erhoben", heißt es im Barometer. 65 Prozent stufen das Verhältnis Deutschlands zu den USA inzwischen als schlecht ein; noch im Oktober waren es laut ZDF nur halb so viele.
      Avatar
      schrieb am 22.02.03 11:43:17
      Beitrag Nr. 292 ()
      Nur so als Beispiel für die politik, die Merkel so geil findet...

      Zerstörung ziviler Infrastruktur in einem Land, mitdem man (angeblich) keinen Krieg führt, als "Akt der Selbstverteidigung" - Völkerrecht nach Gutsherren-Art. :mad:


      USA: Angriff verteidigt
      Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag haben die USA gestern die Zerstörung von drei iranischen Ölanlagen im Persischen Golf 1987/88 als Akt zur Verteidigung der eigenen Sicherheit verteidigt.
      Forderungen Irans nach Schadenersatz seien nicht gerechtfertigt. (dpa)
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 00:49:05
      Beitrag Nr. 293 ()
      Es gibt Tage, an denen glaubt man eine regierungserklärung wäre bitter nötig.....

      ich meine damit jedoch, daß irgendjemand Schröder einmal erklären müsste, WIE man regiert... ist wohl bitter nötig....


      -----------------------------------------------------

      Schröders Rede - ein gut getarnter Offenbarungseid

      Nur mal kurz zusammengefasst: Der Kanzler einer rot-grünen Regierung hat gestern den drastischsten Sozialabbau der vergangenen Jahrzehnte angekündigt. Das Arbeitslosengeld wird beschränkt, die Arbeitslosenhilfe abgeschafft, das Krankengeld vermutlich aus der gesetzlichen Versicherung ausgelagert, und Experten tüfteln an einer Rentenformel, die das Rentenniveau weiter senken wird. Schröder hat die Rede gehalten, die sich viele von ihm gewünscht hatten: ein konkretes Kürzungsprogramm, das zeigen sollte, dass er Herr der Lage ist.

      Aber die Rede ist kein Zeichen von Handlungsfähigkeit. Sondern ein Offenbarungseid, ein gut getarnter. Schröder ist kein Handlungs-Kanzler. Er ist ein Reaktions-Kanzler.
      Er hat schlichtweg das getan, was eine Mehrheit der Bürger in Deutschland auch gutheißen wird: den hohen Sozialbeiträgen den Kampf angesagt, der Mehrheit ein bisschen was an Kürzungen zugemutet, den schwächeren Minderheiten aber noch viel mehr. Das ist die Logik des sozialen Umbaus, die Schröder gestern nicht vorgegeben, sondern nur vollzogen hat.

      Nichts erinnert mehr an die Zeiten der Regierung Kohl, als sich Sozialdemokraten darüber empörten, dass CDU-Politiker die Arbeitslosenhilfe befristen wollten. Es war der CDU-Sozialminister Norbert Blüm, der die lange Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für Ältere einführte, die ein SPD-Kanzler jetzt wieder abschafft. Die alten Verlässlichkeiten der Sozialdemokratie gelten nichts mehr. Die Veränderung ist dramatisch.

      Schröder folgt einer Umdeutung, die sich schon länger in der Gesellschaft abzeichnet. In der öffentlichen Meinung wird der Sozialstaat mehr und mehr als Be- und nicht als Entlastung verhandelt. Darin liegt eine kalte Logik der kollektiven Sicherung: Gerade wenn es mehr und mehr Bedürftige gibt, wenn die Zeiten also schlechter werden, erwächst nicht mehr Solidarität. Im Gegenteil, Beitrags- und Steuerzahler ächzen dann unter der steigenden Abgabenlast. Und die sozialen Systeme sind zweifellos unter Druck, als Folge der hohen Arbeitslosigkeit und der immer älter werdenden Bevölkerung.

      "Senkung der Lohnnebenkosten", sprich der Beiträge, das ist die Beschwörungsformel, die auch der Kanzler gestern herunterbetete. Für eine Mehrheit, die es wahrscheinlich hinnehmen wird, wenn Lebensrisiken, wie etwa Arbeitslosigkeit, mehr und mehr von der Minderheit der Betroffenen selbst zu tragen sind. Der Sozialstaat erkaltet. Der Kanzler hat gestern viel vom Zusammenstehen geredet - und in Wirklichkeit das Gegenteil verkündet." BARBARA DRIBBUSCH

      taz Nr. 7005 vom 15.3.2003, Seite 1, 70 Zeilen (Kommentar), BARBARA DRIBBUSCH, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 14:29:55
      Beitrag Nr. 294 ()
      Aberwitzig bis zum Geht-nicht-mehr:

      Ob die Bevölkerung die Schummelei, bei der man Sozialabau dreist als "Erneuerung" bezeichnet, durchgehen lässt?

      Hier wird wieder einmal wahllos sinnvolles mit kontraproduktivem verbunden:

      Sinnvoll ist die Ausgliederung der Lohnfortzahlung, grotesk die brutale Streichung der Unterstützung für diejenigen, die durch die bescheuerte Politik der letzten 20 JAhre unverschuldet ihren Job verloren.

      Ersteres hätte man einfach, ohne Mehraufwand und elegant einfach nur "virtuell" streichen können und weiter als (erstmalige) voll Wettbewerbsfähige Wahlleistung deklarieren können, die zu einem echten Wettbewerb zwischen den 400 Kassen geführt hätte. Durch einfache Streichung des Arbeitgeber-Anteils.

      Wäre ein interessantes Modell für einen theoretisch möglichen echten Wettbewerb aller KAssen (sowohl GKV als auch PKV) gewesen.

      Die Ausgliederung der "Freizeitunfälle" als nicht mehr erstattungsfähig ist - wie ich bereits vor geraumer Zeit schrieb - ebenso absurd wie undurchführbar und wird nur auf Sozialgesetzgebeung spezialisierte rechtsanwälte und Gutachter reich machen. Zudem werden sinnlose Arbeitsplätze geschaffen, die die unnötige administrative Mehrarbeit abdecken.

      Schröder ist und bleibt eine politische taube Nuss.


      Deutschlands neue Hoffnung: Kranke, Alte, Arbeitslose
      Bundeskanzler Schröder nennt Sozialsysteme untragbare Belastung. Sein Ausweg: Das Arbeitslosengeld wird gekürzt, die Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe zusammengelegt, das Krankengeld gestrichen. Oppositionschefin: Kein großer Wurf

      BERLIN taz In seiner mit Spannung erwarteten Regierungserklärung hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gestern die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verkündet. Für die rund 1,7 Millionen Menschen, die heute Arbeitslosenhilfe bekommen, sollen die Leistungen "in der Regel" auf das Niveau der Sozialhilfe gesenkt werden. Außerdem will die Bundesregierung den Bezug von Arbeitslosengeld auf ein Jahr begrenzen. Über 55-jährige Erwerbslose sollen das Arbeitslosengeld maximal 18 Monate bekommen.

      "Heute ist die Erneuerung des Sozialstaats unabweisbar geworden", erklärte Schröder. Ohne diese Modernisierung würden die "ungebremsten Kräfte des Marktes das Soziale beiseite drängen". Der Kanzler stellte fest, dass die Beiträge der Beschäftigten und Unternehmen zur Finanzierung der Sozialsysteme eine "kaum mehr tragbare Belastung geworden" seien. Um diese zu reduzieren, will Rot-Grün außerdem das Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung herausnehmen. Bisher zahlen die Krankenkassen einen monatlichen Unterhalt, wenn ein Beschäftigter länger als sechs Wochen krankgeschrieben ist. In Zukunft soll man dafür eine private Zusatzversicherung abschließen, für die die Beschäftigten allein, nicht mehr die Unternehmen aufkommen müssen.

      Zur Stimulierung der Nachfrage will die Regierung ein Kreditprogramm in Höhe von 15 Milliarden Euro auflegen. Die Modernisierung von Wohnungen und kommunaler Infrastruktur soll der Bauwirtschaft helfen.

      Parallel zu Schröders Auftritt im Bundesrat gab es gestern ein gutes Zeichen für Unternehmen und die wohlhabenden Teile der Bevölkerung. Der Bundesrat lehnte mit der Mehrheit der unionsregierten Länder das rot-grüne Gesetz zum Abbau von Steuersubventionen komplett ab. Die geplante Mindestbesteuerung für Konzerne ist damit einstweilen ebenso gestorben wie die höhere Steuer für privat genutzte Dienstwagen.

      Unmittelbar nach Schröders Rede hagelte es Kritik von der Opposition. Unionschefin Angela Merkel warf Schröder vor: "Sie bleiben unverbindlich, wo Sie konkret werden müssten." Die Regierungserklärung sei "kein großer Wurf". Trotzdem bot Merkel der Regierung ihre Zusammenarbeit an. Der Arbeitnehmerflügel der SPD kündigte seinen "entschiedenen Widerspruch" an. Die Parteilinke Andrea Nahles bezeichnete die Regierungserklärung als sozial "unausgewogen". Zufrieden waren dagegen die Grünen. Parteichef Reinhard Bütikofer hielt Schröders Vorstellung für eine "große Rede". " HANNES KOCH

      brennpunkte SEITE 3 und 4
      inland SEITE 6
      taz Nr. 7005 vom 15.3.2003, Seite 1, 89 Zeilen (TAZ-Bericht), HANNES KOCH
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 14:33:35
      Beitrag Nr. 295 ()
      Schröder sollte sich schämen. Von den Schwarzen habe ich nichts anderes erwartet. Mit den Gelben beschäftige ich mich nicht. Hoffentlich lässt die SPD Linke das nicht durchgehen.
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 15:19:21
      Beitrag Nr. 296 ()
      #287

      d.t., ich allerdings bin überzeugt davon,
      daß schröder mit seinen lumpenproletarischen instinkten, weswegen man ihn ja auf die bühne geholt hat, keinesfalls eine taube nuß ist, sondern ebenfalls ein scharfes schwert des milton friedman.

      der krieg gegen den sozialen rechtsstaat des grundgesetzes, das olaf henkel eh für kommunistische hetze hält, ist jetzt gewonnen; nun wird es zunächst im nahen osten weitergehen, wie uns schröder (nicht ohne genugtuung?) wissen läßt.
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 16:19:58
      Beitrag Nr. 297 ()
      eine frage allerdings ist (oder ist es doch keine?), ob, wenn sich die hintermänner von bush gegen ein 12.000 km entferntes nichts "selbstverteidigen" müssen, wir nicht ein wirkliches recht auf selbstverteidigung haben.

      ist im grundgesetz vorgesehen, wenn alles andere versagt. das ist nun der fall?

      bei solchem widerstand, werden die kreischenden inninnen aber fehlen, um die es ja ohnehin schon recht still geworden ist, nach dem sie die aufgabe, sie ihnen zugedacht war, bestens erfüllt haben.
      Avatar
      schrieb am 19.03.03 11:02:57
      Beitrag Nr. 298 ()
      Ich denke, die geneigten Leser von Deep Thought sollten doch alle mal wieder sehen können, wie gut Deep Thought in Thread: Internationale Politik, Moral und monokausale Historien-Malerei zu "argumentieren" und auf Fragen zu seinen Pöbeleien und Beleidigungen zu antworten versteht:

      #427 von Deep Thought [Userinfo] [Nachricht an User] 18.03.03 15:29:04 Beitrag Nr.: 8.917.983 8917983
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      @ auryn

      " ... Zufallsauswahl verschiedener Threads ... "

      damit setzt Du also bei der Auswahl der Threads, die Du liest, die gleiche Methode ein, mit dfer Du "Argumente" in Diskussionen einbringst... interessant, aber keineswegs unerwartet.... <http://img.wallstreet-online.de/smilies/biggrin.gif> <http://img.wallstreet-online.de/smilies/laugh.gif>

      Im Uebrigen bin ich Dir erneut dankbar, dass Du immer wieder die allgemeine Aufmerksamkeit auf Deine Charaktereigenschaften lenkst....

      Jetzt muesstest Du nur noch an Aenderungen arbeiten.... <http://img.wallstreet-online.de/smilies/biggrin.gif>
      <http://img.wallstreet-online.de/dgreen.gif>
      #426 von Auryn [Userinfo] [Nachricht an User] 16.03.03 12:06:34 Beitrag Nr.: 8.900.325 8900325
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      @ principessa (Posting # 422):
      Falls es bei dem von Dir vorgeschlagenem Rätsel um einen Wettbewerb um die meisten in verschiedenen Threads geposteten eigenen wiederholten Postings geht, liegt der göttliche, unfehlbare und unvergleichbare "Deep Thought" mit jetzt ca. 3.500 antiamerikanischen Postings bestimmt uneinholbar vorne, nicht? Allein das Posting # 425 habe ich gerade bei Zufallsauswahl verschiedener Threads 5mal gesehen.


      @ Deep Thought:
      Hast Du eigentlich schon bemerkt, daß es Threads gibt, in denen seit Monaten auf eine Antwort von Dir gewartet wird?
      Da war doch z.B. diese Frage hier:

      Hast Du dies hier eigentlich schon irgendwo in einem Deiner Threads beantworten können, oder brauchst Du Deine kostbare Zeit für die Beleidigung weiterer User?
      Hast Du Dich jemals oder - vielleicht in meiner Abwesenheit - in irgendeinem Deiner tollen Threads für eine Deiner Pöbeleien und Beleidigungen bei irgendjemandem entschuldigt?:
      Wenn Du Dich nicht für offenkundige Beleidigungen entschuldigen kannst, dann darfst Du nicht damit rechnen, von irgendjemandem als ernsthafter Diskussionspartner betrachtet zu werden, weil es Dir an jedem Gefühl für Takt mangelt.
      Du erweckst dann den Eindruck, daß Du selbst gar kein Selbstbewußtsein besitzt und Deinen Standpunkt selbst nur vertreten kannst, indem Du andere erniedrigst.

      Und wenn Du bei dieser Haltung bleibst, wirst Du Deine schönen Manieren immer wieder zu sehen bekommen. Ich kann mir extra dafür Zeit nehmen, wenn Du möchtest.
      Also:
      Na, was ist, Deep Thought?
      Kannst Du Dich nicht entscheiden, ob Du Dich endlich für Deine Beleidigungen entschuldigst, weil das ja Deine Unfehlbarkeit in Frage stellen könnte?
      Deep Thought, redet man so bei Dir zu Hause in einer Diskussion und bei Dir zu Hause entschuldigt man sich für so etwas NIEMALS, oder wie?
      DEINE Zitate, DEINE "wundervollen Argumente" in einer Diskussion mit mir lauteten wie folgt:

      du bist einfach zwanghaft in Deiner bescheuerten anklagenden Art, ...
      ... solcher Typen wie Dir ...
      ... (als Du noch in Windeln geschissen hast, falls überhaupt geboren) ...
      ... Du bist derart beknackt, ...... ich kann dein virtuelles Geheule hier nicht mehr ertragen...
      ... Dein Spatzenhirn...
      ... Du Pfeife ...
      ... als Du noch flüssig warst ...
      ... Dir frechem, eingebildeten Nichts an Würstchen ...
      ... und Menschen, die aus Rumänien kommen, zu meinen Freunden zähle.
      ... solche verzogenen Kinder wie Dich, solche überheblichen Gewinnler gibt es unter diesen liebenswerten Menschen gottseidank nicht.
      ... US-ergebenen Dünnpfiff daher, sondern haben ihr Herz und Hirn NACH Erreichen ihres Zieles nicht wie Du aus- , sondern weiterhin angeschaltet. ...
      ... Es mag ja Menschen geben, die Du mit deinem pfauenhaften und machomäßigem Gehampele und Imponiergehabe beeindruckst, aber bei lebenserfahrenen und reifen Menschen dürfte das so gut wie ausgeschlossen sein.
      Avatar
      schrieb am 19.03.03 11:16:57
      Beitrag Nr. 299 ()
      Außerdem fehlen mir immer noch die Antworten auf verschiedene, weitere Nachfragen, glaube ich:
      Leider hast es Du, lieber und göttlichster Deep Thought, des weiteren versäumt, auf meine Nachfragen zu Deinen folgenden Zitaten zu antworten:
      a)... Du bist verdammt eingebildet, mein Kleiner!... Da Du ja nichts für meine Bildung tust, muß ich mir eben etwas einbilden, nicht?
      b) Wann genau war ich denn Deiner Meinung nach "flüssig"? Ich bitte um eine temporäre Spezifizierung, denn weder während meines Schwimmunterrichts noch im pränatalen Stadium ist ein Mensch jemals flüssig. Eizellen und Spermatozoen selbst sind nicht flüssiger als der sich bildende Mensch. Sie bewegen sich auch lediglich in wässrigen Lösungen, nicht wahr?


      Meine Wenigkeit erlaubt sich in ihrem Staube liegend, kurz den anderen (Un-)Gläubigen den göttlichen Deep Thought vorzustellen, der sich herablässt, auch in der Abwesenheit von einem "Nichts an Würstchen" in dessen Thread seine Weisheiten zu verkünden:
      So lasset uns nun alle jauchzen und frohlocken, Ihr gläubigen Jünger des aufgeklärten Anti-Amerikanismus denn ER ist wieder hier:
      Der göttliche Deep Thought, der wie kein anderer die fehlende Moral durch Doppelmoral und monokausale Historienmalerei zu ersetzen versteht. Er, der geniale Interpret der historischen Schwarz-Weiß-Malerei, der er wie der doppelgesichtige Gott Janus ähnlich ist dem nahezu ebenso göttlichen Richard Perle, der dunkel-vordenkenden Eminenz der US-Regierung. Wir alle erinnern uns doch, dass Richard Perle unter US-Studenten der Politologie "Prince (oder auch "Lord" ) of the Darkness?" genannt wird. Warum dies so ist? Nun, das Weltbild des Richard Perle entspricht genau im reziprok-umgekehrten Verhältnis dem des göttlichen Deep Thought:
      Richard Perle`s Weltbild: Die USA sind der strahlende weiße Ritter der Weltgeschichte, der in Gestalt seiner Armeen immer nur Gutes getan hat und deshalb können alle Gegner der USA nur Feinde sein! Gegenmeinungen zeugen nur von der Macht des Bösen, die wir bekämpfen müssen, bis der Jüngste Tag kommt.
      Deep Thought`s Weltbild: Die USA sind der ölig und schleimigschwarz-schillernde Ritter des Bösen in der Weltgeschichte, der niemals etwas Gutes getan hat und deshalb können alle Freunde der USA nur meine und die Feinde der Menschheit sein, da ich allein die Menschheit repräsentiere! Gegenmeinungen zeugen nur von der bösen Macht der bösen USA und müssen mit Beleidigungen mundtot gemacht werden, für die ich mich nie entschuldige, da das bei meiner Göttlichkeit natürlich eine Schwäche wäre, die meine Jünger von mir entfremden würde.
      Beide sind fanatisch-verschrobene Extrem-Denker. Sie besitzen einen ausgeprägten Tunnelblick und nehmen ihre coolen schwarzen Sonnenbrillen nie ab, da sie sonst die Realität sehen müssten und die Tatsachen erkennen könnten. Jeder Andersdenkende ist potentiell ein reaktionärer Feind und seine Denkmuster müssen schizophren sein; daher müssen sie bekämpft werden, auch wenn man dafür mit Extremisten anderer Gebiete, z.B. Neo-Nazis oder wahlweise Antisemiten gemeinsame Sache machen muß. Für intellektuelle Nachdenklichkeit ist da natürlich kein Raum, denn Menschen mit einer Meinung, die sich irgendwo zwischen der von Deep Thought einerseits und der von Richard Perle andererseits befindet, können nur ?schizophren? sein, denn ihnen wurde die Erleuchtung zuteil und sie wagten es doch tatsächlich, immer noch kritische Nachfragen zu stellen, die das Licht des Deep Thought (oder Perle, je nachdem) verdüsterten.
      So ist es dann auch natürlich so, dass wir bei Perle nie etwas von My Lai lesen werden und bei unserem göttlichsten Deep Thought niemals auf den chinesisch-vietnamesischen Krieg 1978 oder die Massaker der Khmer Rouge in Kambodscha mit über 2,5 Mio. Toten NACH dem Abzug der USA aus Südostasien eingegangen werden wird, denn dies waren ja ebenso wie die Diktaturen in Osteuropa wohl nur ?intrafamiliäre Auseinandersetzungen unter Bruderstaaten?, in die man sich eben nicht einmischt. Wenn allerdings mal zufällig jemand wie meine untertänigste Wenigkeit daran erinnern sollte, dann muß er sofort von Deep Thought aus dem betreffenden Thread hinausgeworfen oder beleidigt werden, nicht wahr?
      Andererseits ist dies aber auch kein Hinderungsgrund für den göttlichsten und unfehlbarsten aller "Deep Thoughts", ohne erkennbare Entschuldigung, Antwortbereitschaft oder auch nur Diskussionsbereitschaft in den Threads der Querdenker aufzutauchen, denn Deep Thought ist nun einmal der göttliche Unfehlbare, der es nicht nötig hat, auf Fragen des unterwürfig-höflichen Auryn nach Vietnam, totalitären Diktaturen oder sonstiges zu reagieren, das die Unfehlbarkeit des Deep Thought in Frage stellen könnte, nicht wahr?
      Hast Du, oh göttlichster und unfehlbarster Deep Thought, Dich eigentlich schon mal mit Deinen nun sicherlich über 2.500 anti-amerikanischen und anti-israelischen Postings schon mal beim Buch der Rekorde um den Titel "Größter Anti-Amerikaner unter einem einzelnen Internet-Pseudonym" beworben?
      In freudiger Erwartung Deiner sicherlich wieder mit Hilfe von Beleidigungen ausweichenden Antwort verbleibe ich Dein von Dir ewig verfolgter, weil ungläubiger Nicht-Anti-Amerikanischer Knecht
      Auryn
      P.S.: Du, oh göttlichster Deep Thought, darfst Dir diesmal für Deine Beleidigungen etwas mehr Zeit nehmen, denn ich werde für heute meine Tätigkeit in Form von ketzerischen Fragen an Dich, den göttlichen und unfehlbaren Deep Thought einstellen, da Du Dich bestimmt auf absehbare Zeit zum Brüten in Dein für Normalsterbliche undurchdringliches Logik-Wölkchen hinter Deine coole undurchsichtige Sonnenbrille zurückziehst, um Deine früheren Beleidigungen noch einmal zur eigenen moralischen Stärkung Revue passieren zu lassen.
      Avatar
      schrieb am 23.05.03 08:02:10
      Beitrag Nr. 300 ()
      LETZTE SPD-REGIONALKONFERENZ

      Der Reformstaat bin ich

      Von Markus Deggerich

      Dicke Backen in Potsdam: Auf der letzten Regionalkonferenz der SPD vor ihrem Sonderparteitag bekommt Gerhard Schröder Zustimmung für seine Agenda 2010. Aber sein Problem ist ein anderes.


      DDP

      Gerhard Schröder: "Ich rede erst weiter, wenn das Pfeifkonzert aufhört"


      Potsdam - Beim Abwatsch`n seiner Kritiker hat Gerhard Schröder inzwischen Routine - und von seinem Vorgänger Helmut Kohl gelernt. Der Altkanzler lästerte gerne über die Jungsozialisten der SPD, wenn die seine Kundgebungen mit Pfeifkonzerten störten: "Die sollen erstmal was leisten". Gerhard Schröder hat Gefallen gefunden an der Kohl-Methode.
      Den Berliner Jusos, die auf der Regionalkonferenz am Mittwochabend mit Transparenten und Trillerpfeifen ihrem Ärger über die Agenda 2010 Luft machten, hielt er entgegen: "Wer pfeift, hat dicke Backen, aber nicht viel im Kopf." Den Satz hatte er bereits am 1. Mai gegen protestierende Gewerkschafter in Stellung gebracht und er zeigt, wie der Kanzler zur Zeit denkt: Wer gegen mich ist, dem fehlt es an Verstand, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Der Reformstaat bin ich.


      Schröder war entspannt und gut gelaunt nach Potsdam gekommen. Die ostdeutschen Landesverbände hatten schon im Vorfeld signalisiert, dass sie ihren Vorsitzenden bei seinen Reformplänen stützen. Die Zugeständnisse an die neuen Länder im Leitantrag für den Sonderparteitag am 1. Juni hatten ihre Wirkung offensichtlich nicht verfehlt. So sollen der zweite Arbeitsmarkt weiter gefördert und Jugendlichen genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Beruhigungspillen statt bitterer Medizin.

      "Wir brauchen keine Lügner und Erpresser"


      Flankiert von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck erwartete der Kanzler ein Heimspiel. Doch vor allem die Jungsozialisten heizten den Altvorderen in dem nüchternen Hotelsaal gehörig ein. "Wir brauchen keine Lügner und Erpresser", hieß es auf einem Transparent mit Blick auf angeblich gebrochene Wahlversprechen und Schröders inflationäre Rücktrittsdrohungen.

      "Ich rede erst weiter, wenn das Pfeifkonzert aufhört", drohte der Parteichef, und machte damit die 500 Delegierten zu seinen Vollstreckern. Die Saalordner ließen Transparente abräumen und demonstrativer Applaus erstickte das Aufbegehren der jungen SPDler. Das ist die Diskussionskultur der SPD anno 2003.

      Neue Argumente wurden in Potsdam nicht ausgetauscht. Aber der Vorsitzende, dessen Partei zwei Tage vor ihrem 140. Geburtstag in einem historischen Umfragetief bei 26 Prozent Zustimmung feststeckt, konnte sich noch einmal ein Bild davon machen, warum die Genossen bei den Deutschen zur Zeit so unbeliebt sind.

      Kritik an Schröders sprunghaftem Politikstil


      "Wenn wir streiten wie die Kesselflicker, vertraut uns niemand mehr dieses Land an." So mahnte Wilhelm Schreier, Ortsvorsitzender aus dem thüringischen Sondershausen, seine ostdeutschen Kollegen zur Geschlossenheit.

      Unterstützung fand Schröder vor allem beim SPD-Landesvorsitzenden von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus, aber auch beim brandenburgischen SPD-Landrat Karl-Heinz Schröter. Beide drängten die Regierung, endlich zu handeln.

      Schröder hörte es gerne, aber in Potsdam wurde auch deutlich, dass es weniger die Reformen sind, die die SPD so verschrecken, als der sprunghafte Politikstil ihres Vormannes. Christian Reinke von den Rostocker Jungsozialisten sagte an Schröder gerichtet: "Es ist nicht richtig, dass alle Leute, die anderer Meinung sind als Du, als Leute diffamiert werden, die keine Ahnung haben." Ein SPD-Mitglied aus Sachsen sagte: "Ich kann nicht verstehen, wenn der eine oder andere abgekanzelt wird". Beklatscht wurde auch ein Redner, der feststellte: "Hätte es den Druck aus der Partei nicht gegeben, hätte es keine Diskussion gegeben in dieser Form."

      Schröder geht als Punktsieger vom Platz


      Schröder spürte, dass die Stimmung im Saal kippen könnte und ruderte leicht zurück. Er habe nur darum gebeten, seiner Politik nicht die Basis zu entziehen. "Das hat nichts mit Drohungen zu tun", behauptete er. Da schüttelten selbst SPD-Präsidiumsmitglieder mit dem Kopf, die hinter vorgehaltener Hand erzählen, dass ihr Vorsitzender am Montag in der entscheidenden Sitzung zum Leitantrag allein dreimal den Rücktritt angedeutet und angedroht habe.

      Wie immer, wenn Schröder Diskussionen lästig sind, holt er das Schreckgespenst Union aus der Kiste, um seine Partei zu disziplinieren. Wenn die SPD den Reformprozess nicht gestalte, werde die Partei die Regierungsmacht verlieren: "Wenn wir das Schicksal der politischen Bedeutungslosigkeit nicht erfahren wollen und den Konservativen nicht das Feld überlassen wollen, müssen wir die Gestaltung übernehmen." Also mahnte er die Parteimitglieder, in der Debatte Geschlossenheit zu zeigen. "Das wird sonst als Zerstrittenheit begriffen und uns negativ angerechnet."

      Schröder ging zwar als Sieger nach Punkten vom Platz nach der letzten von vier Regionalkonferenzen vor dem Sonderparteitag. Aber er hat kaum Kredit im eigenen Haus. Ein ehemaliger Berater des Kanzlers sagte in Potsdam: "Schröder ist jetzt schon so wie Kohl in seiner Endphase". Den Eindruck mussten auch die Jungsozialisten aus Berlin haben. Die hielten, in Anlehnung an ihren jahrelangen Spott über die Kohl-CDU, Transparente hoch: "Wir sind kein Kanzler-Wahl-Verein".
      Avatar
      schrieb am 10.09.03 12:05:22
      Beitrag Nr. 301 ()
      .
      Avatar
      schrieb am 28.10.03 15:39:54
      Beitrag Nr. 302 ()
      .
      Avatar
      schrieb am 24.11.03 12:43:33
      Beitrag Nr. 303 ()
      Schröders peinliches Plädoyer für einen strauchelnden Riesen


      Bundeskanzler Schröder verleiht den „Global Leadership Award“ an den in Wall-Street-Skandale verstrickten Ex-Citigroup-Chef Sanford Weill




      Während seines US-Besuchs versuchte Bundeskanzler Schröder, die deutschen Wirtschaftsinteressen zu vertreten – dabei stellte er sich nicht immer geschickt an. Von Markus Koch

      Eine weiße Fahne hätte es nicht getan. Bundeskanzler Schröder hätte sich am Donnerstag wohl in eine weiße Toga gehüllt, wäre der Abend im New Yorker Grand Hyatt nicht eine „Black Tie Affair“ gewesen. Doch auch in Schwarz biederte sich Schröder grenzenlos an – beim noch immer gekränkten Partner USA und bei Citigroup-Chef Sandy Weill.

      Schröder war gekommen, um den gestrauchelten Wall-Street-Giganten mit dem „World Leadership Award“ des American Institute of Contemporary German Studies auszuzeichnen. Zu keinem Zeitpunkt wurde dabei klar, warum ausgerechnet Weill diese bedeutend klingende Auszeichnung erhalten solle. Bisher hatte das Institut aus Washington, D.C. stets deutsche Star-Manager wie Heinrich von Pierer, Rolf Breuer und Jürgen Schrempp ausgezeichnet. Weill ließ sich da nur schwer einordnen.

      Sicher, der ehemalige CEO der Citigroup ist ein großer Wirtschaftsführer. Aus kleinen Verhältnissen kommend – ganz wie der Kanzler – arbeitete er sich über Versicherungen, Banken und schließlich die Travelers Group bis an die Spitze der weltgrößten Bank und in eine Position, in der er die amerikanische und internationale Wirtschaft auch nachhaltig beeinflussen konnte.

      Dass Weills Expertise in den Aufsichtsräten dreier Dow-notierter Konzerne (AT&T, DuPont, United Technologies) gehört wird, und dass er an George W. Bushs Business Roundtable sitzt, unterstreicht seine Bedeutung und seine Qualitäten.

      Dennoch ist nicht klar, warum das Institut und warum der Bundeskanzler ausgerechnet jetzt einen Mann ehren, der mit am tiefsten in die noch lange nicht vergessenen Skandale an der Wall Street verstrickt war. Der längst bewiesene Betrug des einst angesehenen Telekom-Analysten Jack Grubman war bekanntlich direkt von Sandy Weill gedeckt, dessen Citigroup als Mutterkonzern über Grubmans Arbeitgeber Salomon Smith Barney stand.

      Dass sich der CEO im Gegensatz zu zahlreichen namhaften Kollegen keiner Klage gegenüber sieht, ist unverständlich.
      Allerdings hat sich Weill im Oktober diesen Jahres durch seinen offiziellen Rücktritt als CEO auch geschickt aus dem Rampenlicht verabschiedet. Zwar hält er als Chairman der Citigroup noch bis mindestens 2006 die Fäden in der Hand, in der direkten Schusslinie steht er aber nicht mehr.

      Umso erstaunlicher ist, dass sich Weill nun so schamlos auszeichnen ließ. Dass sich Gerhard Schröder unterdessen in eine Lobhudelei verstrickte, die alle bisher gehörten Hymnen in den Schatten stellte, ist schlicht nicht nachvollziehbar.

      „Du hast diesen Preis verdient“, lobte Schröder. „Denn dein kooperatives Handeln war nicht nur am Gewinn orientiert, sondern auch an moralischen Werten. Da macht es nichts, dass man auch eines der profitabelsten Unternehmen führt.“ Hohe moralische Ansprüche und hohe Gewinne „müssen kein Widerspruch sein, ja, dürfen kein Widerspruch sein.“
      :laugh:

      Der Weinliebhaber und Lebemann Schröder lobte im weiteren Verlauf den Weinliebhaber und Lebemann Weill für dessen starkes soziales Engagement. Das kann man dem Manager auch nicht absprechen. Weill finanziert mehrere Krankenhäuser und Stiftungen, er sammelt für die Carnegie Hall und ist Direktor des Bostoner Symphonieorchesters, er unterstützt Arbeitsgruppen in der Kinderversorgung und zahlt für Schulen in New York City.

      Doch kann alles Engagement nicht darüber hinweg täuschen, dass Weill seine Millionen nicht immer mit den saubersten Methoden verdient. Und fremdes Geld spendet sich leichter. Das wissen auch andere CEOs: Der ehemalige GE-Chef Jack Welch kann auch als Rentner großzügig Spenden und Trinkgelder verteilen – er bekommt bis zu 100 000 Dollar pro Jahr erstattet.

      Weill zu ehren, war indes nicht Schröders einziges Ziel. Der Kanzler wollte auch für seine „Agenda 2010“ werben, und ein Lob des Freundes von der Wall Street tat ihm sichtlich gut.

      Schröder erzählte dann noch ein wenig von Deutschlands Exportstärke, von den wertvollen Handelsbeziehungen zu den USA, schäkerte und kalauerte durch einige Anekdoten, um dann – im Tonfall Helmut Kohls – die persönliche Freundschaft zwischen Deutschland und Amerika zu loben. Dies geriet zu einem der peinlichsten Momente eines ohnehin wenig glaubwürdigen Abends.

      Von anti-amerikanischen Tendenzen in Deutschland zu sprechen sei „der größte Unsinn, den man überhaupt erzählen kann“, meinte der Kanzler. Anstatt auch nach dem Irak-Konflikt auf unterschiedliche Stimmungen in beiden Ländern und auf zumindest Amerika-kritische Stimmen hinzuweisen, verabschiedete sich der Kanzler für einen Moment in ein Parallel-Universum: Die Deutschen, und vor allem die deutsche Jugend, orientiere sich nach wie vor mit höchster Konzentration und Zuneigung auf ein unendlich bewundertes Amerika, faselte der Kanzler. Dabei sei die Ausrichtung ins Gelobte Land manchmal schon „zu stark, denn dabei werden eigene deutsche Werte zurück gestellt.“

      Einige Zuhörer, die aus Deutschland zugereist waren und der Rede zuhörten, stöhnten hörbar auf.

      Schröder muss gemerkt haben, dass sein Auftritt alles andere als glanzvoll war. Nach dem Schlusswort verabschiedete er sich knapp von seinen Tischnachbarn und eilte ohne ein weiteres Wort und mit grimmigem Gesicht aus dem Saal.


      24.11.03 focus.de


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