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    Quo Vadis - Wahl ...? - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 08.08.02 16:29:19 von
    neuester Beitrag 23.09.02 07:51:58 von
    Beiträge: 20
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      schrieb am 08.08.02 16:29:19
      Beitrag Nr. 1 ()

      Spielmaterial für die Wähler

      Die künstliche Aufregung als Staatsräson

      Wenn man die Berichterstattung in den Medien so verfolgt, wird man allmählich den Verdacht nicht los: hier wird ein abgekartetes Spiel gespielt. Selbst die traditionell regierungsfreundliche Presse hat offenbar den Kampf aufgegeben und richtet sich auf die Regierungsübernahme durch den großen blonden Schweiger aus Bayern ein. Sehr zustören scheint sie das nicht, denn es ist wohl unübersehbar: allzu groß sind die politischen Unterschiede eh nicht und vor allem in den Fragen, auf die es substantiell wirklich ankommt, ist man sich, das gilt für die politische Klasse als auch für die Journaille, weitgehend einig.

      Daß Deutschland weltpolitisch - und das heißt vor allem militärisch - wieder eine große Rolle spielen muß, ist durchgängiger Konsens. Struck will mehr Geld für die Bundeswehr, jeder eventuelle Kandidat der CDU natürlich auch. Sie muß gut ausgerüstet, gut ausgebildet, flexibel, über all in der Welt "westliche Werte" vermitteln.

      Zahlen müssen das die Steuerzahler, vor allem die Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger, denen es ja sonst nirgends auf der Welt so gut geht, die Rentner und und und... Was soll man solche Themen zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung machen und vor allem: Worin sollte diese Auseinandersetzung bestehen? In einigen Prozentteilen mehr oder weniger hinter dem Komma bei den Rentenbeiträgen? Am Ende käme doch nur heraus, dass das bundesdeutsche Wahlvolk eigentlich sachlich nichts zu entscheiden hat, es sei denn ein wenig über Personal und Stil. Und natürlich viel Symbolik.

      Kann man sagen, dass Schröder aus der Sicht des Kapitals seine Sache schlecht gemacht hat? Mitnichten. Das wird ihm sogar hin und wieder hinter vorgehaltener Hand bescheinigt, nur nicht sehr laut, denn hören soll man es erst wieder nach den Wahlen, wenn es - so sieht es aus - gilt, die Nachrufe zu schreiben auf rot-grün. Dann wird ihm eine gewisse Tragik bescheinigen und dass er auf "einem guten Weg" gewesen sei, aber leider seine Basis usw.

      Eigentlich ist es Schröders Problem nicht, dass er für das Kapital schlecht gearbeitet hätte, sondern eher, dass ihm zu viel in zu kurzer Zeit gelungen ist. Er hat dem Sozialabbau, den Kohl 16 Jahre lang gegen recht zähen Widerstand vorangetrieben hatte, zu einem sozialdemokratischen Konsens gemacht, gegen den keiner mehr vernehmlichen Widerspruch formuliert. Und er hat die einst so wilde Friedensbewegung schlicht pulverisiert. Deutschlands Auslandseinsätze beruhen auf einem weit parteiübergreifenden Konsens, das Militär steht in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, in Mazedonien und Afghanistan. Kleinere Einheiten werden mit Sicherheit i Irak mitkämpfen. Regt sich Widerspruch? Da und dort, aber selbst die "Friedenspartei" B90/Die Grünen sind gleichgeschaltet, ihr Personal stellt die aggressivsten Kriegsbefürworter.

      Und worüber redet die Presse? Über privat genutzte Bonusmeilen. Das sind, um es mit dem ehemaligen Chef der Deutschen Bank, Breuer, auszudrücken: Peanuts. Und zwar wirklich. Unerfreulich das Ganze, aber letztlich ohne politische Substanz. Und schließlich haben die Politiker nur das gemacht, was jeder Bundesbürger, der die Gelegenheit dazu hat, auch machen würde: Vorteile mitgenommen. Und wie viele Ämter - jedenfalls bis vor kurzem - saßen in den letzten Wochen des Jahres da, eifrig bemüht, irgendwie das ihnen zugewiesene Geld auszugeben, damit nicht im nächsten Etat eine Kürzung vorgenommen werde?

      Das ist längst gesellschaftlicher Alltag. Doch warum muß Schröder weg? Traut man ihm nicht zu, den eingeschlagenen Weg weitergehen zu wollen oder zu können?

      Daran ist etwas Wahres. Schon sind für den genauen Beobachter Anzeichen des beginnenden Schmidt-Syndroms zu erkennen, d.h. nachlassende Integrationsfähigkeit des rot-grünen Lagers nach links trotz massiver Angriffe von rechts. Ein bedrohliches Zeichen, den diesmal steht so leicht keine FDP zur Verfügung, die mitten in der Legislaturperiode die Seiten wechseln könnte wie 1982. So müssen die Aufgaben neu verteilt werden: Stoiber macht mit Westerwelle die ausführenden Geschäfte der Bourgeoisie, SPD, Grüne und die sozialdemokratisierte, aber nun sicher wieder etwas kessere PDS integrieren aus der Opposition nach links und verhindern so das Aufkommen von wirklich Schlimmerem und das alles wird noch durch eine echte "Volksopposition" von Rechts flankiert. Dafür steht Schill zur Verfügung oder Leute seines Schlages.

      Prost Mahlzeit!

      Quelle: © Philosophischer Salon e.V, Berlin
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 02:48:01
      Beitrag Nr. 2 ()

      Schröder auf Zimmers Spuren

      Die `deutsche` Wendung der SPD

      Es muß der SPD verdammt schlecht gehen, wenn sie jetzt, in der heißen Phase des Wahlkampfes, versucht, die "deutsche" Karte zu spielen. Das haben auch gleich so ziemlich alle Kommentatoren bemerkt. "Wir gehen den deutschen Weg" soll die zentrale Wahlkampflosung der SPD für die Endphase bis zum 22. September lauten, die Franz Müntefering jetzt der staunenden Öffentlichkeit vorstellte. Und in der Tat: Es geht der SPD schlecht. Allen Umfragen zufolge liegt sie als Partei deutlich hinter der CDU/CSU und für die bisherige Regierungskoaliton zeichnet sich keine Mehrheit mehr ab.

      Vier Pfeile glaubte der amtierende Kanzler für die Wahl in seinem Köcher zu haben: eine verbreitete Anti-Stoiber-Stimmung, die quasi eine Neuauflage des Stoppt-Strauß-Wahlkampfes von 1980 erlauben sollte und dann noch drei Kaninchen: erstens sich selbst, zweitens Peter Hartz und dann noch die Wende zu den nationalen Interessen.

      Der erste Pfeil hatte aber keine Spitze, denn Stoiber tat den Sozialdemokraten nicht den Gefallen, im Wahlkampf zu polarisieren. Stoiber weiß genau, daß nichts verkehrter wäre als jetzt selber die Mobilisierung der sozialdemokratischen Wähler zu betreiben. Er gibt sich gelassen, gemäßigt, bisweilen gar als Sachwalter der kleinen Leute. Sein ganzer Wahlkampf besteht darin, Schröders Malaisen - insbesondere auf dem Arbeitsmarkt - für sich wirken zu lassen und ansonsten nicht dumm aufzufallen. Hartz schien den Charakter einer Wunderwaffe zu bekommen, aber die Wirkung verflog rasch. Erstens stellte sich alsbald die Frage, warum die vorgeschlagenen Maßnahmen Schröder nicht schon früher eingefallen waren, wenn doch alles so verhältnismäßig leicht zu bewältigen wäre, außerdem weckten die Vorschläge der Hartz-Kommission bei den Betroffenen unübersehbar Existenzängste. Auch wenn diese kaum eine Lobby in den Medien haben, bei mehr als 4 Millionen offiziell registrierten Arbeitslosen ist das schon eine ganze Masse, die sich wirklich sorgt und schlicht Angst hat. Jetzt also der "deutsche Weg". Im Grunde hatten wir das schon mal: damals hieß es "Modell Deutschland" und war die Wahlkampfparole des heute fast vergessenen SPD-Kanzlers Helmut Schmidt. Damals wurde aus der Wahlkampfparole ein politischer Begriff, der sogar in wissenschaftliche Analysen Eingang fand. Aber das ist auch schon eine ganze Weile her.

      Heute soll der Weg zweierlei bedeuten: erstens eine Absage an das amerikanische Gesellschaftsmodell. Nicht der Weg von Wisconsin, sondern Sozialstaat auf niedriger Stufenleiter. Lieber mehr in diesen Teil des Etats alls später, wenn die Konjunktur wieder einbricht, mit einem Heer von Unzufriedenen und Verzweifelten, deren politische Reaktionen vielleicht nicht immer so harmlos und steuerbar sein mögen wie bislang., konfrontiert zu sein. Und zweitens eine Absage an die amerikanische Militärstrategie, vor allem, aber nicht nur, gegen den Irak. In der Tat ist das, was Bush offenbar vorhat, ein auch für die "einzige Weltmacht" unkalkulierbares Abenteuer. Und die Stimmung in der Bevölkerung ist gegen den Krieg, zumal die berechtigte Angst wächst, diesmal könnte der Krieg, zumindest in Form von Terroranschlägen oder Raketenangriffen, eventuell keinen Bogen mehr um Deutschland machen.

      Andererseits hat die Bevölkerung mittlerweile ihre Erfahrungen gemacht und man darf es wohl so sagen: Sie mißtraut praktisch dem ganzen politischen Betrieb und seinem Personal. Also auch Schröder. Längst weiß man um die "Sachzwänge", den Druck der Wirtschaft und die Anforderungen der "Verbündeten". Im Klartext :Niemand traut Schröder zu, daß er, selbst wenn nach dem 22. September noch die Gelegenheit dazu haben sollte, wonach es nicht aussieht, diese Versprechungen einhalten will oder kann. Das ist eine fatale Situation. Andererseits zeigt allein schon das Aufkommen dieser Parole, die noch vor wenigen Jahren in der Linken für Aufruhe gesorgt hätte, keinen mehr aufzuregen. Gabi Zimmer war dem schon vor einem Jahr vorausgeprescht. Das war seit 1989 abzusehen. Und es läßt hoffen.

      Quelle: © Philosophischer Salon e.V, Berlin
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 03:26:27
      Beitrag Nr. 3 ()

      Wer bietet mehr?

      Hartz, Stoiber, Müller - Wahlkampf a la Eisenbart

      Es geht zu wie bei einer amerikanischen Versteigerung. 2 Millionen Arbeitsplätze sind geboten, wer bietet mehr? Zuerst trat, wie durch Zufall zu Beginn der heißen Phase im Wahlkampf, die Hartz-Kommission auf den Plan um zu verkünden, dass man in zwei Jahren die Arbeitslosigkeit halbieren könne, die Regierung tauchte erst kurz ab um zu sehen, wie die Vorschläge aufgenommen werden würden und unterstützte sie dann, als auch die Gewerkschaften grünes Licht gaben, schwungvoll. Da musste Stoiber, der große Wirtschaftsfachmann, natürlich nachziehen: er gab sich als Retter der Enterbten und Verteidiger des Arbeitslosengeldes und legte dann ein Programm vor, das "mindestens" 1,7 Millionen Arbeitsplätze schaffen sollte, jetzt muß auch der bislang so rührige Wirtschaftsminister Müller nachziehen. Immerhin ist er noch derjenige, der am ehesten einen Blick für die Realitäten hat und gibt sicherheitshalber das Jahr 2006 als Zielmarke an, auch will er bis dahin nur 2 Millionen Jobs schaffen. Diese Prognose hat Vorteile: zum einen nimmt sie sich neben Hartz, Gerster und Stoiber seltsam gemäßigt aus, zum anderen ist es bis 2006 noch lange hin. Da kann noch viel passieren, und am Ende ist sowieso der Müller weg.

      Dabei sind die vorgelegten Vorschläge, egal in welcher Variante, leicht als Placebo-Politik zu erkennen. Hartz´ Ideen laufen im wesentlichen auf zweierlei hinaus: den Druck auf die Arbeitslosen erhöhen und sie - auch zu Hungerlöhnen - in die Beschäftigung zwingen, eine neue Klasse der "working Poor" entsteht, zum zweiten die Bundesanstalt für Arbeit in eine einzige große Personalvermittlungsagentur umwandeln.

      Das sind Ideen von ergreifender Schlichtheit, aber sie könnten, zumindest kurzfristig den gewünschten Effekt in der öffentlichen Meinung haben. Denn wer mag sich schon mit den Arbeitslosen identifizieren. "Mich trifft´s doch nicht" denkt sich der brave Bürger und sei es nur zur Selbstberuhigung. Außerdem werden Kosten gesenkt und die Zahlen der Arbeitslosigkeit gesenkt. Das macht Eindruck und verschafft den Politikern ein Macher-Image.

      Doch das dicke Ende kommt erst noch. Selbst die chronisch wirtschaftsfreundlichen Forschungsinstitute machen keine Hoffnung mehr auf einen baldigen, vor allem nachhaltigen Aufschwung. Die flexiblen Arbeitskräfte aus dem Osten sollen sich Arbeitsplätze im Westen suchen, und das zur gleichen Zeit, wo man die Auszehrung der neuen Bundesländerbeklagt. Berufsanfänger finden keine Stelle, der Öffentliche Dienst macht zu - krasses Bespiel Berlin - Absolventen der nur für den Öffentlichen Dienst geeigneten Ausbildungsgänge werden nicht mehr übernommen. Firmenkräche, öffentliche Bürgschaften. Es ist wie im Lehrbuch, Gewinne werden privatisiert, Verluste "sozialisiert".



      Aber Arbeit ist ja genug da. Stimmt, aber es geht nicht um gesellschaftlich notwendige Arbeit, sondern um Lohnarbeit, also um Arbeit die "sich rechnen muß". Und eben daran fehlt es. Daran ändert auch Hartz nichts. Bessere Vermittlungen auf real nicht vorhandene Arbeitsplätze werden das Problem nicht lösen. Doch daran schert sich derweil niemand. Rationalisierungen und die zunehmende Lohnkonkurrenz mit Entwicklungsländern würden andere Lösungen erfordern. Aber Hartz, Stoiber, Müller und tutti quanti wollen keine Probleme lösen, sondern Wahlen gewinnen. Eine kurzsichtige Taktik.

      Quelle: © Philosophischer Salon e.V, Berlin
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 04:22:54
      Beitrag Nr. 4 ()
      zum "Philosophischer Salon e.V, Berlin"

      Denkfehler? oder trinken die auch mal ein Bier?

      Immerhin war es Aristoteles, der meinte, dass das,
      was wir heute als Gehirn, unserem Denkapparat ansehen,
      der Kühler für die Körperorgane ist, und der Geist in der Nähe vom Herzen sitzt.

      So irren sich auch Filosofen.

      :)

      ps. da sollte man besser alles für möglich halten.
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 04:46:43
      Beitrag Nr. 5 ()
      #4 von peace_boxer :D

      Zuerst hat Platon die Philosophie als Wissenschaft bestimmt. (Theaet. 143 D). Der Philosoph steht zwischen dem Unwissenden und dem (absolut) Wissenden (Sympos. 204 B). Die Philosophie ist der Erwerb des Wissens (Euthydem. 288 D). Quelle der Philosophie ist das Staunen (Theaet. 155 D).

      Auch Aristoteles betrachtet die Philosophie als Wissenschaft (Met. VI 1, 1026a 18). Philosophie ist Wissenschaft der Wahrheit (Met. II 1, 993 b 20). Quelle der Philosophie ist wie bei Platon dieVerwunderung (Met. I 2, 982 b 12).

      ->

      Ich drücke hiermit meine Verwunderung über dein Posting #4
      aus und erkläre mich damit offiziell zum Philosophen ... :laugh:

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      schrieb am 13.08.02 18:17:41
      Beitrag Nr. 6 ()

      Bestechung? Nein, nur Spende!

      1. Bestechung als einfacher Kauf einer Gegenleistung ist strafbar

      Der § 334 STGB „Bestechung“ lautet: „(1) Wer einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.“

      Wie beim einfachen Kauf müssen sich hier Bestecher (Käufer) und Bestochener (Verkäufer der Gegenleistung) über „Kauf“gegenstand und Kaufpreis einigen. Strafbare Bestechung liegt nur dann vor, wenn die Zahlung der Bestechungssumme oder das Gewähren einer Vergünstigung abhängig gemacht wird, von einer konkreten Gegenleistung des Amtsträgers, die im Zusammenhang der Geldübergabe besprochen worden ist.

      So wurden zwar unserem Exkanzler Kohl zwar Millionen zugesteckt, aber er hat dafür keine konkrete Gegenleistung versprochen, also handelte es sich um keine strafbare Bestechung.

      Daher reden unsere Politiker zu Recht immer nur von „Spendenskandalen“ und nicht von „Bestechungsskandalen“. Die kennen halt den Bestechungsparagrafen. Dieser Paragraf gehört gewissermaßen zur Grundausbildung jedes Politikers. Spenden? Natürlich brauchen wir Spenden! Bitte spenden Sie, je mehr um so besser. Der Spender verlangt nichts dafür, der Politiker verspricht nichts dafür. Beide lächeln sich verständnisvoll an und dem Gesetz ist Genüge getan.

      Für alle Fälle ist noch eine Notbremse in das Gesetz eingebaut: Falls der Bestochene eine Diensthandlung verspricht, die seinen Amtspflichten entspricht und durch die er seine Dienstpflichten nicht verletzt, dann handelt es sich ebenfalls nicht um Bestechung.
      Kölner Müllentsorgung? Trieneken? Es ist doch unsere Amtspflicht, Aufträge an Firmen zu vergeben! Leuna? Es war doch unsere Amtspflicht, DDR-Betriebe billig zu verscherbeln. Im Rahmen der Amtspflichten ist (fast) jede Begünstigung erlaubt.

      2. Bestechung als „Kreditgeschäft“ ist straffrei.

      Die amerikanische Journalistin Ida Tarbell hatte persönlichen Kontakt zu H. H. Rogers, einem Direktorenkollegen John D. Rockefellers von Standard Oil. Auf ihre Frage, wie Standard Oil die „Gesetzgebung manipuliere“, antwortete Rogers freimütig: „Oh natürlich kümmern wir uns darum! ... Sie kommen hierher und bitten um Spenden für ihre Wahlkampfkasse. Und die geben wir - .... Wir greifen in die Tasche und geben ihnen hübsche Summen für den Wahlkampf, und wenn dann mal ein Gesetz eingebracht wird, das gegen unsere Interessen geht, gehen wir hin und sagen: ‚Da steht dieses oder jenes Gesetz an. Uns gefällt das nicht und wir wollen, dass Sie sich um unsere Interessen kümmern.’ So machen es alle.“ (Daniel Yergin, Der Preis. Die Jagd nach Öl, Geld und Macht, 135.)

      Merke: Die Bestechung als Kreditgeschäft, bei dem zwischen der Geldübergabe an die Politiker und der „Rückzahlung“ einer politischen Gegenleistung eine Frist liegt, ist nach unserem Recht nicht strafbar, ist also auch keine Bestechung!

      Quelle: Philosophischer Salon e.V, Berlin
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 18:26:45
      Beitrag Nr. 7 ()
      Ich wähle PDS und damit basta ...! 249 Guerilla Investor 07.08.02 17:52:43

      das sagt eigentlich alles...
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 18:32:39
      Beitrag Nr. 8 ()
      So ? Was sagts denn, außer daß du zu faul zum Lesen bist :D
      Avatar
      schrieb am 15.08.02 19:10:02
      Beitrag Nr. 9 ()
      POLITIKER IM KRISENGEBIET

      Wettrudern der Deichgrafen

      Von Markus Deggerich

      Auch wenn die Parteien beteuern, in der Not müsse der Wahlkampf zurückstecken: Die Hochwasser-Katastrophe im Osten könnte der in Umfragen abgeschlagenen Regierungskoalition Auftrieb geben. Der Kanzler und seine Minister surfen gekonnt als Krisenmanager auf der Betroffenheitswelle, Union und FDP versuchen mitzuhalten.


      Der Kanzler handelt: Gerhard Schröder in Grimma

      Berlin - Die Gummistiefel musste der Kanzler sich noch leihen, doch den Titel will er sich verdienen. Seitdem die einen Deutschen im Trockenen vor dem Fernseher fassungslos zusehen, wie die anderen Deutschen im Katastrophengebiet versinken, ist das Jahrhunderthochwasser für alle Politiker Chefsache und "nationale Aufgabe". Mit dem Vorwurf an den jeweils anderen, man möge die Not doch bitte im Wahlkampf nicht instrumentalisieren, rücken die Volksvertreter jeweils mit großem (Medien-)Gefolge ins Krisengebiet vor. Mitgefühl, Hilfe und Handlungsfähigkeit gilt es zu demonstrieren beim Wettlauf um den Titel "Deichgraf", den sich Matthias Platzeck in Brandenburg einst beim Oderhochwasser inklusive bombastischer Umfragewerte erwarb.
      Der Kampf gegen das Hochwasser kann sich politisch durchaus lohnen: Schon zwei politische Karrieren wurden in der Vergangenheit dadurch beflügelt. Für den späteren SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt wurde es zum Sprungbrett in die Bundespolitik, dass er 1962 die Sturmflut in seiner Heimatstadt Hamburg als Innensenator bewältigte. Und Brandenburgs früherer Umweltminister Platzeck wurde schließlich Landesvater.

      Der Kanzler medienwirksam in Gummistiefeln im überfluteten Grimma, sein Umweltminister samt Außenminister in Dessau, der frisch gebackene Verteidigungsminister bei den Sandsäcke schleppenden Soldaten im bayerischen Passau: Da darf die Gegenseite nicht untätig bleiben. Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) wird am Freitag in die Hochwassergebiete in Sachsen und Sachsen-Anhalt reisen, begleitet von seinen Parteifreunden und Ministerpräsidenten von Sachsen und Sachsen-Anhalt, Georg Milbradt und Wolfgang Böhmer. Bei Kanzler und Kandidat wird betont: Der eine unterbricht seinen Wahlkampf und der andere seinen Urlaub. Selbstlos, beides, selbstredend.

      Am Donnerstag richtete der Kanzler eine Task-Force ein und verkündete unbürokratische finanzielle Soforthilfe, "die bar angewiesen wird" - ohne allerdings genauer zu erläutern, aus welchem Topf des Bundeshaushalts die Millionen fließen werden. Der Kanzler gibt, der Kanzler handelt, der Kanzler führt. Er ist in der Pole Position, denn das ist sein Job, das wird von ihm erwartet. Während aller Aktionismus bei der Union so wirkt, als wolle sie sich dranhängen.

      Union und FDP kriegen nasse Füße

      Die Flut spült Rot-Grün nach oben. Die bisher im Wahlkampf kraftlos wirkenden Grünen haben ihr Ur-Thema neu entdeckt: Haben sie nicht immer für eine nachhaltige Klimapolitik gekämpft, gegen Flussbegradigungen und gegen die überbordende Versiegelung der Landschaft? Hatte die Opposition nicht Umweltanliegen und die Gefahren des Klimawandels immer auf die leichte Schulter genommen, die Ökosteuer rabiat bekämpft?

      Union und FDP kriegen nasse Füße und stehen in Umweltfragen nackt da. Manche Kommentare sind verheerend. Wie dieser: "Gäbe es in der Hochwasser-Krise einen Preis für Dreistigkeit, er ginge absolut konkurrenzlos an Angela Merkel. So viel Chuzpe muss man erst mal haben: zu behaupten, die Union habe in ihrem famosen Kompetenzteam keinen fürs Thema Umwelt aufgestellt, weil das doch die Sache von IHM persönlich, von Edmund Stoiber sei. Vom Umweltpolitiker Stoiber indes ist allenfalls erinnerlich, dass er 1. die Ökosteuer stoppen, 2. die Atomkraftwerke vielleicht nicht so schnell vom Netz nehmen und 3. den Umweltschutz bei Unternehmen zur freiwilligen Veranstaltung machen will", lästerte die "Frankfurter Rundschau". Generalsekretär Laurenz Meyer räumte am Donnerstag schon kleinlaut ein, dass man sich in der Frage Umweltexperte im Kompetenzteam "heute vielleicht anders entscheiden würde".
      DDP


      Chefsache Umweltpolitik? Stoiber in Passau


      Überschwemmte Städte und unvorstellbare Wassermassen, Tote, Verletzte und gigantische Schäden - angesichts der Unwetterkatastrophe fordert Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eine Atempause im Wahlkampf und verneint jegliche Interessenkollision.

      Dennoch treten sich die Politiker im Krisengebiet fast auf die Füße. Der Bundeskanzler hatte sich kurzerhand entschlossen, ins überschwemmte Dresden zu fliegen, bevor er sich für Grimma entschied. Damit stahl er allerdings Jürgen Trittin zunächst die Schau. Der grüne Bundesumweltminister, in den vergangenen Tagen gefragter Interviewpartner zu Klimaschutz, globaler Erwärmung und den Folgen, hatte seinen Besuch in der Elbmetropole schon vor dem Regierungschef angekündigt.

      Trittin wird von Pieper empfangen

      Trittin, wohl ahnend, welcher Name mehr Aufmerksamkeit absorbieren würde, änderte flugs die Reiseroute - nun stand nur noch ein Besuch im weit weniger bekannten Dessau in Sachsen-Anhalt auf dem Programm. Doch selbst den Auftritt musste er teilen. Denn noch ein Polit-Promi zwängte sich zu Trittin in den eilends organisierten Hubschrauber: Grünen-Spitzenkandidat und Außenminister Joschka Fischer begleitete seinen Parteifreund. Die dritte grüne Kraft im Kabinett, Verbraucherministerin Renate Künast, besuchte geschädigte Bauern in Brandenburg, Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) Soldaten beim Einsatz im bayerischen Passau.

      FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper wollte da anscheinend nicht hinten anstehen, obwohl ihr Chef Guido Westerwelle schon lautstark das Schaulaufen der Politiker geißelte. Zur Überraschung von Fischer und Trittin gehörte die aus Sachsen-Anhalt stammende Politikerin zum Begrüßungskomitee am Dessauer Flugfeld. Auf ihren wenig hochwassertauglichen grauen Lackpumps hängte sie sich einfach an die Gruppe der Grünen-Promis an und schüttelte - wie die Minister - fleißig Helferhände. "Ich habe mich spontan entschieden, mir das anzusehen", behauptete sie.

      "Es ist ein Unding"

      Prompt versuchte Trittins Sprecher, Pieper einen Strich durch die Publicity-Rechnung zu machen. Den Journalisten im Begleitbus präsentierte er einen Umweltschützer, der schimpfte: "Es ist ein Unding, wie sich Frau Pieper hier in Szene setzt." Schließlich habe sich die FDP-Frau massiv für den Ausbau der Elbe eingesetzt, der die Hochwasserproblematik verschärfen würde.

      SPD und Grüne werben unterdessen landauf, landab relativ ungestört von der Opposition für ihre Umwelt- und Klimaschutzpolitik. Die Regierungsparteien, seit Wochen im Umfragetief, sehen unverhofft einen Hoffnungsschimmer am trüben Horizont. "Wir rechnen mit einer zweiten Welle", sagte Schröder am Donnerstag im Hinblick auf die aus Tschechien anrollende Flut. Man darf auch mit weiteren Besucherwellen rechnen.

      http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,209570,00.h…
      Avatar
      schrieb am 15.08.02 19:16:55
      Beitrag Nr. 10 ()

      "Wer im Osten auf die Schnauze fällt..."

      Von Markus Deggerich

      Alle reden über Nordrhein-Westfalen als wahlentscheidendes Bundesland. Aber die spezifische Situation in Ostdeutschland bereitet allen Parteien Kopfzerbrechen. Zu Recht: Die neuen Länder könnten mehr entscheiden, als sie wollen.


      Im Osten nichts Neues: Edmund Stoiber

      Berlin - Die politischen Pegelmeldungen aus dem Osten sind alarmierend: In den neuen Ländern steht allen das Wasser bis zum Hals. Es droht eine Flut von Nicht- oder Protestwählern, die den Parteien ihr erhofftes Wahlergebnis noch kräftig unterspülen kann. Selbst bei der PDS als Nutznießer fehlender Ost-Sensibilität etablierter Westparteien drohen die Dämme zu brechen: Die ersten Umfragen nach dem Abgang Gregor Gysis signalisieren, dass der Rettungsring von drei Direktmandaten zur Überlistung der Fünf-Prozent-Hürde davonzuschwimmen droht.
      Alle Parteien bemühen sich deshalb im Wahlkampf jetzt wieder besonders um die Wähler östlich der Elbe. Dahinter steckt die viel zitierte These, dass Bundestagswahlen im Osten gewonnen oder verloren werden. "Diese These ist zwar sehr beliebt, trifft aber nicht den tatsächlichen Charakter", sagt Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. Wenn Wahlen sehr knapp ausgingen, würden sie in den unterschiedlichsten Bereichen gewonnen oder verloren.

      Parteienforscher Gero Neugebauer von der Freien Universität Berlin weist auf die Einwohnerzahlen hin. Gewonnen werden könnten Wahlen in Ostdeutschland schon deshalb nicht, weil die Bürger dort bundesweit nur rund ein Fünftel aller Wahlberechtigten stellen. "Allein im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen gibt es so viele Wähler wie in allen fünf neuen Ländern zusammen."

      Doch dass die Wahlkampfstrategen der Parteien dennoch zu Recht ihr besonderes Augenmerk auf die Wähler im Osten richten, liegt nach übereinstimmender Meinung der Experten an dem in der Tendenz anderen Wahlverhalten in den neuen Ländern. "Es gibt weniger Stammwähler und wesentlich mehr Wechselwähler im Osten als im Westen", bringt es Everhard Holtmann von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg auf den Punkt. Abgesehen von den PDS-Anhängern sind rund 90 Prozent der Wähler in den neuen Ländern nicht traditionell an eine Partei gebunden, erläutert Jung: "Insofern fallen Reaktionen dort viel heftiger aus."

      "Wer im Osten auf die Schnauze fällt...."

      Das Motiv der Protestwahl ist in den neuen Ländern stärker ausgeprägt, sagt auch der Parteienforscher Jürgen Dittberner von der Universität Potsdam. "Wer eine bestimmte Partei gewählt hat und ist von ihr enttäuscht, der wählt im Osten viel schneller die Konkurrenz." Oder eben gar nicht mehr, weil er nach den Versprechen von "blühenden Landschaften" und "Chefsache" kein Vertrauen mehr hat. Zudem vergeben Ost-Wähler ihre Stimme eher nach Personen, denn nach Parteien. "Wenn führende Politiker als schwach erscheinen, werden sie mit dem Stimmzettel abgestraft", meint Neugebauer. Das nützt Gerhard Schröder, der mit seinen Popularitätswerten im Osten sogar doppelt so weit vor Edmund Stoiber liegt wie im Westen. Diese Personalisierung spürt aber jetzt auch die PDS, deren Umfragewerte vor allem in den wichtigen Wahlkreisen Ost-Berlins nach der Flucht von Gysi dramatisch eingebrochen sind.

      Deshalb ist nach Ansicht Dittberners am ehesten die These gerechtfertigt, dass die Bundestagswahlen zwar nicht im Osten gewonnen, doch sehr wohl verloren werden können. "Wer im Osten auf die Schnauze fällt, den kann das sehr wohl die entscheidenden zwei bis drei Prozent für den Gesamtsieg in Deutschland kosten." Die Parteien seien daher gut beraten, auf die besonderen Probleme in Ostdeutschland wie die extrem hohe Arbeitslosigkeit und spezifische Gefühlslagen einzugehen, meint Dittberner. "Gerechtigkeit wird im Osten immer noch höher bewertet als Leistung."

      Stoiber hoffnungslos hinten

      Die schlechten Unions-Werte haben das Team um den Stoiber-Berater Michael Spreng aufgeschreckt. Der Kandidat ist extrem unbeliebt, vielleicht auch, weil die Menschen nicht vergessen haben, dass es der bayerische Ministerpräsident war, der gegen den Solidarpakt II und den Länderfinanzausgleich polemisierte. Lothar Späth, Katherina Reiche und Angela Merkel können dieses Misstrauen gegen den Bayern nicht ausgleichen.

      Problemfall Ost: Welke Wirtschaftslandschaften

      Anders als in der Umweltpolitik, wo Angela Merkel das schwarze Loch der Union mit fehlender Zuständigkeit in Stoibers Kompetenzteam für Umweltfragen peinlich zu rechtfertigen suchte mit der lustigen Begründung, dafür brauche man niemanden, "weil das Chefsache ist", scheint die Union ihrem Chef in Ost-Kompetenz nicht mehr allein zu trauen.

      Aufgeschreckt durch die steigenden Umfragewerte für die SPD in den neuen Ländern will die Unionsführung noch schnell einen so genannten Beraterkreis Ost für ihren Kanzlerkandidaten installieren. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel kündigte zugleich eine Intensivierung des Wahlkampfes in den neuen Bundesländern an.

      Ihrem Wirtschaftsfachmann Lothar Späth könnte "die eine oder andere Erfahrungsergänzung" beigegeben werden, denkt Goppel. CDU und CSU hätten bereits eine zusätzliche Aufschwung-Ost-Tour mit Stoiber und Späth gestartet. Es gebe eben noch viele Vorbehalte in den neuen Ländern, räumte Goppel ein.

      "Dann geht es ihnen schlecht..."

      Die SPD liegt nach einer neuen Erhebung des Leipziger Instituts für Marktforschung in Ostdeutschland wieder vor der Union. Die Zahlen sind für alle dramatisch: 26 Prozent der Befragten in den neuen Bundesländern an gaben an, sie würden für die Sozialdemokraten stimmen. Gerade noch 21 Prozent entschieden sich für die Union, 14 Prozent für die PDS.


      Fehlende Ost-Kompetenz: Merkel und Stoiber

      Wenn die Möglichkeit bestünde, den Kanzler direkt zu wählen, hätte Herausforderer Stoiber im Osten keine Chance. Fast jeder zweite Befragte (48 Prozent) votierte für den amtierenden Bundeskanzler Schröder. Für Stoiber entschieden sich nur schlappe 22 Prozent.

      Die Parteien dürften nicht als reine West-Organisationen auftreten. "Dann geht es ihnen schlecht, so wie es den Grünen und der FDP ergangen ist", sagt der Potsdamer Dittberner. Die Grünen haben auch nach Einschätzung von Jung praktisch keine Chancen in den neuen Ländern. Deren Programm komme "aus einer relativ saturierten Wohlstandsgesellschaft". Die Bedürfnisse der breiten Masse im Osten seien jedoch stärker materiell orientiert. Die FDP könne sich dort dagegen noch als Protestpartei etablieren, wenn die Menschen mit der Politik der beiden großen Parteien unzufrieden seien. Das war bereits bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt in diesem Jahr zu spüren.

      PDS als Steigbügelhalter des Kanzlers Stoiber

      Einig waren sich die Wahlforscher auch darin, dass die PDS ihr Wählerpotenzial im Osten auf einem relativ hohen Niveau von 20 bis 22 Prozent ausgeschöpft hat. Doch aktuell könnte sie die "Gysi-Delle" entscheidende Punkte kosten, weil die Attraktion der PDS bei den Wechselwählern im Osten geschmälert sei, sagt Neugebauer.

      Ironie des Schicksals: Der Osten könnte Stoibers Gesamtergebnis zwar mächtig schwächen. Aber wenn die PDS wegen ihrer aufkeimenden Ostschwäche nicht den Wiedereinzug ins Parlament schafft, ist es fast egal, wie stark die SPD dort vorne liegt. Eine fehlende PDS im Bundestag könnte zum Steigbügelhalter eines Kanzlers Stoiber: "Dann könnten die Wahlen für den Bundestag dieses Mal tatsächlich im Osten verloren werden", sagt Holtmann: "Dann gibt es eine schwarz-gelbe Mehrheit im Bund."

      http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,209434,00.h…
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      schrieb am 21.08.02 12:34:25
      Beitrag Nr. 11 ()

      Wahl nur zum Schein

      Studie: Parteien diktieren dem Bürger die Kandidaten

      BERLIN, 20. August. Die Zusammensetzung des Bundestages nach der Wahl am 22. September steht nach Ansicht des Verfassungsrechtlers Hans Herbert von Arnim im Wesentlichen schon fest. "Die Parteien und nicht die Bürger bestimmen, wer als Volksvertreter im Bundestag sitzen wird", sagte von Arnim bei der Vorstellung der Studie "Wahl ohne Auswahl" am Dienstag in Berlin. Die Parteien hätten nach dem Wahlrecht nicht nur das Monopol für die Aufstellung der Kandidaten. Sie nähmen den Menschen oft sogar die Wahl ab, erklärte von Arnim. Die repräsentative Demokratie sei "kaum mehr als ein schöner Schein".
      Die Studie der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, die vom Verein "Mehr Demokratie" unterstützt wurde, ermittelte die voraussichtlich sicheren Wahlkreise und Listenplätze der jetzt im Bundestag vertretenen Parteien für die Wahl im September. Unter anderem wurden Wahlkreise für eine Partei als gewonnen angesehen, in denen Kandidaten dieser Partei die letzten drei Bundestagswahlen gewonnen haben. Danach stehen etwa von den 74 Abgeordneten, die Baden-Württemberg in den Bundestag schickt, schon jetzt 47 namentlich fest und weitere zwölf mit großer Wahrscheinlichkeit.

      Von Arnim kritisierte, dass der Wähler mit der Zweitstimme nur unveränderbare Parteilisten ankreuzen kann. Aber auch mit der Erststimme, die ein Kandidat erhält, habe der Bürger nur scheinbar die Wahl. Denn auch die Verlierer seien häufig über die Listen abgesichert und kämen sogar dann ins Parlament, wenn sie im Wahlkreis überhaupt keine Erststimme erhalten hätten. Die innerparteilichen Verbindungen des Abgeordneten werden so unvergleichlich viel wichtiger als seine Leistung für das Gemeinwohl. Dies dürfte eine Ursache für die zunehmende Bürgerferne von Politikern sein, so Arnim.

      Er forderte eine Reform des Wahlrechtes. Als Erstes müssten die starren Wahllisten abgeschafft werden. Dem Wähler müsse ermöglicht werden, Kandidaten auf den Listen vorzuziehen. Durch Vorwahlen würde zudem verhindert, dass Parteien in ihren Hochburgen den Bürgern Abgeordnete diktieren.

      Annett Otto / Berlin Online
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      schrieb am 24.08.02 10:34:56
      Beitrag Nr. 12 ()

      FERNSEHEN

      Dompteur der Duellanten

      Eigentlich kann diesen Mann nichts aus der Ruhe bringen. Doch wenn Volker Weicker an diesem Sonntag in Berlin-Adlershof seinen Dienst antritt, werden seine Nerven höchst gespannt sein. So ziemlich alles, was Livefernsehen bietet, hat Volker Weicker schon in Szene gesetzt. Dieser Job aber ist selbst für ihn etwas Neues. Weicker ist der Regisseur der beiden TV-Duelle. Zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Fernsehens werden der Kanzler und sein Herausforderer vor laufenden Kameras ihre Argumente austauschen. Den "Herrn der Duelle" haben manche Volker Weicker deshalb genannt. Aber das stimmt nur zum Teil. Denn ein ausgesprochen steifes Reglement, das die Sender mit den Wahlkampfleitern der Politiker ausgehandelt haben, macht die Duelle zum Staatsakt und Weicker weniger zum Herrn als vielmehr zum Sekundanten der Duellanten.
      Sein Spielraum als Regisseur ist fast aberwitzig eingeschränkt: Mit der Stoppuhr wird er messen, welcher der beiden Redner wie lange im Bild ist. Die Bewegungen der Kameras sind programmiert. Auf Knopfdruck wird der preisgekrönte Professor für Bildregie eine Standardsituation nach der anderen "abfahren", wie es im Fernsehjargon heißt. Kein unbedachter Reaktionsschnitt darf die Neutralität der Sendung aufheben.

      "Natürlich könnte ich das alles auch ganz anders, nämlich auf Emotionen hin inszenieren", sagt Volker Weicker. Die Liste der sportlichen Hochleistungen, die er zu Fernsehevents stilisiert hat, ist lang: Für RTL hat er die Formel 1 und das Boxen, schließlich sogar das optisch eher monotone Skispringen zu spektakulären TV-Ereignissen gemacht. Sportstars wie Henry Maske oder Sven Hannawald profitierten von Weickers personalisierender und emotionalisierender Bildregie. Dass die Übertragung der Champions League sogar spannend sein kann, wenn gar kein Fußballspiel stattfindet, bewies Weicker im Verein mit Günther Jauch und Marcel Reif, als sich in Madrid der Anpfiff erheblich verzögerte, weil kurz vor Spielbeginn das Tor umgefallen war.

      Vorläufiger Höhepunkt seiner Karriere war die Weltregie bei der Fußball-WM in Japan und Korea. Liveübertragungen ohne Netz und doppelten Boden sind Weicker die liebsten. Bis zu 26 Kamerabilder schneidet er sicher "aus der Hand", das heißt an den Reglern seines Mischpultes. Aber es muss nicht immer ein Stadion sein, damit Weicker in seinem Element ist. Aus Verbundenheit mit seinem ersten Arbeitgeber überträgt er seit Jahren für 3sat das Berliner Theatertreffen. Auch die Talker Reinhold Beckmann und Johannes B. Kerner schwärmen noch heute von der Intuition, mit der Weickert die Gefühlswallungen ihrer Gäste rechtzeitig ahnte. Dieses Gespür für den gefühligen Moment wird Volker Weicker an den Duell-Sonntagen unterdrücken müssen. "Ich zeige, was ist", sagt er. "Wenn die beiden ruhig und souverän sind, zeige ich das. Wenn sie aufgeregt und unsicher sein sollten, was ich aber nicht glaube, dann zeige ich das."

      http://www.berlinonline.de/aktuelles/berliner_zeitung/politi…
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      schrieb am 24.08.02 10:36:39
      Beitrag Nr. 13 ()

      Neue Lage vor dem großen Duell

      Werner Kolhoff

      BERLIN, 23. August. Vor drei Wochen noch war den Beratern von Edmund Stoiber und Gerhard Schröder ziemlich klar, wie ihre Chefs am Sonntag im Fernsehduell aufzutreten hätten. Stoiber sollte Schröder damit piesacken, dass Deutschland wirtschaftliches Schlusslicht in Europa sei und dass die Arbeitslosenzahlen nicht zurückgegangen seien. Er sollte der Politik der "ruhigen Hand" eine neue Regierung der Taten gegenüberstellen. Souverän und tatkräftig, so sollte Stoiber auftreten.
      Schröders Ratgeber wiederum meinten, ihr Mann müsse die Opposition härter angehen. Kernbotschaft solle sein, dass Personal und Inhalte der Union auf die alte Kohl-Politik hinausliefen, auf Schuldenmacherei, unsoziale Reformen und rückständige Gesellschaftspolitik. Schröder sollte im Grunde an den Anti-Kohl-Wahlkampf von 1998 anknüpfen. Der Amtsinhaber sollte den Herausforderer angreifen.

      Verunsicherte Wahlkämpfer

      Mit den neuen Umfragen und durch die Hochwasserkatastrophe ist nun die Ausgangslage fast umgekehrt. Schröders persönliche Werte schießen nach oben, seit er in Grimma ein grimmiges Gesicht machte und anschließend in Schnelle ein Milliardenhilfsprogramm aufsetzte. Nebenbei gelang es ihm noch, die Opposition durcheinanderzuwirbeln. Nun legt auch die SPD zu. Entsprechend entspannt dürfte der Kanzler am Studio erscheinen. Der vor Kameras unsichere Herausforderer hat ein zusätzliches Handicap, weil er nun auch politisch verunsichert ist. Der sicher geglaubte Wahlsieg scheint plötzlich gefährdet.

      Im Regierungslager glaubt man, die jetzige Stimmung bis zum 22. September halten zu können. Ein neues Thema deute sich nicht an, außer der Arbeitslosigkeit, und dort sei man mit dem Hartz-Konzept ebenfalls in der Offensive. Die Flut habe Krisenreaktion verlangt und so die Entscheidung noch mehr auf die Kanzlerfrage zugespitzt: Stoiber oder Schröder, wer handele entschlossener. Diese Frage bestimmte die letzte Phase. Schröder habe durch die Ereignisse nun noch mehr Vorteile als ohnehin schon.

      In der Union hofft man, dass die positiven Eindrücke vom Katastrophenmanagement des Kanzlers bald wieder verschwinden. Die Regierung habe "nur ihre Pflicht getan", versuchte Hessens Ministerpräsident Roland Koch am Freitag das Thema herunterzuspielen. Bald werde den Menschen wieder bewusst werden, was das eigentliche und schwierigere Problem Deutschlands sei, nämlich die schwache Wirtschaftsentwicklung.

      Hinfortgespült hat die Flut einstweilen die kleineren Parteien. Allen voran die PDS, die seit dem Gysi-Rücktritt immer häufiger unter fünf Prozent liegt. Die FDP, einziger Koalitionspartner der Union, schwächelt ebenfalls, doch könnte es noch für Schwarz-Gelb reichen, wenn die PDS den Einzug in den Bundestag verpasst. Auch eine Ampel aus SPD, FDP und Grünen bleibt weiter möglich.

      In den Wahlkampfzentralen wird vor voreiligen Gedankenspielen gewarnt. "Es sind noch 30 Tage. Schauen Sie sich an, wie die Lage vor 30 Tagen war. Nichts ist kalkulierbar." Die Wahlkämpfer sind inzwischen genauso verunsichert wie die Wähler. Die Wahl, so die gemeinsame Erkenntnis, wird im letzten Moment entschieden.

      http://www.berlinonline.de/aktuelles/berliner_zeitung/politi…
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      schrieb am 27.08.02 11:26:55
      Beitrag Nr. 14 ()

      Kanzler und Kandidat

      Wenn die Fluten abgezogen sind, werden auch die Trümmer des Wahlkampfkonzeptes der Union und ihres Kandidaten Edmund Stoiber zu besichtigen sein. Über die Trümmer der FDP braucht man nicht gesondert zu reden. Jedes aktuelle Fernsehinterview aus dem Guidomobil, unterwegs im Wahlkampf um noch mehr Geld für die Besserverdienenden, erledigt die Bewertung selbst.

      Es wird also bei der Union zu sehen sein: ein abgesoffenes Programm. Absenkung der Staatsquote, eine neue Steuersenkungsreform, Aussetzung der Ökosteuer und Subventionierung von Niedriglohnjobs. Das war schon bisher finanzpolitisch unseriös, nun ist es abenteuerlich. Will die Union damit tatsächlich noch Wahlkampf machen? Wo bleibt die Sondersitzung der Union, in der das alte Programm der neuen Lage angepasst wird? Die Regierung immerhin hat mit der Verschiebung der Steuerreform einen ihrer Wahltrümpfe aus der Hand gegeben.

      Es wird weiterhin zu sehen sein, wer der "ernste Mann für ernste Zeiten" ist. Es ist nicht Edmund Stoiber. Es ist Gerhard Schröder. Schröder hat alle Vorteile des Handelns auf seiner Seite. Er hat sie genutzt. Jetzt, wie schon nach dem 11. September. Das ist nicht verboten, auch wenn zu seinem Kalkül gehören wird, dass es ihm Stimmen bringt. Im Gegenteil, es ist die Pflicht eines Kanzlers. Schröders Betroffenheit über die Lage wirkt echt. Seine Reaktion ist entschlossen. Schröder ist ein intuitiver Politiker. Zur Intuition gehört Sicherheit. Selbstsicherheit, Machtsicherheit, Instinktsicherheit. Darüber verfügt der amtierende Kanzler ganz offenbar mehr als der Herausforderer.

      Bei Edmund Stoiber verfestigt sich der Eindruck, er sei in seiner neuen Rolle nicht authentisch. Wenn er vor die Presse tritt, liest er ab oder weicht aus. Er habe Kreide gefressen, sagen die Sozialdemokraten und meinen, er sei in Wahrheit rechts. Das trifft es nicht. Stoiber schauspielert, er spielt Kanzler für Deutschland. Und denkt immer an den Text.

      Es gab in diesem Wahlkampf vielleicht zwei Momente, wo man Edmund Stoiber unverstellt gesehen hat. Gleich zu Beginn, bei "Christiansen", als er das Umschalten von der Rolle des Bayern-Lobbyisten und konservativen Gesellschaftspolitikers zum Mann der Mitte noch nicht verinnerlicht hatte. Heraus kam Stottern. Der zweite Moment ist jetzt, bei der Flut, in der Stoiber orientierungslos herumstapft.

      Edmund Stoiber hätte diese Situation so nutzen können wie der Kanzler, denn auch er hat die Chance und Pflicht zum Handeln - als Ministerpräsident. Aber als der Osten Bayerns versank, blieb er, von einem kurzen Fernsehauftritt abgesehen, ungerührt im Urlaub. Und danach betrieb er Wahlkampf auf den Deichen Sachsens. Ein Treffen der betroffenen Ministerpräsidenten, Bayerns, Sachsens, Sachsen-Anhalts und Brandenburgs hätte Stoiber initiieren dürfen. Aber dazu hätte er Matthias Platzeck (SPD) einladen müssen und nicht Jörg Schönbohm (CDU). Stoiber betreibt mitten in der Krise Parteipolitik.

      Er hat keine schnelle und ohne neue Schulden finanzierbare Alternative zu dem Vorschlag der Regierung, die Steuerreform zu verschieben. Dennoch lehnt er ihn ab und pokert darum, alte CDU-Ideen, wie die Abschaffung der Steuerfreiheit auf Veräußerungsgewinne, durchzusetzen. Dies aber ist ein schlechter Moment für das Spiel "Wie mache ich einen Stich gegen Rot-Grün, wie kann ich blockieren". Sachsen und Sachsen-Anhalt können gar nicht anders, als im Bundesrat zuzustimmen. Und im Übrigen, vielleicht übernimmt die Regierung die Bedingung ja sogar, weil sie so elegant einen Fehler ihrer Reform korrigieren kann.

      Parteipolitik ist berechtigt - da wo Parteien inhaltliche Unterschiede haben und diese aus Überzeugung dann auch vertreten müssen. Die Union aber hat schon viel zu oft Nein gesagt, nachdem die Überzeugung erst mit einem Machtwort aus München hergestellt werden musste. Aus rein taktischen Gründen. So war es beim Hartz-Konzept, das Lothar Späth anfangs noch lobte, so war es bei der Rentenreform und so war es bei der Zuwanderung, wo man im Bundesrat die Empörung regelrecht inszenierte, obwohl viele Unionisten die Reform gut fanden.

      Jetzt ist die Union wieder dabei, krampfhaft ein Profil gegen die Regierung zu suchen, statt ein schnell helfendes Konzept mit ihr. Das bemerken nicht nur die Wähler im Osten. Am 22. September wird darüber entschieden, wer in den nächsten vier Jahren Verantwortung für Deutschland tragen soll und in Krisenzeiten auch kann. Als Partei und als Person.


      Zitat: Es wird zu sehen sein, wer der "ernste Mann für ernste Zeiten" ist. Es ist nicht Edmund Stoiber. Es ist Gerhard Schröder.

      http://www.berlinonline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/20…
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      schrieb am 28.08.02 07:40:42
      Beitrag Nr. 15 ()

      BONUSMEILEN

      Keine Posse ohne Münte

      Christian Bommarius

      Drei Nachrichten haben am Dienstag die Deutschen bewegt. Erstens hat die Schauspielerin Ingrid Steeger endlich und nach langem Zögern eingeräumt, mit elf Fingern geboren worden zu sein. Dann hat - zweitens - Ronald Henns, ein in Saarbrücken beheimateter Psychologe, den jüngsten Befund seiner Forschungen vorgestellt, wonach Männer mit vollem Haupthaar von Frauen für jünger gehalten werden als Männer ohne solches, vulgo mit Glatze. Drittens aber hat die Hamburger Staatsanwaltschaft in der Bonusmeilen-Affäre ihre Ermittlungen gegen die "Bild"-Zeitung plötzlich, aber keineswegs unerwartet eingestellt.
      Damit folgt die Behörde nur dem Beispiel des Boulevard-Blatts. Denn auch "Bild" hatte - so scheint es - seine Ermittlungen in der Affäre vor geraumer Zeit schon eingestellt, jedenfalls aber die Öffentlichkeit mit weiteren Erträgen seiner Ausspähungen parlamentarischer Gratis-Flug-Usancen zuvorkommend verschont. Sofern sich überhaupt noch einer an die Affäre erinnert, wird er sich zweifellos an das staatspolitisch relevante Resultat der "Bild"-Recherche erinnern. Es bestand darin, dass kein einziger FDP-Abgeordneter sich jemals der dienstlich erworbenen Bonusmeilen zu privater Nutzung bedient hatte, und CDU-Abgeordnete nur, soweit wir ihre Namen nicht kennen. Ganz anders und völlig überraschend - zumindest für den, der die Ausgewogenheit der "Bild" schätzt, die Balance zwischen Stoiber und Merkel -, ganz anders also bei den Grünen und bei der PDS, bei Cem Özdemir, Rezzo Schlauch und Gregor Gysi.

      Mag sein, dass Franz Müntefering, gewissermaßen die humorfreie Zone der deutschen Sozialdemokratie und deshalb zu Recht ihr Generalsekretär, den Witz der überparteilichen Recherche nicht so recht verstand. Jedenfalls erstattete er Anzeige gegen "Bild" wegen Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Der Mann weiß, wie man die Presse sich gewogen macht. Die Aufforderung "meet the press" übersetzt er vermutlich mit: "Schlagt die Presse, wo ihr sie trefft." Innerhalb weniger Tage hatte Müntefering eine Koalition fast aller Chefredakteure fast aller wichtigen deutschen Blätter und Privatsender gegen sich aufgebracht.

      Ein schöner Erfolg, den Müntefering auch nicht mit der Rücknahme seiner Anzeige schmälern konnte. Aber ohne Anzeige kein Ermittlungsverfahren und keine Justizposse ohne Müntefering. Schade

      http://www.berlinonline.de/aktuelles/berliner_zeitung/politi…
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      schrieb am 30.08.02 08:27:23
      Beitrag Nr. 16 ()

      Die Zweitstimme

      Spätsommerzeit. Jetzt beginnt wieder die Zweitstimmen-Ernte. Die kleineren Parteien haben sich an den Feldern der großen niedergelassen wie Vögel hinter dem Trecker und hoffen, hier und da eine aufzupicken.
      Das ginge ja noch an. Aber dass sie jetzt schon wie bei Hitchcock den Bauern belagern und ihn unter Druck setzen, damit er mit dem Stroh vorlieb nimmt und die Körner liegen lässt, hat mit Öko-Landbau nichts mehr zu tun. So weit kann die Hege bedrohter Tierarten wie FDP und Grüne nicht gehen.

      Doch sie versuchen es. Intensiv werben sie um das klitzekleine Opfer einer Zweitstimme. So wie "haste ma’n Euro" statt "haste ma’ne Mark". Der Trick verfängt noch immer, denn Zweitstimmenkampagnen setzen auf unwissende Wähler, von denen die Kleinparteien glauben, dass sie ihre Klientel sind.

      Also noch mal aus dem Gemeinschaftskundeunterricht: Die Erststimme ist, was ihre Wichtigkeit angeht, in Wahrheit die sekundäre, denn bei ihr geht es nur darum, wer als Person in den Bundestag kommt. Und die Zweitstimme ist die primäre, denn sie entscheidet darüber, welche Partei mit welcher Stärke im Bundestag sitzt. Wer da sitzt, das weiß jeder, ist für die Macht im Lande kaum bedeutetend, denn alle Parteien haben entweder Fraktionsdisziplin oder Franz Müntefering.

      Nun wäre eine einfache Umdrehung der Begriffe per Wahlgesetzänderung ein nahe liegender Reformvorschlag, doch gilt es zu bedenken, dass dann noch keinesfalls Klarheit herrschte. Denn es gibt genug Wähler, die im Laufe ihres Lebens mühsam gelernt habe, dass die Erststimme die eigentliche Zweitstimme und die Zweitstimme die erste ist, so dass, wenn dies nun umgedreht würde, alles durcheinander käme und keiner mehr wüsste, was er gerade wählt.

      Die Lösung kann nur sein: Das Wahlrecht muss der medialen Bewusstseinswirklichkeit der Menschen angepasst werden. Auf dem einen Wahlzettel muss also stehen: "Die Sonntagsfrage. Welche Partei würden Sie wählen, wenn heute Bundestagswahl wäre, was zufällig der Fall ist. Bitte kreuzen Sie eine Partei an." Und auf dem anderen: "Bei welchem dieser Politiker sähen Sie es gern, wenn er in Zukunft eine wichtige Rolle spielen würde? Bitte kreuzen Sie einen Politiker an." Das versteht jeder, und Zweitstimmenkampagnen hätten keine Chance mehr. Sie wären viel zu kompliziert. Werner Kolhoff

      http://www.berlinonline.de/aktuelles/berliner_zeitung/politi…
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      schrieb am 04.09.02 15:08:02
      Beitrag Nr. 17 ()

      Spendenaffäre - Parteien im Treibsand

      Eigentlich hatte ich nicht mehr vor, mich mit der Parteispendenaffäre um den früheren Bundeskanzler Kohl zu beschäftigen. Es war ja klar: alle im Bundestag vertretenen Parteien sind mehr oder weniger korrupt - die Geschichte der BRD ist immer auch eine Geschichte ihrer Affären gewesen. Von "Onkel Alois" über Fibag bis zu Flick. Immer mal wieder platzte die eine oder andere Bombe. Gelegentlich verschwand ein Politiker in der Versenkung; meistens waren es allerdings nur die aus dem zweiten Glied. Die wirklich dicken Fische (Franz Josef Strauß, Otto Graf Lambsdorff) kamen immer mit einem blauen Auge davon. Und man hatte sich ja auch daran gewöhnt.

      Jetzt sieht es allerdings so aus, als bekäme die Sache eine eigene Dynamik. Was zunächst - nicht ganz ohne Plausibilität - als "System Kohl" hingestellt werden konnte, hat offensichtlich viel weitere Kreise gezogen und bekommt Watergate-Dimensionen.

      Es gab also ein System von "Anderkonten", über die, teilweise wie in einem schlechten Spionage-Thriller bar eingezahltes, Geld gestückelt (was an sich schon eine Umgehung des Parteiengesetzes, welches eigens aus "Sauberkeitsgründen" nach der Flick-Affäre eingeführt worden war) und gewaschen wurde. Georg Fülberth hat noch vor kurzem in einem KONKRET-Kommentar von "Landschaftspflege" gesprochen und damit wohl die alte Redensart "Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft" gemeint. Damit lag er wohl falsch. So wie sich die Dinge z.Zt. darstellen, waren mit diesen Zuwendungen sehr wohl konkrete Absichten verbunden. Dies wird offenbar beim Verkauf der Leuna-Werke an ELF-Aquitaine, aber auch bei den Machenschaften des Herrn Schreiber, eines Waffenhändlers, den Wolfgang Schäuble für einer "Unternehmer für Fahrbahnmarkierungen" gehalten haben will.

      Es vergeht kaum mehr ein Tag ohne neue Enthüllungen und das Publikum sieht dem fasziniert zu. Hessens Ministerpräsident Koch, aber auch Schäuble bereiten die Öffentlichkeit bereits schonend auf weitere Enthüllungen vor. Was geht da eigentlich vor? Man kommt sich vor wie bei Hempels unterm Sofa. Fast klingen einige Beteuerungen, man habe dies und jenes nicht mehr in Erinnerung, sogar glaubhaft. Wer will bei diesem Chaos schon noch genau durchblicken? Offenkundig wird in jedem Fall der Filz, die gegenseitige Durchdringung der Eliten in Politik, Wirtschaft und Kultur - dies ist keineswegs, wie ja auch alle ahnen, auf die CDU beschränkt.

      "Antikorruptionismus ist immer reaktionär" sagte Hermann L. Gremliza in den 80er Jahren. Ein hübsches Bonmot. Aber es stimmt wohl nur, wenn es auf den reinen Antikorruptionismus beschränkt bleibt. Dann drängt sich der Ruf nach dem "starken" Saubermann auf. So war es oft in gesellschaftlichen Krisensituationen, z.B. in den 30er Jahren. Ein anderes ist, wenn sich der Ekel über diese Machenschaften mit einer politischen Perspektive verbindet. Das ist das eigentliche Problem in unserer Gesellschaft.

      Vordergründig hat die Parteispendenaffäre eine Reihe negativer Aspekte. Sie hat, wenn nicht aus den Angelegenheiten um den Präs. Rau sowie um Heinz Schleußer eine Entlastung erwächst, den Bestand der Regierung Schröder, die bereits abgeschrieben zu sein schien, gerettet. Ohne, daß in irgendeiner Form die Substanz dieser Politik verbessert worden wäre. Schröder/Eichel und Co. Werden ihren Kurs des Sozialabbaus und der Globalisierung fortsetzen und können dies jetzt ungestört tun.

      Zum zweiten rückt die substanzielle Politik immer mehr in den Hintergrund, zumal ja wirkliche politische Unterschiede zwischen den Parteien kaum sichtbar werden, weil sie ja auch nicht existieren.

      Grüne, FDP und PDS könnten davon kurzfristig profitieren. Das liegt weniger an ihrer Politik, als aus der - für sie - glücklichen Tatsache, daß sie, allein aus Mangel an Gelegenheit, zur Zeit etwas aus der Schußlinie geraten sind.

      Was aber, wenn die PDS das tut, was sie ja offensichtlich will, im System ankommen? In einem System, dessen Inkompetenz, Korruption und Dreistigkeit in vielem an die Zeit vor der Französischen Revolution erinnert, bedeutet ein Ankommen nichts weiter als: Mitgegangen - Mitgefangen - Mitgehangen. Wenn´s beliebt!

      Die CDU wird nicht zerfallen wie die Democrazia Cristiana, und auch deren Zusammenbruch hat ja das italienische Parteiensystem nicht nachhaltig verändert. Freuen wir uns schon auf die nächsten Affären bei SPD, FDP, Grüne und Co..Alles, was der Delegitimierung dieses Systems dient, kann uns nur recht sein. Vorausgesetzt: es bleibt nicht beim reinen Antikorruptionismus. Das liegt dann aber weniger an Kohl.

      Quelle: © Philosophischer Salon
      Berlin, Mi., 19.01.2000
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      schrieb am 04.09.02 15:43:12
      Beitrag Nr. 18 ()

      Die kleinen Parteien im Schatten

      "Bad News Are Good News" sagt der Volksmund. Wenn das stimmt, können bei der CDU die Champagnerkorken knallen. Kohl, Kiep, Schäuble, Baumeister, Sayn-Wittgenstein, Kanther, Geißler, Weyrauch, Lüthje, Hüllen, Terlinden, Koch - die Liste läßt sich endlos fortsetzen und jeden Tag kann man frohen Mutes die Zeitung aufschlagen: für Unterhaltung ist gesorgt. Und: es ist wie eine Kettenreaktion, das eine Ereignis zieht das nächste nach sich. Jetzt hat Thierse zum ersten Mal Sanktionen verhängt. Selbst wenn es ihm zuwider ist, weitere werden folgen. Und in Kanada sitzt Herr Schreiber und treibt die ganze Meute genüßlich vor sich her.

      Die SPD versucht verzweifelt dagegen zu halten. Aber im Ernst; was sind Schleußer und Glogowski schon gegen Kohl und Kanther? Kleine Nutznießer eines Systems, das sie für selbstverständlich hielten, weil in ihren Köpfen eigenes und Gemeinwohl, Staatsamt und privates Interesse, Diäten und Bimbes längst so symbiotisch miteinander verbunden waren, daß man ihnen ihre Empörung, ihr mangelndes Unrechtsbewußtsein unbesehen als authentische Haltung abnehmen kann.

      Wer interessiert sich unter diesen Umständen noch für die grüne Parteireform, von der noch vor wenigen Wochen Wohl und Wehe der ganzen Republik abzuhängen schien, wer interessiert sich ernsthaft dafür, ob Gysi, Bisky, Brie irgendwo ankommen und wenn ja wo? Das sind alles Petitessen, verglichen mit der Moralinsoße, die nun aus allen Medien (angereichert mit einem schönen Schuß Haider) über sämtliche politischen und gesellschaftlichen Vorgänge gegossen wird.

      Einzig die FDP scheint vertrottelt genug, um auch aus dieser Situation noch etwas machen zu können. Wenn sie schon nicht mit einem eigenen Skandal aufwarten kann, macht sie wenigstens das Beste aus anderer Leute Mist. Was haben wir noch vor kurzem gelacht, als der Herr Möllemann (der mit dem Fallschirm) seine kuriose Truppe in NRW auf 8% bringen wollte. Der schafft das! Gut - auf Regierungsebene wird das zunächst nichts bringen; aber immerhin: die FDP ist wieder da und damit mittelfristig auch der Manövrierraum der bürgerlichen Klasse. Und mag dabei die Karriere der wichtigen Frau Wagner auch einen Knick erleiden, zumindest der FDP gibt sie Gelegenheit, sich in der Rolle der staatsbürgerlichen Antigone zu profilieren. Das ist zwar strenggenommen etwas komisch - aber solang´s keiner merkt?

      Etwas aus dem Blick geraten die handfesten Ergebnisse der "Parteispendenaffäre". Dabei haben die es in sich:

      - die rotgrüne Bundesregierung, auf deren Halbwertzeit man noch vor wenigen Wochen keinen Pfifferling mehr hätte wetten mögen, ist mittelfristig stabilisiert; immerhin hat diese Regierung ihre Sache gut gemacht. Der Sozialabbau geht mit beschleunigter Geschwindigkeit weiter, deutsche Kriegseinsätze sind wieder möglich, Rüstung und innere Sicherheit werden modernisiert und das alles mit aktiver Unterstützung einer aus der Linken kommenden Klientel. Der Atomausstieg ist ein Witz. Wenn es diese Regierung nicht gäbe, man hätte sie erfinden müssen.
      - die FDP ist mittelfristig gerettet: damit bleibt diese Partei, als einzige nach allen Seiten koalitionsfähig, eine machtpolitische Option.
      - die Bäume der PDS wachsen vorerst nicht in den Himmel
      - und die CDU bekommt die Möglichkeit einer umfassenden personellen und programmatischen Erneuerung (das hätten die "jungen Wilden" mal aus eigener Kraft machen sollen!)
      - die CSU hält den Platz besetzt, den in Österreich ein Jörg Haider ausfüllen kann.

      Einmal mehr zeigt sich die hohe Flexibilität des bundesdeutschen Parteiensystems. Seit Jahrzehnten regiert das Kapital mit einer Einheitspartei, die sich aus den Fraktionen CDU, SPD und FDP zusammensetzt. Die beiden Großen regieren das Land nach denselben Grundsätzen, integrieren aber jeweils eine andere Klientel. Die FDP entscheidet, wer die wichtigsten Posten bekommt. Besonderheiten der deutschen Geschichte haben es mit sich gebracht, daß nachträglich noch zwei Blockparteien hinzu gekommen sind: die Grünen, damit das selbstständige oder lohnabhängige Post-68er-Milieu eingebunden wird, die PDS für die Ossis, die sich etwas schwer tun mit dem "Wenden".
      Alles wie in der DDR - aber irgendwie besser geschmiert.

      Quelle: © Philosophischer Salon e.V, Berlin
      Update: Berlin, Mi., 16.02.2000
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      schrieb am 16.09.02 12:24:58
      Beitrag Nr. 19 ()

      SCHWEDEN

      Klarer Sieg für Perssons Sozialdemokraten

      In den Umfragen war noch von einem Kopf-an-Kopf-Rennen gerechnet worden. Doch dann ließen die regierenden Sozialdemokraten bei der schwedischen Reichstagswahl die Oppositionsparteien weit hinter sich. Der wiedergewählte Ministerpräsident Göran Persson will darin sogar ein gutes Omen für die "deutschen Genossen" sehen.

      Stockholm - Perssons sozialdemokratische Minderheitsregierung ist allerdings weiter auf die Unterstützung der Grünen und der kommunistischen Linken angewiesen. Die drei Parteien kommen im Reichstag zusammen auf 191 Sitze. Für die vier bürgerlichen Oppositionsparteien wurden 158 Sitze errechnet.
      Persson bezeichnete das Abschneiden seiner Partei als fantastischen Erfolg. Die Sozialdemokraten gewannen mit rund 40 Prozent der Stimmen 13 Sitze hinzu und stellen jetzt 144 Abgeordnete im 349-köpfigen Reichstag in Stockholm.

      Die Sozialdemokraten hatten im Wahlkampf zugesichert, das umfassende schwedische Sozialsystem zu erhalten, während die Opposition sich für Steuersenkungen und strengere Einwanderungsgesetze einsetzen wollte. Persson erklärte, das Ergebnis zeige, dass seine Partei den konservativen Trend in Europa gestoppt habe. "Nächste Woche können uns unsere deutschen Genossen folgen." Die Wahlbeteiligung lag nach offiziellen Angaben bei 78,9 Prozent.

      "Das sieht sehr gut aus", sagte die Vorsitzende der Linken Partei, Gudrun Schyman, nach der Veröffentlichung erster Wählernachfragen. "Das rote Team scheint gewonnen zu haben." Maria Wetterstrand von der Führung der Grünen zeigte sich erleichtert, dass ihre Partei die Vierprozenthürde überwunden habe. Die Linke und die Grünen hatten in den vergangenen Jahren die Minderheitsregierung Perssons unterstützt, jedoch mit einem Rückzug gedroht, sollten sie in der kommenden Regierung nicht stärker berücksichtigt werden. Beide signalisierten nun die Bereitschaft, weiter mit den Sozialdemokraten zusammenzuarbeiten.

      Vor einigen Monaten noch lagen die Sozialdemokraten in den Umfragen klar vorn. Für den Meinungsumschwung in den Umfragen kurz vor der Wahl machten Beobachter den Vorsitzenden der Liberalen, Lars Leijonborg, verantwortlich. Er hatte im vergangenen Monat vorgeschlagen, Einwanderer müssten vor Erhalt der schwedischen Staatsbürgerschaft einen Sprachtest ablegen. Die Unterstützung für die Liberalen verdreifachte sich auf rund 13 Prozent. Sie wurden damit drittstärkste Partei. Die oppositionelle Moderate Sammlungspartei von Bo Lundgren erzielte mit rund 15 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1973; bei der letzten Wahl lag sie noch bei 22,9 Prozent. Einen Rücktritt lehnte Lundgren, der sich für Steuererleichterungen eingesetzt hatte, ab.

      In den zurückliegenden 70 Jahren wurde Schweden 61 Jahre lang von den Sozialdemokraten regiert. Bei der letzten Parlamentswahl vor vier Jahren allerdings fielen die Sozialdemokraten auf ein Rekordtief von 36,6 Prozent. Die Minderheitsregierung war fortan auf die Unterstützung von Linkspartei und Grünen angewiesen.

      http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,214134,00.html
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      schrieb am 23.09.02 07:51:58
      Beitrag Nr. 20 ()

      Harmlose Elefantenrunde

      Ralph Kotsch

      ARD und ZDF haben die Dramaturgie des Wahlabends bestimmt. Im Kopf-an-Kopf-Rennen der Parteien beeinflussten beide Sender mit ihren Hochrechnungen die Statements der Politiker. Als ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender in der "Berliner Runde" vom Patt zwischen SPD/Grünen und CDU/CSU/FDP sprach, erwiderte Gerhard Schröder: "Es kommt darauf an, welchen Sender man sieht." So war es. Die ARD hatte lange Zeit durch Infratest dimap eine Mehrheit für Schwarz-Gelb errechnet, das ZDF mit der Forschungsgruppe Wahlen sowie RTL mit Forsa ein Übergewicht für Rot-Grün. Zwar wurde für den Zuschauer an diesem Abend nicht ersichtlich, warum die Umfrageinstitute zu solchen Differenzen kommen, für enorme Spannung haben die unterschiedlichen Werte jedoch allemal gesorgt.
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      Während der "Berliner Runde", die 20.15 Uhr begann, wurden die Zahlen noch nicht eindeutiger. Im Gegenteil, die Verwirrung stieg. Erst meldete Nikolaus Brender, dass nach Berechnungen des ZDF die SPD fünf Überhangmandate errungen hat. ARD-Chefredakteur Hartmann von der Tann verkündete wenig später ("die ARD ist ein Hort der Ausgewogenheit"), dass SPD und CDU je drei Überhangmandate für sich verbuchen können. So saßen die Vorsitzenden der Parteien bei- einander, ohne genau zu wissen, wer Sieger und Verlierer ist und wer mit wem regieren wird. Vielleicht lag es daran, dass diese "Elefantenrunde" im Vergleich zu früheren erstaunlich harmlos war.

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      An diesem Wahlabend wurde auch die Erkenntnis bestätigt, dass der interessierte Zuschauer bei ARD und ZDF am besten informiert wird. Zwar gibt sich seit längerem auch der Privatsender RTL große Mühe mit seiner Politikberichterstattung, doch gegen die Öffentlich-Rechtlichen hatte er diesmal keine Chance. Als die Spannung immer weiter stieg, musste RTL (wie auch Sat 1) die Wahlsendung abbrechen und den geplanten Spielfilm zeigen. Das ZDF und die ARD (mit einer halbstündigen Unterbrechung für die "Lindenstraße") blieben dagegen auf Sendung.

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      Die Berichterstattung bei ARD und ZDF verlief professionell, sieht man von kleinen Schnitzern ab. Überraschenderweise wurde für die Wahlsendung im Ersten Ex-"Tagesthemen"-Moderatorin Gabi Bauer engagiert, die mit ihrer Mittwochs-Talkshow nur eine sehr begrenzte Zielgruppe erreicht. Sie fühlte sich sichtlich wohl bei der Rückkehr auf die große Bühne. Eine gewisse Komik hatte nur ihre Frage an den PDS-Fraktionsvorsitzenden Roland Claus, ob er nicht zurücktreten wolle. Claus, so viel war zu diesem Zeitpunkt schon klar, hatte gar keine Fraktion mehr.

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      Wer erinnert sich noch an die Fernsehduelle? Edmund Stoiber, mit deutlich weniger Fernsehtalent gesegnet als Schröder, hat einen ordentlichen Stimmenzuwachs für seine Partei erzielt. So weiß man spätestens seit Sonntagabend, dass die Fernsehduelle überschätzt wurden. Den Wählern ist es offensichtlich egal, wer öfter "Äh" sagt und wer die schönere Krawatte trägt. Eine beruhigende Botschaft in der so genannten Mediendemokratie.

      http://www.berlinonline.de/aktuelles/berliner_zeitung/politi…


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