Steuern auf Verluste - wie wir das wieder weg kriegen (Seite 58)
eröffnet am 17.12.19 08:19:16 von
neuester Beitrag 03.06.24 12:54:06 von
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Antwort auf Beitrag Nr.: 75.104.988 von startvestor am 15.01.24 15:52:20
Es drohen wesentliche Nachteile? Fällt eine drohende Privatinsolvenz darunter oder noch nicht Nachteilig genug für eine Aufhebung der Vollziehung?
Gehe ich richtig in der Annahme dass bei Beantragung "Aufhebung der Vollziehung" das FA dies ablehnen wird, man dagegen klagt, evtl. beim FG die Aufhebung der Vollziehung erreichen kann (drohender Nachteil: Privatinsolvenz).
Das FA aber zum BFH weiterzieht gegen die Aufhebung der Vollziehung.
Also man dann praktisch die Kohle auch nicht rückerstattet bekommt bis in einem Jahrzehnt das BverfG ein endgültiges Urteil gesprochen hat.
Habe mir gerade das Urteil zu Gemüte geführt, teilweise recht süffisante Formulierungen dabei gegen den damaligen Gesetzgeber.
Das FA kann scheinbar auch kaum Gegenargumentation aufstellen und beruft sich recht knapp gehalten auf die aktuelle Gesetzeslage.
Wie sind eigtl die Finanzämter organisatorisch aufgestellt? Hat da jedes Amt ihre eigene Rechtsabteilung mit Juristen besetzt? Oder holen die sich Rechtsvertretung von Externen? oder erledigen die gerichtl. Vertretung in diesen Fällen höhere juristische Beamte im Finanzministerium? Oder erledigt das Verfahren gar nur der einfache Finanzbeamte?
Zitat von startvestor: „Durch Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung kann nicht die Erstattung von festgesetzten Vorauszahlungs- und anzurechnenden Steuerabzugsbeträgen, also von Vorleistungen (Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer), erreicht werden, es sei denn, dass wesentliche Nachteile drohen.“
Jetzt müsste man die Ausnahme suchen.
Es drohen wesentliche Nachteile? Fällt eine drohende Privatinsolvenz darunter oder noch nicht Nachteilig genug für eine Aufhebung der Vollziehung?
Gehe ich richtig in der Annahme dass bei Beantragung "Aufhebung der Vollziehung" das FA dies ablehnen wird, man dagegen klagt, evtl. beim FG die Aufhebung der Vollziehung erreichen kann (drohender Nachteil: Privatinsolvenz).
Das FA aber zum BFH weiterzieht gegen die Aufhebung der Vollziehung.
Also man dann praktisch die Kohle auch nicht rückerstattet bekommt bis in einem Jahrzehnt das BverfG ein endgültiges Urteil gesprochen hat.
Habe mir gerade das Urteil zu Gemüte geführt, teilweise recht süffisante Formulierungen dabei gegen den damaligen Gesetzgeber.
Das FA kann scheinbar auch kaum Gegenargumentation aufstellen und beruft sich recht knapp gehalten auf die aktuelle Gesetzeslage.
Wie sind eigtl die Finanzämter organisatorisch aufgestellt? Hat da jedes Amt ihre eigene Rechtsabteilung mit Juristen besetzt? Oder holen die sich Rechtsvertretung von Externen? oder erledigen die gerichtl. Vertretung in diesen Fällen höhere juristische Beamte im Finanzministerium? Oder erledigt das Verfahren gar nur der einfache Finanzbeamte?
Antwort auf Beitrag Nr.: 75.106.647 von startvestor am 15.01.24 20:28:02Großes danke für deine erheblichen Bemühungen! Hab mir das Urteil durchgelesen, es hat den Anschein als ob die Richter hier auch mitlesen, da mir vieles in dem Urteil bekannt vorkommt was hier im Thread auch schon diskutiert wurde (z.B. Überlegungen, wie lange es dauert bis man den steuerlichen Verlust über die Jahre gestreckt wieder reingeholt hat, aber dazu müsste man jedes Jahr auch sichere Gewinne einfahren)
Antwort auf Beitrag Nr.: 75.106.647 von startvestor am 15.01.24 20:28:02Ich stelle mal Teil 2a ein, den Rest schaffe ich heute doch nicht mehr:
Zusammenfassung des Urteils des FG RLP vom 05.12.2023 zu ADV für die Bindingsteuer - Teil 2a
II. Entscheidung des Gerichts
1. Antrag des Ehepaars zulässig
- Gericht soll AdV gewähren, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids oder Vollziehung unbillig hart
a) ernstliche Zweifel seien zu bejahen, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe da, die rechtl. Beurteilung unentschieden oder unsicher machen
- Gründe für Rechtswidrigkeit müssen nicht überwiegen
- als ernstliche Zweifel auch verfassungsrechtl. Zweifel möglich
- bei verfassungsrechtl. Zweifeln besonderes Interesse des Antragstellers nötig, das Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes hat
- ausnahmsweise hat BFH auch verfassungsrechtl. Zweifel akzeptiert, wenn dem Stpfl. irreparable Nachteile drohen, wenn Existenzminimum verletzt, wenn BVerfG ähnliche Vorschrift für nichtig erklärte, wenn BFH (nicht FG!!)
Vorschrift schon dem BVerfG vorlegte oder bei Schutz bish. Rechtslage
- diese Rechtslage aber lt. BFH offen, ebenso gemäß BVerfG fraglich, ob besonderes Aussetzungsinteresse erforderlich
- Literatur: ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Bescheids zwingen erst Recht zu dessen AdV
b) für FG bedenklich, besonderes Aussetzungsinteresse zu fordern, bliebe aber offen
- Interessenabwägung zugunsten der Antragsteller
- Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Bindingsteuer erheblich
- Gründe zur Vorlage des Aktienbindings ans BVerfG lassen auch Überprüfung der Bindingsteuer erwarten, auch wenn verschiedene Vorschriften, aber Rückschlüsse ziehbar
- schwerer Eingriff beim Antragsteller, da auf echten Gewinn von 23K Steuer von 60K fällig
- Auswirkung der Verlustverrechnungsregelung wegen der doppelten Begrenzung (sachlich und betragsmäßig) erheblich
- außerdem nicht ersichtlich, dass AdV hier haushaltsmäßig relevant
daher hier Interesse der Antragsteller an AdV vorrangig
2. Antrag auf AdV auch begründet
- FG hat ernstliche Bedenken an Verfassungsmäßigkeit der betragsmäßig beschränkten Verlustverrechnung
a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit gemäß BFH, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe da, die rechtl. Beurteilung unentschieden oder unsicher machen
- Gründe für Rechtswidrigkeit müssen nicht überwiegen, d.h. Erfolg des Stpfl. muss nicht wahrscheinlicher sein
- AdV-Verfahren ist ein abgekürztes, vereinfachtes, kurzes und bündiges Verfahren mit dem Ziel einer vorläufigen Entscheidung.
- keine strengeren Anforderungen bzgl. der Zweifel zu stellen, wenn es um Verfassungswidrigkeit geht - es reichen auch hier gewichtige Gründe
b) danach Rechtmäßigkeit des ESt-Bescheides ernstlich zweifelhaft
aa) Gewinn aus TG (durch Differenzausgleich oder anderen bestimmten Vorteil) gehört zu Kapitaleinkünften
- TG nicht in § 20 Abs. 2 EStG definiert
- BFH hat es gemäß WpHG definiert (Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte - zeitlich verzögert und von Underlying abgeleitet)
- gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG sind TG erfasst, wenn auf Differenzausgleich gerichtet, aber nicht auf physische Lieferung
- Ehepaar hat CFD gehandelt - unstrittig TG
- keine KapESt, da Broker im Ausland
- realisierte Leistung am Jahresende zu versteuern
bb) Kapitalverluste nicht mit anderen Einkunftsarten ausgleichbar, auch nicht nach § 10d
- Verluste mindern jedoch spätere Kapitaleinkünfte (§ 10d Absatz 4 sinngemäß)
- Ende 2019 besonderer Verlustverrechnungskreis für Verluste aus TG geschaffen, mit JStG 2020 modifiziert (Grenze von 10K auf 20K)
- Verluste aus TG nur bis 20K mit TG-Gewinnen und Stillhalterprämien verrechenbar, Verlustvortrag in Folgejahren mit je 20K analog abtragbar
- gilt ab 2021
- Bindingsteuer versagt Verluste aus TG zwar nicht generell, aber erst bei späteren Gewinnen und zeitlich gestreckt abziehbar
cc) Gesetzesbegründung der Ungleichbehandlung, d.h. der asymmetrischen Besteuerung von Gewinnen und Verlusten:
- spekulativer Charakter der TG (begrenzte Laufzeit und Hebeleffekte) und hohe Gewinne oder Totalverluste möglich
- daher wollte Gesetzgeber Investitionsvolumen und daraus resultierenden Verlustrisiken begrenzen
dd) Ratschow: keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken
- Gesetzgeber dürfe spekulative Finanzgeschäfte eindämmen
- 20K-Grenze wirke wie Mindestbesteuerung, deren Effekte im Rahmen zulässiger Typisierung vernachlässigt werden könnten.
- Betragsgrenze sei sachlich nicht prüfbar, da politischer Kompromiss
Zusammenfassung des Urteils des FG RLP vom 05.12.2023 zu ADV für die Bindingsteuer - Teil 2a
II. Entscheidung des Gerichts
1. Antrag des Ehepaars zulässig
- Gericht soll AdV gewähren, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids oder Vollziehung unbillig hart
a) ernstliche Zweifel seien zu bejahen, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe da, die rechtl. Beurteilung unentschieden oder unsicher machen
- Gründe für Rechtswidrigkeit müssen nicht überwiegen
- als ernstliche Zweifel auch verfassungsrechtl. Zweifel möglich
- bei verfassungsrechtl. Zweifeln besonderes Interesse des Antragstellers nötig, das Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes hat
- ausnahmsweise hat BFH auch verfassungsrechtl. Zweifel akzeptiert, wenn dem Stpfl. irreparable Nachteile drohen, wenn Existenzminimum verletzt, wenn BVerfG ähnliche Vorschrift für nichtig erklärte, wenn BFH (nicht FG!!)
Vorschrift schon dem BVerfG vorlegte oder bei Schutz bish. Rechtslage
- diese Rechtslage aber lt. BFH offen, ebenso gemäß BVerfG fraglich, ob besonderes Aussetzungsinteresse erforderlich
- Literatur: ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Bescheids zwingen erst Recht zu dessen AdV
b) für FG bedenklich, besonderes Aussetzungsinteresse zu fordern, bliebe aber offen
- Interessenabwägung zugunsten der Antragsteller
- Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Bindingsteuer erheblich
- Gründe zur Vorlage des Aktienbindings ans BVerfG lassen auch Überprüfung der Bindingsteuer erwarten, auch wenn verschiedene Vorschriften, aber Rückschlüsse ziehbar
- schwerer Eingriff beim Antragsteller, da auf echten Gewinn von 23K Steuer von 60K fällig
- Auswirkung der Verlustverrechnungsregelung wegen der doppelten Begrenzung (sachlich und betragsmäßig) erheblich
- außerdem nicht ersichtlich, dass AdV hier haushaltsmäßig relevant
daher hier Interesse der Antragsteller an AdV vorrangig
2. Antrag auf AdV auch begründet
- FG hat ernstliche Bedenken an Verfassungsmäßigkeit der betragsmäßig beschränkten Verlustverrechnung
a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit gemäß BFH, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe da, die rechtl. Beurteilung unentschieden oder unsicher machen
- Gründe für Rechtswidrigkeit müssen nicht überwiegen, d.h. Erfolg des Stpfl. muss nicht wahrscheinlicher sein
- AdV-Verfahren ist ein abgekürztes, vereinfachtes, kurzes und bündiges Verfahren mit dem Ziel einer vorläufigen Entscheidung.
- keine strengeren Anforderungen bzgl. der Zweifel zu stellen, wenn es um Verfassungswidrigkeit geht - es reichen auch hier gewichtige Gründe
b) danach Rechtmäßigkeit des ESt-Bescheides ernstlich zweifelhaft
aa) Gewinn aus TG (durch Differenzausgleich oder anderen bestimmten Vorteil) gehört zu Kapitaleinkünften
- TG nicht in § 20 Abs. 2 EStG definiert
- BFH hat es gemäß WpHG definiert (Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte - zeitlich verzögert und von Underlying abgeleitet)
- gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG sind TG erfasst, wenn auf Differenzausgleich gerichtet, aber nicht auf physische Lieferung
- Ehepaar hat CFD gehandelt - unstrittig TG
- keine KapESt, da Broker im Ausland
- realisierte Leistung am Jahresende zu versteuern
bb) Kapitalverluste nicht mit anderen Einkunftsarten ausgleichbar, auch nicht nach § 10d
- Verluste mindern jedoch spätere Kapitaleinkünfte (§ 10d Absatz 4 sinngemäß)
- Ende 2019 besonderer Verlustverrechnungskreis für Verluste aus TG geschaffen, mit JStG 2020 modifiziert (Grenze von 10K auf 20K)
- Verluste aus TG nur bis 20K mit TG-Gewinnen und Stillhalterprämien verrechenbar, Verlustvortrag in Folgejahren mit je 20K analog abtragbar
- gilt ab 2021
- Bindingsteuer versagt Verluste aus TG zwar nicht generell, aber erst bei späteren Gewinnen und zeitlich gestreckt abziehbar
cc) Gesetzesbegründung der Ungleichbehandlung, d.h. der asymmetrischen Besteuerung von Gewinnen und Verlusten:
- spekulativer Charakter der TG (begrenzte Laufzeit und Hebeleffekte) und hohe Gewinne oder Totalverluste möglich
- daher wollte Gesetzgeber Investitionsvolumen und daraus resultierenden Verlustrisiken begrenzen
dd) Ratschow: keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken
- Gesetzgeber dürfe spekulative Finanzgeschäfte eindämmen
- 20K-Grenze wirke wie Mindestbesteuerung, deren Effekte im Rahmen zulässiger Typisierung vernachlässigt werden könnten.
- Betragsgrenze sei sachlich nicht prüfbar, da politischer Kompromiss
Es ging nur um AdV, aber die Vorlage zum BVerfG halte ich für sicher.
Ihr müsst mehr scrollen. 😜
Hier nochmal der Link zum FG-Beschluss:
https://www.datev.de/lexinform/5025793#/document/5025793
Teil 2 meiner Zusammenfassung "auf einfach" kriege ich hoffentlich heute Abend fertig.
Hier nochmal der Link zum FG-Beschluss:
https://www.datev.de/lexinform/5025793#/document/5025793
Teil 2 meiner Zusammenfassung "auf einfach" kriege ich hoffentlich heute Abend fertig.
Antwort auf Beitrag Nr.: 75.106.374 von caputseikel am 15.01.24 19:33:48kannst du direkt beim FG RLP per Email anfordern:
https://fgnw.justiz.rlp.de/service-informationen/rechtsprech…
https://fgnw.justiz.rlp.de/service-informationen/rechtsprech…
Antwort auf Beitrag Nr.: 75.101.532 von startvestor am 14.01.24 23:00:39
Gibts zu dem Urteil nen Link oder kostenpflichtig über einen Abo Dienst?
Gings bei der Klage erstmal nur um die zulässigkeit der AdV?
Zitat von startvestor: Zusammenfassung des Urteils des FG RLP vom 05.12.2023 zu ADV für die Bindingsteuer - Teil 1
Gibts zu dem Urteil nen Link oder kostenpflichtig über einen Abo Dienst?
Gings bei der Klage erstmal nur um die zulässigkeit der AdV?
Ich habe bisher dejure.org und kostenlose-Urteile.de gescreent und werde nun auch regelmäßig auf lexinform schauen. Ich glaube halt nicht, dass der Birger das alleine gefunden hat.
Habe auf lexinform dann mal nach „Verlustverrechnung“ gesucht, aber mehr gibts nicht.
Habe auf lexinform dann mal nach „Verlustverrechnung“ gesucht, aber mehr gibts nicht.
Ich hatte es in dem Datev LEXinform-Newsletter gefunden. Ich lese da aber meistens nur die Überschriften ob mich da was betrifft, ansonsten muss man sich die Urteile von einfachen Finanzgerichten mühsam zusammensuchen. Da wird auch sehr vieles gar nicht veröffentlicht.
Ein bisschen habe ich auch so gedacht, als ich im Wettstreit mit Epizentrums FA war. 😂 Aber bei der Bindingsteuer ist die große Masse der Fundstellen gegen Lothar.
Bzgl. Birger. Du hättest ruhig JohnGalt, unser Forum und Lothar Binding nennen können, denn woher hast du das denn wohl? Ich habe den Beschluss nur bei der Datev gefunden und wer screent deren Lexinform schon? Das macht der John, aber nicht der Birger.
Bzgl. Birger. Du hättest ruhig JohnGalt, unser Forum und Lothar Binding nennen können, denn woher hast du das denn wohl? Ich habe den Beschluss nur bei der Datev gefunden und wer screent deren Lexinform schon? Das macht der John, aber nicht der Birger.