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    Schweiz: Weniger Arbeitslose ohne Wachstum - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 29.06.05 05:55:57 von
    neuester Beitrag 01.07.05 10:25:32 von
    Beiträge: 12
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      schrieb am 29.06.05 05:55:57
      Beitrag Nr. 1 ()
      "Ein hoch flexibler Arbeitsmarkt ist der beste Kündigungsschutz"
      Wirtschaft: Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts (HWWI), über das Schweizer Sozialsystem

      VDI nachrichten, Hamburg, 24. 6. 05 - In der Schweiz ist im Mai die Zahl der Arbeitslosen zum vierten Mal in Folge gesunken. Die Arbeitslosenquote liegt jetzt bei 3,7 %, die Zahl der offenen Stellen nimmt zu - und das bei äußerst magerem Wachstum. Ein ökonomisches Wunder? Ein Vorbild für Deutschland? Fragen an den Schweizer Direktor des Hamburger Forschungsinstituts HWWI, Thomas Straubhaar.

      VDI nachrichten: Herr Professor Straubhaar, die Schweizer Wirtschaft wächst seit Jahren kaum noch, dennoch herrscht beinahe Vollbeschäftigung? Wie schaffen Ihre Landsleute das?

      Straubhaar: In der Schweiz haben wir im Gegensatz zu Deutschland einen flexiblen Arbeitsmarkt und einen regulierten Gütermarkt. Die Löhne werden in der Schweiz in voller Autonomie in den Betrieben ausgehandelt.

      VDI nachrichten: Welche Vorteile bringt das?

      Straubhaar: In der Schweiz bedeutet Tarifautonomie nicht nur, dass sich der Staat aus der Lohnfindung heraushält. Die einzelnen Unternehmen sind vor allem in weiten Teilen frei, nach ihren einzelbetrieblichen Voraussetzungen die Löhne mit der eigenen Belegschaft auszuhandeln.

      VDI nachrichten: Das heißt innerhalb eine Branche gibt es erhebliche Lohndifferenzen?

      Straubhaar: Ja, aber nicht nur innerhalb der Branchen. Lohndifferenzen gibt es auch innerhalb der Betriebe, da die Mitarbeiter im Prinzip wesentlich leichter nach Leistung und anderen Kriterien differenziert bezahlt werden können. Lohntabellen oder Tarife sind in der Schweiz kaum bekannt.

      VDI nachrichten: In Deutschland heißt es immer, ohne kräftiges Wachstum kein Rückgang der Arbeitslosigkeit. Stimmt die These überhaupt? In der Schweiz gibt es Vollbeschäftigung obwohl die Wirtschaft beinahe stagniert...

      Straubhaar: Für Deutschland stimmt die These, dass sich Wachstum und Beschäftigung gegenseitig hochschaukeln müssen. Ohne oder mit nur geringem Wachstum reagiert der Arbeitsmarkt in Deutschland nicht.

      VDI nachrichten: Sehen Sie das Schweizer Arbeitsmarktmodell als Vorbild für Deutschland?

      Straubhaar: Mehr betriebliche Bündnisse statt der Flächentarifverträge wären gewiss ein Vorteil.

      VDI nachrichten: Trotz betrieblicher Lohnfindung ist das Lohnniveau in der Schweiz hoch. Hohe Löhne gelten hierzulande als negativ für den Arbeitsmarkt. Wie verkraftet das die Schweiz?

      Straubhaar: Die Löhne sind zwar hoch, aber die Kaufkraft der hohen Löhne ist geringer als in Deutschland. Die Güterpreise sind nämlich wesentlich höher als in der Bundesrepublik. Auf den Punkt gebracht: Mit einem durchschnittlichen Bruttolohn kann man sich in der Schweiz etwa ein Sechstel weniger und nicht etwa mehr als in Deutschland leisten.

      VDI nachrichten: Wie entwickeln sich in der Schweiz die Reallöhne, die in Deutschland tendenziell sinken?

      Straubhaar: Nicht viel besser. In den 90er Jahren sind die Reallöhne kaum gestiegen. In den letzten Jahren ging es wieder etwas schneller voran. Zwischen 2001 und 2004 stiegen die Reallöhne im Durchschnitt um rund 0,8 % pro Jahr.

      VDI nachrichten: Relativ niedrig sind in der Schweiz die Lohnnebenkosten für die Unternehmen. Ein Plus für den Standort?

      Straubhaar: Das ist in der Tat ein riesiger Vorteil. So liegt beispielsweise der Rentenversicherungsbeitragssatz seit Mitte der 70er Jahre unverändert bei 8,4 % des Bruttolohns und wird je zur Hälfte von Arbeitgebern und -nehmern bezahlt.

      Die Lohnnebenkosten sind in der Schweiz niedriger, weil viele Bereiche, die in Deutschland über die Sozialversicherung finanziert sind, in der Schweiz über private Versicherungen vom Einzelnen selbst gezahlt werden. In der Schweiz gibt es zwar eine Rentenversicherung. Sie dient aber lediglich der Grundsicherung und nicht der Erhaltung des Lebensstandards. Dafür gibt es eine kapitalgedeckte, individuell angesparte zweite Säule.

      VDI nachrichten: In der Schweiz wird auch länger gearbeitet. Nach Berechnungen des Schweizer Bundesamts für Statistik ist die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit innerhalb von zehn Jahren nur um 13 Minuten gesunken. Wo liegt sie heute?

      Straubhaar: Die 40-Stunden-Woche ist in der Schweiz die Regel. Faktisch wird im Durchschnitt pro Woche sogar 41,7 Stunden gearbeitet gegenüber 39,6 Stunden in Deutschland. Die Fehlzeiten sind geringer, die Lohnfortschreibung im Krankheitsfall ist härter, es gibt weniger Urlaub, und die Lebensarbeitszeit ist in der Schweiz um etwa 10 % länger als in Deutschland. Altersbeschäftigung, die in Deutschland ab 55 deutlich abnimmt, ist in der Schweiz die Regel.

      VDI nachrichten: Als weiteren Grund für den Erfolg des Schweizer Arbeitsmarktes gilt der geringe Kündigungsschutz. Wie sieht es da aus?

      Straubhaar: Die Kündigungsfrist beträgt in der Schweiz - je nach Betriebszugehörigkeit - ein bis maximal drei Monate. Der Unternehmer braucht meist keinen spezifischen Kündigungsgrund zu liefern. Arbeitsgerichtsprozesse oder teure Abfindungen entfallen in der Regel. Abfindungen gibt es nach Beschäftigungsdauer.

      VDI nachrichten: Kürzere Kündigungsfristen und längere Arbeitszeiten: Sind die Schweizer von Natur aus risikobereiter und fleißiger?

      Straubhaar: Risikobereiter nicht unbedingt, fleißiger auch erst, seit die Deutschen meinen, sich heute einen komfortableren Lebensstil gönnen zu können. Außerdem wissen die Schweizer einfach, dass kein Kündigungsschutz der beste Beschäftigungsschutz ist. Ein hoch flexibler Arbeitsmarkt ist der beste Kündigungsschutz, denn hier ist die Chance für Arbeitslose, rasch wieder einen neuen Job zu finden, vergleichsweise hoch. Deshalb ist auch die Sorge, keinen neuen Arbeitsplatz zu finden, in der Schweiz nicht so groß.

      VDI nachrichten: Auch die Schweiz hat Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften. Sind die nicht überflüssig, da der Markt ja vieles innerhalb der Betriebe regelt?

      Straubhaar: Nein, sie sind überhaupt nicht überflüssig. Zwar handeln sie keine allgemeinverbindlichen Tariflöhne aus - abgesehen von einem Mindestlohn, der aber so niedrig ist, dass er faktisch kaum zum Tragen kommt. Aufgabe der Gewerkschaften und Arbeitgeber in der Schweiz ist es, Standards für Arbeitszeiten, Beschäftigung, Arbeitsplatz, Berufsbildung, Urlaubsregelungen usw. auszuhandeln, an denen sich die Unternehmen und ihre Mitarbeiter orientieren können.

      VDI nachrichten: Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass Deutschland wirtschaftlich wieder auf die Beine kommt?

      Straubhaar: In Deutschland braucht es mehr Zukunftsoptimismus. Im Moment dominieren Angst, Unsicherheit und Planlosigkeit, und das wird durch die gegenwärtige Hü-und-Hott-Politk gefördert. Von der Politik muss klar gesagt werden: Wo wollen wir hin, was müssen wir tun, wer muss es wann erledigen. Und wenn wieder Klarheit über den Kurs besteht, dann - da bin ich ganz sicher - werden die Menschen in Deutschland auch wieder die Angst vor der Zukunft verlieren und auch wieder mehr konsumieren. DIETER HEUMANN/ps


      Thomas Straubhaar
      steht seit Frühjahr 2005 an der Spitze des neugegründeten Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), das von Universität und Handelskammer Hamburg getragen wird. Der gebürtige Schweizer, der seit 15 Jahren überwiegend in Deutschland forscht und lehrt, ist außerdem Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Hamburg. Seine Forschungsinteressen: Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Ordnungspolitik, Bildungs- und Bevölkerungsökonomie. Ps
      http://www.vdi-nachrichten.de/vdi_nachrichten/aktuelle_ausga…
      Avatar
      schrieb am 29.06.05 08:30:59
      Beitrag Nr. 2 ()
      Das dürfte ja Merkel in ihrem Eintreten für betriebliche Bündnisse für Arbeit und eine Auflösung des Flächentarifvertrags bestärken.
      Avatar
      schrieb am 29.06.05 14:19:44
      Beitrag Nr. 3 ()
      [posting]17.057.796 von for4zim am 29.06.05 08:30:59[/posting]Das steht zu befürchten.

      :(
      Avatar
      schrieb am 29.06.05 15:32:12
      Beitrag Nr. 4 ()
      Soso, eine geringere Arbeitslosigkeit ist nach Meinung des Users ConnorMcLoud etwas, daß man "befürchten" muß.
      Avatar
      schrieb am 29.06.05 17:57:34
      Beitrag Nr. 5 ()
      durch 40 jahre steigende einkommen sind in D die leute in den konzernbetrieben schon fast verbeamtet

      jahrelang war doch die frage nicht "gibt es mehr geld?" sondern wieviel mehr?

      einkommenserhöhungen sind aber weltweit keine enbahnstrasse

      die global operierenden grossbetriebe haben natürlich nur die möglichkeit betrienbe die nicht mehr rentabel arbeiten zu schliessen.

      und davon werden sie, wenn sich nichts ändert, demnächst noch mehr gebrauch machen

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      schrieb am 30.06.05 15:11:43
      Beitrag Nr. 6 ()
      Nein, eine geringere Arbeitslosigkeit müssen nur die Unternehmer befürchten. Arbeitnehmer und Arbeitslose wären dann ja nicht mehr so gut erpressbar:(
      Avatar
      schrieb am 30.06.05 15:15:53
      Beitrag Nr. 7 ()
      Also findest Du es gut, daß Frau Merkel anstrebt, daß Arbeitnehmer weniger erpressbar werden.
      Avatar
      schrieb am 30.06.05 15:18:13
      Beitrag Nr. 8 ()
      Schön wenn dem so wäre. Aber mit der Umsetzung ihrer geplanten Maßnahmen ( "Programm" kann man es ja nicht nennen ) würde sie das glatte Gegenteil erreichen.

      :(
      Avatar
      schrieb am 30.06.05 15:20:47
      Beitrag Nr. 9 ()
      Nein, würde sie nicht, siehe #1.
      Avatar
      schrieb am 30.06.05 20:00:48
      Beitrag Nr. 10 ()
      Die Schweiz ist von der Wirtschafts-Struktur überhaupt nicht mit der Bundesrepublik vergleichbar.

      Genauso gut könnte man versuchen eine Krebserkrankung mit einer Therapie gegen Heuschnupfen zu bekämpfen.:yawn:

      Wenn die Lösung der Probleme so einfach wäre: auf die Idee wäre längst schon jemand gekommen.;)

      Oder hat die Union mittlerweile gar keinen einzigen Wirtschaftsexperten mehr in ihren Reihen?:eek:
      Avatar
      schrieb am 01.07.05 10:02:28
      Beitrag Nr. 11 ()
      #10

      Die haben halt echte Demokratie, eine ordentliche Regierung und keine Zuwanderung von Sozialabzockern !

      :eek:
      Avatar
      schrieb am 01.07.05 10:25:32
      Beitrag Nr. 12 ()
      Hört doch endlich auf an die Wachstumslüge zu glauben!

      Vor allem, daß Wachstum unabdingbar zur Schaffung von Arbeitsplätzen führt.


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