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    Warum die Indizes fallen sollten u. weitere int. Berichte - 500 Beiträge pro Seite (Seite 4)

    eröffnet am 03.09.03 20:04:43 von
    neuester Beitrag 02.03.09 23:23:28 von
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      schrieb am 15.03.04 22:40:52
      Beitrag Nr. 1.501 ()
      Inland
      Ulla Jelpke

      Große Koalition Gewehr bei Fuß

      Terrorgefahr als Vorwand für weiteres konservatives Rollback in der deutschen Innenpolitik


      Die Informationspolitik der spanischen Regierung nach den Madrider Bombenanschlägen war so unglaubwürdig, daß die Wähler ihrer Empörung mit dem Stimmzettel Luft gemacht und das konservative Kabinett Aznar abgewählt haben. Zu offenkundig hatte Aznar ohne ausreichende Beweise der ETA die Anschläge in die Schuhe schieben wollen, um einen schäbigen innenpolitischen Nutzen daraus zu ziehen. Nicht nachvollziehbar ist, welcher Teufel Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) geritten hat, tagelang im Brustton der Überzeugung die ETA-Theorie vor der deutschen Öffentlichkeit zu vertreten, obwohl die Urheberschaft des Terroraktes völlig unklar war und die Indizien, wenn überhaupt, in Richtung islamistischer Täter deuteten.

      Es mag sein, daß die SPD/Grünen-Bundesregierung im Augenblick eine innenpolitische Debatte über ihre Sicherheitspolitik vermeiden wollte und daher ein Interesse daran hatte, die Vorgänge in Madrid als innerspanisches Problem abzutun. Denn seit langem versucht die CDU/CSU-Opposition im Bundestag, einen Keil zwischen SPD und Grüne zu treiben, indem sie unannehmbare Verschärfungen des Polizei-, Ausländer-, Straf- und Strafverfahrensrechts fordert. Dabei weiß die Union genau, daß Schily und seine konservativen Genossen aus der SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam mit den Hardlinern unter den SPD-Landesinnenministern wie Klaus Buß aus Schleswig-Holstein nur allzu willig auf solche Forderungen einzugehen bereit wären. Aber Gerhard Schröder und Schily müssen in der Innenpolitik Rücksicht auf die Grünen nehmen, die ohnehin schon bei den sogenannten Anti-Terrorismusgesetzen Schily I und Schily II ihre rechtsstaatlichen Grundsätze verraten haben und jetzt nicht noch weitere Zugeständnisse an die CDU/CSU machen können.

      Die These von einer Täterschaft der ETA ließ sich aufgrund der Faktenlage nicht mehr aufrechterhalten. Schily zeigte sich am Sonntag nach der Sitzung des Sicherheitskabinetts verärgert. »Ich hätte es ganz gerne gesehen, wenn wir über bestimmte Erkenntnisse früher unterrichtet worden wären.« Sofort wurden die – obwohl längst nicht klaren – Verdachtsmomente von der CDU/CSU instrumentalisiert, um unter Verweis auf die »islamistische Gefahr« all diejenigen Gesetzesverschärfungen mit Nachdruck zu verlangen, die in der Vergangenheit nicht durchsetzbar waren. Auf andere Art, aber ebenso perfide, wird damit die in Spanien erfolglose Taktik Aznars, den schrecklichen Vorfall politisch für sich auszunutzen, wiederholt. Wolfgang Schäuble, soeben noch auch von liberalen Kommentatoren als Präsidenten-Kandidat gelobt, tut sich besonders mit dem Ruf nach einem Einsatz der Bundeswehr im Inneren hervor.

      Der Militarisierung der deutschen Außenpolitik soll also die Militarisierung der inneren Sicherheit folgen. Eine Grundgesetzänderung hierfür wird von SPD und Grünen noch abgelehnt. Die gesetzliche Erlaubnis zum Abschuß von Passagierflugzeugen wird die Bundestagsmehrheit aber demnächst mit dem Luftsicherheitsgesetz beschließen. Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber will Ausländer auf bloßen Verdacht hin ausweisen. Verschwiegen wird dabei, wie rigide das geltende Ausländerrecht ohnehin schon ist. Eine schwammig und weit gefaßte Generalklausel macht es heute bereits den Behörden möglich, jeden auszuweisen, den sie als »Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung« ansehen. Als nächstes wird vermutlich wieder der Abschiebeschutz bei drohender Folter oder Todesstrafe in Frage gestellt werden.

      Bei einer Bundestagsdebatte im letzten Jahr hatte der CDU-Abgeordnete Erwin Marschewski schon allen Ernstes die Aufkündigung der Anti-Folter-Konvention durch die Bundesregierung gefordert. Sein Kollege Norbert Geis (CSU), der auch dadurch aufgefallen ist, daß er von allen Neugeborenen vorsorglich DNA-Analysen für eine spätere Strafverfolgung nehmen lassen will, schlug an allen Bahnhöfen Sicherheitsschleusen wie an Flughäfen vor – eine praktisch undurchführbare Maßnahme.

      Somit ist der weitere Verlauf der innenpolitischen Debatte vorgezeichnet. Bürgerrechtler, die sich durch das Lauschangriff-Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestärkt sahen, werden wieder in die Defensive geraten. Schily wird weiterhin den Datenschutzbeauftragten übergehen, so wie bei seiner jüngsten Entscheidung, die Flugpassagierdaten an die US-Behörden zu übermitteln. Er wird versuchen, den roten Sheriff zu geben, sei es auch mit so lächerlichen Maßnahmen wie der Fahndung per SMS, der sogar das bayerische Innenministerium gestern eine »negative Kosten-Nutzen-Bilanz« attestierte. Die Länderinnenminister werden sich immer neue Überwachungsmechanismen ausdenken wie etwa die Videoerfassung von Pkw-Kennzeichen.

      Die berechtigten Ängste der Bevölkerung und der Wunsch der Menschen nach Schutz durch den Staat – obwohl es hundertprozentigen Schutz vor Anschlägen nie geben kann – werden zu einem konservativen Rollback in der deutschen Innenpolitik führen, der die Debatte nach dem 11. September noch in den Schatten stellen wird. Die informelle große Koalition steht hierfür im wahrsten Sinne des Wortes Gewehr bei Fuß. »Mit Schily«, erklärte Bayerns CSU-Innenminister Günther Beckstein gestern im ZDF-Morgenmagazin, »wäre ich in diesen Fragen rasch einig.«

      http://www.jungewelt.de/2004/03-16/010.php

      Sie können die Sicherheitvorkehrungen verschärfen, ob das den Terror verhindern wird, ist zweifelhaft.
      In Israel herrschen die strengsten Sicherheitsbestimmungen und geholfen hat`s trotzdem nicht.
      Können Terrorgruppen ohne die Hilfe staatlicher Geheimdienste diese professionell geplanten Terroranschläge vorbereiten?
      Vielleicht sind auch viele Terrorgruppen unterwandert.
      Eine neue Art des Krieges. Wer weiß?
      Avatar
      schrieb am 15.03.04 22:46:54
      Beitrag Nr. 1.502 ()
      15.3.04 Deutsche beim Konsum weiter zurückhaltend


      Die Deutschen werden auch weiterhin ihr Portemonnaie zusammenhalten. Zu diesem Ergebnis kommt das Allensbacher Institut für Demoskopie nach einer repräsentativen Befragung. Mehr als jeder zweite Deutsche macht sich demnach Sorgen, er selbst oder ihm Nahestehende könnten von der schlechten wirtschaftlichen Lage betroffen sein.




      Dabei ist diese Befürchtung im Osten mit 63 Prozent der Befragten stärker ausgeprägt als im Westen, wo 53 Prozent sich besorgt zeigten. Die meisten der Befragten gaben an, ihren Konsum einschränken zu wollen. Davon dürften vor allem Discounter profitieren: 81 Prozent der Deutschen über 16 Jahre wollen in Zukunft häufiger in den Billigmärkten einkaufen.




      Nahezu Dreiviertel aller Deutschen will grundsätzlich beim Einkaufen stärker die Preise vergleichen. Mehr als die Hälfte der Befragten will seltener essen gehen und weniger Geld für Kleidung ausgeben. Jeder zweite will größere Anschaffungen verschieben. ... (Handelsblatt.com, 14.3.04)




      Kommentar: Wie soll es je den viel beschworenen „Aufschwung“ geben, wenn die Menschen immer mehr zum Sparen gezwungen sind? Allein daran zeigt sich schon, dass dieser „Aufschwung“ reiner Zweckoptimismus ist. Was kommen muss, wenn die Kaufkraft sinkt und die Menschen zunehmend weniger kaufen können sind nicht bessere zeiten, sondern eine Deflationsspirale.



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      Die Folgen der Agenda





      Kommentar ... Die Agenda 2010 spaltet das Arbeitsrecht. Für wertvolle Arbeitskräfte gelten andere Regeln als für sogenannte "arme Leute". Und statt zu rebellieren fügt sich der Wähler stillschweigend in sein Schicksal.

      Von Heribert Prantl




      Fazit nach einem Jahr Agenda 2010: Derweil die Kirchen über die Entchristlichung der bundesdeutschen Gesellschaft klagen, verhält sich diese christlicher denn je. Selten war sie so friedfertig. Selten hat sie sich von der Politik so viel gefallen lassen. Selten hat sie sich so an das Wort der Bibel gehalten, wie es bei Matthäus und Lukas verzeichnet ist: Schlägt Dich jemand auf die linke Backe, so halte ihm auch die rechte hin. Seitdem also die Wähler von der SPD auf die eine Wange geschlagen werden, halten sie der CDU/CSU die andere hin, sagen danke und machen ihr Kreuz bei den Konservativen.




      ... Die Agenda hat einen Überbietungswettbewerb zum Abbau rechtlicher Standards ausgelöst. Im Rahmen dessen hat die Union jüngst vorgeschlagen, den Kündigungsschutz im Arbeitsrecht radikal einzuschränken. Sie folgt damit der Deregulierungs-Lehre, wonach die geltenden Regularien des Arbeitsrechts die unternehmerische Freiheit unzumutbar behindern und folgt der idealistischenVorstellung, dass eine wiederhergestellte unternehmerische Freiheit genutzt wird, um Arbeitsplätze zu schaffen: In dem Maße, in dem das Arbeitsrecht gestutzt und Vertragsfreiheit wieder hergestellt wird, steigt angeblich die Bereitschaft, Arbeitsplätze zu schaffen.




      ... Verlust des aufrechten Gangs

      Mit dem Abbau von Arbeitnehmerrechten geht der aufrechte Gang im Betrieb verloren. Das widerspricht eigentlich vernünftigen Arbeitgeberinteressen: Ohne aufrechte und souveräne Mitarbeiter lässt sich ein Qualitäts-Unternehmen nicht gut betreiben. Wenn man die Leute vor den Kopf stößt und ihre Motivation kaputt macht, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn es mit dem Wachstum nicht vorangeht und die Nobelpreise in andere Länder vergeben werden.




      ... Arme-Leute-Arbeitsrecht

      Die Agenda fördert die Spaltung des Arbeitsrechts: Für wertvolle Arbeitskräfte bleiben relativ ordentliche Standards erhalten, daneben entwickelt sich ein Arme-Leute-Arbeitsrecht, ohne tariflichen Schutz und mit bescheidener sozialer Sicherung. Die psychologischen Auswirkungen dieser Entwicklung sind womöglich schlimmer als die juristischen; es wird eine Stimmung befördert, wonach alles immer schlechter wird. ... (SZ, 15.3.04)




      Kommentar: Der Abbau des Kündigungsschutzes belebt in keinster Weise die die gesamte Volkswirtschaft – im Gegenteil: Je mehr der Arbeitsschutz zurückgefahren wird, umso mehr werden die Menschen sparen, um für eine eventuelle Arbeitslosigkeit vorzusorgen. Das dämpft den Konsum und damit wieder den Umsatz der Unternehmen. Dazu kommt, dass dann die Firmen mit einem schlechteren Betriebsklima und Mobbing gelähmt werden.


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      15.3.04 Das Zeitalter des Megaterrorismus hat begonnen

      Gleichzeitig besteht in der europäischen Bevölkerung das Gefühl, die Gefahr des Terrorismus werde überschätzt


      von Walter Laqueur

      Was wir in Madrid erlebt haben, war der bislang blutigste Terrorakt auf europäischem Boden. Doch wahrscheinlich ist es nur ein Vorgeschmack gewesen auf das, was uns erwartet: das herannahende Zeitalter des Megaterrorismus. Dies bedeutet nicht, dass sich Anschläge wie der von Madrid (oder noch verheerendere) künftig Woche für Woche ereignen werden. Aber im Zeitalter des Megaterrors wird zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte eine sehr kleine Zahl von Personen über enorme Zerstörungskraft gebieten und damit unvorstellbare Verwüstungen anrichten können. Und gerade die Tatsache, dass es nur wenige Personen sind, macht es so schwierig, die Anschläge zu verhindern.

      So entsetzlich die Ereignisse von Madrid auch sind - in Spanien wird das Leben dennoch weitergehen. Weder in der spanischen Gesellschaft noch in der Politik des Landes wird es größere Veränderungen geben. Doch malen Sie sich für einen Moment aus, die Terroristen hätten keine "altmodischen" Waffen wie konventionellen Sprengstoff eingesetzt, sondern eine schmutzige Atombombe oder chemische beziehungsweise biologische Kampfstoffe. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie genau dies tun werden. Und stellen Sie sich weiter vor, die Bomben wären nicht in Europa gezündet worden, sondern in Indien, Pakistan, Israel oder Palästina: Es ist gut möglich, dass der Anschlag in einem solchen Fall einen großen Krieg ausgelöst hätte. Diejenigen, die sich mit dem Terrorismus beschäftigen und ihn zu verstehen suchen, sind in den zurückliegenden Jahren immer pessimistischer geworden.

      ... Es ist nur eine Art und Weise bekannt, wie das Anschlagsrisiko verringert werden kann: Man muss den Terroristen Knüppel zwischen die Beine werfen. Aber das ist nicht immer auf legalem Weg möglich. Und es bedeutet, dass manchmal auch unschuldige Menschen allen denkbaren Einschränkungen unterworfen werden und manchmal sogar eingesperrt werden. Das ist noch kein Faschismus und noch keine Diktatur, aber es ist schmerzlich und ungerecht. Daher ruft es einen wachsenden Protest gegen die Aushöhlung unserer bürgerlichen Freiheiten hervor. ...

      Wir erleben eine wachsende Diskrepanz zwischen den Befürchtungen der westlichen Terrorismusexperten und der Blindheit oder dem falschen Optimismus der Menschenrechtsaktivisten, die die Missbräuche der Regierungen anprangern. In der Zwischenzeit, so fürchte ich, tickt die Zeitbombe der Massenvernichtungswaffen weiter - auch wenn im Irak keine gefunden worden sind. (Welt, 15.3.04)




      Kommentar: Es stellt sich die Frage, was Ursache und was Wirkung ist. Ist Terror die Ursache, aufgrund dessen die Freiheit immer mehr eingeschränkt wird oder ist es nicht ganz anders: Durch zunehmende Unterdrückung und wirtschaftliche Not wird erst der Boden für den Terrorismus gelegt. Je schlimmer die finanziellen Bedingungen und der politische Druck auf viele Staaten werden, umso mehr wächst die Unterstützung für den Terror. Dazu stellt sich noch die Frage, wer diesen Terror eigentlich veranstaltet – es werden immer wieder Schuldige benannt, ohne dass je Beweise für deren Täterschaft gegeben werden. Kann es nicht auch sein, dass gerade über Terrorismus erst der Boden dafür geschaffen werden soll, um die Freiheit einzuschränken, bis wir am Ende eine Diktatur haben?


      Kommentare v. Günter Hannich
      Geldcrash.de
      Avatar
      schrieb am 15.03.04 22:50:18
      Beitrag Nr. 1.503 ()
      2005 noch immer vier Millionen ohne Job
      ( dank der Statistik)
      Nürnberger Institut sieht Stellenabbau im Sommer gestoppt / Arbeitsmarktreformen kritisiert

      Ein Durchbruch am Arbeitsmarkt ist auch im nächsten Jahr nicht zu erwarten. Selbst bei einem Wirtschaftswachstum von zwei Prozent werde es im Durchschnitt 2005 noch immer rund 4,2 Millionen Arbeitslose geben. Dies schätzt das Forschungsinstitut der Nürnberger Bundesagentur.


      .........

      Bei dieser Konstellation ergibt sich für die Unterbeschäftigung 2004 unverändert eine Größenordnung von sieben Millionen Personen (siehe Grafik). Die Zahl der registrierten Arbeitslosen wird mit 4,27 Millionen im Schnitt nur wenig unter dem Vorjahr liegen. "Die so genannten Reformgesetze am Arbeitsmarkt bringen erhebliche Nachteile für die Arbeitslosen, ohne die Chancen auf einen Arbeitsplatz zu verbessern." Diese Bilanz zieht die Koordinierungsstelle gewerkschaftliche Arbeitslosengruppen anlässlich des Jahrestages der Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder zur Agenda 2010. "Die Arbeitslosigkeit wurde nicht abgebaut, sondern billiger gemacht. Erwerbslose nicht in Arbeit vermittelt, sondern aus dem Leistungsbezug ausgegrenzt", kritisiert Martin Künkler von der Koordinierungsstelle.

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 15.03.04 22:54:38
      Beitrag Nr. 1.504 ()
      Rechtsschutzversicherer fürchten hohe Kosten

      Gesetzentwurf sieht üppigere Anwaltshonorare und Gerichtsgebühren vor

      Die geplante Erhöhung der Anwaltsgebühren bringt die deutschen Assekuranzen auf. Sie warnen davor, dass Rechtsschutzversicherungen für viele Bürger zu teuer werden könnten.


      VON ROLF COMBACH


      Teure Klagen

      Von 1. Juli an steigen die Kosten für Rechtsstreitigkeiten zum Teil drastisch. Beispiel: Ein Arbeitnehmer musste bei einer Kündigungsschutzklage mit einem Streitwert von 7500 Euro bei einem gerichtlichen Vergleich bisher für Anwalt und Gericht 1456 Euro zahlen. Künftig kann ihm der Anwalt 2052 Euro berechnen. rco




      Frankfurt a. M. · 15. März · Jetzt kommt es knüppeldick für Versicherungskunden. Nachdem die privaten Krankenversicherer Anfang des Jahres ihre Beiträge erhöhten, folgen die Autoversicherer. Aufschläge bis zu zehn Prozent gelten als möglich. Deutlich teurer werden nun wohl auch Rechtsschutzpolicen.

      Der Bundestag hat über das neue Kostenrecht für Anwälte entschieden. Denn seit gut neun Jahren haben Deutschlands Advokaten keine Erhöhung ihrer Gebühren erhalten. Justizministerin Brigitte Zypries erklärte kürzlich: "Die Bundesregierung plant eine maßvolle Anhebung der Anwaltsgebühren." Soll heißen: Anwälte und Sachverständige dürfen mit mehr Geld rechnen.

      Diese Aussage bringt die Branche der Rechtsschutzversicherer auf die Palme. Denn nach deren Meinung könne von einer maßvollen Anhebung keine Rede sein, weil in Deutschland die Anwälte über höhere Streitwerte in den vergangenen Jahren ihre Einkommen sukzessive erhöht hätten.

      Deshalb haben die Versicherer einmal nachgerechnet, was auf die Verbraucher zu kommen könnte. Durch das neue Kostenrechts-Modernisierungs-Gesetz würden die Honorare um 21 Prozent steigen. Das Justizministerium spricht hingegen von 14 Prozent. Selbst der Deutsche Anwaltsverein habe kürzlich zu der geplanten Anhebung eingeräumt, dass die Zahl von 14 Prozent ausschließlich "politisch gegriffen" sei.

      Der Schwerpunkt der Erhöhungen liege bei den außergerichtlichen Gebühren. Was allerdings nicht heißt, dass die Gerichtskosten stabil bleiben - ganz im Gegenteil: auch bei diesem Posten sind Aufschläge zu erwarten. Angesichts der sich abzeichnenden Kostenexplosion glauben die Rechtsschutzversicherer, dass ihnen die Kundschaft davonläuft. Für Otto-Normalverbraucher könnte das bedeuten: Rechtsschutz wird für ihn bald unbezahlbar.
      (wie fast alles)

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 15.03.04 23:04:11
      Beitrag Nr. 1.505 ()
      Hinweise verdichten sich – Angst vor weiteren Anschlägen belastet die Märkte

      von Jochen Steffens

      Offenbar verdichten sich nun die Hinweise nachhaltig, die auf eine Täterschaft der El-Kaida hinweisen. Nach einem neuen Bekennertonband und mehreren Festnahmen, hat kaum noch jemand Zweifel, dass die El Kaida wieder zugeschlagen hat. Schon wird der 11. März mit dem 11. September in Verbindung gebracht.

      Nach meinen Informationen ging sowohl der amerikanische Geheimdienst, sowie der deutsche Geheimdienst bis Samstag noch davon aus, dass die ETA verantwortlich für die Anschläge . Die einzige Schlussfolgerung, die man daraus ziehen kann: Der El Kaida ist es gelungen, unbemerkt von den internationalen Geheimdiensten, eine schlagkräftige Struktur aufzubauen. Das ist mehr als bedenklich, denn es ist Hinweis darauf, dass die EL Kaida wesentlich besser aufgestellt ist, als man bisher gedacht hat. Das bedeutet auch, dass überall und jederzeit auf dieser Welt neue Anschläge möglich sind. Kein Wunder, dass weltweit die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt werden.

      Bisher hatte es lediglich Warnungen vor Anschlägen gegeben. Vielleicht entstand dadurch auch eine trügerische Sicherheit. Auf die Warnungen folgten zwar keine Anschläge, aber diese Warnungen vermittelten die Suggestion, die Geheimdienste seien informiert. Vor diesem Anschlag in Madrid wurde nicht gewarnt. Das Gefühl der scheinbaren Sicherheit ist damit zerstört.

      Die Börsen reagierten prompt, der Dax rutschte heute zum Start ins Minus. Danach folgte eine Seitwärtsbewegung – das übliche Warten auf die Amis. Den Amis schmeckte eine schlagkräftige EL-Kaida gar nicht – sie machten sich langsam aber nachhaltig gegen Süden auf und zogen den Dax zum Schluss auf minus 2,67 % oder 3810 Punkte.

      Ich habe eine nicht repräsentative(!) Umfrage im Netzt gelesen, wonach 49 % der deutschen Anleger davon ausgehen, es handele sich bei den aktuellen Kursverlusten lediglich um eine größere Korrektur, 19 % gehen davon aus, dass es nun sofort weiter nach oben geht, lediglich 24,5 % rechnen damit, dass die Blase nun geplatzt ist.

      Das entspricht allerdings meinem persönlichen Eindruck. Die Bullen sind etwas angeschlagen, vielleicht ein wenig irritiert, aber noch lange nicht nachhaltig verunsichert. Ein schlechtes Zeichen? Dabei ist es nicht ganz abwegig, dass wir Anfang des Jahres die Höchstkurse gesehen haben. Folgende Gründe sprechen dafür:

      Die Terrorangst wird nun eingepreist. Das bedeutet, dass in die Gesamtbewertung der wirtschaftlichen Lage in den USA nun die Möglichkeit eines größeren Terroraktes eingerechnet werden muss. Die Geheimdienste haben in Spanien versagt, die scheinbare Sicherheit, die sich immer mehr in den USA aufgebaut hatte, ist angeschlagen – auch das wird eingepreist.

      Wie viele Punkte das genau im Dow oder Nasdaq ausmacht, kann Ihnen natürlich keiner sagen, da es ein Abbild subjektiver Verunsicherung der Anleger ist. Deswegen ist es wesentlich interessanter, was eigentlich passieren müsste, um diese Sorge auszugleichen – um neue Höchstkurse an den Indizes zu generieren?

      Ich denke nach wie vor, die EL-Kaida ist ein Problem, dass uns noch lange beschäftigen wird. Offenbar handelt es sich nicht um eine straffe hierarchisch ausgerichtete Organisation, sondern um mehrer, mehr oder weniger autonom arbeitendende Zellen. Selbst wenn z.B. Bin Laden gefasst werden sollte, wird dies demnach keinen nachhaltigen Einfluss auf diese Organisation haben. Aktionen in diese Richtung, werden den Markt also eher nicht beruhigen können.

      Die andere Möglichkeit: Die Konjunkturdaten müssten sich drastisch verbessern – so zum Beispiel die Arbeitsmarktdaten. Doch falls das eintritt, dann wird natürlich sofort wieder das Thema Zinserhöhungsangst gespielt. Mit anderen Worten, die amerikanischen Indizes haben nach oben nun einen sehr schweren Deckel drauf. Ich glaube nicht, dass sie diesen heben können.

      Deswegen ist es mehr als fraglich, ob wir in diesem Jahr noch einmal neue Hochs sehen werden.

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      US-Konjunkturdaten

      von Jochen Steffens

      Eigentlich wollte ich diesen Index nicht mehr erwähnen, weil er mehr und mehr an Bedeutung verliert – zu schwankungsfreudig zeigt er sich in letzter Zeit. Auch diesmal hat der New York Empire State Index überrascht, diesmal nach unten. Er notiert bei 25,33. Erwartet wurde der Index bei 37,0 bis 38,9 nach zuvor 42,05. Kein Wunder, dass er kaum noch Auswirkung auf den Kursverlauf hatte.

      Die Industrieproduktion ist um 0,7 % gestiegen. Erwartet wurde ein Anstieg um 0,4 bis 0,6 % nach zuvor 0,8 %. Etwas besser als erwartet, allerdings nichts, das wirklich überraschen könnte. Auch die Kapazitätsauslastung liegt weiterhin bei mageren 76,6 %. Erwartet wurde eine Auslastung von 76,4 bis 76,6 % nach zuvor 76,1 % (revidiert von 76,2 %).

      Zwar hat die Kapazitätsauslastung generell etwas abgenommen, Spitzenwerte bis an die 90 % des Jahre 1975 werden schon lange nicht mehr erreicht. Aber in den Jahren 1994 bis 2000 hat dieser Wert immer deutlich über 80 % gelegen. Bei der Industrieproduktion lag der Wert in diesen Jahren meistens oberhalb der 5 %. Man sieht wie mager dieser zwar positive Wert von 0,7 % eigentlich ist.

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      Terror in Europa ...

      von Martin Weiss

      In der vergangenen Woche mußten die deutschen Standardwerte herbe Verluste hinnehmen. Ein Minus von über fünf Prozent in fünf Handelstagen ist schon erheblich. Sicherlich, der brutale Terror von Madrid trug vor allem am Donnerstag wesentlich zu diesem rasanten Kursverfall bei. Und, ganz kurzfristig betrachtet könnte dem Dax weiteres Ungemach bevorstehen, wenn hinsichtlich der Urheberschaft der Anschläge islamistische Terrorgruppen ermittelt werden.

      Charttechnisch ist der Dax nach dem signifikanten Bruch der Widerstandszone bei 3980–4000 Punkten angeschlagen. Der Aufwärtstrend, der seit März 2003 bestand, gehört nunmehr endgültig der Vergangenheit an. Die nächste, größere Widerstandszone liegt im Bereich von 3600 Punkten.

      Gewiß, es ist nicht ausgeschlossen, daß kurzfristig betrachtet die Bullen den Dax noch einmal gen 4000 "treiben".

      Jedoch ist klar, daß die einjährige Bärenmarkt-Rallye offensichtlich beendet ist. Die Abkopplung der Börsen von der wirtschaftlichen Realität dürfte vorbei sein. Denn, real-wirtschaftlich sind die Alarm-Signale kaum zu übersehen. Es sollte selbst den größten Optimisten Anlaß zur Sorge sein, wenn gar Großkonzerne wie Volkswagen von einer "miserablen" Geschäftsentwicklung sprechen. Und, dies gänzlich unbeachtlich von weiteren terroristischen bzw. geopolitischen Verwerfungen.

      Auch in den USA spüren die Menschen, daß die "goldy-lock"-Periode endgültig der Vergangenheit angehört. Gewiß, noch versuchen die Autoritäten – Notenbank und Regierung – mit einer unglaublich expansiven Geldpolitik und extrem hohen Staatshaushaltsdefiziten, die Triebkräfte der Jahrhundert-Baisse einzudämmen.

      Noch schaffen sie es, sowohl Aktien- wie auch Immobilienpreise relativ hoch zu halten, um die amerikanische "Konsum-Maschine" am Laufen zu halten.

      Aber, die Warnzeichen, daß auch dies nicht ewig darstellbar ist, sind unübersehbar. Die Lage und die Aussichten am Arbeitsmarkt sind alles andere als rosig, die Durchschnittseinkommen der Bürger steigen allenfalls leicht an. Und, es werden schlichtweg weniger Menschen im Arbeitsprozess benötigt, zumal ein weiterhin hohes Produktivitätswachstum und die Verlagerung von jobs nach Asien sicherlich auch künftig anhalten werden.

      Vor diesem Hintergrund war es gewiß nicht überraschend, daß das Verbrauchervertrauen – ermittelt von der Universität Michigan – unter den Erwartungen des Marktes blieb. Interessant dabei war, daß die Zukunftserwartungen der Konsumenten auf den tiefsten Stand seit fünf Monaten zurückfielen.

      Natürlich trägt zu dieser Schwäche auch die anhaltend hohe Belastung der Verbraucher wegen hoher Energiepreise bei. Die Gefahr besteht jedenfalls, daß das Verbrauchervertrauen weiter erodiert und dies schließlich in einen Teufelskreis nach unten mündet.

      Sicherlich sehen auch die Unternehmensinsider diese Entwicklung mit Sorge. Denn sonst würden sie sich mit Neu-Investitionen nicht so zurückhalten. Gleichzeitig stoßen diese Firmenlenker ihre eigenen Aktien mehr denn je ab. Insofern sehen selbst die Bosse wohl keine nachhhaltige Verbesserung der Wirtschaftslage. Indes befindet sich der Gold-Preis weiter in der Konsolidierungsphase. Wie aus diversen Marktberichten hervorgeht, sollen erste, spekulativ-kurzfristig orientierte Investoren bereits wieder "enttäuscht" aus dem Goldmarkt ausgestiegen sein. Dies ist sehr positiv zu werten, zumal diese "Marktbereinigung" zwingend notwendig ist. Noch positiver wäre, wenn nach einem neuerlichen Rückschlag in nächster Zeit negative Schlagzeilen bzgl. des gelben Edelmetalls in den Massenmedien zu lesen wären.

      Denn dann könnten sie evtl. die Feinunze Gold nochmals unter 320 Euro kaufen ...

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      Anschläge in Spanien

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Ende letzter Woche fuhr ich mit dem Eurostar von Paris nach Köln. Niemals zuvor gab es so lange Warteschlangen und einen so intensiven Sicherheits-Check. Das Gepäck wurde durchsucht ... die Reisenden sprangen herum ... und die Passagiere sahen sich gegenseitig misstrauisch an und fragten sich, wer wen in die Luft jagen könnte.

      "Ich hätte genauso gut fliegen können", sagte jemand, der vor mir in der Schlange stand.

      Der wahrscheinliche Grund für diese Sicherheitsmaßnahmen waren – natürlich – die Bombenanschläge in Madrid.

      "Das wird der 11. September Europas genannt", so Kommentatoren im britischen Fernsehen letzten Freitag.

      Ich bezweifle, dass dieses Datum in den Geschichtsbüchern mit dem 11. September gleichgesetzt werden wird. Aber wie am 11. September ist es fast sicher, dass die Aktien der Terroristen über ihren Buchwert hinaus steigen werden.

      Die europäischen Aktien fielen nach den Anschlägen. Amerikanische Analysten nannten als Grund für die Kursrückgänge "Angst vor weiteren Terror-Zwischenfällen". Vielleicht ... aber bereits vorher war der Dow Jones nach Süden gerichtet gewesen, und er wird noch deutlich tiefer fallen, bevor er da ist, wo ich denke, dass er hingehört.

      Die wirtschaftliche "Erholung" in den USA war ein Schwindel, das habe ich immer wieder gesagt. Die Fed und die US-Regierung haben genug Geld und Kredite geschaffen, um das Schuldenmachen und Geldausgeben der Konsumenten zu stimulieren. "Wenn man mir eine Billion Dollar gibt, die ich ausgeben kann, dann werde auch ich Ihnen eine gute Zeit zeigen", wie Warren Buffett gesagt hat. Diese Aktivität sah wie "Wachstum" aus. Aber es war eigentlich nicht mehr als eine temporäre Beschleunigung auf der Straße zum Ruin.

      Wie in Japan vor 10 Jahren ... scheint sich die Rally festgefahren zu haben ... sie hat ihren Höchstpunkt erreicht ... und ist jetzt wieder auf dem absteigenden Ast. Der Bärenmarkt ist zurück ... oder zumindest sieht das heute für mich so aus. Dennoch stehen die Investoren, Analysten und Ökonomen weiterhin auf der Bullenseite ... fast ohne Ausnahme. Sie sind sich sicher, dass die guten Zeiten für immer anhalten werden. Sie sagen sich: Wenn es die Terroristen nicht geben würde, dann wäre alles ok
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      USA: Anleihenkurse steigen deutlich

      von unserem Korrespondenten Addison Wiggin in Paris

      Hier eine kleine erschreckende Zahlenspielerei. Die Anschläge in Madrid ereigneten sich 911 Tage nach dem 11. September 2001. Zufall?

      Was auch immer – den Aktienmärkten Markt gefiel das nicht. Ein Beispiel: Als die Welt noch dachte, dass die Anschläge das Werk der ETA waren, da beachtete der Dow Jones den Terrorangriff kaum ... aber als dann die Nachricht kam, dass ein Brief gefunden wurde, der auf die islamistische Terroristen als Täter hinwies, da sackte der Dow Jones durch.

      Überraschenderweise fiel der Goldpreis leicht zurück, auf unter 400 Dollar. Aber ein anderer traditioneller "sicherer Hafen" wurde beflügelt: Der Schweizer Franken. Er gewann gegenüber dem Dollar fast 2 %, und gegenüber dem britischen Pfund und dem Euro stieg er auf 4-Wochen-Hochs.

      Die Toten in Madrid kommen zum einjährigen Geburtstag des Bullenmarktes 2003/2004. Aber diese Rally litt auch ohne die Terroranschläge unter ihrem eigenen Gewicht. Man hätte übrigens erwarten können, dass auch der Euro Federn gelassen hätte. Aber er hielt sich relativ stabil bei 1,22. Warum? Nun, ist das nicht offensichtlich? Zumindest für Dan Denning ist das offensichtlich:

      "Das monatliche ( ...) Bulletin des US-Finanzministeriums brachte eine ziemliche Überraschung", so Dan Denning letzten Freitag in London. "Natürlich hatte die US-Regierung letzten Februar wieder ein Haushaltsdefizit, wie man erwarten konnte, aber die Größe war überraschend ... 96 Milliarden! In einem Monat! Und auch noch in so einem kurzen Monat wie dem Februar. Ich glaube, dass das das größte monatliche Haushaltsdefizit ist, das die USA jemals hatten ..."

      Und weiter: "15,2 Milliarden Dollar der neuen Schulden mussten als Zinsen für alte Schulden aufgewendet werden. Mit anderen Worten: 8 % der neuen Schulden wurden nur gemacht, um alte Schuldner zu bezahlen. Und die Gesamtausgaben der ersten fünf Monate des laufenden Fiskaljahres (Start: 30.09.2003) sind gegenüber ihrem Vorjahreswert um 4,2 % gestiegen, von 898 Milliarden Dollar auf 937 Milliarden Dollar. Das Defizit ist im gleichen Zeitraum um 16,4 % gestiegen."


      Und auch Chuck Butler von der Everbank betonte letzten Freitag in einer Analyse, dass die Devisenabteilung von Lehman Brothers meint, dass es "Zeit ist, den Dollar gegenüber dem Euro zu verkaufen, und dass die aktuelle Rally des Dollar einfach nicht gerechtfertig ist ..."

      "Gut!" meint Chuck Butler, "das ist die Botschaft, von der ich will, dass die Märkte sie hören ... und wenn die anderen großen Jungs auch dasselbe Lied singen könnten, dann wäre das schon etwas!"

      "Wenn man keine anderen Daten als nur eine Grafik der Renditen der US-Staatsanleihen hätte", schreibt Caroline Baum von Bloomberg, "dann würde man denken, dass die US-Wirtschaft ziemliche Probleme hätte."

      "Niemals zuvor war die Zeitverzögerung zwischen Wirtschaftswachstum und der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen so groß wie derzeit", so Baum weiter. Von den geschätzten 21.000 Jobs, die im letzten Monat geschaffen worden waren, kam nicht ein einziger neuer Job aus dem Privatsektor. Denn es war der erste Monat seit August, dass alle neuen Jobs nur der Regierung zu verdanken waren. Diese Arbeitsmarktzahlen führten zu einer explosiven Rally bei den Kursen der US-Staatsanleihen. Der Kursanstieg, den wir unmittelbar nach Bekanntgabe der Zahlen sahen, war der größte Tagesgewinn seit 13 Jahren.

      Die Anleihen-Investoren denken, dass die weiterhin schlechten News vom Arbeitsmarkt bedeuten, dass "die Wirtschaft in den nächsten Monaten durchsacken wird." Das würde zu tendenziell sinkenden Renditen und damit zu steigenden Anleihenkursen führen. Und die Terrorangriffe in Madrid verstärken diese Tendenz noch ...


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      Wenn ich Recht habe ...

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner in Paris

      *** Wenn ich Recht habe ... wenn wirklich gerade die nächste Phase des großen Bärenmarktes (2000 bis ??) begonnen hat ... dann wäre ich nicht überrascht, wenn wir dieses Mal Panikverkäufe sehen werden. Sie werden sich daran erinnern, dass die erste Phase durch "Ruhe" geprägt war. Die Papiergewinne bei den Titeln der Nasdaq und des Dow Jones lösten sich zwar in Luft auf ... aber wen kümmerte das schon wirklich? Das war nur ein temporärer Rückschlag auf dem Weg zum Reichtum. Die Amerikaner glaubten immer noch, dass der durchschnittliche Anleger – ohne Wissen über bestimmte Aktien oder bestimmte Unternehmen – reich werden könnte, wenn er einfach nur "langfristig investieren" würde. Alles, was man tun musste, war, in Aktienfonds zu investieren. Die Genies bei den Aktienfonds würden für alles Weitere sorgen.

      Diese neue Phase sollte diese komfortable Ansicht herausfordern. Die Leute wissen jetzt, dass die Aktienkurse deutlich fallen können ... und dann Jahre brauchen, um sich wieder zu erholen. Dieses Mal werden sie nicht so lange warten wollen.

      Gustave le Bon erklärt, wie sich eine Panik entwickelt:

      "Der genaue Moment, an dem der allgemeine Glaube zusammenbricht, ist leicht erkennbar; das ist der Moment, wenn der dahinter stehende Wert in Frage gestellt wird. Jeder allgemeine Glaube ist nur wenig mehr als eine Fiktion, die nur solange überleben kann, solange sie nicht allzu genau untersucht wird ... schließlich, wenn dieser allgemeine Glaube seine Macht komplett verloren hat, dann liegt alles, auf dem er beruhte, bald in Trümmern."

      Irgendwann in den nächsten paar Jahren werden die Leute beginnen, Fragen zu stellen. War es wirklich so eine gute Idee, seine ganzen Ersparnisse – die den Ruhestand sichern sollten – in Aktien zu stecken? Was, wenn dieser Bärenmarkt länger anhalten wird, als wir erwartet haben? Was wissen wir schon vom Aktienmarkt? Was wäre, wenn das alles ein großer Schwindel wäre ... was wissen wir eigentlich wirklich über das Geschäft mit Computer-Chips?

      Wenn diese Fragen gestellt werden, dann werden die Antworten wahrscheinlich nicht beruhigend ausfallen.

      *** Dan Dorfman: "Was ist billig? In den letzten Jahrzehnten lag das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei ungefähr 15, und der durchschnittliche Kurs-Buchwert-Verhältnis bei 1,7 ... Heute haben die Aktien ein KGV von durchschnittlich 23 und ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von 3,4. Diese Kennziffern sind nach historischem Maßstab hoch."

      *** Nachdem ich einen Tag in Deutschland und einen Tag in London gewesen war, bin ich jetzt wieder zurück in Paris, liebe(r) Leser(in).

      Ich genieße es, zu reisen ... und zu schreiben. Gerade habe ich einen längeren Artikel zum Thema "Schulden" verfasst – siehe nächster Artikel!

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      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      "Tony war so ein guter Mann, er hatte so ein großes Herz. Er glänzte wie Gold." – Lou

      Was das für ein Zitat ist? Nun, wie üblich las ich heute Morgen zuerst die Todesanzeigen ... und ich fand in ihnen guten Humor und gute Ratschläge.

      Denn das war ein Nachruf für Tony Lambrianou, einen Gangsterboss in London. Zu seiner Beerdigung kamen die Gangs aus Ost-London zusammen – mit schwarzen Sonnenbrillen, schwarzen Ledermänteln und auffälligem Goldschmuck. In einem Artikel zu der Beerdigung konnte ich lesen, dass die Beerdigung selbst für Journalisten wenig ergiebig war. Denn heute ist die Aufmerksamkeit der Welt auf die Terroristen gerichtet; altmodische Gangster werden so beerdigt, wie ein Buchhalter zur Waschmaschine geht. Niemand kümmert sich darum. Die lokalen Geschäfte blieben offen, so der britische "Daily Telegraph". Kaum jemand nahm von dieser Beerdigung Notiz.

      Tony wurde als "Gentleman" und "guter Mann" bezeichnet. 1969 halfen Tony und sein Bruder Chris ihren Kumpels, den Kray-Brüdern. Die hatten einen anderen Gangster, Jack "The Hat" McVitie, mit einem Messer bearbeitet, und Tony und Chris schafften ihn weg. Aber als Dank dafür, dass sie ihren Freunden halfen, wurden sie verhaftet und für 15 Jahre ins Gefängnis geschickt.

      Mich interessierte, wieso "The Hat" überhaupt solche Probleme bekommen hatte. Offensichtlich hatte er es versäumt, seine Schulden in der Unterwelt zu bezahlen, wie es die Ehre der Unterwelt verlangt. Die Kray-Brüder – die in der Praxis der modernen Kreditvergabe nicht ausgebildet waren – hatten ihre eigene Art, wie sie mit säumigen Schuldnern umgingen.

      Tony, der mit 61 Jahren plötzlich starb, wird diesmal nicht zurückkommen. Er wird jetzt andere Dinge zu regeln haben, und ich wünsche ihm viel Glück dabei.

      Währenddessen scheinen in Großbritannien auch andere Leute Probleme mit Schulden zu haben. Ich las in der Zeitung, dass der durchschnittliche britische Schuldner zwar deutlich weniger Schulden als der durchschnittliche amerikanische Schuldner hat. Es gibt aber dramatische Einzelfälle. Wie Stephen Lewis, der es schaffte, Schulden anzuhäufen, die das Dreifache seines Jahreseinkommens erreicht hatten. Als er mit 37 Jahren starb, da hatte er Schulden im Wert von 71.913 Pfund – erheblich über 100.000 Euro. Verteilt auf 19 Kreditkarten.

      Er wurde als "beliebter Mann mit liebenswürdigen Eigenschaften" beschrieben. Aber er kam mit der modernen Kreditindustrie nicht zurecht. Meiner Ansicht nach nahm er das alles zu ernst. Statt seine dummen Gläubiger zu betrügen, wie es jeder tut, tötete er sich letzten Juli. Er muss gedacht haben, dass er seine Schulden zurückzahlen muss; jemand hätte ihm das erklären sollen. Aber jetzt ist seine schöne Frau in der Zeitung zu sehen, und sie schlägt vor, dass es für die Kreditindustrie nicht so einfach sein sollte, die Leute in den Schuldensumpf zu ziehen.

      Nun, bis jetzt erleichtern die Schulden wahrscheinlich eher die Leben der Leute, als dass sie sie erschweren. Solange die Zinsen im Keller sind und weiter fallen ... und die Aktienkurse und Immobilienpreise nicht fallen ... aber wenn sich das ändert, dann wird der Ärger beginnen. Dann wird man sich wünschen, dass man sich nicht so stark verschuldet hätte ... und dann wird man sich ein bisschen so fühlen, als ob man sich das Gehirn weggepustet hätte.

      Aber bei der Beerdigung des Gangsters Tony Lambrianou verwies sein überlebender Bruder auf die positive Seite des Lebens. Er wärmte die Herzen mit seiner Rede darüber, wie sie beide zusammen ins Gefängnis gingen:

      "Wir gingen für eine lange, lange Zeit weg. Wir waren im Dunkeln, und wir begannen zu verstehen, was passiert. Man findet da im Dunkeln etwas; es gibt Leben dort. Dort ist immer Hoffnung, eine Zukunft."

      Keine Angst, liebe(r) Leser(in) ... es gibt ein Leben ... sogar nach den Schulden.


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      schrieb am 15.03.04 23:09:55
      Beitrag Nr. 1.506 ()
      Avatar
      schrieb am 16.03.04 20:37:02
      Beitrag Nr. 1.507 ()
      Inland


      Von Sinnen

      Lohnschleifer des Tages: Präsident des Münchener ifo-Instituts plädiert für Mehrarbeit und geringere Einkommen


      Die Löhne sind zu hoch. Vor allem in Ostdeutschland. Das hat der Präsident des Münchener ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, am Dienstag in der »Welt« festgestellt. Das persönliche Ziel dieses Mannes besteht seit Jahren darin, die Lohnsklaverei vom Lohn zu befreien. Dafür hat er jetzt die nächste Etappe entworfen. Durch die EU-Erweiterung werde sich der Druck auf den deutschen Arbeitsmarkt vor allem in den Grenzregionen verschärfen. Deshalb müßten die Löhne abgesenkt werden. Das gelte »insbesondere für weite Landstriche in den neuen Ländern«. Geringverdiener sollen staatliche Lohnzuschüsse erhalten. Die Finanzierung dafür wäre kein Problem: »15 bis 20 Milliarden Euro müßten umgeschichtet werden. Diese Mittel könnten durch die bereits beschlossene Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und eine Senkung der Sozialhilfe um rund ein Drittel aufgebracht werden«, so Sinn. Dadurch würde die Arbeitslosigkeit sinken, weil die Menschen bereit wären, zu niedrigeren Löhnen mehr zu arbeiten. Wer dennoch arbeitslos bleibt, soll die gekürzte Sozialhilfe bekommen. Dafür müsse er sich vom Staat jedoch acht Stunden täglich an private Unternehmer verleihen lassen. Daß das Ganze keine Phantastereien eines Übergeschnappten sind, hat der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt mit gleichlautenden Vorschlägen in der aktuellen SuperIllu deutlich gemacht. Der will dieser schönen neuen ostdeutschen Welt »zumindest im Rahmen eines groß angelegten Modellversuchs in Sachsen« eine Chance geben.
      http://www.jungewelt.de/2004/03-17/016.php
      Avatar
      schrieb am 16.03.04 20:38:46
      Beitrag Nr. 1.508 ()
      Inland
      Rainer Balcerowiak

      Investruinen

      Leerstand von Büroimmobilien befindet sich auf historischem Höchststand. Trendwende nicht zu erkennen


      Es klang ein wenig nach der alten Bauernweisheit »Wenn der Hahn kräht auf dem Mist/ändert sich’s Wetter/oder bleibt, wie es ist«, als Thomas Beierle, Leiter des Bereiches Research bei der Deutschen Gesellschaft für Immobilienfonds (DEGI) Ende vergangener Woche in Berlin den »Marktreport 2004« vorstellte. Der Vertreter der zur Allianz/Dresdner Bank-Finanzgruppe gehörenden DEGI betonte zwar die Chancen möglicher Investitionen im Immobiliensektor, wies aber gleichzeitig auf die anhaltend schlechte Marktlage im Bereich der Gewerbe- und dabei besonders der Büroimmobilien hin. 2004 werde als Jahr der Rekordleerstände in die Geschichte eingehen, wobei die eigentliche Talsohle noch nicht einmal erreicht sei, so Beierle. Immerhin glaube man aber, »den Boden jetzt im Blick zu haben« und mit gezielten Anlagestrategien mittelfristig wieder »ordentliche Renditen« erwirtschaften zu können. Aus Sicht der Immobilienbranche könne allerdings noch nicht von einem beginnenden Aufschwung gesprochen werden, betonte Beierle.

      Die aktuellen Zahlen sind in der Tat wenig ermutigend für die Branche. Die Flächenumsätze – aus Vermietung, Verpachtung und Verkauf – von Büroimmobilien sanken, außer in den süddeutschen Ballungsräumen um Frankfurt am Main und Stuttgart, im Vergleich zum Vorjahr erneut, teilweise sogar dramatisch. Berlin verzeichnete ein Minus von 14 und Düsseldorf sogar von 24,9 Prozent. Entsprechend stieg die Leerstandsquote, die beispielsweise in Leipzig bei 23,1 Prozent liegt. In vielen Regionen gebe es inzwischen einen »verfestigten Sockelleerstand« auch langfristig nicht vermarktbarer Immobilien in Nebenlagen. Erste Ansätze, diese Ladenhüter »dauerhaft vom Markt zu nehmen«, müßten konsequent ausgeweitet werden, so Beierle.

      Dagegen sei die Situation in den absoluten Toplagen relativ stabil. Doch auch dort hätten viele Immobilienverwerter ihre ursprünglichen Mieterwartungen zurückschrauben müssen. In Spitzenlagen sank das Mietniveau im vergangenen Jahr um bis zu 19 Prozent (Frankfurt am Main). Dort werden aber immer noch bis zu 35 Euro pro Quadratmeter erlöst, während in Leipzig und Dresden selbst in Topobjekten kaum mehr als zehn Euro verlangt werden können.

      Nach wie vor wird jedoch projektiert und gebaut, was das Zeug hält. Offene und geschlossene Immobilienfonds locken Anleger mit Steuergeschenken und abstrusen Renditeversprechungen. Obwohl beispielsweise Berlin bereits einen Büroleerstand von rund 1,6 Millionen Quadratmetern aufweist und die Flächenumsätze auch in den nächsten Jahren voraussichtlich nur knapp über 300 000 Quadratmetern liegen werden, ist bis 2007 mit der Fertigstellung von weiteren 1,3 Millionen Quadratmetern Bürofläche zu rechnen.

      Eine allgemeine Prognose für die mittelfristige Entwicklung des Büroimmobilienmarktes wollte Beierle nicht abgeben. Der Trend zur Diversifizierung werde sich sowohl im nationalen Maßstab wie auch innerhalb von Großstädten und Ballungsräumen verstärken. So gebe es zum Beispiel in der Berliner Friedrichstraße nur wenige hundert Meter entfernt von begehrten Toplagen etliche unvermietbare Objekte. Marktprognosen seien ohnehin immer auch »ein bißchen wie in die Glaskugel gucken«, räumte der Analyst ein. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an das Jahr 1994, wo in Folge des Umzugsbeschlusses der Bundesregierung Berlin von Analysten und Wirtschaftsjournalisten zur Immobilienboomregion Nummer eins in Europa hochgejubelt wurde. Auch der »erwartete Aufschwung« in den ostdeutschen Bundesländern sei nicht eingetreten und könne wohl auf Dauer abgeschrieben werden, erklärte Beierle. Selbst in den beiden »Wirtschaftslokomotiven« Dresden und Leipzig verharrten Büroflächenverwertung und Leerstand auf sehr niedrigem bzw. hohem Niveau, wobei nicht zu verkennen sei, daß auch die inzwischen ausgelaufenen Sonderabschreibungen Ost zu einem »strukturellen Überangebot« geführt hätten. So tendiere die Rate der bereits vor Baufertigstellung abgeschlossenen Mietverträge in neuen Büroimmobilien in Leipzig gegen null. Auch bei einer – ohnehin äußerst unwahrscheinlichen – Entscheidung für Leipzig als Austragungsort der Olympischen Spiele 2012 sei nicht unbedingt eine nachhaltige Erholung zu erwarten. Im Gegenteil: es drohten »neue Investitionsruinen«.

      Von Anlegern, egal ob privaten oder institutionellen, forderte Beierle generell eine »neue Denke«. Man müsse sich von der besonders in Deutschland gepflegten Einstellung lösen, daß Investments in Immobilien aller Art eine nachhaltige Wertsteigerung quasi garantierten. Auch von einer einseitigen Fokussierung auf nicht selbstgenutzte Immobilien zur individuellen Alterssicherung sei dringend abzuraten. Auf den teilweise übersättigten Märkten könne man als Verkäufer »böse Überraschungen erleben«, warnte Beierle. Als »normales Handelsobjekt« böten Immobilien jedoch nach wie vor »sehr gute Renditechancen«.
      http://www.jungewelt.de/2004/03-17/014.php
      Avatar
      schrieb am 17.03.04 16:49:30
      Beitrag Nr. 1.509 ()
      Die Fed steckt zurück – Deflation bleibt auch für sie definitiv ein Thema – Einige wenig schöne Überlegungen zu den Zinsen und zum Dollar
      (17.03.2004)

      Wieder einmal hat der Offenmarkt-Ausschuss (FOMC) der amerikanischen Notenbank (Fed) getagt. Und wieder einmal ist die Erklärung zu der Sitzung sehr aufschlussreich. Man muss wirklich genau lesen und die gewählten Worte mit denen der jeweils vorausgegangenen Erklärung vergleichen, um zu verstehen, was die Fed umtreibt.

      In ihrer Erklärung vom 28. Januar 2004 schriebt das FOMC noch, es habe sich bestätigt, dass die Produktion im Lande lebhaft wachse. Jetzt aber spricht sie nur noch von Hinweisen auf einen solchen Prozess und bezeichnet die Expansion als solide. Das ist ein nicht zu verkennender qualitativer Abstrich am zuvor Gesagten.

      Und zum Arbeitsmarkt erklärte das FOMC im Januar, die Schaffung neuer Jobs verlaufe zwar schleppend, doch es gebe andere Hinweise auf eine Besserung. Jetzt schreibt er, obgleich sich der Abbau von Arbeitsplätzen verringert habe, hole die Schaffung neuer Arbeitsplätze nicht auf. Dies drückt nicht nur Enttäuschung, sondern unheilvolle Besorgnis aus.

      Unverändert blieb die Formulierung, dass sich, kurz ausgedrückt, die Chancen und Risiken zwischen einem unwillkommenen Abgleiten der Inflation (sprich: Deflationsgefahr) und zunehmender Teuerung die Waage hielten. Im Klartext bedeutet dies, dass das FOMC unverändert von Sorgen über deflationäre Tendenz geplagt wird.

      Und diese Sorge ist sehr berechtigt. Wären die in den zurückliegenden Monaten in amerikanischer Währung verzeichneten Preissteigerungen bei den Rohstoffen, Öl und seine Destillate eingeschlossen, nicht gewesen, so würde jetzt wohl eindeutig Deflation in den USA herrschen.

      Das ganze Gerede über höhere Leitzinsen dort hat einen gewissen, mit der Zeit aber zunehmend langweilenden Unterhaltungswert. Sinnvoll wäre ein solcher Schritt nur, wenn er dazu dienen würde, den sich an der Wall Street, am Immobilienmarkt und den Rohstoffmärkten bildenden Blasen ein geldpolitisches Ende zu setzen. Doch die Dinge haben sich inzwischen so weit entwickelt, dass die Fed einen solchen Eingriff nicht mehr wagen kann, ohne der bereits wieder schwächelnden Konjunktur einen weiteren Schlag zu versetzen.

      So können Alan Greenspan & Co. nur darauf hoffen, dass sich die spekulativen Blasen auf erträgliche Weise von selbst auflösen und dass die Kapitalmarktzinsen niedrig bleiben oder noch weiter fallen.

      Dass ersteres geschieht, ist wegen der geradezu hysterisch nach Unterschlupf suchendenden immensen Liquidität sehr unwahrscheinlich. Dass die Kapitalmarktzinsen weiter sinken und den Konsumenten mehr Luft verschaffen, ist wegen der sich wieder abschwächenden Konjunktur hingegen recht wahrscheinlich. Doch ob dies dann ausreichen würde, um die Wirtschaft mit nachhaltig stärkerem Konsum über Wasser zu halten, ist sehr zweifelhaft.

      Und dann bleibt da noch der Dollar. Wir wissen inzwischen sehr genau, dass er seit geraumer Zeit fast nur noch von asiatischen Notenbanken gestützt wird, die verzweifelt versuchen, eine für sie konjunkturschädliche Aufwertung ihrer Währungen zu verhindern. Doch eine solche Politik lässt sich nicht endlos durchhalten.

      Beginnt die Front der asiatischen Interventionisten erst einmal zu wanken oder zu bröckeln, steht der Regierung Bush und der Fed das nächste, dicke Problem ins Haus: die Gefahr eines unkontrollierten Absturzes des Dollar.

      Was dann? Müssten die Zinsen in den USA erhöht werden, um den Dollar unter Kontrolle zu bringen? Vielleicht gar nicht einmal, denn die Kapitalmarktzinsen, die sich der unmittelbaren Kontrolle der Fed entziehen, würden sprunghaft steigen. Aber das würde der Wirtschaft in den USA gewiss den Garaus machen. Sehr rasch müsste die Fed in diesem Fall zu einer „unkonventionellen“ Geldpolitik übergehen und Anleihen aller Arten aufkaufen oder aufkaufen lassen. Aber würde dies dem Dollar helfen? Wahrscheinlich nicht. Im Gegenteil, die Liquiditätsschwemme würde astronomische Ausmaße annehmen und immer mehr nicht wirklich benötigte Greenbacks in den Kreislauf schleudern.

      Die sich eröffnenden Szenarien sind kaum noch überschaubar und so gefährlich für den Rest der Welt, dass niemand dem in den USA vorgezeichneten Drama als unbeteiligter Zuschauer folgen kann. Zu verhindern wäre dieses Drama nur noch durch ein Wunder. Doch wir wissen wohl alle, wie es um Wunder bestellt ist, wenn sie dringend benötigt werden.

      Falls sich die Dinge um den Dollar auf „normale“ Weise nicht mehr regeln lassen, müssen „unkonventionelle“ Mittel her. Man darf raten, woraus sie bestehen würden. Sicher ist jedenfalls, dass „Plan B“ und „Plan C“ bereits in den Schubladen liegen und sehr schnell auf den Tisch gelangen, wenn es wirklich ums Ganze liegt. Über dieses Thema intensiver nachzudenken, dürfte sich lohnen.


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber

      www.taurosweb.de


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      Avatar
      schrieb am 17.03.04 17:00:22
      Beitrag Nr. 1.510 ()
      Avatar
      schrieb am 17.03.04 17:48:34
      Beitrag Nr. 1.511 ()
      Armes Alter
      Dilemma zwischen Kinder kriegen und Altersvorsorge

      Autor: Gerrit Rudolph

      Feierabend in der Frankfurter City. Im In-Café Euro-Deli geniessen vor allem junge Banker bei der after-work-party ihr Single-Leben. Wer gut verdient und kinderlos lebt, kann sich das ja auch locker leisten. Mit Kindern wird es schon schwieriger. Die kosten schließlich eine Menge Geld. Das bremst vorerst auch den Kinderwunsch von Kirsten Niemann. Die 29-jährige PR-Beraterin würde zwar gerne Kinder haben. Doch wie das finanziell funktionieren soll bereitet ihr Kopfzerbrechen. Denn in Deutschland gelten Kinder inzwischen als Armutsrisiko Nummer eins. Sie stellen einen großen Teil der Sozialhilfeempfänger. Wer Kinder hat, finanziert die Beitragszahler der Rentekasse von morgen. Es wäre also nur logisch, wenn Eltern weniger in die Rentenkasse zahlen müssten als Kinderlose.

      Kinder großziehen, heißt finanzielle Opfer bringen
      Doch auch die neue Rentenreform sorgt nicht dafür, dass Eltern entlastet werden. Das wäre aber dringend nötig, findet Kirstens Freund Lars Hummerich. Denn wer keine Kinder habe, könne ja von dem gesparten Geld höhere Rentenbeiträge zahlen. Weil auch die neueste Rentenreform das nicht berücksichtigt, macht sich der Bevölkerungsforscher Herwig Birg Sorgen um die Zukunft der Gesellschaft. Die Politik fordert immer mehr private Vorsorge, aber die können sich nur Kinderlose leisten. "Dazu kommt, dass Kinder zu haben auch noch bestraft wird", kritisiert Herwig Birg. Sich Kinder leisten, für sie auf Einkommen verzichten - ja oder nein? Vor dieser Entscheidung standen auch die heutigen Rentner. Für sie reicht die gesetzliche Rente gerade noch. Ausflüge, Urlaub, das ist noch drin. Vor allem Rentner, die keine Kinder großgezogen haben, konnten zusätzlich Geld fürs Alter sparen. Familienvater Joachim Kalkhof fiel das schon schwerer. "Also ich habe drei Kinder großgezogen. Finanziell ist das ein großes Opfer was man da bringt", sagt er.

      Lust auf Nachwuchs wird gebremst
      Ein Opfer, das sich für die heutigen Rentner nicht so dramatisch auswirkt, wie für die künftigen. Denn die müssen privat vorsorgen, wollen sie im Alter nicht auf Sozialhilfeniveau fallen. Einen Kinderbonus fordert deshalb Bevölkerungsforscher Birg. Ein solcher Kinderbonus würde Kirsten Niemann die Entscheidung für Kinder leichter machen. Noch steht für die PR-Beraterin der Beruf im Vordergrund. Ganz klar: finanzielle Absicherung und Altersvorsorge kommen zuerst, dann erst Kinder. Die eigene Rente darf nicht schrumpfen, findet Kirsten, wenn man weniger arbeitet um Kinder großzuziehen. Kirsten, Lars und viele ihrer Generation wollen Kinder. Doch ihre Lust auf Nachwuchs wird gebremst. In keinem anderen Land der Welt bleiben so viele Frauen kinderlos wie in Deutschland. Kinder haben: hierzulande ein Armutsrisiko, wenn es auf die Rente zugeht, urteilt Bevölkerungsforscher Birg: "Wer heute bei uns mehr als zwei Kinder hat, gilt als Verrückter, auf deutsch gesagt."



      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 16. März 2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      http://static.hr-online.de/fs/plusminus/20040316_kinder.html
      Avatar
      schrieb am 17.03.04 18:04:55
      Beitrag Nr. 1.512 ()
      Nationen ohne Kinder

      Thorsten Stegemann 16.03.2004
      In vielen osteuropäischen Ländern schrumpft die Bevölkerung, weil die Geburtenraten dramatisch sinken. Aber es gibt noch andere Gründe


      Am 1. Mai werden zehn neue Länder der Europäischen Union beitreten. Für die osteuropäischen Staaten ist dieser Termin ein besonderer Grund zur Freude. Hinter ihnen liegen Jahrzehnte mitunter gewaltsamer Bevormundung durch die allmächtige Sowjetunion, vor ihnen immerhin verlockende Aussichten auf mehr politisches Gewicht, wirtschaftliches Wachstum, kulturellen und wissenschaftlichen Austausch. Auch wenn es in einigen Fällen noch einmal Jahrzehnte dauern kann, bis der Lebensstandard der westlichen Nachbarn tatsächlich erreicht wird, sehen viele Beitrittsländer der Zukunft positiv entgegen.






      Wer diese Zukunft gestalten soll, steht derzeit allerdings in den Sternen, denn viele osteuropäische Länder müssen einen dramatischen Geburtenrückgang verkraften. So verzeichnet Lettland, wo zu späten Sowjetzeiten noch über 40.000 Kinder pro Jahr, 2001 aber nur noch 20.000 geboren wurden, mittlerweile die niedrigste Geburtenrate weltweit. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass sich die lettische Bevölkerung bis 2050 um 44% reduzieren könnte. Die politischen, finanziellen und sozialen Folgen einer solchen Entwicklung wären verheerend, zumal sie auch andere Beitrittsländer betreffen. Estland wird ein Rückgang um 52%, prognostiziert, Polen muss mit 15% rechnen, weil jede Frau heute durchschnittlich weniger als 1,5 Kinder zur Welt bringt, während es Mitte der 80er Jahre noch 2,5 waren. In den 70er Jahren lag die Fertilitätsrate in den östlichen Ländern teilweise sogar weit über der in Westeuropa.

      Das Berlin Institut für Weltbevölkerung und globale Entwicklung ist zu dem Schluss gekommen, dass die damalige Situation mit dem "planwirtschaftlichen politischen System" zusammenhing:

      --------------------------------------------------------------------------------

      Einerseits waren dort Familiengründung und Familiengröße entscheidend für die Wohnungszuteilung, andererseits konnten Familie und Beruf in diesen Ländern angesichts einer ausgebauten sozialen Infrastruktur gut miteinander vereinbart werden. Zudem begünstigen die eingegrenzten biographischen Wahlmöglichkeiten in autoritären politischen Systemen in der Regel eine frühere Familiengründung und eine höhere Kinderzahl der Familien.


      Der britische Telegraph zitiert die Ärztin eines Krankenhauses in Riga mit weiteren möglichen Ursachen für den drastischen Geburtenrückgang in ihrer Heimat. Der Schritt vom Kommunismus zur freien Marktwirtschaft habe viele Frauen traumatisiert, die ihren Kinderwunsch auch deshalb plötzlich aufgegeben hätten, weil der Lebensstandard manchmal über Nacht um die Hälfte gesunken sei:



      --------------------------------------------------------------------------------

      Niemand fühlt sich mehr sicher. Unter dem Sowjetsystem wussten die Leute, wo sie standen. Dann haben viele Frauen den Gedanken an Kinder aufgegeben und nun ist es für sie nicht so einfach, ihr Verhalten zu ändern. Abtreibung auf Verlangen ist nicht mehr stigmatisiert und mittlerweile genauso normal wie eine Geburt.


      Für den Rückgang der Bevölkerung ist zum einen die Fertilitätsrate, dann aber auch die stagnierende oder sogar sinkende Lebenserwartung in Osteuropa verantwortlich. Diese begründet das Berlin Institut mit schlechteren ökonomischen Bedingungen für die ältere Bevölkerung, der Rücknahme von Sozialleistungen und dem Abbau der medizinischen Grundversorgung:

      --------------------------------------------------------------------------------

      In den meisten Ländern erreichte die Sterblichkeit nach 1989 / 90 Rekordwerte. Besonders war davon die männliche Bevölkerung betroffen. Arbeitslosigkeit, Verarmung und die Monetarisierung der medizinischen Grundversorgung gingen dabei Hand in Hand mit ungesunder Lebensweise, Alkoholmissbrauch und Verkehrsunfällen.


      Außerdem droht den Beitrittskandidaten die Gefahr eines so genannten "Brain Drain". Eine aktuelle Studie der Europäischen Union geht zwar davon aus, dass die alten EU-Länder ab Mai nicht mit einer unkontrollierten Einwanderungsbewegung rechnen müssen. Margot Wallström, EU-Kommissarin für die Bereiche Soziales und Beschäftigung, vermutet aber:

      --------------------------------------------------------------------------------

      Aus den neuen Mitgliedstaaten wird ein dringend benötigter Input an hochqualifizierten Arbeitskräften kommen, die aktiv zur Entwicklung der europäischen Wirtschaft beitragen.


      Den neuen Ländern könnten also gerade die jungen und hoch qualifizierten Mitbürger verloren gehen. Nach EU-Schätzungen sind zwei bis drei Prozent der 15-24 Jährigen bereit, in die bisherigen Mitgliedsstaaten auszuwandern. Bei über 30% handelt es sich um Studentinnen und Studenten. Trotzdem haben die verantwortlichen Politiker die Hoffnung auf eine Kehrtwende noch nicht aufgegeben. Lettlands Außenministerin Sandra Kalniete verriet dem "Telegraph":

      --------------------------------------------------------------------------------

      Es ist ein trauriges Schauspiel. Wir haben bereits im Zweiten Weltkrieg im Durchschnitt mehr Menschen verloren als jedes andere Land. Aber es ist noch nicht zu spät, wenn Frauen jetzt anfangen, mit über 30 noch Kinder zu bekommen. Ich habe eine ganze Menge Freunde, die darüber nachdenken.





      Kalniete setzt ihre Hoffnungen vor allem auf die florierende Wirtschaft, die mit Wachstumsraten von 7% das verloren gegangene Vertrauen zurückerobern soll.

      Leider gibt es keinen wissenschaftlich begründbaren Zusammenhang zwischen Wohlstand auf der einen und steigender Geburtenrate auf der anderen Seite. Spanien ist beispielsweise seit 18 Jahren Mitglied der Europäischen Union und konnte seine wirtschaftliche Situation in kleinen, aber erkennbaren Schritten verbessern.(dank der EU Gelder) Trotzdem weist das einst so kinderreiche Land heute die niedrigste Geburtenrate in der Europäischen Union auf.

      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/16958/1.html
      Avatar
      schrieb am 17.03.04 18:10:44
      Beitrag Nr. 1.513 ()
      Wofür steht der nächste deutsche Bundespräsident?von Karl Müller, Deutschland

      Ende Mai wird der nächste deutsche Bundespräsident von der Bundesversammlung gewählt. Dort sind alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages stimmberechtigt sowie die gleiche Anzahl von Personen, die durch die Länderparlamente benannt werden. Bei den kommenden Wahlen haben CDU, CSU und F.D.P. eine Mehrheit in der Bundesversammlung.

      Der Bundespräsident hat laut deutschem Grundgesetz fast keine politische Macht. Zuständig ist er für die völkerrechtliche Vertretung des Bundes, die Ernennung und Entlassung der Bundesrichter, Bundesbeamten, Offiziere und Unteroffiziere, für Einzelfälle des Begnadigungsrechts. Er schlägt nach den Bundestagswahlen einen Kandidaten für die Bundeskanzlerwahl vor, ernennt und entlässt auf Vorschlag des Bundeskanzlers die Bundesminister, unterzeichnet die Bundesgesetze und kann auf Vorschlag des Bundeskanzlers nach einer gescheiterten Vertrauensabstimmung im Bundestag diesen auflösen.

      Nach den Erfahrungen mit einem politisch mächtigen Reichspräsidenten in der Weimarer Republik wurde das Amt des Bundespräsidenten bewusst als «Amt ohne Macht» geschaffen. Der Bundespräsident gilt vor allem als Repräsentant Deutschlands im Ausland und kann im Inland Denkanstösse geben. Nichtsdestoweniger haben die Parteien und deren Spitzenpolitiker immer grossen Wert darauf gelegt, das Amt des Bundespräsidenten so zu besetzen, dass sie hieraus politischen Vorteil ziehen konnten, zum Beispiel in Form eines Signals für einen Regierungswechsel.

      Die Kandidaten
      Die Diskussionen um die Kandidatenkür von CDU, CSU und F.D.P. haben in den vergangenen Wochen und Monaten eine besondere Medienaufmerksamkeit erfahren und sind von vielen als unwürdig kritisiert worden. Seit etwas mehr als einer Woche haben sich die Parteien auf zwei Kandidaten festgelegt: CDU, CSU und F.D.P. auf den bisherigen geschäftsführenden Direktor des Internationalen Währungsfonds, Horst Köhler, die SPD auf die Präsidentin der Universität Frankfurt an der Oder, Gesine Schwan. Zu erwarten ist, dass über beide Kandidaten in den kommenden Wochen Wahlkampf zwischen CDU, CSU und F.D.P. auf der einen und SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf der anderen Seite geführt werden wird. Dabei werden die Medien sehr aufmerksam die Äusserungen beider Kandidaten beobachten und vor allem an der Person des aussichtsreicheren Horst Köhler politische Zielrichtungen festzumachen versuchen.

      Köhler soll für Merkels Kurs stehen
      In seiner letzten Ausgabe vom 8. März hat Der Spiegel mit seinen Titelgeschichten vorgeführt, worum es dabei geht: allgemeine Aussagen über die künftige deutsche Politik und über die Ziele deutscher Politiker zu machen. So berichtete das Nachrichtenmagazin ausführlich über das Verfahren der Kandidatenkür und insbesondere die Ziele der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel. Ihr wird zugeschrieben, die Durchsetzung des Kandidaten Köhler stehe für einen geplanten grundlegenden Politikwandel der C-Parteien: «weg von der Sozialstaatspartei, hin zur Reformtruppe». Merkel wünsche sich das Land «dynamischer, wettbewerbsfähiger, auch aggressiver». Merkel schwebe «nichts weniger vor als ein kompletter Umbau des Wohlfahrtsstaates». Schon auf dem CDU-Parteitag in Leipzig habe sie die Partei «auf ein Reformprogramm, dessen Tragweite viele Delegierte gar nicht überblicken», verpflichtet. Danach soll jeder Bundesbürger künftig «eine einheitliche Gesundheitsprämie zahlen», die Durchschnittsrente «soll auf absehbare Zeit bis dicht an das Sozialhilfeniveau sinken», die Pflegeversicherung würde «auf Kapitaldeckung umgestellt», die «Tarifautonomie faktisch aufgebrochen, der Kündigungsschutz weitgehend gelockert». Ein Bundespräsident Köhler soll der «Sendbote einer neuen Ära» sein.

      Soll Köhler der «Vermittler» sein?
      Köhler selbst scheint in das Programm zu passen. Die Agenda 2010 von Bundeskanzlers Schröder geht ihm «nicht weit genug», für Deutschland hat er als IWF-Chef «nachhaltige Reformen des Arbeits-, Sozial- und Steuersystems» angemahnt. Zentrale Lohnabschlüsse sind für ihn mehr und mehr «Arbeitsplatzvernichter», ein Grundproblem der Europäer sei «ihr anhaltend ambivalentes Verhältnis zum technischen Fortschritt».

      In einem Interview mit dem ZDF (10. März) forderte er, «dass die Deutschen die tiefgreifenden Problem anpacken und nicht zu kurz springen». Allerdings habe Köhler «nicht nur Politik für die Starken gemacht» (Der Spiegel), sondern auch Mahnungen an die reichen Länder im Westen gerichtet. Sie sollen ihre Märkte für die Waren der Entwicklungsländer öffnen, und den ärmsten Ländern sollen die Schulden erlassen werden - was aber der Globalisierungstheorie nicht widerspricht. Für einen grundlegenden Unterschied zur Politik der Bundesregierung steht Köhler auch nicht. In einem Interview mit der Zeitung «Bild» (10. März) warf Köhler der Politik lediglich vor, den Bürgern die notwendigen Reformen nicht ausreichend vermittelt zu haben. Man habe den Menschen bislang nicht erklärt, warum sie sparen müssten. Offensichtlich soll und will Köhler diese «Vermittlungsaufgabe» übernehmen.

      Wo bleiben Solidarität und Einfühlungsvermögen?
      Die Gegenkandidatin Gesine Schwan hat sich in einem Interview mit der «Frankfurter Rundschau» (9. März) dazu bekannt, bis heute entschiedene Gegnerin des Kommunismus zu sein und sich deshalb früher, als er noch Jungsozialist war, auch mit Gerhard Schröder angelegt zu haben. Schwan kritisiert insbesondere die zweiten Phase sozialdemokratischer Ostpolitik: «Unter dem Einfluss insbesondere von Egon Bahr wurde die kritische Distanz zum Kommunismus immer weniger wichtig. Da wurde - von Willy Brandt - dem alten SPD-Parteiratsbeschluss von 1971 etwas hinzugefügt, was ich falsch finde: dass es gut sei, dass der ideologische Gegensatz einem Dornröschenschlaf anheimgefallen sei. Ich war dagegen, dass man das Wort Freiheit nicht mehr in den Mund nehmen durfte, wenn man von Frieden sprach. Ich fand es dreist, dass Brandt damit auch den Oppositionellen in Polen und Tschechien Vorwürfe gemacht hat, weil sie Opposition betrieben.»

      Im selben Interview wird Schwan auch danach gefragt, was ihrer Meinung nach in Deutschland am meisten fehlt. Sie antwortet: «Es fehlt eine Grundsolidarität in der Gesellschaft. Zwischen Ost und West, aber auch zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen. Es gibt kein zureichendes gegenseitiges Einfühlungsvermögen in die Situation der anderen.»

      Die Mitglieder der Bundesversammlung sind bei ihrer Abstimmung an keinerlei Aufträge und Weisungen gebunden. Jeder, der abstimmt, trägt die persönliche Verantwortung für seine Stimmabgabe und ist gehalten, demjenigen Kandidaten seine Stimme zu geben, der das deutsche Volk und die Anliegen der Menschen in Deutschland am besten repräsentiert.



      Artikel 2: Zeit-Fragen Nr.10 vom 15.3.2004, letzte Änderung am 16.3.2004
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      http://www.zeit-fragen.ch/
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      schrieb am 17.03.04 18:50:31
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      schrieb am 17.03.04 23:15:47
      Beitrag Nr. 1.515 ()
      Titel
      jW-Bericht

      Super-GAU für Halle

      Schienenfahrzeughersteller Bombardier schließt Waggonbau Ammendorf


      Absahnen, ausweiden, schließen – »Globalisierung« konkret: Der kanadische Bahn- und Luftfahrtkonzern Bombardier will weltweit 6 600 (von 35 600) Stellen streichen und sieben Werke in Europa schließen. In Deutschland soll der Waggonbau im ostdeutschen Halle-Ammendorf mit rund 800 Beschäftigten Ende 2005 dichtgemacht werden. Zu DDR-Zeiten arbeiteten in dem Großbetrieb bis zu 4 700 Menschen. Im November 2001 hatte Bombardier schon einmal die Schließung des Werks angekündigt. Durch persönliche Intervention von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) war sie abgewendet worden. Am 28. Januar 2002 – drei Monate vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt – ließ sich Schröder von der Belegschaft feiern und verkündete, die Existenz des Waggonbaus sei »mittelfristig gesichert«.

      Das Unternehmen ist der letzte verbliebene industrielle Großbetrieb in Halle, dessen Einwohnerzahl im Verlauf der letzten 14 Jahre von 316 000 (nach der Zusammenlegung mit Halle-Neustadt im Mai 1990) auf jetzt 238 000 gesunken ist. Als Bombardier vor zweieinhalb Jahren die Schließung ankündigte, war vom »industriellen Super-GAU« einer ganzen Region die Rede. 500 kleinere Firmen sind auf das Werk angewiesen. Zwischen 1948 und 1989 versorgte das Werk fast alle sozialistischen Länder mit rund 35 000 Waggons für Fernreisezüge. Nach 1990 investierte die Deutsche Waggonbau AG (DWA), zu der das Werk gehörte, mehr als 200 Millionen D-Mark in den Standort, darunter 31 Millionen D-Mark öffentlicher Zuschüsse. Die Rede war vom »modernsten Werk der Branche in Europa«. In Halle wurden Waggons u. a. für den ICE 2, für den ICE mit Neigetechnik und für die Berliner S-Bahn produziert. Gegen den Widerstand der Belegschaft rollte dennoch eine Entlassungswelle nach der anderen über das Werk. Als Bombardier 1998 die DWA schluckte, gab es nur kurze Zeit neue Hoffnung. Am Mittwoch bestätigte Bombardier, es sei beabsichtigt, das Werk innerhalb der nächsten 20 Monate zu schließen.

      Die Mitteldeutsche Zeitung (MZ) aus Halle hatte vorab berichtet, das Bombardier-Management wolle sein Vorgehen damit rechtfertigen, daß die Landesregierung von Sachsen-Anhalt eine Mitschuld an dieser Entscheidung trage. Magdeburg habe das Nordharz-Eisenbahnnetz an den Betreiber Connex und nicht an die Bahn AG als potentiellen Bombardier-Kunden vergeben. Halles Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler wurde von der MZ mit den Worten zitiert: »Ich bin fassungslos.« Die SPD-Politikerin kündigte an, sich dafür einzusetzen, daß Auffanglösungen für die betroffenen Waggonbauer gefunden werden und daß neue Investoren »möglichst viele Jobs retten«.

      Gegenüber jW erklärte der 1. Bevollmächtigte der IG Metall in Halle Günter Meißner: »Wir werden den Kampf erneut aufnehmen, eine Schließung kampflos hinzunehmen, das ist mit der Ammendorfer Belegschaft nicht zu machen.« Er gab der Landesregierung eine Mitschuld für die Situation des Betriebes. Sie stehe nicht hinter dem Standort. Die Entscheidung für Connex bei der Vergabe des regionalen Netzes im Nordharz habe Ammendorf den Boden unter den Füßen weggezogen. Betriebsrat und IG Metall warfen dem Konzern zugleich mit Hinweis auf die unter Mithilfe von Schröder zustande gekommene Vereinbarung von 2002 Wortbruch vor. Danach sollten bis 2006 in Ammendorf 600 Arbeitsplätze erhalten werden.

      Unter wütendem Protest der Belegschaft erklärte Bomardier-Manager Wolfgang Tölsner am Mittwoch auf einer Betriebsversammlung, von den derzeit 745 Arbeitsplätzen würden bis Ende des Jahres 641 abgebaut. Bis zum dritten Quartal 2005 werde der gesamte Standort geräumt. Lediglich das Ausbildungszentrum mit 135 Lehrlingen bleibe erhalten. Die Hoffnung auf die Marktkräfte, besonders das Investitionsprogramm der Deutschen Bahn, hätten sich nicht erfüllt.

      Sachsen-Anhalts IG-Metall-Chef Hartmut Meine kritisierte die Entscheidung als verantwortungslos. Bombardier betreibe eine rücksichtslose Standortpolitik. Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) äußerte: »Die Landesregierung wird sich zunächst um eine Auffanglösung bemühen und versuchen, eine Anschlußlösung zu finden«. Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) erklärte, mit Ammendorf würde einer der produktivsten deutschen Standorte des Unternehmens geschlossen. In der kommenden Woche sei ein Gespräch mit Konzernvertretern geplant. Die Bundesregierung bot an, bei der Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen helfen zu wollen.

      Bei den anderen europäischen Bombardier-Werken, die geschlossen werden, handelt es sich um Pratteln in der Schweiz, Kalmar in Schweden, Doncaster, Derby Pride Park und Wakefield in Großbritannien sowie Amadora in Portugal.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-18/001.php
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      schrieb am 17.03.04 23:17:42
      Beitrag Nr. 1.516 ()
      Kommentar
      Rainer Balcerowiak

      Von wegen Krise

      Milliardengewinne für deutsche Großkonzerne


      Während die Spitzenverbände des deutschen Kapitals, aktuell verstärkt durch den designierten neuen Bundespräsidenten Horst Köhler, nicht müde werden, weitere tiefe Einschnitte in die soziale Daseinsvorsorge und forcierte Umverteilungsschritte zugunsten der Wirtschaft zu fordern, sonnen sich die Lokomotiven des Exportweltmeisters Deutschland im Glanz ihrer Geschäftsergebnisse und beglücken ihre Aktionäre mit deftigen Dividensteigerungen. Mit BASF und BMW legten am Mittwoch gleich zwei DAX-Schwergewichte ihre aktuellen Bilanzzahlen vor. Der Chemieriese konnte im »Krisenjahr« 2003 Umsatz und Gewinn um 3,6 bzw 3,9 Prozent steigern und will diese Margen im laufenden Jahr sogar noch deutlich steigern.

      Auch der Autobauer BMW setzt zu neuen Höhenflügen an. Trotz schwacher Binnenkonjunktur und Dollarschwäche wurde 2003 ein Gewinn von 1,9 Milliarden erzielt. Da weitere gewinnschmälernde »Einmaleffekte« wie die Investitionen in neue Produktreihen im laufenden Jahr wegfallen, strebt der Konzern für 2004 nach eigenem Bekunden einen historischen Rekordgewinn an.

      Die maßgeblich durch Massenarbeitslosigkeit und Sozialkürzungen geschwächte Massenkaufkraft im Inland stellt für derartige Großkonzerne längst kein allzu gravierendes Problem mehr da. So verkaufte BMW im vergangenen Jahr erstmals mehr Autos in den USA als in Deutschland und stützt seine Wachstumsprognosen, wie auch BASF, auf die boomenden asiatischen Märkte und dabei besonders China. Zudem bleiben die exorbitanten Gewinne von Steuern weitgehend unbehelligt. Dafür sorgt sowohl ein ausgeklügelten Geflecht von Tochtergesellschaften und Joint-ventures in Niedrigsteuerländern wie auch das hiesige Unternehmenssteuerrecht, das es auch hochprofitablen Großkonzernen einfach macht, sich mittels allerlei Abschreibungen und Verlustvorträgen arm zu rechnen.

      In den kommenden Tagen und Wochen ist mit weiteren Erfolgsmeldungen deutscher Großkonzerne zu rechnen, unter anderem wird von der Allianz AG ein Ergebnis von über zwei Milliarden Euro erwartet. Derartige Superprofite und Massenarbeitslosigkeit sowie wachsende öffentliche und private Armut sind eben keine Gegensätze, sondern einfach die zwei sich bedingenden Seiten des kapitalistischen Wirtschaftssystems.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-18/003.php
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      schrieb am 17.03.04 23:25:29
      Beitrag Nr. 1.517 ()
      Interview
      Interview: Ralf Wurzbacher

      »Gesundheitsreform« auf Abwegen: Sanfte Medizin aus eigener Tasche?

      jW sprach mit Christoph Kranich, Leiter der Fachabteilung Gesundheitsdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Hamburg e.V.


      F: Die Verbraucherzentrale Hamburg hat Anfang dieser Woche gefordert, daß Medikamente der sogenannten Besonderen Therapierichtungen weiterhin zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden sollen. Inzwischen hat der Gemeinsame Bundesausschuß (GemBA), ein Gremium aus Vertretern der Krankenkassen- und Ärzteverbände, eine Liste von nichtverschreibungspflichtigen Arzneimitteln verabschiedet, die auch in Zukunft von den Kassen erstattet werden sollen. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

      Unserer Forderung ist zumindest in Teilen entsprochen worden. Uns ging es darum zu verhindern, daß Patienten, die sich der alternativen, nebenwirkungsarmen und kostengünstigeren Medizin verschrieben haben, durch die Gesundheitsreform unverhältnismäßig belastet werden.

      F: Vollauf zufrieden sind Sie aber nicht?

      Patienten, die auf Naturheilkunde setzen, erhalten durchschnittlich weniger verschreibungspflichtige Medikamente als jene, die sich mit Methoden der sogenannten Schulmedizin behandeln lassen. Die Verschreibungspflicht dient ja nicht zuletzt dem Schutz des Verbrauchers. Die Naturheilkunde dagegen hat in der Regel weniger Nebenwirkungen, deshalb sind ihre Medikamente seltener verschreibungspflichtig. Folglich sind natürlich Patienten, die sich »sanfte Medizin« verschreiben lassen, stärker von der Neuregelung betroffen, wonach nichtverschreibungspflichtige Medikamente nur noch in Ausnahmefällen erstattungsfähig sind.

      F: Besteht nicht die Gefahr eines weiteren Kostenanstiegs im Gesundheitswesen, wenn Patienten und ihre Ärzte künftig wieder verstärkt auf verschreibungspflichtige Medikamente zurückgreifen, da nur diese ausnahmslos erstattet werden?

      Natürlich. Die verschreibungspflichtigen Medikamente sind überwiegend Präparate der Schulmedizin und nur sehr selten Naturheilmittel. Im Jahr 2000 wurden 41 Milliarden DM für verschreibungspflichtige und nur sechs Milliarden DM für verschreibungsfreie Medikamente ausgegeben. Das Einsparpotential bei den Verschreibungspflichtigen ist ganz gewiß größer als bei den Verschreibungsfreien.

      Dabei denke ich vor allem an die sogenannten Scheininnovationen. Die Pharmaindustrie bringt neue Medikamente auf den Markt, die alte ersetzen und viel teurer sind, aber eigentlich keinen größeren therapeutischen Nutzen haben.

      F: Ihre grundsätzliche Kritik, daß die Gesundheitsreform vor allem zu Lasten von chronisch Kranken und Geringverdienern geht, bleibt aber trotz der leichten Korrekturen bestehen.

      Ja. Zwar sind jetzt ein paar Erleichterungen beschlossen worden, etwa daß Krebskranken die Misteltherapie weiterhin erstattet wird. Aber für Kranke, die nicht unter den Ausnahmenkatalog fallen, hat sich nichts geändert. Und die anderen Härten für Arme und Schwerkranke bleiben ebenfalls bestehen: Zuzahlungen, Praxisgebühr, Fahrtkosten und so weiter.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-18/015.php
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      schrieb am 18.03.04 18:08:21
      Beitrag Nr. 1.518 ()
      Deutschland

      Land der 100.000 Insolvenzen

      Die Zahl der Insolvenzen ist im vergangenen Jahr drastisch gestiegen. Besonders betroffen: die Verbraucher.




      Die Zahl der Pleiten in Deutschland hat im vergangenen Jahr erstmals die Marke von 100.000 überschritten. In Deutschland kam es zu 100.723 Insolvenzfällen. Davon entfielen 39.320 auf Unternehmen und 61.403 auf Privatschuldner.

      Damit habe die Gesamtzahl der Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr um 19 Prozent zugenommen, teilte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Johann Hahlen mit. Die Unternehmensinsolvenzen stiegen um 4,6 Prozent und der Insolvenzen der übrigen Schuldner um 31%.

      Die Insolvenzen der übrigen Schuldner verteilen sich auf 33.609 Verbraucher (+57 Prozent), 25.401 ehemals selbstständig Tätige und Gesellschafter (+10 Prozent) sowie 2.393 Nachlassinsolvenzen (+1,1 Prozent).

      Bei den Unternehmensinsolvenzen schwächte sich der Anstieg in der zweiten Jahreshälfte 2003 auf 0,4 Prozent ab, während es im ersten Halbjahr 2003 noch 9,1 Prozent mehr Insolvenzfälle als im entsprechenden Vorjahreszeitraum gab.

      In Westdeutschland nahmen im Jahr 2003 die Insolvenzen um 22 Prozent zu, in Ostdeutschland um 7,5 Prozent. Dabei erhöhte sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen nur in den alten Ländern (+ 11 Prozent), während sie in den neuen Ländern gegenüber 2002 um 14 Prozent abgenommen hat.

      (sueddeutsche.de)
      Avatar
      schrieb am 18.03.04 22:31:31
      Beitrag Nr. 1.519 ()
      Thema
      Karl Heinz Roth

      Umbruch in Deutschland

      Der Sozialkahlschlag: Perspektiven von oben – Gegenperspektiven von unten (Teil I)


      * Zeitgleich mit dem ak veröffentlicht junge Welt in der heutigen und morgigen Ausgabe eine Rede von Karl Heinz Roth, die der Bremer Sozialhistoriker auf der Aktionskonferenz des Bremer Bündnisses gegen Sozialkahlschlag am 20. Februar gehalten hat. Wir unterbreiten sie als Auftakt einer Debatte über Kapitaloffensive und Gegenstrategien.


      Seit der berüchtigten »Agenda 2010« der SPD-Grünen-Regierung wird auch in Deutschland der Sozialstaat unwiderruflich geschleift. In allen seinen Funktionsbereichen findet eine pausenlos zugreifende und arbeitsteilig abgestimmte Demontage statt. Der Sozialkahlschlag konzentriert sich auf die Arbeitsmärkte, das Gesundheitswesen, den Bildungssektor, die Altersrenten und die Migrationspolitik.


      Neue Verelendung

      Durch die sogenannten Hartz-Reformen (Deregulierungspaket I – IV der Hartz-Kommission der Bundesregierung) ist auf den Arbeitsmärkten ein qualitativer Sprung eingeleitet worden, der weitreichende Folgen haben wird. Die auf abhängige Erwerbsarbeit Angewiesenen werden weitgehend entrechtet. Die Sozialfonds für Erwerblose werden auf ein Minimum zusammengestrichen. Der Bezug der bisherigen Arbeitslosenhilfe wird auf das Niveau der Sozialhilfe zurückgeführt und mit dieser gleichgesetzt. So nimmt das seit längerem verfolgte Projekt der Arbeitserzwingung konkrete Gestalt an. Das Ergebnis ist die massive Ausweitung des Sektors ungeschützter Arbeitsverhältnisse, die schon jetzt mehr als die Hälfte des gesamten Arbeitsvolumens ausmachen, und die endgültige Abkehr vom Modell der »Kernbelegschaften«. Auch in Deutschland hält die Arbeitsarmut Einzug. Auf die weitgehende Auflösung der Sozialfonds für Erwerbslose folgt die breite Einführung eines Niedriglohnsektors.

      Das Gesundheitswesen wird auf allen Strukturebenen um ein Drittel demontiert und zugleich verteuert. Die Kranken sind seit Jahresbeginn mit weiteren Gebührensteigerungen konfrontiert, die auf mehreren Ebenen greifen. Auf diese Weise wird in allen Strukturbereichen die Privatisierung vorangetrieben. Die Versicherungs- und Pharmakonzerne übernehmen die Regie und unterwerfen das Gut Gesundheit einer an der Rendite orientierten Rationierung.

      Auch im Bildungssektor werden drastische Abbaumaßnahmen vorangetrieben. Parallel dazu werden vor allem finanziell greifende Zugangshürden errichtet. Die pluralistisch-demokratischen Strukturreste in Ausbildung und Forschung sind Makulatur geworden und werden auch hier von den Berufsschulen bis zu den Universitäten einer rasch um sich greifenden Privatisierungsoffensive geopfert. Unter dem zunehmenden Anpassungs- und Selektionsdruck wächst die Bereitschaft vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ihre Denk- und Forschungsstrukturen der Scheinlogik der Märkte zu unterwerfen. Die Gefahr wächst, daß die in Jahrhunderten gewachsenen Fähigkeiten zur kritischen Systemreflexion über die Geschichte und Perspektiven der Gesellschaft beseitigt werden.

      Inzwischen werden auch die Bezieher von Altersrenten in den Strudel der Sozialdemontage hineingezogen. Durch hinterhältige Eingriffe in die Leistungskataloge werden die Anwartschaftszeiten fortschreitend verlängert, die Anrechnungszeiten für die Berufsausbildung vollends gestrichen und die Zahlungen schrittweise auf unter 50 Prozent des vorher erzielten Arbeitseinkommens gedrückt. Auch aus diesem besonders sensiblen Kernbereich verabschiedet sich der Sozialstaat und öffnet dem Versicherungskapital durch die Liquidierung des Generationenvertrags und des Umlageverfahrens das Tor für den Zugriff auf die Ersparnisse der kleinen Leute.

      Im Gegensatz zu diesen dramatischen Angriffen auf die soziale Sicherheit der Masse der Durchschnittsbevölkerung war die Marginalisierung der Migrantinnen und Migranten schon im Verlauf der letzten fünfzehn Jahre vorangetrieben worden. Die Gesellschaft hat sich an den Skandal der Heimunterbringung, der Aufenthaltsbeschränkungen und der Abschiebeknäste für Flüchtlinge gewöhnt. Bekanntlich wird aber an den Minderheiten nur durchexerziert, was letztlich allen bevorsteht, und deshalb wird sich die Hinnahme dieser brutalen Ausgrenzungsmaßnahmen noch bitter rächen. Es ist jedenfalls ein bedrohliches Zeichen, daß selbst die Einführung beschränkter Immigrationsregulierungen unterbleibt.

      Wenn wir diese Veränderungen in ihrem Zusammenwirken reflektieren, dann fällt die Zwischenbilanz bitter aus. Der Bruch mit dem sozialen Sicherungssystem findet jetzt auch zwischen Rhein und Oder statt, und dabei ist es kein Trost, daß der Sozialkahlschlag trotz seiner Vorentwicklungen seit den 1980er Jahren vergleichsweise spät zu greifen beginnt. Er hat bei der Masse der Löhne und Sozialeinkommen beziehenden Bevölkerung genauso wie bei den durch den Umbau des Bildungswesens betroffenen Jugendlichen eine tiefgreifende Desillusionierung und Verunsicherung ausgelöst, und es ist zum ersten Mal wieder zu breiteren Protestaktionen gekommen. Es ist dringlich geworden, sich über die wahrscheinlichen Folgen dieses sozialen Umbruchs Klarheit zu verschaffen.

      Die aktuelle arbeits- und sozialpolitische Entwicklung kann indessen erst in ihren internationalen Zusammenhängen richtig verstanden werden.


      Globaler Kontext

      In Deutschland wird gegenwärtig im Eiltempo nachgeholt, was in den 1980er Jahren in den USA und Großbritannien unter Reagan und Thatcher begonnen hatte und in den 1990er Jahren in Italien, Spanien, Frankreich und der Schweiz sowie in den meisten Schwellen- und Transformationsländern des kapitalistischen Weltsystems ausdifferenziert worden war. Dabei sind in der Taktik des Vorgehens zwar gewisse nationale Differenzierungen zu erkennen, die vor allem durch das unterschiedliche Ausmaß des Widerstands gegen den Sozialabbau bedingt sind. Durch sie werden jedoch die identischen Grundlinien nicht in Frage gestellt. Weltweit ist eine Spirale der sozialpolitischen Demontage in Gang gekommen, die die bisherigen strukturellen Unterschiede zwischen Metropolen, Semiperipherie und Peripherie aus der Perspektive der arbeitenden Armen zunehmend verwischt. Zwar bestehen aufgrund der unterschiedlichen Lebensstandards zu Beginn des sozialen Angriffs auch heute noch erhebliche Unterschiede. Aber für die Obdachlosen und Flüchtlinge ist es nicht mehr so entscheidend, unter welchen Brückenpfeilern und in welchen Asylen sie dahinvegetieren.

      Auch die deutsche Entwicklung ist Teil eines weltweiten Deregulierungskonzepts des Kapitals und seiner internationalen Institutionen, das nicht neoliberal, sondern neokonservativ und zutiefst reaktionär ist. Seit den 1980er Jahren erobern die Kapital- und Finanzgruppen die sozialstaatlichen Schalthebel. Sie verkehren die bisherige Richtung der Umverteilungsmechanismen zur Existenzsicherung der Schwachen in ihr Gegenteil. Gleichzeitig erzwingen sie in einem alle Nationalstaaten erfassenden Dominoeffekt eine massive Senkung der Steuereinnahmen. Während die Budgets für die Sozialeinkommen der Armen gedrosselt werden, werden die Etatposten für den Ausbau des Repressionsapparats – Polizei-, Gefängniswesen und Psychiatrie – erhöht. Die sozial ausgleichende »linke Hand« der Staaten verkümmert zunehmend, und die Vordenker und Akteure des neokonservativen Umbaus betonen die Notwendigkeit einer »starken Rechten«, um die sozialen Desintegrationsfolgen ihres Vorgehens vorbeugend unter Kontrolle zu bringen. Wer sich mit dem Elendsdasein eines arbeitenden Armen nicht abfinden will und in die kriminalisierten Sektoren der Schattenwirtschaft ausweicht, soll die Schlagkraft des abstrafenden Repressionsstaats zu spüren bekommen.

      Dieser Umbau war und ist nur möglich, weil sich die in den parlamentarischen Repräsentationssystemen verankerten politischen Klassen aller Lager den Strategien und Verheißungen des neokonservativen Zugriffs unterworfen haben. Da sie sich selbst jedoch bei der Verabschiedung ihrer sozialpolitischen Gesetzes- und Verordnungspakete von den nachteiligen und existentiell verunsichernden Folgen ausnehmen, ist ihr Kotau mit folgenreichen kollektiven Korruptionserscheinungen verbunden. Die kollektive Selbstbevorteilung macht die politischen Klassen weithin sichtbar und löst bei denjenigen, die unter der von ihnen dekretierten sozialen Ungerechtigkeit zu leiden haben, Ressentiments und Haßgefühle aus. Dies führt mittelfristig zu einer Demontage der repräsentativ-demokratischen Systeme von innen heraus und kann gefährliche Folgen haben. Unter diesen Vorzeichen erleben wir nun auch in Deutschland – fünfzehn Jahre nach Frankreich und zehn Jahre nach Italien – die Selbstzerstörung der Sozialdemokratie aller Varianten, wobei sich auch die PDS durch ihre Beteiligung an der Berliner Stadtregierung und deren Kapitulation vor den aus dem Kalten Krieg überkommenen Finanzspekulanten selbst das Grab geschaufelt hat. Aber auch in solchen Ländern, in denen wir es mit unbezweifelbar integren politischen Führungen zu tun haben, wie beispielsweise in Brasilien, scheint es keine Handlungsräume für wirksame Gegeninitiativen mehr zu geben.


      Imperialistisches Netzwerk

      Die inneren Umwälzungen finden unter nicht weniger dramatischen äußeren Rahmenbedingungen statt. Sie sind in die Formierung eines neuen kollektiven Imperialismus eingebettet, der die Weltinstitutionen an die militärische Weltherrschaft der USA anpaßt und sich in den strategischen Krisenzonen des Weltsystems mit Methoden festsetzt, die an den klassischen Kolonialismus erinnern. Trotz aller Rivalitäten unter den Großmächten scheint ein neues Netzwerk imperialistischer Herrschaft zu entstehen, das innere Gegensätze ständig ausgleicht und die gemeinsame Kontrolle über die strategischen Ressourcen sowie die Stagnations- und Depressionsgebiete des Weltsystems durchsetzt. Auch die Frage, in welchen Regionen als bedrohlich geltende Blockaden gegen die Ausweitung der Wertschöpfung gewaltsam beseitigt werden sollen, scheint trotz des jüngsten Alleingangs der angelsächsischen Kriegskoalition gegen den Irak letztlich kollektiv entschieden zu werden – im Rahmen »ultra-imperialistischer« Abstimmungsverfahren, wie sie Karl Kautsky ausgerechnet 1915/16, auf dem Höhepunkt eines zerstörerischen Hegemonialkampfs der Großmächte, vorausgesehen hatte.


      Ziele und Folgen

      Welche Ziele verfolgt das neokonservative Projekt und welche Folgen wird die Zerstörung des bisherigen sozialstaatlichen Klassenkompromisses haben?

      Der innere Sozialkahlschlag und die veränderten äußeren Weichenstellungen zur Regulierung des kapitalistischen Weltsystems sind zweifellos zwei Seiten einer Medaille. Auf der Grundlage weltweit verschärfter und zugleich kollektiv-gewalttätig abgesicherter Ausbeutungsverhältnisse soll ein neues Akkumulationsregime durchgesetzt werden. Es unterscheidet sich vom voraufgegangenen Zyklus vor allem dadurch, daß es die Vollbeschäftigungsmaxime und das Massenkonsumversprechen des keynesianisch-fordistischen Zeitalters durch ein System der strategischen Unterbeschäftigung ersetzt. Weltweit soll zu Spottpreisen eine wirtschaftliche Reservearmee verfügbar gemacht werden, und weltweit werden die sich vergrößernden unverwertbaren Segmente der Massenarmut auf neue Weise ausgegrenzt und eingefriedet. Die postkoloniale Bewegungsfreiheit der transkontinentalen Massenmigrationen wird wieder aufgehoben. Die von den Migrantinnen und Migranten erkämpfte Freizügigkeit stößt inzwischen überall auf der Welt auf elektronische Grenzzäune und auf weithin sichtbare Mauern. Diese Monumente einer neuen Ausschließungskultur demonstrieren auf drastische Weise, daß die Annahme, die ungezügelte Mobilität des Kapitalverkehrs würde auch eine »neoliberale« Freizügigkeit der Menschen hervorbringen, eine Illusion war. Nicht nur in dieser Hinsicht hat sich der sogenannte Neo-Liberalismus als kompromißlos menschenfeindlicher Neo-Konservatismus entlarvt, der immer unverhüllter auf autoritäre Herrschaftsmechanismen zurückgreift.

      Zusätzlich soll dieses neu dimensionierte äußere Wachstumsmodell langfristig durch eine innere Expansionsdynamik gesichert werden. Durch diesen Weg in das Innere der Gesellschaften unterscheidet sich das gegenwärtige Akkumulationsregime am weitesten von seinen Vorläufern. Denn seine Planer und Vordenker sind sich der Tatsache bewußt, daß die letzten noch verbliebenen äußeren Wachstumsquellen – vor allem die Rekonstruktionszone in Ostmitteleuropa und der gigantische late comer China – in zehn bis fünfzehn Jahren erschöpft sein werden. Dann hat das kapitalistische Weltsystem endgültig einen Zustand erreicht, in dem es sich die lebenden und toten Schätze dieser Erde restlos einverleibt hat. Es ist an seine äußeren Grenzen gestoßen, und damit entfällt eine der entscheidenden Voraussetzungen seiner geschichtlichen Dynamik. Da aber der Expansionsdruck einer »endlosen Kapitalakkumulation« (Immanuel Wallerstein) das Wesen des Weltsystems ausmacht, wäre es zum Untergang verurteilt, wenn ihm der Umschlag zu einer nach innen zurückschlagenden Dynamik nicht gelingen sollte. Hier sehe ich die entscheidende Ursache für die gnadenlose Härte, mit der die Planungs- und Aktionszentren des Kapitalismus sich gegenwärtig die bisherigen »allgemeinen Produktionsbedingungen« des Wachstums – gesellschaftliche Reproduktionssphären, soziale Sicherungssysteme, Infrastrukturen und Bildungswesen – aneignen.


      Hemmungslose Privatisierung

      Nun hat der Kapitalismus auch bei der Strukturierung der nationalstaatlichen »Volkswirtschaften« schon immer eine entscheidende Rolle gespielt. Aber der jetzige Umbruch signalisiert eine neue Qualität des Zugriffs. Im Dienst der inneren Expansion wird die »Agenda 2010« die »Kommodifizierung« der Gesellschaft auf eine qualitativ neue Stufe heben, indem im Dienst der nach innen umschlagenden Kapitalexpansion jetzt allgemeine Alltagsbedürfnisse – Bildung, Gesundheit, Alterssicherung usw. – hemmungslos privatisiert und unter das Diktat der Rendite gestellt werden. Der Kapitalismus weitet seine Kontrolle über den Produktions- und Verteilungssektor auf die Gesellschaft aus und macht sie sich tributpflichtig. Er wandelt sich zu einem Kapitalismus der Gebühren und Dienstleistungsrenditen, die er von Millionen kleiner Einkommensbezieher eintreibt. Ein solches Akkumulationsmodell wäre den Heroen des industriellen Kapitalismus selbst in ihren wildesten Träumen nicht eingefallen.

      Für die Mehrheit der Gesellschaft ist dieser Aufbruch des Kapitals »nach innen« außerordentlich folgenreich. Alle, die ihre Arbeitskraft vermieten müssen, um leben zu können, geraten in allgemein ungesicherte Arbeitsverhältnisse. Als neue Form der »Vollbeschäftigung« entsteht ein breiter Niedriglohnsektor. Um ihr Dasein zu fristen, müssen immer mehr Menschen ihren Arbeitsalltag nacheinander auf drei oder vier miserable Jobs verteilen. Ihre Arbeitszeiten steigen dramatisch, während ihre Einkommen sinken. Sie sind zur Arbeitsarmut bis ans Lebensende verurteilt Wer hätte es vor 20 Jahren für möglich gehalten, daß angesichts der rasanten Produktivkraftentwicklung der Kampf für den Achtstundentag und ein freies Wochenende jemals wieder zu einem Hauptanliegen der Assoziation der Ausgebeuteten werden könnte?

      Als besonders folgenreich werden sich die Eingriffe in das Bildungs- und Wissenschaftssystem erweisen. Es entstehen neue Zugangsbarrieren auf allen Ebenen. Wissenschaftliche Qualifikationen werden sich nur noch die Kinder der einkommensstarken Gewinner des neokonservativen Umbruchs aneignen können. Mit dieser »elitären« Neuorientierung wird die Marginalisierung des selbstkritischen gesellschaftlichen Reflexionsvermögens einhergehen. Je stärker sich diese Tendenz durchsetzt, desto höher wird der Preis sein, den die Gesellschaften für ihren Rückfall in den Obskurantismus vor-aufklärerischer Marktvergötzung und analphabetisierter Ressentiments zu zahlen haben.

      Ein weiterer Schritt zu Dehumanisierung des gesellschaftlichen Lebens wird durch die Beschränkung des Zugangs zu den Ressourcen des Gesundheitswesens eingeleitet. Wer kein ausreichendes Einkommen hat, um den Wechselfällen einer schweren Erkrankung zu begegnen, wird seine gesamten Ersparnisse in die Waagschale werfen oder auf die Errungenschaften der neuen – und kostspieligen – Gesundheitstechnologie verzichten müssen. Auf diese Weise wird eine alte und bittere Parole wieder belebt: Weil du arm bist, mußt du früher sterben.

      So erzeugt der nach innen expandierende Kapitalismus eine neue Massenarmut. War es ihm im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts gelungen, durch das Ingangsetzen der Industrialisierung die »gefährlichen Klassen« der Eigentumslosen in Arbeiterklasse und Subproletariat aufzuspalten, so hat er heute, 200 Jahre später, damit begonnen, den umgekehrten Weg einzuschlagen. Die Arbeitsproduktivität seiner Produktions- und Verteilungssysteme ist heute derart angewachsen, daß zur Erzeugung immer größerer Gütermengen immer weniger lebendige Arbeit benötigt wird. Zugleich ist der Kapitalismus dazu übergegangen, dort zu produzieren, wo die Arbeitskosten weltweit am geringsten sind. Deshalb tritt seine »Globalisierung« zunehmend im Gewand einer Deindustrialisierung der klassischen Akkumulationszentren in Erscheinung, und die von den Propagandisten des Kapitals verhöhnte Marxsche Verelendungstheorie realisiert sich unter umgekehrten Vorzeichen. Die Massenarmut kehrt im Prozeß der Deindustrialisierung in die Metropolen zurück, und dabei scheint auch ihre historische Spaltung in Arbeiterklasse und Subproletariat rückgängig gemacht zu werden. So betreten die »classes dangereuses« wieder die historische Bühne.


      Neues Gulag-System

      Den Denkfabriken des Kapitals ist diese Tendenz nicht verborgen geblieben. Schon in den 1980er Jahren sind die herrschenden Klassen der USA dazu übergegangen, die Massenarmut vorbeugend zu filtern und ihre potentiell gefährlichen Elemente hinter immer höheren Gefängnismauern wegzuschließen. Im neuen Gulag-System der USA sind inzwischen 2,2 Millionen Menschen interniert, und weitere 7,8 Millionen unterliegen der Justizaufsicht, das heißt, sie können bei der geringsten Unangepaßtheit wieder inhaftiert werden. Diesem Trend sind die EU-Länder bislang nur begrenzt gefolgt. In Deutschland und Italien ist statt dessen eine weniger auffällige Technik der Ruhigstellung der Ausgegrenzten und Gestrandeten in Gang gekommen. Sie werden entmündigt, psychiatrisiert und anschließend von den gemeindepsychiatrischen Zentren kontrolliert und medikamentös ruhiggestellt. Ihre Zahl hat sich in den letzten fünf Jahren verdreifacht. Sicher hätten es sich die Väter und Mütter der italienischen und deutschen Psychiatriereform nicht träumen lassen, daß ihre in bester Absicht betriebenen Initiativen zur Auflösung der großen Verwahranstalten und zur Durchsetzung einer humaneren Gemeindepsychiatrie auf derart zynische Weise instrumentalisiert werden könnten.

      Wo man derartig mit der »hausgemacht« entstehenden Massenarmut umgeht, haben die Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten ohnehin keine Chance. In einem weit gesicherten europäischen beziehungsweise zentralamerikanischen Vorfeld – der »Schengener Grenze« und dem neuen Grenzregime im Süden der USA – werden sie inzwischen vor dem Zutritt abgefangen. Soweit sie nicht umgehend deportiert werden, wird die Bewegungsfreiheit der Zugewanderten drastisch beschnitten. Gleichzeitig wird der erneuerte kollektive Kolonialismus die Menschen der Peripherie auf ihren Subkontinenten wieder einfrieden. Wie dies im einzelnen geschehen soll, wurde im Irak-Krieg durchexerziert. Während des Golfkriegs von 1990/91 waren unter den unfreien Migrationsarbeitern der Golfstaaten und den irakischen Minderheiten noch Massenfluchten ausgelöst worden. Im vergangenen Jahr sorgten die angelsächsischen Expeditionstruppen dagegen in einem makabren Zusammenspiel mit den irakischen Verwaltungsbürokratien dafür, daß Massenfluchten unterblieben.

      * Morgen: Keine Macht für niemand
      http://www.jungewelt.de/2004/03-19/003.php
      Avatar
      schrieb am 18.03.04 22:34:55
      Beitrag Nr. 1.520 ()
      Inland
      Mathias Wedel

      Was wäre, wenn …

      … wir opfern dürften?


      Im Moment fällt es nicht leicht, Gerhard Schröder und Franz Müntefering unsere Verbundenheit zu zeigen. Selbst wenn es uns leichter fiele – d. h., wir uns dazu überwinden könnten –, fiele es uns doch nicht leicht, denn wir wüßten ja nicht, wie man das macht. Sollen wir ein Gedicht auf die beiden als Spiegel-Leserbrief schreiben? Sollen wir unser Meerschwein Gerhard und unseren Hund Franz nennen? Sollen wir einen Solibasar in der Fußgängerzone veranstalten, auf dem wir selbstgebackenen Kuchen und selbstgehäkelte Eierwärmer verhökern? Oder Holzstücke an die Wand zu hängen, in die wir mit heißen Nadeln »SPD« eingebrannt haben? Wir könnten eine Sonderschicht zu Ehren von Gerhard und Franz fahren, natürlich nur im Geiste, weil wir keine Arbeit mehr haben.

      Schade, daß es das rituelle Opfer bei uns nicht gibt. Im süd-indischen Bundesstaat Tamil Nadu hat sich ein 48jähriger Koch aus Verehrung für die Ministerpräsidentin drei Finger abgehackt, berichtete die Agentur Uni. Es ist also Quatsch, daß man dort nur Hund und Ratte in die Soljanka schnippelt. Man muß aber aufpassen, daß der Gast, wenn man ihm den kleinen Finger reicht, nicht gleich die ganze Hand nimmt. Jedenfalls scheint die sozialistiche Qualitätsbewegung »Meine Hand für mein Produkt« in Südindien verdammt ernst genommen zu werden. Vorher hatte schon ein Polizist geopfert – ebenfalls drei Finger –, und ein Parteifunktionär hatte sich die Zunge für seine Ministerpräsidentin abschneiden lassen, wie er im Radio erzählte.

      Das könnte man immerhin von einigen Abweichlern verlangen. Die SPD-Schiedsstellen, die in diesen Tagen über Parteiausschlüsse befinden, könnten hier und da Gnade vor Recht ergehen lassen und sagen: Aber du mußt ab jetzt die Klappe halten! Die Betriebsärztin im Willy-Brandt-Haus würde eine kleine ambulante Zungenamputionsstation einrichten, wo auch letzte Worte – z. B. »Es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird« – aufgezeichnet und dem Patienten auf CD-ROM mit nach Hause gegeben werden. Man könnte Zungen und letzte Worte auch für eine audiovisuelle Installation in der Friedrich-Ebert-Stiftung ästhetisch gewagt unter dem Titel »Hüte deine Zunge, Sozi!« zusammenführen. Die Zungenopferei hätte natürlich einen Nachteil. Wenn Gerhard Schröder seinen letzten Rücktritt dereinst doch mit dem Ausruf »Leckt mich doch am Arsch« verfeinern sollte, wäre niemand mehr da, der ihm den Gefallen tun könnte.

      Ich persönlich hätte Skrupel, ein Glied für die Deutsche Sozialdemokratie zu opfern. Das Kuddelmuddel dann – ist das eine Parteispende oder nicht? Und was ist mit der Spendenquittung? Die Poststelle im Kanzleramt wäre sicherlich auch überfordert, wenn jeden Morgen palettenweise begeisterte Körperteile einträfen. Die müßten kühl gelagert und vielleicht irgendwann dann zusammen in der Nordsee vor Sylt im Rahmen eines Zapfenstreichs bestattet werden. Mal angenommen, ich gäbe ein Ohr für Schröder und 2006 käme die CDU an die Regierung – der öffentliche Dienst wäre mir fortan versperrt.

      Überhaupt – warum ich? Solange Ulla Schmidt unversehrt ist, sehe ich gar keine Veranlassung.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-19/012.php
      Avatar
      schrieb am 19.03.04 21:16:00
      Beitrag Nr. 1.521 ()
      Der Fluss des Geldes

      Grundlagenwissen zum besseren Verständnis des Geldes und der vom Geldsystem hervorgerufenen Probleme


      Teil 12
      Die letzten Feinheiten des Geldsystems

      Der geplatzte Kredit

      Verfasser: Egon W. Kreutzer, Stand 12. März 2004





      http://home.knuut.de/EWKberater/Geld/Grundlagen12.html


      Schon die ersten Erkenntnisse, die wir bei der Beschäftigung mit den Grundlagen des Geldes gewonnen haben, waren nicht geeignet, das Vertrauen in unser Geldsystem zu stärken: Geld ist ein höchst flüchtiger, kaum greifbarer Stoff, der bevorzugt als Ziffernfolge auf Kontoauszügen in Erscheinung tritt und durch einfache Buchungen ebenso geschaffen, wie auch wieder vernichtet wird.
      Das Studium der Irrtümer und Täuschungen, die im Zusammenhang mit dem Geld weit verbreitetet sind, hat Erkenntnisse über die Probleme beim Transfer von Kaufkraft in die Zukunft verschafft und die wahren Zusammenhänge zwischen fehlerhaftem Geldsystem und zerrütteten Staatsfinanzen erkennnen lassen. Wir sind der Legende vom "natürlichen Zins" begegnet und haben feststellen müssen, dass sich im herrschenden Geldsystem riesige Löcher auftun, die es erlauben, Geld aus der Realwirtschaft abzuziehen.

      Es ist nun an der Zeit, die letzten Feinheiten des Geldsystems zu ergründen.
      Die hier folgenden Ausführungen sind im Grunde nicht besonders kompliziert - aber sie setzen die Kenntnis der bisher besprochenen Themen voraus. Für unvorbereitete "Einsteiger" könnte die Lektüre zur Tortur werden.



      Der Jammer um den geplatzten Kredit

      Die Geschäftsbanken werden nicht müde, die Schäden zu beklagen, die ihnen durch Not leidende Kredite entstehen. Sie haben sich inzwischen zu einem Kartell zusammengeschlossen, das unter dem nichts sagenden Namen "Basel II" die Einhaltung höchst restriktiver Vergaberichtlinien verabredet hat.

      Weil die Banken im Geldsystem eine ganz besondere Rolle spielen, ist zu untersuchen, was eigentlich wirklich passiert, wenn ein Kredit nicht zurückgezahlt wird.

      Was wird aus dem Geld, das aus einem geplatzten Kredit entstanden ist?
      Welcher Schaden entsteht der betroffenen Bank wirklich?
      Welchen Schaden erleidet das Banken- und Geldsystem insgesamt?

      Es wird hilfreich sein, wenn wir uns dazu einige wichtige Details an einem Beispiel in Erinnerung rufen.

      Die Einlage als Basis der Kreditgewährung

      Der Bankkunde Raffke überweist regelmäßig die Gewinne seiner Geschäfte auf ein privates Girokonto. Physikalisch sieht das so aus, dass der Bankcomputer unter dem Ordnungsbegriff "Raffke Geschäft" den Wert im Feld "Guthaben" verringert und gleichzeitig unter dem Ordnungsbegriff "Raffke Privat" den Wert im Feld "Guthaben" um den gleichen Betrag erhöht. Eines Tages stehen auf dem Konto "Raffke Privat" 10 Millionen Euro zu Buche und Herrn Raffke fällt auf, dass diese 10 Millionen Euro auf dem Girokonto keinerlei Zinsen tragen. Um dies zu ändern, kauft er 10.000 Pfandbriefe seiner Bank, zum Nennwert von 1.000 Euro pro Stück mit einer Laufzeit von 10 Jahren bei einem Zinssatz von 5 ¼ Prozent.

      Physikalisch muss der Bankcomputer dazu bei Raffkes Girokonto den Wert des Feldes "Guthaben" auf Null setzen und dafür im Depot des Bankkunden Raffke 10.000 Stück Pfandbriefe einbuchen.

      Mehr passiert nicht. Nirgendwo werden Goldbarren, Münzen oder Banknoten bewegt. Alles was sich verändert, sind die Informationen in den Speichermedien des Bankcomputers.

      Auch das aktuelle Vermögen des Bankkunden Raffke ist nominell anscheinend gleich geblieben. Lediglich die Qualität hat sich verändert. Raffke verzichtet darauf, innerhalb der nächsten 10 Jahre über sein Geld zu verfügen und gewinnt dadurch der Bank gegenüber einen Anspruch auf die Zahlung von Zinsen in Höhe von insgesamt 5,25 Millionen Euro, die ihm - über die Laufzeit verteilt - in zehn gleichen Raten auszuzahlen sind.

      Diese Einlage erlaubt der Bank, auf der Basis jener 10 Millionen Euro Geldvermögen des Herrn Raffke, das stillgelegt ist und Zinsen trägt, durch Kreditgewährung bis zu maximal 9,8 Millionen Euro zusätzlich in Verkehr zu bringen.

      (Es ist absolut nicht ausgeschlossen, dass diese 9,8 Millionen, unmittelbar nachdem der Kredit ausgereicht ist, erneut zur Einlage bei einer Bank und damit zur Berechtigung für neuerliche Kreditvergabe werden. Sie kennen das. So funktioniert die Geldschöpfung der Banken.)

      Im realen Bankgeschäft geht die einzelne Einlage allerdings völlig anonym im Gesamttopf der Einlagen unter. Je höher die Einlagen, desto höher ist der Kreditspielraum, der aber in aller Regel nur zu 75 bis 80 Prozent ausgeschöpft wird.





      Die Kreditgewährung als Basis der Zinserträge

      Gehen wir von folgenden Annahmen aus:

      Insgesamt - einschließlich der 10 Millionen des Herrn Raffke - verfügt die Bank über Einlagen in Höhe von 50 Milliarden Euro, die durchschnittlich mit 5 ¼ Prozent verzinst werden. Den Einlagen stehen Ausleihungen in Höhe von 35 Milliarden Euro gegenüber, für die durchschnittlich 9 ¼ Prozent Zins gefordert werden.

      Der gesamte Zinsaufwand der Bank liegt also bei 2,65 Milliarden Euro pro Jahr, die Zinseinnahmen erreichen 3,237 Milliarden Euro. Von der Differenz von 587 Millionen bleibt nach Abzug der Kosten des Geschäftsbetriebs der Bank ein Vorsteuergewinn von 300 Millionen Euro übrig. Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer fressen davon (wenn die nächste Steuerreform dem nicht zuvorkommt) rund die Hälfte, so dass 150 Millionen Euro an die Aktionäre augeschüttet werden können.


      Der konkrete Ernstfall


      In diesem Szenario freut sich die Bank, als es ihr gelingt, dem Bauunternehmer Pienats einen Investitionskredit über insgesamt 7 Millionen Euro zu verkaufen. Laufzeit: 10 Jahre, Zins 9 ¼ Prozent jährlich nachschüssig, Tilgung in einer Summe zum Ende der Laufzeit.

      Dazu ist es lediglich erforderlich, den Computer anzuwerfen, das Kreditkonto des Bauunternehmers mit 7 Millionen Euro zu belasten und im gleichen Atemzug dem Girokonto des Bauunternehmers 7 Millionen Euro gutzuschreiben.
      Wieder hat der Computer ein paar Zahlen verschoben. Sonst ist materiell nichts passiert. Insbesondere hat sich weder auf dem Girokonto des Bankkunden Raffke noch in dessen Wertpapierdepot in irgendeiner Weise irgendetwas verändert.

      Allerdings hat sich der Bauunternehmer verpflichtet, der Bank insgesamt 6,475 Millionen Euro in 10 gleichen Raten an Zinsen zu bezahlen und selbstverständlich ist er auch verpflichtet, seine Schulden pünktlich zurückzuzahlen.

      Nach wenigen Tagen bezahlt das Bauunternehmen die Rechnungen für den neuen Kran, zwei große Muldenkipper und ein Großgerüst, und räumt damit das Guthaben auf dem Girokonto bis auf den letzten Euro ab.

      Das war so geplant und regt niemanden auf.



      Dummerweise muss der Kämmerer der Kreisstadt, für die das Bauunternehmen Pienats das neue Rathaus gebaut hat, kurz darauf öffentlich zugeben, dass er die Schlussrechnung für den Prachtbau ebensowenig bezahlen kann, wie die drei vorangegangenen Abschlagsrechnungen, die noch offen sind. Die Stadt ist schlicht pleite. Das Land stellt zwar in Aussicht, die Gemeindefinanzen zu sanieren, aber von der bloßen Aussicht auf Landesgelder kann der Bauunternehmer Pienats die fälligen Sozialversicherungsbeiträge nicht an die AOK überweisen. Aus Erfahrung klug geworden, stellt die AOK unverzüglich den Antrag, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bauunternehmens Pienat zu eröffnen.

      Das regt eine Bank normalerweise immer noch nicht auf, weil sie sich ihre Kredite durch Grundpfandrechte absichert, aber als es dann soweit ist, erweisen sich die Pienats Grundstücke als hoffnungslos überbewertet, also wertlos.

      Die Bank muss den Kredit in voller Höhe ausbuchen.
      Welch ein Verlust!



      Welcher Verlust?

      Beginnen wir wieder beim Wirken des Bankcomputers:

      Der hat, als Pienats die Rechnungen für den Kran und die Muldenkipper und das Gerüst bezahlt hat, nicht nur das Girokonto des Bauunternehmens auf Null gestellt, er hat - weil alle Zahlungsempfänger ihre Konten bei anderen Kreditinstituten hatten - gleichzeitig auch 7 Millionen Euro vom eigenen Zentralbankkonto auf die Zentralbankkonten anderer Kreditinstitute überwiesen.

      Das unverzinsliche Guthaben bei der Zentralbank ist gleichzeitig die von der Bank hinterlegte (Mindest) Reserve. Die Höhe der Mindestreserve muss mindestens zwei Prozent der von der Bank ausgereichten Kredite ausmachen. Weil sich das Zentralbankguthaben täglich durch die Verfügungen der Bankkunden verändert, ist eine Schwankungsreserve unverzichtbar. Die sieben Millionen fallen dabei kaum auf; werden jedoch vom unbestechlichen Computersystem erkannt, dass dafür sorgt, dass die Schwankungsreserve aus den Reserven der Bank wieder aufgefüllt wird.

      Die Bank muss also aus den bei ihr gebunkterten, nicht verliehenen Einlagen, sieben Millionen auf ihr Konto bei der Bundesbank überweisen. Mit diesen sieben Millionen kann sie nicht mehr an den kurzfristigen Geldverleihspielchen zwischen den Banken teilnehmen. Der daraus entstehende Zinsverlust ist relativ gering und liegt im konkreten Fall vielleicht bei einem Prozent, also 70.000 Euro jährlich.

      Da trifft es sich gut, dass das Geschäftsjahr der Bank bald zu Ende geht. Der geplatzte Kredit, der als Forderung in der Aktiva der Bilanz steht, wird durch eine Abschreibungsbuchung "getilgt", welche in der Gewinn- und Verlustrechung als Teil der Gesamtkosten der Bank wieder auftaucht und dort das gleiche bewirkt, was auch die Vorstandsgehälter und die Telefonrechnung bewirken. Die Abschreibung mindert den Gewinn und das wiederum mindert die Steuerlast. Nach Steuern ist der Netto-Verlust der Bank von 7 Millionen auf nur noch 3,5 Millionen eingedampft.

      Der Fiskus ist nämlich der Auffassung, dass es sich bei einem geplatzten Kredit nicht etwa um einen Verlust handelt, sondern um Kosten des Geschäftsbetriebes. De facto hat das zur Folge, dass Staat und Steuerzahler rund die Hälfte dieser Kosten übernehmen. Diese Kostenübernahme, gelegentlich auch Steuerersparnis genannt, findet bei einer ordentlichen Bank ihren Weg in die Rücklagen und schon beträgt der entgangene Zinsgewinn wegen der Aufstockung des Zentralbankkontos nur noch 35.000 Euro pro Jahr.



      Weil die Bank aber nicht erst seit gestern Bankgeschäfte macht,

      hat sie die unvermeidlichen Kosten aus geplatzten Krediten längst in ihren Gebühren und Zinsen berücksichtigt. Die Bankkunden zahlen also in den Preisen der Bank laufend ihren Beitrag zur Absicherung der Bank vor Kreditausfällen. Damit ist das Problem vollständig auf Bankkunden und Fiskus abgewälzt. Es ist gibt unter dem Strich weder einen Verlust, noch einen entgangenen Zinsgewinn.

      Der Fall Pienats ist nichts anderes, als das konkrete Eintreten eines bekannten und kalkulatorisch berücksichtigten Risikos.

      Nur zur Veranschaulichung: Ein Schneider muss aus jedem Stoffballen hunderte von Flicken als "Verschnitt" verwerfen, ein Schreiner erzeugt verdammt viele Hobel- und Sägespäne, bis das Brett übrig bleibt, das er tatsächlich braucht. Die Kosten für den Verschnitt rechnet der Schneider in den Preis des Anzugs, der Schreiner in den Preis des Schrankes und der Banker in den Preis des Geldes, also in Zinsen und Gebühren ein.

      Bisher haben wir allerdings - trotz der viel weiter gehenden Antworten, auf die wir gestoßen sind - nur die Frage gestellt, ob der Bank durch die Notwendigkeit der Wiederauffüllung des Zentralbankkontos Zinsverluste entstehen. Haben wir mit den bisherigen Erkenntnissen auch schon die Lösung für das Hauptproblem gefunden?



      Das Hauptproblem ist doch wohl, dass die Bank das verliehene Geld irgendwie wiederbeschaffen muss, um eines Tages auch die Pfandbriefe des Herrn Raffke wieder einlösen zu können.

      Dieses Hauptproblem existiert - völlig unabhängig von den bisherigen Überlegungen - überhaupt nicht. Nach zehn Jahren wird das Depot des Herrn Raffke aufgelöst. Sein Anspruch auf weitere Zinszahlung erlischt. Dafür schreibt ihm der Bankencomputer eine hübsche Zahl auf sein Girokonto. Das war genau so und nicht anders geplant. Der geplatzte Kredit des Bauunternehmers Pienats ändert daran gar nichts.

      Es ändert sich auch sonst nichts. Die Schulden der Bank bei Herrn Raffke bleiben durch die Umbuchung vom Depot auf das Girokonto unverändert. Nur die Qualität ändert sich. Aus langfristigem Geldvermögen ist wieder kurzfristig abrufbares Geld geworden, völlig unabhängig vom Schicksal des Investitionskredites des Bauunternehmers Pienats.



      Ein wirkliches Problem entstünde lediglich, wenn nicht nur Herr Raffke, sondern viele andere Bankkunden gleichzeitig aus langfristigen in kurzfristige Anlagen wechseln und dann so rücksichtslos über ihr Geld verfügen, dass es in großer Menge von dieser Bank abfließt.

      Aber auch dieses Problem hat mit dem geplatzten Kredit des Bauunternehmers Pienats nach den bankbetriebswirtschaftlichen Regeln nichts zu tun. Allenfalls könnte man daraus ein Beispiel für die Folgen chaostheoretischer Instabilitäten im Geldsystem stricken, aber ein konkreter, kausaler Zusammenhang kann daraus niemals werden.

      Eine praktische Bedeutung hat der Kreditausfall also wirklich nur dadurch, dass schlimmstenfalls ein Teil der freien Reserven der Bank verwendet werden muss, um die bei der Bundesbank gehaltene Reserve aufzustocken, bis der Fehlbetrag aus der eintretenden Steuerminderung und den in Zinsen und Gebühren enthaltenen, kalkulatorischen Kosten wieder gedeckt ist.

      Das verlorene Kapital ist also seltsamerweise nicht das eigentliche Problem.



      Wie sieht es mit den Zinsen auf die Einlage aus?
      Wer sorgt dafür, dass Pfandbrief-Raffke jährlich seine 525.000 Euro bekommen kann?

      Das ist eine sehr gute Frage, mit der wir endlich an den Kern der letzten Feinheit kommen:

      Die Zinsen sind nämlich erst recht kein Problem.


      Was ist denn geplatzt?

      Der Kredit, oder die Einlage?



      Na also: Der Kredit ist geplatzt! Die Einlage ist doch deswegen noch da!

      Der Kredit ist ausgebucht. Das ist ganz genau so, als wäre er getilgt worden. Niemand hindert die Bank daran, auf Basis der vorhandenen Einlagen Kredite auszureichen. Zumindest solange nicht, wie die Mindestreserve ausreichend bestückt werden kann.

      Der geplatzte Kredit mindert also lediglich die theoretisch mögliche, maximale Geldschöpfungsfähigkeit der Geschäftsbank, weil sich im Hintergrund ihr Guthaben bei der Bundesbank reduziert, was aber normalerweise durch kalkulatorische Vorsorge kompensiert wird und - falls das im Ausnahmefall einmal nicht ausreichen sollte - immer noch durch den Einsatz von Reserven aus freien Einlagen problemlos aufgefüllt werden kann.

      Nur im letztgenannten Ausnahmefall gewinnt der Kreditausfall eine reale praktische Bedeutung für die Bank, was sich als vermindertes Zinsergebnis aus dem kurzfristigen Handel zwischen den Banken auswirkt.



      Üblicherweise werden die Einlagen von einem Not leidenden Kredit aber in keiner Weise tangiert. Sie bleiben vollständig als Kreditbasis erhalten. In aller Regel folgt der Ausbuchung eines Kredits die Ausreichung neuer Kredite auf der unveränderten Basis der Einlagen. Die Zinsen für Herrn Raffke sind also sicher, ebenso sicher, wie seine Einlage.



      Bei vernünftiger Kalkulation und Risikofürsorge unterscheidet sich die Wirkung eines geplatzten Kredits in nichts von der Wirkung der planmäßigen Tilgung eines Kredits. In beiden Fällen entsteht lediglich die Notwendigkeit, neue Kredite auszureichen, um die Verzinsung der Einlagen sicherzustellen. That`s all.

      Nur wenn das Volumen Not leidender oder geplatzter Kredite bei einem Institut insgesamt eine Größenordnung erreicht, die eine weitere Kreditgewährung unter Berücksichtigung der Mindestreserve unmöglich macht, mindert jeder weitere geplatzte Kredit den Gewinn der Bank weit mehr, als nur marginal.





      Wo ist also das eigentliche Problem?

      Das eigentliche Problem entsteht in einem ganz anderen Zusammenhang. Durch einen Kredit ist Geld entstanden, das mit Tilgungs- und Verzinsungszwang ausgestattet ist. Um die umlaufende Geldmenge zu erhalten, ist es erforderlich, jede Tilgungsleistung und jede Zinszahlung durch neue Kredite zu finanzieren. Geld löst sich durch Tilgung in Nichts auf. Zinsen, die wieder angelegt werden, erhöhen das Geldvermögen, nicht aber die umlaufende Geldmenge.


      Der intakte Kredit sichert also die Aufrechterhaltung der Verschuldung und lässt den Anspruch der Gläubiger auf Zinszahlung niemals erlöschen.

      Ist eine Bank jedoch gezwungen, einen Kredit auszubuchen, wird das damit geschaffene Geld frei. Der Kreislauf der Neuverschuldung ist unterbrochen.

      Das so "befreite" Geld ist in der Lage, andere Kredite endgültig zu tilgen. Es hat die gleiche Fähigkeit, wie ein Goldnugget zu Zeiten der Golddeckung der Währungen. Man kann damit eine Schuld bezahlen, ohne gleichzeitig eine neue Schuld in die Welt setzen zu müssen.



      Weil das Bankensystem aber in der Lage ist,

      in einem kaskadierenden System auf der Basis einer Ersteinlage Schulden in der vielfachen Höhe dieser Ersteinlage zu erzeugen, und davon auch Gebrauch macht,

      ist befreitets Geld unter günstigen Umständen in der Lage,

      dieses kaskadierende System sozusagen "von hinten aufzurollen" und weit über den eigenen Nennwert hinaus, zur Schuldentilgung beizutragen.

      Theoretisch kann das befreite Geld aus dem uneinbringbaren sieben Millionen Kredit des Bauunternehmers Pienats einen Schuldenberg von über 300 Millionen Euro restlos und endgültig tilgen.

      Damit entfallen alle darauf ruhenden Zinsansprüche -
      von heute an, bis in alle Ewigkeit!

      Das ist das Problem!



      Das gleiche Problem schafft übrigens auch der Hersteller von Falschgeld. Mit der Million, die er sich im Keller druckt, schafft er für sich "illegale Kaufkraft" im Wert von einer Million.

      Sein eigentliches Verbrechen besteht aber darin, dass durch die Erzeugung dieser einen, nicht zins- und tilgungsbelasteten Million, jährliche Zinsforderungen in Höhe von mindestens ebenfalls 1 Million, für alle Zeiten obsolet werden. Er vernichtet also gigantische Mengen gegenwärtiger und zukünftiger Kaufkraft, die sich die Gläubiger, ohne dafür im Keller mit Druckplatten hantieren zu müssen, alleine durch Geldbesitz verschaffen.

      Das ist völlig normal, völlig legal und ist das Grundprinzig eines Systems, das man besser nicht in Zweifel ziehen sollte. Bitte beachten Sie den folgenden Hinweis.





      Warnung:Selbständiges Weiterdenken kann Ihr bisheriges Weltbild restlos zerstören.
      Avatar
      schrieb am 20.03.04 00:37:45
      Beitrag Nr. 1.522 ()
      Leute, die so denken, wie bei jungewelt.de


      sind die Türöffner des hemmungslosen Kapitalismus?


      Warum?

      Weil sie mit ihren sozialistischen Träumen die
      Sozialstaaten an die Wand gefahren haben und die
      einzige Alternative zum Staats-Konkurs die Privatisierung
      ist.

      Hätte man nicht gleich jede unternehmerische Initiative
      und jeden erfolgreichen Unternehmer so sehr verteufelt,
      dann stünde Deutschland jetzt so da, daß man sich mehr
      Soziales leisten könnte, als es derzeit möglich ist.

      Die "68er" haben Wahn-Ideen gepredigt, jetzt ernten sie
      das Ergebnis ihrer wirtschaftlich nicht haltbaren Wahn-Ideen. Manche leben leider noch immer in einem Wahn und
      machen das Ganze nur noch schlimmer.


      mfg
      thefarmer
      Avatar
      schrieb am 20.03.04 12:36:52
      Beitrag Nr. 1.523 ()
      @ thefarmer

      Sie sind ja ein Sophist !!! :laugh:

      Wenn keine Mensch sich für Soziales einsetzten würde, dann würde Deutschland schon viel tiefer gefallen sein.

      Rico
      Avatar
      schrieb am 20.03.04 22:26:06
      Beitrag Nr. 1.524 ()
      Rico_74:

      Es gibt einen Unterschied zwischen dem freiwilligem Einsatz
      für Soziales mit eigenem Geld,

      und dem Aufbau einer gigantischen Umverteilungsbürokratie,
      bei der jene, die ausser große Sprüche klopfen, nichts zu
      Wege bringen, anderer Leute schwer verdienten Geld so
      verteilen, als käme es von ihnen!


      mfg
      thefarmer
      Avatar
      schrieb am 21.03.04 14:01:51
      Beitrag Nr. 1.525 ()
      @ thefarmer

      Ich denke, dass es schon alleine wegen der Meinungsvielfalt schwierig ist das Richtige und das Falsche zu benennen. Und auch das Schuldigsprechen scheint mir schwierig.
      Es kommt wohl immer darauf an, in welcher Gesellschaft man leben möchte.
      Ich kann ohnehin nicht verstehen, warum sich eines der reichsten Länder dieser Erde ständig neu verschulden muss? Ich dachte, dass die ansteigende Lebensqualität, die durch Wissen und Technologie zustande kommt, allen zugute kommen kann. Aber nicht, dass mit Wissen und technologischer Entwicklung eine gigantische Verschuldung im öffentlichen und privaten Sektor zwangsläufig ist.
      Schuldenfinanziertes Wirtschaftswachstum mag hier wohl das Schlüsselwort sein.
      Wenn nun die Unternehmensgewinne durch die Verschuldung im öffentlichen und privaten Bereich ermöglicht werden, so muss heute wohl diese „Umverteilung“ noch viel notwendiger sein um die Wirtschaft am laufen zu halten.

      Wenn man einmal das Thema „Geld“ unberücksichtigt lässt, so muss man feststellen, dass durch Wissen und Technologie, und die damit einhergehenden Produktivitätssteigerungen möglich wird, die Menschen mit allen lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen zu versorgen. Wenn immer nur das Geld produktiv eingesetzt werden muss, so würden leider viele notwendigen Arbeiten unerledigt bleiben. Umweltschutz, Denkmalschutz usw.
      Wenn man die Gesellschaft nur nach ihrer Leistungsfähigkeit beurteilen würde, so ist der Sozialstaat keineswegs gegen die Wand gefahren.

      Was wir hören ist das Geschrei von Schuldnern und Gläubigern, die sich nie einig werden können.........

      mfg
      Rico
      Avatar
      schrieb am 21.03.04 18:01:49
      Beitrag Nr. 1.526 ()
      @the farmer

      nicht die sozialistischen Träume sind schuld an der Misere,(träumen darf man ja)), sondern der Kapitalismus (ein Fehler im Geldsystem.)
      Mit der Globalisierung zeigte der Kapitalismus sein wahres Gesicht. Für Unternehmen war es jetzt leichter Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern. Arbeitskräfte waren günstiger. Ziel war es die höchste Rendite zu erwirtschaften , koste es, was es wolle, damit die Fondmanager prahlen können. Der Druck auf die anderen Unternehmen am Markt wuchs dadurch. Der Freihandel und die Globalisierung waren darauf ausgerichtet, die Profite der Großkapitals zu steigern und nicht den Bürgern ein besseres Leben zu ermöglichen. Alles was nach "sozial" klang, war ein Hindernis für das Großkapital. Als Vorbild nahm man sich 3.Weltstaaten. Denn dort herrschen für das Großkapital, wenn man die Sozialstandards nimmt, das Paradies auf Erden.
      Die Anpassung wird jetzt dürchgeführt. Man schafft angeblich ein günstiges Investitionsklima. "Ref(v)ormen" werden durchgeführt.
      Arbeitsplätze sollen dadurch entstehen, aber was für welche? Heißt es bald wieder: "Arbeit macht frei"

      ich wollte noch daran erinnern: "Eigentum verpflichtet"
      Avatar
      schrieb am 21.03.04 23:46:43
      Beitrag Nr. 1.527 ()
      bluemoons,

      ich habe mir mal eine ETW auf Kredit gekauft und vermietet.
      Einmal zog eine junge Frau ein, mit Kleinkind, die sich schwer getan hätte eine Wohnung in der Gegend zu finden.
      Eigentum verpflichtet ja, wie Du sagst.

      Was war das Ergebnis. Sie hat nicht einmal Miete bezahlt.
      Warum? Dir gehört doch die Wohnung, was willst Du noch Geld
      dafür. Wenn man schon eine Wohnung hat, kann man doch mal
      an jene abgeben, die nix haben.

      Sie hätte Sozialhilfe bekommen, wenn sie ein paar Stunden
      die Woche eine gemeinnützige Arbeit ausgeführt hätte! Aber
      das wollte sie auch nicht!

      Ich habe ihr nach einigen Monaten, sie sagte mir, der
      Antrag beim Sozialamt würde noch bearbeitet und wußte einige gute Ausreden, die Kündigung gegeben und ihr gesagt,
      daß es eine Anzeige wegen Betrug gibt, wenn sie bis da
      und dort hin, die Wohnung nicht geräumt hat.

      Jetzt erst zeichnet sich ab, daß sie langsam vernünftig wird und einer geregelten Arbeit nachgehen will und vielleicht einen Teil der Mietrückstände abbezahlt!

      Solche Fälle kenne ich viele. Es gibt so viele Leute,
      die sehen einer hat was, also kann er an sie abgeben, und
      die Linke hetzt sie auch noch dazu auf, ohne Gegenleistung
      von diesen Leuten zu fordern. Dass aber Vermögen durch
      Sparen und Konsumverzicht aufgebaut wird, sehen sie nicht.

      Einem Sozialhilfeempfänger stellte ich mal die Frage,
      was wäre, wenn heute alles Vermögen nach der Zahl der
      Köpfe aufgeteilt würde und Du so an die 100.000 Euro
      bekommen würdest. Er antwortete ehrlich: Nach einem
      Jahr hätt ich es versoffen!

      Es gibt in jedem Volk Menschen, die nicht arbeiten können,
      oder Menschen, deren gegenwärtige Arbeit gesellschaftlich
      nicht anerkannt wird - van Gogh !!! - aber unser Land
      züchtet geradezu Menschen, die glauben, sie hätten das
      Recht, das ganze Leben auf Kosten anderer zu bestreiten, ohne auch nur die geringste Gegenleistung zu erbringen.

      In früheren Zeiten hätten sich solche Menschen nicht oder
      nur langsamer vermehrt, weil die Frauen seinerzeit so klug waren, daß sie, bevor sie mit einem Mann in´s Bett gingen, sich die Frage stellten, ob er auch eine Familie ernähren kann; sowie es ja alle paar-bildenden Tier-Arten bis heute tun. Und ein Mann hätte früher nie eine Frau geheiratet, die nicht mal für einen sauberen Haushalt taugt. Bei den
      Türken und vielen anderen Völkern sind dies noch selbst-
      verständlichkeiten.

      Aber bei uns? Sozialismus pur. Da werden ganze Sozial-
      hilfe-Dynastien herangezüchtet. Ganze Familien, von denen
      nie jemand einer geregelten Arbeit nachgegangen ist und
      denen dann mehr Geld für Konsum zur Verfügung steht, als
      dem einfachen Arbeiter, der schuftet und spart für das
      eigene Häuschen!

      Ich wundere mich immer wieder, daß die Masse der Deutschen
      Arbeitnehmer bei diesem kummunistischen Experiment überhaupt noch immer mitspielt? Egal ob fleissig oder faul,
      im Altenheim sind wir dann alle gleich! Nur mit dem Unterschied, daß der, der gespart und immer Beiträge bezahlt hat, auch noch sein Häuschen abgeben muß um den
      Altenheimplatz zu bezahlen.

      Keine Tierart kann so ein System dauerhaft durchhalten.
      Deutschland auch nicht. Denn Deutschland steht nicht
      ausserhalb der Evolution!


      Der Deutsche Sozialstaat, läuft wie am Beispiel des
      Altenheimplatzes gezeigt, auf Ergebnisgleichheit hinaus.
      Dies ist die Katastrophe, die Krankheit unter der wir leiden. Was wir stattdessen bräuchten, wäre Chancengleicheit in punkte Ausbildung. Jedermanns Bildung muß so lange gefördert werden, bis er an einem Punkt gelangt ist, andem er seine persönliche Leistungsgrenze
      erreicht sieht. Da muß der Staat mehr tun. Da lohnt es sich aber auch für den Staat, für die Allgemeinheit, weil
      Bildung in Form von Einkommen, Kunstwerken, Patenten etc.
      wieder Ertrag abwirft.

      Es gibt in Deutschland 6-8 Million Unbeschäftigte und
      Unterbeschäftigte. Würde man von der Spitze der
      Qualifikationspyramide angefangen, alle eine Stufe höher Qualifizieren, so würde sich unten am Sockel eine hohe
      Nachfrage nach Geringqualifizierten ergeben.

      Aber Menschen einfach dafür bezahlen, daß sie ausserhalb
      der Pyramide stehen, das ist volkswirtschaftlicher Schwachsinn und stärkt gerade jene Konkurrenz-Volkswirtschaften, denen es mangels Sozialstaat durch Überlebenszwang, die Menschen dazu zwingt, sich zu deutlich niedrigeren Grenzkosten beruflich zu engagieren.

      O.k. Das ist sozial ungerecht. Aber verdammt noch mal,
      die ganze Evoulution ist doch ungerecht!



      mfg
      thefarmer
      Avatar
      schrieb am 22.03.04 14:25:11
      Beitrag Nr. 1.528 ()
      Alan Greenspan macht den Zauberlehrling - Ist für ihn der Point of No Return bereits erreicht ?
      (22.03.2004)

      Es war das Jahr 1999 und noch inmitten der beispiellosen Hausse an der Wall Street, als uns ein Vertreter der Deutschen Bundesbank in einem Gespräch offenbarte, im Hause sei man sehr besorgt darüber, "was Alan Greenspan da macht". Gemeint war, dass die amerikanische Notenbank (Fed) mit ihrer Geldpolitik einen schier unaufhaltsamen Anstieg der Aktienkurse (asset prices) tatenlos förderte.

      Noch am 5. Dezember 1996 hatte Greenspan in einem Vortrag den inzwischen geflügelten Begriff "irrational exuberance" (irrationaler Überschwang), entlehnt von Robert Shiller, Professor an der Yale University, verwendet. Allerdings nicht so, wie Greenspans Äußerungen kolportiert und mit der Zeit umgedeutet wurden. Der alte Mann an der Spitze der Fed hatte zu jener Zeit keineswegs den Zustand irrationalen Überschwangs an der Wall Street diagnostiziert, sondern nur die Frage aufgeworfen, wie man dieses Phänomen, das die Aktienkurse unangemessen weit in die Höhe treiben könne, zu erkennen in der Lage sei. Greenspan hat einige Symptome aufgezählt und dabei auch an den damaligen Verhältnissen in Japan Maß genommen.

      Dass Greenspan in den Jahren danach bis zum März 2000 all die von ihm selbst benannten Symptome aus dem Auge verlor und den Dingen freien Lauf ließ, muss ihm zugerechnet werden. Er hat den schweren Kurseinbruch mit allen seinen schlimmen Folgen für die Weltwirtschaft durch Untätigkeit geradezu provoziert.

      Natürlich stellt sich die akademische Frage, ob eine Notenbank wirklich berufen ist, in einen freien Markt einzugreifen, um Exzesse zu verhindern oder wenigstens abzublocken. Doch unter den Praktikern, und als solcher hat sich Greenspan in seiner langen Amtszeit immer wieder erwiesen, ist unbestritten, dass solche Eingriffe unter übergeordneten Aspekten erforderlich sind, um Schaden von einer Volkswirtschaft abzuwenden.

      Einige in der Führungsetage der Fed scheinen Lehren aus den Erfahrungen jener kritischen Zeit gezogen zu haben, ohne dass sie sich jedoch zu diesem Zeitpunkt durchzusetzen vermögen. Dies offenbart das Ende vergangener Woche veröffentlichte Protokoll der Tagung des Offenmarkt-Ausschusses (FOMC) der Fed vom 27. und 28. Januar 2004. Das Protokoll gibt zu erkennen, dass eine Minderheit im FOMC die Gefahr sieht, die extrem niedrigen Zinsen könnten die Kurse beziehungsweise Preise für Vermögenswerte (assets) über Gebühr steigen lassen. Anders ausgedrückt: Die massive Liquiditätswelle könnte abermals eine gefährliche Fehlleitung von Finanzmitteln bewirken.

      Doch genau dies wollte Greenspan allem Anschein nach. Er sah und sieht wohl noch eine Chance, die Verbraucher in den USA mit steigenden Aktienkursen und Immobilienpreisen (sprich: wachsenden Buchvermögen) zu beglücken und sie somit zum uneingeschränkten Konsumieren zu verführen. Doch um welchen Preis?!?

      Stephen Roach, der Chefökonom von Morgan Stanley, fühlte sich kürzlich dazu bewogen, in dieser Angelegenheit einen Offenen Brief an Alan Greenspan zu schreiben und darin zu fordern, den Leitzins umgehend von 1 Prozent auf 3 Prozent anzuheben (siehe Editorial vom 10. März 2004; im ARCHIV).

      Wie es scheint, ist für Alan Greenspan der Point of No Return überschritten. Die Wall Street kippt bereits. Nun stellt sich die spannende Frage, ob es ein Fall ins Bodenlose wird oder ein "normales" Abgleiten mit seinen üblichen Aufs und Abs.

      Mal sehen, was Greenspan verbal und tatsächlich unternimmt, um die vorgezeichnete Baisse an der Wall Street so kontrolliert ablaufen zu lassen, wie es bisher mit der Dollar-Baisse am Devisenmarkt geschah. Wir denken bei diesem Thema immer wieder an den Zauberlehrling, dem die Dinge bekanntermaßen entglitten sind.


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber
      ------------------------------
      Wussten Sie schon, dass...?
      (22.03.2004)

      "Die Dollar-Hegemonie ist ein Arrangement, in dessen Rahmen die USA Dollars drucken und der Rest der Welt Dinge erzeugt, die man mit Dollars kaufen kann."


      Henry C.K. Liu



      www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 22.03.04 14:59:52
      Beitrag Nr. 1.529 ()
      @the farmer
      die kleinen Fische sind Nebensache und Ablenkung vom Hauptthema.
      Die großen Fische profitieren von diesem Geldsystem (kapitalismus). Die Marktwirtschaft braucht nicht unbedingt diese Art von Kapitalismus. Großvermögen werden bestimmt nicht nur durch harte Arbeit verdient, sondern durch leistungsloses Einkommen. sprich "Sozialschmarotzer in Großformat" siehe hier untigen Bsp. Wer muss dieses Geld erarbeiten und bezahlen, ja die einfachen Bürger,Klein unternehmer....Wer sogar Sozialhilfe bezieht, bezahlt im Endeffekt durch Miete, Einkauf diese mit. Aber den meisten Leuten sind dafür die Augen verschlossen. Sie sehen lieber den kleinen Mann der Soziallhife bezieht. Natürlich gibt es auch unter Ihnen schwarze Schafe. Aber soll man deswegen alle dafür opfern. Die BRD ist laut Grundgesetz Art 20 ein demokratischer und sozialer Staat und diese gilt es auch zu verteidigen.

      Die Esser-Abfindung aus anderer Sicht

      Einmal erhalten - mehrfach bezahlt! Helmut Creutz kommentiert anlässlich des Prozesses die Abfindung für den ehemaligen Chef von Mannesmann: 30 Millionen Euro plus Zinsen und Zinseszinsen...


      Abfindungen erhalten gekündigte Arbeitnehmer auch heute noch manchmal ausgezahlt. Entweder als Übergangsgeld mit dem sie sich ein halbes oder ganzes Jahr über Wasser halten und einen neuen Job suchen können, oder, wie bei Beamten oder Offizieren in mittlerem Alter, als "Goldener Handschlag" für den Rest des Lebens. - Was war es nun bei Herrn Esser?

      Erinnern wir uns: Klaus Esser hatte seinerzeit als angestellter Chef bei Mannesmann dieses altbekannte Unternehmen verschachert und für diese neunmonatige Tätigkeit eine Abfindung von 60 Millionen DM = rund 30 Millionen Euro erhalten. Nehmen wir diese 30 Millionen als Übergangsgeld für ein Jahr an, dann hätte Herr Esser jeden Monat 2,5 Millionen auf den Kopf hauen können. Da dies jedoch ein etwas ungewöhnlich hohes Monatssalär wäre, war die Zahlung an Herrn Esser wohl eher als Frührentner-Einkommen gedacht. Geht man dabei von einem dreißigjährigen Rentnerleben aus, kommt Esser gerade noch auf eine runde Million im Jahr und mit monatlichen Ausgaben von 83.000 Euro hätte er in 30 Jahren alles aufgezehrt.

      Aber stimmt das so? - Nein! Denn im Gegensatz zu den normalen Rentnern erhält Esser den ganzen Rentenbetrag im voraus und kann ihn zwischenzeitlich "für sich arbeiten lassen", wie man das in der Bankenwerbung freundlich umschreibt. Legt er ihn mit sechs Prozent langfristig an (und das ist bei einer solch großen Summe sicher drin!), dann erhält er aus seiner Anlage jährlich 1,8 Millionen Zinsen, was monatlich mit 150.000 Euro zu Buche schlägt. Das heißt, er braucht die Substanz der 30 Millionen überhaupt nicht anzutasten und hat trotzdem fast doppelt so viel im Monat wie bei der obigen Rentenrechnung! Und ist es ihm zu anstrengend jeden Monat 150.000 Euro auszugeben und bescheidet er sich mit 25.000 Euro, dann nehmen seine 30 Millionen monatlich auch noch um 125.000 Euro zu! Und da dieser Zuwachs selbstverständlich mit verzinst wird, verdoppelt sich nach Adam Riese und der Zinseszinsrechnung seine Abfindung rund gerechnet alle 15 Jahre! Das heißt, in den 30 Lebensjahren die man ihm noch gönnen kann, wachsen seine 30 Millionen in den ersten 15 Jahren auf 60 Millionen und in den zweiten 15 Jahren nochmal auf das Doppelte, also auf 120 Millionen Euro an! Und Essers Enkelkinder könnten sich weitere 15 Jahre später, mit 240 Millionen Euro im Rücken, gleich zur Ruhe setzen und ihren Kindern 30 Jahre später rund eine Milliarde Euro hinterlassen!

      Sollte man aus dieser wundersamen Geldvermehrung nicht entsprechende Schlüsse ziehen und dieses Modell auf alle Rentner übertragen? Das heißt, sollte man nicht allen ihre Rente auf einen Schlag im Voraus auszahlen? Könnten sich nicht die Gewerkschaftsvertreter in allen Unternehmen für eine solche Lösung einsetzen oder sie zumindest nicht verhindern, so wie das der IG-Metallboss Zwickel im Aufsichtsrat bei Mannesmann so selbstlos tat? Oder ist da doch ein Pferdefuss an der Sache, der eine solche ideale Lösung nicht für alle erlaubt? Und vor allem bleibt die Frage: Woher kommt das ganze Geld zu dieser wundersamen Substanzvermehrung überhaupt?

      Bezieht man diese Frage auf das 30 Millionen-Handgeld, dann stammt der Betrag aus dem Verkaufserlös der Firma und war angesichts des gedopten Milliarden-Booms sicher verkraftbar. Bezogen auf die ständige Vermehrung dieser Summe durch die Zinsen und die monatlichen Rentenzahlungen von 25.000 Euro sieht die Sache jedoch anders aus, denn diese sind in erster Linie von den Schuldnern in der Wirtschaft aufzubringen. Die Schuldner aber, soweit keine Privathaushalte, rechnen die Zinsen als Kosten in die Preise und Gebühren ein und reichen sie auf diese Weise an die Endverbraucher weiter. Legt man alle Schuldenzinsen einmal auf die Endnachfrage um, dann bezahlen wir dafür inzwischen mit jedem ausgegebenen Euro etwa 40 Cent, in den Mieten sogar 60 bis 80 Cent! Kurz: Für den 30-Milliarden-Grundstock Essers mussten die Aktionäre bluten, für seine Vermehrung auf das Zwei-, Vier- und Achtfache und die endlos laufende Monatsrente aber werden alle Bürger über Jahrzehnte hinweg zur Kasse gebeten, bis hin zum letzten Sozialhilfe-Empfänger. Denn wer Geld arbeiten lässt, lässt immer andere für sich arbeiten!

      Natürlich fließen diese in den Zinsmonopoly-Topf gezahlten Zinsen zum allergrößten Teil auch wieder in private Taschen zurück. Per saldo ist das aber nur für jene 10 bis 12 Prozent der Haushalte von Vorteil, die mehr Zinsen zurück erhalten als sie mit ihren Ausgaben laufend zahlen, und das wiederum trifft nur auf jene Haushalte zu, die mindestens das Zehnfache ihrer Jahresausgaben zinsbringend auf der hohen Kante haben. Und hat man, wie Herr Esser, mit 30 Millionen hundert Mal so viel im Rücken als man jährlich ausgibt, dann ist die weitere explosive Vermehrung des Vermögens unvermeidlich - bis das ganze Schneeballsystem auf Grund der zunehmenden sozialen Spannungen zusammen bricht! - Bedenkt man, dass allein die an die Banken gezahlten Zinsen im Jahr 2001 mit 391 Milliarden Euro bereits bei zwei Drittel aller Nettolöhne und -gehälter lagen und diese in acht bis zehn Jahren sogar übersteigen werden, kann man sich das Ende ausmalen.

      "Wie weit weg ist Weimar?" fragte eine bundesdeutsche Zeitung bereits vor etlichen Jahren. Dabei ging es nicht um die Entfernung in Kilometern, sondern um die Zeit, die uns noch verbleibt um in Deutschland unsere Demokratie zu retten! Doch das kann uns nur gelingen, wenn das Geld nicht mehr die Welt regiert!


      http://www.inwo.de/modules.php?op=modload&name=News&file=art…


      ------------------------------------------------


      http://www.dr-wo.de/schriften/nil/

      -------------------------------------------------


      http://www.beutestaat.de/aktuell.htm
      wiederholung
      Illegale Schattenregierung in Deutschland.

      Dass die Richtlinien der Politik vom Präsidenten des BDI festgelegt (und mit Basta durchgepaukt werden), daran haben sich unkritische Medien und weite Teile der Bevölkerung offensichtlich längst gewöhnt.
      Welche haarsträubenden Formen weitere auf dem kalten Weg etablierte Oligarchien (ohne Mandat!) angenommen haben, wird nach und nach seit dem Gerster-Skandal an die Oberfläche gespült:
      Die "gewählte" Regierung legt ihren politischen Offenbarungseid ab, demonstriert die politische Inkompetenz und stellt seinen tausenden "Fachleuten" in ihrer riesigen, nebenher weiter alimentierten Ministerial-Bürokratie ein Zeugnis der Unfähigkeit aus. Rürup-, Hartz- und andere Kommissionen, deren Zusammensetzung keiner demokratischen Kontrolle unterliegen, übernehmen für ein paar Millionen Euro den Job!
      Die völlig "uneigennützigen" Mitglieder solcher Kommissionen kommen dann rein zufällig zu dem Expertenurteil, dass man zur Erledigung der Regierungsarbeit auf den Rat von Unternehmensberatern angewiesen ist. Und genauso rein zufällig empfehlen die Experten ihre eigenen Firmen als alternativlose Ratgeber im Abo. Dass solche Ratschläge nachhaltig ein paar Millionen Euro kosten, unterliegt keiner besonderen Kontrolle: Es ist schließlich üblich so. Basta! Dass die Ratschläge irgendwelche Probleme lösen würden, ist nicht vereinbart. Sonst könnte man den "Experten" ja z.B. gleich die Leitung der BA übertragen. Risiken und Nebenwirkungen sind - wie üblich - von Arbeitslosen, Rentnern, Arbeitnehmern, sozial Schwachen zu bezahlen. Um diesen Unfug "marktgerecht verkaufen" zu können, werden konsequenterweise PR-Agenturen beauftragt. Rein zufällig werden solche Agenturen von einschlägig interessierten Politikern betrieben.
      Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
      Interessanterweise belasten die Ergebnisse solcher Beratungsrunden keine Gesellschaftsgruppen, die diese Kommissionen beschicken oder die die Folgekosten ihrer "Ratschläge" ertragen könnten.
      Die Ratschläge folgen konsequent den Vorgaben des BDI. Sie beugen sich den Drohungen mit Betriebsschließungen, Entlassungen, Steuerflucht u.ä. und setzen die Forderung nach Solidarität mit menschenverachtenden Parolen einseitig durch: "Den Rentnern ging es noch nie so gut wie heute." Sie sollen gefälligst die deutsche Industrie retten (?)
      Dass solchen Ratschlägen jede soziale Kompetenz fehlt, ergibt sich von selbst. Renten runter, Sozialhilfe runter, Arbeitslosengeld runter, Löhne runter... Mieten rauf, Fahrkarten rauf, Strompreise rauf, Arzneikosten rauf... Amnestie für Steuerbetrüger, Unternehmenssteuern runter... Kaufkraft runter, Spekulationsgewinne rauf... Arbeitsplätze weg, auf in den Arbeitsdienst
      Avatar
      schrieb am 22.03.04 15:01:24
      Beitrag Nr. 1.530 ()
      DIHK-Chef rät zur Produktion im Ausland
      (©GodmodeTrader - http://www.godmode-trader.de)



      Externe Quelle:

      Original Tagesschau Meldung

      DIHK-Chef rät zur Produktion im Ausland


      Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, rät den Unternehmen in Deutschland, verstärkt Chancen einer Produktionsverlagerung ins Ausland zu nutzen. "Ich empfehle den Unternehmen, nicht auf eine bessere Politik zu warten, sondern jetzt selbst zu handeln und die Chancen zu nutzen, die zum Beispiel in der Osterweiterung liegen", sagte Braun der Zeitung "Der Tagesspiegel".

      Braun: Der Gewinn kommt aus dem Ausland
      Mit diesem Schritt würden auch Arbeitsplätze und Lehrstellen in Deutschland gesichert. Derzeit werde hier zu Lande kaum Geld verdient, meinte Braun. Der Gewinn komme zumeist aus dem Ausland. Der Politik warf er vor, die Deutschen nicht frühzeitig auf Reformen eingestellt zu haben.

      Zudem gebe es in der Bundesregierung ein "grundlegend falsches Verständnis von Wirtschaft". Zu den herausragenden Aufgaben der Politik gehöre es, Vertrauen zu schaffen. Dies bräuchten die Bürger, um zu konsumieren, und die Wirtschaft brauche es, um zu investieren. "Das geht aber nicht, wenn permanent Gesetze oder Regelungen verändert werden", sagte der Verbandschef.

      Siemens will über weitere Lob-Verlagerung entscheiden
      Nach Informationen der Zeitung "Die Welt" will der Siemens-Konzern schon bald über die Verlagerung weiterer Arbeitsplätze ins Ausland entscheiden. Die Bereichsvorstände wollten den Gesamtbetriebsrat auf einer Sitzung des konzerninternen Wirtschaftsausschusses am 30. März über die geplanten Details informieren, schreibt die Zeitung. Betroffen seien vor allem die Netzwerksparte ICN, die Bereiche Verkehrs- und Medizintechnik sowie die Automatisierungssparte.
      Avatar
      schrieb am 22.03.04 15:08:41
      Beitrag Nr. 1.531 ()
      bluemoons

      Papier ist geduldig. Die hätten auch ins Grundgesetz
      schreiben können, daß Deutschland ein Sozialstaat ist,
      der jedem Bürger eine Lebenserwartung von 100 Jahren,
      beim Einkommen eines Millionärs gewährt!

      Fakt ist:

      Die Evolution kennt Art. 22 GG nicht und die Chance
      Deutschland rechtzeitig wirtschaftlich fit für den
      Weltmarkt zu machen haben Kohl und Schröder vertan!

      Mit Deutschland ist es wie mit Lepra. Wenn man beim
      ersten Mal nicht mutig die Krankheit wegschneidet,
      wird die zweite Operation um so schlimmer, und die
      dritte noch schlimmer etc. etc. Unsere Politiker und
      Parteien und Gewerkschaften haben die Weichen bereits
      gestellt: In Deutschland wird erst dann gehandelt,
      wenn der Patient vollständig von der Lepra aufgefressen ist!


      mfg
      thefarmer
      Avatar
      schrieb am 22.03.04 15:20:40
      Beitrag Nr. 1.532 ()
      @the farmer

      die Evolution ist auch nur eine Theorie.
      die Artikeln braucht sie auch nicht zu kennen. Menschen haben Gehirne, um sie zu benutzen.

      dein letzten Absatz kann man auf den Kapitalismus übertragen. Anstatt "Deutschland" das Wort Kapitalismus
      einsetzen und schon stimmt es was du sagst.
      Avatar
      schrieb am 22.03.04 15:35:52
      Beitrag Nr. 1.533 ()
      bluemoons

      ohne den Kapitalismus stünden wir nicht da, wo wir jetzt
      stehen. Das Problem in Deutschland ist nicht das Zuviel
      an Kapitalismus, sondern die Verzerrung des Kapitalismus
      durch die Politik.

      Allenfalls könnte man noch sagen, daß die Kapitalisten
      das Problem sind, wenn sie ihr Kapital nicht auch zu
      gewissen teilen an die Allgemeinheit zurückgeben.

      mfg
      thefarmer
      Avatar
      schrieb am 23.03.04 08:03:10
      Beitrag Nr. 1.534 ()
      SPIEGEL: Die (angebliche) Wohlstands-Illusion

      "Die Wohlstands-Illusion" nennt der SPIEGEL (Ausgabe 11/2004) einen Beitrag über den Wirtschaftsstandort Deutschland. Auf 25 Seiten wird darin der Eindruck erweckt, Deutschland sei auf dem Weg in eine Armutsrepublik. Ein Kommentar dazu.

      Faulheit, Inkompetenz, Unvernunft und die Gier der Rentner ruinieren das einstmals wohlhabende Land, so Steingart. Die verwendeten Argumente sind so platt wie widersprüchlich. Es ist bezeichnend und entlarvend für die Ratlosigkeit der Ökonomen, dass man einer derart wirren Analyse so viel Platz einräumt.

      In epischer Breite führt der Autor, Gabor Steingart, aus, wie sich unser Wohlstand "verflüchtigt", dass er "von Monat zu Monat schrumpft", dass Politik die Sicherung des Lebensstandards nicht versprechen kann, wenn er nicht produziert wird und dass das "Modell Deutschland" vom Rest der Wohlstandswelt "abgehängt" wird. "Der Riese stapft unvermindert nach unten, und niemand, so scheint es, versperrt ihm den Weg."

      Ursache dieser Entwicklung sei "das Schmelzen des produktiven Kerns" der Volkswirtschaft und seiner Energieleistung. Nur dieser industrielle Kern, so wird in mystisch verklärten Worten erläutert, schafft die Basis unseres Wohlstandes. Aber, so der Autor: "Wo gewaltige Energien sich freisetzen ließen und der eigentliche Urknall einer modernen Volkswirtschaft sich ereignet, herrscht heute große Stille."

      Schuld an dem Desaster sei zunächst der "Steuer-Staat", der mit immer neuen Schulden für Wirtschaftswachstum sorgt, das scheinbar gar nicht existiert. Und schuld sind natürlich die faulen Arbeitnehmer, deren viele Freizeit die Lohnkosten in die Höhe treibt und so den "Export von Arbeitsplätzen" erzwingt.

      Der Gipfel der Unverschämtheit wird im zweiten Teil ausgebreitet: Adenauer habe den Rentnern völlig überzogene Renten versprochen, um seine Widerwahl zu sichern und die Politiker aller Parteien können davon nicht mehr abkommen, weil sie sonst abgewählt würden. Die Renten jener Menschen also, die mit ihrer Arbeit einen beinahe unvorstellbaren Wohlstand geschaffen haben, sind nach dieser These schuld daran, dass nicht immer mehr Wohlstand produziert wird.

      Ein kleiner Lichtblick taucht am Ende des Beitrags auf. Kurz wird erwähnt, dass neben dem unvorstellbar großen Schuldenberg auch große Vermögen gebildet wurden. Diese Vermögen, die der Autor für "geronnene Arbeit" hält, "erwirtschaften ohne allzu großes Zutun seiner Besitzer Zinsen …". Warum aber steht hier nicht, dass allein diese Zinsen mittlerweile ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen, dass sie mehr als dreißig Prozent der jährlichen Leistungen regelrecht auffressen. Hat der Autor übersehen, dass die ständig zunehmenden Zinsausgaben der Grund sind für sinkende Nettolöhne, für fehlende Investitionen in Forschung und Bildung oder für den Konkurs vieler Betriebe? Seine Zahlen beweisen, dass in Deutschland mehr Wohlstand als je zuvor produziert wird. Würde er sie kritisch betrachten, sähe er, dass durch die Zinsströme neunzig Prozent der Menschen von diesem Zuwachs abgeschnitten sind.

      An einer Stelle wird das verheerende Ausmaß der Zinslasten benannt. Warum ist dabei aber lediglich von den öffentlichen Schulden die Rede? Weiß der Autor womöglich gar nicht, dass die Schuldenlast der Industriebetriebe in etwa die doppelte Summe ausmacht? Hat er übersehen, dass deren Zinslasten sowohl die Löhne als auch die Preise der Waren erheblich belasten?

      Kein Wort davon, dass Deutschland Exportweltmeister ist und dass dieser Exportüberschuss zu Lasten der Arbeitenden in anderen Ländern geht. Ignoriert wird, dass auch in den Ländern mit Niedriglöhnen Millionen Menschen ohne Arbeit sind, dass in Ländern mit geringeren Lohnnebenkosten Millionen Menschen ohne Alters-, Kranken- und Pflegeversicherung überleben müssen. Übersehen wird, dass Länder mit hohen Wachstumsraten auf einem Niveau wirtschaften, das Deutschland lange hinter sich gelassen hat. Wir haben bereits ein Wohlstandsniveau erreicht, von dem Griechen, Slowaken und Iren noch träumen. Kein Wort davon, dass in einem begrenzten Wirtschaftsraum nicht auf alle Zeit, mit ständig steigendem Tempo, immer noch mehr produziert werden kann. Bedacht wird auch nicht, dass die Konsumenten schon heute, selbst mit allergrößtem Werbeaufwand, nicht dazu zu bringen sind, von Jahr zu Jahr mehr zu konsumieren. Und leider vergisst der Autor auch zu beschreiben, was "Null-Wachstum" bedeutet, nämlich jedes Jahr so viel Wohlstand zu erzeugen, wie im aktuellen Jahr - eine gigantische Menge. Er übersieht, dass durch den Produktivitätszuwachs weltweit immer weniger Arbeiter zur Produktion der Güter gebraucht werden, dass nur durch drastische Arbeitszeitverkürzung die Arbeit auf alle verteilt werden kann und dass schon das Sinken des Zinsniveaus von fünf auf dreieinhalb Prozent eine Summe einsparen würde, die für vier Millionen Bruttolöhne ausreichen würde.

      Gabor Steingart mag man die einseitige Interpretation seiner "Fakten" nachsehen. Es würde nicht zu seinem Buchtitel "Der Abstieg eines Superstars" passen, die Leistungen der Gesellschaft aufzuzählen. Er möchte Geld verdienen und dies ist nun mal leichter mit Büchern zu schaffen, die in das allgemeine Jammern einstimmen und Katastrophenstimmung verbreiten. Was aber bewegt die SPIEGEL-Redaktion in der so aus dem Rahmen fallenden Länge ein derart schiefes Bild von der Lage in Deutschland zu verbreiten?

      Die Zusammenstellung der Auszüge ist langatmig und nichts sagend. Einem entscheidenden Faktor, dem "Zinsmechanismus" wird nur wenig, zu wenig Platz eingeräumt: "Die Verschuldung nährt sich aus sich selbst heraus" wird die Bundesbank zitiert und weiter heißt es, für "Albert Einstein war der Zinseszinseffekt ´die größte Entdeckung der Mathematik´". Ich wünsche mir, dass diese Entdeckung auch einigen Redakteuren des Spiegels zuteil wird. Dann werden wir demnächst eine Fortsetzungsserie mit Auszügen aus "Das Geld-Syndrom" von Helmut Creutz im SPIEGEL lesen. Eine Serie, die sich über Monate hinziehen muss, weil sich die Redaktion schwer tun wird, sich auf wenige Kapitel zu beschränken. Eine Serie, die die Leser fesseln wird wie seinerzeit die Fernsehserie Dallas das TV-Publikum.

      Der SPIEGEL-Artikel ist gegen Bezahlung online abrufbar. Ob er das Geld wert ist, darf bezweifelt werden.

      von Redaktion - 23. Mar 2004
      Avatar
      schrieb am 23.03.04 11:05:33
      Beitrag Nr. 1.535 ()
      "dass schon das Sinken des Zinsniveaus von fünf auf dreieinhalb Prozent eine Summe einsparen würde, die für vier Millionen Bruttolöhne ausreichen würde"

      Welche 5%? Wie alt ist der Artikel? Wie antiquiert ist "Redaktion"? Stand 1848, letzte Lektüre: kommunistisches Manifest?

      Alte VWL-Regel: Zinsen haben ungefähr so hoch zu sein wie das Trendwachstum. Alles andere ist Aufforderung zu Fehlallokation und Kreditblasenbildung. Produktivitätszuwachs gibt es seit 10000 Jahren. Zeit, ihn abzuschaffen?

      Quatsch bleibt Quatsch
      Avatar
      schrieb am 23.03.04 13:52:17
      Beitrag Nr. 1.536 ()
      eben, und wenn wir Nullwachstum haben wie bei uns, dann brauchen wir auch 0 % Zinsen.
      Und bei negativem Wachstum brauechten wir eine Geldhaltesteuer wie von den Freiwirten gefordert.

      Solche dynamischen Zinsen waeren oekonomisch das allerwichtigste!
      Nur mit dem xxxxxten globalisierten Kapital ist das leider
      schwer...


      Um dann noch dass Problem der endlichen Ressourcen und Umweltregenrationskapazitaeten zu loesen, brauechten wir noch eine ebenso dynamische Nachhaltigkeitssteuer, die im uebrigen auch dazu fuehren wuerde, dass menschliche Arbeitskraft wieder billiger wuerde ...


      Es ist eigentlich simpel, aber was macht unsere globale Fuehrungselite?
      Wo ist das Problem, diesen Leuten wuerde es unwesentlich schlechter gehen, wuerden solche Regeln umgesetzt. Sind die blind?
      Von einer in Dreck und Hunger lebenden ungebildeten Bevoelkerung kann man nicht erwarten, dass sie sich fuer derlei notwendige Regelungen einsetzen...
      Avatar
      schrieb am 23.03.04 16:44:50
      Beitrag Nr. 1.537 ()
      Debatte um Ökosteuer wieder aufgeflammt

      Nachdem die steuergeduldigen Deutschen sich fast schon an die Ökosteuer gewöhnt zu haben scheinen, lebt die Debatte um diese der Umwelt keineswegs nützliche Verknappungs- und Verteuerungsabgabe wieder auf - und auch noch von unerwarteter Seite angestoßen, nämlich von Wirtschaftsminister Clement. Dies zeigt, daß selbst die Deutschen nicht mehr alles mit sich machen lassen, und die Schatzhebungen des Ökoregimes auch Jahre nach ihrer Einführung noch nicht hingenommen werden.

      So hatte Clement letzte Woche der "Berliner Zeitung" gesagt, man müsse die Ökosteuer, die Kraft-Wärme-Kopplung und das planwirtschaftliche Energieeinspeisungsgesetz grundlegend überdenken, wenn der Zertifikatehandel in 2006 oder in 2007 funktioniere. Dann müsse entschieden werden, ob man die bisherigen Instrumente noch benötige.

      Ist dies auch noch keine Fundamentalkritik an der Energieverknappungs- und Verteuerungspolitik der Regierung, so zeigt es doch nachdenkenswerte Ansätze. Dies offenbart sich auch daran, daß Clement festgestellt haben soll, daß Deutschland schon jetzt die "höchsten Strompreise in Europa" habe, und sich weitere Einschränkungen nicht leisten könne. Wie Recht er hat: da kriegen wir also offen von einem Bundesminister gesagt, daß es bereits jetzt gravierende Restriktionen gegen die wirtschaftlichen Wahlhandlungsfreiheiten gibt, was man in der Ökonomischen Theorie mit "Planwirtschaft" bezeichnet, und daß dies bereits zu gravierenden Mißständen, nämlich den höchsten Preisen Europas geführt hat.

      Den Zertifikatehandel selbst, der ab 2005 die Energiewirtschaft in eine komplett überwachte Planwirtschaft überführen soll, grundsätzlich in Frage zu stellen, wagt der Minister offensichtlich nicht, doch zeigt dieser Vorfall, daß offensichtlich die Anti-Energie-Lobby nicht mehr ganz so geschlossen steht, wie es den Anschein hat. Offenbar kommt der vorgebliche Treibhauseffekt doch langsam abhanden. Immerhin soll er aber auch gesagt haben, daß Deutschland dieses Argument "eigentlich nicht brauche", weil durch den Abbau der alten DDR-Industrie das Verknappungsziel schon jetzt erreicht sei. Ein Minister, der so selbständig nachdenkt, ist weiß Gott keine Selbstverständlichkeit in deutschen Regierungen.

      Unterdessen hat der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp, Ekkehard Schulz angekündigt, die Produktion zurückzufahren und Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen, um besser mit Emissionszertifikaten handeln zu können. Dies bestätigt die Vorhersage des BWL-Boten vom Jahresende 2003, daß die entstehende CO2-Planwirtschaft zu einem massiven Arbeitsplatzabbau führen wird. Bislang sind die Vertreter der entstehenden Ökodiktatur unbestechlich, sie nehmen nichtmal Vernunft an und fordern weitere Repressionen. So soll Deutschland bis zum 31. März den nationalen Rationierungsplan nach Brüssel gemeldet haben. Grünen-Vorsitzender Bütikofer hat Clement kritisiert, daß bei Erfüllung aller Forderungen Clements eine Erhöhung des CO2-Ausstoßes entstünde. Offensichtlich fürchtet der Grüne Verknapper, daß dann die Energiepreise sogar ein wenig sinken könnten, und das darf natürlich nicht sein.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 23.03.04 16:48:51
      Beitrag Nr. 1.538 ()
      Axel Retz

      Terror, die Zweite/Und die Börsen?



      http://nachrichten.boerse.de/anzeige.php3?id=8436f081
      Avatar
      schrieb am 23.03.04 18:06:58
      Beitrag Nr. 1.539 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://spatzseite.de

      Gleich, gleich! - Und was kommt danach? 21.03.2004


      DIESE WOCHE
      In diesem düsteren Beitrag untersucht der Spatz den Zustand der Finanzwirtschaft. Er findet, daß es inzwischen nicht mehr um die Kräfte des Marktes, sondern die der Macht geht, und wie man diese Macht aufrechterhalten kann: mit Terror, zum Beispiel, und Kontrolle der Medien. Rechtzeitig nach den Attentaten von Spanien finden wir, wofür solche Mordtaten wirklich gut sind.



      Keiner Einbrecher bricht beim zweiten Mal durchs gleiche Loch, oder?




      Die Krise ist mehr oder weniger unabwendbar. Einer von 73 US-Haushalten hat im letzten Jahr schon den Finger gehoben: zahlungsunfähig! Und das ganze bei Zinsen, die so niedrig sind wie 50 Jahre nicht mehr. 15 Millionen Arme kennt das reichste Land, wenn es Armen dort auch besser geht als in manchem anderen Land. 45 Millionen Amerikaner können sich nicht mehr leisten, in eine Krankenkasse einzuzahlen. 15 Millionen Kinder gehen in den USA betteln, um davon zu leben. Das sind einige Errungenschaften des reichsten Landes der Welt, das alle anderen Länder für sein Wohlergehen mit einem guten Gefühl hat bluten lassen, weil es "the most fittest" ist.

      Nun achtet man auf die Wohnungspreise nicht nur in den USA und England, sondern in vielen Ländern. Ihr Wert stieg über die letzten Jahre enorm an. Das hob den Betrag der Hypothekenbelastbarkeit und verschaffte vielen Familien etwas zusätzliches Geld, um über die Runden zu kommen. Nun wird die Zinsbelastung auch bei extrem niedrigen Zinssätzen unbezahlbar. Etwas höhere Zinsen, und die Blase platzt. Greenspan und Co wollen die Zinsen weiter niedrig halten und lassen die Inflation galoppieren. Was passiert, wenn diese aus dem engen Gehege der Wertpapierspekulation ausbricht und die Preise trifft? Alles wird teurer! Der gleiche Effekt: der nackte Lebensunterhalt läßt für Zinsen nichts mehr übrig, und Häuschenbesitzer müssen sich von ihrer Wohnung trennen. Wer wird sie kaufen und zu welchem Preis?

      Wie man sich wendet, man wird, wenn man nur von einem Preisverfall von 10% ausgeht, 50 Billionen US$ Wert aus den überhöhten Haus- und Wohnungspreisen abschreiben müssen. Das ist mehr als ein Jahres Brutto-Weltprodukt. Entsprechend viele Hypotheken erweisen sich plötzlich als nicht gedeckt und müssen zurückgezahlt werden - womit? Noch mehr Derivate-Verträgen fällt der Boden unten heraus. Was bisher als Guthaben galt, kehrt sich in eine Schuld um. Nach der London Financial Times hat einer der beiden staatlich gestützten Hypothekenrückversicherer der USA "Fannie Mae", im Derivatgeschäft Verluste von 25 Milliarden US$ wegzustecken. Die Derivatebestände der Firma liegen laut der US Securities and Exchange Commission (SEC) bei insgesamt 1,04 Billion Dollar. Diese liegen wieder als weiter abgeleitete Derivate oder als Hypotheken gedeckte Securities (MBS) bei Banken und Sparkassen und würden plötzlich verschwinden. Das Vertrauen in die Banken verschwindet mit, vor allem seit bekannt wird, daß diese Banken (die sogenannte "Deutsche" Bank ist mit von der Partie) dem Publikum noch lange Worldcom Anleihen verkauft hatten, als sie schon wußten, daß diese Firma Pleite war. Es gab und gibt viele Parmalats. Wer würde diesen Experten nach den Erfahrungen noch ein "Wertpapier" abkaufen? Sie haben Recht: Viele.

      Aber wie soll das Ganze auf Dauer gehandhabt werden? Die Lockerung der Geldbremse dürfte die schleichende Inflation voll ausbrechen lassen. Also wird man beides tun: Geld drucken, aber so wenig als nötig, um das Ganze "unter Kontrolle" zu halten. Das heißt perfekte Stagflation, wie es schon in den 70er Jahren diskutiert wurde, nur, daß das Wachstum des inflationären und des stagnierenden Zugs exponentiell zunimmt. Die theoretische Grenze ist die Leidensfähigkeit der Menschen zwischen den beiden Mühlsteinen. Wie lange spielen Sie mit? Geht man von deutschen Verhältnissen aus, dann bis sich alle freiwillig ihr eigenes Grab schaufeln. Aber es sind nicht alle Deutsche.

      Das wissen natürlich auch diejenigen, die das Karussell Anfang der 70er in dieser Weise zum drehen gebracht hatten, um "sozialere" und damit etwas langlebigere Kapitalismen, wie den rheinischen oder den japanischen, auszuschalten und umzukrempeln. Das wurde dann nach dem Ende des real existierenden Sozialismus radikal zu Ende geführt.

      Die erste Reaktion setzte eine Umlagerung der Verdienstquellen ein. Statt den Menschen "Luxus"-Güter gegen alle möglichen Formen von Ratenkaufverträgen und Kundenkrediten anzudrehen, besann man sich auf "unelastischere" Güter. Die Big Player verkauften ihre Unternehmensanteile an leichtgläubige Anleger und kauften Rohstoffe, die gesamte Ursprungsindustrie, dazu Wasserwerke, Kraftwerke, ging ins Entsorgungsgewerbe und vor allem in den Medizinbereich. Um diese Schlüsselindustrien in den Griff zu bekommen, mußte man sie "privatisieren". Unsere Väter hatten aus gutem Grund, nämlich um die Abhängigkeit von Einzelunternehmen möglichst gering zu halten, Eigentumsformen entwickelt hatten, die eine öffentliche Kontrolle ohne die betriebswirtschaftliche Eigeninitiative zu blockieren, ermöglichte, wie z.B. die verschiedenen Formen der gemeindlichen oder übergemeindlichen Zweckverbände. Es war Aufgabe der "Politik" diese Verbände aufzubrechen, zu "deregulieren", um sie den Big Players anzudienern, sie zu privatisieren. Denn die Spieler wissen: gesoffen und gefressen muß auch in der Krise werden, und wenn schon - dann zu unseren Bedingungen und nur diejenige, die uns gehorchen. Macht, nicht Geld, heißt das Spiel.

      Die zweite Reaktion erleben wir heute: Das Finanzsystem ist nicht zu retten und damit zerreißt der Schleier des scheinbaren Automatismus der wirtschaftlichen Entwicklungen. In Zukunft entscheidet nicht der Markt, sondern ein Machtapparat darüber, was geschieht. Kein Machtapparat kann gegen die große Mehrheit der Bevölkerung existieren. Das gilt selbst für Deutschland. Das heißt, die Bevölkerung muß, wenn sie "vernünftig" sein will, vorbereitet werden, diesen Machtapparat zu ertragen und sich seinem Diktat zu fügen. Sie muß zustimmen. Das wurde von den Medien bisher an Hand "Anerkannter Wissenschaftler und Politiker", Stars, den Heulbojen der Popkultur oder den Ekelpaketen der sogenannten "ernsten Kultur" geübt. Nun wird es ernst. Wie ist diese "vernünftige Zustimmung" zu erreichen? Dafür gibt es immer zwei Mittel, die Hand in Hand arbeiten: Populismus und Terror.

      Leute wundern sich, daß Leute aus dem Zentrum des Finanzsystems wie z.B. Stiglitz der Ökonomienobelpreisträger oder Soros der Oberspekulant aber auch ein Weltbankpräsident und andere, ein Herz für den "kleinen Mann" entwickeln und gegen die Exzesse der Spekulation wettern. "Kraft durch Freude" und "Winterhilfswerk", bei dem auch ein Hjalmar Schacht mit der Sammelbüchse medienwirksam auf der Straße sammelt, gehören dazu, wenn in Nacht und Nebel die Gestapo, eine Todesschwadron oder "nur" die US- oder die israelische Luftwaffe "verdächtige Elemente", "Terroristen" oder dergleichen angreift oder einfach umlegt. Dazu gehören auch die anderen, der die Zeche zahlen sollen, der Jude, der Palästinenser, Islamisten, Kommunisten, Sozialisten, Hexen, Christen - was Sie wollen, d.h. was die tobende oder schweigende Mehrheit will (damit sie nicht am Ende gar "mit Gebrüll" gegen die Verantwortlichen vorginge). In offensichtlich bereits gebrochenen Völkerschaften, wie in Japan und Deutschland, experimentiert man schon seit längerem mit der masochistischen Form des Terrors und hier mit einer antinationalen und einer antiindustriellen (grünen) Variante. Zustimmung wird mit eiserner Hand und mit betrügerischer Süßholzraspelei erschlichen und erzwungen. Populistische Massenbewegungen gehen immer einher mit Terror, damit die Leute den "Anerkannten" möglichst freiwillig bis zum Schlachthaus folgen.

      "Das war früher so, aber doch heute nicht mehr!" meinen Sie vielleicht. Spanien lehrte es uns anders: Die Bomben am letzten Mittwoch/Donnerstag haben in Madrid "die ETA" gelegt, andere machen "Al Quaeda" verantwortlich. Das paßt den einen oder den anderen in den Kram. Was ihnen nicht in den Kram paßt, ist das Wahlergebnis. So weit, so allgemein bekannt. Weniger bekannt ist. Daß die Regierung alle Medien anhielt, die richtige Parole auszugeben und das diese Medien auch alle wider besseres Wissen logen. Auch wenig bekannt sind die Pläne A und B, mit dem der Innenminister des Aznar-Regimes am 12. März bei König Carlos auftauchte: Plan A sah vor, den Nationalen Notstand auszurufen. Sollte der nicht ziehen, sah der gemäßigtere Plan B vor, die Wahlen mindestens um 2 Monate zu verschieben. Der König wollte sich an dem Putsch nicht beteiligen und unterschrieb nicht. Am Tag danach verhinderte das unerwartete Wahlergebnis in dieser Sache weitere Putschversuche.

      Was sagt uns das? Nun, Indizien lassen sich herstellen. Wie sie sich erinnern, flog der Paß des Attentäters Atta aus der Feuerbrunst des in das WTR "gecrashte" Flugzeugs den Sicherheitskräften direkt vor die Füße - und lieferte die nötigen "facts and figures" zum eindeutigen Beleg der gewünschten Al-Quaeda-These. Offensichtlich lassen sich verzweifelte Marokkaner finden, die zu vielerlei bereit sind, wenn man sie zu nehmen weiß und entsprechend auf ihre Ressentiments drückt. Das gilt auch für Araber, Palästinenser oder Leute aus der südamerikanischen Unterklasse (von unserem Antikommunismus und Antikapitalismus abgesehen). Für Psychologen ist so etwas ein Kinderspiel.

      Wenn man nach Parallelen sucht, müßte man sich an den Piazza Fontana Vorfall von 1969 in Mailand (mit 17 Opfern) oder noch deutlicher, an die 10 Bomben, die im August 1980 gleichzeitig im Bahnhof von Bologna (mit 85 Opfern) detonierten, erinnern. Auch damals standen sofort "linke" Terroristen und Anarchisten fest. Später flogen peinlicherweise die P2-Loge und Operation Gladio als Täter auf. Beides waren Filialen der CIA (als Inbegriff für das US-Netz) und der NATO (als Inbegriff der Dienste bei uns, die es gar nicht geben darf). Das Problem in Italien war damals die mögliche Bildung einer Mittelinks-Regierung, die im Kalten Krieg die Machtkonstellation gefährdet hätte - und das man noch zu wenig Erfahrungen mit dem Spurenlegen hatte. Heute geht es für eine viel kleinere Clique um viel mehr - um die Macht schlechthin, in Geld ausgedrückt, um das Machtäquivalent von Billionen Dollar. Dafür läßt man sich schon etwas einfallen.

      Die Frage ist aber, was der Gegenseite einfällt, der Masse, die von der Clique gegeneinander gehetzt wird, um sich gegenseitig fertigzumachen, wie zur Zeit die Rebellen in Schwarzafrika. Sie sehen, es lohnte sich, etwas über die eigene Zukunft nachzudenken. Doch wie schreit der kleine Junge, den man vom Spielen weg zur Arbeit ruft: "Gleich!" Irgendwann ist es zu spät - nicht für den Jungen, sondern für kindisch gebliebene "vernünftige" Alte.
      Avatar
      schrieb am 23.03.04 19:44:54
      Beitrag Nr. 1.540 ()
      Dow, S&P 500 und Nasdaq unter der Lupe
      ++ Dow Jones und Dow Jones Transport ++


      Von Claus Vogt

      Das an dieser Stelle im vergangenen Monat angekündigte Verkaufssignal der Dow Theory ist mittlerweile Realität geworden. Diese Entwicklung allein wäre bereits ausreichend, um von einer erheblichen Eintrübung der technischen Verfassung des Aktienmarktes zu sprechen. Hinzu kommt der nunmehr erfolgte Ausbruch aus dem großen Baissekeil, den wir im Januar ausführlicher besprochen haben. Damit wurden in den vergangenen Wochen zwei sehr ernstzunehmende Verkaufssignale gegeben, die beide das Ende der rund einjährigen Hausse oder Bearmarket-Rallye prognostizieren. Sowohl das Umsatzverhalten als auch zahlreiche Indikatoren, insbesondere auch die auf Wochenbasis berechneten mittel- bis langfristigen, bestätigen diese bearishe Interpretation.

      Für den Dow Jones Industrial Average erwarten wir kurzfristig eine Fortsetzung der Abwärtsbewegung in den Bereich der steigenden 200-Tage-Durchschnittlinie. Sie verläuft aktuell bei etwa 9.800 Punkten. In diesem Bereich befindet sich auch die erste Unterstützungszone, deren untere Grenze bei etwa 9.500 liegt. Diese Zone sollte genügend Unterstützung bieten, um als Ausgangspunkt einer ausgedehnten Rallye dienen zu können. Die technische Verfassung der ersten Aufwärtsbewegung nach diesem jetzt erfolgten, technisch markanten Kursrückgang sollte uns zeigen, ob wir mit einer schnellen Fortsetzung der Abwärtsbewegung rechnen müssen oder eher mit einer ausgeprägten Seitwärtsbewegung, in deren Verlauf sich eine obere Umkehrformation herausbilden müßte.

      Der Dow Jones Transportation Average hat seine steigende 200-Tage-Durchschnittlinie, die bei knapp 2800 Zählern verläuft, bereits getestet. Damit beträgt die Korrektur schon 10%. Bis jetzt hat die doppelte Unterstützung im Bereich von 2800 Punkten gehalten. Wie letzten Monat bereits ausgeführt kommt dieser Marke eine wichtige Bedeutung zu. Sie bildet die Untergrenze einer rund halbjährigen potentiellen oberen Umkehrformation. Ein Ausbruch nach unten würde ein weiteres wichtiges Verkaufssignal erzeugen und unabhängig von den beiden oben genannten das Ende der einjährigen Bearmarket-Rallye in diesem Index signalisieren.

      ++ Nasdaq übernimmt Führungsrolle ++

      S&P 500

      Auch dieser breitgefaßte Index zeigt im Wochenchart einen Baissekeil, aus dem Mitte März der Ausbruch nach unten erfolgte. Diese Chartformation ist typisch für eine Bearmarket-Rallye, auch wenn sie dieses Mal ungewöhnlich lang gedauert hat. Mit dem Ausbruch nach unten signalisiert sie das Ende der Bearmarket-Rallye und die Wiederaufnahme des Abwärtstrends. Die steigende 200-Tage-Durchschnittlinie verläuft bei rund 1.050 Punkten. Kurzfristig erwarten wir weiterhin einen Test dieser Marke. Hier befindet sich auch die Obergrenze einer breiten Unterstützungszone, die sich bis in den Bereich bei 960 Zählern erstreckt.

      Nasdaq Composite

      Der Nasdaq kam während der Bearmarket-Rallye eine Führungsrolle zu. Dieser Index erreichte seine Tiefs bereits im Oktober 2002 und blieb im März 2003 weit oberhalb dieses Niveaus. Auch jetzt, am potentiellen Ende der Rallye, hat die Nasdaq die Führung übernommen. Hier wurde der Aufwärtstrend als erstes gebrochen, und hier beträgt das Ausmaß der Korrektur bereits gut 10 Prozent. Der obere Bereich der ersten Unterstützungszone wurde bereits verletzt, eine Fortsetzung des Kursrückganges in den unteren Bereich bei etwa 1.880 bis 1.800 Punkten ist wahrscheinlich. Die steigende 200-Tage-Durchschnittlinie verläuft bei 1.880 Punkten.


      Claus Vogt leitet das Research der Berliner Effektenbank.

      http://www.instock.de/Nachrichten/10140059/pos/2
      Avatar
      schrieb am 23.03.04 19:50:27
      Beitrag Nr. 1.541 ()
      Avatar
      schrieb am 25.03.04 14:34:11
      Beitrag Nr. 1.542 ()
      Gedanken über den Krieg im Allgemeinen
      und den Terrorismus im Besonderen

      Egon W. Kreutzer
      22. März 2004

      Terror




      Die Welt erregt sich über den Terror.
      Das ist gut so.



      Es muss Menschen aufregen, wenn Menschen versuchen, mit brutalen und äußerst gewalttätigen Aktionen Angst und Schrecken unter Menschen zu verbreiten.

      Trotzdem habe ich lange gezögert, mich zu Terror, Terrorismus und Terroristen zu äußern. Meine Themen sind die Wirtschafts- und Sozialpolitik, der Arbeitsmarkt, das Geldsystem, aber doch nicht der Terrorismus. Da sind andere kompetenter. Da brauche ich mich nicht auch noch einmischen.

      Feige Lügen. Natürlich habe ich dazu etwas zu sagen.

      Aber in einer paranoiden Zeit, in der jeder schon "Feind" ist, der nur das eigene Denken nicht aufgeben will, der nicht vorbehaltlos glauben will, dass der Kampf gegen den globalen Terrorismus nur gewonnen werden kann, wenn sich dem alles und jeder bedingungslos unterordnet, könnte es klüger sein, zu schweigen. Schweigen ist Gold......



      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14010Terror.html
      Avatar
      schrieb am 25.03.04 14:49:51
      Beitrag Nr. 1.543 ()
      Lohn unter Sozialhilfeniveau ist nicht sittenwidrig

      (Bald ist Sklavenarbeit auch nicht sittenwidrig,
      nämlich mit der Zeit ändert sich auch das Recht)
      Die UN Menschenrrechtskonvention, die Deutschland unterschrieben hat, hat ihre Gültigkeit anscheinend nur auf dem Papier. Was nicht passt, wird übersehen.
      Alles zielt darauf ab: Die Menschen haben der Wirtschaft zu dienen.:mad: :mad:




      Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat in einem gestern veröffentlichten Grundsatzurteil klargestellt, daß auch ein Lohn unter Sozialhilfeniveau nicht notwendigerweise sittenwidrig ist. Die Höhe der Sozialhilfeleistung sei nicht der richtige Maßstab zur Beurteilung der Höhe von Löhnen.

      Das Gericht wies die Klage eines Lagerarbeiters ab, der von Dezember 2000 bis August 2001 bei der Zeitarbeitsfirma Randstad für Stundenlöhne um 12 DM/Std. (ca. 6,10 €/Std.) gearbeitet hatte. Dieser Lohn betrage nur ca. die Hälfte des statistischen Mittellohnes für ungelernte Arbeiter und habe zudem den damals geltenden Sozialhilfesatz nicht überstiegen. Zur Begründung führte das Gericht an, daß der Lohn dem Haustarifvertrag bei der Firma Randstat entsprochen habe und zudem Sozialhilfe nach Bedürftigkeit gezahlt werde und daher kein brauchbarer Maßstab sei. Aktenzeichen: 5 AZR 3003/03.

      Die Wirkungen, die dieses Urteil entfalten könnte, gehen indes über den Einzelfall hinaus, denn es beschleunigt den Weg in Richtung auf die Ausbildung eines Niedriglohnsektors. Obwohl die Sozialhilfe kein individueller Maßstab sein mag, soll doch der durch Arbeit erworbene Primärlohn in seiner Nettosumme die Transferleistungen des Staates in der Regel deutlich übersteigen, schon um einen Anreiz zum eigenständigen Broterwerb zu schaffen. Nunmehr werden jedoch vermutlich vermehrt Niedriglohn-Arbeitsverhältnisse zum oder gar unter dem Sozialhilfesatz unter Berufung auf dieses Urteil angeboten. Das könnte aber auch den Staat verleiten, die Sozialhilfe unter Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung und den Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe auch hinsichtlich ihrer Höhe, die soziale Sicherung noch weiter zu beschneiden.

      So gesehen hat das BAG aber zeitgemäß gehandelt, denn der Absturz der Arbeitsverhältnisse und der Verfall der Löhne gehen mit zunehmender Entindustrialisierung weiter - und die neuerlichen Massenexporte von Arbeitsplätzen aufgrund hoher Lohnkosten und drohenden Zertifikatehandels dürften diese Entwicklung nicht gerade bremsen.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm

      Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen

      Artikel 7
      Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede unterschiedliche Behandlung, welche die vorliegende Erklärung verletzen würde, und gegen jede Aufreizung zu einer derartigen unterschiedlichen Behandlung.


      Artikel 22
      Jeder Mensch hat als Mitglied der Gesellschaft Recht auf soziale Sicherheit; er hat Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Organisation und der Hilfsmittel jedes Staates in den Genuß der für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen.

      Artikel 23
      1) Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit.
      2) Alle Menschen haben ohne jede unterschiedliche Behandlung das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
      3) Jeder Mensch, der arbeitet, hat das Recht auf angemessene und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert und die, wenn nötig, durch andere soziale Schutzmaßnahmen zu ergänzen ist.
      4) Jeder Mensch hat das Recht, zum Schutze seiner Interessen Berufsvereinigungen zu bilden und solchen beizutreten.

      Artikel 24
      Jeder Mensch hat Anspruch auf Erholung und Freizeit sowie auf eine vernünftige Begrenzung der Arbeitszeit und auf periodischen, bezahlten Urlaub.

      Artikel 25
      1) Jeder Mensch hat Anspruch auf eine Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlbefinden, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Betreuung und der notwendigen Leistungen der sozialen Fürsorge, gewährleistet; er hat das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität, Verwitwung, Alter oder von anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.
      2) Mutter und Kind haben Anspruch auf besondere Hilfe und Unterstützung. Alle Kinder, eheliche und uneheliche, genießen den gleichen sozialen Schutz.


      http://www.leserzeitung.de/menschen.html
      Avatar
      schrieb am 25.03.04 14:56:15
      Beitrag Nr. 1.544 ()
      Arbeitsplatzabbau wegen Emissionshandels angekündigt

      Der BWL-Bote hat prognostiziert, daß durch die zwangsweise Einführung des Emissionshandels Arbeitsplätze verloren gehen werden. Insbesondere haben wir vorhergesagt, daß Unternehmen die materielle Produktion in Länder verlegen werden, die dem Protokoll von Kyoto nicht beigetreten sind (Rußland, USA), oder in solche, die von Kyoto ausdrücklich ausgenommen sind (Indien, China), um in Europa besser mit nicht mehr "benötigten" Emissionszertifikaten handeln zu können.

      Diese Prognose bewahrheitet sich offenbar noch schneller als erwartet. So hat der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp, Ekkehard Schulz, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt, man werde eher Arbeitsplätze ins Ausland verlagern als Emissionsrechte hinzukaufen zu müssen. Die Stahlindustrie befindet sich besonders im Visir der Gutmenschen, die unter dem Vorwand des "Klimaschutzes" die materielle Produktion drosseln wollen.

      Wir haben jedoch auch darauf hingewiesen, daß das Exportieren von Jobs durchaus im Interesse der Unternehmen liegt, denn sie können bald mit Klimascheinen mehr Gewinn erzielen als mit dem Verkauf ihrer Produkte: Emissionszertifikate können nicht, wie die Marktpreise für Produkte, Aktien und andere Wertpapiere, ins Bodenlose abstürzen, weil die erlaubte Maximalmenge von sogenannten "Treibhausgasen" von jedes Jahr Brüssel reduziert werden soll, was einen Wertanstieg der "Klimascheine" garantiert. Dieser Hintergrund läßt die Drohung von ThyssenKrupp um so glaubwürdiger erscheinen.

      Die Sache hat natürlich ihr Gutes, denn obwohl Deutschland durch die Demontage der DDR-Industrie ihr "Klimaziel" bereits erreicht hat, soll weiter demontiert werden. Es ist zu erwarten, daß sobald wirklich "Klimascheine" nachgekauft werden müssen, eine geradezu fluchtartige Entwicklung in der Industrie einsetzt. Die absurde Klimaideologie fördert damit Schwellenländer und richtet Deutschland zugrunde wie keine frühere politische Ideologie seit dem zweiten Weltkrieg einschließlich des DDR-Sozialismus. Dies ist aber nicht nur ein Verstoß gegen das immer noch bindende Stabilitätsgesetz, das eine keynesianische antizyklische Wirtschaftspolitik (und keine prozyklische Verstärkung des Absturzes) verbindlich vorschreibt, sondern es erhöht auch den Leidensdruck der Bevölkerung durch beschleunigte Verarmung, so daß mit einem baldigen grundsätzlichen Politikwechsel zu rechnen ist.

      Links zum Thema: Energierationierung: wie funktioniert

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
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      schrieb am 25.03.04 14:58:56
      Beitrag Nr. 1.545 ()
      Wussten Sie schon, dass...?
      (25.03.2004)

      Das amerikanische Handelsbilanzdefizit hat sich in den vergangenen sechs Jahren scharf erhöht. Hauptursache dafür ist der anscheinend unstillbare Bedarf der Verbraucher in den USA an vergleichsweise billigen Importgütern.

      (Quell: Merrill Lynch)

      www.taurosweb.de
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      schrieb am 27.03.04 00:54:42
      Beitrag Nr. 1.546 ()
      Die besondere Arithmetik von "2+4"

      Reinhard Jellen 25.03.2004
      Was sind "angebliche Reiche"? Ein Medienwatch in neoliberalen Zeiten


      Allwöchentlich am Sonntag-Abend geben die "TV-Legende" (n-tv) Heiner Bremer und die Fernsehjournalistin Leo Busch sich ein Stelldichein bei dem Nachrichtensender n-tv mit vier plauschenden (im n-tv-Jargon: "Entscheider, Kenner, Macher") Studiogästen aus Politik, Wirtschaft, Publizistik und Wissenschaft. Am letzten Festtag waren zu dem flott formulierten Thema "Tschüss, Genossen! Kommt Schröder jetzt besser klar?" die Vize-Vorsitzende des DGB Ursula Engelen-Kefer, der thüringische Ministerpräsident der CDU Dieter Althaus, der Historiker und Publizist Arnulf Baring und das SPD-Vorstandsmitglied Ludwig Stiegler geladen.







      Dabei kam es zu einer deutlichen Überrepräsentation bestimmter Positionen, die nicht nur durch die Auswahl der Gäste, die mit der Ausnahme von Frau Engelen-Kefer in verschiedenen Härtegraden alle in das selbe neoliberale Horn stießen, sondern durch die vielfach parteiische Art der Moderation bedingt war. Nach einer groben quantitativen und qualitativen Analyse der verschiedenen Redebeiträge auf dem Sofa des Glossisten wurde die besondere Arithmetik dieser Talkshow offenbar.


      Das geistige Prinzip einer Häckselmaschine


      Während das Moderatoren-Team 18% der Gesprächsanteile bestritt, kam Althaus auf 26%, Stiegler auf 24%, Baring auf 17% und Engelen- Kefer auf 15%. Wenn man die Zahl der Unterbrechungen von Seiten der Moderatoren berücksichtigt, wird dieser Trend noch verstärkt: Während die Ausführungen der drei männlichen Kombattanten überwiegend durch erläuternde und ergänzende Zusatzfragen der Moderatoren flankiert wurden, war im Gespräch mit Frau Engelen-Kefer das geistige Prinzip einer Häckselmaschine angesagt. Insgesamt zwölfmal musste sie versuchen (mehrmals hatte sie vorher nur einen Satz gesprochen), den Gesprächsstrang wiederaufzunehmen, nachdem sie von den Moderatoren mit Bemerkungen wie "Der langen Rede kurzer Sinn?", "Redet der Müntefehring am 1. Mai? Den Schröder wollt ihr ja nicht haben!" und "Wir müssen hier nicht das ganze Programm des DGB vortragen" abgekanzelt worden war. Dabei wäre auch bei den anderen Talkshow-Gästen durchaus das Potential für kritische Fragen vorhanden gewesen.





      Z.B. wäre dem gelegentlich schon mal von Adolf Hitler schwärmenden Herrn Professor Arnulf Baring nach der Behauptung, dass "in allen Bereichen und allen Sparten das Land verarmt ist, wir weit über unsere Verhältnisse gelebt haben und wir eine ganze harte Zeit vor uns haben" schon mal kurz die Frage nach etwaigen gekürzten Bezügen seines Publizisten- und Professorengehalts oder seiner Rente zu gönnen gewesen. Auch hätte man zusätzlich zu den Ausführungen von Althaus (der sich mit Bemerkungen wie "Wir müssen die Tarifverträge nach unten öffnen, weil wir sonst einen Teil unserer Gesellschaft von regulärer Arbeit ausschließen!" auffallend stark für die Ängste und Nöte des kleinen Mannes einsetzte), dass "die Sozialsysteme eigentlich kollabiert, nicht zukunftsfähig sind" und "wir den Leuten immer noch vormachen, wir könnten im System reformieren" gerne erfahren, was dies konkret heißen soll.

      Oder man hätte mit Vergnügen Aufschluss darüber gehabt, was er denn bei seiner philosophischen Kritik an verteilungspolitischen Optionen: "Es gibt so viele Reiche in diesem Land, wenn wir die stärker belasten wird für die Armen mehr übrig bleiben - diese ganze törichte Politik ist an der Wand gelandet, weil die angeblich Reichen sie erstens nicht mitmachen und zweitens müssen wir mehr Kapital im Land binden" unter angeblichen Reichen versteht und ob er tatsächlich meint, dass eine These am Besten in der Weise begründet wird, indem man wie ein tibetanischer Bettelmönch die bekannte Litanei ständig wiederholt. Überdies hätte sich bei der Feststellung, dass die Gewerkschaften nur die Perspektiven ihrer Mitglieder und nicht die der Arbeitslosen vertreten, die Frage aufgedrängt, ob er denn tatsächlich meint, dass der Arbeitgeberverbandsvorsitzende Hundt, dem keine Kürzung der Sozialleistungen weit genug geht, eine bessere Interessenvertretung der Arbeitslosen sei.

      Vorwärts in die Vergangenheit


      Dafür wurden dem CDU-Mann zur Beantwortung der mutigen, nicht-suggestiven und vollkommen unpolemischen Frage "Herr Althaus, ist der Eindruck völlig falsch, wenn man sagt, bei den Gewerkschaften hat man den Eindruck, dass sie beschwingt die Fahne schwenken und den Chor vorgeben `Vorwärts in die Vergangenheit` und wenn sie gefragt werden, wie sie was lösen wollen, kommen immer nur die gleichen Denkmuster: Vermögenssteuer rauf, Erbschaftssteuer rauf, keine Verschärfung für Arbeitslose, die Jobs suchen - ist das reine Polemik?" fast vier Minuten Zeit gegeben. Und das Publikum lacht und klatscht dazu.

      Bei so viel journalistischer Unparteilichkeit und Sorgfalt verwundert es kaum, dass Engelen-Kefer auf Angriffe, die gegen sie persönlich gerichtet waren, kaum einen Satz entgegnen durfte ( auch wenn z.B. die Behauptung von dem rechtsaußenkonservativen Talkshow-Rowdy Baring "Sie verdunkelt systematisch, dass sie nicht begriffen hat, dass wir in einer anderen Welt leben wie sie ausgibt" selbst ein wenig dunkel blieb). Statt dessen wurde sie von Heiner Bremer bei Gelegenheit sofort angestupst und bekam von diesem Herrn (der wohl erst sehr spät an sein erstes Date gekommen ist und sich dementsprechend immer noch nicht merken kann, welches Benehmen sich bei einer Dame ziemt) zu hören: "Wir wollen hier zu viert (?) diskutieren, wenn es erlaubt ist."


      Wie der brennende sprach Co-Moderatorin Busch auch nicht gerade viel, nur wenn sie ihre eigene politisches Verwirrtheit ("Wo stehen die Gewerkschaften? Ich versteh´s langsam nicht mehr!") freiheraus bekunden wollte. Kurzum: Die besondere Arithmetik von "2+4" war an diesem Abend "Fünf gegen eine", wobei der schlimmste Kesseltreiber der Moderator Heiner Bremer selber war. (Der wurde übrigens in seiner Funktion als Nachrichtensprecher des "RTL-Nachtmagazins" von Stefan Raab hochgenommen, weil er dort, wenn es Probleme mit dem Prompter gab, regelmäßig zu Stottern anfing und dazu ein Gesicht gemacht hat wie ein Schulbub, der auf dem Pausenhof "ausgesackelt" wird).

      "2+4" gemahnt an eine römische Freiluftshow, in der seinerzeit die in fröhlicher Askese dahinlebenden Urchristen zu einer nicht unbedingt als fair zu bezeichnenden Ränkelei mit nicht gar nicht so zum Kuscheln geeigneten, ausgehungerten, fremdländischen Feliden geladen waren. Dafür darbt heutzutage das Publikum an den Fernsehgeräten vor so viel vorgetragener Gehirnerweichung. Aber würde man (auch an sich selbst) nicht tagtäglich die Tendenz hin zu einer totalen Verblödung feststellen, gäbe es vermutlich überhaupt keinen Fortschritt in der Welt.
      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/glosse/17033/1.html
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      schrieb am 27.03.04 00:57:57
      Beitrag Nr. 1.547 ()
      Vorsicht Falschgeld

      Täuschend echte „Blüten“ aus Osteuropa werden auch am Bankschalter nicht erkannt





      Von Sabina Wolf


      Der Täter kam mittags, als in der Apotheke Hochbetrieb herrschte. Irgendwie war ihr der Mann suspekt, der mit dem 100er zahlte, erinnert sich die Apothekerin Inge Peters später. Sie hatte den Schein ganz genau geprüft: Wasserzeichen, Silberstreifen, und so weiter. „Ich habe ihn deswegen genau untersucht, weil mir etwas verdächtig war. Ich würde nicht jeden 100-Euroschein so genau der Reihe nach untersuchen nach den Merkmalen, die mir wichtig scheinen. Danach hatte ich den Eindruck: Er scheint doch echt zu sein, vielleicht ist er mal gebügelt worden“, berichtet Inge Peters.

      Zwei Cremes hatte der Täter gekauft. Wechselgeld und Warenwert sind für die Apotheke verloren, denn die Note war falsch. Von unglaublich guter Qualität ist diese neue Generation von Blüten, hergestellt von Fälscherbanden aus Osteuropa, sagt die Polizei. Selbst mit der Prüfung unter dem UV-Licht hatte die Apothekerin den Schein nicht als Falschgeld identifizieren können.

      Diese hochqualitativen Blüten kommen derzeit aus Litauen und Bulgarien nach Deutschland. Die Ermittler, die in ihren Ländern gegen die mafiosen Organisationen vorgehen, leben gefährlich. Immer wieder werden sie bedroht. Boiko Borissov, Generalsekretär im bulgarischen Innenministerium, will mit der Falschgeldkriminalität Schluss machen. Für ihn ist das Chefsache. Zahlreiche Durchsuchungen in Zusammenarbeit auch mit deutschen Behörden hat er angeordnet, die letzte am 21. Januar in Varna am Schwarzen Meer. Als das Einsatzkommando in die Fälscherwerkstatt eindrang, lief die Druckmaschine noch. Stapelweise falsche 200-Euroscheine allerbester Qualität lagen offen herum, zum Teil noch in großen Bögen, manche schon zertrennt.

      Bisher konnten Fälscher oft nicht verurteilt werden. Wer angibt, er habe die Scheine nur für sich selbst hergestellt, geht meist straffrei aus. Euro-Wandtapeten oder Euro-Kunstwerke sind deshalb Vokabeln, die sich immer wieder in bulgarischen Polizeiprotokollen finden. Jetzt soll das Gesetz verschärft werden, sagt Boiko Borissov: „Unser Parlament ist gerade dabei, im Zusammenhang mit Falschgeldkriminalität ein neues Gesetz zu verabschieden. Nach dem neuen Gesetz soll es dann verboten sein, Falschgeld, Farben oder Druckerplatten herzustellen. Das wird mit Gefängnis bestraft, und das Eigentum beteiligter Personen wird konfisziert werden.“

      Blüte am Bankschalter nicht erkannt
      Doch wie gut sind die neuen Blüten wirklich? Zusammen mit Fritz Griesbauer vom bayerischen Landeskriminalamt wollen wir das testen. Unser erstes Ziel ist ein Stand mit Süßigkeiten. Und tatsächlich, der Verkäufer nimmt das Falschgeld an - allerdings nicht ohne ihn vorher mit einem speziellen Stift zu testen. Doch der schlägt nicht an. Wir testen fünf weitere Verkaufsstellen. Keine erkennt die Blüte.

      Ob die Banken das Falschgeld erkennen? Bei der Deutschen Bank wollen wir die Blüte wechseln lassen. Auch das ist erstaunlicherweise kein Problem. Den Test unter dem UV-Lichtprüfgerät im Kassenbereich besteht der falsche Schein. Fritz Griesbauer hat eine Vermutung, warum die Kassiererin die Note ohne Zögern angenommen hat: „Der Grund dürfte gewesen sein, was sie ja hinterher auch bestätigt hat, dass sie in der Griffigkeit am Papier keinen Unterschied zu einer echten Banknote festgestellt hat.“

      Das gleiche Ergebnis brachte ein Test in einer Filiale der Dresdner Bank: Kassiererin und Prüfgerät fielen auf die Blüte rein. Fritz Griesbauer vom Bayerischen Landeskriminalamt zeigt sich darüber besorgt: „Die Zählmaschine hat die Note hier auch nicht erkannt. Das bedeutet, dass die Zählmaschine nicht aktuell programmiert ist.“

      Keine Währungshüter im Kosovo
      Wenn schon innerhalb der Eurozone Falschgeld nicht erkannt wird, wie sieht es außerhalb aus? Im Kosovo zum Beispiel ist der Euro offizielles Zahlungsmittel. Jede Menge Falschgeld sei im Umlauf, bestätigen Soldaten der UN-Truppen. Alle Händler auf dem Markt, die wir fragen, haben schon Blüten in der Hand gehabt. Meistens erkennen sie allerdings nur die alten, schlechten Fälschungen. Auch die Banken kennen das Problem. Die Falschgeldmenge wächst ständig, die Blüten-Qualität ist erschreckend gut. Hier spricht man offener darüber, als in Deutschland. Dukagjin Shylemaja von der ProCredit Bank: „Um ehrlich zu sein, die 50er und die 200er sind sehr gut. Es ist wirklich wie echt. Ich selbst habe zum Beispiel einige nicht erkannt.“

      Im Kosovo tritt das Problem verschärft auf, weil es dort keine Institution gibt, die sich um die umlaufende Bargeldmenge kümmert. Der Euro ist zwar offizielles Zahlungsmittel, doch die Europäische Zentralbank ist hier nicht zuständig. Nur innerhalb der Eurozone sortiert sie Blüten aus dem Geldkreislauf aus. Alle Banknoten, die bei Zentralbanken der Euroländer eingehen, werden nicht nur auf die sichtbaren, sondern auch auf die versteckten Sicherheitsmerkmale überprüft. Wissen über diese versteckten Merkmale gibt es aber außerhalb der Eurozone nicht. Und nur durch diese zweite Prüfung kann man mit hundertprozentiger Sicherheit echt und falsch unterscheiden.

      Im Kosovo, in Montenegro und in der Türkei laufen riesige Mengen an Euro-Bargeld um und zunehmend auch unerkanntes Falschgeld. Ob uns das innerhalb der Eurozone egal sein kann, wenn es draußen immer mehr Blüten gibt? Die Anzahl festgestellter falscher Scheine im Zahlungsverkehr steigt jedenfalls auch in Deutschland stetig an. Ob sie über die Länder hereinkommen, die den Euro außerhalb der Eurozone als Zahlungsmittel oder Sparwährung nutzen oder von Kriminellen nach Deutschland geschmuggelt werden, spielt für die Geschädigten hierzulande keine Rolle. Und ob sich Druckexperten beispielsweise aus Bulgarien durch eine Verschärfung der dortigen Gesetzte künftig abhalten lassen, Falschgeld herzustellen, bleibt abzuwarten. Kriminalisten sehen da eher schwarz. Höchste Zeit, dass Handel und Banken zuverlässige Prüfgeräte einsetzen, um auch die neuen hochqualitativen Blüten zu erkennen.



      WDR
      [plusminus
      Appellhofplatz 1
      50667 Köln
      E-Mail: plusminus@wdr.de


      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 23.03.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=160
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      schrieb am 27.03.04 01:01:54
      Beitrag Nr. 1.548 ()
      Investitions-Bremse

      „Steuerkatastrophe“ gefährdet Tausende deutscher Unternehmen





      Von Holger Balodis und Dagmar Hühne


      Eine Steuergesetzänderung treibt möglicherweise Tausende deutscher Unternehmen in den Ruin. Von der Öffentlichkeit bislang nahezu unbemerkt gilt seit 1.1.2004 ein neuer § 8a des Körperschaftssteuergesetzes, also jenes Gesetzes, das festlegt, welche Steuern vor allem GmbHs und Aktiengesellschaften zahlen müssen. Theoretisch betroffen: rund 800.000 Unternehmen mit diesen Rechtsformen.

      Wen trifft es?
      Probleme bekommen insbesondere mittelständische Unternehmen, die sich ganz überwiegend die Rechtsform einer GmbH gegeben haben. Betroffen sind insbesondere jene Unternehmen, auf die folgende Kriterien zutreffen:

      1. Die Eigenkapitalquote liegt unter 40 Prozent. Dies trifft auf nahezu alle deutschen Unternehmen zu.


      2. Die Zinsbelastung für Bankkredite beträgt über 250.000 Euro pro Jahr. Dies ist je nach Zinssatz schon bei einem Kreditvolumen von wenigen Millionen Euro erreicht. Das ist für den Mittelstand keine ungewöhnliche Größenordnung bei Investitionen. Insbesondere aber alle Unternehmen in der Wohnungswirtschaft, die eine traditionell hohe Fremdfinanzierungsquote haben, sind betroffen.


      3. Ein wesentlicher Gesellschafter der GmbH bürgt bei der Bank persönlich für den Bankkredit. Auch dies trifft auf nahezu alle Bankfinanzierungen zu. Banken geben GmbHs grundsätzlich nur dann Kredite, wenn ein Gesellschafter persönlich hierfür bürgt. Dies trifft möglicherweise auch für kommunale Wohnungsbaugesellschaften zu, wenn die Stadt als Gesellschafter eine Bankbürgschaft abgibt.
      Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bestätigte, dass damit ein sehr großer Teil der deutschen Unternehmen betroffen ist. Es handele sich – so der BDI-Steuerexperte Dr. Christian Kaeser – um „eine der größten Steuerkatastrophen der letzten Jahre“.

      Wie wirkt das Gesetz?
      Der neugefasste § 8a KstG kann innerhalb kurzer Zeit ein Unternehmen, auf das die oben angeführten Bedingungen zutreffen, in die Insolvenz treiben. Hauptgrund: Zinsaufwendungen sind nicht mehr steuerlich abzugsfähig. Statt dessen erhöhen die an die Bank abfließenden Zinsen rein rechnerisch den Unternehmensgewinn. So entstehen „fiktive Gewinne“, die voll versteuert werden müssen. Diese Unternehmen müssen dann weit mehr Steuern zahlen, als sie erwirtschaften und stehen nahezu zwangsläufig vor der Insolvenz.

      Außerdem gelten die an die Bank fließenden Zinsen als so genannte „verdeckte Gewinnausschüttungen“ und sind beim Gesellschafter der GmbH grundsätzlich einkommensteuerpflichtig. Obendrein ist auf die Zinsen ebenfalls beim Gesellschafter möglicherweise noch Kapitalertragssteuer fällig. Dies führt alles in allem dazu – da ja auch die Zinsen bei der kreditgebenden Bank versteuert werden – dass Zinszahlungen die unter den neuen § 8a fallen einer Doppelt- oder gar Dreifachbesteuerung unterliegen.

      Der von [plusminus befragte Körperschaftssteuerexperte Professor Norbert Herzig (Universität Köln) hält diese Mehrfachbesteuerung für verfassungswidrig. Das Gesetz erweise sich als Investitionsbremse ersten Ranges und müsse dringend geändert werden.

      Banken ziehen Notbremse
      Die vom § 8a betroffenen Unternehmen geraten fast zwangsläufig in die Verlustzone. In dieser Situation kommt noch verschärfend hinzu, dass ein solches Unternehmen vermutlich keine Kredite bekommen wird.

      Nach Recherchen von [plusminus überprüfen derzeit alle deutschen Banken, welche Unternehmen und damit welche laufenden Kredite von der neuen Gesetzgebung betroffen sind.

      Die von § 8a betroffenen Unternehmen verlieren dramatisch an Bonität. Wer dauerhaft Verluste macht, gilt nicht mehr als kreditwürdig. Im schlimmsten Fall würden sogar bestehende Kredite gekündigt. Bankdirektor Heinz Gommans (Volksbank Krefeld) erklärte in [plusminus: „Wir werden den betroffenen Mittelständlern die dringend benötigten Kredite nicht mehr geben können, auch wenn wir sie gerne gewähren würden, weil die Gesetzeslage uns dazu zwingt.“

      Warum wurde das Gesetz gemacht?
      Mit dem §§ 8a KstG in der alten Fassung sollte ausschließlich ausländischen Steuertricksern das Handwerk gelegt werden. Diese hatten in der Vergangenheit einer von ihnen gegründeten GmbH Kredite gegeben und die Zinszahlungen dazu benutzt, um die Gewinne der GmbH auf „Null“ zu bringen. Damit der deutsche Fiskus nicht leer ausgeht, hatte der Gesetzgeber vor rund zehn Jahren den § 8a in der alten Fassung beschlossen: Gibt ein Ausländer einer deutschen GmbH einen Kredit, sind die Zinsen nicht steuerlich absetzbar.

      Das Bundesfinanzministerium begründet die aktuelle Neufassung des § 8a so: „Die Änderung ... war erforderlich geworden, nachdem § 8a Körperschaftssteuergesetz in der alten Fassung... für europarechtswidrig erklärt worden war.“ Tatsächlich hatte der Europäische Gerichtshof den § 8a in der alten Fassung gekippt und einheitliches Recht für In- und Ausländer gefordert.

      Der Gesetzgeber hat nun aber das für Ausländer geltende Recht auf Inländer übertragen. Damit trifft der neue § 8a den gesamten deutsche Mittelstand und führt dort zu einer Doppelt- bzw. Dreifachbesteuerung.

      Experten der führenden deutschen Wirtschaftsverbände weisen darauf hin, es wären gesetzliche Regelungen möglich gewesen, die gezielt nur den Missbrauch bekämpfen. Nach ihrer Ansicht sollte der neue § 8a nur jene Fälle regeln, in denen ein Gesellschafter - ganz gleich ob In- oder Ausländer - seiner GmbH selbst einen Kredit gewährt. Damit wäre die Problematik bei verbürgten Bankkrediten außen vor geblieben.

      BDI-Experte Dr. Christian Kaeser betont: „Der Gesetzgeber hätte hier das Skalpell nutzen sollen, statt mit der Schrotflinte zu schießen.“

      Was muss geschehen?
      Die acht Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft fordern in einer gemeinsamen Eingabe vom 15.3.2004 an das Bundesfinanzministerium (siehe unten) die sofortige Aufhebung von § 8a Körperschaftssteuergesetzes in der neuen Fassung. Das Gesetz verfehle den gesetzgeberischen Zweck und bewirke „eine sinnwidrige und uferlose steuerliche Einschränkung der Fremdfinanzierung“ und stelle „sowohl für den traditionell eigenkapitalschwachen deutschen Mittelstand als auch für größere und große Unternehmen eine erhebliche Belastung dar.“

      Das Bundesfinanzministerium hält jedoch bislang an dem beschlossenen Gesetz fest. Man wolle – so teilt das Ministerium [plusminus mit – statt dessen eine Bund/Länder-Arbeitsgruppe einsetzen, die prüfen soll, inwieweit man den Schaden für die deutsche Wirtschaft im Wege von Anwendungserlassen begrenzen könne.

      Steuerexperte Professor Norbert Herzig hält dies nicht für ausreichend. „Man kann sich nicht mit Anwendungserlassen um ein bestehendes Gesetz herum mogeln.“ Das Gesetz sorge bereits jetzt für eine erhebliche Verunsicherung, wirke als enorme Investitionsbremse und könne nur durch seine Abschaffung korrigiert werden.

      Link:

      Eingabe der acht Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft
      Anschreiben KStG.pdf (102 Kb)


      WDR
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      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 23.03.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=162
      Avatar
      schrieb am 29.03.04 19:17:32
      Beitrag Nr. 1.549 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de




      "Wehe, wenn Du das tust!" 28.03.2004


      DIESE WOCHE
      Den Mechanismen des Krieges und des Terrors spürt der Spatz in diesem aufwühlenden Beitrag nach. Er zeigt, weshalb Kriege nötig sind, wer von ihnen profitiert, und wie die Klimaretterei das moderne Äquivalent der alten Kriege ist. Von Palästina wird der Bogen bis zum deutschen Arbeitsmarkt gespannt - düstere Aussichten, aber wer heute den Kopf in den Sand steckt, knirscht morgen mit den Zähnen!


      Gescheiterte Erzieher und Vorgesetzte greifen zum Terror




      Die regierende SPD hatte beim letzten Parteitag schöne Worte aber keine Erfolge vorzuweisen. Ach doch, sie hat uns aus dem Irakkrieg herausgehalten. Die gerne Dankbaren vergessen nur, daß Rot-Grün es war, die deutsche Beteiligungen an internationalen Pazifizierungskriegen erst möglich gemacht haben. Den Auftakt, die Beteiligung am Balkankrieg hätte eine CDU-Regierung - selbst wenn sie die Fakten für diesen Zweck so verdreht hätten, wie die Rot-Grünen taten (und das hat sie ja auch getan) - nie durchsetzen können. Dank Joschka und Gerhard stellen wir fröhlich und beherzt Hilfstruppen für "friedenstiftende" Maßnahmen der USA oder der UNO in aller Welt (was kümmert uns da das Grundgesetz, das...), wenn nicht gerade ein Wahlkampf dazwischenkommt. Das sollte man nicht vergessen, selbst wenn CDU Kreise (vor allem weibliche) es in zwischen noch martialischer haben wollen.



      Was haben die friedenstiftenden Maßnahmen auf dem Balkan (und nicht nur dort) inzwischen erreicht? Fünf Jahre danach, sieht es im Balkan schlimmer als unmittelbar nach dem Krieg aus. Daß Serben und Albaner mit früher kaum gekannter Wut aufeinander losgehen, hat recht praktische Gründe. Fünf Jahre nach dem Balkankrieg gibt es selbst im NATO-geschützten Kosovo noch immer keine funktionierende Infrastruktur. Wasser und Strom gibt es - wenn überhaupt - nur wenige Stunden am Tag, und 80% der Jugendlichen sind arbeitslos. Seitdem die NATO das Land besetzt hält, wurden 150 Kirchen, Klöster und Moscheen angesteckt. So etwas hatte es in der 700 jährigen Geschichte des Landes nicht gegeben, auch nicht, als deutsche "Hunnen" das Land im Krieg gesetzt hielten. Und weil UN- und NATO-Truppen nichts für die Bevölkerung tun, außer irgendwelche Dienstellen und Ämter zu bewachen, richtet sich die Wut der Bevölkerung auch gegen sie. 61 UN-Soldaten und 35 Mann der KFOR Truppe wurden beim Auftakt der jüngsten Aufstände verwundet.

      Seitdem verrücktgemachte Kreuzritter Palästina wieder verlassen hatten, lebten dort Juden, Muslime und Christen recht friedlich zusammen, gewannen dem trockenen Boden dürftige Nahrung ab und verdienten sich ein üppiges Zubrot wie eh und je durch Nah- und Fernhandel. Das änderte sich, als die reformierten Kreuzritter 1918 wieder in das Land einrückten, um dort "Frieden" zu stiften. Es dauerte etwas, bis man die eingespielten Regeln und Umgangsformen aus den Angeln gehoben hatte. Danach brauchte man nur den wirtschaftlichen Druck zu verstärken und dabei eine Bevölkerungsgruppe gegen die andere ausspielen, um ihr die Schuld am wachsenden Elend zu geben, und die Leute sprangen sich erst zögerlich, dann wunschgemäß immer heftiger an die Gurgel.

      Nach der Niederlage der Palästinenser, als die Israelis ihnen erfolgreich den größten Teil ihres Landbesitzes geraubt hatten und die Machtverhältnisse keine Änderung versprachen, kam allmählich der vielgerühmte "Friedensprozeß" in Gang. Einsichtige Leute auf beiden Seiten hatten ihn in Oslo - ohne die US-Regierung zu fragen - beschlossen. Doch der große Bruder bekam davon Wind. Höhere Beamte um Richard Perle und Paul Wolfowitz arbeiteten "A Clean Break" aus. Nach diesem Plan wird nach der Ermordung des friedlich gewordenen früheren Militärs Jitzak Rabin der "Friedensprozeß" zweckgerichtet erstickt.

      Der Bursche für die Drecksarbeit, Sharon, der sich schon 1982 als Massenmörder bewährt hatte, erklärte mit seinem Besuch der Al Aram Moschee auf dem Tempelberg im September 2000 den Palästinensern den Krieg, die programmgemäß auf die Provokation reagierten. Nun erfolgt mit der Ermordung Scheich Ahmed Yassins die Kriegserklärung an die gesamte arabische Welt. Daß er das nicht ohne "Rückendeckung" tat, bezeugen in den letzten Tagen die ungewöhnlich häufigen Besuche seines persönlichen Gesandten Dov Weisglass in den USA. Damit war Herr Bush seine ohnehin nicht ernstgemeinte Roadmap to Peace wieder los - und die anderen werden - wie immer - Schuld sein.

      Unsere Medien bieten die übliche Strohfreuer-Entrüstung ohne den stetigen Hinweis zu vergessen, daß Scheich Yassin kein Seelsorger im Rollstuhl sondern ein ganz wüster Terrorist war, den zu ermorden, wenn man die Juristerei einmal bei Seite läßt, verständlich, fast schon rechtens sei. Die Vorlagen für diesen "talk" stammen von drüben. Daß es sieben Unschuldige, die sich in der Nähe aufhielten, auch traf, war, wie bei den vielen früheren Gelegenheiten, Pech der Umstehenden. Genauso denken angeblich die Selbstmordattentäter, wenn sie zur Verzweiflungstat schreiten (Ich weiß, ihr "einfühlendes" Fernsehen sieht die Selbstmorde anders). Wo also liegt der Unterschied zwischen Terroristen und Antiterroristen?

      Natürlich sind "alle zivilisierten Menschen" (wo gibt es die noch?) über diese (es sind ja nicht die ersten) Staatsmorde empört. Drücken ihren Abscheu und so weiter aus. Die Empörung überdauert kaum das nächste Tor des unterstützen Fußballclubs. Aber ziehen sie Konsequenzen? Welche sollten sie ziehen? Schließlich kommen die Türken wie im 16. Jahrhundert, bleiben nicht vor Wien stehen, sondern wollen uns mit samt unserer Sicherheit vertreiben. So etwas muß man doch ernst nehmen, da muß man doch Farbe bekennen. Da darf man sich doch von juristischen Spitzfindigkeiten nicht abschrecken lassen. Oder etwa nicht? In früheren Jahrhunderten konnte man friedlich und gewinnbringend zusammenarbeiten. Warum gelang das damals und heute nicht mehr?

      Man sollte in die Geschichte schauen. Sie wiederholt sich, bis man jeweils die Lehre daraus gezogen und umgesetzt hat. Geschichtslügen rächen sich dadurch, daß sie für die entsprechende Wiederholung sorgen. Nein, lassen wir die Landnahme in den USA und den Vergleich mit der in Palästina. Arme Teufel ließen sich schon immer leicht mit ein paar Tricks und gehörigem wirtschaftlichem Druck in wütende Aufregung versetzen, um sie dann als bedrohliche Wilde oder Terroristen abknallen zu können.

      Die friedliche Zusammenarbeit zwischen Menschen war immer dann zu Ende, wenn die Banken größere Umsätze brauchten. Denn wie - bitte schön - hätten Bankiers im Mittelalter, als die meisten in autarken Landwirtschaftsbetrieben lebten, lukrative Gewinne machen können, wenn nicht durch die Vorfinanzierung eines kleinen Erbfolge- oder direkten Raubfeldzugs des einen Adeligen gegen einen anderen? Wenn immer ihr Finanzsystem - wie zur Zeit - an sein Ende kommt, müssen böse Menschen her, die den Friedliebenden so zusetzen, daß diese nicht umhin können, als sich durch Krieg zu wehren. Im Kriegschaos fällt das wirtschaftliche Durcheinander kaum mehr ins Gewicht, und alle sind sich einig, daß Opfer erbracht werden müssen - das vor allen Dingen, Opfer (Krieg überzeugt jedenfalls mehr als Klimarettung). Da niemand gerne in den Krieg zieht, muß die Bevölkerung dazu gebracht werden. Dementsprechend werden die Bösewichter der Geschichte von Psycho-, Sozio- und Manipulatologen nach allen Regeln ihrer Kunst gezeichnet.

      Der "Krieg gegen den Terrorismus" hat die Ausgangslage in keinem Fall verbessert, er hat nur mehr Menschen die Entscheidung zwischen Selbstverachtung oder Terror aufgenötigt. Gesündere (vitalere) Menschen wählen in entsprechender Situation den zweiten Weg, Umerzogene den ersten. So züchtet man Terrorismus und Antiterrorismus - zu welchem Zweck? Welche herrschenden Cliquen hätten je zugegeben, daß sie den Karren gegen die Wand gefahren haben und nur erbärmliche Versager sind? Eher ersäuft man alle, die zu einer solchen Einsicht gelangen könnten, kurz vorher in einem Blutbad (die Furcht davor verstellt vielen derartige Einsichten). Geschichtlich gesehen ist das keiner Clique gelungen. Das ist ein Trost. Aber Blut, unschuldiges Blut, ist bei solchen Versuchen stets in Strömen geflossen. "Selbst schuld, hätten sie rechtzeitig zurückgeschlagen!" brüllt der Antiterrorist und merkt nicht, daß er nur den Schergen spielt, den kleinen Mann, den man hinterher hängt, um die Großen ungeschoren zu lassen.

      Was bleibt einem Herr Schröder zu tun übrig, wenn seine Wunderwaffe gegen die Arbeitslosigkeit, der VW-Hartz, jetzt die Zulieferbetriebe nötigt, ihre Produktion ins Ausland zu verlegen, wo man nur 1 - 2 Euro die Stunde zahlt und deshalb die Preise senken kann, und er selbst trotz anderer Absprachen mit den Gewerkschaften auch 5.000 VW-Arbeitsplätze hinterher schickt, wenn Siemens 10.000 Arbeitsplätze dahin schickt, wo sich Arbeit nur noch für das Unternehmen lohnt? Im Jahr 2003 gab es in Deutschland 392.000 Arbeitsplätze weniger als im Vorjahr. Wie viele werden es 2004 weniger sein und dann 2005? Mit der Verwaltung und Überwachung des CO2-Zertifikathandels lassen sich einige wieder beschäftigen - aber längst nicht so viele, wie man damit zusätzlich in die Wüste schickt. Was die anpacken, geht nach hinten los - kann das alles nur Zufall oder Dummheit sein? Wie ruhig könnte man schlafen, wenn es das wäre.

      In seiner gespielten Verzweiflung packt der Kanzler inzwischen ausgesprochen häufig ein Wort an, das er zuvor nicht hören konnte, ohne sich zugleich mit "Nazi! Nazi!" zu bekreuzigen. Jetzt sollen Gewerkschafter und Betriebe "Mehr Patriotismus" zeigen und in "patriotischer Pflicht" gefälligst den hinterhältigen Öko-Unsinn (Klimarettung!) seiner Wahnpartei schlucken, im Lande bleiben und Politiker mit ihren Beratern, Gutachtern und Günstlingen friedlich nähren.

      Die Mehrheit kann nicht abhauen, wie 30.000 betuchte Deutsche pro Jahr. Also harren die meisten aus, mucken nicht, bis sie selbst zur Entscheidung gezwungen sind: Terroristen oder Antiterroristen oder an Selbstverachtung zu ersticken. Sie könnten sich wehren, wenigstens aufhören, den Volkszertretern hinterherzulaufen. "Aber wem dann?" hört man sie erschreckt rufen, "wem sollen wir denn hinterherlaufen? Die sind doch alle genau so schlimm?" Richtig! Aber ist das ein Grund, ihnen hinterher zulaufen und sie sogar freiwillig zu wählen? Frühere mußte man sie wenigstens noch dazu zwingen. Man könnte eine politische Partei anstelle der Vereine zu Karrieresicherung für willfährige Schwätzer gründen oder eine suchen und ihr beitreten, müßte allerdings in jedem Fall dafür sorgen, daß sie nicht verkommt wie die vom Fernsehen "anerkannten" Wahlvereine. "Ja, wenn einem das Fernsehen nur den dafür nötigen Kopf und die Zeit ließe - seufz!"
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      schrieb am 29.03.04 19:18:10
      Beitrag Nr. 1.550 ()
      Avatar
      schrieb am 29.03.04 19:25:31
      Beitrag Nr. 1.551 ()
      29.3.04 Ford wälzt Sparziele auf Zulieferer ab

      ... Ford beschleunigt in Europa sein Sparprogramm, das vor allem die Einkaufskosten deutlich senken soll. In der vergangenen Woche wurden dem Aufsichtsrat der Ford-Werke in Köln, der größten europäischen Tochtergesellschaft des Autokonzerns, dazu nach Informationen der FTD neue Details vorgestellt. Unter anderem will Ford Lieferanten dazu bringen, ihre Kalkulationen offen zu legen. Das Unternehmen hofft, so die Preise für Zulieferteile drücken zu können. ... Alle Autohersteller versuchen zurzeit, beim Einkauf zu sparen. Am weitesten ging bisher Mercedes. Die Luxusmarke von DaimlerChrysler hatte von ihren Lieferanten sogar eine Preissenkung für Teile verlangt, die bereits geliefert waren. Die Autokonzerne erwarten von ihren Zulieferern Preissenkungen im Umfang von drei bis fünf Prozent pro Jahr. ... (FTD, 29.3.04)




      Kommentar: In der Automobilindustrie zeigt sich deutlich der deflationäre Effekt: Die Hersteller zwingen die Zulieferer zu immer billigeren Preisen. Diese müssen deshalb beim Personal oder weiteren Zulieferern sparen. Am Ende bricht die Kaufkraft insgesamt ein und es wird zunehmend weniger verkauft – eine verhängnisvolle deflationäre Abwärtsspirale beginnt sich zu drehen.


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      Das richtige Finanzierungsmodell ist die halbe Miete

      ... Doch nur knapp ein Drittel der Autofahrer sind auch die Besitzer ihres fahrbaren Untersatzes: 70 Prozent der Autos auf bundesdeutschen Straßen gehören also der Bank. Kein Wunder, ist die Finanzierung des Wagens nie attraktiver gewesen als heute. Die Händler versuchen sich mit extrem niedrigen Zinszahlungen und Zugaben wie Reisen, mehreren hundert Liter Benzin oder der kostenlosen Klimaanlage auszustechen.
      ... (Welt, 29.3.04)

      Kommentar: Statt sich für ein Auto zu verschulden, wäre es sinnvoller für die meisten Privathaushalte, lieber den alten Spruch der Großeltern zu beherzigen, dass man sich nur dann etwas leisten kann, wenn man auch das Geld dazu besitzt. Schulden, noch dazu für einen bloßen Gebrauchsgegenstand wie ein Auto, führen besonder in einem angespannten finanziellen Umfeld schnell zum Ruin.



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      26.3.04 Prüfer leiden unter der Wirtschaftsflaute

      ... Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften leiden unter der anhaltenden Konjunkturflaute. So hat das Unternehmen Ernst & Young (E&Y) wegen schwacher Auftragslage seinen Angestellten jetzt freiwillige Modelle zu Arbeitszeitverkürzungen von bis zu 40 Prozent bei entsprechendem Gehaltsverzicht angeboten.

      Das geht aus einer internen E-Mail von E&Y-Vorstandschef Herbert Müller an die 8000 Mitarbeiter des Konzerns in Deutschland hervor, die der FTD vorliegt. Die schwache Nachfrage führe dazu, "dass unsere Auslastung derzeit unter unserem Plan liegt", schreibt Müller. ... (FTD, 25.3.04)




      Kommentar: Die Krise bei den Wirtschaftsprüfern ist ein Indiz dafür, wie sich die Konjunktur wirklich entwickelt: Statt eines Aufschwungs geraten die meisten unternehmen in eine immer schlimmere finanzielle Schieflage.


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      Die meisten Ost-Firmen zahlen keinen Tariflohn mehr

      ... Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ist der Flächentarifvertrag in Ostdeutschland so gut wie am Ende. Man registriere eine "weitgehende Abkehr von der kollektiven Lohnfindung", so das Institut. Neun von zehn ostdeutschen Industrieunternehmen seien nicht in einem tariffähigen Arbeitgeberverband organisiert, schreibt das DIW in seinem jüngsten, am Mittwoch veröffentlichten Wochenbericht. Diese Betriebe, die in der Mehrzahl untertarifliche Löhne zahlten, hätten dadurch aber keinen Wettbewerbsvorteil. Die Abkehr von der kollektiven Lohnfindung sei für sie notwendig gewesen, um überhaupt wettbewerbsfähig zu sein. Allerdings habe dies für die Unternehmen häufig zur Folge, dass es für sie schwer werde, qualifizierte Fachkräfte zu finden. ... (Welt, 25.3.04)




      Kommentar: Die Entwicklung zu sinkenden Löhnen beschleunigt sich. Je mehr die Unternehmen durch steigende Kapitalkosten unter Druck kommen, umso mehr versuchen sie bei den Arbeitskosten zu sparen. Doch dadurch wird die Kaufkraft der Bürger zunehmend verringert und in Folge sinken wiederum die Umsätze bei den Firmen, eil die Bürger weniger einkaufen können. Eine verhängnisvolle deflationäre Abwärtsspirale beginnt sich zu drehen. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass in Zukunft mit einer Deflation, nicht mit Inflation zu rechnen ist – bei fallenden löhnen kann es keine Inflation geben.

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      23.3.04 Immer mehr Deutsche sehen ihre Zukunft im Ausland

      Politik und Wirtschaft warnen vor "Ausblutung"


      ... Immer mehr Menschen verlassen Deutschland, um sich im Ausland eine neue Existenz aufzubauen: Nach den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes haben in den ersten drei Quartalen des letzten Jahres 93 293 Menschen Deutschland verlassen, durchschnittlich 31 098 pro Quartal. Die Abwanderung ist von gut 28 000 im ersten auf über 36 000 im dritten Quartal gestiegen. Setzt sich der Trend bis zum Jahresende fort, wären im Jahr 2003 über 120 000 abgewandert.

      Damit liegt die Abwanderung deutlich über der der Vorjahre: 2002 verließen 117 683 Menschen ihre Heimat, im Jahr davor waren es 109 507.

      Vertreter von Wirtschaft und Politik beklagen vor allem den Exodus von Fachleuten, die zwar in Deutschland ihre oft teure Ausbildung absolvieren, ihr Wissen aber im Ausland anwenden: "...

      Nach einer Umfrage des Offenbacher Marplan-Instituts träumt ein Drittel der Deutschen davon auszuwandern. Dabei scheinen vor allem die zahlungskräftigen Steuerzahler gehen zu wollen: Je höher dass Nettoeinkommen, desto eher wird mit einem Wegzug geliebäugelt. (Wams, 21.3.04)




      Kommentar: Dass immer mehr Menschen aus Deutschland auswandern liegt daran, dass die Lebensumstände immer drückender werden. Immer mehr Gesetze und Vorschriften, nicht zuletzt der Ausbau des Überwachungsstaates, engen die Freiheit ein. Rasant steigende Steuern und Abgaben nehmen die finanzielle Unabhängigkeit. Da ist es kein Wunder, dass immer mehr Bürger sich lieber im steuerfreien und viel günstigeren Ausland niederlassen. Die Verantwortung dafür trägt unsere Politik, die nicht fähig oder willens sind, die finanziellen Probleme durch ein stabiles System zu lösen. Mehr im Buch "Bloß weg - Ihr zweites Standbein im Ausland"

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      Der Zivilschutz soll verbessert werden




      Nach den Sprengstoffattentaten auf Nahverkehrszüge in Madrid ist der Schutz der europäischen Bevölkerung vor weiteren Terroranschlägen in den Mittelpunkt der EU-Politik gerückt: Verkehrssysteme, Wasserversorgung und Energienetze sollen gegen Terror-Attacken gerüstet werden. ... Langfristig sprach sich Barnier für einen „echten integrierten EU-Katastrophenschutz“ aus. Nationale Spezialisten sollten dabei im europäischen Verbund eng zusammenwirken. Die „Solidaritätserklärung“, die am heutigen Freitag auf dem EU-Gipfeltreffen verabschiedet werden soll, sei eine wichtige Vorbedingung für dieses Projekt, so Barnier. In dieser Erklärung verpflichten sich die Mitgliedstaaten, einander im Fall einer Terrorattacke „mit allen verfügbaren Mitteln, inklusive militärischer Kapazitäten“, zu Hilfe zu kommen. ... Bürgerrechtler warnten unterdessen davor, die Sicherheitsmaßnahmen zu Lasten bürgerlicher Freiheiten zu überdehnen. Die britische Organisation „Statewatch“ erklärte, von den 57 geplanten Anti-Terror-Maßnahmen der Europäer hätten 27 mit dem Kampf gegen den Terrorismus nur vordergründig zu tun. Vor allem die Pläne zur Überwachung der Telefongespräche und zur Speicherung von Passagierdaten hebelten den Datenschutz aus und bedrohten die Bürgerrechte. ... (SZ, 26.3.04)




      Kommentar: In den letzten Jahren wurde der Zivilschutz massiv abgebaut. Zivilschutzämter wurden abgebaut, die Gelder dafür gestrichen und sogar Sirenen stillgelegt. Nun soll unter dem Begriff der „Terrorbekämpfung“ eine ganze Reihe von Maßnahmen eingeführt werden, die mit dem Zivilschutz gar nichts zu tun haben und eher dem Aufbau eines Überwachungsstaates dienen.

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      26.3.04 Viele Reisende akzeptieren den biometrischen Blick in die Augen

      ... Das Pilotprojekt biometrischer Kontrollen auf dem Flughafen Frankfurt/Main durch den Bundesgrenzschutz ist laut Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) zur Zufriedenheit gestartet. In den ersten sechs Wochen hätten sich bereits rund 4000 Reisende freiwillig daran beteiligt, sagte Schily am Donnerstag in Berlin. ... Bei dem Pilotprojekt auf freiwilliger Basis werden Reisepassdaten und die biometrischen Merkmale der Augeniris vom BGS einmalig registriert. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz begleitet das Projekt. Schily hatte am 12. Februar die "Automatisierte und biometriegestützte Grenzkontrolle" in Betrieb genommen. Er erwartet Erkenntnisse über Akzeptanz und Einsetzbarkeit. "Das erfreulich große Interesse belegt, dass die Bürgerinnen und Bürger keine Angst im Umgang mit der neuen Technik haben", sagte Schily. ... (Welt, 26.3.04)




      Kommentar: Viele Bürger sind sich offenbar gar nicht darüber im klaren, welche Kontrolle sie dem Überwachungsstaat bei der freiwilligen Teilnahme an solchen fragwürdigen Experimenten einräumen. Wer garantiert dafür, dass diese Maßnahmen nur gegen den Terrorismus angewandt werden und nicht in Zukunft gegen die Bevölkerung?

      Kommentare v. Günter Hannich
      http://www.geldcrash.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 29.03.04 19:26:13
      Beitrag Nr. 1.552 ()
      Kolumnen von Günter Hannich


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      13.3.04 „Aufschwung“ schon wieder zu Ende?


      Zunehmend korrigieren Experten und Wirtschaftsforschungsinstitute die Wachstumserwartungen nach unten. Die Hoffnung auf den lange angekündigten „Aufschwung“ schwindet. Den aufmerksamen Beobachter verwundert das wenig, da er nie mit einer Steigerung der Wirtschaftsleistung gerechnet hat, allenfalls mit einem Strohfeuer.
      Denn wie soll sich auch eine Wirtschaft regenerieren, in welcher die Schulden dreimal schneller ansteigen als die Wirtschaftsleistung? Die entsprechend hohen Kapitalkosten behindern jede positive Entwicklung.
      Zu versuchen, mit einem immer größeren Wirtschaftswachstum den explodierenden Schuldenberg anzugehen, gleicht dem Versuch eines Krebskranken, durch eigenes Wachstum den Tumor in der Entwicklung einholen zu wollen.
      Auch alle Arten von „Reformen“ oder „Sparprogrammen“ helfen nicht weiter. Im Gegenteil: Jedes Einschränken der Ausgaben führt an anderer Stelle der Volkswirtschaft zu Einnahmeausfällen und immer kleineren Investitionssummen, letztlich zu Unternehmenspleiten, Arbeitslosigkeit und Deflation.
      Man muss sich in diesem System wohl oder übel damit abfinden, dass es beim jetzigen Niveau der Schulden nur noch abwärts gehen kann. Das ständige zweckoptimistische Gerede vom „Aufschwung“ bessert keineswegs die Situation, sondern weckt nur Hoffnungen, welche alsbald bitter enttäuscht werden. Es hat letztlich sogar einen gegenteiligen Effekt, weil es die Menschen vom genauen Analysieren der Probleme abhält und jede Lösungsfindung damit untergräbt.
      Erst wenn der Kranke sich seiner Krankheit in allen Ausmaßen bewusst ist, kann er Gegenmaßnahmen ergreifen und gesund werden. Nur das schonungslose Erkennen der Realität kann eine Änderung bringen. Dazu bedarf es jedoch fundierter Kenntnisse und dem Mut, die Wahrheit zu sagen, ohne auf Massenmeinungen und Ideologien Rücksicht zu nehmen.

      http://www.geldcrash.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 30.03.04 15:32:40
      Beitrag Nr. 1.553 ()
      Es ist etwas sehr faul an den optimistischen Konjunkturerwartungen - Der Weltwirtschaft droht akut ein neuerlicher synchroner Abschwung - Die sinkenden Kapitalmarktzinsen sind ein Fanal
      (30.03.2004)

      Wir müssen seit einiger Zeit im Abstand von nur wenigen Tagen vernehmen, wie enttäuschend die konjunkturelle Erholung im Euroraum verläuft. Wir müssen ferner feststellen, dass die britische Wirtschaft die Flügel hängen zu lassen beginnt. Wir müssen auch und vor allem zur Kenntnis nehmen, dass die amerikanischen Konjunkturzahlen mehr und mehr nicht erfüllen, was sich die Auguren zunächst von ihnen erwartet hatten.

      Das klingt nicht nur nicht gut, sondern es ist außerordentlich beunruhigend. Es beginnt sich zu bestätigen, was kritische Ökonomen bereits seit einiger Zeit zu erkennen glauben: Die Frühindikatoren für die Weltwirtschaft kippen.

      In letzter Zeit sind zuhauf Darstellungen erschienen, die davon sprechen, dass die japanische Volkswirtschaft, die zweitgrößte der Welt, in eine dauerhafte, sich beschleunigende Erholung eingetreten sei. Daran knüpfen sich Hoffnungen, dass sich Japan unter anderem wegen aufgestauten Bedarfs zu einer Ersatz-Lokomotive für die Weltwirtschaft erweisen könne, die in der Lage sei, den Konjunkturzug nach Ausfall der amerikanischen Ökonomie weiterzubefördern. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die japanische Wirtschaft in bedeutenden Teilen eine Exportwirtschaft ist und bleibt.

      Schon zuvor wurde behauptet, das" boomende" China sei zu einer bedeutenden treibenden Kraft für die Weltwirtschaft geworden. Das kann im Grunde nicht bestritten werden, doch beschränkt sich der Einfluss dieses Landes, wie übrigens der japanische auch, auf eine verhältnismäßig kleine Palette von Erzeugnissen, für die dort Nachfrage herrscht. Das sind vorwiegend Rohstoffe.

      Auf den ersten Blick verbleiben also nur zwei bedeutende Volkswirtschaften, nämlich die japanische und die chinesische, um die Weltkonjunktur auf Trab zu halten. Bedenkt man, dass die Konjunktur in Japan stark von Exporten in die USA abhängt und dass die amerikanische Wirtschaft auf zunehmend wackeligen Beinen steht, so ist es mit den in Japan gesetzten Erwartungen wohl nicht weit her (siehe "Wussten Sie schon …? vom 30.3.2004).

      Und wenn wir auf China blicken und feststellen müssen, dass die Führung in Peking die monetären Bedingungen Schritt für Schritt verschärft, um den gefährlich ausufernden Konjunktur-Boom zu dämpfen, bleibt nicht mehr viel, was von dort in überschaubarer Zukunft an zusätzlich belebenden Impulsen für die Weltwirtschaft erwartet werden kann.

      Wohin kann das alles laufen? In einen synchronen, sich von allen Seiten her wechselseitig verstärkenden Abschwung der Weltwirtschaft. Mit neuen deflationären Tendenzen, versteht sich.

      Zur Erinnerung: Es ist noch nicht lange her, da traten die Optimisten und die opportunistischen Politiker mit der These auf den Plan, es stünde ein synchroner, sich dynamisch ausbreitender Aufschwung der Weltkonjunktur bevor.

      Es ist immer gut, solche Visionen oder Phantasien kritisch zu hinterfragen. Selbst Zweiflern hätte ein Blick auf die Märkte für Staatsanleihen in der westlichen Hemisphäre beziehungsweise auf die Kapitalmarktzinsen schon vor Monaten zeigen können, wohin die Reise geht.

      Doch kaum jemand hat hingeschaut, ganz abgesehen davon, dass vielerorts aus Unkenntnis oder Überheblichkeit ignoriert wird, wie stark die prognostischen Fähigkeiten der Märkte für Staatsanleihen gewöhnlich sind. Bereits im August 2003 begannen die Kapitalmarktzinsen nach einem kurzen, heftigen Anstieg wieder zu sinken. Dieser Rückgang fügt sich nahtlos in die Abwärtsbewegung ein, die Anfang 2000 einsetzte und nunmehr als "säkular" bezeichnet werden kann.

      Fazit: Die Anleihemärkte sagen uns schon seit längerem, dass etwas sehr faul ist an den optimistischen Konjunkturerwartungen. Jetzt werden die fundamentalen Begründungen erst in dünnen und dann in immer dicker werdenden Scheiben nachgereicht.


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber

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      Wussten Sie schon, dass...?
      (30.03.2004)

      "Das Wirtschaftswachstum in Japan kam nach dem Ende der ‚Bubble`-Jahre überwiegend vom Export, und -Überraschung! Überraschung!- die japanischen Exporte hängen erstaunlich stark vom Wirtschaftszyklus in den USA ab. Wenn man nun, so wie wir, glaubt, dass das Wachstum in den USA wahrscheinlich wieder ausläuft, dann lautet die kalte, harsche Realität, dass wohl auch das Wachstum in Japan einen Gipfel erreicht."


      James Montier, Dresdner Kleinwort Wasserstein, London

      www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 31.03.04 08:05:53
      Beitrag Nr. 1.554 ()
      Italien bereitet sich auf Bankrott der besten Fußball-Vereine vor -- Zwangsbstieg für Pleite-Klubs! :eek:


      Werden in Italien hunderte Fußball-Profis auf einen Schlag arbeitslos? Darunter so berühmte Nationalspieler wie Francesco Totti (Italien), Emerson (Brasilien) und Carew (Norwegen)?

      Der italienische Fußballverband hat nach einer mehrstündigen Konferenz in Mailand beschlossen, dass alle bankrotten Serie-A-Klubs zum Saisonende in die 2. Liga absteigen müssen. Zugleich werden alle Verträge mit den Spielern automatisch aufgelöst. Nach heutigem Stand müssten damit so berühmte Klubs wie AS Rom, Lazio Rom, AC Parma, Chievo Verona, AC Perugia und Ancona Calcio den Weg in die Zweitklassigkeit antreten.

      Auch insolvente Zweitligisten sind von der Regelung betroffen – zum Beispiel nach gegenwärtigem Stand der SSC Neapel oder AC Turin.

      Verbandschef Franco Carraro gibt sich unerbittlich: „Die Kriterien, nach denen wir die finanzielle Situation der Klubs überprüfen wollen, werden absolut transparent sein.“ Er hatte bis zuletzt die Regierung Berlusconi aufgefordert, ein Dekret zu verabschieden, nach dem die Klubs ihre Steuerschulden (insgesamt über 500 Mio Euro) über fünf Jahre in Raten abbezahlen können.

      Doch Berlusconi, dessen Verein AC Mailand finanziell und sportlich glänzend dasteht, lehnte ab. Vielleicht will sein Trainer ja noch den einen oder anderen Nationalspieler günstig einkaufen...

      http://www.bild.t-online.de/BTO/sport/aktuell/2004/03/30/ita…

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      Dortmund sind die nächsten! :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 01.04.04 19:15:55
      Beitrag Nr. 1.555 ()
      http://zeus.zeit.de/text/2004/15/US-Konsumenten

      DIE ZEIT

      15/2004 



      United Shoppers of America

      Kein Geld, keine Jobs, aber die Amerikaner gehen trotzdem einkaufen. Sie machen mehr Schulden als je zuvor – und retten die Weltkonjunktur

      Von Thomas Fischermann

      Ein Brathähnchen aus Plastik. Für 29,98 Dollar plus Versandkosten. Dafür wippt das Ding zu Musik. Im Sortiment der Johnson-Smith-Versandfirma aus Bradenton (Florida) gibt es auch günstigere Angebote. Die spaßige Elektroschockmaschine für den Schreibtisch etwa (14,98 Dollar) oder das T-Shirt mit der Aufschrift „STUPID“ (12,98 Dollar). Wer soll den Plunder kaufen, in Zeiten beharrlicher Arbeitslosigkeit und anhaltender Wirtschaftsflaute? „Kein Problem“, sagt Unternehmenssprecherin Kim Boyd. An den Bestelltelefonen der Firma muss man bisweilen minutenlang warten. „Das liegt am riesigen Erfolg unseres Kataloges.“

      Johnson Smith ist nicht der einzige amerikanische Einzelhändler, der in diesen Tagen von solch unerwarteten Verkaufserfolgen berichtet. Der Dollar mag fallen, amerikanische Unternehmen mögen sich beim Einstellen neuer Kräfte und beim Investieren zurückhalten, die Schuldenberge der Privathaushalte mögen steigen, aber Amerikas Einkäufer werden nicht müde. In der vergangenen Weihnachtssaison hatten die Händler gar stolze 6,7 Prozent mehr Weihnachtseinkäufe als im Jahr zuvor verzeichnet, die größte Steigerung seit dem Boomjahr 1999. Seither ist die Nachfrage stabil. Der amerikanische Verbraucher blieb sich trotz aller Sorgen treu: als ultimative Einkaufsmaschine, die Wetter, Terror und schlechten Konjunkturdaten trotzt. Und damit – sagen viele Ökonomen – die Weltwirtschaft vor dem Abstürzen bewahrt. Konsumausgaben sind für schätzungsweise 70 Prozent des US-Sozialprodukts zuständig, und ohne das amerikanische Wachstum sähe es düster für die Weltkonjunktur aus.

      Kaufrausch trotz Wirtschaftsflaute? „Jetzt hören Sie mal gut zu“, sagt Michaela, „hier muss keiner sparen, hier gibt es keine Rezession.“ Mit ihrer linken Hand hält die 59-jährige Hausfrau den Einkaufswagen fest, den Zeigefinger der rechten Hand reckt sie drohend nach vorn. „Diese Dinge bekommen wir von den Medien eingeredet. Weil die so liberal ausgerichtet sind. Das sind alles Lügen. Wenn Sie die wahre Geschichte hören wollen, fragen Sie die Leute hier!“

      Es ist ein sonniger Vormittag in Orange City, Florida, und Michaela hat um elf Uhr vormittags ihr erstes Shopping hinter sich. Lebensmittel und Haushaltsartikel im Wert von 50 Dollar wandern vom örtlichen Wal-Mart-Supermarkt in ihren Dodge-Kleintransporter; und mit dabei sind Michaelas Tochter Dana (32) und ihr Enkel Jax (3), der oben auf dem Einkaufswagen thront und sich Schokolade in die Mundwinkel schmiert.

      Der Orange City Wal-Mart hatte vor ein paar Monaten weltweite Schlagzeilen geschrieben. Am Morgen nach dem Thanksgiving Day, traditionell einer der größten Einkaufstage des Jahres, war eine Horde Schnäppchenjäger durch die Türen gestürmt, um DVD-Spieler für 30 Dollar zu ergattern. Die 41-jährige Patricia Vanlester wurde dabei niedergetrampelt und ins Krankenhaus eingeliefert. Obwohl sich seither ein paar Zweifel eingestellt haben, wie ernst ihre Verletzungen wirklich waren, ist die Stampede von Orange City zum Symbol für den gierigen, unersättlichen Konsumenten geworden.

      Heute geht es hier ruhiger zu; die DVD-Spieler kosten jetzt 44 Dollar, und Michaela und Dana haben ohnehin längst einen. „Anschaffungen? Natürlich haben wir im vergangenen Jahr Anschaffungen gemacht“, sagt das Mutter-Tochter-Duo und überschlägt sich nun fast mit der Aufzählung. Der Computer. Der Fernseher mit eingebautem DVD-Spieler. Das Auto. Der Swimmingpool. „Es ist so toll, wie nach dem 11. September überall die US-Flaggen aufgehängt wurden“, fügt Michaela im gleichen Atemzug hinzu, „und wie diese Nation zusammengerückt ist.“ Was hat das jetzt damit zu tun? „Wir zwei gehen jeden Tag einkaufen!“, sagt Tochter Dana schnell.

      Es gibt an diesem Vormittag zahlreiche Begründungen auf dem Parkplatz von Wal-Mart, warum es trotz der schleppenden wirtschaftlichen Erholung eine gute Zeit zum Einkaufen ist. Karen, eine 42-jährige Mutter zweier Kinder, hat „im Bekanntenkreis durchaus ein paar Fälle“ von Arbeitslosigkeit erlebt. Der Job ihres Mannes, eines Brotverkäufers, sei aber vorerst sicher. Außerdem hilft Karen „mein Glaube als Christin, denn in der Not wird Gott für uns sorgen“. Nicht mal Norene, eine Frau in ihren frühen Dreißigern mit zwei Kindern, hat ihr Shopping zurückgeschraubt. Das sagt sie zumindest. Ihr Mann wurde im vergangenen Jahr arbeitslos, und „wir haben quasi unser ganzes Leben verloren“, sagt sie. Jetzt ist die Familie bei Norenes Vater eingezogen, wartet „auf ein Wunder“ und schimpft auf die Konjunktur, „aber wir können uns immer noch leisten, was wir brauchen“. Dass er wegen der Wirtschaftslage seine Einkäufe reduziert hätte, erzählt an diesem Vormittag in Orange City niemand.

      Vielleicht ist das ein Zufall. Doch fest steht, dass ein vertrauter Anpassungsprozess früherer Wirtschaftsflauten diesmal nicht funktioniert: das „Herunterschrauben der Erwartungen“, eine größere Bescheidenheit beim Einkauf. Zwar ist die Rezession nicht an allen Teilen des Handels spurlos vorübergegangen. Im Augenblick steht es zum Beispiel um Bekleidung, langlebige Gebrauchsgüter und Lebensmittel vergleichsweise schlecht, und die Nachfrage wie die in Umfragen ermittelte Verbraucherstimmung schwankt seit dem Crash etwas unsicher auf und ab. Doch unterm Strich setzt sich ein Trend fort, der in den Boomjahren seinen Anfang genommen hatte: Die – steigenden – Haushaltseinkommen wanderten immer seltener aufs Sparbuch und immer häufiger gleich in die Läden.

      Zum Beginn der Neunziger legten die Amerikaner im Schnitt noch neun Prozent ihres verfügbaren Einkommens für magere Jahre zurück, nun schwankt die Sparquote zwischen zwei und vier Prozent. Der Aktienboom, die Wertsteigerung von Immobilien, der scheinbare Reichtum veranlasste die Konsumenten, Kreditkarten und andere Darlehen auszuschöpfen. Und daran hat sich – trotz Konjunktureinbruch und Börsencrash – wenig geändert.

      Ökonomen und Psychologen sind perplex. Anders als nach der Rezession im Jahre 1991 nehmen viele Amerikaner weiter neue Kredite auf, schneller sogar als in den Jahren zuvor. 2002 hatte ein durchschnittlicher Haushalt mehr als zehn Kreditkarten mit einem einem gesamten Schuldenstand von knapp 9000 Dollar auf den zugehörigen Konten. Das entspricht einer Verdopplung der Kreditkarten-Schulden binnen eines Jahrzehnts.

      Nun gibt es sogar in den Vereinigten Staaten eine Tradition der Kritik an der Konsumgesellschaft, des consumerism. In den sechziger und siebziger Jahren hörte man solche Stimmen sowieso, doch auch heutzutage lästert der Verbraucherschützer und ehemalige Präsidentschaftskandidat Ralph Nader noch über das „Elfte Gebot“ Amerikas, das „Einkaufen bis zum Umfallen“ heiße. Protestgruppen rufen zum „Buy Nothing Day“ auf, kritische Bücher sprechen vom „Luxusfieber“, von der „McWorld“, vom „konsumüberwältigten Amerika“; sie warnen vor leeren Träumen und leeren Konten. Erstaunlicherweise ergab Mitte der neunziger Jahre eine Umfrage, dass mehr als drei Viertel der Amerikaner ihre Kultur für „zu materialistisch, zu gierig“ hielten.

      Der verschwenderische Lebensstil der Reichen wird zum Vorbild

      Es bleibt aber Theorie. Wenn amerikanische Sozialforscher ihre Landsleute heute nach den Zutaten für ein „gutes Leben“ fragen, antworten sie viel häufiger mit einer Aufzählung von Gebrauchsgütern, Luxusartikeln und Dienstleistungen als 15 Jahre zuvor. Warum? Dafür gibt es eine Reihe von Theorien. Der Ökonom Thorstein Veblen stellte schon 1899 in seinem Standardwerk Theory of the Leisure Class dar, wie der Wunsch nach sozialer Stellung auch den nach Produkten und Dienstleistungen vorantreibt. In seiner populären Variante heißt das Phänomen, das der Wissenschaftler beschrieb: Keeping up with the Joneses – das neidische Schielen auf den Besitzstand der Nachbarn und das unermüdliche Nacheifern. Das geflügelte Wort ist fester Bestandteil der amerikanischen Kultur.

      Was sich in den vergangenen Jahrzehnten geändert habe, argumentiert die Sozialforscherin Juliet Schor von der Universität Harvard, sei der Maßstab. Man ziehe jetzt nicht mehr die Nachbarn zum Vergleich heran. In einer Gesellschaft, in der eine bedeutsame Schicht am oberen Ende immer reicher wird, ziehe man deren Lebensstile zum Vergleich heran – die durch das Fernsehen und die Klatschpresse vervielfältigt werden. Das erzeuge einen viel stärkeren Konsumdruck als früher, weshalb Schor schon „anzeigenfreie Räume“ und Werbeverbote in den Medien fordert, um den amerikanischen Konsumenten vor sich selber zu schützen. Untersuchungen scheinen Schors Theorie zu bestätigen: Je mehr Zeit ein Amerikaner vor dem Bildschirm verbringt, desto eher hält er Tennisplätze, Privatflugzeuge, Cabrios, Haushälterinnen und Schwimmbäder für die Standardausrüstung eines durchschnittlichen US-Haushalts.

      Ist es das Fernsehen, das die Amerikaner in den Kaufrausch treibt? Müssen Amerikas Konsumenten geschützt werden, um nicht eines Morgens auf einem gewaltigen Schuldenberg aufzuwachen? Ken Goldstein findet so etwas eine abwegige Idee. Der Konsumforscher an der New Yorker Denkfabrik Conference Board beschäftigt sich seit Jahren mit der Gemütslage der Verbraucher – genauer: Er erstellt eine der bekanntesten Kennziffern der amerikanischen Wirtschaft. Das Conference Board ermittelt seit den späten sechziger Jahren Monat für Monat den so genannten Verbraucher-Zuversichts-Index. 5000 Amerikaner werden gefragt, ob die Wirtschaft ihnen Mut zum Kaufen macht. „Einfach das Gefühl im Bauch ist es, für das wir uns interessieren“, sagt Goldstein. „Die meisten dieser Leute lesen gar keine Zeitung. Herrje, nicht mal deren Psychiater könnte erklären, warum sie diese oder jene Ansicht zur Wirtschaft haben!“

      Trotzdem: Irgendwie haben sich die aggregierten Bauchgefühle über die Jahrzehnte als eines der zuverlässigsten Stimmungsbarometer der US-Wirtschaft erwiesen. In Ken Goldstein haben sie außerdem eine ganz eigene Sicht inspiriert, warum der Konsumrausch nicht verfliegt. „Den Leuten geht es offensichtlich gar nicht so schlecht“, sagt Goldstein. „Vielleicht ist das alles gar nicht so irrational. Vielleicht haben die Verbraucher gar keinen Grund, Traurigkeit zu schieben?“

      In den späten Neunzigern verzeichnete Goldsteins Stimmungsbarometer die größte Euphorie aller Zeiten: Bis auf 145 Indexpunkte stiegen die Werte damals. In den Rezessionsjahren danach fiel es bis auf 60 – damit waren die Verbraucher noch weitaus besser gelaunt als bei früheren Rezessionen, nach denen die Werte bis auf 35 fallen konnten. In dieser Woche ist das Barometer auf 88 Punkte geklettert – das gilt als vergleichsweise zuversichtlich. Und die Unsicherheit am Arbeitsmarkt? Die Schulden-Rekordstände und Bankrotte, von denen man immer häufiger hört? Die vielen ausgeschöpften Kreditrahmen, die drastisch erhöhten Strafgebühren der Kreditkartenfirmen gegen säumige Schuldner, die vielen geplatzten Autokredite? „Die allermeisten Amerikaner kommen mit ihren Schulden offenbar bestens klar“, beharrt Goldstein. „Wissen Sie, wir sind hier keine Schweizer – aber eine verschwenderische Nation sind wir auch nicht.“

      Eine Reihe von Ökonomen teilt diese optimistische Sicht der Dinge. Im Durchschnitt betrachtet ist nämlich der Schuldendienst eines US-Haushaltes – also Tilgung plus Zinsen – von zwölf Prozent des verfügbaren Einkommens auf zuletzt 13 Prozent gestiegen. Alles andere als eine Explosion. Die geringen monatlichen Zahlungen sind zum Teil ein Geschenk des Notenbankchefs Alan Greenspan: Niedrige Zinsen und die massenhafte Umschuldung alter Kredite erlauben das Paradox, dass trotz wachsender Schuldenberge die monatlichen Zahlungen nur langsam steigen. Zum anderen Teil sind sie ein Geschenk von George W. Bush: Massive Steuersenkungen haben die verfügbaren Einkommen zuletzt steigen lassen und die Konjunktur angeheizt. Dafür klaffen jetzt in den öffentlichen Haushalten gewaltige Löcher, aber das ist ein anderes Problem.

      Ein weiteres Argument der Optimisten lautet, dass Untergangspropheten schon mehrfach die Überschuldung der Mittelklasse und den großen Kollaps vorhergesagt hätten – aber gekommen ist er nie. Das liege an einem kulturellen Missverständnis. Kaufen auf Pump sei schon immer uramerikanisch gewesen, argumentiert Lendol Carter, ein Historiker und der Autor des Buches Financing the American Dream. Kreditkarten hätten seit den fünfziger Jahren die „prägende Rolle“ im Verbraucherverhalten der gehobenen Mittelschichten übernommen, argumentiert Calder; davor hätten herkömmliche Konsumkredite eine vergleichbare Rolle gespielt. Doch Calder beharrt darauf, dass diese Kreditkultur wenig mit Hedonismus und Verschwendung zu tun habe und viel mit Disziplin und einer Wahrung des Arbeitsethos – eben weil die monatlichen Ratenzahlungen hereingewirtschaftet werden müssen.

      Doch eine Reihe anderer Ökonomen und Sozialforscher glaubt, dass sich der Umgang der Amerikaner mit Krediten seit ein paar Jahren kräftig wandelt – weg vom soliden Wirtschaften à la Calder. „Der neue Ethos des Verbraucherkredits unterminiert eben jene historische Balance zwischen Arbeit und Konsum“, schreibt Robert Manning in seinem 2000 erschienenen Bestseller Credit Card Nation. Tatsächlich werden heute schon brotlosen Studenten Kreditkarten ausgehändigt und ironisch „Yuppie-Stützen“ genannt.

      „Sogar Kinder, Hunde, Katzen bekommen heute Kreditkarten“

      Amerikaner, die kurz vor dem Verlust ihres Jobs stehen, besorgen sich oft ein ganzes Sortiment Kreditkarten als eine Art Arbeitslosengeld. Massive Werbekampagenen haben in den vergangenen Jahren immer neue, weniger zahlungskräftige Bevölkerungsgruppen mit Kreditkarten überhäuft; entsprechend melden auch immer mehr Amerikaner persönliche Bankrotte an. Sprich: Im Durchschnitt mögen die Schuldenzahlen harmlos aussehen, aber wachsende Bevölkerungszahlen sind trotzdem vom Kredit- und Konsumrausch in die Irre geführt worden. „Sogar Kinder, Hunde, Katzen und Elche bekommen heutzutage Kreditkarten“, regte sich vor ein paar Jahren der Notenbankchef Alan Greenspan auf. Irgendwann in den neunziger Jahren tauchte ein beliebter Auto-Aufkleber auf. „Ich bezahle meine Mastercard-Rechnung mit VISA“, hieß es darauf. Für Tausende Amerikaner, die eine Zeit lang vom so genannten Credit Card Shuffle leben, ist das gar kein Witz.

      Was zum Szenario der Pessimisten unter den Ökonomen und Sozialforschern führt: dass der Einkaufsrausch der Amerikaner sich diesmal doch nicht finanzieren lässt und zu einem bösen Erwachen führt. Dass sie auf dem Parkplatz von Wal-Mart noch ein paar Monate lang Gott und das Vaterland beschwören mögen, dass aber Arbeitsplätze, Nettoeinkommen, die Aktienkurse ihrer Geldanlagen und die Werte ihrer Eigenheime doch nicht mitspielen. „Wenn es in diesem Land eine Blase gibt, dann ist es die Verschuldung“, sagte kürzlich Dave Rosenberg, USA-Spezialist bei der Investmentbank Merrill Lynch. Rings um die Wall Street gibt es etliche Experten, die einen Einbruch des Verbrauchervertrauens, ein Ende des Kaufrausches und ein Einknicken der Konjunktur voraussagen.

      Wer behält Recht? „Die Leute wollen ihr Leben immer noch durch Einkaufen aufwerten, aber sie treffen eine schärfere Auswahl“, erzählte kürzlich Wendy Liebmann, Chefin der Einzelhandels-Forschungsfirma WSL Strategic Retail. „Sie sehen ein, dass sie nicht mehr alles haben können, was sie wollen.“ Und ausgerechnet bei Wal-Mart haben sich in den vergangenen Wochen offenbar Bedenken eingestellt. Der Einzelhandelsgigant verzeichnet zwar weiterhin Rekordverkäufe, aber Wal-Mart-Chef Lee Scott sind zuletzt ein paar verdächtige Trends aufgefallen. Mehr Konsumenten als früher kauften nur noch die billigsten Produkte in jeder Kategorie ein. Und mehr konzentrierten ihr Shopping rund um den Zahltag, ein Indiz für weniger flüssige Mittel. Entweder eine vorübergehende Formschwäche – oder ein Zeichen, dass es den gottesfürchtigen, patriotischen Shoppern von Orange City allmählich mulmiger wird, als sie bislang zugeben wollen.
      Avatar
      schrieb am 07.04.04 16:52:57
      Beitrag Nr. 1.556 ()
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      Arbeiten bis zum Umfallen?

      Goedart Palm 05.04.2004
      Ungerührt von den Paradoxien des schlingernden Sozialstaats werden die Rezepte von gestern und vorgestern verordnet


      Sozialismus ist eine tolle Sache.(?)August Bebel geriet 1879 ins Schwärmen. Arbeit für alle, nicht zu viel und nicht zu wenig. Nur nützliche Güter werden hergestellt. Profit war gestern, Glück ist morgen.

      Heute dagegen gibt es Reformen, besser Reformoffensiven, die im Reformstau stecken und von der sozialen Wirklichkeit schneller überholt werden, als sie der Gesetzgeber nachbessern kann.



      Nach SPD-Chef Müntefering bleibt es die Hauptaufgabe der Sozialdemokratie, die Idee des Sozialstaates in diesem neuen Europa zu erhalten. Nach den Regionalwahlen in Frankreich, cum grano salis auch den Wahlen in Spanien, mögen die Sozis wieder ein bisschen Morgenluft wittern. Denn zunächst atmet der hilflose Wähler die Angst vor seiner sozialen Demontage, die Angst vor dem Abstieg in das wachsende Heer der Parias aller Länder.

      Jeder, der also soziale Reformen verspricht, so irreal sie auch sein mögen, jeder, der den Abstieg in die Armut glaubt bekämpfen zu können, hat Chancen, gewählt zu werden. Es schlägt die große Zeit der Oppositionen, wenn keine Agenda jenseits der Parteiprogramme existiert ( Volle Panik auf der Titanic). Doch das Prinzip Hoffnung unter den unbeirrbaren Auspizien von gestern könnte für den maroden Sozialstaat und seine nationalen Verfechter ein Irrtum sein.


      Zwischen Umbau und Demontage des Sozialstaats


      Münteferings Sozialstaatsverteidigung klingt nämlich bereits wie das Rückzugsgefecht einer altehrwürdigen Staatszielbestimmung, die einerseits vom globalen Turbokapitalismus überrannt wird und andererseits auf immer knappere Sozialkassen stößt.

      Historisch war der Sozialstaat mit dem Nationalstaat verkoppelt und keineswegs der Sieg der "internationalen Arbeiterklasse", von "internationaler Solidarität", die in sozialistischen Programmen vorschnell glorifiziert wurde, ganz zu schweigen. Es ging bei den Sozialstaatskonzepten zuvörderst darum, die Arbeitsbedingungen im jeweiligen Land zu erhalten. Liberales Wirtschaften, gestützt von der Sozialversicherung und anderen sozialen Auffangmechanismen, hieß der eherne Grundsatz, um das heilige Marktgesetz von Angebot und Nachfrage nicht in Abrede zu stellen. Und irgendwie werden sich Unternehmen, Arbeiter und ihre Arbeit, nützliche und weniger nützliche Produkte für Menschen und Shareholder schon "herausmendeln". Das Resultat der unsichtbaren Hand des Marktes, der hin und wieder aus sozialen Gründen bei allzu groben Ausbeutern auf die Finger gepatscht wird, liegt nun vor uns.

      Sozialstaatswahrer Müntefering spricht in der sattsam bekannten Diktion der Reformgläubigen vom Umbau des Sozialstaates. Nur könnten Dauerreformstau dieser Regierung und Dauerunzufriedenheit der Bürger ihre Ursache darin haben, dass es mit dem Umbau, mit den ständigen Nachbesserungen längst nicht mehr getan ist. Hier ein bisschen geben, da ein bisschen nehmen, ob nun den Bossen oder den Genossen - aber lasst bloß das Betriebssystem der sozialen Marktwirtschaft intakt, so wenig intakt es dem Stand der Dinge nach doch ist.

      Liegt hier der Fehler? Kann man umbauen, was im Mark marode scheint? Und vor allem: Wer soll den Umbau leisten, wenn er mit wenig mehr als einem Notgroschen im Prokrustesbett der Interessenwahrer der Arbeitgeber, Arbeiter, Arbeitslosen und Rentner gequält wird?

      Sollten Klassenkampf und Planwirtschaft unter den Bedingungen der kybernetisch besser gerüsteten IT-Weltgesellschaft doch das richtige Konzept sein? Oder bleibt es bei der posthistorischen, postideologischen "Wir sitzen alle in einem Boot"-Gesellschaft? Wie man mit dem Vorstandssprecher der Deutschen Bank Ackermann oder mit Ex-Mannesmann-Chef Esser in einem Boot sitzen kann, ist schwer anzugeben. Die entsolidarisierte Gesellschaft hat nicht nur den einmischungsfreudigen Bundespräsidentenkandidaten Horst Köhler veranlasst, Manager zu kritisieren, die Unsummen einstreichen, während die anderen um die Rente bangen. Strafrechtlich ist das nicht relevant, sagt das Gericht.

      Mag sein, aber ein schönes Signal wäre es gewesen, den Prinzen auf der Erbse, wattiert mit einigen Millionen Euros, auf die Finger zu klopfen. August Bebel klagte schon darüber, dass doch angeblich nur die Tüchtigsten an die Spitze der Unternehmen kommen sollten und es in der Regel nur die "Gewissenlosesten und Geriebensten" schaffen würden. Und sind es heute die Qualifiziertesten unserer vorgeblichen Leistungsgesellschaft, die darüber entscheiden, wer welches Unternehmen ruinieren darf? Entscheidend mögen nicht die Exzesse, sondern die Strukturen der Wirtschafts- und Sozialgesellschaft sein.

      Immerhin indizieren aber solche Abfindungsskandale, dass es Mega-Unternehmen gibt, die sich noch die Spendierhosen leisten können. Auf wessen Kosten wohl? Was Bundespräsident in spe Horst Köhler wie andere mit folgenloser Appelldemokratie oder frei schwebenden Wirtschaftsethiken versuchen, wollen andere mit Klassenkampf kurieren, wenngleich auch das nicht mehr als alter Wein in neuen Schläuchen sein könnte.

      Heute heißt das etwa so: "...wir setzen dem Elend der Macht die Freude am Sein entgegen." Darin erkennen die neokommunistischen "Empire"-Theoretiker Michael Hardt und Antonio Negri eine Revolution, die keine Macht kontrollieren kann. Schön wär`s.

      Dass nun einer halben Million Demonstranten, die anlässlich des Aktionstags der Gewerkschaften gegen Sozialabbau und längere Arbeitszeiten protestierten, wenigstens die revolutionäre Freude am Sein erhalten geblieben sei, ist so unwahrscheinlich wie die Forderung der Kritiker des "Empire", dass das wahre Sein die besseren Verhältnisse erzwingt. Eher ist es doch so, dass die Töne, die nun in Deutschland erklingen, den angestaubten Kampfgeist der gewerkschaftlichen Frühzeit wieder beschwören.

      Wenn Attac eine Managerpuppe zeigt, die "Arbeitssklaven" tyrannisiert, beschwört das die uralte Klassenkampf-Hoffnung, dass die Verhältnisse wieder so überschaubar werden, wie sie längst schon sein sollten. Sollten sich die sozialistischen Theoretiker vielleicht doch nur im Datum der Weltrevolution geirrt haben? Stehen nun die postindustriellen Reservearmeen und ihre Auxiliartruppen, gebildet aus den Armen aller Länder, vor den Toren der reichen Stadt und begehren Einlass?


      Der Exodus der Unternehmer


      Doch leider ist das einsinnige Bild schief, weil längst nicht alle "Ausbeuter" genügend Ausbeute haben. Mag sein, dass noch manches Schwein zu schlachten wäre, bevor der Sozialstaat Bundesrepublik Deutschland das Insolvenzverfahren einleitet. Doch löst das die Probleme?

      Unternehmensflucht in Billiglohnländer ist nicht nur ein Zeichen von Gemeinwohlverrätern in den Chefetagen. Der Ausverkauf des Sozialstaates im Globalisierungsprozess ist strukturell etwas anderes als die Wiedergeburt des Manchesterkapitalismus händereibender Unternehmer. Wenn man das aufhalten wollte, müssten etwa in weitem Umfang Kaufverpflichtungen dekretiert werden. Kauft deutsche Waren! Aber kaufen die Menschen bei Aldi, weil sie sparen wollen? Könnten sie es sich leisten, teure Inlandsprodukte gegenüber "Made in China" zu bezahlen? Der Arbeitsplatzpatriotismus auch gutwilliger Unternehmen wird immer geringer, weil der Globalisierungsterror den Exodus in die Sweat-Shops verordnet.

      Die Regierung kann sich jedenfalls Arbeitsplatzsubventionen nur noch in schwindendem Umfang leisten. Mindestens teilweise schreibt der Markt es vor, wenn Unternehmen auf gepackten Koffern sitzen - und der Markt ist ungerecht. Die Ironie dieser Geschichte liegt darin, dass nun die internationale Solidarität der "Arbeiterklasse" dringlicher denn je wäre, aber diese Klasse nicht existiert. Stattdessen erleben wir die Klasse nationaler Besitzstandswahrer, vom überdotierten Manager bis hin auch zum noch nicht verarmten Rentner, der selbst Einbußen von einigen Euros als Angriff auf sein Lebensrecht definiert. Dann steht das Volk auf und der Sturm bricht los...oder auch nicht.


      Wie viel Arbeit hätten Sie denn gern?


      Was ist zu tun? Wer langfristig längere Arbeitszeiten fordert, ist ein Gestriger. Es ist überhaupt nicht wünschbar, dass Menschen auf Grund eines schlechten ökonomischen Verteilungssystems Arbeit leisten sollen, die heute, spätestens aber morgen von Maschinen besser geleistet werden kann. Längere Wochenarbeitszeiten oder unbezahlte Überstunden mögen in akuten Krisensituationen, im Rahmen konkreter betrieblicher Engpässe eine Lösung sein. Weder der öffentliche Arbeitgeber noch die privaten Unternehmen sind in Zeiten knappster Budgets jederzeit in der Lage, beliebig neue Arbeitsplätze zu schaffen. Auf Grund hoher Lohnkosten wäre Mehrarbeit in Krisensituationen zumindest ein vorübergehendes Mittel, dem Kollaps von öffentlichen und privaten Unternehmen entgegenzuwirken.

      Langfristig ist es aber kapitaler Unfug, künstlich Arbeitsplätze zu schaffen, die unterhalb eines möglichen Produktivitätsniveaus liegen. Jeremy Rifkin hat das "Ende der Arbeitsgesellschaft" prophezeit, weil die Steigerung der Produktivität durch den Verbund von Automation, Informations- und Biotechnologien langfristig konkurrenzlos ist. Doch das will man nicht wahrhaben. Jede gesellschaftliche Maßnahme wird großsprecherisch danach beurteilt, ob sie das alte Zwangsideal der Vollbeschäftigung wider jede technologische Vernunft krampfhaft aufrecht erhält. Die Kopplung von Arbeit und Einkommen soll nicht aufgebrochen werden, weil das noch mehr Chaos zu verheißen scheint, als ohnehin bereits eingetreten ist.

      Also werden Rezepturen entwickelt, die vornehmlich Arbeit anders verteilen wollen und Automatisierungsprozesse eindämmen. Werner Sombart wies auf die zahlreichen historischen Versuche hin, arbeitsvernichtende Maschinen aus dem Arbeitspark zu verbannen. Im zweiten Jahr von Elisabeth I. wurde eine Maschine zum Walken von Tüchern verboten. Bis 1684 war in Frankreich der Strumpfwirkerstuhl verboten. Colbert erblickte in den Erfindern solcher Maschinen Feinde der Arbeit. Immer ging es darum zu verhindern, dass Menschen Arbeit und Brot verlieren, weil niemand zu denken wagte, dass die biblische Engführung von Erwerbsarbeit und Anspruch auf Subsistenz selbst zum historischen Relikt werden könnte. Doch immer waren die Verbote, die Evolution der Technologie durch künstliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu ignorieren, letztlich erfolglos.

      In Zukunft werden die Versuche noch schneller scheitern, sich der technologischen Vernunft und damit einer gesteigerten Arbeitsproduktivität zu verschließen. Die Hoffnungen auf einen extensiven Dienstleistungssektor, auf neue Formen von Telearbeit und fröhlich virtuellen Arbeitsformen in der großen IT-Welt haben sich nicht bestätigt. Und wie sollten sie auch? Die "Arbeit" der Computer und Netze wird immer besser, qualifizierter und vor allem: billiger, ohne menschliche Durchschnittsqualifikationen noch zu benötigen.

      Da helfen auch die Beschwörungen der zukünftigen Wissensgesellschaft Deutschland des SPD-Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden der "Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen", Otmar Schreiner, wenig. Das gilt vor allem dann, wenn die neue Bildungsherrlichkeit auf eine Mehrklassengesellschaft aus Eliten und Minderqualifizierten setzt. Auch die menschliche Wissensherrschaft ist womöglich einer von mehreren Restposten einer virtuellen Gesellschaft. Bildung mit kürzesten Halbwertszeiten ist zumindest für die Vielzahl der Menschen längst kein Garant mehr für eine Gesellschaft der Vollbeschäftigung. Der Mensch wird zukünftig nicht im Schweiße seines Angesichts arbeiten. Der Mythos der Vollbeschäftigung endet im virtuellen Maschinenpark. Das sagt indes noch wenig über die kommenden Formen einer sozialverträglichen Gesellschaft aus.


      Der Mythos der Erwerbsarbeit


      Arbeit macht bekanntlich nicht allzu frei, wenn die Verhältnisse nicht danach sind. In Amerika etwa lohnt sich das Tellerwaschen immer weniger. Die Aufstiegslegenden gehören dort der Geschichte an. Wer hier zu Lande im Auftrag des Sozialamts Dreck wegkehrt, wird darin auch keine Aufstiegsperspektive als freier, selbstbestimmter Mensch erkennen wollen.

      Anständige Löhne für anständige Arbeit, fordert Otmar Schreiner. Das genau ist die heilige Kuh: An die lebenslängliche Erwerbsarbeit, die mit Einkommen und Leistung verkoppelt sein soll, will keiner rühren. Unbeirrbar werden Arbeitslosenzahlen, die trotz vermeintlich größter Anstrengungen nicht sinken, wechselnd der Unfähigkeit der Regierung, dem Starrsinn der Gewerkschaften oder den nationalen Verbraucheregoismen zugeschrieben. August Bebel verkündete die Arbeitspflicht aller Arbeitsfähigen, ohne Unterschied des Geschlechts. Das sei das Grundgesetz der sozialistischen Gesellschaft.

      Friedrich Engels zögerte nicht zu behaupten, die Arbeit habe den Menschen selbst geschaffen. Das ist heute über die Parteien, Klassen, Gewerkschaft, Unternehmer und Arbeiter hinweg ein immergrüner Mythos. Die Gewerkschaften so wenig wie irgendein Politiker könnten aus Gründen der Humanisierung der Gesellschaft mehr Arbeitslose fordern. Also kündigt man aus alter Routine heraus Streiks an, um die Arbeitsplatzbeschaffung zu zwingen. Vermutlich müssen die Arbeitslosenzahlen noch erheblich höher steigen, um klar zu machen, dass der strukturelle Umbau des Sozialstaates erheblich weiter reichen muss, als es bisher mit Reform und Reförmchen geschieht.

      Im Osten schwankt die Stimmung inzwischen von "Orange Alert" zu "Red Alert". Ein geheimer Beraterstab der Bundesregierung vermeldet bis zu 20 % Arbeitslosenquote. Schon will man eine "Sonderwirtschaftszone Ost" konstituieren, was ja nicht ohne historische Ironie wäre, die "Zone" im Zeichen des gescheiterten "Aufbaus Ost" neu zu konstituieren. Doch auch im Westen sind substanzielle Erfolge im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit nicht zu verzeichnen. Das nimmt dann etwa bei den sog. "Nascent Entrepreneurs" groteske Formen an, wenn die Flucht in die Selbstständigkeit auf der Achterbahn des freien Wirtschaftens zu Insolvenz und Sozialhilfe führt. Man kann zwar Statistiken schön färben, Pseudo- und Mc-Jobs schaffen, Arbeitslose zur Fortbildung schicken, doch das ändert nichts an der objektiven Hilflosigkeit, mit den bestehenden Mitteln die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.


      Kohle ohne Arbeit


      Erst jetzt wird in konjunkturabhängigen Gesellschaften, die Produktion und Konsumption jenseits der Notwendigkeit lebensnotwendig brauchen, richtig klar, wie fatal der Umstand ist, dass die Erwerbsarbeit der Verteilungsschlüssel für das Medium "Geld" ist. Arbeitslose mit Minimalbudget scheiden damit als verbrauchsfreudige Konsumenten einer gewinnabhängigen Wirtschaft aus. Wenn danach weniger Güter und Dienstleistungen bereit gestellt werden und die Chance, Gewinne zu machen, dürftig wird, fallen wieder Arbeitsplätze weg. Diese Verelendungsspiralen dürften schon bald den Offenbarungseid ganzer Gesellschaften forcieren, wenn das Reformgerede sich nicht bald in einem ernst zu nehmenden Diskurs über die Umstrukturierung der Wirtschafts- und Arbeitsgesellschaft verwandelt.

      Dabei wäre für mutige Reformer nur der Begriff der "Arbeit" neu zu definieren. Es gibt auf einmal nur noch sehr wenig Arbeitslose, wenn man nicht den Maßstab der klassischen Erwerbsarbeit zugrundelegt. Und wäre das nicht die beste Gelegenheit, den vorschnell abgelegten Begriff der "entfremdeten Arbeit" gegen die biblische Verheißung von der Arbeit im "Schweiße deines Angesichts" zu reformulieren?

      Es kann nur darum gehen, einen sozialen Lohn und ein garantiertes Einkommen für alle zu schaffen, ob sie nun klassischer Erwerbsarbeit nachgehen, Kinder hüten oder im Non-Profit-Bereich die Geschicke dieser armseligen Welt fördern. Notwendig wäre ein Bürgereinkommen, das des Kanzlers eindimensionale Faulenzerthese) genauso verabschiedet wie die immer irrealeren Forderungen nach tendenzieller Vollbeschäftigung in Zeiten steigender Arbeitsproduktivität. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit nach heutiger Lesart wäre dann endgültig als Kampf gegen Windmühlen disqualifiziert. Aber das kann doch keiner finanzieren, womit wir wieder beim Ausgangspunkt der Misere gelandet wären, wenn wir weiter auf Legenden bauen wollen.


      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/17121/1.html
      Avatar
      schrieb am 07.04.04 17:07:39
      Beitrag Nr. 1.557 ()
      Teures Handy:
      Welche Gebühren-Fallen in modernen Handys eingebaut sind


      Autor: Franz Kowalski



      Frau Wasner und ihr Lebensgefährte Herr Buermann hatten im Oktober 2003 ihren Mobilfunk-Vertrag beim Zweitanbieter Debitel (Netzbetreiber Vodafone D2) verlängert. Die Freude über ein kostenlos beigegebenes Handy, ein Sony Ericsson T 610, währte nicht lang. Der Schock kam mit der ersten Rechnung, laut der sie angeblich alle vier Stunden einen kostenpflichtigen Dienst zum Preis von je 2,52 Euro in Anspruch genommen hatten. Innerhalb von zwei Monaten waren so Gesamtkosten in Höhe von 806,75 Euro entstanden. Sie fragten mehrfach nach, aber die Gründe für die hohe Rechnung wurden nicht klarer. Auch ihrer Bitte, diesen Dienst sperren zu lassen, wurde nicht entsprochen.

      E-Mail-Dienst durch zufällige einfache Tastenkombination aktiv
      Wie sich bei der Recherche herausstellt, haben Wasner und Buermann beim ersten Ausprobieren der Funktionen ihres neuen Handys offenbar unabsichtlich eine E-Mail-Adresse beim Netzbetreiber Vodafone eingerichtet. Eine kurze, offenbar ebenfalls eher versehentlich gewählte Tastenkombination schaltete dann noch die aller vier Stunden automatisch erfolgte Überprüfung des Mail-Kontos auf neue Nachrichten an. Herr Buermann war sicher, keine E-Mails empfangen zu haben. Doch das spielt keine Rolle. Das Unternehmen berechnet bei jedem Abruf pauschal mindestens 100 Kilobyte Datentransfer oder 2,90 Euro (inkl. Mehrwertsteuer), egal ob wirklich Mailverkehr stattfindet. [plusminus fragte bei Debitel nach, warum Wasner und Buermann nicht auf den für das Unternehmen einfach nachvollziehbaren Umstand hingewiesen wurden. Den beiden Geschädigten war lediglich geantwortet worden, dass die Dienste per manueller Steuerung über das Handy bestellt worden seien. Außerdem, so Debitel, habe man mit der Aussage, alle Verbindungen richtig erfasst zu haben, ausreichend geholfen.

      Ein Tastendruck genügt manchmal
      Der dargestellte Problem ist kein Einzelfall, wie [plusminus während der Recherche herausfand, sondern möglicherweise sogar Kalkül der Netzbetreiber, denn: Der Markt ist angesichts 63 Millionen Mobilfunkanschlüsse gesättigt. Für weiteres Wachstum bleibt den Netzbetreibern nur, Ihren Kunden die neuen Datendienste anzubieten. Und dazu gibt es oftmals zwei Ausführungen des gleichen Telefontyps: Die Geräte, die speziell auf die Dienste eines Netzbetreibers voreingestellt sind und netzbetreiber-neutrale Geräte. Für den Handynutzer heißt das: Beim netzbetreiber-neutralen Gerät öffnet sich auf Tastendruck ein Menü, beim Netzbetreibergerät löst der gleiche Tastendruck eine kostenpflichtige Verbindung in den jeweiligen Internetdienst aus.

      Vorkonfigurierte Handys
      In der Fachsprache heißt die Anpassung der Handys an Netzbetreiberdienste "Branding". Die Geräte mit einem Branding erkennt man von außen meist an einem Logo des Netzbetreibers. Einige Fachhändler wie etwa die Firma "mptelecom.de" bieten den Service an, die Netzbetreibersoftware wieder mit der Originalsoftware des Herstellers zu überspielen. Diesen Service nutzen immer mehr Kunden, bestätigt man dort: "Die Geräte, die vom Netzbetreiber ausgeliefert werden, haben eine eigene Software. Die Software verweist mit relativ kurzen Tastendrücken in Internetportale, die kostenpflichtig sind. Und die Kunden möchten die Software wieder zurückgesetzt haben auf den Originalzustand des Herstellers. Wir bieten das bei einigen Telefonen an, etwa bei Sony, Samsung oder Motorola.."

      Alle Netzbetreiber setzen auf Branding
      Das Telefone auf die Zusatzdienste der Netzbetreiber abgestimmt werden, ist ein klarer Trend. Dabei richten sich die Hersteller nach den Vorgaben der Netzbetreiber, wie man bei der Fachzeitschrift "connect" bestätigt:

      "Im Moment kann man sagen, dass die D-Netze in Sachen Branding sehr aggressiv auftreten und diesen Markt pushen. Gerade Vodafone live hat ganz umfangreiche Kriterien den Herstellern aufgegeben, in denen genau definiert ist, wie so ein Produkt auszusehen hat. T-Mobile steht dem nicht in vielem nach. Aber auch O2 und eplus bieten Geräte an, die sehr stark konfiguriert sind. Alle vier Netzbetreiber in Deutschland arbeiten sehr stark mit Branding und Anpassung an ihre Dienste."

      Netzbetreiber wollen es ihren Kunden "einfacher" machen
      Ein Vodafone-Pressesprecher betont im Gespräch mit [plusminus, dass die zunehmende Nutzung der Dienste auch durch die besonders einfache Handhabung der Geräte verursacht werde: "Die Vodafone-Live-Handys sind so konzipiert, dass man schnellen Zugang findet zu dem Vodafone-Live-Portal, deswegen die Funktionstaste, deswegen auch die Unterstützung im Menü zum Beispiel bei Klingeltönen, dass man die Möglichkeit hat, wenn man mehr Klingeltöne möchte als die vorinstallierten, dass man dann die Liste schnell aufrufen kann."

      Entwicklung geht am Kunden vorbei
      Viele Verbraucher wünschen sich allerdings nichts sehnlicher, als einfach und klar bedienbare Telefone ohne Kostenfallen. Doch die Kundenwünsche spielen bei den Netzbetreibern offenbar eine eher untergeordnete Rolle. Der Mobilfunk-Experte des Fachmagazins "connect" sieht einen massiven Druck der die Netzbetreiber auf die Handyhersteller: "Es ist wirklich so, dass ein Handyhersteller heutzutage, wenn er nicht gerade Nokia heißt, kein Produkt in den Markt bringen kann, dass nicht den Vorstellungen des Netzbetreibers entspricht, wenn er nur ein paar Prozent Marktanteil erhalten möchte. Der Markt dreht sich einfach um die Netzbetreibershops. Dort werden die Stückzahlen erreicht. Die Geräte, die im Fachhandel verkauft werden, spielen ja quasi keine Rolle.".

      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 06.04.04 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www3.mdr.de/plusminus/060404/handy.html
      Avatar
      schrieb am 13.04.04 21:34:45
      Beitrag Nr. 1.558 ()
      Hans Herbert von Arnim

      Die Besoldung von Politikern

      und der Zusammenhang mit ihrer Rekrutierung, und der Leistungs- und Handlungsfähigkeit der Politik*

      Das Thema "Bezahlung und Versorgung von Politikern" hat wieder einmal Konjunktur. Wenn die Politik von allen Einschränkungen verlangt, müssen auch die eigenen Privilegien von Politikern auf den Prüfstand. Doch das Thema reicht sehr viel tiefer. Es betrifft Schlüsselfragen unseres Systems: die Qualität, die Leistung und Verantwortlichkeit von Politikern und damit auch die Handlungs- und Reformfähigkeit der Politik. *



      I. Bezahlung von Politikern

      1. Das alte Problem. Wie ein Gemeinwesen seine politischen "Führer" bezahlt, beschäftigt die Philosophie bereits seit Aristoteles. Einerseits muss man Politiker ordentlich bezahlen, damit nicht nur Reiche an- spruchsvolle Ämter übernehmen können (was mit der Demokratie unver- einbar wäre). Gleichzeitig muss man Vorkehrungen gegen Bestechung schaffen. Andererseits sollten staatliche Ämter nicht unbedingt ihrer Bezahlung wegen angestrebt werden.[1]

      2. Vordergründige Diskussion. Im alten Jahr wurde viel darüber diskutiert, ob Bundestagsabgeordnete – angesichts der wirtschaftlichen und budge- tären Krise, in der die Bundesrepublik sich befindet – nicht auf die Erhöhung ihrer steuerpflichtigen Grundentschädigung um 131 Euro (= 1,9 %) auf 7.009 Euro (12 mal im Jahr) zum 1.1.2003 verzichten sollten. Doch diese Diskussion kratzte nur an der Oberfläche. Die eigentlichen Probleme liegen tiefer. Dabei müssen auch die Strukturen und die systemischen Zusam- menhänge aufgedeckt werden, die in der öffentlichen Diskussion meist ausgeblendet werden..........

      http://www.hfv-speyer.de/VONARNIM/zrp03.htm
      Avatar
      schrieb am 13.04.04 21:35:36
      Beitrag Nr. 1.559 ()
      Avatar
      schrieb am 13.04.04 21:52:23
      Beitrag Nr. 1.560 ()
      Die Baisse dauert an! Es wird hochgefährlich!

      Der Sturm ist losgebrochen! Grosse Verluste!


      Das Momentum in dieser kleinen Retracement-Rally lässt schon wieder nach. Kommende Woche könnte noch ein kleiner Schub zum Doppeltop passieren, danach folgt der grosse Downturn. Die Immobilienblase in USA ist geplatzt! Siehe Chart unten. Das bedeutet, dass Immobilien billiger werden und die Hausbauer ihre Werte schwinden sehen. Gleichzeitig können die Hypotheken nicht mehr so hoch wie bisher gewährleistet werden. Dem Platzen der Immobilienblase folgt das Platzen der Aktienindexes. Der Verbrauchervertrauensindex der Uni Michigan zeigt ebenfalls Erlahmungserscheinungen. Die Problem der US-Ökonomie kumulieren. Die “Jobless Recovery” bleibt ein Märchen.

      Es ist immer wieder die gleiche Attitude, die Masse wiegt sich in Sicherheit in einem angenommenen Bullenmarkt. Tatsache ist aber, dass sich der Markt nur in einer Bärenmarktrally befand. Diese ist nun vorüber. Die Bären werden wieder fürchterlich zuschlagen, dass den Bullen hören und sehen vergeht. Monatelang haben wir Ihnen die Fakten vor Augen geführt, weshalb die Ökonomie keine Aussicht auf Erholung hat. Viele Analysten sehen mittlerweile die Felle davon schwimmen. Technisch ist der Markt schwer angeschlagen. Die Auftrendlinie bestehend seit März 2003 wurde entschieden nach unten durchschlagen. Der nächste Support im DJIA liegt bei 9600 und beim DAX bei 3600.

      Greenspan gibt vor, die Wirtschaft hat die Kurve gekriegt. Wenn so, dann ist dies die seltsamste Belebung in der Geschichte:

      Investoren verloren 2,4 Billionen in 2002. Entmutigt werden sie beginnen mehr zu sparen und weniger auszugeben.
      Firmen reportierten USD 197 Milliarden nach Steuern Gewinne in 2002, weniger als USD 205,3 Milliarden in 2001. Ohne Gewinne können Unternehmen nicht wachsen.
      Das Handelsdefizit nähert sich USD 500 Milliarden. Jeder Dollar, der nach Übersee geht, ist einer weniger für US Gewinne.
      Die Amerikaner halten USD 1,7 Billionen Schulden. Das ist mehr als USD 5934 pro Kopf und steigt täglich an. Jeder Cent muss zurückbezahlt werden.
      Die Wahrheit ist, dass nur Regierungs- und Verbraucherausgaben die Wirtschaft noch am Laufen erhalten. Der einzige Weg, um das zu erreichen, liegt im Aufblähen, mehr Geld zu drucken. Je mehr Dollar es gibt, umso wertloser wird das Geld. Es dauert nicht mehr lange, dann ist es wertlos.
      Ein steiler Abtrend führt den Aktienmarkt in neue Tiefen. Die von den meisten Analysten angesagte weitere Erholung im Aktienmarkt und der Konjunktur findet natürlich nicht statt. Es gibt ein jähes Erwachen. Wir bleiben bei der "Sell" Empfehlung.

      Wir können uns auf eine "Wildwasserfahrt" gefasst machen.







      http://www.evotrade.de/Tag_im_Markt/tag_im_markt.html
      Avatar
      schrieb am 14.04.04 15:59:41
      Beitrag Nr. 1.561 ()
      Avatar
      schrieb am 16.04.04 16:45:43
      Beitrag Nr. 1.562 ()
      Ruhrgebiet droht Entvölkerung - wie Ostdeutschland


      Einer neuen Studie des Landesamtes für Statistik in Düsseldorf zurfolge droht dem Ruhrgebiet eine massive Entvölkerung, die nur noch von der derzeitigen Entleerung ostdeutscher Landstriche übertroffen wird. So sollen nach der neuen Prognose viele Städte bis 2020 über 10% ihrer Einwohner verlieren - Hagen minus 16,3%, Wuppertal minus 14,3% oder Gelsenkirchen minus 12,2% beispielsweise.

      Aber das könnte noch längst nicht alles sein, denn es ist ungewiß, ob und wenn ja inwieweit die Statistiker in ihrer Studie den Effekt des nunmehr ja wohl auf uns zukommenden Emissionshandel berücksichtigt haben. Große Unternehmen haben nämlich bereits angekündigt, Werke zu schließen, sobald sie Emissionsrechte nachkaufen müßten. Kein Wunder, denn mit dem Emissionshandel kann man, sobald die künstliche Verknappung erstmal richtig greift, viel mehr Geld "verdienen" als mit materieller Produktion.

      Wir haben diese Entwicklung an dieser Stelle daher schon vor einiger Zeit prognostiziert.

      Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat unterdessen in einem Interview für die "Welt am Sonntag" die Verlagerung von Unternehmen in Ausland als "unpatriotisch" bezeichnet. Wie Patriotisch eine politische Kaste ist, die der eigenen Bevölkerung jedoch systematisch die Lebensgrundlage entzieht, dazu hat Thierse sich nicht geäußert.

      Inwieweit hinter der sich derzeit abzeichnenden Politik der künstlichen Verknappung und Rationierung vielleicht nichtkommunizierte Ziele stehen, die mit der Entvölkerung ganzer Landstriche in Ostdeutschland und nun in den nächsten 15 Jahren des Ruhrgebietes erreicht werden, mag sich jeder überlegen ,der diese Zitateliste zur Kenntnis nimmt. In Africa und Asien hat man ähnliche Ziele auf viel drastischere Art erreicht, indem man beispielsweise das segensreiche Pflanzenschutzmittel DDT Anfang der 70er Jahre verbot, so daß die Malaria in Gebiete zurückkehrte, wo sie längst ausgerottet wurde. Seither starben an Malaria und Dengue-Fieber angeblich mehr Menschen als durch den zweiten Weltkrieg. In Europa macht man im Prinzip das Gleiche, nur viel Subtiler durch die bewußte und planmäßige Zerstörung der Wirtschaft und der Energieversorgung. Das hat alleine letzten Sommer 15.000 Menschenleben gekostet.

      Aber natürlich ist das eine reine Verschwörungstheorie, und selbstverständlich brauchen wir den Zertifikatehandel zur Rettung des Planeten, genauso wie die Erhöhung der Ökosteuer, die über Ostern schon gefordert wurde, denn Benzin ist viel zu billig...

      Links zum Thema: Energierationierung: wie funktioniert

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 16.04.04 16:55:23
      Beitrag Nr. 1.563 ()
      500.000 demonstrierten in Berlin, Köln und Stuttgart
      gegen Sozialabbau und Agenda 2010

      Den Zynismus derer, die sich im Besitz der Wahrheit wähnen, hat das nicht berührt.

      Gegen-Zynismus
      von Egon W. Kreutzer
      06.04.2004



      Ist die Wahrheit reformierbar?


      ...die Wahrheit ist unser kostbarstes Gut,
      lasst uns sparsam damit umgehen.
      (Mark Twain)

      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14011Wahrheit.html

      Diamanten, Gold, Seegrundstücke, russische Ikonen - alles Kostbarkeiten, die nach unserem gesunden Rechtsempfinden alleine dem zustehen, der sie sich leisten kann.

      Wer sich Diamanten nicht leisten kann, muss eben Strass funkeln lassen, wo es für Gold nicht reicht, ist Messing angesagt. Seegrundstücke sind selten, aber es gibt genügend Zweizimmerküchebadmietwohnungen, sogar mit Balkon; und in Ermangelung der russischen Ikone pinnt der wahre Kunstliebhaber gerne auch ausgerissene Illustriertenbildchen an die Wand.

      Doch mit der Wahrheit ist es eben doch ganz anders, als Mark Twains spöttische Anmerkung vermuten lässt:

      Die Wahrheit ist kostenlos und umsonst und überall zu haben.

      Man muss sie einfach nur hinnehmen und glauben. Mit Millionenauflage wirft BILD die Wahrheit auf die Straße und ungezählte andere Printmedien tun es ebenso. Millionen von Gebührenzahlern samt allen Schwarzhörern und Schwarzsehern bekommen die Wahrheit von ARD und ZDF und allen privaten Sendern täglich rund um die Uhr frei Antenne und Kabel ins Haus geliefert. Regierungssprecher, Parteisekretäre, Minister und Bürgermeister, Wissenschaftler und wissenschaftliche Beiräte überschütten uns mit Wahrheit und die Medien öffnen alle Schleusen, damit ja kein Bürger ohne Wahrheit bleibt.

      Trotzdem will es in unserer deutschen demoskopischen Republik einfach nicht gelingen, die Wahrheit durchzusetzen. Da hilft kein Machtwortbasta und keine Rücktrittsdrohung. Die Versuche, den Menschen die Wahrheit zu erklären, nehmen zwar stetig an Schärfe zu, aber es hilft trotzdem nichts.

      Die Wahrheit trifft auf taube Ohren, wird mit Füßen getreten und in den Schmutz gezogen.

      Viele beginnen sich zu fragen, ob die Menschen der Wahrheit vielleicht überdrüssig sind, ob man Wahrheit wieder rationieren und portionieren, eintüten und homöopathisch verdünnen sollte, aber letztlich hat sich als gesicherte Erkenntnis herausgestellt:

      Das Problem ist nicht die Allgegenwart der Wahrheit, das Problem ist die unerschütterliche Ungläubigkeit der Menschen!

      Alle Weisen und Wichtigen, alle Roten und Schwarzen, alle Gelben und Grünen - so sie etwas zu sagen haben, sagen sie wahrheits- und sinngemäß:

      Zu dieser Reformpolitik gibt es keine Alternative.


      Aber was passiert?

      Eine halbe Million Ungläubige gehen in Köln, Berlin und Stuttgart auf die Straße und wollen die Wahrheit ums Verrecken nicht akzeptieren!

      Da ist es doch nur recht, wenn Müntefering und Schröder betonen, dass sie sich von einem Häufchen ungläubigen Volks nicht beirren lassen wollen und es ist doch nur gut, wenn Herr Bütigkofer bedächtig auseinanderklamüsert, wo es der Erklärungsbedarf ist, an dessen Befriedigung es fehlt, und wo es die Verunsicherung ist, die zu viel ist, und warum die Grünen weder daran noch daran schuld sind.

      Clement und Laurenz-Meyer, Merkel und Stoiber, Prof. Sinn und Herr Pierer sowie die unermüdlichen Wahrheitsprediger Hundt und Rogowsky unterstützen die Regierer nach Kräften bei der Verbreitung der Wahrheit, aber gegen einen hartnäckigen Ungläubigen ist nun mal kein Kraut gewachsen und selbst Sabine Christiansens unermüdliches Wahrheitsbemühen perlt an der Mauer des Unglaubens ab, wie ein Schmutzwassertropfen an der Lotosblütenstruktur moderner Fassadenfarben.



      Was ist bloß los mit diesen Deutschen?
      Warum glauben sie selbst die offenkundigste Wahrheit nicht mehr?



      Da ist diese Sache mit der Arbeitslosigkeit.

      Jeder der guten Willens ist, kann sehen, dass diese Regierung das Problem der Arbeitslosigkeit praktisch schon gelöst hat.

      Herr Hartz und seine Projektkoalition aller Profis der Nation arbeiten seit Oktober 2002 unermüdlich und wie die Berserker an der Halbierung der Zahlen der Arbeitslosenstatistik. Das Ziel, bis Mitte 2005 zwei Millionen Arbeitslose in der Zählung nicht mehr berücksichtigen zu müssen, ist nahezu erreicht. Oder will jemand ernsthaft daran zweifeln, dass Bernhard Jagoda bereits mehr als sechs Millionen Arbeitslose zu vermelden wüsste, hätte man ihn - ohne jegliche Reform - als Präsident der Bundesanstalt für Arbeit einfach so weiterwursteln lassen?

      Aber nicht nur die absoluten Zahlen werden erfolgreich bekämpft, auch die Langzeitarbeitslosigkeit ist mit den Instrumenten der neuen Bundesagentur für Armut inzwischen überwunden. Das ist die Wahrheit! Und es war so verblüffend einfach!

      Arbeitslosigkeit dauert längstens ein Jahr. Das steht im Gesetzblatt. Daran muss sich jeder halten. Und wenn sich einer nicht daran hält, dann schlägt nach einem Jahr der mit der Sozialhilfe zusammengelegte Unzumutbarkeitswegfall zu. Das ist das gleiche, wie der Typenschildentfall beim Golf. Plötzlich fehlt der Stempel am hinteren Kotflügel und schon ist Schluss mit arbeitslos.

      Übrigens sind auch die Kosten der Arbeitslosigkeit schon weit niedriger, als sie es wären, hätte es das Hartz-Konzept nicht gegeben. Das entlastet die Staatskasse und die Wirtschaft.

      Wenn das alles erkennbar wahr ist, wenn diese ersten zaghaften Schritte auf dem notwendigen Reformkurs schon so wunderbare Wirkungen zeitigen, dann muss auf diesem Wege doch weitergegangen werden. Dann müssen die Schritte doch größer und mutiger, die Schnitte doch tiefer und blutiger werden - und Deutschland wird von seiner Krankheit genesen.


      Apropos "Krankheit":

      Da ist die Sache mit der Krankenversicherung.

      Jeder der guten Willens ist, kann sehen, dass die Regierung das Problem mit der Krankheit praktisch schon gelöst hat.

      Frau Schmidt und ihre Berater arbeiten wie die Berserker daran, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken. Ist nicht eine wunderbare Ruhe eingekehrt, in den Wartezimmern? Die Simulanten und Drückeberger sind nicht mehr zu sehen. Auch die Alten und Kranken, die früher herumhockten und die Arztpraxen als öffentliche Wärmestuben ohne Verzehrzwang missbrauchten, bleiben jetzt lieber zuhause. Natürlich bleibt das Budget der Ärzte unangetastet.

      Man kann Frau Schmidt förmlich reden hören:

      "Als die Zahl der abgerechneten Behandlungen Jahr für Jahr zugenommen hat sind die Punktwerte doch jahrelang gesunken, da werden sie jetzt doch auch steigen dürfen, wenn die Zahlen der abzurechnenden Behandlungen sinken."

      Die Wahrheit ist: Der Rückgang der Patientenzahl ist ein erfreulicher Nebeneffekt, der die Überlastung der Ärzte abbauen hilft, ohne dass ihre Einkommen deswegen sinken müssten, im Gegenteil, mit den zusätzlichen Einnahmen aus den Praxisgebühren können die Kassen jetzt besser wirtschaften, da kann auch für den einen oder anderen Arzt etwas übrig bleiben.

      Verschärft wurden auch die Zuzahlungsregeln für Medikamente und den Hotelservice der Krankenhäuser und für die Kuren und Heilbäder und Massagen und Taxifahrten und all den anderen unnützen Komfort auf Krankenschein. Das hat niemandem geschadet.

      Oder ist es etwa seit dem Inkraftreten der jüngsten provisorischen Übergangs-Jahrhundertreform zu einem Massensterben Schwerstkranker gekommen?

      Na also!

      Die Wahrheit ist: Es ist eine wunderbare Ruhe eingekehrt in den Turnsälen der Physiotherapeuten und vor den Kassen der Apotheken. Jetzt kommen nur noch die, die wirklich krank sind. Denen ist - und daran erkennt man sie - ihre Gesundheit etwas wert, die zahlen gerne mehr dafür, nicht nur, um den Einzug ins Pflegeheim möglichst lange hinausschieben zu können. So helfen die erhöhten Verkaufspreise für Arzneien der Pharama-Industrie und den Apothekern in geradezu genialer Weise, den Umsatz-Rückgang bei den Trivial-Medikamenten auszugleichen - und das mit weit weniger Kassenpersonal!

      Aber nicht nur die absoluten Fall-Zahlen werden bekämpft, auch den chronischen Krankheiten wurde ihr einstiger Schrecken genommen. Im Januar 2004 war es sogar für ein paar Wochen gelungen, alle chronischen Krankheiten vollständig auszurotten. Das ist die Wahrheit! Frau Schmidt kann das bestätigen. Dummerweise sind die chronischen Krankheiten dann doch wieder eingeführt worden, wenn auch glücklicherweise nicht in dem Maße, wie es sie früher einmal gab.

      Die Ausgaben der Krankenkassen sind gesunken, obwohl weiterhin alles, was vor dem Hintergrund der jeweiligen Kassenlage als medizinisch notwendig angesehen wird, auch bezahlt wird, zumindest in dem Maße, wie der einzelne Kranke trotz aller Gesetze und Vorschriften im Einzel- und Ausnahmefall einmal nicht in der Lage ist, die Kosten für seine Krankheit in freier Selbstbestimmtheit selbst zu tragen.



      Weil dies alles erkennbar wahr ist, weil diese ersten zaghaften Schritte auf dem notwendigen Reformkurs schon so wunderbare Folgen zeitigen, muss auf diesem Wege doch weitergegangen werden. Da müssen die Schritte nur größer und mutiger, die Schnitte nur tiefer und blutiger werden - und Deutschland wird von seinen alten und überkommenen sozialen Wahnvorstellungen geheilt werden.



      Apropos "alt und überkommen":

      Da ist die Sache mit der Rentenversicherung.

      Da mühen sich die Priester fast aller Religionsgemeinschaften seit Ewigkeiten damit ab, den Menschen die ewige Wahrheit eines ewigen Lebens in ewiger Freude im himmlischen Paradies zu vermitteln. Wer hienieden nur gottesfürchtig lebt und in Bescheidenheit und Armut seine Tage ohne Klage in den Dienst der heiligen Sache stellt, der soll dereinst belohnt werden.

      Niemand glaubt das.

      Wen nimmt es daher Wunder, dass die gleiche ungläubige Schar auch dem Kanzler und seinen Verkündigungshelfern nicht glauben will, dass es möglich sei, ihren im Jahre 2050 zu verrententen Enkelinnen und Enkeln das Paradies auf Staatskosten zu "sischern", wenn sie selbst jetzt nur bereit seien, Verzicht und Zuzahlungen, Zuzahlungen und Verzicht zu leisten.

      Obwohl es niemand glaubt, es ist die Wahrheit und deshalb sind das die richtigen Schritte auf dem richtigen Weg, auch wenn er lang ist und obwohl die Rentner, die heute Verzicht leisten müssen, das Ziel ebenso wenig erreichen werden, wie Mose das gelobte Land erreichte. Die Wahrheit, das lehrt die Bibel, ist nicht immer nachprüfbar, oft muss man einfach daran glauben.

      Doch es gibt auch positive Folgen in der Gegenwart. Da kann der ungläubige Thomas jederzeit die Hand in die Wunden legen und sich von der Wahrheit überzeugen: Mit den vermehrten Zuzahlungen zur Kranken- und Pflegeversicherung, mit der Nullrunde der Rentenanpassung und mit der Wiedereinführung des demografischen Nachhaltigkeitsfaktors lässt sich jegliche Debatte über weitere Stufen der Öko-Steuer vermeiden. Das wiederum macht es möglich, dass Arbeiter und Angestellte, statt mehr für den Sprit auszugeben, lieber auf noch ein bisschen mehr Lohn verzichten können. Außerdem kann die gesamte - nur zur Rechtfertigung der Ökosteuer aufgezogene - Alibi-Subventionierung von Öko-x und Öko-y wegfallen. Das hilft der Staatskasse und der Wirtschaft und dem Wachstum und spätestens 2050, wenn unsere Enkel in Rente gehen, wirkt das dann auch auf dem Arbeitsmarkt. Wir werden es (leider nicht) erleben.



      Apropos "erleben":

      Da ist die Sache mit der Lebensarbeitszeit.

      So ein deutscher Mensch lebt heutzutage durchschnittlich schon fast 80 Jahre. Er verlebt also rund 700.000 Stunden. Kann es da angehen, dass er nur zwischen seinem 18. und 58. Lebensjahr arbeitet, und in dieser Zeit auch nur 35 Stunden pro Woche, und das nur dann, wenn nicht ein Feiertag in die Woche fällt, oder ein Urlaubstag, oder ein Krankheitstag? Tatsächlich arbeitet so ein deutscher Mensch doch höchstens 60.000 Stunden im Leben, die restlichen 640.000 Stunden verbringt er als Schmarotzer. Lässt sich entweder von seinen Eltern durchfüttern, oder vom Staat, oder er faulenzt einfach in den Tag hinein, weil er und seine Gewerkschaft seinen Arbeitgeber dazu zwingen, ihn für jede produktive Stunde so reichlich zu entlohnen, dass er damit die Kosten von weiteren zehn bis elf Stunden Faulheit und Freizeit bestreiten kann.

      Wenn man die Wochenarbeitszeit nur von 35 auf 42 Stunden erhöht, braucht so ein Mensch lediglich morgens eine halbe Stunde früher anfangen und abends eine halbe Stunde länger arbeiten und die Mittagspause um ein paar Minuten abzukürzen, mehr ist das nicht. Dieser winzige und wirklich zumutbare Beitrag erhöht die wirtschaftlich nutzbare Lebenszeit eines einzigen Menschen bereits um 20 Prozent auf 72.000 Stunden.

      Wahr ist: Wenn es nach Einführung der 42-Stunden-Woche auch noch gelingt, das Renteneintrittsalter von 58 auf 68 Jahre anzuheben, dann bringt es ein einzelner Mensch immerhin auf rund 90.000 volkswirtschaftlich nützliche Stunden im Leben.


      Die produktive Ausbeute lässt sich also ohne weiteres um 50 Prozent steigern. Das ist die Wahrheit!

      Warum soll sich die deutsche Wirtschaft dieses Leistungsvermögen von Gewerkschaften, Sozialphantasten und anderen Dummschwätzern stehlen lassen? Schließlich verdankt jeder Deutsche sein Leben und seine Existenz und seinen Wohlstand niemand anderem, als der deutschen Wirtschaft!

      Wo wären diese Deutschen denn, hätte sich nach dem Krieg nicht die deutsche Wirtschaft herabgelassen, dem heruntergekommenen, halb verhungerten und von aller Welt verachteten Volk wieder Arbeit und Brot zu geben?

      Die Wahrheit ist: Dieses fettgefressene und unbeweglich faule, abgrundtief undankbare Volk, das die Deutschen heute sind, wäre ohne den Edelmut der deutschen Wirtschaft keinen Deut besser dran, als jedes x-beliebige Entwicklungsland!

      Doch Undank ist der Welt Lohn!



      Aber jetzt ist Schluss mit Langmut und Geduld. Regierung und Oppostion haben es lange genug im Guten versucht. Jetzt setzt sich die Wahrheit gnadenlos durch:



      "Wenn jetzt nicht bald der Ruck durch das Volk geht und wieder geschuftet wird, wie sich das gehört, wenn nicht endlich die Löhne und die Lohnnebenkosten sinken und die Steuern auf Gewinne und Zinserträge ganz gestrichen werden, wenn nicht endlich auch in Deutschland wieder Gewinne gemacht werden können, dass es nur so kracht, dann sucht sich das Kapital eben ein anderes Volk. Es gibt weißgott genügend willige Völker auf der Welt. Die machen auch heute noch für ein paar Körner Reis den Buckel krumm."

      Diese Wahrheit hat Ludwig Georg Braun - nicht mit diesen Worten, aber kaum weniger deutlich - erst neulich wieder gesagt. Vor ihm haben das schon viele Wirtschaftslenker aus der Liga der globalen Spieler gesagt und sehr viele haben längst danach gehandelt.

      Aber selbst das erschüttert die Ungläubigen nicht. Stattdessen laufen sie - eine lächerliche halbe Million absolut ersetzbarer Leute, weniger als ein Achtel des ungenutzten Arbeitskräftepotentials - stur wie eine Hammelherde im großen Bogen durch die Städte und sind einfach nur dagegen.

      Dabei faseln sie von Sozialraub, Gerechtigkeit und Binnenkaufkraft.

      Die Wahrheit ist:

      Sozialraub ist Quatsch. Das Kapital käme nie auf die Idee, Soziales zu rauben. Was soll es damit? Das Kapital braucht die billigstmöglichen Arbeitskräfte und die kommen seit jeher ohne überflüssigen Sozialballast aus.

      Das Kapital braucht auch keine Gerechtigkeit, es genügt ihm völlig, vor Gericht Recht zu bekommen.

      Das Kapital braucht - begreift das doch endlich, ihr Ungläubigen - auch weder Binnenkaufkraft noch Konsumenten!

      Das Kapital braucht letztendlich nicht mehr, als eine gewisse Anzahl gut dressierter Sklaven. Nicht zu wenige, damit auch die ausgefallensten Wünsche erfüllt, die perversesten Bedürfnisse befriedigt werden können, aber auch auf keinen Fall so viele, dass ihre schiere Zahl und Gegenwart genügt, das Wohlbefinden zu beeinträchtigen.

      Die Wahrheit ist zwar unser kostbarstes Gut, aber es gibt auch immer noch viele andere kostbare Güter und mit denen sollte man wirklich sparsam umgehen. Nur ein Beispiel:

      Ein Seegrundstück ist ein kostbares Gut. Aber ein Seegrundstück voller lärmender Arbeiterkinder - das ist keine Kostbarkeit mehr, das ist eine Schande!





      Da könnte man ja gleich die Vermögenssteuer wieder einführen...


      ...und weil die Zeit fortschreitet, hier ist, aus aktuellem Anlass:

      Die neueste Wahrheit

      Gleich zu Beginn der Karwoche hat der Spiegel den Koben geöffnet und eine neue Wahrheit herausgelassen, die nun unter allgemeinem Juchhei durch die Dörfer in den frühlingsblühenden Landschaften getrieben wird.

      Wahr ist seit Montag, dem 5. April 2004:

      Die Ossis sind schuld.

      Wo gibt es denn die meisten Arbeitslosen und die bestversorgten Rentner?

      Wo gibt es denn die meisten Konsumenten und die geringste Produktion und Produktivität?

      Wer will denn nicht auf liebgewonnene Subventionen verzichten, obwohl längst wahr ist, dass auch die kleinste Subvention schädlich ist?

      Wo ist denn der Reichtum der Brüder und Schwester aus dem Westen seit 1989 versickert?

      Wie heißt denn das größte Fass ohne Boden auf dieser Welt?

      Na also!

      Von der Dohnanyi-Kommission festgestellt - und folglich wahr - ist ab sofort und bis auf weiteres (sinngemäß und vorbehaltlich künftiger Reformen) folgendes:

      Nur die schnellstmögliche Abschaffung der "Neuen Bundesländer" kann der Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen von 1988 zu neuem Wachstum und Aufschwung verhelfen. Das ist - so haben wir von den Wirtschaftsführern gelernt - durchaus nicht unpatriotisch, weil jede Auslagerung auch mithilft, Arbeitsplätze in den "Alten Ländern" zu erhalten.

      Mit der Ausgliederung der ehemaligen Anschlussgebiete können diese wählen, ob sie als Sonder-Bewirtschaftungs-Zone (SBZ) entweder der BRD assoziiert bleiben , oder als "Neue Polnische Länder" gleich ab 1. Mai 2004 zum EU-Beitrittsgebiet gehören wollen, was den Vorteil hätte, dass die Aufbaulasten Ost dann vollständig von Brüssel getragen werden müssen.

      Wie auch immer sich die ehemaligen "Neuen Länder" entscheiden, wahr ist:

      Erst mit der SBZ als wirtschaftspolitischem Experimentierfeld vor der Haustür kann den verbleibenden Ungläubigen diesseits des leider unvermeidlichen Sperrzaunes (ein erstes Angebot aus Israel wird bereits geprüft) die Wahrheit so drastisch vor Augen geführt werden, wie sie es brauchen.


      Die werden eines Tages noch auf den Knieen anrutschen
      und mit tränenerstickter Stimme darum bitten,
      jede Arbeit, auch ohne Lohn
      und auch 24 Stunden am Tag tun zu dürfen,
      wenn ihnen nur die Ausweisung in die Sonderwirtschaftszone
      erspart bleibt.

      Das ist die Wahrheit.
      Avatar
      schrieb am 16.04.04 17:01:41
      Beitrag Nr. 1.564 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de


      Damit der Schwanz mit dem Dackel wackelt: 11.04.2004
      DIESE WOCHE
      Am Beispiel der Arbeitslosigkeit in den USA demonstriert der Spatz diese Woche, wie Statistiken gefälscht werden. Er überlegt, was die Finanzmärkte mit dem Arbeitsmarkt zu tun haben, und findet offensichtliche Zusammenhänge - was die Frage aufwirft, weshalb das sonst niemand merkt. Die Antwort darauf ist aber wenig österlich...



      Aufschwung, Abschwung, Mitschwung!



      Wie einfach das geht, zeigte sich mit einem Tag Verspätung am 2. April in den USA. Die Regierung veröffentlichte stolz die neuen Arbeitsmarktzahlen: 308.000 neue Jobs! Wenn das keine Leistung ist und kein handfestes Zeichen für den Aufschwung! Die Börse jubelt, Dollars sitzen locker und Papiere werden gekauft.

      Wie kommen die "wichtigsten" Wirtschaftsdaten in den USA zu Stande? Nun, da gibt es einige Call-Centers, in denen angeheuerte Billigstarbeitskräfte nach einem von Sozialwissenschaftlern ausgeklügelten Schlüssel im Telefonbuch Nummern aus- und anwählen. Hebt jemand ab, wird er gebeten eine Reihe von Fragen zu beantworten, wenn er das tut, stellt man fest, ob er in den letzten vier Wochen irgend wann einmal gearbeitet hat, ob er - falls das nicht der Fall war - sich um Arbeit bemüht hat und, wenn das der Fall war, ob er damit Erfolg hatte, wenn er dann noch nicht aufgelegt hat, ob er meint, daß er damit Erfolg haben könnte, und so weiter. Auf diese Weise werden mehrere Tausend im Accord interviewed, je nachdem, wie er die Antworten versteht, hakt der Interviewer Kästchen an oder läßt sie frei. Die Zettel werden eingesammelt, von "Experten" ausgewertet, und auf die arbeitsfähige Gesamtbevölkerung der USA hochgerechnet - und fertig sind die Zahlen.

      Diese Zahlen werden mit höchster Geheimhaltung gehandhabt (wobei sogar Journalisten zeitweise eingesperrt werden) bis auf einen verabredeten Glockenschlag hin das Bettuch vom Denkmal gezogen wird und die Ergebnisse als die wichtigsten Wirtschaftsdaten schlechthin veröffentlicht werden. Bislang wurden sie nie ernsthaft in Frage gestellt. Doch das dürfte nun vorbei sein. Es bedarf offensichtlich nur einer geringen Verschiebung in der Fragestellung und die Leute bekommen die Frage in den falschen (richtigen) Hals und entsprechend fällt die Antwort anders aus. Wer sich einmal mit Meinungsumfragen befaßt hat, weiß, daß von Interviewern nach ihrer Meinung befragte Menschen sich in diesem Moment nicht im geringsten überlegen, ob sie eine Meinung zur Frage haben, und welche, sondern ausschließlich: "Was will der von mir hören?". Entsprechend fällt ihre Antwort aus.

      Denn würden Sie als Amerikaner, der von frühester Jugend "nur was Geld bringt, ist gut" eingebimst bekam, so ohne weiteres einem wildfremden Menschen am Telefon, der sich noch dazu als Regierungsbeauftragter ausgibt, so peinliche Fragen wie die oben erwähnten, aufrichtig beantworten, selbst bei einem gespielt vertraulichen: "Come on, I won`t tell anybody! Und wen trifft man schon an, wenn man als Call-Girl den ganzen Tag am Telefon sitzt, und wer wollte aus solchen Daten irgend etwas herauslesen? Aber hineinlesen kann man schon etwas, wenn Bedarf dazu und Not am Mann ist.

      Die erwünschten Zahlen hatten Erfolg. Die Regierung war stolz (Persönlichkeiten um das Weiße Haus konnten sich aber nicht zurückhalten, ihre Vorinformation entgegen den Verabredungen sogleich an der Börse in klingende Münze umzusetzen, sogenanntes Insider-Trading). Das Publikum erfaßte ein Aufschwungstaumel, die Aktien schossen hoch und nur die "bonds" sackten ab, was die Zinslockangebote für "das Sicherste vom Sicheren" (US-Treasuries) von 3.65% auf 4,25% und mehr hochtrieb.

      Nicht alle packte die Euphorie. Das Problem liegt aber nicht in den Bond-Märkten an sich, sondern im Verhältnis von Bonds zu ihren um ein Vielfaches umfangreicheren Derivaten. Hier wackelt der Schwanz schon lange mit dem Hund: Denn viele Derivate-Besitzer werden nun ihre Position nicht oder nur mit hohen Verlusten schließen können. Bill Gross der Chef von Pimco, des größten Fonds auf Gegenseitigkeit für Bonds, riet alles zu kaufen nur nicht US-Bonds: "Kurz gesagt, verlaßt um Himmelswillen Dodge City in den USA und investiert in London oder Frankfurt" waren seine veröffentlichten Worte.

      Nicht nur ein Bankier in London fragte sich verwundert: "Was ist das für eine Wirtschaft?". Die Verschuldung wächst ständig nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft. Wir haben das Verhältnis kurz vor der großen Depression in den 30er Jahren längst hinter uns gelassen. "Das kann man nicht mehr Wirtschaft nennen, das ist ein pyramid scheme", Wechselreiterei eben. "Im letzen Jahr schaffte die USA jährlich um die 2 Billionen neue Schulden pro Jahr, jetzt liegen wir schon bei 2,7 Billionen pro Jahr".

      Doch gab es auch Wermutstropfen. Ein politischer Berater eines "Main Street" Republikaners, der auf seine Regierung wegen des Job-Wunders besonders stolz sein sollte, rechnete vor. Von den 308.000 neuen Jobs sind wenigstens 157.000 von der Regierung aufgrund von "statistical fictions" erfunden worden. In einem Fall wurden 50.000 Leute, die nach einem Streik gegen eine Handelskette an der Westküste die Arbeit wieder aufgenommen haben als "new jobs" gewertet. In der New Yorker Post schrieb John Crudele: "Die Regierung dachte viele Firmen seien neu gegründet worden und daß diese neuen Outfits in diesem Monat 153.000 Arbeitsplätze geschaffen hätten". Was denkt man sich nicht alles (auch als Präsidententreiber) aus, um den Job nicht zu verlieren?

      Warum in Details gehen, hatte Herr William Poole von der FED in St. Louis in drei Vorträgen am 30. März doch eindeutig gesagt, worum es eigentlich geht: "Wenn man die Zinsen zu lange zu niedrig hält, zieht man sich ein Inflationsproblem zu. Wir wollen dem vorgreifen. Denn wenn wir die Anzeichen der Inflation bereits sehen, ist es zu spät". Und dann: "Die Zinsen ziehen wieder an, wenn wir einen überraschenden Aufstieg haben, eine Bestätigung dafür, daß die Wirtschaft wieder unter Dampf gerät". Wenn so ein Zeichen sich nicht von alleine einstellt, dann muß man es sich eben besorgen.

      Nach dem Job-Wunder klang der gleiche Herr wieder zurückhaltender: Grund waren die Bonds. Daß die Aktien steigen würden, damit hatte man gerechnet, das war ja auch ein Grund für die Maßnahme gewesen, daß aber die Bonds einbrechen würden, kam ungelegen, schließlich hat die USA gewaltige Defizite zu finanzieren. Also bremst Herr Poole jetzt wieder: "In den nächsten Monaten nicht, erst wenn die Wirtschaft nachhaltig anzieht..." Aber darauf warten auch unsere Politikfähnchen in Berlin und andere, die für sich denken lassen, schon seit geraumer Zeit vergebens. Trotzdem werden die Zinsen wieder anziehen - und sei es nur, um zu verhindern, daß man die USA wie Argentinien und andere Länder in der IWF-Klaue, zum Fast-Nulltarif ausnimmt. Wie es aussieht, wird das Ganze mit einem kräftigen Terror-Donner mit mehreren hundert Toten als Ablenkungsmanöver, über die Bühne gezogen.

      In diesen Tagen hat die Bevölkerung also viel zu schlucken. Wie kommt es, daß sie das alles so glatt und ohne zu murren hinunterwürgt? Den Grund nennt ein altes Sprichwort: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" oder "früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will". Deshalb hatten sich schon immer alle Systemveränderer (die Erfolgreichen waren große Männer, die Erfolglosen waren Bösewichter, die Halberfolgreichen böse Tyrannen) der Jugend besonders angenommen. Aber niemand tat das so erfolgreich wie unsere progressiven (Bildungs)Systemveränderer der 1968er und folgender Jahre.

      Im April 2004 erschien die Studie eines Dr. Dimitris A. Christakis in der US Zeitschrift "Pediatrics" über eine der nicht mehr ganz so neuen Krankheiten, die vor allem Kinder befallen (bei den faul gewordenen Alten fällt sie nicht mehr auf): ADHD! Das steht ein Zusammenfallen von auffälliger Konzentrationsschwäche und Überaktivität. Nun sind 1. Studien immer mit großer Vorsicht zu genießen, weil uns fast keine Lüge mehr ohne entsprechende wissenschaftlich daherkommende Studien (als Berechtigungsschein für entsprechende Medienkampagnen) ins Hirn gedrückt wird. 2. wurden über das Thema seit Jahrzehnten Bibliotheken vollgeschrieben - auch bei uns in Deutschland. Eltern, Erzieher, Lehrer und Bildungsbeamten klagen darüber und - soweit sie tatsächlich mit Kindern zu tun haben - leiden sie darunter. ADHD ist kein Schmus, wie das Waldsterben oder die Klimaretterei, ob aber eine "Krankheit" ist Definitionssache. 3. Für diese Krankheit hat man auch schon Abhilfe gefunden. Große Pharmafirmen bieten Gegenmittel an Das bekannteste ist Ritalin, dann gibt es noch Prozac und viele andere. ADHD ist also auch ein gutes Geschäft. In den USA bekommen allein 5 Millionen Jungen Ritalin (Nebenwirkungen sind Charakterveränderungen, manchmal Selbstmord, manchmal Amoklauf). Doch sollte einen der "Geld-Neid" (wie gewöhnlich ist es so beabsichtigt) nicht abhalten oder ablenken, der wirklichen Sache auf den Grund zu gehen.

      Im Grunde sagt Dr. Christakis nichts anderes, als was viele Laien ahnen und wovor so manch konservativer Bildungsbeflissener zu Recht gewarnt hat. Er sagt es nur sehr wissenschaftlich und aufgrund vieler molekularbiologischer Befunde an den Neurotransmittern und Rezeptoren im Gehirn. Das wirkungsvollste Mittel gegen ADHD und (zum Leidwesen der Pharmaindustrie) zu gleich das billigste ist: "Turn off your TV!", Fernsehen, Videofilme, Computerspiele abschalten! - Vor allem für jeden unter 3 Jahre alten Menschen (am besten aber für alle noch Lernfähigen bis zum Alter von 60)! Es sind nicht so sehr die Inhalte, die schlecht genug sind. Doch darüber redet der "Wissenschaftler" nicht, sondern das Fernsehgucken an sich zermatscht die Birne. Das beginnt mit den Farben und endet bei den Rhythmen, mit denen die Frames wechseln. Kurz, Gift ist alles das, was Rudel von Wissenschaftlern in den letzten Jahrzehnten erfunden haben (z.B. zur Dämpfung der Wachheit, um eine Art Trance zu erzeugen etc), damit die Leute, wenn sie den Kasten einmal eingeschaltet haben, so leicht nicht mehr davon wegkommen.

      Eine andere Studie (wie gesagt, Studie = Vorsicht!) besagt, daß 26% der zweijährigen Kinder in den USA bereits einen "eigenen" Fernseher im Kinderzimmer haben, weil sie das so schön pflegeleicht macht: "Glotze an, und dann ist Ruhe!" ist auch politisch. Wie aufwendig war das früher mit dem ganzen Priester-TamTam! Jetzt geht es leichter und wirksamer. Nur leider ist nicht ausgeschlossen, daß sogar unsere Politiker Fernsehen gucken - und die Politik ist so wie sie geschluckt wird.
      Avatar
      schrieb am 16.04.04 17:06:09
      Beitrag Nr. 1.565 ()
      Inkasso-Drohung
      Unverhofft in der Schulden-Falle


      SWR | 13.04.2004 | 21.55




      Wer kann schon widerstehen, wenn ihm ein schöner Gewinn versprochen wird? In manchen Werbeprospekten wird dies mit einer Warenbestellung gekoppelt. Warum nicht, denkt sich der potentielle Glückspilz, nimmt teil - und gerät plötzlich in die Fänge einer Inkasso-Maschinerie, die sich für die ursprüngliche Forderung gar nicht interessiert, sondern immer höhere Mahngebühren verlangt.

      Angefangen hatte alles ganz harmlos für Edith Zehrfeld. Ihr wurde ein Gewinn versprochen, wenn sie bei einem Versandhaus etwas kauft. Das tut sie und bestellt eine Fußmatte sowie einen Schwamm. Den Gewinn erhält sie nicht, dafür Waren, die sie nicht bestellt hat. Die Rechnung enthält ominöse Posten, etwa eine Umweltpauschale und einen Prüfservice, insgesamt über 50,- € statt der erwarteten knapp 20,- €.

      Edith Zehrfeld zahlt nur die bestellten Artikel, inklusive Porto, den Rest schickt sie zurück. Doch der Versandhändler verweigert die Annahme, das Paket kommt zurück. Mahnungen über den ausstehenden Betrag folgen. Der Ton wird rauer: "Unsere Geduld ist am Ende", heißt es. Ein Inkasso-Büro, die UGV Inkasso GmbH, schaltet sich ein und verlangt nun 114,- €. Dreimal so viel wie ursprünglich - für nicht bestellte Waren. Weitere Zahlungsaufforderungen folgen, der geforderte Betrag steigt auf 133,- €.
      [plusminus legt die Rechnung dem Bundesverband der Inkasso-Unternehmen vor.

      Wolfgang Spitz vom Bundesverband der Inkasso-Unternehmen: "Wir haben uns diese Rechnung angeschaut und dabei festgestellt, dass die geltend gemachten Inkasso-Kosten etwa 40 Prozent über den Sätzen liegen, die man als angemessen ansehen könnte. Wenn UGV diese Kosten vor Gericht durchsetzen wollte, würde es wahrscheinlich damit scheitern."

      Doch UGV macht Druck. "Unser Auftraggeber will jetzt endlich sein längst fälliges Geld sehen" und es werde mit "allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen Sie vorgegangen", teilt man Edith Zehrfeld mit. Längst bereut sie, jemals überhaupt etwas bei dem Versandhaus bestellt zu haben. Doch die Geschichte geht noch weiter. Nun kommt Post vom Rechtsanwalt: Obwohl Edith Zehrfeld der Forderung des Versandhändlers längst widersprochen hat, soll sie jetzt 173,- € zahlen. Der Anwalt droht mit Mahnbescheid.
      In dieser Situation bekommen es viele mit der Angst zu tun, auch wenn die Forderung unberechtigt ist. Doch das prüfen die Gerichte nicht, wenn sie einen Mahnbescheid ausstellen. Deswegen sollte man einem solchen sofort widersprechen. Steht der Gerichtsvollzieher erst vor der Tür, muss gezahlt werden, auch wenn die zugrunde liegende Forderung unberechtigt ist.

      [plusminus geht der Sache nach. Im niederländischen Venlo sitzt der Versandhändler, die Firma Classee. Weder telefonisch, noch schriftlich gibt man [plusminus dort Auskunft. Classee hat die Forderung gegen Edith Zehrfeld an die deutsche Firma FKH verkauft, die ihren Sitz im rheinland-pfälzischen Heuchelheim hat. Sie wiederum hat UGV Inkasso in Harthausen in der Nähe von Speyer damit beauftragt, das Geld einzutreiben. Als [plusminus UGV auf den Zahn fühlt, behauptet das Unternehmen, dass die Forderung gegen Edith Zehrfeld zu Recht bestehe. Sie habe die Waren bestellt. Um sie endgültig mürbe zu machen, schaltet UGV den Anwalt ein.

      Beim zuständigen Landgericht in Frankenthal häufen sich die Beschwerden über UGV.

      Werner Tholey, Präsident des Landgerichts Frankenthal, äußerst sich dazu: "Wir haben ja auch schon Gespräche geführt. Es ist also nicht so, als ob ich mit den Herren keinerlei Kontakt gehabt hätte, sondern wir haben schon über diese Problematik gesprochen. Die wissen ganz genau, wie der Hase läuft und wo die faulen Eier liegen."

      Doch ohne Konsequenzen. Das Landgericht meint, ihm seien rechtlich die Hände gebunden. Wolfgang Spitz vom Bundesverband Inkasso-Unternehmen würde sich im Fall des Landgerichts Frankenthal dagegen wünschen, "dass die Befugnisse von dieser Aufsichtsbehörde umfassender wahrgenommen werden, als das bisher offensichtlich der Fall gewesen ist."

      Die betroffene Edith Zehrfeld ist der Meinung, im Grunde gehöre so etwas, wie ihr widerfahren ist, verboten. Immerhin, sie hat sich nicht einschüchtern lassen und hat den Versandhändler angezeigt. Außerdem beschwerte sie sich bei der Anwaltskammer über den Rechtsanwalt. Vorerst hat sie nun Ruhe, auf ihre Forderung verzichtet haben die Geldeintreiber aber noch nicht.

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 13. April 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion.
      Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.



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      Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V.
      Brennerstraße 76
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      Tel: 0 40 / 28 08 26-0
      Fax: 0 40 / 28 08 26-99
      E-Mail: bdiu@inkasso.de
      Internet: www.bdiu.de
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      Beim Wegweiser Schulden der Verbraucherzentrale Hessen und des Sozialnetz Hessen können Sie sich zum Thema Schulden informieren und finden Adressen und Musterbriefe.
      www.sozialnetz-hessen.de/ca/bbe/tph

      Die Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatung der Verbände bündelt die Informationen verschiedener mit der Schuldnerthematik und -beratung befasster Vereinigungen.
      www.agsbv.de

      Das Forum Schulderberatung bietet online eine Suchmaschine für die Schuldnerberatungsstelle in Ihrer Nähe an.
      www.forum-schuldnerberatung.de

      Schuldnerfachberatungszentrum / Forschungs- und Dokumentationsstelle für Verbraucherinsolvenz und Schuldnerberatung
      www.schulden-online.de



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      (Stand: 13. April 2004)

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      http://www.swr.de/plusminus/beitrag/04_04_13/beitrag2.html
      Avatar
      schrieb am 16.04.04 17:08:57
      Beitrag Nr. 1.566 ()
      Reparaturen
      Abkassieren mit teuren Pauschalen

      :confused:
      SWR | 13.04.2004 | 21.55




      Trotz gegenteiliger Beteuerungen: Kundendienst ist bei vielen Händlern und Herstellern ein Fremdwort. Gerade bei Reparaturen zeigt sich das wahre Gesicht eines Unternehmens: Nur schwer telefonisch erreichbar, kaum brauchbare Tipps bei der Fehlersuche, lange Anfahrtswege zur Annahmestelle - so fühlen sich viele Verbraucher kalt gestellt. Neuerdings werden nun auch noch statt präziser Reparatur-Rechnungen einfach teure Pauschalen abkassiert, dazu im Voraus.

      Erreichbar sein mit modernster Technik, das wollte auch Georg Böhnke. Im Dezember 1999 legte er sich deshalb einen "Laserjet"-Drucker von Hewlett Packard (HP) zu: Drucken, faxen, kopieren, scannen - der weltweiten Kommunikation steht mit diesem Gerät nichts mehr im Wege. Zumindest drei Jahre lang, denn dann geriet die moderne Technik ins Stottern: Der Papiereinzug entwickelt sich zum Nimmersatt und schluckt mehrere Blätter auf einmal, erst zwei, dann fünf, schließlich zehn. Der Papierstau musste immer wieder mühsam entfernt werden. Ärgerlich, denn das Gerät war zu diesem Zeitpunkt noch kaum genutzt, höchstens 800 Blätter hatte der Besitzer damit gedruckt.

      Kostenchaos bei HP

      Ein Fall für den Fachmann. Georg Böhnke ruft bei HP an, eine 0180er-Nummer mit endloser Warteschleife. Schließlich erfährt er doch noch, wo sich das nächste Reparaturzentrum befindet, im hessischen Weiterstadt. Dorthin bringt er das Gerät persönlich, doch im Reparaturzentrum erwartet ihn eine Überraschung. Vor Ort kann der Laserjet nicht einmal geprüft werden. Man will ihn stattdessen einschicken und kostenlos reparieren - schließlich sei das Gerät kaum benutzt.

      Dann erhält Georg Böhnke Post von HP, doch es ist nicht die erwartete Abholmitteilung, sondern ein Erinnerungsschreiben. Der Kunde soll eine Kostenübernahme über 288,- € unterschreiben, dies sei der Festpreis für die Laserjet-Reparatur. Vorher werde man das Gerät nicht anschauen.
      Eine ärgerliche Überraschung für Georg Böhnke, der Drucker befindet sich noch immer in Weiterstadt und die Reparatur soll mehr als ein Drittel des Neupreises kosten. Einfach so abspeisen lassen will er sich jedoch nicht. Er beschwert sich und erfährt, dass man ihm bereits eine weitere Kostenpauschale gefaxt habe, diesmal über 315,- €. Wenige Wochen später steht ihm sogar noch eine dritte Kostenpauschale ins Haus, diesmal per Brief: 300,- € werden nun verlangt. Da er auf sein Faxgerät angewiesen ist, hat er letztlich widerstrebend eine der Kostenpauschalen unterschrieben - die günstigste. Seinen "Laserjet" hat er mittlerweile wieder zurück.

      Kaum rechtliche Handhabe

      Stolze Preise für Reparaturen sind kein Einzelfall. So soll die Druckerreparatur beim "Lexmark T520" rund 490,- € kosten, ebenfalls ein Drittel des Neupreises. Im Verhältnis noch mehr zahlt der Kunde beim Tefal-Bügeleisen. 24,- € verlangt man für die Reparatur, zwei Drittel des Neupreises. Ähnliche Verhältnisse herrschen bei Kaffeemaschinen und Wasserkochern.

      Professor Tobias Brönneke, Wirtschaftsrechtler von der Fachhochschule Pforzheim, kennt das Problem: Händler oder Hersteller können die Reparaturkosten fast beliebig erheben. Juristisch relevant wird es erst in Fällen von Wucher. Doch in der bisherigen Rechtssprechung finden sich dazu so gut wie keine Beispiele. Im Konsumentenalltag wird der Kunde sich ab einer gewissen Kostenhöhe eher für den Kauf eines neuen Geräts entscheiden.

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 13. April 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion.
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      Literatur

      Meine Rechte als Verbraucher
      Warenkauf, Haustürgeschäfte, Verbraucherkredite, Kleingedrucktes
      Autor: Hans R. Sangenstedt, Susanne Metzler
      beck-ratgeber im Deutschen Taschenbuch Verlag
      6,54 €
      3. Auflage 2003, 296 Seiten

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      Kaufrecht - Gewährleistung / Mängel, Garantie, Umtausch
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      Links

      Beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) werden Sie aktuell über Ihre Rechte als Verbraucher informiert.
      www.vzbv.de



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      (Stand: 13. April 2004)

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      http://www.swr.de/plusminus/beitrag/04_04_13/beitrag3.html
      Avatar
      schrieb am 16.04.04 17:16:05
      Beitrag Nr. 1.567 ()
      Globalist fürs Bellevue

      von Gerhoch Reisegger


      Es konnte über diese Nominierung des nächsten BRD-Bundespräsidenten noch gar keine großen Debatten geben, weil Horst Köhler, der bisherige Chef des Internationalen Währungsfonds, wie das Kaninchen aus dem Hut gezaubert wurde. Natürlich kennt man die Spielchen: die eine Fraktion mag den Schäuble, die andere nicht; die Merkel hätte wohl gern den St. Edmund fortgelobt, usw. und alle haben mit allen ein bißchen Kleingeld zu wechseln. Am Schluß kommt dann – „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte!“ – was ganz anderes heraus. Das wird wohl auch die glaubhafte Erklärung für den biederen deutschen Michel sein, und der Augenschein beweist es ja auch. – Tut er das wirklich?

      Sehen wir uns doch einmal die Lage Deutschlands und der Welt an. – Seit März 2000 findet ein Crash in Raten statt. Es ging in Wellen mit immer tieferen Tiefs nach unten. Ein Ende ist noch längst nicht in Sicht.

      Die wirtschaftliche, finanzielle und Währungs-Einbettung Deutschlands und Europas in diesem weltweiten System – Globalismus als Stichwort – hat natürlich zur Folge, daß diese von den USA ausgehenden Erschütterungen uns in dem Strudel mitreißen. Die Bürger merken es bereits deutlich: offiziell 4,5 Millionen Arbeitslose, tatsächlich die doppelte Zahl. Pleiten mit steigender Zahl und immer größeren Schadenssummen. De-investment der ehemals deutschen Unternehmen im Lande und Verlagerung der Arbeitsplätze ins „billigere“ Ausland. Unter dem Schwindel-Wort „Reform“ die Zerstörung des Sozialsystems, Explosion der Schulden – der öffentlichen Hand (1,4 Billionen Euro) – der Unternehmen und der privaten Haushalte in nicht mehr rückzahlbare Dimensionen. Einbruch der Einzelhandelsumsätze, des Auftragseingangs, Kürzung der Kreditlinien für den Mittelstand durch die Banken, usw. Es geht nichts mehr Deutschland ist auf dem Weg in die Katastrophe, es ist pleite.

      Andererseits soll und muß es weiter den Zahlmeister der EU spielen, muß es die Auspressungen internationaler Eintreiber bedienen – „Zwangsarbeiter“-Entschädigung, Holocaust-Business, Reparationen -, mit einem Wort es ist ein Versailles ohne Krieg, wie dies schon einmal ein scharfsinniger Beobachter feststellte. Die drohende Gefahr des Versiegens deutscher Geldflüsse – aber auch echter Güter und Leistungen – muß eine Alarmglocke ausgelöst haben.

      Erinnern wir uns:

      Die Neue Zürcher Zeitung, vom 3.3.2001, berichtete von einer der zahlreichen Finanzkrisen der Türkei, die eben wieder einmal drohte mit dem Bankrott des Landes zu enden.

      „Die drei türkischen Koalitionsparteien haben sich darauf verständigt, Kemal Dervis, einen der Vizepräsidenten der Weltbank, zum Staatsminister für Wirtschaft zu ernennen. Ihm soll, mit Ausnahme des Finanzministeriums, die Verantwortung für die gesamte Wirtschaftspolitik anvertraut werden. Dervis war auf Einladung von Ecevit, den er bereits in den siebziger Jahren beraten hatte, am Donnerstag von Washington nach Ankara gekommen."


      Weiter:

      "Die Regierungsparteien haben ihm zunächst lediglich den Posten des Gouverneurs der Zentralbank angeboten ...“

      – Nun, Dervis ist zwar Türke, freilich in den westlichen, d.h. US-Kaderschulen “geformt“ worden. Er wurde gewiß der Türkei als faktischer Statthalter des internationalen Kapitals aufoktroyiert. Sozusagen eine Nebenbedingung der „economic adjustment policy“, wie sie Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank immer exekutieren, wenn sie Kredite vergeben. Und angesichts der Lage, in der sich die Türkei befand (und immer noch befindet), drückt die NZZ es zwar sehr schonend aus: „Ministerpräsident Ecevit hat erklärt, er hoffe auf Mittel bis zu 25 Mrd. $. Vertreter der Regierung und des IMF verhandeln in Ankara über die Bedingungen und die Höhe eines neuen Hilfspakets ...“, aber wer der eigentliche Machthaber nun sein würde, ist allen Beteiligten klar.


      Da die Politik – auch in der Türkei - nach der Pfeife des Geldes tanzt, ist mit dem Vertreter der Weltbank sichergestellt, daß die politischen Wünsche der USA und des Finanzkapitals auch in der rechten Weise – Reformen (auf dem Papier), um den Beitritt zur EU voranzutreiben – umgesetzt werden.



      Was ist an der Lage Deutschlands anders?



      Nichts. - Höchstens, daß Deutschland noch weniger souverän und Herr im eigenen Haus ist, wie die Türkei. Aber das gelegentliche Aufbegehren des Kanzlers – Nicht-Teilnahme am Irak-Überfall -, und die Erinnerung an den ersten Wahlkampf mag auch hochgekommen sein, wo Schröder versuchte sich aufzulehnen: „Ende der Scheckbuch-Diplomatie“, und bezüglich der NATO: „Partnerschaft ja, aber nicht Wasserträger“ (der USA). Oder gar der „Ungehorsam“ des deutschen Höchstgerichts gegen ungeschriebene Usancen, das ein Urteil gegen einen von den USA als Mittäter des 11.9. bezeichneten Araber aus Mangel an Beweisen aufgehoben hat. Deutschland funktioniert am Ende nicht mehr so reibungslos wie in der Vergangenheit.


      Höchste Zeit, auch hier einen Statthalter einzusetzen. Da bei solchen Entscheidungen des Imperiums die tributpflichtigen Trabanten gewöhnlich nicht gefragt werden, mag auch für die clique politique in Deutschland die Ordre der Ostküste überraschend gekommen sein. Sonst wäre das ja auch kaum so schnell erledigt gewesen und ohne großes Murren geschluckt worden. Auch HERR Spiegel hat zugestimmt, somit war die Sache ausgemacht.


      Daß Köhler, der die letzten Jahre in Washington verbracht hat, der dafür bestgeeignete Mann ist, steht außer Zweifel. Obwohl er anscheinend ein Deutscher ist, ist der Zufall seiner Geburt in Polen - Skierbieszów - ein Pfund, mit dem sich´s wuchern läßt. Seine fachliche Eignung ist noch viel überzeugender: er hatte zum Maastrichtvertrag die deutsche Implementierung jenes „Endes der Scheckbuch-Diplomatie“ offensichtlich so tensionsfrei hingekriegt, daß alle (bis auf die Deutschen), am meisten Maggie Thatcher, jubelten. Er verstand also, worauf es ankommt. Die Nagelprobe lieferte Köhler wohl bei den Finanztransfers, die unter dem Titel Zwangsarbeiter-Entschädigung berühmt wurden. So ausgewiesen, wird der persönlich blaß wirkende Finanzmensch – von der Spitze des Staates aus – das tun können, was so selbstverständlich ist, daß man die Bürger dazu gar nicht mehr zu befragen braucht. Dämokratie in ihrer höchsten Vollendung.


      So kommt ein gewiß würdiger Nachfolger des Bruders Johannes ins Schloß Bellevue.



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      © 2004 / V.i.S.d.P. Gerhoch Reisegger
      http://www.staatsbriefe.de/1994/2004/koehler1.htm
      Avatar
      schrieb am 16.04.04 17:25:24
      Beitrag Nr. 1.568 ()
      ----------

      10 neuralgische Punkte der EU-Verfassung
      von Karl Müller, Deutschland


      Der Entwurf für einen «Vertrag über eine Verfassung für Europa», kurz: EU-Verfassung, hat eine Reihe neuralgischer Punkte, die der breiten öffentlichen Diskussion bedürfen, bislang aber nicht zum Thema gemacht werden. Die folgende, kurzgefasste Auflistung weist auf einige dieser Punkte hin.

      1. Eine Verfassung soll die Grundlagen des Zusammenlebens in einer gewachsenen politischen Gemeinschaft regeln. Sie ist der formulierte Gesellschaftsvertrag. Seit der Aufklärung gilt der Grundsatz, dass ein solcher Gesellschaftsvertrag der Zustimmung aller Gesellschaftsmitglieder bedarf. Für eine Demokratie ist es selbstverständlich, dass ihre Verfassung breit und kontrovers diskutiert wird, dem Willen der Bürgerinnen und Bürger entsprechen soll und nur durch diesen Willen eine Berechtigung erfährt.

      Wer sagt, dass der von ein wenig mehr als 100 Personen (bei mehr als 400 Millionen Menschen in der künftigen EU) formulierte Entwurf zu einer solchen Verfassung nicht mehr verändert werden darf - so zum Beispiel fast alle deutschen Spitzenpolitiker und die Mitglieder des sogenannten Verfassungskonvents - und zudem einen Volksentscheid ablehnt, gibt zu erkennen, dass bei dieser Verfassung der Wille der Bürgerinnen und Bürger übergangen werden soll.

      2. Eine Verfassung regelt die Grundlagen des Zusammenlebens in einem Staat, der sich klassischerweise durch die Existenz eines Staatsgebietes, eines Staatsvolkes und einer Staatsgewalt kennzeichnet. Für die Europäische Union gibt es kein Staatsvolk, das sich als solches versteht. So stellt sich die Frage, ob mit der EU-Verfassung eine neue Art von Staatlichkeit geschaffen werden soll, welche die historisch gewachsene Form des modernen freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates aus den Angeln heben soll.

      Wenn es in der EU-Verfassung heisst, die Arbeitsweise der Union beruhe «auf dem Grundsatz der repräsentativen Demokratie» (Teil I, Artikel 45), dann will sie damit die Eigenstaatlichkeit der Mitgliedsländer aufheben. Zudem trifft die Aussage nicht zu, weil ein Grundsatz der repräsentativen Demokratie besagt, dass jede Stimme das gleiche Gewicht hat. Dies ist bei den Wahlen zum Europäischen Parlament nicht der Fall: Wahlstimmen aus bevölkerungsreichen Mitgliedstaaten haben ein viel geringeres Gewicht als diejenigen aus den kleinen EU-Ländern.

      3. Die EU-Verfassung gibt auf manipulierende Art und Weise bekannten Begriffen einen neuen Inhalt. Sie spricht von «Europa», meint aber die EU; sie spricht von «Demokratie», also einer Staatsform, bei der die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, meint aber eine Regierungsweise, die, so legt es das von den Konventsmitgliedern auf den Kopf gestellte Thukydides-Zitat* als Motto der Verfassung (Präambel) nahe, auf die Mehrheit lediglich Rücksicht nehmen will. Sie spricht von «Subsidiaritätsprinzip» (Teil I, Artikel 9), schaltet dieses aber zugleich wieder aus, wo es um die bisherigen Befugnisse der Europäischen Union geht. Sie spricht von «Grundfreiheiten und Nichtdiskriminierung» (Teil I, Artikel 4), meint aber das Grundgesetz der Globalisierung (ungehinderter Kapital-, Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr) und verbietet den Schutz hiergegen als «Diskriminierung».

      4. Vom Konvent wird ein Büchlein verschickt, das den Titel «Vertrag über eine Verfassung für Europa» trägt. In diesem Büchlein fehlen aber 342 Artikel des Verfassungsentwurfs, nämlich der Teil III des Entwurfs: Die Politikbereiche und die Arbeitsweise der Union. Im Büchlein wird dies nicht vermerkt.

      5. Die EU-Verfassung erweitert die Befugnisse der Europäischen Union um mehr als 30 Politikbereiche. Zugleich erklärt sie, dass der gesetzgebende Ministerrat grundsätzlich, das heisst bis auf ausdrücklich formulierte Ausnahmen, mit Mehrheit entscheidet (Teil I, Artikel 22). So kann in immer mehr Politikbereichen gegen den ausdrücklichen Willen von Mitgliedstaaten entschieden werden, das heisst, die Mitgliedstaaten verlieren weiter an Souveränität, und die Politik in diesen Staaten verliert weiter an demokratischer Kontrolle und Legitimation.

      6. Die EU-Verfassung nimmt den Staaten der EU auch die Möglichkeit einer eigenständigen Aussenpolitik und gewährt der EU eine Zuständigkeit, die «sich auf alle Bereiche der Aussenpolitik sowie auf sämtliche Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit der Union, einschliesslich der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik» (Teil I, Artikel 15) erstreckt. Die Mitgliedstaaten der EU werden verpflichtet, die «Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität» zu unterstützen und sich «jeder Handlung, die den Interessen der Union zuwiderläuft oder ihrer Wirksamkeit schaden könnte» (Teil I, Artikel 15), zu enthalten.

      7. Die EU-Verfassung kennt, anders als zum Beispiel das deutsche Grundgesetz, keinerlei Bestimmung, die eine Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle vorschreibt. Statt dessen heisst es: «Die Organe [der EU] arbeiten loyal zusammen.» (Teil I, Artikel 18)

      8. Unter der Überschrift «Das demokratische Leben der Union» (Teil I, Artikel 44ff.) werden ganz vorne die Parteien genannt. Sie sollen zukünftig «auf europäischer Ebene […] zur Herausbildung eines europäischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger der Union» (Teil I, Artikel 45) beitragen. In Deutschland zum Beispiel sind weniger als 3 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Mitglied einer Partei.

      9. Direktdemokratische Instrumente kennt die EU-Verfassung nur insoweit, als das «mindestens eine Millionen Bürgerinnen und Bürger aus einer erheblichen Zahl von Mitgliedstaaten […] die Kommission auffordern [können], geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht der Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verfassung umzusetzen». (Teil I, Artikel 46)

      Über die Bürgerinnen und Bürger heisst es ausserdem, sie genössen «ein gleiches Mass an Aufmerksamkeit seitens der Organe der Union» (Teil I, Artikel 44), die Entscheidungen der Union würden «so offen und so bürgernah wie möglich getroffen» (Teil I, Artikel 45), den Bürgerinnen und Bürgern solle in «geeigneter Weise» die Möglichkeit gegeben werden, «ihre Ansichten zu allen Bereichen des Handelns der Union öffentlich bekanntzugeben und auszutauschen» (Teil I, Artikel 46) - alles in allem ein eher obrigkeitsstaatliches, gewisse «Rechte» von oben gewährendes Verständnis der Rolle des Bürgers.

      10. Die Grundrechtecharta der EU-Verfassung (Teil II) hat der Staatsrechtslehrer Karl Albrecht Schachtschneider wie folgt charakterisiert: «Die Charta verkennt die Freiheit im Grundsatz: Sie schmälert die Bürgerlichkeit der Bürger, denen kleine Rechte belassen werden, welche die Untertänigkeit zu ertragen erleichtern. [...] Der Entwurf ist ein verschleiertes Manifest des globalen Kapitals. [...] Als politischer Akt gefährdet die Charta den Status der Menschen und Bürger in Europa.»

      * Die Übersetzung im Entwurf der EU-Verfassung lautet: «Die Verfassung, die wir haben [...], heisst Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist.» Die Originalübersetzung des Zitates lautet: «Die Verfassung, nach der wir leben, vergleicht sich mit keiner fremden. Mit Namen heisst sie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf eine grössere Zahl gestellt ist, Volksherrschaft.»

      ***

      Nachdem sich die Regierungskonferenz der Europäischen Union im Dezember letzten Jahres nicht auf einen Text für einen Verfassungsvertrag der EU einigen konnte, steht nun eine solche Einigung noch vor Ende Juni bevor. Nicht zuletzt die Furcht vor dem Unmut der Bevölkerung und neuen Wahlergebnissen in den Beitrittsländern, zum Beispiel in Polen, drängt die Staats- und Regierungschefs zur Eile.

      Diesem Schritt in der Geschichte der EU steht ein krasser Missstand gegenüber: Kaum ein Bürger innerhalb der Staaten der EU ist über den Inhalt des Vertragsentwurfs informiert. An die Stelle der Information war der Versuch getreten, die Bürgerinnen und Bürger mit dem «Streit» zwischen der spanischen und polnischen Regierung auf der einen und den restlichen Regierungen auf der anderen Seite zu absorbieren und die Stimmung in die Richtung zu lenken, «die mögen sich doch endlich einigen».

      Jetzt, wo eine «Einigung» bevorsteht, ist es dringend geboten, sich mit den Inhalten des geplanten Vertrages zu befassen. Die Verfasser des Werkes haben mit mehreren hundert Seiten und über 450 Artikeln dazu beigetragen, dass wohl kaum einer den Text gerne liest - schon dies ein Unding für eine Verfassung. Um so grösser ist die Verantwortung derjenigen, die den Text gründlich studiert haben, alle Informationen zur Verfügung zu stellen und zu einer Beschäftigung und Diskussion anzuregen.

      Wichtig ist auch zu sehen, dass niemand mit seiner Kritik an der EU-Verfassung alleine steht. So hat zum Beispiel am vergangenen Wochenende eine Tagung der «Europäischen Juristenvereinigung für Demokratie und Menschenrechte» stattgefunden, auf der am Entwurf der Verfassung kritisiert wurde, er betoniere den Neoliberalismus, statt soziale Rechte und Solidarität zu verankern. Kritisiert wurde auch die «Militarisierung der Verfassung». Dominique Rousseau, Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Montpellier und eigentlich ein Befürworter der EU, charakterisierte den Entwurf mit den Worten: «Europa - das ist ein liberaler Wirtschaftsraum ohne demokratische Kontrolle, und das soll es anscheinend auch bleiben.»

      Selbst Befürworter einer EU-Verfassung, wie der langjährige französische Regierungsberater Yves Salesse, kritisierten, der Entwurf lese sich «wie ein internationaler Vertrag zwischen Regierungen und nicht wie das Ergebnis einer breiten Diskussion in den Völkern». Es bestehe die Gefahr, dass bei einer wachsenden Entscheidungsunfähigkeit der europäischen Institutionen infolge der EU-Erweiterung «noch stärker als bisher technokratische Strukturen» die Oberhand gewinnen, die «keiner demokratischen Kontrolle unterworfen sind».

      Nach einem Beschluss der Staats- und Regierungschefs werden die Ratifikationsverfahren in 25 Staaten der künftigen EU anstehen. Nach bisherigem Stand werden in den meisten Ländern die nationalen Parlamente entscheiden, in einigen Ländern soll es Volksentscheide geben. Volksentscheide sind bei einer so grundlegenden Frage wie einer Verfassung aber für alle Länder zu fordern. Aber auch dort, wo es diese nicht geben wird, ist eine breite Diskussion unverzichtbar. Kein Parlamentarierer kann sich als Volksvertreter bezeichnen, wenn er in einer so grundlegenden Frage die Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger nicht ehrlich fördert oder sie sogar durch Einseitigkeit und Propaganda behindert und dann die Meinungen und den Willen seiner Wähler ignoriert. Noch haben die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, ihre Auffassungen und ihren Willen öffentlich zu äussern und sich dagegen zu wehren, dass man sie einfach übergeht.



      Artikel 6: Zeit-Fragen Nr.14 vom 13.4.2004, letzte Änderung am 14.4.2004

      http://www.zeit-fragen.ch/
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      schrieb am 16.04.04 17:29:37
      Beitrag Nr. 1.569 ()
      Ist der Rubikon schon überschritten?
      Washingtons Problem mit dem Irak


      von F. William Engdahl


      Die im Laufe der vergangenen Woche im Irak erfolgte dramatische Eskalation von Widerstand und landeseigenen Terrorangriffen gegen die Besetzungstruppen haben die Administration in Washington in den schlimmsten vorstellbaren Morast geführt und vor heikle Fragen gestellt. Aus Gesprächen mit ehemaligen leitenden Nato-Experten und anderen ergibt sich für Washington das im folgenden aufgeführte Spektrum an Möglichkeiten - vom Standpunkt der Administration aus gesehen alle inakzeptabel. Dies aus einem unausgesprochenen Grund, auf den wir weiter unten zu sprechen kommen.

      Die erste Frage ist: Warum hat Washingtons militärische Besetzung - die vermutlich etwas besser durchdacht ist, als die meisten Medien ihr zubilligen -, warum hat sie zu dem eindeutig provokativen Mittel gegriffen, die Zeitschrift des radikalen und einflussreichen Schiitenführers Muktada el Sadr, dem Sohn des Märtyrers und Gross-Ayatollahs Mohammed el Sadr, zu verbieten? Dieser Schritt hat die jüngste schiitische Reaktion im Südirak ausgelöst, da Muktada die verdeckt organisierte Miliz seines Vaters, die sogenannte Mehdi-Armee, die blauen Turbane, mobilisiert hat. Sie behaupten von sich, allein in einem zentralen Stadtteil von Bagdad, in Sadr-City, eine Miliz von 50000 Mann mobilisieren zu können.

      Einige Zyniker in Washington glauben, die Aktion sei eine kalkulierte präemptive Massnahme, geplant, um die Aufmerksamkeit von Bushs zunehmenden innenpolitischen Problemen mit der Untersuchungskommission zum 11. September, Richard Clarke und dem damit verbundenen Sumpf abzulenken. Neueste Umfragen von Pew zeigen nur noch 40 Prozent Unterstützung für Bushs Irak-Politik im Vergleich zu 59 Prozent im Januar. Soll dieses Vorgehen Bush erlauben, sich als «der Kriegs-Präsident» zu präsentieren?

      Ob es sich nun um eine bewusste Aktion in diesem Zusammenhang oder aus anderen Gründen gehandelt hat - hauptsächliche Realität jetzt ist, dass die Situation rapide ausser Kontrolle gerät und, wie Ted Kennedy es nannte, zu «Bushs Vietnam» wird.

      Mit jeder rambomässigen militärischen Reaktion Amerikas - dem Bombardement einer Moschee mit 40 Zivilisten oder dem Überrollen und Abriegeln einer Stadt - geraten die gemässigten Schiiten unter enormen Druck, dass ihre Basis sich der radikalen Mehdi-Armee anschliesst und Al Sistanis gemässigten Kurs ablehnt, der auf Übereinstimmung mit der von den USA geplanten Verfassung und der Machtübertragung am 30. Juni beruht. Der Machtwechsel, darauf weist Muktada zu Recht hin, lässt wesentliche Aufgaben der militärischen Sicherheit und solche, die das Öl betreffen, fest in US-Hand. Es handelt sich um einen kosmetischen Machtwechsel, ausgerichtet auf die US-Wahlen im November.

      Nun sieht sich Amerika verschiedenen Optionen gegenüber. Die erste wäre, die Präsenz mit neuen Truppen massiv zu erhöhen und das Land mit überwältigender militärischer Stärke zu beherrschen. Ein höherer US-Militär und Kritiker der «Schlank und knausrig»-Linie von Rumsfeld sagte schon vor dem Krieg, für eine Besetzung wäre eine Truppenstärke von mindestens 300000 Mann notwendig und nicht die derzeit etwa 120000 eingesetzten Soldaten. Das Problem ist aber, dass selbst die derzeit diskutierte Erhöhung um 100000 Soldaten - sollte das denn helfen - nicht zu haben ist. Hierin liegt die Achilles-Ferse der militärischen Supermacht USA. Die Truppen stehen nicht zur Verfügung. Die US-Streitkräfte sind völlig überbeansprucht. Und Wochenendsoldaten der Nationalgarde sind den Aufständischen im Irak nicht gewachsen.

      Eine zweite Möglichkeit wäre, gegenüber den schiitischen Forderungen zu kapitulieren und die Bildung eines islamischen, auf dem Koran basierenden Staates zuzulassen. Die Gefahr hierbei liegt in einer vermehrten Rebellion sunnitischer und kurdischer Minderheiten. Also auch keine Option.

      Die dritte Variante - von den Mehdi und anderen klar angestrebt - wäre, dass die Vereinigten Staaten den Irak besiegt verlassen müssen. Die Konsequenzen hieraus wären verheerend für die Rolle Amerikas.

      Der wahre Grund, warum eine Lösung nicht möglich ist, ist der von Washington nie offen benannte. Die Vereinigten Staaten wollen militärisch im Irak bleiben, koste es, was es wolle, und zwar, wie Jay Garner es im Januar ausdrückte, «für Jahrzehnte; so wie die Philippinen in den 1890er Jahren zur Kohlenstation der amerikanischen Marine wurden, so ist der Irak die ÐKohlenstationð für die gesamte Region». Die Vereinigten Staaten sind dort, um die riesigen Ölreserven zu kontrollieren. Die US-Politik zielt auf Privatisierung und direkte Kontrolle des Irak und der wichtigsten verbleibenden Ölvorräte des Nahen Ostens, so wie Cheney es 1999 in einer Rede in London darlegte. Washington kann daher auch der Uno nicht erlauben, seine Rolle zu neutralisieren. Es kann sich nicht zurückziehen wie in Liberia. Es wird versuchen müssen, eine Fassade von Demokratie aufrechtzuerhalten, hinter der es das Öl und die Wasserläufe fest im Griff behält.

      Dies alles kennzeichnet eine qualitative Verschlechterung der amerikanischen Position im gesamten Nahen Osten und der muslimischen Welt, wo Amerika ohnehin schon für viele zu einem grossen Feindbild geworden ist. In gewisser Weise ist dies gefährlicher für den Weltfrieden, als es die Spannungen des kalten Krieges mit der Sowjetunion waren. Hier haben wir einen religiösen Krieg.

      Die Bewegung von Muktada hat eine CD produziert, die dem Vernehmen nach in allen schiitischen Gegenden des Irak Verbreitung gefunden hat; sie zeigt Filme der Bombardierungen der schiitischen Pilger in Bagdad und Kerbala vom 2. März in kalkulierter Verbindung mit amerikanischen Militärfahrzeugen des Typs Humvees und waffenschleppenden GIs; dazu schmettert der Lautsprecher einer Moschee: «Wir geben den Amerikanern die Schuld.»

      Noch nicht ganz klar ist, bis zu welchem Grad Sunniten und Schiiten im Hinblick auf ihr gemeinsames Ziel, das Loswerden der amerikanischen Besatzung, kooperieren. Klar ist aber, dass das Schliessen von Muktadas Presse weit mehr ausgelöst hat, als irgendjemand in Washington wollte. Bezeichnenderweise hat sogar ein führender israelischer Irak-Experte, Amazia Baram von der Universität von Haifa, Berater Washingtons im Irak, gewarnt: Sollten die Schiiten und nicht nur die Sunniten beginnen, Widerstand zu leisten, bliebe den Vereinigten Staaten nur noch die Möglichkeit, den Rückzug aus dem Irak anzutreten. Der Irak wird derzeit für die USA sehr schnell zu einem zentralen Brennpunkt geopolitischer Instabilität und Unsicherheit im Wahljahr. Eskaliert die Situation weiter, wird dies ernsthafte Auswirkungen haben, sowohl auf die Sicherheit der Ölversorgung als auch auf die Preise.

      Noch nicht klar ist auch die Wirkung, die dies alles schliesslich auf den politischen Einfluss der Neokonservativen haben wird; diese haben bisher versucht, sich in der Öffentlichkeit ein wenig zurückzunehmen. Sollte es im Irak schiefgehen, werden sie den Vorwürfen, die ganze Kriegsstrategie verschuldet zu haben, kaum ausweichen können. Denn schliesslich hätte die Möglichkeit eines friedlichen Regimewechsels bestanden.

      Artikel 2: Zeit-Fragen Nr.14 vom 13.4.2004, letzte Änderung am 14.4.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
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      schrieb am 16.04.04 17:38:01
      Beitrag Nr. 1.570 ()
      Van der Waals hoch zehn

      Hans Frey 15.04.2004
      Grenzwerte radikal in Frage gestellt - Neues Modell für die Effekte von Mobilfunkstrahlung dürfte Zweiflern an der Sicherheit dieser Technik Auftrieb geben


      Wer weiß? Vielleicht gehört das Telefonieren mit dem Handy am Ohr schon bald der Vergangenheit an - falls sich bewahrheitet, was der schwedische Physiker Bo Sernelius vermutet. Er stellt einen neuen Mechanismus für die Einwirkung von hochfrequenten Funkwellen auf Körpergewebe vor, der die bisher als sicher erachteten Grenzwerte radikal in Frage stellen könnte. .....






      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/lis/17194/1.html
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      schrieb am 19.04.04 19:15:47
      !
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      schrieb am 19.04.04 19:22:22
      Beitrag Nr. 1.572 ()
      Der Nebenkanzler

      Marcus Hammerschmitt 19.04.2004
      Dass Gerhard Schröder der Genosse der Bosse ist, weiß ja nun mittlerweile jeder. Aber wer ist eigentlich der Boss der Genossen?


      Nun, die Beantwortung dieser Frage ist eigentlich auch einfach, denn bis vor kurzem war Gerhard Schröder im Nebenberuf auch noch Parteivorsitzender der SPD, und jetzt ist es Franz Müntefering, also der Mann, der durch eine neuerliche Popularisierung des Begriffs "Abweichler" bewiesen hat, dass Stalinismus und Sozialdemokratie durchaus miteinander vereinbar sind.


      Aber selbst das fanatische Parteisoldatentum Münteferings sichert ihm nur nach innen seine Stellung, er ist gewissermaßen nur der Innenminister der SPD. Als Verkörperung der deutschen Sozialdemokratie, als der Über-Sozialdemokrat schlechthin taugt im Moment nur einer: Wolfgang Clement, der Bundes-Superminister für Arbeit und Wirtschaft. Zuletzt hat er das bei den jüngsten kabinettsinternen Verhandlungen zum Klimaschutz bewiesen.


      Dankenswerterweise stellte sich Jürgen Trittin wieder einmal als unterliegender Juniorpartner der großen Jungs und koalitionserprobter Fußabstreifer zur Verfügung, und so konnte der Superminister demonstrieren, dass er im Kabinett Schröder eine beträchtliche Hausmacht aufgebaut hat und sie auch auszuüben weiß.


      Clement ist schon lange super. Zum ersten Mal wurde er vor fast zehn Jahren Superminister, als er in Nordrhein-Westfalen für Wirtschaft, Mittelstand, Technologie, Verkehr und Medien gleichzeitig Verantwortung übernahm. Clement kann alles. Er war auch schon Gerichtsreferendar, Redakteur der Westfälischen Rundschau, Chefredakteur der Hamburger Morgenpost, und echter SPD-Parteisoldat wie Müntefering, nämlich als Sprecher des Parteivorstands und stellvertretender Bundesgeschäftsführer - gleichzeitig. (Was für eine Unzahl von Posten und Pöstchen doch so eine moderne Partei zu bieten hat!)



      Schon lange super


      Und natürlich, das vergisst man allzu leicht: Er war auch schon Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Das Erstaunliche an Clements Aufstieg: Keiner seiner zahlreichen Fehler kann seiner Superiorität schaden. Da war zum Beispiel die Sache mit dem Trickfilmzentrum Oberhausen. Clement - man erinnert sich, auch bei den Medien kompetent - hatte die Idee, ein Medienzentrum auf der grünen Wiese zu errichten, das erstens technologische Maßstäbe setzen und zweitens ganz doll viele Arbeitsplätze schaffen sollte. Das Projekt schlingerte zwischen hochauflösendem Fernsehen, Animationsfilm, und der digitalen Nachbearbeitung von Spielfilmen hin und her und hatte letztendlich, ab 1998 für alle unübersehbar, ca. 100 Millionen DM an Fördermitteln des Landes Nordrhein-Westfalen hochfein in Luft aufgelöst.

      Beträchtliche Anteile dieser Gelder blieben auch für zwei Untersuchungsausschüsse des Landtages unauffindbar. Nicht nur die CDU-Opposition sprach von Subventionsbetrug in großem Stil - Wolfgang Clement focht es nicht an. Er stieg genau in der Zeit des einsetzenden Skandals vom Super-Landesminister zum Superlandesvater auf.


      Im Amt des Ministerpräsidenten setzte Clement seine Erfahrungen als ministerieller Superheld auch in seinem eigenen Kabinett um: Er vereinigte kurzerhand Justiz- und Innenministerium zu einem Ressort. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Maßnahme beschlichen ihn nie, also musste das Landesverfassungsgericht ihn eines Besseren belehren.

      Super-Wolfie greift ein


      Zweieinhalb Jahre später fiel Trickfilmexperte Clement die Treppe noch einmal nach oben und wurde nach der Bundestagswahl 2002 wieder Superminister, eine Rolle, von der er sich offenbar nur getrennt hatte, um zwischenzeitlich die schwere Bürde des Ministerpräsidentenamtes zu schultern. Der "Stern" jubelte seinerzeit wie die "Bravo", wenn ein neues Album von Britney Spears in die Läden kommt:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Er hat vom Kanzler die Lizenz zum Durchgreifen. Den "Sparminator" (Eichel) hat er schon erledigt. Nun soll Superminister Wolfgang Clement mit Blockierern, Bürokraten und Sozialmafia aufräumen - und für Beschäftigung sorgen. Mission Jobwunder: Super-Wolfie greift ein.





      Anderthalb Jahre später sind die Arbeitslosenzahlen auf Rekordniveau, aufgeräumt wurde allerdings tatsächlich: Was die sozialen Rechte der übergroßen Bevölkerungsmehrheit angeht, ist der Teufel los. Sicher, das ist nicht allein Clements Werk. Bei den Arbeitsplätzen kann er nur Schaum schlagen wie alle anderen auch, weil die Weltwirtschaft und objektive Entwicklungstendenzen unseres Gesellschaftssystems gar nichts anderes zulassen, und bei der Vernichtung der sozialen Rechte hat er viele Mitarbeiter, die es an Tatkraft allemal mit ihm aufnehmen.


      Aber es ist doch interessant, dass Clement mit einer beunruhigenden Regelmäßigkeit dort auftaucht, wo man die nächsten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Katastrophen plant, ohne dass er je selbst in sie verwickelt würde (für den Metrorapid war er natürlich auch Feuer und Flamme die Liste kleinerer Pannen ist nahezu endlos). Betrachtet man den unaufhaltsamen Aufstieg Superwolfies durch seine Etappen, so könnte man auf den Verdacht kommen, dass sein Einzug ins Kanzleramt gesichert ist, wenn die offiziellen Arbeitslosenzahlen die 6-Millionen-Marke überschreiten.


      Das System Clement beruht natürlich wie alle derartigen Systeme (und das System Kohl ist ihr geheimes Vorbild) auf dem genauen Wissen über die gebutterte Seite des Brots, auf den richtigen Bekanntschaften, auf der Fähigkeit, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Clement ist ein Mann der Wirtschaft, wenn das irgend möglich ist, vielleicht noch ein wenig mehr als Schröder selbst. Aber das allein erklärt ihn nicht.


      Zur richtigen Zeit am richtigen Ort


      Es ist außerdem dieses Gemisch aus Unantastbarkeit, Hemdsärmeligkeit und Unverfrorenheit, das Clement nicht nur aktuell zu dem modernen Sozialdemokraten schlechthin macht, sondern sein Verhalten auch zu einem Musterbeispiel für Herrschaft im demokratischen Zeitalter: Demokratie ist, wenn einem die meisten anderen völlig egal sein können, und wenn man sich gerade noch genötigt sieht, diese spezifische Gleichgültigkeit gegenüber dem Publikum zu verbergen. Manchmal nicht einmal das, wie Clements berühmte Mittelfingerattacke auf der Expo 2000 zeigte:

      Der Kompromisscharakter der demokratischen Herrschaft, die der Mehrheit die Interessen der Minderheit politisch verkaufen soll, hat selten weniger Kompromiss aufgewiesen. Dass die Herrschaft in der Demokratie kaum noch Kompromisse nötig hat, weil ihr der Gegner fehlt, macht Leute wie Clement groß und kompromisslos.


      Er wollte immer "Vorstandsvorsitzender der Nordrhein-Westfalen-AG" sein. Man kann die Vorstellung für eine bloße Schreckensvision halten, dass er seinen Bruder im Geiste Gerhard Schröder überflügelt und in einer großen Koalition sogar noch Vorstandsvorsitzender der Deutschland-AG wird. Völlig unwahrscheinlich ist es nicht.


      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/17222/1.html
      Avatar
      schrieb am 19.04.04 20:11:49
      Beitrag Nr. 1.573 ()
      Deutschland

      Der Mythos vom Abstieg

      Die Exporte steigen, neue Jobs entstehen. Trotzdem wächst die deutsche Wirtschaft nicht. Das hat wenig mit dem Standort D zu tun und viel mit der Wiedervereinigung und dem Euro






      Von R. von Heusinger und W. Uchatius



      Illustration: Beck für DIE ZEIT
      Die in Deutschland derzeit meisterzählte Geschichte ist ein großes Epos von Aufstieg und Niedergang. Aber sie läuft nicht im Kino, sondern bei Sabine Christiansen. Diese Geschichte handelt von einem Superstar, gegen den sich David Beckham oder Brad Pitt wie Winzlinge ausnehmen. Sie beschreibt geheimnisvolle Viren, die dem Helden die Lebenskraft rauben. Aber sie kommt nicht als Fantasy-Roman daher, sondern als Sachbuch. Denn es geht um die traurige Wirklichkeit.

      Die Geschichte erzählt von Deutschland. Einst war es eines der reichsten Länder der Welt.

      Heute ist es der „kranke Mann Europas“. Meint das Münchner ifo-Institut. Schreibt der britische Economist. Behauptet das Kieler Institut für Weltwirtschaft. Verkünden Verbandsfunktionäre, Ökonomen und Politiker in Talkshows und Zeitungen.

      Sie nennen auch die Krankheitserreger: die gesunkene Wettbewerbsfähigkeit. Die ausufernden Staats- und Sozialausgaben. Den inflexiblen Arbeitsmarkt. „Um diese vermeintlichen Probleme dreht sich seit Jahren fast die gesamte ökonomische Debatte“, sagt Ullrich Heilemann, Wirtschaftsprofessor an der Uni Leipzig.

      Aber entsprechen sie auch der ökonomischen Realität? Kann Deutschland tatsächlich mit dem Rest der Welt nicht länger mithalten?

      Tatsache ist: Die deutsche Wirtschaft ist in den vergangenen zehn Jahren schwächer gewachsen als irgendeine andere in der Europäischen Union. Inzwischen liegt die Wirtschaftsleistung pro Kopf in Deutschland unter dem EU-Durchschnitt. So weit stimmt die Geschichte also. Die Frage ist nur, was die wahren Gründe für die Wachstumsschwäche sind.


      „Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit sinkt.“ (aus einer Untersuchung des Instituts für Managemententwicklung Lausanne)

      „Bei den Lohnstückkosten sehen wir im internationalen Vergleich nicht gut aus.“ (BDI-Chef Michael Rogowski in der „Berliner Zeitung“)


      Der Standort. Grundig, Voigtländer, Seidensticker. Fernseher aus Nürnberg, Kameras aus Braunschweig, Hemden aus Bielefeld. Die fünfziger Jahre waren noch Zeiten. Damals kostete ein Fabrikarbeiter nur ein paar Mark in der Stunde. Damals belieferten deutsche Unternehmen die halbe Welt.

      Dann kamen die Japaner. Die Koreaner. Später die Chinesen. Und natürlich die Polen und Tschechen. Heute liegen die Arbeitskosten in der westdeutschen Industrie bei 26 Euro pro Stunde, in Osteuropa bei 5 Euro, in Ostasien noch niedriger. Keine Überraschung also, wenn hiesige Unternehmen auf den Weltmärkten das Nachsehen haben.

      Oder doch eine Überraschung. Denn sie haben gar nicht das Nachsehen. Im Gegenteil. „Deutschland dominiert alle anderen“, sagt Andreas Cors vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Tatsächlich sind in keinem großen Industrieland die Exporte in den vergangenen Jahren so stark gewachsen (siehe Grafik).

      Bei genauerem Hinsehen gehören die deutschen Arbeitskosten zwar zu den höchsten der Welt, aber seit 1995 stiegen die Löhne nach Angaben der OECD kaum – im Gegensatz zu den anderen Industrieländern. Was stieg, war die Produktivität deutscher Unternehmen. Die Innovationsoffensive, die der Kanzler ankündigte, ist in vielen Firmen längst Realität. „Wir sind technologisch weltweit führend“, sagt Olaf Wortmann vom Maschinenbauverband VDMA. Infolgedessen haben sich die Lohnstückkosten weit günstiger entwickelt als in fast allen Konkurrenzländern. „Die Wettbewerbsfähigkeit ist in Deutschland kein Problem mehr“, sagt Harald Jörg, Volkswirt bei der Dresdner Bank.

      Die überraschende Qualität des Standorts D zeigt sich auch an einer zweiten Zahl: den ausländischen Direktinvestitionen. Hiesige Politiker und Funktionäre mögen das Vertrauen in die deutsche Wirtschaft verloren haben, doch amerikanische und asiatische Konzernchefs denken anders. Seit 1998 verzeichnen die Statistiker einen kräftigen Zustrom ausländischen Kapitals nach Deutschland. Zuletzt konnte außer Frankreich kein Industrieland so viele Investitionen aus dem Rest der Welt anziehen.


      „Dieser Staat hängt uns wie eine Bleikugel am Bein.“ (DIHK-Chef Ludwig Georg Braun in der „Welt am Sonntag“)

      „Der Anstieg der Staatsquote muss sukzessive zurückgeführt werden.“ (CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz vor Unternehmern)


      Der Staat. Sechs Monate lang gehen sie zur Arbeit und bekommen kein Geld dafür. Sie sitzen im Büro, sie schuften in der Fabrik, aber das Gehalt kassiert der Fiskus. So ergeht es den Bundesbürgern Jahr für Jahr, jedenfalls denen, die einen Job haben. Der Bund der Steuerzahler hat es ausgerechnet: Die erste Jahreshälfte arbeiten die Deutschen quasi nur für den Staat. Für die Steuern und für die Sozialabgaben, für die Arbeitslosen-, die Renten- und die Krankenversicherung. Womöglich ist die Wirtschaftsleistung in Deutschland schwächer als anderswo, weil sich Leistung nicht lohnt.

      Ein Blick auf die Fakten zeigt: Sie lohnt sich mehr als in den meisten europäischen Ländern. Bei der Steuer- und Abgabenquote (dem Verhältnis von Steuern und Sozialabgaben zur Wirtschaftsleistung) rangiert die Bundesrepublik im Mittelfeld. In wachstumsstarken Ländern wie Finnland, Schweden oder Frankreich greift der Staat seinen Bürgern allerdings weit tiefer in die Tasche (siehe Grafik). Das erinnert an früher. „Noch in den sechziger Jahren lag die deutsche Sozialleistungsquote, und dann auch die Steuer- und Abgabenquote, europaweit mit an der Spitze“, sagt Stephan Leibfried, Leiter des Zentrums für Sozialpolitik an der Uni Bremen. Damals war Deutschland Spitzenreiter beim Wachstum.

      Seitdem ist der Sozial- und Steuerstaat in den meisten europäischen Ländern weit stärker gewachsen als hierzulande.

      In Deutschland dagegen liegt der Anteil des Staatssektors an der Wirtschaftsleistung heute nicht höher als 1975. Im Westen ist er sogar leicht gesunken. Allerdings nicht auf das Niveau von Japan, mit seinem im internationalen Vergleich kleinen Staatssektor. „Trotzdem kamen die Japaner zehn Jahre lang nicht aus der Krise“, sagt Peter Bofinger, Mitglied des Wirtschafts-Sachverständigenrats. Und fügt an: „Ein Zusammenhang zwischen Staatsquote und Wachstumsraten ist äußerst zweifelhaft.“

      Das zeigt auch folgende Überlegung: Eine Privatisierung der deutschen Sozialversicherungen ließe den Staatssektor schlagartig schrumpfen. Allerdings ist fraglich, ob den Deutschen dann tatsächlich mehr Geld für den Konsum bliebe. Wollten sie nicht auf jegliche Sicherheit verzichten, müssten sie weiter einen Großteil ihrer Arbeitszeit dafür verwenden, Rente, Krankenversicherung und Rücklagen für eine mögliche Arbeitslosigkeit zu erwirtschaften. Nur müssten sie die dann privat finanzieren. Wie in den USA, wo nach Berechnungen des Sozialforschers Jacob Hacker von der Uni Yale die Sozialausgaben einen ähnlich hohen Teil der Wirtschaftsleistung aufbrauchen wie im Wohlfahrtsstaat Deutschland – nur werden sie in Amerika stärker privat finanziert, bei teils schlechteren Leistungen.

      Rechnet man dagegen die Sozialleistungen aus dem Staatssektor heraus, stellt man fest: „Der Staat ist in Deutschland nicht teurer als in den USA“, so der Ökonom Ronald Schettkat von der Russell Sage Foundation in New York. Denn für Polizei oder Verwaltungspersonal wenden die Deutschen nicht mehr Geld auf als die Amerikaner.


      „Die Deutschen müssen mehr arbeiten.“ (BDA-Chef Dieter Hundt in der „Bild“)

      „Unsere Nachbarstaaten haben alle mehr Jobs, auch bei niedrigem Wachstum.“ (Wirtschaftsminister Wolfgang Clement in der ZEIT)




      ZEIT-Grafik
      Der Arbeitsmarkt. Vor 20 Jahren hieß er Josef Stingl, danach Heinrich Franke, dann Bernhard Jagoda, später Florian Gerster und heute Frank-Jürgen Weise. Die Bundesanstalt für Arbeit wurde in Bundesagentur für Arbeit umbenannt, aber die unangenehmste Aufgabe ihres Präsidenten ist geblieben: Monatlich muss er die Arbeitslosenzahl bekannt geben. Sie steigt immer weiter.

      Was weniger bekannt ist: Im Westen der Republik hat seit Mitte der Neunziger auch die Zahl der Arbeitsplätze kräftig zugenommen (siehe Grafik). Ausgerechnet in jenem Teil Deutschlands, in dem die meisten Beschäftigten unter Kündigungsschutz und Flächentarif fallen, lief die Jobmaschine – erst durch die weltweite Konjunkturkrise geriet sie ins Stocken.

      Wie kommt es dann aber, dass die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren stetig stieg, bis auf viereinhalb Millionen?

      „Das liegt zum einen an der gestiegenen Erwerbsneigung“, sagt Gerhard Bosch, Vizepräsident des Instituts für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen. In kaum einem Industrieland strebt ein so hoher Anteil der 25- bis 55-Jährigen auf den Arbeitsmarkt wie in Deutschland. Mit der Folge, dass es trotz Jobwachstums nicht genug Jobs gibt.

      Vor allem aber liegt die wachsende Arbeitslosigkeit am Osten. Dort ist die Zahl der Jobs seit 1995 nicht gestiegen, sondern fast jedes Jahr gesunken. Ausgerechnet dort, wo nach Erkenntnis des DIW neun von zehn Unternehmen nicht mehr an den Flächentarif gebunden sind (siehe auch Frei und erfolglos). Ein Grund, weshalb der US-Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Solow folgert: „Selbst ein völlig liberalisierter Arbeitsmarkt wird die Wirtschaft nicht retten“ (siehe Interview: "Unnötig schmerzvoll").


      Unter Schock. Wenn der Standort, der Staat und der Arbeitsmarkt als Erklärungen nicht so recht taugen, woran liegt die deutsche Wachstumsschwäche dann? „In der öffentlichen Diskussion wird meist übersehen, dass die deutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahren mehrere schwere Schocks zu verkraften hatte“, sagt Dresdner-Bank-Volkswirt Harald Jörg.

      Mindestens drei Schocks lassen sich identifizieren, welche die deutsche Wirtschaft schwer erschütterten, den Rest Europas aber verschonten. Die Wiedervereinigung. Die Einführung des Euro, die nur hierzulande negative Folgen hatte. Und die Bankenkrise.


      Die Wiedervereinigung. Zuerst sah es so aus, als mache die Einheit alle reicher. Die Mauer fiel, die Ossis bekamen die D-Mark zum günstigen Kurs, kauften Autos und bauten Häuser. Durch Steueranreize der Regierung künstlich verbilligt, schossen Eigenheime und Bürogebäude aus dem Boden. Die Wirtschaft wuchs bundesweit. 1990 mit fünf, 1991 mit fast sechs Prozent. Solche Raten kennt man heute aus China.

      Die Bundesbank fürchtete, das kräftige Wachstum werde die Wirtschaft überfordern. Tatsächlich schnellte die Inflationsrate nach oben. Als Antwort setzte die Bundesbank die Leitzinsen drastisch herauf.

      Die Wirkung zeigte sich schnell: Kredite und neue Investitionen wurden teurer, Deutschland rutschte in die Rezession. Wegen der hohen Zinsen stieg auch der Kurs der D-Mark, was deutsche Produkte teurer und deutschen Exporteuren das Leben schwer machte. „Gleichzeitig erhöhte die Regierung im Krisenjahr 92 die Steuern und Sozialabgaben – und erdrosselte damit die Inlandsnachfrage“, so der Ökonom Heilemann.

      Das Ergebnis ist nun Thema in Talkshows und Zeitungen. Der Osten komme nicht auf die Beine, er ziehe den Westen mit in die Tiefe, warnt eine Kommission um den ehemaligen Hamburger Politiker Klaus von Dohnanyi. In Wahrheit hat die falsche Wirtschaftspolitik des Westens den Osten zum Dauerproblem gemacht. Erst wurde durch den günstigen Umtauschkurs und die Hilfen für den Bau ein Boom erzeugt, dann wurde er schlagartig abgewürgt, wovon sich die gesamtdeutsche Ökonomie bis heute nicht erholt hat. „Die zu restriktive Geld- und Fiskalpolitik hat die Wirtschaft destabilisiert“, so der Hamburger Ökonom Jörg Bibow.

      Die Folgen sind fatal. Um den Osten vor weiterem Absturz zu bewahren, müssen die alten Länder noch immer jährlich 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung dorthin transferieren. „Das dämpft das Wachstum im Westen“, sagt ein hochrangiger Volkswirt der Bundesbank.

      Als jedoch mit Beginn des neuen Jahrtausends die Debatte um den „kranken Mann Europas“ begann, blieb der Hinweis auf die Wiedervereinigung meist aus.

      Dabei hatte schon vor zwei Jahren der Sachverständigenrat berechnet, dass allein die Spätfolgen der so schlecht gestalteten Wiedervereinigung für zwei Drittel der Wachstumsschwäche verantwortlich seien.

      Nirgends zeigt sich dies so deutlich wie am Bau. Seit 1995 gehen jedes Jahr weitere Firmen Pleite. „Der Bau belastet die deutsche Wachstumsperformance im internationalen Vergleich erheblich, die übrigen Sektoren dagegen halten mit dem europäischen Tempo recht gut mit“, sagt Klaus Borger, Volkswirt bei der bundeseigenen Förderbank KfW. Borger hat für einen besseren Vergleich der tatsächlichen Wachstumsstärke Deutschlands die Bauwirtschaft aus dem BIP herausgerechnet. Und siehe da: Seit drei Jahren wächst Deutschland genauso schnell wie das übrige Euroland (siehe Grafik).




      ZEIT-Grafik
      Die Euro-Einführung. Am Anfang der Marktwirtschaft steht der Kredit: etwa für den Kauf von Maschinen, die ein Unternehmer braucht, um zu produzieren. Ohne Kreditwachstum kein Wirtschaftswachstum. In Deutschland aber wachsen die Kredite nicht.

      Was das mit dem Euro zu tun hat? Ganz einfach. Die Währungsunion brachte den Deutschen nicht nur neue Münzen und Scheine, sondern auch neue Zinsen, und das hat für die Bundesrepublik eine ungleich größere Bedeutung. Denn die Zinsen sind der Preis, den ein Unternehmer für einen Kredit zu zahlen hat.

      Bevor der Euro kam, galt die D-Mark in Europa als Leitwährung. Wer in Franc oder Lire einen Kredit aufnahm, musste Risikoaufschläge in Form höherer Zinsen zahlen. Denn die europäischen Währungen waren in ständiger Gefahr, gegenüber der D-Mark an Wert zu verlieren. Kredite in der deutschen Währung waren deshalb billiger und Investitionen hierzulande günstiger als im restlichen Europa. Heute gibt es in Euroland nur noch eine Währung und einen einheitlichen nominalen Zinssatz – und die deutsche Wirtschaft hat einen Vorteil verloren.

      Tatsächlich hat sie jetzt sogar mit dem Nachteil hoher Zinsen zu kämpfen. Zwar ist der Zinssatz nominell überall in Euroland gleich. Bereinigt man ihn jedoch um die Inflationsrate, ergeben sich deutliche Unterschiede. Je niedriger die Inflation, desto höher die realen Zinsen. In Deutschland ist die Inflation so niedrig wie nirgendwo sonst in Euroland – weshalb die Realzinsen stiegen. „Steigende Realzinsen aber bremsen die Investitionstätigkeit der Unternehmen und damit das Wachstum“, sagt Stefan Bergheim, Volkswirt bei der Deutschen Bank Research.

      Theoretisch könnte die Bundesregierung den Zinsschock durch eine großzügigere Fiskalpolitik mildern. Soll heißen: Sie müsste vom Sparkurs abweichen, bis die Wirtschaft wieder Luft hat. Doch dieser Weg ist ihr verwehrt. „Da ist der widersinnige Stabilitätspakt vor, der eine vernünftige Reaktion der Fiskalpolitik verhindert“, moniert Dieter Wermuth, Euroland-Chefvolkswirt der japanischen Großbank UFJ.


      Die Kreditklemme. Wenn es einen Ort gibt, an dem der Puls der deutschen Wirtschaft schlägt, dann ist es der Bankensitz Frankfurt. Denn die Banken vergeben die Kredite.

      Die Wiedervereinigung, das Ende des Baubooms, die Währungsunion – das hat Spuren in den Bilanzen der Finanzhäuser hinterlassen. Und damit die Schocks noch verstärkt. Fünf der sieben größten Banken haben 2003 zusammen mehr als zehn Milliarden Euro Verlust verzeichnet, weswegen sie mit neuen Krediten vorsichtig sind. Die Folge: Erstmals in der Geschichte der Republik schrumpft das Volumen der an Unternehmen ausgegebenen Darlehen (siehe Grafik). Im restlichen Euroland dagegen wächst es mit rund fünf Prozent.

      Vergangene Woche gab erstmals ein deutscher Bankmanager zu, dass diese Situation ein Problem darstelle. „Die Banken geben bei weitem nicht so viele Kredite, wie es für den Mittelstand erforderlich ist“, sagte KfW-Chef Hans Reich dem Handelsblatt. Die Auftragsbücher vieler Firmen seien voll, könnten aber wegen fehlender Finanzierung nicht abgearbeitet werden.

      Bei einer Umfrage des manager magazins unter 350 Mittelständlern in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gaben 40 Prozent an, die Kreditvergabe sei ein Hauptproblem. Der Arbeitsmarkt rangierte weit dahinter, nur 15 Prozent hielten den Flächentarifvertrag für hinderlich.

      Der Ausweg. Wenn der Mittelstand tatsächlich das oft zitierte Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist, warum diskutieren Politiker und Ökonomen über Probleme, die Mittelständler als drittrangig einschätzen? Natürlich ist niemand gegen noch mehr Wettbewerbsfähigkeit. Selbstverständlich können Sozialreformen dafür sorgen, dass Renten- und Krankenversicherung effizienter arbeiten und wieder mehr Geld in ihre Kassen fließt. Mit Sicherheit kann ein flexiblerer Arbeitsmarkt Wunder wirken – aber erst, wenn es wieder aufwärts geht.

      Damit das jedoch eintritt, müssen die Banken wieder Kredite vergeben, muss die Last der hohen Realzinsen durch eine expansive Fiskalpolitik gemildert werden, muss endlich auch die Nachfrageseite der Wirtschaft ernst genommen werden, wie es Nobelpreisträger Solow fordert. Durch Lohnkürzen und Gürtel-enger-Schnallen ist dies kaum zu erreichen. Im Gegenteil. Die deutsche Vorstellung von einem „Wachstum durch Sparen“ könnte am Ende ganz Euroland destabilisieren, fürchtet der Wirtschaftsweise Bofinger.


      (c) DIE ZEIT 15.04.2004 Nr.17

      ZUM ARTIKELANFANG









      http://www.zeit.de/2004/17/Mythos
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      schrieb am 19.04.04 20:14:23
      Beitrag Nr. 1.574 ()
      interview


      „Unnötig schmerzvoll“


      Bundesregierung und Notenbank sollten die notwendigen Reformen flankieren – mit höheren Ausgaben und niedrigeren Zinsen, sagt der amerikanische Wachstumsforscher Robert Solow

      DIE ZEIT: Deutsche Ökonomen behaupten oft, das magere Wirtschaftswachstum resultiere aus den Verkrustungen am Arbeitsmarkt. Stimmen Sie zu?

      Robert Solow: Nur zum Teil. Es ist zwar richtig, dass der deutsche Arbeitsmarkt überreguliert ist und es deshalb schwerer ist als in anderen Ländern, neue, produktive Firmen zu gründen. Das hemmt das Wachstum. Aber was mich an der deutschen Reformdebatte schon immer gestört hat, ist ihre hundertprozentige Fixierung auf den Arbeitsmarkt als Grund allen Übels.

      ZEIT: Konkret werden von hiesigen Experten häufig drei Maßnahmen genannt, um die deutsche Wirtschaft zu retten: eine deutliche Lohnsenkung für alle, mindestens 42 Stunden Arbeit pro Woche und dazu die vollständige Abschaffung des Kündigungsschutzes. Gehen diese Vorschläge in die richtige Richtung?

      Solow: Nein. Denn selbst ein völlig liberalisierter Arbeitsmarkt wird die Wirtschaft nicht retten. Genauso wichtig sind Reformen und Deregulierung auf den Produktmärkten – zum Beispiel die Freigabe der Ladenöffnungszeiten, weniger Bürokratie bei der Gründung neuer Firmen oder weniger strenge Auflagen für die Nutzung von Land. Ich lebe nicht in Deutschland, aber was ich über die deutsche Wirtschaft herausgefunden habe, zeigt recht klar, dass in vielen Wirtschaftsbereichen Überregulierung und zu wenig Wettbewerb herrschen.

      ZEIT: Sie denken an den Strommarkt, auf dem einige wenige Unternehmen die Preise hochhalten, oder den Meisterzwang in vielen Handwerksberufen?

      Solow: Das sind Beispiele. Ich würde immer vorschlagen, den Arbeitsmarkt zu deregulieren, aber in noch stärkerem Maße die Märkte für Güter und Dienstleistungen. Wenn sich dort etwas in Richtung mehr Wettbewerb tut, kommt der Anstoß in der Regel aus Brüssel, nicht aus Berlin. Aber noch wichtiger für mehr Wachstum scheint mir etwas anderes zu sein: eine vernünftige Geld- und Fiskalpolitik.

      ZEIT: Das heißt konkret?

      Solow: Die Geld- und Fiskalpolitik muss expansiv sein, damit die Menschen mehr Jobs erwarten dürfen und damit sie die Härten der Arbeitsmarktreform bereitwilliger ertragen. Allein über Lohnsenkungen mehr Wachstum zu erwarten ist ein langwieriger und unnötig schmerzvoller Prozess.

      ZEIT: Die gegenwärtigen Regeln Eurolands verbieten aber eine expansive Fiskalpolitik. Sie kennen doch den Stabilitäts- und Wachstumspakt?

      Solow: Wenn der Stabilitäts- und Wachstumspakt einer vernünftigen Politik im Weg steht, sollte Deutschland all seine Energie aufwenden, um diesen Vertrag loszuwerden. Dieser Pakt ist ein Dinosaurier. Er war in Form der Maastricht-Kriterien vielleicht im Vorfeld der Währungsunion notwendig, jetzt aber ist er viel zu kurzfristig ausgerichtet und schadet mehr, als er nutzt. Unvorstellbar, dass die deutschen Politiker den Arbeitern zurufen: „Ihr allein müsst durch Lohnverzicht die deutsche Wirtschaft retten, weil wir durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt gehindert sind.“ Das kann nicht gut gehen.

      ZEIT: Die Bundesregierung hat die ersten Arbeitsmarktreformen auf den Weg gebracht. Die Menschen fürchten weitere Einschnitte, sparen mehr und konsumieren weniger. Das Wirtschaftswachstum springt nicht an.

      Solow: Genau deshalb ist die Unterstützung der Reformen durch eine expansive Fiskalpolitik so ungeheuer wichtig.

      ZEIT: Auch wenn der Schuldenstand Deutschlands dann über der Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandproduktes liegt, die der Stabilitätspakt vorgibt?

      Solow: Die Arbeitsmarktreformen wirken sich negativ auf die Nachfrageseite der Wirtschaft aus, sie reduzieren die Konsumausgaben und die Investitionsausgaben – jeder Volkswirt weiß das. Also muss der Staat den erwarteten Nachfrageausfall kompensieren.

      ZEIT: Warum weisen die deutschen Vorzeigeinstitutionen Bundesbank und Sachverständigenrat nie auf diese Zusammenhänge hin?

      Solow: Bundesbank und Sachverständigenrat haben schon immer den theoretischen Glauben zu ernst genommen, dass es allein notwendig sei, die Inflation im Griff zu haben – und Produktion und Beschäftigung würden dann von selbst in ein Gleichgewicht kommen. Selbst wenn diese Theorie zutreffen sollte, dann höchstens ganz langfristig. Es gibt keinen guten Grund, so lange zu warten.

      ZEIT: Kann man Denken und Handeln von Bundesbank und Sachverständigenrat dogmatisch nennen?

      Solow: Dogmatisch ist ein schönes Wort dafür.


      Das Gespräch führte Robert von Heusinger

      (c) DIE ZEIT 15.04.2004 Nr.17

      ZUM ARTIKELANFANG
      http://www.zeit.de/2004/17/Interv__Solow
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      schrieb am 19.04.04 20:16:43
      Beitrag Nr. 1.575 ()
      Hypothekenbanken

      Gefährliche Geldmaschinen

      Fannie Mae und Freddie Mac sind die größten Hypothekenbanken der Welt. Jetzt kommen erste Zweifel an ihrer Seriosität auf


      Von Heike Buchter

      http://www.zeit.de/2004/17/Fannie_Mae
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      schrieb am 19.04.04 20:35:27
      Beitrag Nr. 1.576 ()
      Avatar
      schrieb am 19.04.04 20:40:48
      Beitrag Nr. 1.577 ()
      SPIEGEL: Die (angebliche) Wohlstands-Illusion

      "Die Wohlstands-Illusion" nennt der SPIEGEL (Ausgabe 11/2004) einen Beitrag über den Wirtschaftsstandort Deutschland. Auf 25 Seiten wird darin der Eindruck erweckt, Deutschland sei auf dem Weg in eine Armutsrepublik. Ein Kommentar dazu.

      Faulheit, Inkompetenz, Unvernunft und die Gier der Rentner ruinieren das einstmals wohlhabende Land, so Steingart. Die verwendeten Argumente sind so platt wie widersprüchlich. Es ist bezeichnend und entlarvend für die Ratlosigkeit der Ökonomen, dass man einer derart wirren Analyse so viel Platz einräumt.

      In epischer Breite führt der Autor, Gabor Steingart, aus, wie sich unser Wohlstand "verflüchtigt", dass er "von Monat zu Monat schrumpft", dass Politik die Sicherung des Lebensstandards nicht versprechen kann, wenn er nicht produziert wird und dass das "Modell Deutschland" vom Rest der Wohlstandswelt "abgehängt" wird. "Der Riese stapft unvermindert nach unten, und niemand, so scheint es, versperrt ihm den Weg."

      Ursache dieser Entwicklung sei "das Schmelzen des produktiven Kerns" der Volkswirtschaft und seiner Energieleistung. Nur dieser industrielle Kern, so wird in mystisch verklärten Worten erläutert, schafft die Basis unseres Wohlstandes. Aber, so der Autor: "Wo gewaltige Energien sich freisetzen ließen und der eigentliche Urknall einer modernen Volkswirtschaft sich ereignet, herrscht heute große Stille."

      Schuld an dem Desaster sei zunächst der "Steuer-Staat", der mit immer neuen Schulden für Wirtschaftswachstum sorgt, das scheinbar gar nicht existiert. Und schuld sind natürlich die faulen Arbeitnehmer, deren viele Freizeit die Lohnkosten in die Höhe treibt und so den "Export von Arbeitsplätzen" erzwingt.

      Der Gipfel der Unverschämtheit wird im zweiten Teil ausgebreitet: Adenauer habe den Rentnern völlig überzogene Renten versprochen, um seine Widerwahl zu sichern und die Politiker aller Parteien können davon nicht mehr abkommen, weil sie sonst abgewählt würden. Die Renten jener Menschen also, die mit ihrer Arbeit einen beinahe unvorstellbaren Wohlstand geschaffen haben, sind nach dieser These schuld daran, dass nicht immer mehr Wohlstand produziert wird.

      Ein kleiner Lichtblick taucht am Ende des Beitrags auf. Kurz wird erwähnt, dass neben dem unvorstellbar großen Schuldenberg auch große Vermögen gebildet wurden. Diese Vermögen, die der Autor für "geronnene Arbeit" hält, "erwirtschaften ohne allzu großes Zutun seiner Besitzer Zinsen …". Warum aber steht hier nicht, dass allein diese Zinsen mittlerweile ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen, dass sie mehr als 25 Prozent der jährlichen Leistungen regelrecht auffressen. Hat der Autor übersehen, dass die ständig zunehmenden Zinsausgaben der Grund sind für sinkende Nettolöhne, für fehlende Investitionen in Forschung und Bildung oder für den Konkurs vieler Betriebe? Seine Zahlen beweisen, dass in Deutschland mehr Wohlstand als je zuvor produziert wird. Würde er sie kritisch betrachten, sähe er, dass durch die Zinsströme neunzig Prozent der Menschen von diesem Zuwachs abgeschnitten sind.

      An einer Stelle wird das verheerende Ausmaß der Zinslasten benannt. Warum ist dabei aber lediglich von den öffentlichen Schulden die Rede? Weiß der Autor womöglich gar nicht, dass die Schuldenlast der Industriebetriebe in etwa die dreifache Summe (im Jahr 2001 3544 zu 1254 Mrd. Euro) ausmacht? Hat er übersehen, dass deren Zinslasten sowohl die Löhne als auch die Preise der Waren erheblich belasten?

      Kein Wort davon, dass Deutschland Exportweltmeister ist und dass dieser Exportüberschuss zu Lasten der Arbeitenden in anderen Ländern geht. Ignoriert wird, dass auch in den Ländern mit Niedriglöhnen Millionen Menschen ohne Arbeit sind, dass in Ländern mit geringeren Lohnnebenkosten Millionen Menschen ohne Alters-, Kranken- und Pflegeversicherung überleben müssen. Übersehen wird, dass Länder mit hohen Wachstumsraten auf einem Niveau wirtschaften, das Deutschland lange hinter sich gelassen hat. Wir haben bereits ein Wohlstandsniveau erreicht, von dem Griechen, Slowaken und Iren noch träumen. Kein Wort davon, dass in einem begrenzten Wirtschaftsraum nicht auf alle Zeit, mit ständig steigendem Tempo, immer noch mehr produziert werden kann. Bedacht wird auch nicht, dass die Konsumenten schon heute, selbst mit allergrößtem Werbeaufwand, nicht dazu zu bringen sind, von Jahr zu Jahr mehr zu konsumieren. Und leider vergisst der Autor auch zu beschreiben, was "Null-Wachstum" bedeutet, nämlich jedes Jahr so viel Wohlstand zu erzeugen, wie im aktuellen Jahr - eine gigantische Menge. Er übersieht, dass durch den Produktivitätszuwachs weltweit immer weniger Arbeiter zur Produktion der Güter gebraucht werden, dass nur durch drastische Arbeitszeitverkürzung die Arbeit auf alle verteilt werden kann und dass schon das Sinken des Zinsniveaus von fünf auf dreieinhalb Prozent eine Summe einsparen würde, die für vier Millionen Bruttolöhne ausreichen würde.

      Gabor Steingart mag man die einseitige Interpretation seiner "Fakten" nachsehen. Es würde nicht zu seinem Buchtitel "Der Abstieg eines Superstars" passen, die Leistungen der Gesellschaft aufzuzählen. Er möchte Geld verdienen und dies ist nun mal leichter mit Büchern zu schaffen, die in das allgemeine Jammern einstimmen und Katastrophenstimmung verbreiten. Was aber bewegt die SPIEGEL-Redaktion in der so aus dem Rahmen fallenden Länge ein derart schiefes Bild von der Lage in Deutschland zu verbreiten?

      Die Zusammenstellung der Auszüge ist langatmig und nichts sagend. Einem entscheidenden Faktor, dem "Zinsmechanismus" wird nur wenig, zu wenig Platz eingeräumt: "Die Verschuldung nährt sich aus sich selbst heraus" wird die Bundesbank zitiert und weiter heißt es, für "Albert Einstein war der Zinseszinseffekt ´die größte Entdeckung der Mathematik´". Ich wünsche mir, dass diese Entdeckung auch einigen Redakteuren des Spiegels zuteil wird. Dann werden wir demnächst eine Fortsetzungsserie mit Auszügen aus "Das Geld-Syndrom" von Helmut Creutz im SPIEGEL lesen. Eine Serie, die sich über Monate hinziehen muss, weil sich die Redaktion schwer tun wird, sich auf wenige Kapitel zu beschränken. Eine Serie, die die Leser fesseln wird wie seinerzeit die Fernsehserie Dallas das TV-Publikum.

      Der SPIEGEL-Artikel ist gegen Bezahlung online abrufbar. Ob er das Geld wert ist, darf bezweifelt werden.

      von Klaus_Popp - 23. Mar 2004

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      schrieb am 19.04.04 20:49:20
      Beitrag Nr. 1.578 ()
      Thema
      Knut Mellenthin

      Konfrontationskurs

      Die US-Regierung verspielt ihr letztes Vertrauen in der arabischen Welt


      Vergleiche zwischen dem Vietnamkrieg und dem Irak-Krieg werden immer häufiger bemüht. Je nach Standpunkt als Befürchtung, daß die einzige verbliebene Supermacht USA »immer tiefer in den Sumpf gerät«, oder als Hoffnung, daß die Bäume des US-Imperialismus nicht in den Himmel wachsen.

      Trost kann der Rückblick auf jeden Fall nicht bieten. Als der Vietnamkrieg endete, waren mindestens eine Million Kriegsopfer zu beklagen, und das Land war auf Jahrzehnte in seiner Entwicklung zurückgeworfen. Ein ähnlicher Sieg wäre für das irakische Volk eine Katastrophe.

      Bei jedem Vergleich muß außerdem berücksichtigt werden, daß Vietnam jahrelang massiv von den sozialistischen Staaten mit Waffen, Lebensmitteln und anderen Gütern unterstützt wurde, während die Iraker praktisch auf sich allein gestellt sind. Ihre Nachbarstaaten, Syrien und Iran, bieten aus begründeter Furcht, selbst Opfer der nächsten amerikanischen Aggression zu werden, in materieller Hinsicht kein Hinterland und sind selbst mit Sympathieerklärungen äußerst vorsichtig.

      Anders als der vietnamesische Volkskrieg kann der irakische Widerstand auch kaum mit internationaler Solidarität rechnen. Vietnam ließ sich einigermaßen in ein linkes Weltbild integrieren, aber für militante Schiiten, Sunniten oder ehemalige Anhänger der Baath-Partei mögen die meisten Kriegsgegner keinen Finger rühren. Der einfache Gedanke, daß es in der gegenwärtigen historischen Etappe vor allem von der moslemischen Weltbevölkerung von mehr als einer Milliarde Menschen abhängt, ob der Durchmarsch des US-Imperialismus aufgehalten oder zumindest verzögert werden kann, wird erst noch begriffen und dann praktisch umgesetzt werden müssen.

      Die USA können, was die Verluste ihrer Streitkräfte angeht, diesen Krieg noch sehr lange verkraften. Vergleicht man die Zahl der Getöteten mit der durch den Straßenverkehr oder die Gewaltkriminalität, ist für die Mehrheit der Amerikaner der Irak nur ein Nebenschauplatz des Sterbens. In Vietnam starben über 58 000 US-Soldaten, im Irak im Verlauf des ersten Kriegsjahres noch nicht einmal 700. Falls sich das jetzige Niveau des bewaffneten Widerstands stabilisiert, würden die US-Truppen im laufenden Jahr vielleicht bis zu 2 000 Mann verlieren. Allerdings würden die irakischen Verluste mindestens das Zehnfache betragen. Seit Vietnam ist die militärische Aufstandsbekämpfung der USA sehr viel effektiver und präziser geworden. Ihre Chancen, die Gegenseite an der Aufrechterhaltung der derzeitigen Situation – mit offen agierenden, zahlenstarken Milizverbänden – zu hindern, sind groß.

      Eher als die Verluste ihrer Truppen könnten den Amerikanern die gigantischen Kosten ihrer Kriegführung – derzeit zusammen rund fünf Milliarden Dollar monatlich im Irak und Afghanistan, mit steigender Tendenz – zu denken geben. Aber nicht einmal darauf sollte man große Hoffnungen setzen.


      Irak-Krieg bis zum »Sieg«

      Die tatsächliche Analogie zwischen Vietnam damals und Irak heute besteht darin, daß die große Mehrheit der politisch und wirtschaftlich maßgeblichen Kräfte Amerikas sich absolut darin einig ist, dieses Land auf gar keinen Fall »geschlagen« zu verlassen, sondern den Krieg mit allen verfügbaren Mitteln und Methoden bis zum »Sieg« fortzusetzen. Je mehr man sich auf diese Position versteift, statt den Fehler zu korrigieren, umso höher wird der politisch-moralische Preis, den man beim Abbruch des Krieges zahlen müßte, also setzt man den Krieg nicht nur fort, sondern eskaliert ihn, um doch noch zum »Erfolg« zu kommen.

      Im Falle Vietnams zerbrach irgendwann der Konsens, aber von diesem Stadium scheint der Irak-Krieg noch weit entfernt. Zwei Kommentare aus den größten liberalen Tageszeitungen der USA, der New York Times und der Washington Post, zeigen beispielhaft, wie die »geistige Elite« des Landes gegenwärtig mit der sich verschlechternden Situation der US-amerikanischen Besatzung im Irak umgeht.

      Kolumnist Thomas Friedman stellte am 8. April in der Times die verblüffende Frage: »Gibt es überhaupt Iraker im Irak?« Gemeint war in Wirklichkeit: »Unterstützt uns von der irakischen Bevölkerung denn überhaupt niemand mehr?« »Iraker« nach dem Verständnis von Thomas Friedman müßten sich dadurch auszeichnen, daß sie sich als gehorsame Hilfstruppe der US-Armee im Krieg gegen ihre eigenen Landsleute verheizen lassen oder als Beamte der Marionettenverwaltung den Willen der Besatzungsmacht vollstrecken. So gesehen laufen den Amerikanern die »Iraker« tatsächlich mehr und mehr davon. Friedman kann das nicht verstehen, da »alle Meinungsumfragen«, jedenfalls so wie er sie interpretiert, angeblich beweisen, daß die große Mehrheit der irakischen Bevölkerung die Besatzungsherrschaft begrüßt und mit dem Widerstand nichts zu tun haben will. Warum tut »die schweigende Mehrheit« trotzdem nichts, um die US-Soldaten zu unterstützen? Friedman kann sich das nur damit erklären, daß sie nach den Jahrzehnten der Herrschaft Saddam Husseins vollkommen demoralisiert ist. Da er andererseits absolut überzeugt ist, daß der Besatzungskrieg im Irak bis zur Vernichtung der »bad guys«, also jeder Form von Widerstand und Aufsässigkeit, fortgesetzt werden muß, bleibt ihm nur der wenig aussichtsreiche Appell, mehr NATO-Staaten für die Entsendung von Truppen zu gewinnen.

      Colbert I. King empörte sich am 17. April in einem Kommentar für die Washington Post über die Einsatzverweigerung der irakischen Polizei- und Armeekräfte. Außer fehlender Loyalität (mit den USA!) wirft er ihnen auch noch »Mangel an Mut« vor. Und er stellt die Frage, die ähnlich auch schon eine Generation arroganter und stupider US-amerikanischer Intellektueller während des Vietnamkriegs stellte: »Wenn die Iraker nicht bereit sind, gegen irakische und andere arabische Aufständische Front zu machen, warum sollten dann Amerikaner für sie kämpfen und sterben?« Friedman formuliert den gleichen Gedanken so: »Wir können uns nicht stärker für einen anständigen Irak einsetzen als die schweigende Mehrheit der Iraker.«

      Beide Kommentatoren meinen damit aber keineswegs: »Was haben wir überhaupt im Irak verloren, wenn uns dort offenbar niemand will?« – Abzug der Truppen ohne Sieg kommt ihrer Ansicht nach nicht in Frage, und so drücken beide nur ein Gefühl des Mißfallens über die Undankbarkeit der Iraker aus. Mangelnde Dankbarkeit und Loyalität der Einheimischen, das weiß man seit Vietnam, rechtfertigen rücksichtsloses Vorgehen der amerikanischen Streitkräfte.


      Freibrief für Scharon

      Die Verschärfung der militärischen Konfrontation im Irak fällt zeitlich mit einer noch stärkeren Unterstützung der US-Regierung für den Besatzungsterror Scharons gegen die Palästinenser zusammen. Beide Schauplätze ähneln sich immer mehr und verschmelzen in der Wahrnehmung der Betroffenen miteinander. Die Bilder, die das Fernsehen in arabische Wohnungen bringt, unterscheiden sich nicht mehr voneinander. Die Amerikaner sagen ganz offen, daß sie die seit 40 Jahren praktizierten Methoden Israels kopieren. In Wirklichkeit übertreffen sie diese sogar noch, wie die 600 Toten in der ersten Woche der Belagerung von Falludscha zeigen.

      Der vom israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon angekündigte »Rückzug« aus dem Gazastreifen soll das Gebiet in ein großes Gefängnis verwandeln, wie der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat kritisierte. Die Unterstützung von Präsident Bush für diesen Schachzug »wirft uns mindestens 50 Jahre zurück«. Israel wird alle Verkehrswege in das Gebiet, das nur halb so groß ist wie der Stadtstaat Hamburg und mit 1,2 Millionen Einwohnern die höchste Siedlungsdichte der Welt aufweist, unter Kontrolle behalten. Gaza wird über keine eigenen Außengrenzen verfügen: Israel riegelt Gazas Mittelmeerküste ebenso ab wie Gazas Südgrenze mit Ägypten. Die Ein- und Ausreise, ebenso wie der Außenhandel, wird ausschließlich von Israel geregelt. Die 7 500 jüdischen Siedler sollen bis Ende 2005 den Gazastreifen verlassen, aber die israelische Armee wird dort, vermutlich sogar noch häufiger als jetzt, jederzeit nach Belieben Operationen durchführen und Palästinenser ermorden. Es ist dafür keinerlei zeitliche Begrenzung vorgesehen.

      »Dieser Plan erlaubt es uns, ohne Einschränkungen gegen den Terror vorzugehen«, hob Scharon hervor. Der israelischen Zeitung Ma’ariw sagte er: »In unserem einseitigen Plan gibt es keinen palästinensischen Staat. Diese Situation kann viele Jahre fortbestehen. (...) Wenn man Gebiete und Gemeinden auf der Westbank einzäunt, beendet man eine Menge Träume. (...) Mein Plan ist hart für die Palästinenser. Ein tödlicher Stoß.«

      In seiner beim Treffen mit US-Präsident Bush veröffentlichten schriftlichen Erklärung begründet Scharon den einseitigen Schritt ausdrücklich damit, daß es gegenwärtig auf palästinensischer Seite keinen Verhandlungspartner gäbe. Der israelische Plan ist ganz offensichtlich das Ende von Bushs »Roadmap«. Scharon hat dennoch erreicht, daß die USA nicht nur sein Vorgehen unterstützen, sondern er für den definitiven Abbruch der palästinensisch-israelischen Friedensverhandlungen auch noch »Belohnungen« garantiert bekam.

      Der Hauptpunkt dabei ist die US-amerikanische Unterstützung für die offene Annexion von wesentlichen Teilen des Westjordanlands. In der schriftlichen Erklärung des US-Präsidenten heißt es: »Im Licht der neuen Realitäten, einschließlich der schon existierenden großen israelischen Bevölkerungszentren, ist es unrealistisch, eine vollständige Rückkehr zu den Waffenstillstandslinien von 1949 (also der Grenzen bis zum Junikrieg 1967) zu erwarten.« Jede endgültige Verhandlungslösung müsse »auf gegenseitig vereinbarten Veränderungen beruhen, die diesen Realitäten entsprechen«.

      Bushs Stellungnahme enthielt außerdem, wie Scharon es gefordert hatte, erstmals eine klare Absage an das palästinensische »Recht auf Rückkehr«: Flüchtlinge sollten im Gazastreifen und auf der Westbank angesiedelt werden, aber nicht in Israel.

      Nicht nur die palästinensische Regierung äußerte sich über diese Positionierung des US-Präsidenten schockiert, sondern auch die arabische Staatengemeinschaft. Ein Sprecher der Arabischen Liga sagte: »Wir erwarten von den USA, daß sie sich als ehrlicher Vermittler betätigen. Wir haben ihnen früher vorgeworfen, unausgewogen zu sein. Jetzt aber müssen wir sogar sagen, daß die Vereinigten Staaten Israels Position übernommen haben.«

      US-Außenminister Colin Powell mußte es übernehmen, gegenüber den arabischen Staaten »beruhigende« Erklärungen abzugeben. Bush habe mit seiner Stellungnahme nicht das Ergebnis von Verhandlungen vorweggenommen, er habe sich auch nicht gegen das »Recht auf Rückkehr« ausgesprochen.

      In einem beispiellosen diplomatischen Affront verkündete daraufhin der israelische Minister Gideon Ezra, der Scharons Likud-Partei angehört, die beschwichtigenden Interpretationen Powells gäben nicht die Standpunkte von Bush selbst wieder. Die US-Regierung nahm diese Ohrfeige widerspruchslos hin und demonstrierte damit, wie wenig ihr überhaupt daran liegt, in der arabischen Welt nicht den letzten Rest von Glaubwürdigkeit und Achtung zu verlieren.

      Wenige Tage später ließ Scharon den Hamas-Führer Abdel-Asis Rantisi ermorden. Mit Unterstützung und Zustimmung von Bush, wie in der gesamten arabischen Welt selbstverständlich aus dem Ablauf und Kontext der Ereignisse geschlußfolgert wurde.


      »Vorwärtsstrategie der Freiheit«

      Die US-amerikanische Besatzungspolitik im Irak, zusammen mit der Übernahme von Scharons Vorgehen gegen die Palästinenser, versetzt der »Greater Middle East Initiative« der US-Regierung den Todesstoß.

      Die bisherige Planung der USA sieht vor, daß im Juni auf mehreren Konferenzen – beginnend mit dem G-8-Gipfel, gefolgt von einem europäisch-amerikanischen Gipfeltreffen und einer NATO-Konferenz – über eine gemeinsame »Initiative« gesprochen werden soll, die angeblich der wirtschaftlichen Förderung und der Demokratisierung eines Großraums dienen soll, der Nordafrika, den Nahen Osten sowie Iran und Afghanistan umfaßt. Am 30. Juni soll dann die feierliche Übergabe der »Macht« im Irak an die von den Amerikanern selbst ausgesuchte und eingesetzte »Übergangsregierung« erfolgen.

      Dieses Ensemble von Ereignissen sollte Bush helfen, rechtzeitig vor der im November anstehenden Präsidentenwahl den Eindruck zu produzieren, die Entwicklung im Irak sei zuverlässig auf dem richtigen Weg, und die US-Regierung sei überdies dabei, mit einer großartigen Vision in der moslemischen, insbesondere der arabischen Welt verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und sich an die Spitze der Entwicklung zu stellen.

      Von all dem kann nach den Vorgängen der letzten zwei Wochen weniger denn je die Rede sein. Selbst wenn die USA wirklich daran festhalten, pünktlich am 30. Juni im Irak »die Macht zu übergeben« – die in Wirklichkeit auf jeden Fall weiterhin bei den Besatzungstruppen liegt – würde sich dieses Ereignis vor einem Hintergrund abspielen, der keinerlei Illusionen mehr zuläßt. Auch die Konferenzen über die »Greater Middle East Initiative« werden nicht darüber hinwegtäuschen können, sondern im Gegenteil erneut offenbaren, daß Ansehen und Glaubwürdigkeit der amerikanischen Politik besonders in den arabischen Staaten immer weiter gegen null sinken.

      Die unverwüstliche amerikanische Heilsbringerpose – »Liberty and Peace are coming to the Middle East«, wie Außenminister Powell im November vorigen Jahres verkündete – steht in völligem Gegensatz zu den Realitäten. Schlimmer noch: Es scheint nicht nur der US-Regierung, sondern auch großen Teilen der »politischen Klasse« der USA zunehmend gleichgültig, ob ihnen überhaupt noch irgend jemand auf der Welt zuhört und glaubt. Wenn die amerikanische Politik auf Mißtrauen und Ablehnung stößt, dann ihrer Meinung nach nur, weil die Welt den Amerikanern ihren beispiellosen Erfolg nicht gönnt und ihre einzigartigen Werte nicht akzeptiert.

      Die von Präsident Bush im November 2003 ausgerufene »Vorwärtsstrategie der Freiheit« im Nahen und Mittleren Osten leidet allerdings, unabhängig von den aktuellen Entwicklungen, an einem grundsätzlichen Fehler: Die US-Regierung kann noch so oft versichern, daß sie den betroffenen Völkern nichts aufzwingen will, sondern Reformen nur von innen heraus durchgesetzt werden könnten. Tatsache ist aber, daß die USA zwei Länder dieses Großraums jetzt schon militärisch besetzt halten und daß auch die israelische Besetzung der Palästinensergebiete sich zunehmend als Gemeinschaftsunternehmen mit den USA darstellt. Zwei weitere Staaten der Region, Syrien und Iran, sind permanenten militärischen Drohungen der USA und Israels ausgesetzt. Einiges spricht dafür, daß zumindest eines dieser beiden Länder heute schon unter amerikanischer Besatzung stünde, wenn der Widerstand im Irak sich nicht so stark entwickelt hätte.

      Sei es nun Ungeschicklichkeit bzw. mangelnde Sensibilität oder einfach nur die Dreistigkeit der stärksten Militärmacht der Welt – US-Politiker stellen den Zusammenhang zwischen »Demokratisierung« und Krieg selbst her. Außenminister Powell beispielsweise erklärte am 10. November vorigen Jahres: »Wir wollen den nahöstlichen Nationen und anderen helfen, zu gedeihen, unabhängig und frei zu werden, genau so, wie wir es mit dem Irak und mit Afghanistan tun.«

      Von der internationalen Öffentlichkeit nicht registriert, hat Präsident Bush im November vorigen Jahres eine weitere »Doktrin« verkündet. Auf einer Veranstaltung des National Endowment for Democracy, einem Propagandazentrum der sogenannten Neokonservativen, sagte Bush: Solange der Nahe Osten ein Ort bleibt, wo die Freiheit nicht blüht, wird er ein Platz der Stagnation, des Vorurteils und der zum Export bereiten Gewalt bleiben. Und angesichts der Verbreitung von Waffen, die unserem Land und unseren Freunden katastrophalen Schaden zufügen können, wäre es verantwortungslos, den Status quo zu akzeptieren.«

      Gemäß dieser Doktrin sind die USA grundsätzlich legitimiert, in allen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens den Status quo zu verändern. Nötigenfalls, sollte man ihren Forderungen nicht nachkommen, auch durch militärische Aggression. Politische Glaubwürdigkeit spielt dabei keine erhebliche Rolle mehr. Was zulässig und möglich ist, entscheiden nur noch die verfügbaren Streitkräfte. Aber die sind zum Glück letztlich doch nicht unbegrenzt.

      http://www.jungewelt.de/2004/04-20/003.php
      Avatar
      schrieb am 19.04.04 20:52:10
      Beitrag Nr. 1.579 ()
      Inland


      Infineon zeigt des Pudels Kern

      IG Metall: Münchner Chiphersteller will im Werk Dresden 700 Stellen in Leiharbeitsplätze umwandeln


      Es jubelt von allen Seiten: Ein »Silicon Saxony« sei im Entstehen. Dem gleichnamigen Verein gehören inzwischen mehr als 130 Firmen der Halbleiterbranche an, die sich in der Region Dresden angesiedelt haben und zusammen rund 16 000 Mitarbeiter beschäftigen. Zu den Großen im Verein gehört auch in Dresden der Münchner Chiphersteller Infineon. Nach Unternehmensangaben sind in der sächsischen Landeshauptstadt 5 400 Menschen aus 33 Ländern beschäftigt. Etwa 80 Prozent der Belegschaft sollen aus der Region kommen. Infineon Technologies Dresden wurde 1999 als Nachfolger des 1994 gegründeten Siemens Microelectronic Center Dresden gegründet, dessen massiv mit öffentlichen Mitteln geförderte erste Fabrik 1995 in Betrieb ging.

      Doch trotz wachsender Umsätze will Infineon offenbar in erheblichem Umfang festangestellte Beschäftigte durch Leiharbeiter ersetzen. Nach Informationen der IG Metall will das Unternehmen im Werk Dresden in den kommenden drei Jahren rund 700 auslaufende befristete Arbeitsverträge in Leiharbeitsplätze umwandeln. Die Beschäftigten würden dann für die gleiche Arbeit lediglich rund die Hälfte des vorherigen Gehalts bekommen, teilte die IG Metall am Montag mit.

      Ein Infineon-Sprecher bestätigte auf Anfrage, daß es Überlegungen »in dieser Richtung« gebe, um flexibler auf Konjunkturschwankungen reagieren zu können. Die Gespräche mit dem Betriebsrat befänden sich noch in einem sehr frühen Stadium, es seien noch keine Entscheidungen gefallen, sagte der Sprecher. Laut IG Metall wird auf Seiten von Infineon darüber nachgedacht, die Lohndifferenz nach der Umwandlung in Leiharbeitsplätze durch Prämienzahlungen zu mildern. Details dazu seien jedoch noch nicht bekannt.

      »Die Firma will mehr von ihrem Risiko auf die Mitarbeiter und die Leiharbeitsfirmen abwälzen«, sagte die stellvertretende Betriebsratvorsitzende des Chipwerkes in Dresden, Kerstin Schulzendorf. Infineon begründe die Umwandlungspläne auch mit der Sicherung von Arbeitsplätzen. Der Betriebsrat halte diese Argumente jedoch für überzogen und fordere Verhandlungen, betonte die Gewerkschafterin.

      Daß derartige Pläne in der einen oder anderen Form umgesetzt werden, ist kaum zu bezweifeln. Am konkreten Beispiel zeigt sich einmal mehr, was der eigentliche Zweck der Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln für die Annahme jeglicher Arbeit und der staatlichen Förderung der sogenannten Personal Service Agenturen ist: die Durchsetzung von Lohndumping auf breiter Front.

      (ddp/jW)

      http://www.jungewelt.de/2004/04-20/013.php
      Avatar
      schrieb am 20.04.04 18:31:25
      Beitrag Nr. 1.580 ()
      Hi Bluemoons,

      kannst Du mal wieder posten von / Quelle angeben von,

      den Kommentaren, die Du sonst oft von Weiss, Bonner, Steffens, Wiggin, Fry ... gepostet hast?

      Wuerde mich interessieren, was die z.Z. so schreiben.

      Waere super,
      gruss,
      mh
      Avatar
      schrieb am 20.04.04 18:54:13
      Beitrag Nr. 1.581 ()
      hallo M.Haze

      diese Beiträge lese ich auch sehr gerne.Immer so ab 18Uhr http://www.investor-verlag.de/

      nilrem
      Avatar
      schrieb am 20.04.04 19:29:34
      Beitrag Nr. 1.582 ()
      danke nilrem,

      unter www.dailyreckoning.com/

      - hab ich gerad gefunden, kann man auch taegliche Beitraege der Truppe finden.

      mh
      Avatar
      schrieb am 21.04.04 14:14:42
      Beitrag Nr. 1.583 ()
      Rürup: Bis zu 200 Euro Kopfpauschale


      Bald die nächste Reform? Gesundheitswesen (Foto: dpa)
      Nach der Reform ist vor der Reform: Der Ärger über Praxisgebühr, Zuzahlungen und höhere Beiträge für Rentner ist kaum verraucht, schon denken Politiker und Experten darüber nach, das Gesundheitssystem grundlegend umzukrempeln. Über das "Wie" herrscht Streit - Rentenexperte Bert Rürup aber arbeitet an einem möglichen Kompromiss.


      Gesundheitsreform Das hat sich geändert
      Zahlt der Patient die Zeche? Diskutieren Sie mit!


      200 Euro Kopfprämie
      Wie der "Stern" berichtet, entwickelt der Darmstädter Professor ein Modell, das eine Kombination aus einkommensunabhängigem Festbetrag und prozentualem Beitrag vorsieht. Rürup sagte dem Magazin, er denke an eine Kopfprämie zwischen 170 und 200 Euro sowie ein bis drei Prozent Beitrag. Er wolle das Modell am 15. Juli gemeinsam mit seinem

      Mannheimer Kollegen Eberhard Wille, Vorsitzender des Sachverständigenrates für das Gesundheitswesen, offiziell vorstellen.



      Sozialer Ausgleich für Geringverdiener
      Das neue System würde den sozialen Ausgleich für Niedrigverdiener vollständig selbst finanzieren, ohne dass der Staat Steuerzuschüsse in Milliardenhöhe aufbringen müsste, erklärte Rürup. Hintergrund: Die CDU plädiert für eine einheitliche Kopfpauschale von 200 Euro je Versichertem. Der soziale Ausgleich für Geringverdiener soll dabei aus Steuermitteln kommen. Wie das finanziert werden soll, ist allerdings unklar. Zudem halten die Schwesterpartei CSU wie auch die Regierung die Kopfpauschale für sozial unausgewogen, weil etwa ein Abteilungsleiter gleich viel für die Krankenkasse zahlen würde wie eine Supermarkt-Kassiererin.


      Rürup oder Herzog Was die Kommissionen vorschlagen
      Hintergrund Kopfpauschale und Bürgerversicherung
      Deutsches Gesundheitssystem Besser als sein Ruf


      Arbeitgeber-Anteil geht an Arbeitnehmer
      Der bisherige Arbeitgeber-Beitrag zur Krankenversicherung würde mit dem Lohn oder Gehalt an die Arbeitnehmer ausgezahlt und dann normal besteuert. Dadurch nähme der Staat rund 18 Milliarden Euro ein, die laut Rürup als Bundeszuschuss an die gesetzlichen Krankenversicherungen zu überweisen wären. Der prozentuale Beitrag soll den Rest des für den Sozialausgleichs notwendigen Betrags decken.


      Positive Reaktionen

      CSU-Sozialexperte Horst Seehofer (Foto: ddp)
      CSU-Gesundheitspolitiker Horst Seehofer sagte im "Stern", Rürup biege damit "auf die Straße der Vernunft" ein. Sein Modell könne künftig für alle gelten, die neu in den Beruf eintreten, auch für Beamte und Selbstständige. Es biete damit sogar "die Chance zu einer parteiübergreifenden Lösung", einem Kompromiss mit der Bürgerversicherung von SPD und Grünen. Positive Reaktionen kamen auch von CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer: "Wir können jedes Modell einer Prämienlösung mittragen, das eine Abkoppelung von den Arbeitskosten bringt." CDU-Gesundheitsexperte Andreas Storm nannte das Konzept "interessant".
      http://onnachrichten.t-online.de/c/18/76/42/1876424.html
      Avatar
      schrieb am 21.04.04 14:17:05
      Beitrag Nr. 1.584 ()
      Ökosteuer-Urteil: Schlappe für die Marktwirtschaft


      Das Bundesverfassungsgericht hat heute die Beschwerden mehrerer Kühlhausunternehmer und Spediteure abgewiesen und die Ökosteuer damit für verfassungsmäß erklärt. Die 1999 eingeführte Steuer stelle keine willkürliche Ungleichbehandlung dar und sei damit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG vereinbar. Dies ist eine schwere Niederlage für die Opposition und möglicherweise in der Folge auch für die Marktwirtschaft.

      Die Kläger hatten massive Wettbewerbsverzerrungen durch die höheren Energiepreise im Vergleich zum Ausland geltend gemacht. Die beiden klagenden Kühlhausbetreiber hatten zudem die einseitige Begünstigung des produzierenden Gewerbes durch einen ermäßigten Satz bei der Stromsteuer als grundgesetzwidrige Ungleichbehandlung gerügt. So müßten die Kühlhäuser den vollen Stromsteuersatz zahlen, während produzierende Unternehmer, z.B. der Lebensmittelbranche, die ihre eigenen Waren in eigenen Kühlhäusern lagerten, nur den ermäßigten Satz zahlen müßten. Das habe die gewerblichen Kühlhäuser durch fünffach (!) höhere Steuerlast in eine existenzbedrohende Situation gebracht.

      Interessant ist hier die Begründung der Richter. So enthalte das Grundgesetz keinen Anspruch auf wirtschaftlichen Erfolg - der Staat dürfe jederzeit durch Besteuerungsmaßnahmen auch einzelne Gewerbe zerstören. Zudem seien die offensichtlichen Ungleichbehandlungen durch die renten- und (vorgeblich!) umweltpolitische Lenkungsintention gedeckt. Ganz offensichtlich ist dies eine ziemlich weite Auslegung des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist zu fürchten, daß wir es insbesondere hinsichtlich der Frage der Ungleichbehandlung mit einem sehr regimetreuen Gericht zu tun haben. Auch daß der Staat nach Gutsherrenart einzelne Gewerbezweige kaputtmachen darf, weil es ihm gerade in den ökologistischen Plan paßt, wird den zahlreichen Arbeitnehmern, die durch diese Steuer ihren Job bereits verloren haben, schwer zu vermitteln sein. Es ist also zu befürchten, daß uns in dieser Hinsicht noch weitaus mehr grünt. Energierationierung und weiterer Arbeitsplatzverlust wurden ja bereits angekündigt.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 21.04.04 14:18:23
      Beitrag Nr. 1.585 ()
      Pläne zur Flugreisesteuer wieder aufgeflammt


      Nur einen einzigen Tag nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, daß die Ökosteuer trotz ihrer zum Teil drastischen Ungleichbehandlung verschiedener Unternehmer untereinander und im internationalen Wettbewerb nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoße, sind die im Prinzip alten Pläne zur Flugreisesteuer in einer Turbo-Version wieder aufgetaucht: Neben der Mineralölsteuer auf Keosin soll es nunmehr auch die Umsatzsteuer für Auslandsreisen sein.

      So sagte der Grünen-Verkehrsexperte Albert Schmidt der "Berliner Zeitung", daß hierdurch Gleichheit für alle Verkehrsträger hergestellt werden solle, denn Eisenbahnfahrkarten seien umsatzsteuerpflichtig, Flugtickets jedoch nicht; zudem sei ja auch der Sprit für Autos mineralölsteuerbelastet. Die Besteuerung von Flugreisen und die damit verbundene Restriktion der Mobilität ist schon lange ein Herzenswunsch der Grünen, denen es ein Dorn im Auge ist, daß man seit einiger Zeit sogar in Deutschland günstiger fliegen als mit der Bahn fahren kann.

      Der ideologische um nicht zu sagen verlogene Charakter dieses neuen Steuervorschlages ist unverkennbar. So kassiert die Bahn seit Jahren erhebliche Subventionen, die eigentlich erst gestrichen werden müßten, wollte man wirklich Chancengleichheit herstellen - und auch von der Ökosteuerbefreiung für die Bahn verlor Herr Schmidt natürlich kein Wort. Daß nur neue Be- und keine Entlastungen vorgeschlagen wurden zeigt unverkennbar, daß es in Wirklichkeit keinesfalls um Chancengleichheit der Verkehrsträger geht sondern darum, uns noch weitere Bürgerrechte zu nehmen. Umweltschutz ist wie immer ein Vorwand - zumal sich ja gerade auch die Grünen immer wieder kostenlose Bundeswehrflüge spendiert haben.

      Wenn also bald der Steueranteil beim Flugbenzin auch knapp 80% beträgt, wie es bei Superbenzin an der Tankstelle der Fall ist, dann kommt er also, der Einstieg in den Ausstieg aus dem Sommerurlaub. Das hat man uns freilich schon im Wahlkampf 1998 angekündigt, wo es keiner wahrhaben wollte. Totalitäre Regime kündigen häufig ihre menschenfeindlichen Pläne an, die um so weniger geglaubt werden je extremer sie sind. Der alte Mechanismus greift hier wieder: wer aus der Geschichte nichts lernt ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 21.04.04 14:27:26
      Beitrag Nr. 1.586 ()
      Avatar
      schrieb am 21.04.04 14:29:15
      Beitrag Nr. 1.587 ()
      Die Gier der Bosse
      Bombastische Managergehälter - sind Wirtschaftskapitäne ihr Geld wert?

      | Di 20.04.04|21:55




      David gegen Goliath

      Berlin, Flughafen Tegel am 7. April. Der Aktionärsschützer Jörg Pluta ist aus München angereist, um mit einem der mächtigsten deutschen Manager abzurechnen - mit Jürgen Schrempp, Nummer eins bei Daimler-Chrysler. Pluta wird den Boss zum Rücktritt auffordern. Weil Schrempp seiner Meinung nach gnadenlos versagt hat.

      Riesengehälter

      Jürgen Schrempp war einmal der Superstar der Autobranche. Sein derzeitiges Jahresgehalt schätzen Experten auf rund 11 Millionen Euro. Im harten Kontrast dazu steht der momentane Aktienwert des Konzerns. Die Bilanz von Daimler-Chrysler könnte mieser nicht sein. Schrempps Streben nach der Auto-Welt-AG ließ die Aktie um über 50 Prozent abstürzen.

      "Im Verhältnis zu dem, was das Unternehmen als Ergebnis ausweist, ist das Gehalt eindeutig zu hoch", sagt Aktionärsschützer Pluta. Und: "Es ist mit dem Vorwurf der Selbstbedienung und der Geldgier zu beschreiben."

      Unzufriedene Aktionäre

      Auf der Daimler-Hauptversammlung denken die meisten so. Kleinaktionäre stehen zusammen und diskutieren. Sie haben viel Geld verloren, das auch für die Altersvorsorge gedacht war. "Schrempp - das ist eine ganz große Nullnummer", macht sich einer der Anleger Luft. "Seit drei, vier Jahren erzählt er irgendwelche Geschichten, die hinterher aber nicht zutreffen." Ein anderer sieht den Zeitpunkt zur Aufruhr gekommen: "Die Revolution der Aktionäre ist gefordert."

      Trotz ungelöster Probleme im Konzern, trotz Wirtschaftskrise: Schrempps Gehalt soll astronomisch hoch bleiben. Alles ausgemachte Sache. Pfiffe und Buhrufe schallen durch den Saal, als Aufsichtsratschef Kopper verkündet, die Bezüge der Vorstände würden weiterhin geheim bleiben. Die Aktionäre fühlen sich verschaukelt.

      Selbst die Wirtschaftsspitze protestiert

      Bereits vor der Daimler-Hauptversammlung wurde selbst von der Wirtschaftsspitze allgemein eine Dreistigkeit bei Vergütungen kritisiert. Industriepräsident Rogowski fordert: "Vorstandsgehälter à la carte darf es nicht geben." Und Arbeitgeberpräsident Hundt bemängelt: "Überzogene Managervergütungen."

      Sozialer Frieden in Gefahr

      Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Rudolf Hickel sieht in der mangelnden Moral der Manager eine Bedrohung des sozialen Friedens in Deutschland: "Dies ist ein Widerspruch, den auf Dauer das System nicht aushält - diese hohen gigantischen Managergehälter auf der einen Seite, und Sozialabbau und Lohnreduktion auf der anderen Seite."

      Noch ein Supergehalt

      Anderes Beispiel: Deutsche-Bank-Chef Ackermann. Verdienst pro Jahr: Elf Millionen Euro. Ein Kassierer seines Geldhauses müsste dafür 250 Jahre lang schuften. Die Kluft beim Gehalt zwischen Bossen und Fußvolk - in Deutschlands Spitzenunternehmen wurde sie in den vergangenen Jahren immer breiter. Zwischen 1997 und 2003, das hat die Unternehmensberatung Kienbaum errechnet, stiegen die Gehälter der Angestellten 30 DAX-Unternehmen um 15 Prozent; die ihrer Vorstände hingegen um über 80 Prozent. Für Wirtschaftswissenschaftler Hickel Ausdruck einer "Dschungelökonomie-Vorstellung", bei der sich Führungskräfte die Beute zusammensammeln würden. Beute, die eigentlich dem ganzen Unternehmen gehöre.

      Von Dirk Zblewski

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 20. April 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.


      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040420_2.html
      Avatar
      schrieb am 21.04.04 14:31:20
      Beitrag Nr. 1.588 ()
      Teurer Fehlschlag
      Disease-Management treibt Kosten in die Höhe

      | Di 20.04.04|21:55







      Der Vorsatz ist gut, das Prinzip leuchtet ein, die Praxis ist ernüchternd. Der Versuch der Bundesregierung, Mängel bei der Versorgung chronisch Kranker durch spezielle Therapien mit Disease-Management-Programmen auszugleichen, droht zu scheitern.

      Das Prinzip

      In den Programmen lernen Patienten beispielsweise, sich gesünder zu ernähren. Sie werden angehalten, ihre Medikamente regelmäßig zu nehmen. Das verursacht erst einmal höhere Kosten. Dafür erhalten die Kassen für jeden Versicherten, der sich in ein solches Programm einschreibt, viel Geld aus dem Risikostrukturausgleich. Langfristig sollen die Kosten für diese Behandlung chronisch Kranker gesenkt werden, da die Patienten insgesamt besser versorgt werden und gesünder leben.

      Die Praxis

      DMP kosten mehr als sie sparen. Das hat das Institut für Gesundheit und Sozialforschung (Iges) in Berlin ermittelt. Untersucht hat das Institut das Problem am Beispiel der Programme für Menschen mit altersbedingter Diabetes. Hier sind die größten Erfolge zu erwarten, wenn es gelingt, die Patienten zu einer gesünderen Lebensführung zu bewegen. Bei erfolgreicher Therapie sind nach der Iges-Studie Einsparungen von 120 Millionen Euro im Jahr zu erreichen. Allerdings seien die Kosten mit 260 Millionen Euro mehr als doppelt so hoch.

      Die Probleme

      Kassen, die besonders viele chronisch Kranke versichern, haben eigentlich einen Wettbewerbsnachteil. Der soll durch DMP ausgeglichen werden, indem die Kassen mit besonders vielen chronisch Kranken entsprechend mehr Geld aus dem Finanzausgleich erhalten. Doch das führt offenbar dazu, dass manche Kassen auch Patienten in die DMP aufnehmen, die dafür nicht geeignet sind.

      Auch die Ärzte treiben die Kosten hoch. Da auch sie zusätzliches Honorar für jeden DMP-Patienten erhalten, so die Iges-Studie, sei für sie der Anreiz hoch, mehr Patienten in die Programme aufzunehmen, als es medizinisch sinnvoll ist. Zudem ist die Dokumentation dieser Arbeit mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden.

      Der Ausblick

      Experten fordern, dass das System der Disease-Management-Programme vom Gießkannenprinzip befreit werden muss: Statt grundsätzlich jeden chronisch Kranken in das System einzubinden, solle geprüft werden, ob die aufwändigen Behandlungen auch tatsächlich einen Erfolg bringen können. Nach Ansicht der Experten der Igesa-Studie können von 2,7 Millionen Diabetikern nur 330.000 Patienten von Disease-Management-Programmen profitieren. Die anderen werden heute schon richtig behandelt.

      Von Franz Jägeler

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 20. April 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.


      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040420_1.html
      Avatar
      schrieb am 21.04.04 14:38:01
      Beitrag Nr. 1.589 ()
      Kostendruck aus dem Ausland
      Der Wettbewerb der Autobauer

      | Di 20.04.04|21:55





      Der Automobil-Standort Deutschland geht schlecht gerüstet in die EU- Erweiterung. Das ist das Ergebnis der jüngst veröffentlichten Studie von Prof. Ferdinand Dudenhöffer vom Center for Automotive Research (CAR) an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Im vergangenen Jahr hätten deutsche Autobauer schon 45 Prozent der Autos im Ausland produzieren lassen. Dieser Trend gehe weiter und sorge für noch stärkere Abwanderung von Arbeitsplätzen in den Osten, so Dudenhöffer.

      Verlagerung oder Pleite

      Im harten Geschäft des Automobilbaus sind die Verlockungen des wilden Ostens besonders groß: Niedrige Gewinnsteuern, Subventionen, geringe Löhne und flexible Arbeitszeiten, damit locken Länder wie Polen, die Slowakei, Ungarn oder Rumänien. Bei einem Personalkostenanteil von 25 Prozent gilt, so Dudenhöffer: Wer nicht verlagert, geht irgendwann pleite. Der Grund: eine Arbeitsstunde koste in Westdeutschland inklusive Zusatzkosten 28,50 Euro, in Ostdeutschland 16,50 Euro. In Polen dann nur noch 5,40 Euro, in Rumänien koste die Stunde gar nur 1,70 Euro. Würde man bspw. ein Auto nur in Tschechien produzieren, dann wäre es rund 25 Prozent billiger als ein vergleichbares Auto, das nur in Deutschland produziert wird. Und Verbraucher sind nicht bereit, mehr für ein Auto zu zahlen, nur damit es komplett "made in Germany" ist. Zieht also die Karawane immer weiter und weiter Richtung Osten?

      In den Ländern, die derzeit von der Wanderbewegung profitieren, macht man sich jedenfalls schon jetzt Gedanken. Pavel Vacek, Leiter des Škoda-Motoren- und Getriebewerks in Mlada Boleslav (Tschechien) zu [plusminus: "Wir müssen schon jetzt damit rechen, dass in der Zukunft, in den nächsten 15 Jahren, wir ähnliche Probleme haben werden wie jetzt die westeuropäische Länder. Da sind andere, billigere Territorien und wir müssen uns auf unsere starke Positionen konzentrieren, damit wir auch in längerem Zeitabstand wettbewerbsfähig sind."

      Zulieferer an der Spitze der Karawane

      Der CAR-Studie zufolge begann die Abwanderungswelle aus Deutschland schon vor zehn Jahren. Dabei seien Zulieferer wie der Reifenhersteller Continental oder Kabelbaumproduzenten wie Dräxlmaier und Leoni aufgrund ihrer hohen Personalausgaben immer an der Spitze der Karawane zu finden. Die Zulieferer sind besonders wichtig für die Arbeitsplätze: Sie steuern rund drei Viertel zu einem Auto bei.

      Mittlerweile betreiben der CAR-Studie zufolge schon 40 Prozent der 1300 deutschen Zulieferbetriebe Werke in Ost- und Zentral-Europa. Damit seien bereits gut 100.000 Arbeitsplätze abgewandert. Die zuständige Gewerkschaft IG Metall bleibt optimistisch: Berthold Huber zu [plusminus: "Ich weigere mich zu akzeptieren, dass die Konkurrenz um Billiglöhne das einzig tragende Argument ist. Es muss andere Konzepte geben und die IG Metall hat andere Konzepte: Innovation, Qualität, Produktivität, das hat den Industrie-Standort Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten stark gemacht und das wird auch in Zukunft so bleiben."

      Doch auch an anderen Standorten ist man produktiv und leistet gute Arbeit. Das Škoda-Motoren- und Getriebewerk hat jüngst den internen VW Qualitätspreis gewonnen. Trotz der billigeren Produktion.

      Von Christoph Ulmer

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 20. April 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.


      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040420_5.html
      Avatar
      schrieb am 21.04.04 14:47:50
      Beitrag Nr. 1.590 ()
      Geht der Welt das Öl aus?

      Experten warnen vor einem Ende des Ölzeitalters
      In den jüngsten Wochen und Monaten ist der Ölpreis stark gestiegen. Experten äussern die Ansicht, dies sei vielleicht ein Vorgeschmack auf ein Zeitalter der Ölknappheit.


      Luzian caspar/Washington

      «Untergangspropheten», entrüsten sich Wallstreet-Analysten und Ökonomen. Prophezeiungen, dass der Welt das Öl ausgehe, habe es immer wieder gegeben. Aber die Öffentlichkeit ist, vielleicht wegen des Anstiegs der Benzinpreise, über die Energie-Zukunft zunehmend besorgt. Und in jüngster Zeit sind auffallend viele Bücher erschienen, die vor einem baldigen Ende des Ölzeitalters warnen*.

      Der Höhepunkt der weltweiten Ölproduktion, der «Hubbert`s Peak», werde vielleicht noch vor Ende des laufenden Jahrzehnts erreicht, glauben Experten wie Colin Campbell und Kenneth Deffeyes. Möglicherweise sei der Höhepunkt sogar bereits überschritten. Die Folgen seien bereits spürbar, schreibt Campbell: Eine der ersten sei der US-Einmarsch in Irak. Denn weil die USA bis 2020 zu 90% von importiertem Öl abhingen, sei der Zugang zu billigem Öl eine Priorität der amerikanischen Politik.

      Hubbert und die Glocke
      «Hubbert`s Peak» ist nach King Hubbert benannt, einem Ingenieur des Energiekonzerns Shell. Er sagte 1956 voraus, die US-Ölproduktion erreiche zu Beginn der 70er-Jahre ihren Höhepunkt und nehme dann rasch ab - was genau so geschah. Die meisten Experten zeigen sich einig, dass die Ölförderung eine Glocken-Kurve beschreibt: Wenn der Höhepunkt (Peak) erreicht ist, nimmt die Produktion rapide und immer schneller ab, bevor sie am Schluss sanft ausläuft. Der Höhepunkt wird im Allgemeinen dann erreicht, wenn etwa die Hälfte aller vorhandenen Ressourcen aufgebraucht sind. Wann ist der Höhepunkt der Ölförderung erreicht? Optimisten glauben, dass der kritische Punkt, an dem die Nachfrage die Produktionskapazität übersteigt, erst in 40 oder 50 Jahren eintreten wird, oder vielleicht sogar erst im nächsten Jahrhundert. «Wenn es ein Problem geben sollte, dann nicht wegen des vorausgesagten Kapazitätshöhepunkts, sondern aus politischen Gründen», sagt Daniel Yergin, Präsident der Firma Cambridge Energy Research Associates. Die US-Regierung publizierte im November 2002 eine Schätzung, die viele Kommentatoren zur Ansicht verleitet hat, das Öl werde noch mindestens 95 Jahre reichen. Aber diese Zahlen sind umstritten. In Wirklichkeit seien fast 90% aller Vorkommen, die je auf der Welt existierten, schon entdeckt, schreibt Campbell. Die US-Regierung beziffert die ultimativen Reserven auf 3900 Mrd. Fass, Campbell schätzt sie nur auf 1800 Mrd. Fass. Neu zu entdecken seien nur noch 200 Mrd Fass. Der jährliche Weltverbrauch beträgt heute 29 Mrd. Fass. Selbst wenn man 500 Mrd. zusätzlich fände, wird dies laut Campbell den Höhepunkt nur um zehn Jahre verzögern.

      Mehr verkaufen als entdecken
      Die Zahlen über die bereits nachgewiesenen und mit heutiger Technologie wirtschaftlich ausbeutbaren Reserven (siehe Tabelle) sind ebenfalls unzuverlässig. Die Schätzungen der Produktionsländer sind oft politisch gefärbt. Im Fall der Mitglieder der Organisation der Erdöl exportierenden Länder (Opec) liegt dies daran, dass von diesen Zahlen ein Stück weit die Förderquote abhängt. Auch der jüngste Skandal um die Reserven von Royal Dutch/Shell (siehe Kasten) hat die Ungewissheiten in ein neues Licht gerückt. Bereits letzten Oktober schlugen Forscher der schwedischen Universität Uppsala Alarm. Die weltweiten Ölreserven würden weit überschätzt, heisst es im «Uppsala-Protokoll», und das Ende des Ölzeitalters sei viel näher als geglaubt. Die Ölkonzerne sind jedenfalls nervös. Auf zehn Fass Öl, die sie verkaufen, kommen im Mittel nur vier Fass, die sie neu entdecken. Seit 1983 wird jedes Jahr mehr Öl verbraucht als neu entdeckt. Der Höhepunkt der Öl-funde wurde bereits vor 1965 erreicht. Einzige Rettung scheint der Mittlere Osten zu sein: In Saudi-Arabien, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten ist der Höhepunkt noch etwa 20 Jahre entfernt. Die Ölkonzerne haben deshalb die US-Regierung seit langem bedrängt, ihnen besseren Zugang zum Mittleren Osten zu verschaffen. «Die Regierung Bush scheint sich dies zu Herzen genommen zu haben», schreibt Buchautor Paul Roberts.

      Neue billige Energiequellen
      Aber der Mittlere Osten ist inzwischen auch kein Dorado mehr. Seit jüngstem werden auch die arabischen Reserven ernsthaft angezweifelt. Zwar verfügt die arabische Halbinsel über gewaltige Reserven, aber ihre Ausbeutung wird offensichtlich immer schwieriger und teurer. Das grösste saudische Ölfeld «Ghawar», auf das über die Hälfte der nationalen Produktion entfällt, werde im Unterhalt immer teurer, sagen saudische Quellen. Ähnlich ist die Lage offensichtlich in Oman, wie die «New York Times» berichtete. Falls «Hubbert`s Peak» in ein paar Jahren erreicht werden sollte, oder wenn er bereits erreicht worden ist, dann bedeute dies nicht, dass der Welt das Öl ausgehe, betonen die Warner. Aber unausweichlich bedeute es das Ende des billigen Öls. Wirtschaftlich seien die Folgen fatal. In den letzten 30 Jahren haben die Industrieländer ihre Abhängigkeit vom Öl zwar ein Stück weit vermindert. Aber zumindest die US-Wirtschaft baut immer noch auf billiges Öl. «Es ist offenkundig, dass bis zum Ende des Jahrhunderts neue billige Energiequellen gefunden werden müssen, wenn wir unseren Lebensstandard aufrechterhalten wollen», schrieb vor kurzem der Forschungsdirektor der Federal Reserve Bank (Notenbank) in Atlanta. Veränderungen akzeptiere der Mensch erst, wenn er muss.

      * Bücher zum Thema

      Daniel Yergin, «Prize: The Epic Quest for Oil, Money and Power» (1993) Colin Campbell, «The Coming Oil Crisis» (1997; Paperback 2004) Kenneth Deffeyes, «Hubbert`s Peak» (2003) Stephen & Donna Leeb, «The Oil Factor» (2004) David Goodstein, «Out of Gas» (2004) Paul Roberts, «The End of Oil» (Publikation geplant April 2004)

      Erdöl-Reserven (Mrd. Fass) Mittlerer Osten 685,6 - Saudi-Arabien 261,8 - Irak 112,5 - Ver. Arabische Emirate 97,8 - Kuwait 96,5 - Iran 89,7 Südamerika 98,6 - Venezuela 77,8 Europa/Zentralasien 97,5 - Russland 60,0 - Norwegen 10,3 - Kasachstan 9,0 Afrika 77,4 - Libyen 29,5 - Nigeria 24,0 - Algerien 9,2 Nordamerika 49,9 - USA 30,4 - Mexiko 12,6 Asien/Pazifik 38,7 - China 18,3 Quelle: BP, 2003


      http://www.tagblatt.ch/wirtschaft.cfm?pass_id=900578&liste=9…
      Avatar
      schrieb am 28.04.04 16:44:39
      Beitrag Nr. 1.591 ()
      Avatar
      schrieb am 28.04.04 17:12:45
      Beitrag Nr. 1.592 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de


      Eine der Auswirkungen der "realistischen" Weltrevolution:

      25.04.2004
      DIESE WOCHE
      In dieser nachdenklichen Ausgabe überlegt der Spatz, was die Jugend und "die Alten" trennt, und was die Ursachen für diesen Konflikt sein könnten. Er denkt darüber nach, woher die gegenseitige Verachtung kommt, die so oft zu spüren ist, und was man daran ändern könnte: leise Töne zum Nachdenken!

      Die Jugend ist unsere Zukunft



      Pisa-Studie, Extremismus, Jugendgewalt, Straffälligkeit, Rauschgift, Ökologie, Fettleibigkeit, Psychopharmaka für Jugendliche, mangelnde Leistungsbereitschaft, Jugendkulte, Satanismus, Wertebewußtsein: Es gibt viele Gründe sich über unsere Zukunft und diejenigen, die sie aufgreifen und verwirklichen sollen, unsere Jugend, Sorgen zu machen. Viele denken dabei an ihre Renten und diejenigen, die den Gegenwert der Rentenzahlungen herstellen wollen/sollen, andere denken möglicherweise an ihr Lebenswerk, das ihnen wichtig war: Wer wird es weiter führen?

      Gesellschaftliche Fehlentwicklungen sind offensichtlich, doch wo liegen die Gründe, wo ist einzusetzen, um rechtzeitig gegenzusteuern? Sind die genannten Gründe auch die richtigen? Wer vorschnell offensichtliche Mißstände angreift, erkennt oft zu spät, daß er sich geirrt hat und - absichtlich fehltgeleitet oder nicht - die Sache nur schlimmer gemacht hat. Zum Beispiel können Eltern ihren Kindern schon frühzeitig Computer schenken wollen, damit sie ihn rechtzeitig beherrschen lernen, weil da die Zukunft liegen soll. Doch beherrschen ihre Kinder den Computer, wenn sie mit ihm spielen? Könnte es nicht auch sein, daß diejenigen, die die Programme geschrieben oder die Spiele programmiert haben, über ihre Kinder herrschen wollen und aus ihnen etwas machen, was sich Eltern kaum vorstellen konnten, daß verantwortliche Menschen so etwas aus Kindern machen könnten oder wollten - nicht nur gute Konsumenten sondern sogar Mörder? Vom Militärpsychologen, Oberstleutnant der US Armee Dr. D. Grossman, stammt u. a. das Buch mit dem Titel: "Hört auf, unseren Kindern das Töten beizubringen". Er meint es ernst.

      Bei der Frage über unsere Zukunft haben wir es zu erst mit Jugendlichen zu tun. Um auf sie einzuwirken, tun einige vorauseilende, grundsätzliche Gedanken not.

      1. Das wichtigste im Umgang mit Jugendlichen ist Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit. Jugendliche mögen vielleicht nicht gleich durchschauen, was Erwachsene von ihnen wollen, wenn sie ihnen dies oder das vorsetzen, vor allem, wenn sie dabei scheinbar auf die "Wünsche und Bedürfnisse" der Jugendlichen eingehen, aber sie haben ein gutes Gespür dafür, ob jemand es ehrlich (mit ihnen) meint und selbst hinter einer Sache steht, die er vertritt, oder nur nacherzählt, was man sagt, was sein sollte.

      Eine Show mag Jugendlichen kurzweilig gefallen, aber sie nehmen jedem Menschen, der vorgibt, Ernsthaftes mit ihnen zu besprechen, es furchtbar übel, wenn er nur eine Show abzieht, oder gar einen Türken baut. Erwachsene mit "Bla-bla", und käme es noch so ernsthaft, bedächtig oder gar scheinbar "wissenschaftlich" begründet daher, verlieren in Augen der Jugendlichen die Achtung und werden nicht mehr ernstgenommen. Für beide Seiten schlimm, wenn das schließlich Lehrer oder gar die eigenen Eltern betrifft.

      2. Kinder/Jugendliche wollen, wenn sie nicht verdorben worden sind, einmal ein erfülltes Leben leben. Was das sein soll, wissen sie nicht. Aber sie haben noch ein Gespür dafür (bis es ihnen von der sogenannten Realität ausgetrieben wird). Die Frage nach einem erfüllten Leben schwingt in jedem ihrer ernsthaften Interessen an Gegenständen (Technik, Wissenschaft, Kunst oder Sport usw.) mit, an Gegenständen von denen sie meinen, oder von denen man ihnen sagt, daß sie ein Leben ausfüllen oder wenigstens "bereichern" könnten. Sie sind jedem dankbar und unheimlich begeisterungsfähig, wenn man ihnen einen tragenden, weiterführenden Hinweis gibt.

      Doch wehe, wenn sich dieser als hohl oder gar verlogen erweisen sollte: In der Verachtung, die heutige Jugendliche in kaum verhohlener Weise Erwachsenen gegenüber zum Ausdruck bringen, zeigt sich neben der Propagandawirkung von Jugendkulturverkäufern auch und vielleicht sogar vor allem die Erfahrung der Jugendlichen mit erwachsenen Sprücheklopfern. Wer Kinder/Jugendliche erziehen will oder von Berufs wegen muß, sollte aus eigener Erfahrung wissen, was ein erfülltes Leben ist oder sein könnte. Ein Leben, das nur Geld verdient und sich dafür "Spaß" kaufen kann, ist es wohl noch nicht.

      3. Eigentlich wurde immer über die Jugend geklagt. Sie war selten so, wie es sich die Alten wünschten: Sie ist "unvernünftig" jedenfalls insoweit, als die Alten das Wort "vernünftig" zu verstehen meinen. Trotzdem waren die Alten meistens stolz auf ihre Jungen. Sie fanden dort den Elan und die Begeisterungsfähigkeit wieder, von denen sie merkten, daß sie bei ihnen selbst austrockneten. Sie freuten sich in der Regel in den Jungen etwas von ihrer Jugend wieder zu entdecken. Tun sie das noch?

      Eigentlich hatte schon jede Jugend etwas an den Alten auszusetzen. Sie waren zu stur, borniert, spießig. Alles war bei ihnen eingefahrenen, sie schienen nichts wagen zu wollen, ihre angebliche Erfahrung stellte sich allem Neuen in den Weg, was Jugendliche ausprobieren wollten. Trotzdem war die Jugend meistens auch dankbar und stolz auf ihre Alten, die etwas geschafft hatten, von dem aus sie weitermachen konnten. Tragende Fundamente weiß auch die Jugend zu schätzen, wenn sie tragen. Ist das noch so?

      4. "Alles dummes Zeug! Man darf die Jugend nicht über einen Kamm scheren". Es gibt keine Jugend, es gibt nur Jugendliche. Von denen hat jeder seine Probleme und seine guten Seiten, so wie wir alle auch. Jeder von ihnen muß eben seinen Weg finden etc. Mit einer solchen Aussage sind ungute Gefühle schnell vom Tisch gefegt, um wieder auf die Tagesordnung zurückzukommen. Doch sind damit die Probleme beseitigt, die wir heute, wie alle Generationen vor uns auch und doch anders haben, wenn wir über unsere Zukunft, die Jugend nachdenken?

      Wenn es die "marktwirtschaftliche, freiheitliche, demokratische Gesellschaft" auch anders sieht, aber ein Individuum ist eine Abstraktion. Es gibt kein Individuum an sich. Individuen entstehen, bilden sich. Es ist die jeweils herrschende Kultur, die das Denken, Wollen und Empfinden der Individuen (wenn auch jedes anders) prägt. Was für jeden einzelnen gilt, gilt natürlich viel mehr für die Jugend, weil sie gerade in der Aufbruchphase steckt, in der die Marschrouten festgelegt werden. Was ist das für ein Denken, Wollen und Empfinden, das unsere zeitgenössische Kultur in den nachwachsenden Generationen vorprägt?

      5. Unsere Vorfahren haben oft gebetet "Herr lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden". Unsere heutige Gesellschaft hält wenig vom Beten und schon gar nichts von diesem Gebet. Der Tod wird weitestmöglich verdrängt. Wir wissen natürlich auch, daß wir eines Tages abtreten und andere an unserer Stelle weiter machen werden. Aber werden sie das? Wenn sie das wollen, und wenn sie es können. Aber werden wir deshalb klug?

      Unsere Vorfahren wußten, wo die Jugend die Arbeit aufgreifen mußte, und was dazu erforderlich war, sie weiter zu führen. Unsere Vorfahren nahmen aktiv an der Gestaltung und Verbesserung ihrer Lebensumwelt teil. Sie hatten einen Hof, einen Handwerks- oder Gewerbebetrieb, sie nahmen eine notwendige Funktion in der Verwaltung oder Wissenschaft ein, die weitergeführt werden mußte, damit das Ganze weiterlief.

      Und wir? Wir haben in der Regel einen Arbeitsplatz, vor dem genug andere stehen, um ihn an unserer statt zu übernehmen. Wir haben Zweifel, ob dieser Arbeitsplatz noch sinnvoll ist, oder schon ein Ballast ist, der unnötige Kosten verursacht und wegrationalisiert werden sollte. Ob er zur Verbesserung der Lebenswelt beiträgt ist höchst fraglich? Und was wäre diese Lebenswelt? Gibt es sie als ein Ganzes, kennen wir es, sind wir an seiner Gestaltung noch beteiligt?

      Natürlich wissen wir, daß wir unser Brot nicht selber backen, daß es nur auf den Tisch kommt, wenn andere sähen, Backöfen und Ladeneinrichtungen bauen, für Strom sorgen undsoweiter - und schließlich leben wir nicht nur vom Brot. Vieles, alles muß im richtigen Verhältnis zusammenwirken, damit wir, jeder einzelne von uns überleben kann. Damit es weitergeht. Wer sorgt für das richtige Verhältnis, wer gibt die Richtung an, in der fortgeschritten werden muß oder könnte. Ist es nicht das geseufzte: "Es wird schon werden" oder der mit geschäftigem Imponiergehabe verkündete "Markt" - ein leeres Nichts.

      Früher besorgten das Landesherren. Man war ihnen dankbar, wenn es leidlich gut voran ging, böse, wenn Mißwirtschaft einriß. Heute wählen wir Politiker. Die erzählen uns dies und das, es geschieht aber etwas anderes. Wir werden informiert, die Medien erzählen uns dies und das, aber was wirklich an Wesentlichem geschieht, bleibt verschwommen. Fühlen wir uns von ihnen nicht genauso verschaukelt, wie die Jugendlichen von den Erwachsenen? Die meisten akzeptieren das hilflos, andere nicht. Ist das "Sich verschaukeln lassen", das, was wir ehrlicherweise Jugendlichen anbieten wollen, hätte es ihre Achtung verdient?

      Wie reagieren die meisten darauf? Mit "Spaß", auch wenn er meistens nicht spaßig ist, d.h., man macht dies oder das, das sich momentan für einen selbst irgendwie und nach irgendwelchen Kriterien auszahlt. Was insgesamt dabei herauskommt, bleibt ungewiß. Aber wir hoffen, daß die Rente mit einer heutigen Verhältnissen entsprechenden Kaufkraft ausbezahlt wird, ebenso hoffen Jugendliche schließlich auf einen Arbeitsplatz, dessen Lohn sie, wenn sie dann auch einmal erwachsen sein müssen, einigermaßen, möglichst gut unterhalten wird. Wüßten wir, was insgesamt dabei herauskommen soll, und könnten wir daran aktiv mitarbeiten, wären wir im Sinne unserer Väter "klug". Das "Bedenken, daß wir sterben müssen", würde wenigstens die Frage wachhalten und verhindern, daß sie im "Spaß" ersäuft wird.

      Man sieht, Jugend und Erwachsene sind sich gar nicht so weit entfernt. Das Generationenproblem ist, daß sie sich gegenseitig für etwas verantwortlich machen, wofür die Verantwortung zu übernehmen, sie dadurch gerade ablehnen. Vielleicht liegt hier der Grund dafür, daß die Generationen bei aller üblichen, "immer schon" dagewesenen Kritik aneinander, nicht mehr stolz auf einander sein können, daß die einen ihr schlechtes Gewissen blendet, die anderen ihre Enttäuschung wütend macht. Das Gegenteil davon aber wäre ein erfülltes Leben. Sie sehen, mit den Gegenständen, mit denen wir es hier zu tun haben, wird man nicht so leicht fertig, sie lassen sich auch nicht auf einen einfachen Nenner bringen (wir werden dazu demnächst eine Broschüre und auf einer CD eine Anzahl vieler Texte herausbringen). Doch eines ist für Erwachsene unabdingbar: Ehe sie sich von anderen eine Route vorgeben lassen, sollten sie selber eine Vorstellung davon haben, wo hin die Reise gehen sollte. Ohne das, sind sie genau das, was Jugendliche heute in der Regel von ihnen halten.
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      schrieb am 28.04.04 23:22:48
      Beitrag Nr. 1.593 ()
      Avatar
      schrieb am 30.04.04 16:08:04
      Beitrag Nr. 1.594 ()
      }EU-Verfassung: Plötzlich überall Volksabstimmungen - nur nicht in Deutschland?

      Nachdem Tony Blair am Dienstag vor dem Unterhaus in London ein Referendum über die EU-Verfassung in England angekündigt hat, fordern seit gestern plötzlich auch Liberale und Sozialisten eine solche Abstimmung in Frankreich. Das Beispiel hat also in nur einem einzigen Tag Schule gemacht - was Schlimmes ahnen läßt: sollte jetzt etwa wirklich das Volk über eine Verfassung entscheiden??

      In der Idee stecke ungeahnte politische Sprengkraft. So verlangen die Liberalen in England schon, die Volksabstimmung über die Verfassung mit einem zusätzlichen Referendum über den Verbleib in der EU zu verbinden. Das könnte freilich zu einem glatten Vertragsbruch ausarten, denn der EU-Vertrag kennt nur Eintritts-, nicht aber Austrittsbedingungen. Die EU hat keinen Rückwärtsgang - und doch haben die Liberalen das Undenkbare gedacht.

      Aber das Beste kommt zum Schluß, wie immer: Auch Dänemark, Irland und Luxemburg haben nämlich bereits angekündigt, Referenden abhalten zu wollen, mehrere weitere wie die Niederlande, Polen, Italien, Spanien und Portugal erwägen einen solchen Schritt. Da liegt die Frage förmlich mit Händen zu greifen in der Luft, wann die entsprechende Abstimmung in Deutschland stattfindet. Bundeskanzler Schröder schiebt derzeit die Plebiszitfeindlichkeit des Grundgesetzes vor und beruft sich darauf, daß Bundestag und Bundesrat jeweils mit Zweidrittel-Mehrheit zustimmen müßten. Daß das vorgeschoben ist, wissen alle: schließlich hat man aus gutem Grund das Volk, das einst Hitler gewählt hat, nicht über den Euro abstimmen lassen, denn dann wäre das Projekt gescheitert. Wie steht es aber mit der EU-Verfassung?

      Wenn Tony Blair wirklich eine Volksabstimmung durchzieht, und nicht nur aus innenpolitischen Gründen mit dem Gedanken spielt, ist das Risiko groß, ein schallendes "Nein!" zu ernten. Michael Howard, Chef der konservativen Opposition und Euroskeptiker, hat der Regierung Blair schon vorgeworfen, aus Angst vor dem wachsenden Widerstand gegen die EU die plötzliche die Kehrtwende hin zu einer Volksabstimmung vollzogen zu haben. Was aber, wovor die Kommission uns bewahren möge, wenn plötzlich aus mehreren Ländern die roten Karten in Brüssel eintrudeln? Könnte jetzt etwa dieser plötzliche Ausbruch von Demokratie der Union gefährlich werden?

      Wird ein undemokratisches Gebilde plötzlich doch von Volkes Wille eingeholt? Findet jetzt die Wende in der EU statt?

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 30.04.04 16:08:38
      Beitrag Nr. 1.595 ()
      Niedriglohnliste: Wird ein Billiglohnsektor schon klammheimlich vorbereitet?

      Obwohl die politische Kaste Diskussionen um Niedriglöhne mehr oder weniger standhaft unterdrückt, scheint dennoch Bewegung in die Debatte gekommen zu sein. Glaubt man den Medien, soll inzwischen eine vom Bundesminister der Wirtschaft aufgestellte 35 Seiten lange Liste mit 670 Niedriglohnjobs vorhanden sein. Sind das die Berufe, die in der Sonderwirtschaftszone staatlich subventioniert werden sollen?

      Trauriger Spitzenreiter ist ein kaufmännischer Angestellter ohne Berufsausbildung in Sachsen, der satte 2,74 Euro pro Stunde erhält, wahrlich ein fürstliches Gehalt und angeblich sogar noch nach Tarifvertrag. Eine Gärtnerei-Verkäuferin soll ganze 3,95 Euro pro Stunde verdienen und eine Friseuse in Thüringen für gerade mal 3,18 Euro pro Stunde Haare schneiden.

      Mehrere mögliche Zukunftsszenarien sind denkbar, alle gleichermaßen erschreckend. So steht bekanntlich an diesem Wochenende die Osterweiterung der EU auf dem Programm, und überall beginnen die Erweiterungsfeiern. Viele Menschen besonders im Osten finden aber nichts zum feiern, denn den Beitrittsländern werden unweigerlich irgendwann die vier Freiheiten des EGV eingeräumt werden (müssen), auch wenn man sich derzeit noch dagegen sperrt und Polen konsequent seinen Arbeitsmarkt für EU-Ausländer so reglementiert wie die jeweiligen Länder es für Polen tun, so daß Deutsche und Österreicher es auf dem polnischen Arbeitsmarkt am schwersten haben. Doch die umgekehrte Richtung dürfte ohnehin häufiger sein: polnische (und andere osteuropäische) Arbeitnehmer, die in immer größerer Zahl auf den deutschen Arbeitsmarkt drängen und dort die Löhne weiter senken. Wer diese Gefahr unterschätzt, fahre bitte an einem Sonntag Abend oder Montag früh mal auf die A4, und sehe sich die Kennzeichen an.

      Schon im vergangenen Jahr soll die reale Arbeitslosenzahl, also ohne alle statistische Tricks, bei 7,2 Millionen gelegen haben. Ein solcher Anfall von Ehrlichkeit kommt inzwischen freilich nicht mehr vor. Daß man aber mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosenzahl definitiv rechnet, ist gewiß. So wurde infolge der beschlossenen Energierationierung durch den Emissionshandel ab 2005 bereits ein weiterer Abbau von Arbeitsplätzen angekündigt. Und obwohl die Justiz formal unabhängig ist, können daran Zweifel bestehen: urteilte doch erst kürzlich das Bundesarbeitsgericht, daß ein Lohn unter Sozialhilfeniveau nicht sittenwidrig sei. Soll die Bevölkerung hier auf die zu erwartende Verarmung vorbereitet werden?

      Wir werden uns an dieser Stelle nicht in weiteren Spekulationen ergehen, obwohl Grund dafür bestünde; allerdings wird der BWL-Bote mit weiteren Berichten und Analysen am Ball bleiben. Es gibt jedoch die immer weiter verbreitete Befürchtung, daß die gegenwärtige Wirtschafts- und Sozialkrise sich durch die EU-Osterweiterung nicht nur verschärfen wird, sondern daß diese Verschärfung politisch gewollt und bewußt gesteuert ist. Sollte sich dieser Verdacht bewahrheiten wäre zu überlegen, inwieweit diejenigen Politiker, die hierfür verantwortlich sind, gegen ihren Amtseid, Schaden vom Deutschen (!) Volk abzuwenden, verstoßen haben, und hierfür zur Rechenschaft gezogen werden müßten.


      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 30.04.04 17:43:20
      Beitrag Nr. 1.596 ()
      #1594
      durch die EU-Ost-Erweiterung
      wird das Lohnniveau in Deutschland fallen
      die Sozialkassen bekommen noch weniger Geld in die Kasse
      da gibts nur eine kluge Politiker-Entscheidung

      die Sozialleistungen werden einfach den
      EU-Nachbarländern Ost angeglichen
      denn warum sollen die Deutschen mehr soziale Vorteile haben wie die EU-Ost-Staaten.
      Avatar
      schrieb am 02.05.04 21:39:33
      Beitrag Nr. 1.597 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de

      Wo es rückwärts vorwärts geht: 02.05.2004

      DIESE WOCHE
      Rechtzeitig zur Osterweiterung überlegt der Spatz, auf welche Art Herrschaft zustande kommt. Anhand einer brillanten historischen Analyse leitet er die Bedeutung des Gemeinwohls ab und findet, weshalb dieses in der derzeitigen "Demokratie" am Untergehen ist: Ein Beitrag, den man in der EU gründlich lesen sollte!



      Freiheitliche Demokratie



      Was ist das, die "freiheitliche Demokratie", die zur Zeit weltweit mit Feuer und Schwert eingeführt werden soll? "Volksherrschaft" übersetzt das Lexikon. Aber gibt es etwas anderes als Volksherrschaft? Natürlich, entrüstet sich der Neunmalkluge über soviel offensichtliche Torheit, natürlich gibt es Monarchie, Herrschaft von Königen, Autokratie, Aristokratie, Oligarchie, Plutokratie, Diktatur, Theokratie und Priesterherrschaft. Wahrscheinlich gibt es noch andere "-Kratien". Was er nicht alles weiß, es steht in Lehrbüchern, darüber wird geschrieben, doch wen kümmert`s? "Kratie" gibt es aber nur eine, nur die des Volkes, doch er sie zu welchem Zweck handhabt, das ist die Frage.

      Weise Männer wie Sokrates, Erasmus und andere "lobten die Torheit", weil sie naive Fragen stellt, Fragen, die nicht von nachgeplapperten Selbstverständlichkeiten verrückt wurden. Wie steht es denn nun mit der "-Kratie". Wer herrscht, wer oder was übt die Macht aus? Nehmen wir die Autokratie, einen Caesar oder Napoleon. Herrscht Napoleon? Er gibt Befehle, doch wer führt sie aus, und warum tut er es? Was wäre, wenn Napoleon den Befehl zum Angriff gibt aber niemand angreift, wenn er Steuergesetze erläßt und niemand das Gesetz im Reich bekannt macht und durchsetzt? Ich kannte in den frühen 60er Jahren einen Menschen in Erlangen, der hielt auf dem Marktplatz große Reden an das Volk. Er hielt sich für Napoleon und verhielt sich so. Die Heilanstalt am Ort ließ ihn gewähren, weil die Leute ihm gerne zuhörten und er niemandem etwas antat. Ganz anders ein anderer Heiminsasse. Er hatte die Angewohnheit, leere Hühnereier mit Tinte zu füllen, sie zu versiegeln und dann in offene Fenster zu werfen. Dieser "kindische" Patient mußte ganz im Gegensatz zu Napoleon unter Verschluß gehalten werden. Offensichtlich befolgen Leute Befehlen, wenn ihnen das nützt.

      Das belegt der Fall: Kaiser von China. Das Volk glaubte ihm, so lange alles gut ging. Kam es zu Krisen und Katastrophen, dann hatte der Mann trotz aller Machtmittel das "Mandat des Himmels" verspielt. Die Krisen zeigten nämlich, daß er kein wirklicher Kaiser war, sondern ein Usurpator. Er verschwand früher oder später mit Schimpf und Schande. Er hatte keinen Nutzen gebracht, nur das Gegenteil - so einfach. War China eine Demokratie? Natürlich nicht! Es war eine Bürokratie, die für das Volk Herrscher wie Fähnchen vor dem Palast aufzog. So lange alles in gewohnten Bahnen lief, kümmerte sich niemand um das Fähnchen. Ging es schief, konnte man das Fähnchen auswechseln. Das war praktisch - für die Bürokratie und wahrscheinlich auch für das Volk. So konnte - was Bürokratien lieben - alles beim Alten bleiben und das trotz beachtlicher, technischer Erfindungen. Sie erreichten das Volk nicht und bewirkten nichts, bis beide, Volk und Bürokratie, unerheblich wurden, Spielball ausländischer Machthaber. Diese waren überlegen, weil sie Erfindungen zu nutzen wußten. Das scheint sich in China jetzt zu ändern.

      Das Spiel der "-Kratie" wurde für viele aber sehr anti-nützlich (wie zur Zeit bei uns), ohne daß die Fähnchen ausgetauscht wurden. Das ist der Fall, wenn Bürokratie, Napoleon oder Kaiser genug Leute findet, die ihren Befehlen folgen und tun, wenn sie sagen: faßt ihn, verhaut jenen, treibt diesen von Haus und Hof, macht ihn arm oder hängt ihn auf. Jede "-Kratie" hat machtmäßig die qualitative Mehrheit der Befehlsgehorcher auf ihrer Seite. Die anderen haben das Nachsehen, den Anti-Nutzen, folgen aber notgedrungen, weil sie "vernünftig" sind, aus Einsicht in die eigene Ohnmacht. Auf die Iraker trifft das zur Zeit offensichtlich nicht zu, sie haben andere Einsichten und andere Prioritäten als die "Fleischtöpfe Ägyptens".

      Im genannten Fall handelt es sich also nicht mehr nur um einen "Demos", der etwas will, sondern um mehrere, die sich gegeneinander ausspielen lassen. Wie ist das zu verstehen? Nehmen wir eine Horde von Jägern und Sammlern. Wer gab dort den Ton an? Der Stärkste, derjenige, der die anderen verhauen konnte? Der konnte sich vielleicht eine extragroße Portion vom gemeinsam erlegten Wild verschaffen, aber herrschen? Konnte er sagen, wo am ehesten etwas zu finden war, wie man am ehesten auf Wild stieß und wo die besten Brombeeren oder Steinpilze wuchsen, dann folgte man ihm gerne. Konnte er das nicht, folgte man lieber dem, der das besser konnte. Der nur Stärkste hatte nichts zu bieten, war also auch kein Gebieter. Hätte er auf seine Machtmittel, die Fäuste, gebaut, hätten sich die anderen seitwärts in die Büsche geschlagen. Er wäre allein geblieben und wäre - anders uns die modernen Wirtschaftslehre weismachen will - als besonderes Individuum sehr arm dran gewesen. Schon in der primitiven Clanwirtschaft war die Zusammenarbeit wichtiger als der Vergleichsvorteil des besonderen Einzelnen. Nur wer organisiert sie?

      Das Volk will wissen, wo es zum Wohlstand geht, und folgt dem gerne, der es ihm überzeugend sagen kann. Heute tut es das Gegenteil, warum wohl? Die Änderung hängt mit der kulturellen Überlagerung "mehrer Völker" zusammen: Ein Hirtenvolk stieß auf eine Hackbauernbevölkerung. Die Hirten sahen nicht ein, warum ihr Vieh nicht wie anderswo das Grünzeug wegfressen soll, die Bauern sahen nicht ein, weshalb das Wandervolk ihre Äcker verwüstete. Die Waffen entschieden. In der Regel siegten die raufkundigeren Hirten. Nach dem Sieg tat man sich zwangsfreiwillig zusammen und umverteilte die Arbeit. Das Volk war nun eigentlich zwei Völker, zwei Schichten, Stände, Klassen wie man will. Man arbeitete nicht mehr zum gemeinsamen Vorteil zusammen, sondern allenfalls zum wechselseitigen. Das ist ein Unterschied, denn nun gab es Hauptvorteile und Hauptnachteile.

      Die Bauern übernahmen zum Ackerland noch das Vieh und wiesen ihm die Weiden zu. Die Hirten zeigten den Bauern, wo`s lang geht und nahmen ihnen das meiste der Erträge und die Verantwortung für das Wohlergehen des Gemeinsamen (Schutz vor anderen "Hirtenvölkern" und Plünderern) ab (sie ließen ihnen nur soviel, daß sie weiterarbeiteten wollten, statt abzuhauen). Die Bauern brauchten sich nicht weiter zu kümmern, das war trotz Mehrarbeit bequem. Kamen noch stärkere "Hirtenvölker", dann wurde eben nur die Elite, das Obervolk ausgetauscht. Wenn man von den Turbulenzen des Austauschprozesses absah, änderte sich für sie nichts. Patriotismus hat etwas mit Landesverteidigung zu tun. Fehlt das eine, geht auch das andere abhanden - wie bei uns.

      Mehrarbeit wird lästig, wenn das Schutzbedürfnis als Grund entfällt. Das wissen auch die "Hüter der Völker". Ihre Hüter-Position war - als noch alles so offen zu Tage trat - gefährdet und so waren sie immer auf dem Sprung. Deshalb gehorchten solche Oligarchien oder Aristokratien meistens auf ein vereinigtes Kommando, für das ein gewählter oder sonstwie akzeptierter König, Kaiser, Duce, Diktator etc. stand. Der herrschte, soweit er den Hütern insgesamt nutzte. War das nicht der Fall, war sein Fall so gut wie unabwendbar. Dafür, daß auch das Volk dankbar den Atem anhielt, ward gesorgt. Weil die Hüter gelegentliche Waffengänge für angenehmer hielten als ständige Arbeit, fanden sie auch immer neue böse Feinde. Das war praktisch, weil man sich bei solchen Unternehmen auch auf deren Kosten bereichern und dafür dem eigenen Untervolk (wenn sie Hilfstruppen stellten) etwas Entlastung gewähren konnte.

      Doch warum machte sich das Untervolk nicht wie früher bei den Jägern und Sammlern einfach davon, wenn das Obervolk zu wenig Beute machte und dazu noch gefräßig wurde. Ja die "Fleischtöpfe Ägyptens"! - oder wo sonst war fruchtbares Land zu finden, auf das nicht irgendwelche Hüter eine Anwartschaft hatten. Das Alte Testament gibt für die damit verbundenen Probleme ein beredtes Beispiel. Der "Auszug aus Ägyptenland" gelingt nicht, wenn man nicht eine "höhere Macht" auf seiner Seite hatte. Die Übersetzer des Alten Testament sprachen von Gott, einem eigenartig blutrünstigen Wesen. Was eigentlich darunter zu verstehen war, bleibt unklar, wenn man nicht die damalige weltpolitische Lage versteht und die Rolle, die das Sklavenvolk der Hebräer in ihr (wissentlich oder nicht) zu spielen hatte. Die Pfarrer oder Rabbis schweigen sich in der Regel darüber aus, wahrscheinlich haben sie ihre Gründe oder wissen es nicht. (Es ist "fromm" und zahlt sich aus, rechtzeitig zu den stärkeren Bataillonen überzugehen) Machtverhältnisse und Weltlage verschwimmen hinter dem leeren Inbegriff von Macht, "Gott", Ihn bieten Experten an, damit sich das "brave" Volk keine unnötigen Gedanken macht.

      Mit der Zeit und bei der Entwicklung der Verhältnisse, auf die wir hier nicht eingehen, wurden die eigentlichen Hüter, die erfolgreich ihre Feinde aus dem Feld schlugen, immer weniger (vor allem seitdem sie nicht mehr selbst kämpften, sondern sich die nötigen Kämpfer kaufen konnten) und die beherrschten Völker immer mehr und vielschichtiger. Das führte zu Problemen, vor allem, wenn die Mehrarbeit bei den vorhandenen technischen Möglichkeiten in keinem Verhältnis mehr zu der "Not" und dem Mangel standen, die die Hüter aus Überheblichkeit, Habgier oder Inkompetenz den unterworfenen "Völkern", Schichten Klassen etc. zubilligten. Die Lösung war denkbar einfach - wir greifen der Entwicklung voraus. Sie hieß Vereinzelung. Man spielte die "Völker" gegen einander aus, versprach dem das jenem dieses und ließ sie sich drum streiten (Lessings Ringparabel läßt sich auch andersherum verstehen, dann wird etwas Häßliches draus). Kostengründe trieben den Prozeß immer weiter, bis heute nur noch einzelne, Individuen übrig blieben, die "Ich-Völker" oder "Ich-AGs". Das hatte den Vorteil, daß man vor lauter Einzelnen die Kasse ("die Hüter") nicht mehr sehen konnte.

      Die Idee der Zusammenarbeit, um den Lebensunterhalt wirksamer und mit mehr Freude zu beschaffen, wurde zu etwas "Unmöglichem", zu etwas wie "faschistisch", "Teufel" oder so. "Freiheitlich" war dagegen der Kampf jedes gegen jeden, um eines geringen Vorteils, um der Brocken, die von der Herren Tische fielen, willen. Der freie Wettbewerb hält alle in Atem. Keiner braucht eine Vorstellung davon, was der gemeinsame Wohlstand wäre und wie er zu erreichen sei, von dem sich der einzelne Wohlstand (theoretisch gesehen) immer noch ableitet. Wen wundert`s, daß die Demokratie keine Chance hat: Sie müßte doch wenigstens die Möglichkeit vorsehen, sich über das Gemeinwohl zu verständigen. Das aber überläßt das Volk gewohnheitsgemäß denen, die dafür schon immer zuständig waren und ihren "Experten". Es streitet sich lieber um den (Nicht)Bart der Fähnchen, die die Bürokratie am Palast der Republik hochzieht.

      Nicht nur in Deutschland (dort aber besonders) fehlt eine politische Kraft, die sich über das aktuell nötige Gemeinwohl verständigt. Wir haben Wahlvereine, um inkompetenten Leuten zu überbezahlten Werbe-Jobs zu verhelfen; und das feiern wir als "freiheitliche Demokratie".
      Avatar
      schrieb am 02.05.04 21:43:03
      Beitrag Nr. 1.598 ()
      Tagblatt: Prof. Binswanger zu Konsumzwang

      Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaft, schreibt in der größten Ostschweizer Tageszeitung über die neue Konsumwut. Vor allem die Jugendlichen leben über ihre Verhältnisse - in der Schweiz wie auch in Deutschland.

      Binswanger berichtet über einen grundlegenden Wandel im Konsumverhalten vor allem junger Menschen. Die Handy-Generation kauft lieber jetzt und zahlt später. Ganz wie es die Wirtschaft immer öfter wünscht. Entscheidend sei es, den Kaufwunsch zu stärken. Eine Finanzierung lasse sich dann schon finden. Folge des Wandels: Immer mehr Menschen sind schon in jungen Jahren hoffnungslos verschuldet. Dafür brummt die Wirtschaft.

      "Was es braucht, ist letztlich eine Doppelmoral, die uns einmal mehr die Amerikaner konsequent vorleben. Auf der einen Seite werden puritanische Ideale wie Sparen und Fleiss gepredigt und auf der anderen Seite wird ein grosser Teil der Bevölkerung dazu animiert, sich hemmungslos zu verschulden. Wirtschaftlich ist das allerdings sehr erfolgreich, denn die amerikanische Wirtschaft wächst mit beachtlichen Raten."

      Der Wachstumszwang der Wirtschaft geht auf einen Fehler im Geldsystem zurück. Weil die Geldvermögen immer schneller anwachsen, muss auch die Wirtschaft ständig wachsen (siehe Grafik) - ganz offensichtlich mit allen verfügbaren Mitteln.

      Der Beitrag ist im Internet abrufbar.

      von Redaktion - 27. Apr 2004
      http://www.inwo.de/modules.php?op=modload&name=News&file=art…
      Avatar
      schrieb am 02.05.04 21:46:10
      Beitrag Nr. 1.599 ()
      Praxisgebühr:
      Wer sind die heimliche Gewinner?


      10 Euro Eintritt beim Arzt – das schreckt viele ab. Im ersten Quartal 2004 ließen sich denn auch rund 10 Prozent weniger Patienten behandeln. Doch werden dadurch auch Kosten gesenkt? Für Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ist der Fall klar: „Wir haben Einsparungen auch in diesem ersten Quartal, weil doch bei der Frage, ob bei einer Bagatelleerkrankung ein Arzt aufgesucht wird, reduziert wird.“
      Ein Beispiel: Zu Dr. Gabriel Schmidt kamen im ersten Quartal rund 15 Prozent weniger Patienten. Um sein Einkommen muss sich der Hausarzt trotzdem keine großen Sorgen machen. Für jede Behandlung bekommt er jetzt einfach mehr Geld. Dr. Gabriel Schmidt: „Wenn bundesweit 10 Prozent weniger in die Praxen gehen, könnte der einzelne Fallwert, also der Betrag, der dem Arzt ausgezahlt wird pro Behandlung bei seinem Patient auch um diese zehn Prozent ansteigen.“

      Tatsächlich ist die Ärzteschaft durch ein spezielles Honorarsystem vor Einkommensverlusten geschützt. Und das funktioniert so: Die Krankenkassen zahlen als Vergütung für ärztliche Leistungen jährlich für jeden Versicherten eine bestimmte Pauschale. Das Geld geht an die Kassenärztlichen Vereinigungen, die es an die Ärzte verteilen. In diesem Jahr stehen mindestens 24 Milliarden Euro zu Verfügung. Und diese Honorarsumme bleibt gleich hoch – auch wenn weniger Patienten zum Arzt gehen. Laut Norbert Klusen, Vorstand Techniker Krankenkasse, hat das zur Folge: „Durch den Rückgang der Patientenzahlen erhalten die Ärzte im Durchschnitt für weniger Arbeit das gleiche Geld. Ich gehe aber davon aus, dass sie mehr Zeit haben, sich ihren Patienten zu widmen.“

      Mehr Zeit für die Patienten – zahlen wir deshalb die Praxisgebühr? Oder wie war das noch mal? Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt: „Wir haben Einsparungen auch in diesem ersten Quartal, weil doch bei der Frage, ob bei einer Bagatelleerkrankung ein Arzt aufgesucht wird, reduziert wird.“

      Manche Ärzte dürften tatsächlich Einbußen beim Einkommen haben. Möglich ist dies, wenn sie überdurchschnittlich viele Patienten verlieren. Die betroffenen Mediziner können jedoch versuchen, Verluste beim Honorar zu vermeiden, so Prof. Dr. Jürgen Wasem, Gesundheitsökonom von Universität Duisburg/Essen: „Das ist ja so, der Patient geht zum Arzt und sagt, lieber Arzt, ich hab ein Aua mach mich heil. Und die Menge der Leistungen, die ein Arzt dann erbringt, hat er weitgehend selber in der Hand. Und wenn weniger Patienten bei einem Arzt sitzen, dann behandelt er die intensiver, wenn das nötig ist, um sein Einkommen zu kommen.“

      Auf die Patienten können also unnötige Untersuchungen zukommen. Für die Gesundheitsministerin ist die Praxisgebühr dennoch ein Erfolg: „Jeder muss einmal im Quartal bei seinem Arzt die Gebühr bezahlen, Wenn man sich überweisen läßt, nicht nochmals. Aber insgesamt zeigt es sich, dass wir im Laufe des Jahres auch einsparen werden.“

      Einsparungen sind in der Tat möglich, wenn die Ärzte wegen der geringeren Patientenzahl jetzt weniger Rezepte ausschreiben. Dennoch ist nicht damit zu rechnen, dass die Ausgaben der Kassen dadurch stark sinken, meint der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Jürgen Wasem: „Dieser Effekt wird nicht allzu groß sein, weil die Arztbesuche, die unterbleiben, sind vermutlich Arztbesuche, bei denen der Arzt nur geringfügige Mittel verschrieben hätte, die ohnehin seit dem 1.1. nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt werden.“

      Rund 2,6 Milliarden Euro müssen die Patienten in diesem Jahr an Praxisgebühr berappen. Das Geld geht an die Krankenversicherungen – als zusätzliche Einnahme. Trotzdem haben die Kassen ihre Beitragssätze bisher kaum gesenkt. Experten raten, jetzt die Sparmöglichkeit bei den Honoraren der Ärzte zu nutzen. Denn das Sozialgesetzbuch sieht vor, dass die Höhe der ärztlichen Vergütung auch von der Arbeitszeit abhängen soll. Daher könnten die Krankenkassen fordern, dass die Gesamtvergütung der Ärzte wegen sinkender Arbeitszeit fallen soll.

      Ob die Krankenversicherungen Abschläge bei den Honoraren der Ärzte durchsetzen können und wollen, ist jedoch offen. Den Patienten bleibt so nur die Hoffnung, dass die Kassen bald das sogenannte Hausarztmodell einführen. Wer bei Krankheiten immer zuerst einen ausgewählten Arzt aufsucht, soll dann die 10-Euro-Gebühr nicht zahlen müssen – ein echter Spareffekt.

      Bericht: Josef Streule
      Stand: Ende April ’04

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      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 27.04.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
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      schrieb am 02.05.04 21:48:22
      Beitrag Nr. 1.600 ()
      Wettbewerbsdruck:
      Osteuropäische Unternehmen auf dem deutschen Markt

      BR | 27.04.2004 | 21.55

      Die Europäische Union wird erweitert. Und das bedeutet, dass der gemeinsame Markt auf einen Schlag um rund ein Drittel größer wird. Deutsche Firmen können auf noch nicht gesättigten Märkten in Ost-Europa Waren und Dienstleistungen anbieten. Zugleich verstärken Unternehmen aus den Neu-Mitgliedern ihre Aktivitäten in Deutschland. Die wichtigsten Wettbewerber kommen nicht erst zum ersten Mai in die Bundesrepublik, sondern sind schon seit einiger Zeit hier. Wir haben ein paar Beispiele zusammengestellt.
      Häuser aus Tschechien
      Der Fertighaushersteller RD Rymarov aus Tschechien. Das Unternehmen hat zu Beginn dieses Jahres eine deutsche Tochtergesellschaft gegründet, um mit der Erweiterung der EU den Vertrieb seiner Häuser zu optimieren.

      RD Rymarov ist schon seit mehreren Jahren am deutschen Markt erfolgreich. Die Firma erstellt ihre Bauten zu Preisen, die rund 15 Prozent unter denen der Konkurrenz liegen.

      Das ist trotz langer Transportwege von fast 1.000 Kilometern möglich, denn die Fertigteile werden zu niedrigen Lohnkosten in Nord-Tschechien hergestellt und dann nach Deutschland geliefert.

      Die Firma rechnet sich gute Chancen aus, wenn ab kommender Woche Zölle und Importabgaben wegfallen. Das macht die Fertighäuser von Rymakov noch konkurrenzfähiger. Rymarov will deshalb in den kommenden Jahren weiter expandieren, trotz der insgesamt schwierigen Lage am Bau.

      Weiter Arbeitserlaubnis nötig Allerdings bleiben auch nach Wegfall der Zollformalitäten in den nächsten 7 Jahren noch einige bürokratische Hürden: für die eigenen Mitarbeiter etwa muss die Firma noch immer vor der Montage der Fertighäuser für jedes Projekt einzeln und tageweise bei den deutschen Behörden Arbeitserlaubnisse beantragen.

      Glas aus Böhmen
      Andere Branche, ähnliche Strategie: Bohemia Crystal. Die Firma ist der größte Glashersteller in Böhmen, auch sie vertreibt ihre Produkte über eine deutsche Tochtergesellschaft. Sie gehört zu den Grossen der Glasindustrie und erwirtschaftet allein in Deutschland schon jetzt 28 Mio. Euro Jahresumsatz. Sie setzt ganz auf die neue größere EU, sagt Geschäftsführer Gerhard Schuh: „Wir sehen eindeutig Chancen. Die Weichenstellungen für diesen Termin begann schon vor Monaten. Die Optimierung unseres Marketing-Mix hinsichtlich Preispolitik, Vertriebspolitik, hinsichtlich Kreativität was Neuheiten betrifft, die führt dahin, dass wir keine Niedrigpreisstratege verfolgen, sondern uns in der mittleren Preisschiene etablieren.“
      In der europäischen Glasindustrie herrscht ein harter Verdrängungswettbewerb und mit dem Wegfall der Einfuhrzölle wird er noch weiter zunehmen. Doch der Kostendruck steigt künftig auch bei Bohemia, weil sich die Löhne in Tschechien nach und dem höheren EU-Niveau anpassen werden.

      Expandierender Markt
      Aus diesem Grund sehen viele deutsche Unternehmen wie z.B. der Glashersteller Nachtmann sogar etwas optimistisch in die Zukunft. Die Branche hat sich schon lange auf die Ost-Erweiterung eingestellt und nach schweren Jahren den neuen Verhältnissen gut angepasst. Die Überlebens-Strategie bei Nachtmann unter anderem: Kosten minimieren durch Verlagerung arbeitsintensiver Produktion. Denn alles in allem kostet hierzulande eine Arbeits-Stunde eines Glasmachers 30 Euro, jenseits der Grenze nur ein Fünftel davon. Doch das Drehen an der Kostenschraube allein genügt nicht. Wichtig sind auch straffere Produktionsprozesse und eine ständige Erneuerung des Sortiments. –

      Alois Kaufmann, Kaufmännischer Vorstand von F.X.Nachtmann: „Die Erweiterung ist für uns definitiv eine Chance, weil wir zukünftige Absatzmärkte sehen. Wir exportieren z.B. nach Polen. Wir haben Vertreter in Russland und Tschechien. Wir liefern nach Ungarn und diese Märkte sind für uns Heimatmärkte. Wir werden mit Sicherheit in der Zukunft hier eine deutliche Absatzsteigerung haben und für uns ist das eine größere Chance, denn ein Risiko.“

      Eisenbahnen aus Pilsen
      Mehr Wettbewerb wird es auch in der Schwerindustrie kommen. In Pilsen stellt z.B. die Firma Skoda Waggons und Eisenbahnen her. Eine arbeitsintensive Produktion. Die weltweit harte Konkurrenz-Situation hat dazu geführt, dass Lokomotiven immer günstiger wurden. Skoda hat hier vor allem dank der niedrigen Lohnkosten seinen Marktanteil stetig ausbauen können. Trotz sinkender Preise werden die Loks technisch immer anspruchsvoller. Das hat zur Folge, dass deutsche Hersteller wie etwa Vossloh vermehrt unter Druck geraten. Im Lok-Werk Kiel sollen deshalb in nächster Zeit Teile der Produktion stillgelegt werden. Arbeitsintensive Vorprodukte, wie z.B. die Karosserie der Loks, werden dann wohl nicht mehr selber hergestellt, sondern müssen zugekauft werden.

      Marktöffnung erfordert mehr Flexibilität
      Die drei Beispiele zeigen: die EU-Erweiterung wird den Wettbewerb weiter verschärfen. Doch das passiert nicht schlagartig zum ersten Mai, denn die potentiellen Konkurrenten sind schon seit längerem auf dem deutschen Markt, genauso wie sich deutsche Firmen in Ost-Europa engagieren. Für alle Unternehmen fallen die Zölle und viele der bestehenden bürokratischen Hürden. Es kommt nun darauf an, sich auf die neuen Verhältnisse einzustellen. Von allen Teilnehmern des größeren europäischen Marktes - Firmen wie Beschäftigten – wird in Zukunft größere Bereitschaft zum Umdenken und wesentlich mehr Flexibilität als bisher gefordert sein, auch was z.B. die Arbeitszeiten betrifft.

      Bericht: Rolf Bovier
      Stand: Ende April ’04

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      Avatar
      schrieb am 02.05.04 21:51:10
      Beitrag Nr. 1.601 ()
      Steuerverlust:
      Grenzgänger bringen den Fiskus um Milliarden

      (dank der guten Politik die in diesem Lande herrscht)
      BR | 27.04.2004 | 21.55

      Ein Ausflug in unsere EU-Nachbarländer kann sich lohnen: So tankt man Diesel inzwischen fast überall günstiger als in Deutschland, und auch Benzin ist – außer in den Niederlanden – oft wesentlich billiger. Ähnlich sieht es bei Tabakwaren und Getränkedosen aus. Die Folge: Entlang der Grenzen hat sich ein regelrechter Einkaufstourismus entwickelt.
      Endzeitstimmung in Kiefersfelden an der deutsch-österreichischen Grenze. Wo heute der Abrissbagger regiert, war noch vor wenigen Jahren Hochbetrieb. Der Autohof „Grenztank“ zählte zu den beliebtesten Anlaufstellen entlang der Inntalautobahn Richtung Italien. Allein rund 200.000 Liter Diesel wurden hier täglich getankt – vor allem LKW-Fahrer nutzten den letzten deutschen Autohof vor der Grenze. Die goldenen Zeiten sind längst vorbei. Der Grund: Die Ökosteuer. Denn durch sie ist der Kraftstoff auf österreichischer Seite um bis zu 15 Cent günstiger!

      Tanktourismus
      Wenige Meter hinter der Grenze in Kufstein: Hier halten viele Autofahrer, um kurz vor der Einreise nach Deutschland noch einmal voll zu tanken. Ein Bild, wie es inzwischen nahezu überall an deutschen Grenzen zu finden ist! Kein Wunder, wenn im vergangenen Jahr die Einnahmen aus der Mineralölsteuer um fast 2 Milliarden Euro eingebrochen sind!

      Der Tanktourismus und seine massiven Folgen – davon will man in Berlin anscheinend nichts wissen! Umweltminister Trittin freut sich sogar öffentlich über die Rückgänge beim Treibstoffverkauf – für ihn ein klarer Erfolg der Ökosteuer. Wohl eine Milchmädchenrechnung, denn verbraucht wird deswegen noch lange nicht weniger. Rot-Grün lenkt – der Bürger denkt kurz nach und tankt eben im Ausland!

      Überlebensfrage
      Auch der Rohrdorfer Spediteur Wolfgang Anwander fährt zum Tanken inzwischen ins benachbarte Tirol. Für seinen Betrieb die einzige Chance im harten Konkurrenzkampf: „Wenn ich hier in Bayern weiter tanke, würde die Firma pleite gehen! Dann würden 10 Mitarbeiter auf der Straße stehen und ich könnte auch sehen, was ich mache!“

      Milliardenverluste
      Tanken im Ausland – für deutsche Spediteure im internationalen Fernverkehr ein Muss, um überhaupt noch konkurrenzfähig zu sein. Auch in Tschechien das gleiche Bild: Während auf deutscher Seite reihenweise Tankstellen schließen, blüht auf der anderen Seite das Geschäft mit dem Tanktourismus. Allerdings: Noch dürfen LKW bei der Einreise maximal 200 Liter Diesel im Tank haben. Doch das ist mit der EU-Osterweiterung am 1. Mai vorbei. Im Klartext: In Zukunft wird hier vollgetankt. Und das bedeutet: Pro LKW entgehen dann dem deutschen Fiskus rund 600 Euro Steuereinnahmen! Insgesamt kommen so Milliardenbeträge zusammen! Denn dank der Ökosteuer ist Dieselkraftstoff inzwischen fast überall günstiger als in Deutschland! Die Folge: Der Tanktourismus entlang der deutschen Grenze blüht!

      Günstiges Benzin
      Und das gilt auch bei Normal- oder Superbenzin. Für Bewohner der Grenzregionen lohnt sich ein kurzer Ausflug zum EU-Nachbarn fast immer. Außer in den Niederlanden kann man zum Beispiel Super-Benzin überall deutlich günstiger tanken!

      Billige Zigaretten
      Und wer im Ausland tankt, kauft oft auch noch Zigaretten. Denn Tabakwaren sind – dank der fast schon regelmäßigen Tabaksteuererhöhungen - inzwischen in vielen Nachbarländern günstiger zu bekommen. Mit dem blauen Dunst Defizite im Gesundheitswesen ausgleichen – was sich die Bundesregierung so schön ausgemalt hatte, scheint ein Reinfall zu werden: Allein im ersten Quartal des Jahres ging der Zigarettenabsatz um rund 6 Prozent zurück – und auch das Steueraufkommen sank. Branchenexperten rechnen mit weiteren Einbußen, wenn die nächsten Stufen der Steuererhöhung folgen. Ob deswegen auch weniger geraucht wird, ist allerdings mehr als fraglich...

      Pfandfreie Dosen
      Damit nicht genug: Seit Einführung des Einwegpfandes hat sich entlang der deutschen Grenze ein regelrechter Dosentourismus entwickelt. Palettenweise kaufen Bundesbürger hier deutsches Dosenbier. Im holländischen Haaksbergen musste sogar ein Notzelt aufgestellt werden, um dem Kundenansturm gerecht zu werden. Ladenbesitzer Harry Vos dankt Rot-Grün: „Wir lieben Jürgen Trittin sehr! Denn wir können jetzt sehr viele Dosen verkaufen, so 50.000 in der Woche, bis 100.000, manchmal noch mehr!!

      Fazit: Rot-Grün verschenkt Milliarden ins Ausland! Und während etwa entlang der deutschen Grenzen reihenweise Tankstellen vor dem Aus stehen und somit Tausende Arbeitsplätze bedroht sind, macht man sich bei den Nachbarn sogar schon lustig über unsere Steuerpolitik: Passende Überschrift im Wiener Kurier: „Deutsche Geldbörsen mit großem Erfolg angezapft“ heißt es da. Schön, wenn sich wenigstens unsere Nachbarn freuen können!

      Bericht: Johannes Thürmer
      Stand: Ende April ’04

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      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 27.04.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

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      schrieb am 02.05.04 22:16:29
      Beitrag Nr. 1.602 ()
      Sadistische KZ-Spiele

      Florian Rötzer 01.05.2004
      Nicht nur amerikanische, sondern auch britische Soldaten haben auf brutale Weise irakische Gefangene gedemütigt: die Befreier als Sadisten

      :mad: :mad: :mad: :(


      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/17327/1.html
      Avatar
      schrieb am 03.05.04 19:51:49
      Beitrag Nr. 1.603 ()
      Paulus Schröder

      Ein Kommentar zur überraschenden rhetorischen Wende des Kanzlers im Reform- und Spartheater


      Egon W. Kreutzer
      03. 05. 2004


      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14012PaulusSchroeder…

      Zur Zeit der Gründung erster christlicher Gemeinden fiel in der Nähe von Damaskus ein in den Diensten Roms stehender jüdischer Söldner namens Saulus vom Pferd und verlor dabei a) das Augenlicht und b) seine bisherigen politischen Grundüberzeugungen.

      Sehen konnte er schon bald wieder, aber den bis dahin als Christenverfolger berüchtigten und gefürchteten Saulus gab es nicht mehr. Er vollzog eine vollkommene geistig- moralische Wende, konvertierte zum Christentum, nannte sich fortan Paulus und gelangte in dieser Rolle schnell zu hohen Ämtern und Würden.

      Fernab von Damaskus, irgendwo auf einer sonderbaren Reise von Berlin nach Berlin, mit Aufenthalten in Zittau und Dublin, muss sich fast 2000 Jahre später zwischen Walpurgisnacht und Michael Sommers Mai-Ansprache etwas Ähnliches ereignet haben.

      Gerhard Schröder, Ex-Parteivorsitzender der SPD, wurde derart mächtig von exakt jenem Geist ergriffen, den er noch Stunden vorher erbittert bekämpft hatte, dass es ihm offenbar noch in selbiger Nacht gelungen ist, auch den Vizekanzler und sogar den ewig zweifelnden Finanzminister erfolgreich zu bekehren.

      Es klang wie das himmlische Hossiannah, als da in dreifacher Einfalt verkündet wurde, es müsse jetzt endlich Schluss sein, mit dem Sozialabbau und mit dem Sparen, weil dadurch kein Wachstum entstehen kann. Deutschland dürfe sich auch nicht auf einen Wettbewerb mit den Beitrittsländern um Steuern, Löhne und Sozialstandards einlassen, weil das keinen Sinn macht, sondern man müsse jetzt vielmehr versuchen, die Konjunktur mit Mehrausgaben zu beleben und Wachstumsimpulse zu setzen usw. usw....

      Für einen Augenblick kehrte da der Glaube an den großen und allmächtigen Gott zurück, der das Flehen seines Volkes erhört und das Herz des Verstockten erweicht.

      Für einen Augenblick dachte man sich: "Jeder darf mal einen Fehler machen - und nun hat er es ja kapiert, besser jetzt, als nie!"

      Für einen Augenblick wollte man sich nur noch freuen und jubilieren und dem Kanzler und der SPD und Deutschland voller Seeligkeit alles Glück der Welt wünschen, zum neuen Kurs.

      Für einen Augenblick waren alle düsteren Prognosen vergessen, für einen Augenblick schämte man sich, weil man den Mann verkannt hatte. Für einen Augenblick erahnte man bewundernd, dass das der bisher raffinierteste Trick war, den dieser Kanzlers vollbracht hat: Den politischen Gegner, der ja immer noch mehr Grausamkeiten fordert, nach jahrelanger Spar- und Reformparnerschaft einfach in der Tiefe des dunklen Tales alleine zurück zu lassen um selbst als alleiniger erleuchteter Held die 180 Grad Wende einzuleiten, die endlich den Weg zu neuen Gipfeln eröffnet.

      Alles Emotionen und Gedanken für einen wunderbaren, aber viel zu kurzen Augenblick.



      Gleich danach kam der altböse Feind daher und schürte den Zweifel:

      "Hat Schröder wirklich etwas von Umkehr gesagt? Will er die Hartz-Gesetze zurücknehmen, will er Ulla Schmidt mitsamt der Gesundheitsreform und den Reformberatern in die Wüste schicken, will er tatsächlich wieder sozialdemokratische Politik machen, will er die Rentenkürzungen aufheben?"

      Will er nicht. Hat er nichts davon gesagt, der Kanzler.

      Er will nur aufhören, den Sozialabbau zu verschärfen, nicht noch mehr Einsparungen fordern. Er ist mit dem erreichten Ausmaß des Schadens zufrieden. Jetzt, will er nur noch schnell das Bundesbankgold und alles übrige Volksvermögen verkaufen und mit den Erlösen ein loderndes Feuer entzünden, an dem sich die Konjunktur erwärmen kann.

      Also doch kein Wunder? Nein, kein Wunder!

      Saulus - Paulus, das geht anders!

      Hätte Saulus seinerzeit nach seinem glimpflich verlaufenen Unfall (andere sprechen von einem Anfall) zu Protokoll gegeben, dass der inzwischen erreichte Stand der Kunst in der Christenverfolgung keiner weiteren Verbesserung mehr bedürfe und dass man bitte daran denken möge, dass jede weitere Erhöhung der Fangquoten den sowieso recht kleinen Bestand der Christenpopulation ernsthaft gefährde, so dass die Versorgung der Arenen mit frischen Christen schon bald nicht mehr gewährleistet sei, man hätte ihm den Apostel-Job sicher nicht angetragen.

      Hätte Saulus beschlossen, den christlichen Wohlstand zu fördern, indem er das Sachvermögen der Christen, insbesondere ihr Gold und Geschmeide, ihre Häuser und Grundstücke, ihre Herden und Weidegründe konfisziert und gegen einfache papierene Schuldscheine an die fettesten römischen Senatoren verkauft, die Christenheit hätte ihm vermutlich kein ehrendes Andenken bewahrt, selbst dann nicht, wenn er die Schuldscheine Roms anschließend zur Belebung des christlichen Handels als "Geld" in Umlauf gebracht hätte.



      Schröders Manöver ist durchsichtig.

      Die Parteibasis, die sich inzwischen auch von Münteferings einsamem Eiertanz um die Ausbildungsplatzabgabe nicht mehr einlullen lässt, musste - gerade im Zusammenhang mit den Unwägbarkeiten der EU-Osterweiterung - dringend beruhigt werden. Das ist wieder einmal für ein paar Tage gelungen, diesmal halt mit Zuckerbrot, statt mit der Basta-Peitsche.

      Dass damit gleichzeitig der rhetorische Abstand zum politischen Gegner endlich wieder einmal von der Regierungsseite her vergrößert wurde, was durchaus helfen könnte, das weitere Abdriften der Republik nach rechts zu verlangsamen, war dabei sicherlich ein nicht ganz unerwünschter Nebeneffekt.

      Dass in Wahrheit aber kein wirklich spürbarer Kurswechsel zu erwarten ist, das durfte der Kanzlerfreund und konzeptionelle HalPierer der Arbeitslosenzahl, Peter Hartz beweisen. Mit seiner pünktlich zum 1. Mai, zur EU-Osterweiterung und zur Kanzlerwende in die Welt gesetzten Ankündigung, VW müsse seine Personalkosten um dreißig Prozent senken, sonst könnten die Arbeitsplätze in Deutschland nicht gehalten werden, hat er gezeigt, was Kanzlerworte wert sind, solange sie den Interessen von Wirtschaft und Kapital zuwiderlaufen.


      Nachtrag, 3. Mai

      Sturm im Wasserglas

      Angela Merkel glaubt, ein Wachstum auf Pump sei ein "Gebäude, das auf Sand errichtet ist".
      Friedrich Merz wird vom kalten Grausen gepackt und wettert, wir würden von Hobby-Ökonomen regiert. In Bayern freut sich Stoiber einmal mehr, dass er nicht Kanzler geworden ist und Guido Westerwelle vertritt die üblichen Standpunkte.

      Das ist der Regierung unheimlich und so wird emsig zurück gerudert. Alles geht so weiter, wie es angefangen wurde, nur der Haushalt wird zwischenzeitlich konsolidiert und dafür hat man nur ein paar neue kreative Formulierungen ausprobiert, aber am Reform- und Sparkurs läßt da heute keiner mehr rütteln.

      Weil die ziemlich unverständliche Auffassung, Wachstum könne herbeigespart werden, trotz aller entsetzlichen Zwischen-Ergebnisse bisherigen Sparens in den Köpfen unseres politischen Führungspersonals fester verankert scheint, als ausgehärteter Beton, hier noch einmal der Verweis auf einen immer noch höchst aktuellen Aufsatz aus dem Dezember 2002.

      Wachstum herbeisparen? Paradox, oder paranoid?

      Oder vielleicht doch sowohl als auch?
      Avatar
      schrieb am 03.05.04 20:00:08
      Beitrag Nr. 1.604 ()
      EU-Osterweiterung: nichts zu feiern

      Heute treten zehn mittel- und osteuropäische Staaten der Europäischen Union bei, und es fällt auf, daß die überall stattfindenden Feiern Projekte der Eliten sind, genau wie die EU selbst: Politiker feiern, Brüssel ist eine Party-Zone, aber wo feiert das Volk, außer wenn es kostenlos etwas zu essen gibt? Auch der BWL-Bote findet keinen Grund zum Feiern, aber macht sich dafür Gedanken über die langfristige Bedeutung der Erweiterung. Von dem Beitrag gibt es auch eine druckerfreundliche PDF-Version.

      http://www.bwl-bote.de/20040501.htm
      Avatar
      schrieb am 03.05.04 20:15:48
      Beitrag Nr. 1.605 ()
      Regionales Geld für ein Europa der Regionen

      Norbert Rost 03.05.2004

      Regionalwährungen könnten vor den negativen Globalisierungsfolgen schützen und die regionale Wirtschaft stärken




      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/17289/1.html



      Die Globalisierung hat ja nicht nur schlechte Seiten, wenn man dabei z.B. daran denkt, dass man heute in Europa arabische Fernsehsender sehen kann, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Aber wirtschaftlich gesehen ist die Globalisierung eine Katastrophe. Überall fehlt plötzlich das Geld, eine Wirtschaftskrise zieht ihre Bahnen. Doch wenn überall das Geld fehlt, weil es sich in Zeiten der Globalisierung überall auf der Welt rumtreiben kann, warum macht man dann nicht sein eigenes Geld? Auf diesen Trichter sind derzeit über 40 Initiativen in Deutschland gekommen und arbeiten an regionalen Komplementärwährungen, um vor allem ihre eigenen Regionen zu stützen und dabei doch an etwas zu arbeiten, was größer ist als das.

      --------------------------------------------------------------------------------

      Es beherrscht der Obolus seit je her unsern Globulus.
      Mit andren Worten: Der Planet sich primär um das Eine dreht.
      Drum schaffe, schaffe, Häusle baue, Butterbrot statt Schnitzel kaue,
      denn wer nicht den Pfennig ehrt, der wird nie ein Dagobert!
      Erste Allgemeine Verunsicherung, "Geld oder Leben"




      Der Osten wird veröden, der Niedergang holt auch den Westen ein. Hamburg ist pleite, Berlin sowieso. Die Kulturstadt Dresden streicht die Kultur, andere Städte cross-boarder-leasen ihre Infrastruktur. Was aber wollen wir streichen und verkaufen, wenn wir alles gestrichen und verkauft haben?

      Das ist nun mal der Lauf der Zeit. Die Globalisierung brach wie eine unvorhersehbare Sintflut über uns hinein, und es ist ja nicht so, als wäre Deutschland das erste Land, welches darunter leiden würde. Unseren europäischen Nachbarn geht es nicht viel besser, also finden wir uns langsam damit ab. Und zur Globalisierung gehört es eben offenbar, dass Städte vor dem Bankrott stehen und ihre Stadträte verkaufen, was den Bürgern gehört. Sie verkaufen an irgendwelche Leute, die die Dinge nie nutzen, sondern nur haben wollen. Um damit noch mehr rauszuholen. Aber zu Investoren ist man heutzutage besser freundlich...




      So wie wir früher in Dürreperioden Götter angebetet haben, die uns Wasser schicken sollten, oder unsere Westverwandtschaft, uns Westpakete zu schicken, so beten wir heute Investoren an, die uns Geld schicken sollen. Aber es ist nicht gerade so, als hätten wir eine Wahl - wir sind nun mal hemmungslos süchtig nach ihrem Geld. Ohne ihr Geld läuft nichts, ohne ihr Geld müssen wir arbeitslos zuhause sitzen und verarmen. Es sei denn, wir machen uns unser eigenes Geld.


      Regionalgeld mit Nachhaltigkeistgebühr


      Genau das planen derzeit 40 Initiativen in Deutschland, die mit einer regionalen Komplementärwährung ihrer Region etwas Gutes tun wollen. Ihre Intention ist simpel: Wenn überall das Geld fehlt, warum nicht eigenes machen? Und wenn der Euro jederzeit global herumreist, warum ihm nicht zusätzlich eine regionale Währung gegenüberstellen? Geld, was nur in Berlin anerkannt wird, kann eben nicht nach Frankfurt, Paris, Neapel oder sonst wohin fließen, wo Euros heiß begehrtes und ewig knappes Gut sind. Und von wo die Euros den Weg immer seltener zurückzufinden scheinen.

      Eine regionale Komplementärwährung bleibt in der Region und hilft dort regionalen Wirtschaftskreisläufen, die mangels Euros schon verdächtig trockengelegt sind. Die Zahlungsmoral ist inzwischen so schlecht, dass die Bundesregierung neue Moral verordnende Gesetze vorlegen will. Als könne man verordnen, dass man Geld auszugeben hat, welches man gar nicht besitzt, weil die eigenen Kunden nämlich genau vor dem gleichen Problem stehen.

      Um zu verhindern, dass den Regionalwährungen das gleiche Schicksal wie dem Euro droht, planen die meisten Initiativen ihren "Regio" technisch anders als das zentralistisch verwaltete Zentralbankgeld aus Brüssel: Sie versehen ihn mit einer Nachhaltigkeitsgebühr. Diese Gebühr beträgt beispielsweise beim Chiemgauer 2% pro Quartal. Ist ein Quartal vorbei, so muss derjenige, der einen Chiemgauer-Schein in diesem Moment besitzt, eine Marke im Wert von 2% des Scheines kaufen und auf dafür vorgesehene Stellen auf den Schein kleben. Nur wenn diese Quartalsmarke klebt, hat der Schein seinen vollen Wert.

      Wer also Chiemgauer horten will, anstatt sie durch die Region kreisen zu lassen, der kann dies tun - hat aber entsprechende Kosten zu tragen. Wobei es nicht wirklich viel ist, alle 3 Monate 2% des Geldes abgeben zu müssen, was man grade nicht ausgegeben hat. Trotzdem ist damit sichergestellt, dass es zu keiner Regio-Knappheit durch Geldhortung kommen kann. Das System kontrolliert sich dabei selbst, völlig dezentral: Da jeder Teilnehmer erwarten muss, dass er bei fehlender Marke selbst die Gebühr zu tragen hat, achtet jeder darauf, dass die Scheine, die er annimmt, mit den entsprechenden Marken versehen sind.




      --------------------------------------------------------------------------------

      Ach, ach was...
      Es ist vom Volksmund eine Linke, dass das Geld gar übel stinke.
      Wahr ist vielmehr: Ohne Zaster beißt der Mensch ins Straßenpflaster.

      Es sagt das Sprichwort: "Spare, spare, denn dann hast Du in der Not."
      Der eine spart, kriegt graue Haare, der andre erbt`s nach seinem Tod.
      Dollar, D-Mark, Schilling, Lire, Rubel, Franken oder Pfund:
      Die Vermehrung unsrer Währung ist der wahre Lebensgrund.

      Erste Allgemeine Verunsicherung, "Geld oder Leben"




      "Wissenschaft, um aus viel Geld noch mehr Geld zu machen, ist in meinen Augen ein hohles Programm", wurde Ulf Merbold kürzlich in Telepolis zitiert. Ihm sei versichert, dass genau dies mit solch einem Regiogeld schwieriger wird. Zwar kann man solch gebührenbehaftetes Geld weiterhin sparen, aber man wird wohl keine geldvermehrenden Zinsen erwarten dürfen. Man wird wohl eher froh sein, wenn man jemanden findet, der einem den aus den Fingern rinnenden Regio für 0% Zinsen abnimmt.

      Um Sparen möglich zu machen, arbeitet man im Chiemgau derzeit zusammen mit der Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken ( GLS) an einem Konzept für Bank-Funktionalitäten. Dass Regiogelder auch für regionale Bankinstitute und Sparkassen interessant sein könnten, zeigt die Sparkasse Delitzsch (bei Leipzig). Diese ließ sich soeben ein Gutachten über die Regiowährungen erstellen, bei dem für die juristische Seite der ehemalige sächsische Innenminister Klaus Hardrath und für die wirtschaftliche der Unternehmensberater Hugo Godschalk verantwortlich waren. Dass das Ergebnis positiv ausfiel, führte im Münchner Stadtrat zu einem Antrag, entsprechende Möglichkeiten auch für München auszuloten.


      Wie die Region sich selbst helfen kann


      Im zwei Autostunden von München entfernten Prien am Chiemsee fand im März der 2. Regiogeldkongress statt, bei dem zu erfahren war, wie die teilnehmenden Unternehmer im Chiemgau nach über einem Jahr vorsichtiger Versuchszeit das Projekt bewerten.

      Was anfänglich als Spielerei angesehen wurde hat inzwischen dazu geführt, dass im Kleinen neue Wirtschaftskreisläufe entstanden sind. Eine Käserei, die bislang immer nur überregional belieferte, hat plötzlich in der Nachbarschaft neue Kunden gefunden - und bezahlt die eigenen Lieferanten zum Teil mit den eingenommenen "Chiemgauern". Die Nachhaltigkeitsgebühr sehen die Unternehmer eher als äußerst geringe Werbekosten an - sie sind steuerlich absetzbar, genau wie jeder Chiemgauer gegenüber dem Finanzamt genauso bewertet wird, als hätte der Handel in Fremdwährung stattgefunden. Bei einem Kurs von 1:1 zum Euro taucht jeder Chiemgauer also genau gleichwertig zu einem Euro in den Büchern auf.

      Haben Unternehmen mehr Einnahmen in "Chiemgauer" als sie bei eigenen Einkäufen ausgeben können, so ist ein Umtausch bei der Chiemgauer-Dezentralbank jederzeit gegen eine Rücktauschgebühr von 5% möglich. Die Gebühren finanzieren zum einen die Tätigkeiten der Dezentralbank - im Chiemgau ein Schülerunternehmen unter Anleitung ihres Wirtschaftslehrers - als auch lokale gemeinnützige Vereine. Diese treten als Multiplikatoren für das Projekt auf und verkaufen die Chiemgauer zu einem Kurs von 1:1 an ihre Mitglieder oder andere Interessenten. Die Chiemgauer haben die Vereine vorher 3% billiger von der Dezentralbank erhalten und können die Differenz zur eigenen Finanzierung nutzen. Bezahlt wird diese Differenz von der Rücktauschgebühr derjenigen, die Chiemgauer in Euro zurücktauschen wollen. Somit werden indirekt noch Vereine gefördert, die sich für gesellschaftliche Belange einsetzen. Diese wiederum helfen, das Projekt in Gang zu halten.

      Und so hilft sich die Region eben selbst. Die Gebühr sorgt zudem dafür, dass die Regios in der Region kreisen und eben möglichst nicht wieder durch Rücktausch in die globale Währung "Euro" in der Versenkung verschwinden.


      In Form von Bonusprogrammen gibt es bereits zahlreiche Komplementärwährungen


      Eine Regionalwährung, die wie der Chiemgauer konzipiert ist, versorgt also nicht nur die Region mit frischen Tauschmitteln für die Wirtschaft, sie fördert zugleich gesellschaftlich nützliche Aktivitäten und verhindert die Gewinnerzielung durch den bloßen Besitz von Geld - kein besonders kapitalistisches Geld, dieser Regio. Dies führt nicht selten zu der Frage, wie lange es dauern wird, bis findige Juristen damit beauftragt werden, Gesetze auszugraben, welche gegen die Regios ausgelegt werden können.

      Sollte es dazu kommen, steht ernsthaft die Sinnhaltigkeit entsprechender rechtlicher Grundlagen in Frage - schließlich wird ja sonst immer nach der Eigeninitiative der Menschen gerufen. Um sich trotzdem rechtlich abzusichern, wurde im Chiemgau extra ein Verein gegründet, dem jeder kostenlos beitreten kann, um die Chiemgauer rechtlich problemlos zu nutzen.

      Zudem wird immer wieder darauf verwiesen, dass Komplementärwährungen im geschäftlichen Bereich seit langem schon gang und gäbe sind: Punkte von Bonusprogrammen, wie die Prämien-Meilen der Fluglinien, werden seit langem als Zahlungsmittel für alle möglichen Produkte akzeptiert. Sie stellen somit ein privates, komplementäres Zahlungsmittel der ausgebenden Firma dar. Was spricht dagegen, wenn Regionen das gleiche Recht in Anspruch nehmen, wie es global operierenden Firmen gewährt wird?

      Hinzu kommt, dass der Verfassungsrechtler Dieter Suhr bereits 1983 in seinem Buch "Geld ohne Mehrwert. Entlastung der Marktwirtschaft von monetären Transaktionskosten" darauf hinwies, dass unsere heutige Geldordnung verfassungsrechtlich bedenklich ist, sollte es praktikable Alternativen geben. Das liegt sicher auch daran, dass unser heutiges Geldsystem Krisenauslöser ist. Der Euro ist genau wie die meisten anderen großen Währungen der Welt so konzipiert, dass er zugleich Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel ist.

      Diese Geldfunktionen widersprechen sich jedoch: Wenn zu viele Wirtschaftsteilnehmer Gebrauch von der Wertaufbewahrungsfunktion machen, also Geld dem Kreislauf entziehen, so steht entsprechend weniger Geld als Tauschmittel bereit. Dies kann zu einer Wirtschaftskrise aufgrund von Geldknappheit führen. Diesem Punkt stimmte auch Prof. Dr. Vincenz Timmermann von der Universität Hamburg zu, der am 20. April auf einer Veranstaltung in Dresden zum Thema "Vom Taler zum Euro. Geldsysteme gestern und heute" referierte. Von der Idee der Regiogelder hält Prof. Dr. Timmermann trotzdem nicht viel. Geld muss knapp sein, so der Professor. Jedoch ist sich die Riege der Volkswirte in diesem Punkt alles andere als einig.

      "Die Grenzen des Wachstums" von Dennis L. Meadows, der inzwischen berühmte Bericht an den Club of Rome, könnte heutzutage als eines der ersten modernen globalisierungskritischen Bücher betrachtet werden. Meadows hat jedoch einen wichtigen Teil des Wirtschaftens unbeachtet gelassen. Ein Teil, der sich 1972 vielleicht wirklich noch neutral gegenüber der Realwirtschaft verhielt, der sie aber heute eher dominiert: Das Finanzsystem. "Wie wir wirtschaften werden" von Harald Klimenta und Stefan Brunnhuber aus dem Ueberreuter-Wirtschaftsverlag ist ebenfalls Teil eines Berichts an den Club of Rome geworden und holt nach, was bei Meadows fehlt.

      Das Buch befasst sich mit "Szenarien und Gestaltungsmöglichkeiten für zukunftsfähige Finanzmärkte" und bemerkt neben grundsätzlichen Analysen des heutigen Finanzsystems, dass lokale Komplementärwährungen und Barterhandel (geldloser Handel) sinnvolle Ergänzungen der etablierten Wirtschaftswelt darstellen. Wesentlich detaillierter wird das Thema Regiogeld im neuen Buch von Bernard Lietaer und Margrit Kennedy namens "Regionalwährungen" behandelt, welches zum Regionalgeldkongress im Riemann-Verlag erschien.

      Kennedy hat auch dabei geholfen, das Regionetzwerk aus der Taufe zu heben. Dieses Netzwerk soll nicht nur die regionalen Initiativen zusammenbringen, sondern auch für die Umsetzung sinnvoller Qualitätsstandards im Bereich der Regionalwährungen sorgen.


      --------------------------------------------------------------------------------

      Der Mammon, sagt man, sei ein schnöder, doch ohne ihn ist`s noch viel öder.
      Im Westen, Osten oder Süden überleben nur die Liquiden.
      Ohne Rubel geht die Olga mit dem Iwan in die Wolga,
      Für Karl-Otto gilt dasselbe: Ohne Deutschmark in die Elbe!
      Wenn Achmed keine Drachmen hat, lutscht traurig er am Dattelblatt,
      es macht Umberto ohne Lire mit Spaghetti Harakiri.
      Hat der Svensson keine Öre, ächzt von dannen seine Göre,
      nimmt man mir den letzten Schilling, hab auch ich kein gutes Feeling.

      Erste Allgemeine Verunsicherung, "Geld oder Leben"




      Bei einem Erfolg der Regionalgelder müsste sich auch der Siemens-Betriebsrat weniger sorgen um eine mögliche Abwanderung des Konzerns machen. Würde Siemens seine Produkte nur noch in Südostasien herstellen, in Europa aber nicht mehr Euro, sondern beispielsweise "Chiemgauer", "Elbtaler" oder "Haveltaler" erzielen, so wäre das Unternehmen gezwungen, diese Währung auch dort wieder zu investieren, wo es sie erlöst hat. Nur bei global integrierten Währungssystemen ist Kaufkraft in beliebige Länder transferierbar.


      Kommt bald der "Berliner"?


      Diese (fehlende) Funktionalität des Regios wirft den Großkonzernen kurzfristig Knüppel zwischen die Beine, wird aber selbst ihnen langfristig nützen: Denn an wen wollen Siemens & Co. in einigen Jahren in Europa ihre Produkte verkaufen, wenn hier keine Jobs mehr existieren, die die Arbeitnehmer auch zu entsprechend zahlungskräftigen Kunden machen? Zum Kunde kann nur werden, wer zuvor Geld verdienen durfte - was in Europa unmöglich wird, wenn alle Firmen "aus Kostengründen" wegziehen. Und wenn Siemens seine Produkte auch in Südostasien verkaufen will, so kann das Unternehmen dort gerne zusätzliche Arbeitsplätze schaffen und so die globale Wertschöpfung steigern, ohne sich selbst zu kannibalisieren: Global denken, lokal handeln!

      Während in Gießen und im Ruhrgebiet also der Justus rollt, in Bremen der Bremer Roland, im Chiemgau der (bald auch elektronisch mit EC-Karte nutzbare) Chiemgauer und in Genthin der Zweitgroschen, können vielleicht unsere Parlamentsabgeordneten in Berlin bald mit dem Berliner zahlen und damit an einem Projekt teilnehmen, welches nicht von oben verordnet, sondern von unten gewachsen ist.

      Und schon schwirrt eine Vision herum, in der nicht mehr von Nationen in Europa, sondern von einem "Europa der Regionen" die Rede ist - geformt von regionalen Wirtschaftskreisläufen und abseits von den Launen profitgieriger Großkonzerne.




      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/17289/1.html
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      schrieb am 03.05.04 20:28:19
      Beitrag Nr. 1.606 ()
      Avatar
      schrieb am 03.05.04 20:35:42
      Beitrag Nr. 1.607 ()
      Hartz fordert flexible Löhne

      VW will Arbeitskosten drücken




      Frankfurt a. M. · 2. Mai · rtr/fr · Europas größter Autokonzern Volkswagen muss nach Ansicht von Personalvorstand Peter Hartz in Deutschland bis zum Jahr 2011 die Arbeitskosten um 30 Prozent verringern. In einem Gespräch mit dem Spiegel forderte Hartz eine stärkere Flexibilisierung bei Arbeitszeit und Entlohnung. So sollen künftig rund 30 Prozent des Lohns an das Unternehmensergebnis gekoppelt werden.

      Überstundenzuschläge dürfe es erst von der 40. Arbeitsstunde an geben. Mit Blick auf die am 10. Mai startenden Verhandlungen über einen neuen VW-Haustarif verlangt Hartz erneut eine "demographische Arbeitszeit": Beschäftigte sollen in jüngeren Jahren mehr und im Alter weniger arbeiten. Ein weiterer Vorschlag sieht vor, dass sich die Arbeitnehmer an den Kosten für ihre Weiterbildung beteiligen. Im Gegenzug will Hartz die 176 000 VW-Arbeitsplätze in Deutschland garantieren.

      Die IG Metall will den Vorschlägen eigene Konzepte und Forderungen entgegenstellen. Eine "gewinnabhängige Bezahlung" lehnt die Gewerkschaft ab.

      Volkswagen konnte im ersten Quartal nur dank seiner Finanzsparte einen Verlust vermeiden. Der Reingewinn brach wegen der schwachen Autokonjunktur und hoher Kosten für neue Modelle um 90 Prozent auf 26 Millionen Euro ein.



      DRUCKEN VERSENDEN LESERBRIEF
      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 03.05.04 20:47:45
      Beitrag Nr. 1.608 ()
      Ausland
      Hans Peter

      Computersklaven

      Weltweit werden immer mehr PC in Entwicklungsländern gefertigt – unter erbärmlichen Bedingungen

      (wollen Großunternehmen die gleichen Bedingungen in Deutschland haben?
      man will ja wettbewerbsfähig bleiben! Die sollen die Bedingungen dort ändern und nicht hier)

      Über Computer und die schöne neue Welt des World Wide Web gibt es viele Berichte. Wenig zuverlässige Informationen dagegen gibt es über deren Herstellung. Dieser Frage ging eine aktuelle Studie nach, die von der katholischen Organisation CAFOD erstellt wurde. »Säubere deinen Computer – Arbeitsbedingungen in der Elektronikindustrie« lautet der Titel. Entstanden ist sie durch Befragung von Beschäftigten in der Computerindustrie, vor allem in Mexiko und China.

      Die Elektronikbranche ist heute der weltweit am stärksten globalisierte Industriezweig, so CAFOD. Mehr als ein Drittel aller Elektronikexporte stammt dabei aus Entwicklungsländern. Nicht mehr Rohstoffe und Agrarprodukte, sondern Elektronikprodukte sind heute deren größte Devisenbringer. Alle derartigen Exporte der Drittweltländer beliefen sich im Jahr 2000 auf 450 Milliarden US-Dollar. Das waren mehr als alle Agrarexporte und fast dreimal so viel wie die Textilexporte der sogenannten Dritten Welt.

      Weltweit wurden 2002/2003 laut CAFOD etwa 138 Millionen Computer verkauft. Davon entfielen 40 Prozent auf die drei größten Konzerne Dell, Hewlett Packard und IBM. 4,8 Prozent erreichte Fujitsu Siemens.

      »Viele Stufen der Produktion von Computern werden von niedrigqualifizierten, niedrigbezahlten Arbeitskräften ausgeführt – die meisten davon Frauen – in Entwicklungsländern«, so die Studie. CAFOD macht für diese Arbeitsbedingungen vor allem die großen PC-Konzerne verantwortlich, die durch ihre Preis- und Kostenvorgaben für die von ihnen beherrschten globalen Produktionsketten extreme Arbeitsbedingungen und Niedrigstlöhne erzwingen. Ständige technologische Neuerungen, Preissenkungen und damit verbunden extreme Schwankungen der Nachfrage kennzeichnen die Branche schon lange. Enormer Druck auf die Beschäftigten ist eine der Folgen. CAFOD zitiert einen der Gründer von Intel: »Keine Gewerkschaften in der Firma zu haben ist essentiell für das Überleben unserer meisten Firmen«. Das Zitat dürfte typisch sein für die Branche.

      Elektronikprodukte machen heute beispielsweise 53 Prozent aller Exporte Malaysias, 13 Prozent aller Ausfuhren Indonesiens, 26 Prozent der Exporte von Thailand und 63 Prozent der der Philippinen aus. Selbst Südkorea exportiert vor allem Elektronik. Auch Mexikos Hauptexportprodukt ist nicht mehr Öl, sondern Elektronik.

      Eines der Produktionszentren in Mexiko ist die Region um Guadalajara. 1998 ließ IBM hier 800 000 Computer fertigen. Im Jahr 2000 kamen 60 Prozent aller IBM-Laptops aus Mexiko. Das IBM-Produktionssystem bestand lange Zeit darin, alle wichtigen Räume in IBM-Fabriken an Zulieferfirmen zu vermieten. Das erlaubte dem Konzern, alle Risiken auf die Zulieferer abzuwälzen, die ihrerseits die Beschäftigten mit Drei-Monats-Verträgen von Leiharbeitsfirmen bekamen. Von den real zeitweise 7 000 Beschäftigten in der IBM-Niederlassung Guadalajara waren so nur 500 tatsächlich bei IBM beschäftigt, der Rest Leiharbeiter. Deren Wochenlöhne lagen 2003 zwischen 50 und 100 US-Dollar. Nur bei extremen Überstunden wurde der gesetzliche Mindestlohn von 100 Dollar wöchentlich erreicht. Die Beschäftigten sind vor allem junge Frauen zwischen 18 und 25 Jahren. Fast alle Arbeitsverträge sind extrem kurz, 28 Tage bis maximal drei Monate. Obwohl das mexikanische Arbeitsrecht mehrere Leiharbeitsjobs hintereinander nicht erlaubt, arbeiten Beschäftigte manchmal jahrelang auf Grundlage von solchen Verträgen.

      Noch schlechter sind die Arbeitsbedingungen und Löhne in China. »Wenn sich zwischen Dongguan und Hongkong der Verkehr staut, leidet der Welt-Computer-Markt«, wird der stellvertretende Asienleiter von IBM zitiert. 22 Prozent der Exporterlöse Chinas kamen 2002 aus dem PC-Geschäft. China ist auf dem Weg zur »Welt-Computer-Fabrik«, so CAFOD.

      In den Fabriken um Dongguan nahe Hongkong, werden inzwischen fast alle wichtigen Teile von Computern produziert. Elfstundenschichten sind die Regel, so CAFOD. Der gesetzliche Mindestlohn beträgt umgerechnet 54 US-Dollar im Monat. Bei »normaler Arbeitszeit« werden nur 36 bis 37 Dollar bezahlt. Nur mit vielen Überstunden ist der Mindestlohn zu erreichen. Viele Beschäftigte haben sich, um aus ihrem Dörfern in die Fabrik zu kommen, bei Jobvermittlern verschuldet. Diese Schulden werden sie nun nicht wieder los.

      CAFOD nennt zahlreiche Beispiele für extreme Arbeitsbelastung. So mußte ein Beschäftigter 300 Tastaturen pro Stunde fertigstellen, ein anderer in jeder Stunde 150 Monitore auf Funktionstüchtigkeit prüfen. Vergiftungen beim Umgang mit gefährlichen Stoffen und Verletzungen sind weit verbreitet, die Arbeitssicherheit ungenügend.

      Die Studie endet mit der Forderung an die PC-Konzerne, aber auch an die Regierungen, endlich die ILO-Kernarbeitsnormen wie das Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit, das Recht auf freie Bildung von Gewerkschaften, Streikrecht, und das Verbot von Diskriminierungen anzuerkennen und auf ihre weltweite Einhaltung zu drängen – sowohl bei den Markenherstellern, aber auch bei allen Zulieferern. Bis zur Verwirklichung dieser Forderungen, das macht die Studie deutlich, ist es noch ein weiter Weg.
      :mad: :mad:
      * Quelle: Clean up your computer. Working conditions in the electronic sector. A CAFOD-Report, download unter: www.cafod.org.uk

      http://www.jungewelt.de/2004/05-04/010.php
      Avatar
      schrieb am 03.05.04 20:49:13
      Beitrag Nr. 1.609 ()
      Inland


      SPD und Bundesregierung dementieren

      Keine spektakuläre Abkehr vom »Konsolidierungskurs« und dem damit verbundenem Sozialkahlschlag


      Die SPD tritt dem Eindruck eines Kurswechsels in der Haushalts- und Finanzpolitik entgegen. Es werde daran festgehalten, einerseits den Haushalt zu konsolidieren und andererseits Wachstum zu fördern, sagte SPD-Chef Franz Müntefering nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei am Montag in Berlin. »Es gibt keinen Anlaß dafür, von diesem Kurs zur einen oder anderen Seite spektakulär abzuweichen«, betonte der Parteivorsitzende. Es gehe nicht, »bedingungslos Schulden zu machen«, fügte er hinzu. Es gebe jedoch auch keine Konsolidierung der Staatsfinanzen ohne Wachstum, machte Müntefering deutlich. Er unterstrich, daß auch der Europäische Stabilitätspakt zugleich auf Stabilität und Wachstum abziele.

      Auch Finanzminister Hans Eichel dementierte Berichte über eine Abkehr von der Haushaltssanierung. Ziel sei, die Euro-Stabilitätskriterien nächstes Jahr wieder zu schaffen und dennoch die Konjunkturerholung zu unterstützen, erklärte er. Alle Berichte über ein Ende der »Sparpolitik« seien frei erfunden. Noch am Wochenende hatten Regierungskreise bestätigt, die Koalition gebe ihren »Sparkurs« auf.

      CDU-Chefin Angela Merkel zeigte sich »erschüttert« über den »Zickzack-Kurs« der Regierung. Sie forderte Schröder auf, noch diese Woche Klarheit über seine künftige Wirtschafts- und Haushaltspolitik zu schaffen. Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz sprach von einem »Rückfall in die 70er Jahre«, mit dem sich »Rot-Grün« über die Runden zu retten versuche. Die Regierung plane offenbar den »Versuch, die Sparbücher unserer Kinder zu plündern«. Mit Blick auf Außenminister Joseph Fischer, der eine befristete Aufgabe des Sparkurses verlangt hatte, beklagte Merz, daß jetzt für die Wirtschaftspolitik »ein Hobby-Ökonom« zuständig sei. (ddp/AP/jW)
      http://www.jungewelt.de/2004/05-04/013.php
      Avatar
      schrieb am 03.05.04 21:14:29
      Beitrag Nr. 1.610 ()
      Der Passus "geduldig warten" steht zur Disposition

      von Jochen Steffens

      Die Analystenmeute hat sich zum großen Teil darauf geeinigt, dass Alan Greenspan morgen nach der Fed Sitzung die Wörter "geduldig warten" aus der üblichen Fed-Litanei streichen wird. Genau wie ich geht kaum jemand davon aus, dass die Zinsen bereits morgen erhöht werden. Obwohl, und das möchte ich betonen, obwohl es eigentlich vernünftig wäre das zu tun. Eine kleine Zinserhöhung um 25 Basispunkte wäre die geeignete Reaktion auf die anziehende Inflation. Dann die Märkte wieder beruhigen, mit dem Satz, wir werden nun erst einmal "geduldig abwarten", wie sich diese Erhöhung auswirkt, bevor wir weitere Schritte unternehmen.

      Eine saubere Lösung. Der Zinsschritt nimmt etwas den Inflationsdruck, zumindest psychologisch. Die Märkte habe den Zinsschritt in ein, spätestens zwei Tagen eingepreist und freuen sich dann darauf, dass die Zinsen nun wieder eine Zeit lang niedrig bleiben. Nichts hindert sie mehr daran, weiter zu steigen ... Die perfekte Lösung.

      Aber, ich vermute – leider – die Notenbank wird die Märkte noch etwas weiter in Ungewissheit lassen und damit die Inflation noch ein wenig anheizen. Die Gründe habe ich hier hinreichend dargelegt.

      Man könnte sogar so verwegen sein, zu behaupten, hebt die Fed die Zinsen nicht, kann man das als "Anscheinsbeweis" dafür nehmen, dass die Fed die Absicht hat, eine Inflation zu initiieren. Ich bin also durchaus gespannt, was die Jungs von der Fed morgen verlautbaren lassen.

      Interessant und bestätigend, dass auch Warren Buffett am Wochenende in Omaha auf dem "Woodstock der Aktionäre" auf die Möglichkeit zu (eventuell sogar sprunghaft) steigenden Zinsen und einer Inflation hinwies und dabei nach wie vor von einer Abwertung des Dollars ausgeht.

      Generell ist durch die fallenden Kurse der letzten Tage natürlich schon ein gestrichenes "geduldig warten" eingepreist, so dass, wenn dieses Ereignis so eintritt, eher mit steigenden Märkte zu rechnen ist. Dann würde die Seitwärtsbewegung fortgesetzt werden. Der einzige Unterschied: Die Amplitude hätte sich zumindest im Dax etwas vergrößert.

      Lässt die Fed hingegen den Wortlaut unverändert, würde die Märkte wahrscheinlich in Feierstimmung geraten, vielleicht dann die Jahreshochs brechen und den Ausverkauf starten. Das sind die Szenarien.

      "Seitwärts" bleibt also im Moment weiter favorisiert. Lassen wir uns überraschen.

      Zu einem anderen Thema – einem Thema, bei dem sich mir die Nackenhaare sträuben. Der Börsengang von Google. Haben wir es wieder? Ist es wieder soweit? Wenn ich Dinge lese, dass Google aus dem Start einen Marktwert von 20 oder 30 Milliarden haben soll, das entspricht so in etwa dem von BMW, dann könnte ich verzweifeln.

      Noch ist es ja nicht geschehen, aber wenn, dann frage ich mich (obwohl ich mich das sowieso schon häufiger an der Börse gefragt habe): Lernt der Mensch eigentlich nie aus der Vergangenheit oder seinen Fehlern?

      Google ist eine reine Internetsuchmaschine, zwar einer der beliebtesten, aber dann doch nur eine Suchmaschine. Es gibt immer wieder Versuche, die Monopolstellung von Google zu unterwandern, von Yahoo, von Microsoft etc. Aber abgesehen davon: Google ist mit dieser Emission auf jeden Fall nicht eine Perle, die nach ihrem Börsengang nur weiter steigen kann, wie Ebay, Yahoo oder Mircrosoft es einmal waren. Dafür fängt sie im Prinzip schon zu hoch an. Und ob die Zahlen so vielversprechend sind?

      Im letzten Jahr hat sich nach Angaben von Google der Umsatz zwar auf 962 Mio. Dollar verdreifacht, aber der Gewinn stieg lediglich um 6 % auf 106,5 Mio. Euro.

      Aber das ist auch nicht wirklich das Nervige. Viel nerviger ist: Die Euphorie ist wieder da. Heißen wir sie willkommen, lehnen uns zurück und erinnern uns, wie viele Anleger mit solchen IPO`s im Nachhinein viel Geld verloren haben. Und wenn man ein wenig länger an den Börsen weilt, hat man die Erfahrung gemacht: Euphorie ist der schlechteste Ratgeber an den Börsen, direkt gefolgt von der "Angst". Nicht umsonst heißt es: "Verkaufe deine Euphorie und kaufe deine Angst!"

      Andererseits gefällt es mir, wie die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page mit der Finanzwelt umgehen. Dazu vielleicht in einer späteren Ausgabe mehr.

      Ach sieh da, wie ich gerade erfahre, hat Warren Buffett in Omaha sich auch zu Google geäußert, er werde sich nicht daran beteiligen. Er bezeichnet Google zwar als sehr interessantes Phänomen und eine ausgezeichnete Geschäftsidee, aber der mögliche Emissionspreis sei zu hoch.


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      US-Konjunkturdaten

      von Jochen Steffens

      Der ISM Index des verarbeitenden Gewerbes notiert bei 62,4. Erwartet wurde der Index bei 62,5 bis 63,0 nach zuvor 62,5. Damit liegt der Wert etwas unter den Erwartungen. Das sollte die Märkte eigentlich freuen. Das kurz vor der Fed Sitzung gibt etwas weniger Anlass zur Sorge einer Zinserhöhung. Das treibt wohl die ersten Zocker in den Markt.

      Die Bauausgaben sind um 1,5 % auf 944,1 Mrd. US-Dollar gestiegen. Erwartet wurde ein Anstieg um 0,2 bis 0,6 % nach zuvor 0,4 % (revidiert von –0,1 %). Ich befürchte nun sind wir langsam am Ende der Immobilienblase angekommen. Ich bilde mir ein, eine "Überdehnung" zu erkennen, ein Effekt der kurz vor dem Platzen auftritt. Aber, natürlich ist es viel zu früh darauf zu setzten. Wenn diese Blase platzt, bleibt noch viel Zeit, darauf zu reagieren. Der unüberwindbare Wunsch, genau das Tief oder das Hoch zu treffen, hat schon viele Trader ruiniert.



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      Goldene Gelegenheiten ...

      von Martin Weiss

      In der letzten April-Woche mußten die deutschen Standardwerte bisweilen herbe Kurseinbußen hinnehmen. Am Freitag fiel der Dax gar unter die 4000-Punkte-Marke. Gewiß, noch hält sich der deutsche Leitindex knapp über dem wichtigen Widerstand von 3980. Charttechnisch betrachtet deutet aber vieles darauf hin, daß ein Ausbruch gen "Süden" unmittelbar bevorstehen könnte. So haben es die "Bullen" nicht vermocht, den Dax auf neue Jahreshochs zu "treiben". Insofern fehlte schlichtweg die Aufwärtsdynamik. Angesichts der fundamentalen Lage ist es ohnehin fast schon ein Wunder, daß sich der Aktienmarkt bisher noch gut behauptete.

      Nicht zuletzt die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute mußten im Frühjahrsgutachten die Wachstumsprognose für das Jahr 2004 auf 1,5 Prozent nach unten korrigieren. Von Aufbruch- bzw. Aufschwungstimmung kann keine Rede sein. Im Gegenteil, die deutschen Verbraucher sind verunsichert, die weiterhin sehr schwache Binnennachfrage bleibt die Achillesferse. Insofern wird es in den nächsten Wochen extrem spannend werden, wie sich die Einnahmesituation der öffentlichen Kassen bzw. Sozialversicherungen darstellt. Sollte sich die Haushaltslage des Staates bzw. der sozialen Sicherungssysteme weiter verschlechtern, so könnte die Regierung möglicherweise zu Notmaßnahmen gezwungen werden.

      Dass es sich bei einer solchen Entwicklung um eine extrem gefährliche Abwärtsspirale handelt, sollte klar sein. Und daß "historisch Interessierten" in diesem Kontext zumindest gewisse Ähnlichkeiten bzw. Analogien zur Weimarer Republik in den Sinn kommen, braucht auch nicht näher erläutert zu werden.

      Sicherlich, es ist beileibe nicht "zwingend", daß dieses Szenario Wirklichkeit wird. Jedoch deutet vieles darauf hin, daß es diesmal wirklich "brenzlig" werden könnte. Und sicherlich werden "mainstream"-Medien bzw. verantwortliche Autoritäten alles dafür tun, die Dramatik der Lage weiterhin nicht offen auszusprechen.

      Seien Sie also schon jetzt innerlich auf mögliche Verwerfungen vorbereitet!
      Jenseits des Atlantiks scheint zumindest das offiziell dargestellte Wirtschaftswachstum immens zu sein. Nach vorläufigen Berechnungen betrug dieses im ersten Quartal diesen Jahres 4,2 Prozent. Erwartet wurden hingegen fünf Prozent. Andererseits wurde bekannt, daß das Thema Inflation in den USA mehr denn je auf der agenda steht. Die im sog. Preisdeflator vorläufig ausgewiesene Preissteigerungsrate betrug 3,2 Prozent in den ersten drei Monaten 2004. Vor dem Hintergrund eines Fed-Zinssatzes von einem Prozent, ist es wahrlich nurmehr eine Frage der Zeit, ehe das FOMC auf diese Inflationstendenzen mit Zinserhöhungen reagieren muß! In diesem Kontext sollte auch klar sein, dass die Rentenmärkte insofern auch in Mitleidenschaft gezogen werden.

      Mit das Thema der vergangenen Woche war die herbe Korrektur der Rohstoffe bzw. des Goldpreises. Wie schon im letzten Kommentar angedeutet, sind schwache, zittrige Hände bereit, ihre Gold-Engagements auch mit Verlusten zu beenden. Sicherlich, rein charttechnisch betrachtet kann die Talfahrt des gelben Edelmetalls bis in den Bereich von 360 $ weitergehen. Fast ist man geneigt zu sagen, daß ein solch "reinigendes Gewitter" zu begrüßen ist, um Kurzfrist-Spekulanten aus der Währung Gold zu treiben. Ja, aus der Währung, die es vermochte, Kaufkraft seit über 5000 Jahren zu erhalten.

      Vielleicht ist diese momentane Korrekturbewegung eine der letzten Gelegenheiten, wertloser werdendes Papiergeld so günstig in Gold zu tauschen.

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      Ein Modell zum Immobilienmarkt

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Letzte Woche musste ich innehalten und das Wunderbare an der ganzen Sache bewundern.

      In den USA steigt das Konsumentenvertrauen weiter; aber befindet es sich nicht schon auf Halluzinations-Niveau? Das Immobilienmarkt soll heiß laufen; aber hat er den Siedepunkt nicht bereits überschritten?

      Und es wird weithin angenommen – selbst vom Fed-Vorsitzenden selbst –, dass steigende Immobilienpreise neuen Reichtum schaffen, den die Haushalte ausgeben können.

      Heute bewundere ich immer noch die Grandiosität dieser Dinge. Eine Umfrage von "Investors Intelligence" teilt uns mit, dass die Anlageberater so bullish sind wie eh und je ... die Zahl derjenigen, die mit steigenden Kursen rechnen, ist doppelt so groß wie die Zahl derer, die mit zurückgehenden Notierungen rechnen.

      Letzte Woche wurde vermeldet, dass die US-Wirtschaft um 4,1 % gewachsen ist – aber das war weniger als erwartet.

      Und USA Today berichtet, dass die Zinsen für 30jährige Hypotheken auf über 6 % gestiegen sind.

      Das erinnert daran, dass ich mir den US-Immobilienmarkt noch einmal näher ansehen wollte. Auf beiden Seiten des Atlantiks ist der Kauf von Häusern zu einer kleineren Leidenschaft geworden. Käufer und Verkäufer machen sich selber etwas vor – denn sie sind beide davon überzeugt, reich zu werden, die Preise steigen schließlich!

      Aber wenn steigende Immobilienpreise die Leute einfach so reicher machen würden, warum hat dann noch kein Politiker diese Möglichkeit ergriffen? Warum kann man dann nicht einfach die Immobilienpreise verdoppeln? Jeder Preis müsste einfach mit dem Faktor 2 multipliziert werden. Das könnte jeder leicht berechnen.

      Oberflächlich gesehen ist diese Idee absurd. Aber wenn man sich näher mit ihr beschäftigt, dann stellt man fest, dass sie dann immer noch absurd ist.

      Stellen Sie sich eine vereinfachte Nation vor, mit nur 2 Familien und 2 Häusern. Die Arbeitenden in jeder Familie stellen Schuhe her, die sie dann an eine andere Nation verkaufen.

      Wenn jedes Haus 50.000 Euro wert wäre, dann könnte jede Familie ihr Haus mit vielleicht 40.000 Euro belasten. Das Geld würde sie von einem freundlichen Banker in einem ausländischen Land erhalten. Mit diesem Geld könnte die Familie dann Dinge aus dem Ausland kaufen oder um die Welt reisen.

      Natürlich muss jeder Zinsen bezahlen ... und am Ende des Tages ... hätte die Familie mit 40.000 Euro Schulden natürlich auch 40.000 Euro weniger an Wert in ihrem Haus.

      Aber stellen Sie sich vor, dass der Preis für ein Haus nun auf 250.000 Euro steigt. Jetzt könnte jede Familie ihre Hypothek auf, vielleicht, 200.000 Euro erhöhen. Wenn sich beide Familien diesen Betrag leihen würden, dann hätten beide zusammen Schulden von 400.000 Euro. Und die müssten sie zurückzahlen. Oder anders gesagt: Der Netto-Reichtum der Nation hätte sich um 400.000 Euro verringert (unter der Annahme, dass sie das durch die Schulden erhaltene Geld verjubeln).

      Aber nein, sagen Sie vielleicht. Denn jetzt haben beide Familien ja auch wertvollere Häuser. Sie haben nur den "zusätzlichen Reichtum", der durch die Wertsteigerung der Häuser erzielt wurde, genommen ... wenn sie die Häuser verkaufen würden und damit die Schulden bezahlen würden, dann hätten sie soviel wie vorher.

      Aha, liebe(r) Leser(in). Aber das stimmt so nicht.

      Denn an wen könnten diese beiden Familien denn verkaufen, außer an sich selbst? Stellen Sie sich vor, dass beide Familien genau das tun. Sie geben sich gegenseitig 250.000 Euro. Sie bezahlen ihre Hypotheken von jeweils 200.000 Euro. Jeder hat dann 50.000 Euro übrig ... aber nein, denn es kostet ja 250.000 Euro, ein neues Haus zu kaufen! Im Endergebnis bleiben sie auf den Schulden sitzen; also genau auf dem Betrag, den sie aufgenommen und ausgeben haben. Was für eine Überraschung; es ist genau das Ergebnis eingetroffen, das man auch erwartet hätte!

      Zumindest Sie und ich würden das erwarten. Der Fed-Vorsitzende – mehr Schurke als Dummkopf – gibt vor, dass er das nicht bemerkt.

      Jetzt zu Addison mit mehr News:

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      Die Fed und die Spekulationsblasen

      von unserem Korrespondenten Addison Wiggin

      "Vielleicht hat die Fed aufgrund von falschem Alarm gehandelt", konnte ich letzten Freitag im Wall Street Journal lesen. Vergeben Sie mir, wenn ich weder Schock noch Bestürzung vortäusche.

      Laut einem Bericht, der von der Atlanta Fed veröffentlicht wurde, hat die Fed die Auswirkungen ihrer Zinspolitik auf die Mieten und Gebrauchtwagenpreise falsch eingeschätzt. Als die Fed begann, die Leitzinsen auf historische Tiefs zu senken, da ging jeder hin und kaufte ein Haus, was die Nachfrage nach Mietswohnungen verringerte. Und die niedrigen Zinsen führten dazu, dass die Autoverkäufer Finanzierungen zu 0 % anboten ... nur um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das traf den Gebrauchtwagenmarkt hart.

      Aber hier ist der schöne Teil dieser Geschichte: Greenspan und seine Leute interpretierten den Rückgang der Mieten und der Gebrauchtwagenpreise ... als weitere Hinweis für eine "zurückgehende Inflationsrate". Deshalb senkte die Fed die Zinsen weiter, um das gefürchtete "D"-Wort zu verhindern. D-D-Deflation.

      "Incroyable!" würden die französischen Mitarbeiter von Bill Bonner in Paris wohl sagen. Ein sich selbst verstärkendes wirtschaftliches Desaster ... und ich bin so froh, dass ich für diese Freak-Show einen Platz in der ersten Reihe ergattert habe. Könnte es eine bessere Zeit zur Beobachtung der Finanzmärkte geben?

      Letzte Woche bin ich in Baltimore, beim angesehenen Mount Vernon Square, in ein Café mit dem Namen "Donna`s" gegangen. Ich unterhielt mich dort mit Peter Bennett, einem neuen Freund, über Anleihen der sogenannten Emerging Markets. Peter Bennett ist Fondsmanager, Unternehmensberater und ein diversifizierender Investor. Er hat in den letzten 15 Jahren in fast allen Märkten der Welt investiert – von Kroatien über Zypern bis Indien. Er war in der Stadt, um an einem Nachtreffen seiner Universität teilzunehmen.

      Wenn es jemanden gibt, der bei den Emerging Markets die Spreu vom Weizen trennen kann, dann dieser Mann. Er weiß, wovon er spricht. Bei unserem Gespräch meinte er: "Wenn ich auf die USA dieselben Maßstäbe anlegen würde, die ich bei den Emerging Markets anlege, dann würde ich mein Geld aus den USA abziehen. Ich habe so ein Auftürmen von Schulden schon vorher gesehen. Es kommt zwar nicht jedes Mal zu einem großen Knall. Aber das Risiko ist einfach zu groß."

      Währenddessen messen die Statistiker in Washington finanzielle Transaktionen und tun so, als ob das reale wirtschaftliche Aktivität sei. Wie Sie sicherlich bereits mitbekommen haben, ist die Wirtschaft in den USA im ersten Quartal um 4,2 % gewachsen (gegenüber dem entsprechenden Vorjahreswert). "Diese Zahl war etwas niedriger als die 5 %, die viele Analysten erwartet hatten", so Martin Wolk von MSNBC, "größtenteils deshalb, weil die Inflation mit 2,5 % höher als erwartet war. Das Wirtschaftswachstum wird um die Inflation bereinigt, so dass eine höhere Inflation generell das reale Wirtschaftswachstum verringert."

      "Seit es Geld gibt, gab es immer Versuche, damit zu betrügen – indem der Edelmetallgehalt bei Münzen gesenkt wurde, durch Abwertungen, das Konfiszieren von Gold usw.", so Chris Mayer in seinem exzellenten neuen Newsletter "Capital & Crisis". "Ist das Risiko einer Inflation und eines weiteren Dollar-Rückgangs so klein, dass es eine gute Idee ist, sein Geld für 10 Jahre zu 4,4 % pro Jahr fest anzulegen (indem man US-Staatsanleihen kauft)?" Wir bezweifeln das.

      Auch der Anleihenmarkt bezweifelt das. Die Rendite der 10jährigen US-Staatsanleihen steht aktuell bei 4,5 % und damit nicht mehr weit entfernt vom temporären Hoch von 4,67 %, das am 14. August 2003 erreicht worden war. Renditen über diesem Niveau hatten wir das letzte Mal im Juli 2002 gesehen. Sollten die Anleihenkurse weiter fallen – was die Renditen wieder auf Mehrjahreshochs puschen würde – dann könnten die Kleinanleger das vielleicht endlich mal mitbekommen.

      Der Anstieg der Renditen ist beunruhigend ... für Aktionäre, für Anleihen-Besitzer und vor allem für Hausbesitzer. Denn in den USA geht es um 2,5 Billionen Dollar und 72 Millionen Menschen, wenn man vom Immobilienmarkt spricht. Die Preise für Häuser sind durchschnittlich um 50.000 Dollar gestiegen. Es geht um großes Geld.

      "Kredite waren niemals so günstig und so leicht zu erhalten", schrieb das Magazin "Economist" vor zwei Wochen. "Die durchschnittlichen kurzfristigen Zinsen in den USA, Japan und Europa befinden sich in der Nähe von historischen Tiefs, sehr zur Freude der Haushalte und Firmen, die sich wild verschuldet haben." Mein Kollege Dan Denning stimmt zu: "Angetrieben von der enormen Schulden-Maschine ( ...) sind die Preise für Häuser seit 1995 um 51 % gestiegen. Das liegt 32 Prozentpunkte über der Inflationsrate."

      Was bedeutet das alles? Ich denke, dass Jim Rogers es richtig formuliert hat: "Die künstlich niedrigen Zinsen und die rapide Kreditexpansionspolitik, die von Alan Greenspan und der Fed in Gang gesetzt wurden, haben in den späten 1990ern zur Spekulationsblase bei den US-Aktien geführt ... jetzt macht die Politik, die die Fed verfolgt, die Spekulationsblase noch schlimmer. Sie (Greenspan und die Fed) ändern sie von einer Aktienmarkt-Spekulationsblase hin zu einer Konsum- und Immobilienmarkt-Spekulationsblase. Und wenn diese Blasen platzen, dann wird es erheblich schlimmer werden ... weil viel mehr Leute betroffen sind, wenn es um Konsum und den Immobilienmarkt geht."

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      Theorien

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner in Paris

      *** Der Goldpreis ist gestiegen ... auf rund 387 Dollar.

      *** "Die Wirtschaft wächst, aber die Einkommen stagnieren", berichtet die US-Zeitung "Kansas City Star". Volkswirte suchen nach einer Erklärung. Eine wachsende Wirtschaft sollte zu einer Erhöhung der Löhne führen ... aber selbst ein Wirtschaftswachstum von 4 % scheint die Löhne nicht erhöhen zu können.

      Was stimmt da nicht? Produktivität ... Globalisierung ... Technologie – jeder Volkswirt hat da so seine eigene Theorie.

      Auch ich habe meine persönliche Einschätzung: Die Wirtschaft wächst gar nicht richtig; es hat sich nur das Tempo erhöht, in dem sie sich selbst ruiniert. Wachsende Volkswirtschaften brauchen reale Investitionen und reale Nachfrage und reale Produktion, um höhere Löhne bezahlen zu können. Eine Schein-Nachfrage – die durch die künstlich niedrigen Leitzinsen bewirkt wurde – führt nur zu Schein-Wachstum. Die Leute geben mehr Geld aus ... aber sie verdienen nicht mehr.

      *** Obwohl die Arbeiter nicht mehr verdienen, steigen die Arbeitskosten. Bloomberg teilt uns mit, dass die Kosten für einen Arbeiter im letzten Quartal um 1,1 % gestiegen sind.

      "Der größte Zuwachs bei den Lohnzusatzleistungen seit 1982", so die Schlagzeile.

      *** Während die Kosten steigen ... geht der Technologievorteil Amerikas zurück. Laut der Houston Chronicle werden mittlerweile in Korea bessere Autos hergestellt.

      *** Vor kurzem war ein besonderer Jahrestag: Am 26. April 1889 wurde (nur 6 Tage nach Hitler) einer der größten Philosophen der Welt geboren – Ludwig Wittgenstein. Mehr zu Wittgenstein im nächsten Beitrag ...


      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 03.05.04 21:17:22
      Beitrag Nr. 1.611 ()
      Avatar
      schrieb am 03.05.04 21:45:11
      Beitrag Nr. 1.612 ()
      Avatar
      schrieb am 05.05.04 16:30:49
      Beitrag Nr. 1.613 ()
      Fast 100.000 Euro aus dem Fenster geworfen
      (was soll´s blechen muss es sowieso der Steuerzahler
      und beim Thema Umweltschutz muss nur die Bevölkerung umerzogen werden. Vorbildfunktion (?)
      und Umweltschutz ade ! Herr Trittin):mad:

      Umweltminister Trittin und Verbraucherministerin Künast - nachdenklich (Foto: ddp)
      Umweltminister Jürgen Trittin und Verbraucherschutzministerin Renate Künast haben den Unmut des Bundesrechnungshofs auf sich gezogen. Von ihnen verursachte Flugkosten sind der Stein des Anstoßes. Sie sollen Steuergelder in Höhe von 96.000 Euro sinnlos aus dem Fenster geworfen haben. Ein Sprecher der Prüfbehörde bestätigte am Mittwoch einen entsprechenden Bericht der "Bild"-Zeitung und beanstandete das Verhalten der Minister.


      Erst geordert, dann storniert
      Die beiden Grünen-Minister hatten für einen Brasilien-Trip im Oktober 2003 zunächst einen zweistrahligen Kurzstrecken-Jet der Bundeswehr vom Typ Challenger für Flüge innerhalb des Landes geordert, dann aber wieder storniert. Das alles wäre kein Problem gewesen, wenn die Maschine noch nicht auf dem Weg dorthin gewesen wäre.


      Minister-Flüge Strengere Regeln gefordert


      Koordinierungsmängel beanstandet
      Nachdem sich die Minister umentschieden hatten, legte die Challenger auf Gran Canaria einen Zwischenstopp ein und flog schließlich leer nach Köln zurück. Dadurch seien unnötige Kosten entstanden, kritisierte der Bundesrechnungshof. Die Prüfer beanstandeten Koordinierungsmängel im "Travelmanagement" zwischen den Ministerien und der Flugbereitschaft.


      Sachverhalt sollte klargestellt werden
      Mit seinem Bericht sei der Rechnungshof einer Prüfbitte des Haushaltsausschusses gefolgt, sagte der Sprecher. Es gehe dabei um die Feststellung des Sachverhalts, nicht um persönliche Schuldzuweisungen. Von einer angeblich scharfen Rüge an die beiden Minister könne keine Rede sein.


      Wieso wurden die Flüge abgesagt?
      Der genaue Grund für die Absage ist unklar. Trittin hatte nur dürftig erklärt, dass in die Challenger mit 16 Plätzen nicht die gesamte, etwa 30 Mitglieder umfassende Delegation des Ministers gepasst hätte. Deswegen strich er kurzfristig einen von Brasilien gewünschten Termin im Amazonas-Gebiet aus dem Programm. Es war vermutet worden, dass Trittin und Künast auf die Dienste der Flugbereitschaft vor allem deshalb verzichteten, weil das Magazin "Spiegel" in dieser Sache recherchiert hatte.


      Künast und Trittin sollen selbst zahlen
      Schon im Oktober 2003 forderte der Bund der Steuerzahler, dass die Grünen-Minister persönlich für die Kosten haften sollen. Verbandspräsident Karl Heinz Däke sagte zu dem Fall: "Die Allgemeinheit - also die Steuerzahler - dürfen für dieses Missmanagement auf keinen Fall zur Kasse gebeten werden."

      http://onnachrichten.t-online.de/c/19/29/52/1929524.html
      Avatar
      schrieb am 05.05.04 17:25:19
      Beitrag Nr. 1.614 ()
      Teurer Anruf
      Wie Festnetzkunden den Mobilfunk finanzieren

      Autor: Sven Herold


      http://static.hr-online.de/fs/plusminus/20040504_handy.html

      Nadine Nitsche ist Studentin und ärgert sich regelmäßig über die horrenden Gebühren, wenn sie ihren Freund anruft. Der ist Bauingenieur, ständig unterwegs. Wenn sie ihn auf seinem Vodafone-Handy erreichen will, bleibt ihr nur der Griff zum Festnetz. Aber obwohl sie die günstigen Call-By-Call Vorwahlen nutzt, entstehen hohe Gebühren. Nadine Nitsche versteht nicht warum, die Minutenpreise vom Festnetz zum Handy so viel höher sind als bei normalen Gesprächen. Unverständnis auch bei den Pagliosas. Obwohl sie immer nur ganz kurz auf den Handys ihrer Freunde anrufen, machen die Gespräche zum Mobilnetz regelmäßig rund 30 Prozent ihrer Gesamtrechnung aus. Für den Italiener und seine türkische Frau, die auch viel ins Ausland telefonieren, stimmen da einfach die Relationen nicht mehr. "Ich zahle in die Türkei den gleichen Preis, wie wenn ich 400 Meter um die Ecke telefoniere. Das kann nicht sein", sagt Roberto Pagliosa.

      Festnetz subventioniert Mobilfunk
      In der Tat, sein Gespräch in die Türkei kostet genauso viel wie ein Anruf ins T-Mobile oder Vodafone Netz - 24,6 Cent pro Minute. Zu E-plus und O2 sind es sogar 29,2 Cent pro Minute. Zum Vergleich: Ein Festnetz Anruf in die Vereinigten Staaten kostet gerade mal 12 Cent pro Minute. Werden da möglicherweise Festnetzkunden wie Nadine Nitsche und die Pagliosas von den Mobilfunkanbietern über den Tisch gezogen? Ja, meint zumindest Dr. Karl-Heinz Neumann vom Wissenschaftlichen Institut für Kommunikationdienste (WIK). Seine Firma berät auch viele staatliche Institutionen in Sachen Telekommunikation. "Zurzeit ist es im Grunde genommen so, dass die Festnetzkunden die Mobilfunkkunden subventionieren", sagt Experte Dr. Karl-Heinz Neumann. Nach seinen Berechnungen geht es um eine Milliarde Euro pro Jahr. "Um diesen Betrag könnten die Kosten vom Festnetz zum Mobilfunk sinken", sagt Neumann. Welche Kosten sind gemeint? Um das zu verstehen schauen wir uns ein Gespräch vom Festnetz zum Mobilfunk genauer an.

      3 Cent vom Mobilkunden, mindestens 17 Cent vom Festnetz
      Das Festnetzgespräch muss von der Telekom in das Netz des Mobilfunkanbieters geleitet werden. Genau an dieser Grenze halten T-Mobile und Vodafone die Hand auf, verlangen von der Telekom 14,4 Cent pro Minute. Ein Nutzungsentgelt ähnlich einer Autobahngebühr. Bei E-plus und 02 liegen diese sogenannten Terminierungsentgelte sogar bei 17 Cent pro Minute. Genau hier machen die Anbieter ihre Gewinne, denn mit dem tatsächlichen Aufwand sind diese Preise nicht zu begründen. "Nach den uns vorliegenden Informationen belaufen sich die Kosten auf 7 bis 8 Cent pro Minute", sagt Experte Dr. Karl-Heinz Neumann. Also knapp die Hälfte von dem was Vodafone, T-Mobile und Co der Telekom für die Durchleitung in Rechnung stellen. Komisch nur, dass bei Gesprächen in die andere Richtung, also vom Handy ins Festnetz die hohen Kosten anscheindend nicht anfallen. Aktuelles Beispiel, das derzeitige Lockangebot von E-plus. Das Düsseldorfer Unternehmen bietet derzeit Gespräche vom Mobilfunknetz ins Festnetz für 3 Cent pro Minute an. Nochmals zur Erinnerung: Von der Deutschen Telekom verlangt das Unternehmen 17 Cent pro Minute, und dabei handelt es sich auch noch um Preise zuzüglich Mehrwertsteuer. Diese ist in den 3 Cent für den Endkunden schon inklusive. Klar ist: Wenn alleine schon die Netzkosten bei 7 bis 8 Cent pro Minute liegen, kann E-plus hier keine Gewinne erzielen.

      Was sagt der Regulierer?
      E-plus kann die Billiggespräche vom Handy wohl auch deshalb anbieten, weil sie von von Anrufern aus dem Festnetz die überhöhten Gebühren verlangt. Eine Schieflage aufgrund fehlenden Wettbewerbs, zu diesem Ergebnis kommt auch eine Untersuchung der Monopolkommission. "Wir haben schon seit langem gesagt, dass die Terminierungsentgelte aufgrund nicht vorhandenen Wettbewerbs reguliert werden müssen. Eine andere Möglichkeit wäre, sie auf Null festzulegen - wie es in den USA diskutiert wird", sagt Prof. Dr. Martin Hellwig, Vorsitzender der Monopolkomission. Soweit will der Regulierer Matthias Kurth von der Regulierungsbehörde zwar nicht gehen, aber auf Nachfrage von [plusminus räumt er erstmals Handlungsbedarf ein. Wenn der Wettbewerb in diesem Punkt tatsächlich gestört ist, will er den Mobilfunkanbietern klare Preisvorgaben machen. "Es könnte sich schon in diesem Jahr etwas ändern. Das hängt auch von den Mobilfunkbetreibern ab, ob sie die Notwendigkeit sehen, die Gebühren zu senken. Sollte das nicht der Fall sein, werden wir aktiv", sagt Matthias Kurth von der Regulierungsbehörde. Bis dahin heißt es für Nadine Nitsche, die ausführlichen Gespräche mit ihrem Freund führt sie besser nicht am Telefon. Und Roberto Pagliosa ruft weiter lieber seine Freunde im Ausland an, als die Handynutzer um die Ecke.



      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 4. Mai 2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
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      schrieb am 05.05.04 18:00:12
      Beitrag Nr. 1.615 ()
      Robodoc
      Patienten als Versuchskaninchen

      Autor: Herbert Stelz

      Willy Sauer aus Frankfurt am Main wurde im Krankenhaus zum Krüppel operiert. Seine Beweglichkeit wurde stark eingeschränkt. "Ich fühle mich, als wäre ich noch 10 Prozent von dem, was ich früher war. Ich bin behindert. Schuld daran ist die Operation", erzählt Willy Sauer. Früher, da war Willly Sauer ein Muskelpaket. Bodybuilder, Karatekämpfer, Boxer. Doch vor drei Jahren bekam er ein neues Hüftgelenk in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in Frankfurt am Main. Mit Hilfe eines Operationsroboters namens Robodoc. "Der Robodoc ist dermaßen hochgespielt worden. Wenn man vom Robodoc operiert wird, konnte man sich als einer der wenigen Auserlesenen fühlen. Also so kam`s mir irgendwie vor und so habe ich mich auch gefühlt", erzählt Willy Sauer aus der Zeit vor der Operation. Jetzt sitzt er meist im Rollstuhl.

      Umgebauter Industrierobotor fräst Loch in Oberschenkelknochen
      Willy Sauer ist nicht der einzige, der nach der Operation zum Krüppel wurde. Vor zwei Wochen trafen sich weit über hundert Menschen in Bad Vilbel. Alle fühlen sich als Robodoc-Opfer. Doch was ist der Robodoc? Ein umgebauter Industrieroboter aus Amerika. Er soll besonders präzise das Loch in den Oberschenkelknochen des Patienten fräsen, in welches dann das künstliche Gelenk getrieben wird. Mit diesem Versprechen wurde auch Willy Sauer zur Operation mit dem Robodoc geraten. "Mir wurde gesagt das Gelenk hält 18 bis 20 Jahre. Bei mir waren es 18 bis 20 Tage. Tatsächlich wurde ich zwölf Mal unter Vollnarkose operiert. Das kann sich kein Mensch vorstellen", erzählt Willy Sauer. "Ich bin hilflos, was soll ich machen?", fragt er.

      Robodoc-Patienten als Versuchskaninchen
      Die BG-Unfallklinik Frankfurt am Main hat wie keine andere den Robodoc propagiert. Über 6.000 Patienten bekamen hier auf diese Weise eine neue Hüfte. Unter Leitung des ärztlichen Direktors Martin Börner. Nach [plusminus-Recherchen aus klinikinternen Quellen könnte jeder achte dort Operierte unter Muskel- und Nervenschäden leiden. Die Klinik bestreitet diese Schätzung. Und doch, vor wenigen Tagen, das vorläufige Aus für den Robodoc. Alle drei Roboter sind stillgelegt. Der offensichtliche Grund: Ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Spitzenorganisationen der Krankenkassen. Das Ergebnis: wenig schmeichelhaft für die Methode Robodoc. "In dem Ergebnis zeigt sich, dass die Methode sich im Moment noch im Stadium der klinischen Erprobung befindet hinsichtlich des Vergleichs zum handgefrästen Operieren. Und es haben bisher keine Vorteile zeigen können gegenüber dem handgefrästen. Die Komplikationsart ist gleich, die Komplikationshäufigkeit ist in der Tendenz höher bei Robodoc. Die Methode sollte besser sein für die Patienten, sie früher schmerzfrei und belastbar bringen, und sie sollte auch dazu führen, dass die Prothese länger hält. Alles das ist bisher noch nicht bewiesen", sagt Dr. med. Peter Schräder, Medizinischer Dienst der Kassenorganisationen. Die Robodoc-Patienten als Versuchskaninchen. Schon seit zehn Jahren. Wie konnte es so weit kommen? Wer kontrolliert in Deutschland, mit welchen Apparaten und Methoden in unseren Krankenhäusern an Patienten experimentiert wird? Beim Robodoc genügte das CE-Zeichen, und schon durfte er eingesetzt werden. Das Zeichen vergab der TÜV Rheinland in Köln.

      Der TÜV blockt - kein Interview
      Was aber waren die Prüfkriterien für die Erteilung des CE-Zertifikates im Fall des Operationsroboters? Interviewtermin für [plusminus beim TÜV Rheinland. Der Termin ist fest verabredet. Doch plötzlich Verzögerungstaktik auf Seiten des TÜVs. Das Thema sei so komplex. Das Team von [plusminus diskutiert eine Stunde. Dann heißt es warten. Der TÜV nimmt Rücksprache mit den Juristen. Nach einer weiteren Stunde kommt die endgültige Absage für ein Interview vor laufender Kamera. Was hat der TÜV zu verbergen? Das CE-Zeichen vergab er vor fünf Jahren. Durch einen Elektroingenieur. Der prüfte auch klinische Daten. Doch die einzige belastbare Studie, die es damals gab, war aus den Vereinigten Staaten. Und an dieser Studie hat auch Prof. Börner von der BG-Unfallklinik in Frankfurt mitgewirkt. Diese Studie aber war für die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erstellt, für eine Zulassung in Amerika. Doch die Behörde hat dem Robodoc bis heute die Zulassung in seiner Heimat verweigert. Auf der Homepage des Herstellers ist verschämt zu lesen: Das Gerät ist augenblicklich in den USA nicht erhältlich.

      Die Ämter prüfen - ohne Konsequenzen ...
      Was den Amerikanern nicht reichte, dem deutschen TÜV genügte es offenbar. Und so wurden deutsche Patienten zu Versuchskaninchen. Was mit denen dann geschah, müsste eigentlich das BfArM, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kontrollieren. Doch das prüft noch immer. Und das, obwohl die Medien in den vergangenen Monaten immer öfter über Fälle von geschädigten Patienten berichtet haben. "Wir nehmen solche Meldungen aus der Presse natürlich sehr ernst und als Indiz für ein Problem mit diesem Produkt. Die Basis für unsere Bewertung sind in der Regel wissenschaftliche Gutachten oder Stellungnahmen von kompetenten Anwendern", sagt Dr. Ekkehard Stößlein vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Konkrete Schicksale wie das von Willy Sauer interessieren das Amt nur am Rande. Wie lange das BfArM noch prüfen will? Unklar. Für die Klinik sei zudem die hessische Gesundheitsministerin zuständig. Doch die ließ nur mal nachgucken, ob der Robodoc ein CE-Zeichen hat. "Dieses Zertifikat, das hat man sich nochmal angeguckt. Es war vorhanden. Und Weiteres können wir erst unternehmen, wenn das Bundesamt eine Bewertung vorgenommen hat. Wenn uns so eine Bewertung vorliegt, müssen wir entscheiden. Dann können weitere Punkte vorhanden sein, die es notwendig machen, ein Medizinprodukt aus dem Verkehr zu ziehen. Das ist bisher nicht erfolgt", erklärt die hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger. So wird in Deutschland überprüft, was Ärzte im Krankenhaus mit Menschen wie Willy Sauer anrichten. Der will jetzt vor Gericht ziehen, mit über hundert anderen Robodoc-Operierten. "Ich bin zum Krüppel gemacht worden. Ich will kein Geld haben, ich will nur die Gerechtigkeit. Dass die Leute, die den Fehler gemacht haben, zur Rechenschaft gezogen werden", fordert Operationsopfer Willy Sauer.



      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 4. Mai 2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.





      http://static.hr-online.de/fs/plusminus/20040504_robodoc.htm…
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      schrieb am 05.05.04 18:18:04
      Beitrag Nr. 1.616 ()
      EU-Parlamentsskandal

      Abkassieren auf Kosten der Steuerzahler
      Statt Schuldbewusstsein Attacken auf den Enthüller



      km. Der parteilose Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Hans-Peter Martin aus Österreich, hat seit Februar 2001 andere EU-Parlamentarier dabei beobachtet, wie sie an Freitagen morgens ins Parlamentsgebäude in Strassburg oder Brüssel kamen, um sich in die ausliegenden Tagegeldlisten einzutragen. So hatten sie Anspruch auf Tagegeld, derzeit sind das 262 Euro pro Tag. Anstatt aber an diesen Freitagen an Sitzungen des Parlaments teilzunehmen - diese enden schon seit Januar 2001 immer donnerstags - oder im Parlament zu arbeiten, reisten viele der Abgeordneten kurz nach ihrem Eintrag ab, oftmals Richtung Heimatland.

      Martin hatte diese Vorgänge in den vergangenen Wochen einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgemacht. In Fernsehsendungen, zum Beispiel in stern-tv, war zu sehen, was Martin zuvor berichtet hatte. Die von den Fernsehteams befragten Abgeordneten reagierten zum Teil aggressiv auf die Entdeckungen und zeigten sich in keiner Weise schuldbewusst. Auf Intervention eines der betroffenen Abgeordneten hin, so berichtete stern-tv am vergangenen Mittwoch, wurde nun der Bereich, in dem sich die Abgeordneten in die besagten Listen eintragen können, für die Öffentlichkeit gesperrt.

      Schon zuvor hatte sich der Präsident des EU-Parlaments, der Ire Pat Cox, den Auffassungen seiner Parlamentskollegen angeschlossen und statt eines Dankes für die Aufklärungsarbeit des parteilosen Abgeordneten scharfe Angriffe formuliert. Martin habe «null Beweise» für seine Vorwürfe vorgelegt. Es gebe «keinen Hinweis, dass Parlamentarier die Regeln des Hauses gebrochen» hätten. Martin hätte, so Cox, besser daran getan, Reforminitiativen einzubringen, «anstatt das EU-Parlament zu diskreditieren, nur um seine persönliche Bekanntheit zu maximieren». Zudem sei es «inakzeptabel, wenn Abgeordnete heimlich mitfilmen». Martin hatte Abgeordnete bei ihren Kurzbesuchen im Parlament mit einer Video-Kamera gefilmt, um Beweismaterial zu haben. Dies seien Methoden, «die an andere Zeiten erinnern».

      Martin selbst erinnerte in einer Pressekonferenz daran, er habe Belege dafür, dass Abgeordnete in 7200 Fällen missbräuchlich Tagegeld eingestrichen hätten. Der Schaden für die Steuerzahler gehe in die Millionen.

      * * *

      Skandale im Apparat der Europäischen Union, die den Steuerzahler Millionen und Milliarden Euro kosten, sind nichts Neues. Sie sind nicht zuletzt das Ergebnis einer undemokratischen, bürgerfernen, unkontrollierten und zur Korruption verführenden Struktur. Besonders interessant am obigen Fall ist deshalb nicht der Skandal, sondern die Tatsache, dass derjenige, der den neuen Skandal aufgedeckt hat, nun Zielscheibe offizieller Angriffe wird.

      «Frechheit siegt», «Angriff ist die beste Verteidigung» und ähnliche Spruchweisheiten, die ethische Grundsätze auf den Kopf stellen und statt dessen den Geist des Machiavellismus atmen, sind nicht nur im privaten Umgang, sondern auch im öffentlichen Bereich immer öfter an der Tagesordnung. Zuwenig Gedanken machen sich viele über die verheerenden sozialpsychologischen und gesellschaftlichen Wirkungen derartiger Vorgänge. Viele Menschen mit ehrlichen Anliegen sind hilflos, wenn ihre Anliegen mit aggressiven Angriffen in den Schmutz gezogen werden. Sie schrecken zurück, wenn sie merken, dass ihnen mit der Sprache der Macht und der Gewalt begegnet wird. Und genau das wissen alle Machtmenschen und Machiavellisten nur allzugut.

      Das, was man im alltäglichen Umgang mit Menschen, schon mit schlecht erzogenen Kindern und Jugendlichen, immer öfter beobachten kann, nämlich eine indirekte Proportionalität zwischen dem Beitrag zum Gemeinwohl und der Lautstärke der Ansprüche, zudem ein massloses und in der Sache vollkommen absurdes Auftreten hat auch in die Politik Einzug gehalten. Dies ist ein Hinweis darauf, mit welchen Leuten, Gesinnungen und Methoden wir von seiten der politischen Klasse zu rechnen haben. Um so notwendiger wird es, solchem Auftreten etwas entgegenzusetzen und sich nicht durch die Sprache der Macht und der Gewalt beirren zu lassen.



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      Deutschland und die EU-Ost-Erweiterung
      «Jemand, der nicht bereit ist zu konkurrieren, der geht unter»
      ( a la`Sozialdarwinismus)oder konkurriere (dich)(bis) zum Tode


      zf. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk am 30. April, das wir im folgenden in Auszügen wiedergeben, äusserte sich Professor Hans-Werner Sinn, Präsident des IFO-Wirtschaftsforschungsinstituts und Vorsitzender des Centre of Economic Studies, zu den Folgen der EU-Erweiterung für die Arbeitnehmer in Deutschland.

      Deutschlandfunk: Wie sieht es für Deutschland aus? Wird es wirtschaftlich zu den Verlierern oder zu den Gewinnern der Erweiterung zählen?
      Professor Hans-Werner Sinn: Das ist eine nun schon sehr viel schwierigere Frage, weil die Gewinne sich nicht gleichmässig verteilen. Sagen wir mal, es gibt ein günstiges Szenarium und ein ungünstiges. Selbst das günstige ist nicht ohne Probleme. Das günstige Szenarium ist, dass wir uns hier ganz flexibel anpassen, dass wir die Marktkräfte wirken lassen, und dann wird auch für Deutschland ein zusätzliches Wachstum durch die Ost-Erweiterung möglich sein, weil wir ja auch in den Handel kommen mit den Ländern im Osten. Wir können uns spezialisieren auf die Güter, die wir besonders gut produzieren können: kapitalintensive, wissensintensive Güter. Und die normale Fabrikation verlagert sich stärker nach Osteuropa. Dann können wir den Dienstleistungssektor entwickeln, weil es immer noch günstiger ist, die einfachen Güter im Osten herzustellen, statt seine Zeit dafür zu verbrauchen. Die könnten wir für etwas Besseres verwenden. [...]

      Aber man darf nicht übersehen, dass dieses günstige Szenarium eben davon ausgeht, dass wir flexibel sind. Das heisst also, um es mal im Klartext zu sagen, dass durch die Schaffung eines gemeinsamen Arbeitsmarktes zwischen Deutschland und Polen eine Lohnkonvergenz auf beiden Seiten stattfindet. Das ist toll für die Polen, aber nicht für uns, ganz bestimmt nicht für die deutschen Arbeiter, denn die Löhne kommen unter Druck. Die kommen unter Druck und werden sich nicht mehr so entwickeln können, wie das sonst der Fall gewesen wäre. Hier und da werden sie sogar fallen müssen. Was ich sagen will, ist, dass diejenigen Deutschen, die eigentlich nur einfache Arbeit anzubieten haben - und das geht nach den empirischen Untersuchungen, was heisst hier einfache Arbeit, bis hin zu jemandem, der einen Hauptschulabschluss und einen Berufsabschluss hat -, sicherlich zu den Verlierern dieser Integration gehören werden. [...]

      Unter Druck kommen Industriearbeiter, denn der Industriearbeiterlohn auch in den neuen Bundesländern ist viermal so hoch wie in Polen. Die Unternehmen werden also Arbeitsplätze doch nach Polen hin verlagern. Die Westdeutschen kommen natürlich unter Druck genauso wie die Ostdeutschen. Die Westdeutschen eigentlich noch mehr. Deren Löhne sind sechsmal so hoch. Nun gut, sie sind ein bisschen geschützter durch die grössere geographische Distanz, aber Industriegüter kann man auch leicht transportieren. [...]

      Seit 1995 beobachten wir ganz intensiv diesen Prozess des sogenannten Outsourcing nach Osteuropa. Das heisst, die Firmen kappen ihre arbeitsintensiven Fertigungsteile hier und verlagern diese nach Osteuropa, wo die Löhne sehr viel niedriger sind. Dadurch erhalten sie ihre Wettbewerbsfähigkeit international. Die deutschen Unternehmen sind eindeutig die Gewinner dieses historischen Prozesses. Aber die Leute, deren Arbeitsplätze hier nun gekappt sind, die sind natürlich nicht die Gewinner. Das wäre ja vermessen, dies zu behaupten. Das ist also das Problem. Der Kuchen wird grösser, unter günstigen Bedingungen im Westen, aber viele kriegen ein absolut kleineres Stück. Das ist die bittere Wahrheit, eigentlich immer bei ähnlichen Integrationsprozessen, so auch hier. Die Politiker trauen sich nicht ganz, das auszusprechen, aber so ist es.

      Das heisst, es wird Ihrer Ansicht nach weiter zu einem Lohnsenkungswettbewerb nach unten kommen. Dies aber mal zu Ende gedacht: Das können wir ja eigentlich gar nicht gewinnen, weil irgendwie müssen die Leute doch noch ihre Mieten bezahlen?
      Ja. Wir können ihn nicht wirklich gewinnen, aber wir können ihn natürlich noch viel stärker verlieren. Das ist das zweite Szenarium. Was ich jetzt beschrieben habe, war das günstige Szenarium, dass der Kuchen grösser wird, und einige kriegen ein absolut kleineres Stück. Das ungünstige Szenarium ist, dass man sich dagegen sträubt und sagt, wollen Sie etwa, dass wir mit den Polen konkurrieren, machen wir doch nicht mit. Nun gut, jemand der nicht bereit ist zu konkurrieren, der geht unter.

      ***

      km. Am 1. Mai sind 10 Staaten der Europäischen Union beigetreten. Von offizieller Seite wurde dieses Datum als ein Tag gefeiert, der die Teilung Europas überwindet. Die Tatsachen werfen allerdings ein anderes Licht auf diesen Tag. Zu diesen Tatsachen gehören die von Professor Sinn vorgestellten Szenarien. Sie sind durchaus realistisch. Wenn sie eintreten, ob nun als «günstiges» oder «ungünstiges» Szenarium, dann wird die Erweiterung der EU für viele Menschen kein Beitrag zu einer Überwindung von Grenzen, sondern ein weiterer Schritt in Richtung sozialer Deklassierung sein. Wenn die Arbeiter im Westen auf Lohn verzichten und die Arbeiter im Osten mit einem von ausländischen Konzernen diktierten Niedriglohn leben müssen, dann wird den Menschen auf beiden Seiten der bisherigen Ostgrenze der EU Unrecht getan. Das besonders Perfide an diesem Unrecht ist, dass die Menschen nicht die wahren Urheber erkennen sollen, sondern in einer Art Entsolidarisierung gegeneinander aufgebracht werden. So wird die neue EU ein Gebilde der politischen und ökonomischen Internationalisten.

      Dass sich die Bürgerinnen und Bürger finden können, soll verhindert werden. Ein grenzenloses Europa mit immer mehr menschlichen Grenzen? Kein Grund zum Feiern und dazu angetan, der Politik menschlich gegenzusteuern, hin zu einem wirklich menschlichen Verbund über die Grenzen hinweg und gegen die Strategen der Macht und des grossen Geldes.




      Artikel 5: Zeit-Fragen Nr.17 vom 3.5.2004, letzte Änderung am 3.5.2004
      Zum Artikel-Anfang: auf den roten Balken klicken!
      Avatar
      schrieb am 05.05.04 18:20:14
      Beitrag Nr. 1.617 ()
      Statistischer Vergleich Schweiz-EU
      von Henri Houlmann, La Chaux-de-Fonds

      In der Debatte über die Schweiz und ihre Zukunft sowie ihren Platz in Europa und gegenüber der Europäischen Union hört man oft ein Gejammer über das mangelnde Wachstum im Land, verglichen mit den EU-Ländern. Es gibt sogar Leute, die darin einen Grund für einen EU-Beitritt zu erkennen vermeinen.

      Deshalb ist es notwendig, das Problem als Ganzes zu betrachten. Die Wachstumsrate ist das eine, gleichzeitig müssen aber auch die Arbeitslosenrate und das Bruttoinlandprodukt (BIP) mit einbezogen werden.

      Wenn man dies tut, so zeigt sich, dass bezüglich des BIP unser Land zwischen 1994 und 2001 im Durchschnitt - hinter Luxemburg - die zweite Position einnimmt (siehe Tabelle 1). Das Bruttoinlandprodukt bringt zum Ausdruck, was unsere Bevölkerung an Gütern und Dienstleistungen erzeugt.

      Punkto Arbeitslosigkeit hat unser Land nicht nur die zweittiefste Rate im Vergleich zu den Ländern der EU, sondern weltweit. Tabelle 2 zeigt den Vergleich mit den Ländern der EU - der sich wie die Wachstumsrate auf die Jahre 1994 bis 2001 bezieht - in Prozenten der berufstätigen Bevölkerung.

      Tabelle 2 zeigt deutlich, dass das Wachstum nichts (mehr) mit der Arbeitslosenrate zu tun hat. Wie könnte man sonst erklären, dass Finnland mit durchschnittlich 2,9% Wachstum auf 13,44% Arbeitslosigkeit kommt? Oder Irland mit einem Verhältnis von 7,6% Wachstum auf 11,22% Arbeitslosigkeit, wo doch die Schweiz mit nur 1% Wachstum auf nur 3,41% Arbeitslosigkeit kommt?

      Im weiteren soll noch erwähnt werden, dass der Wachstumsbegriff sehr verschwommen ist. Wenn man nämlich den Durchschnitt der Wachstumsraten von 1980 bis 1990 und von 1991 bis 2001 vergleicht, stellt man folgendes fest:

      In 8 EU-Ländern hat ein Zuwachs stattgefunden: in Frankreich, Schweden, Griechenland, Irland, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg.
      In 5 EU-Ländern sowie in der Schweiz hat eine Abnahme stattgefunden: in Finnland, Spanien, Portugal, Italien, Deutschland.
      In 2 EU-Ländern ist die Wachstumsrate unverändert geblieben: in Grossbritannien und Österreich.
      Da stellen sich unter anderem folgende Fragen:

      Wie ist es möglich, dass Frankreich mit einer steigenden Wachstumsrate trotzdem an 13. Stelle von 16 Ländern bezüglich der Arbeitslosigkeit steht?
      Wie ist es möglich, dass Irland, welches einen gewaltigen Anstieg der Wachstumsrate erlebt hat (7,36% gegenüber 1,4%) bezüglich der Arbeitslosigkeit auf Platz 14 von 16 bleibt?
      Wie ist es möglich, dass die Schweiz mit einer abnehmenden Wachstumsrate - die dazu noch die schwächste von allen ist - bei der Arbeitslosigkeit auf Platz 2 bleibt?
      Somit ist für jedermann einsichtig, dass der Vorgang, sich einzig auf die Wachstumsrate zu stützen, um unser Land in einem schiefen Licht zu zeigen, falsch oder sogar lügenhaft ist. Wer die wirtschaftliche Lage der Schweiz darlegen will, sollte sich doch etwas gründlicher damit befassen.

      Zu den bereits angeführten Zahlen könnte man durchaus auch noch diejenigen der Inflationrate hinzufügen, ein Bereich, in dem die Schweiz mit einem Durchschnitt von 0,87%, verglichen mit den 5,78% Griechenlands, am besten dasteht. Die anderen EU-Länder liegen alle zwischen diesen Extremen.

      Das Fazit dieser Darstellung ist, dass es einen Schlag ins Leere bedeutet, wenn man sich auf die äusserst problematische Wachstumsrate abstützt, um unser Land in den schwärzesten Farben darzustellen und zu verunglimpfen und gleichzeitig die Europäische Union in den leuchtendsten Farben als Allheilmittel zu preisen.

      Artikel 6: Zeit-Fragen Nr.17 vom 3.5.2004, letzte Änderung am 3.5.2004
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      Avatar
      schrieb am 05.05.04 23:04:07
      Beitrag Nr. 1.618 ()
      Rohölpreis der Nordsee-Sorte Brent: 36,48 US $ pro Barrel.

      Endloskontraktdarstellung - Aktueller Monatschart (oben) und Tageschart (unten) in linearer Darstellung als Kurzupdate:

      Autofahrer aufgepaßt, was den Öl- und damit gekoppelt den Benzinpreis anbelangt, steht uns noch einiges Unangenehmes bevor! In dieser Woche bricht der Brent Crude Oil Future regelkonform über die große BUY Triggermarke bei 34,0 aus. Es besteht kaum noch Zweifel, daß wir einen Wochenschlußkursstand oberhalb von 34,0 sehen und damit ein neues mittelfristiges charttechnisches Kaufsignal sehen werden. Im Monatschart ist recht eindrucksvoll das riesige inverse bullishe Element zu erkennen, das den Future seit 2000 mittel/langfristig nach oben hebelt.

      Ein Überwinden der 34,0 auf Wochenschluß ist aus charttechnischer Sicht mittelfristig äußerst bullish zu bewerten. Damit würden mittelfristige Zielmarken von 44,0-45,0 getriggert werden. Als großes übergeordnetes Ziel würde sich sogar ein 50er Ziel ergeben.


      Kurzfristig weist der Future Extreme Readinsg auf. Die Konsolidierung auf die laufende kurzfristige Übertreibung läßt sich dann wieder kaufen.

      http://www.godmode-trader.de/news.php?show=176212
      Avatar
      schrieb am 11.05.04 14:30:05
      Beitrag Nr. 1.619 ()
      Avatar
      schrieb am 11.05.04 14:32:36
      Beitrag Nr. 1.620 ()
      Avatar
      schrieb am 11.05.04 14:37:14
      Beitrag Nr. 1.621 ()
      WALL STREET

      Alan mit der Abrissbirne

      Von Thomas Hillenbrand, New York

      Wegen eines Booms am Immobilienmarkt haben Amerikas Hausbesitzer ihre Kreditkarten und Bankkonten überzogen, als ob es kein Morgen gäbe. Dummerweise haben sie die Rechnung ohne Notenbankchef Alan Greenspan gemacht.




      REUTERS
      Notenbankchef Greenspan: Winken mit dem Schraubenschlüssel
      New York - Alan Greenspan steigt den Amerikanern aufs Dach und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Der Fed-Chef hat angekündigt, den US-Leitzins demnächst zu erhöhen - noch liegt er bei einem Prozent, das ist der niedrigste Stand seit 1958. Für US-Bürger, die eine Hypothek zur Baufinanzierung aufgenommen haben, sind das schlechte Nachrichten. Denn wenn der Leitzins steigt, klettern auch die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen, nach denen sich wiederum der Zinssatz bemisst, den man für seine Hypothek zahlen muss.........

      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,299156,00.html
      Avatar
      schrieb am 11.05.04 15:32:58
      Beitrag Nr. 1.622 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      spatzseite.de

      Von der Ideologie des Marktes: 09.05.2004

      DIESE WOCHE
      Homo hominem lupus, weiß das Sprichwort, der Mensch ist des Menschen Wolf, und diese Woche untersucht der Spatz anläßlich der Folter an Gefangenen im Irak die Mechanismen hinter Völkermord und Kriegsgreueln. Dabei kommt er zu erstaunlichen Schlüssen, die so gar nicht in die tägliche Propaganda passen wollen, der wir täglich ausgesetzt sind, aber lesen Sie selbst!



      Biedermann und die Brandstifter



      Kennen Sie die groteske Nachkriegsparabel gleichen Namens? Sie sollte damals die Frage beantworten: Wie konnten die Leute das zulassen? Gemeint war die Hitlerei und der ihr folgende Zusammenbruch. Die gleiche Frage stellt sich heute wieder. Versuchen wir es mit einer Groteske (weil man bei ihr anders als bei der Wirklichkeit noch lachen kann):

      Nehmen wir einen träge gewordenen Hausbesitzer. Als die ersten Schäden am Dach seines Hauses auftraten, kam er nicht dazu, sie zu reparieren, er mußte Geld verdienen. Die Schäden nahmen zu und das Geldverdienen ab. Als die Spanten zu faulen begannen, schickte er zum Baumeister. Der Alte war pensioniert, ein Neuer zeitgemäßer. Der Kostenvoranschlag war hoch, dafür wurde vereinbart, daß man während der Umbauarbeiten ungestört weiter im Haus wohnen könne und nicht belästigt würde - Das war dem Hausbesitzer einiges wert. Er zahlte. Soweit, so gut.

      Und der "Experte"? Er kam nicht etwa mit einer Plane, um die Bausubstanz zu schützen und darunter mit den Ausbesserungsarbeiten zu beginnen. Er riß weitere Teile des Dachstuhls ab, dabei brachen Teile des Mauerwerks im obersten Stock weg: "Die sind nicht mehr zeitgemäß!" "Jetzt kommt sicher die Plane", denkt der zahlende Eigentümer. Doch der "Experte" bringt rostiges Gestänge heran, kappt die Stromversorgung und errichtet auf dem Rest des Daches ein Windrad. Unter den zusätzlichen Belastungen stürzt das Dach ein. Inzwischen regnet es durch die Decke in die Räume des Hausbesitzers. "Das fördert die Naturverbundenheit" meint der gut bezahlte Baumeister und: "Das werden wir gleich haben!" Schon rückt ein Bautrupp mit Reform-Spitzhacken an. "Feuchtes Mauerwerk muß weg!" Der Experte muß es ja wissen? Freunde habe dem Hausbesitzer zugemunkelt, "Der arbeitet für eine andere Firma, die hier eine Abdeckerei errichten will". "Beweise?" Die Freunde konnten den unterschriebenen Vertrag nicht vorzeigen - und der Hausbesitzer hoffte gläubig weiter, möglicherweise bis das Haus abgetragen ist und er ganz "im Freien" sitzt?

      Was haben uns die jüngsten Reformen gebracht? Sehen Sie sich die Arbeitslosenzahlen an, sehen Sie sich die Staatsverschuldung an, sehen Sie sich den Zustand der Infrastruktur an - so weit sie nicht schon meistbietend verscherbelt worden ist! Wie geht die Regierung mit den knapper fließenden Finanzen um. Sie wirft das Geld allem nach, was nicht produktiv ist, für nutzlose Windräder, Gutachten, Schwafler und dergleichen. Das tollste Ding: In Deutschland zahlt man inzwischen für Koks Höchstpreise. Vor nur 2 Jahren hatte man die weltweit modernste Kokerei in Dortmund gleich nach ihrer Fertigstellung wieder abgebrochen und für "einen Appel und ein Ei" nach China verhökert - "der Umwelt zu liebe": China untersteht nicht dem Kyoto-Regime, dem computergestützen Kokolores, wonach die Pflanzennahrung CO2 entgegen allem, was empirische Wissenschaft herausbekommt, zum "Klimagift" erklärt wird. Unsere Regierung ist wie die angebotene Opposition - wenn sie nicht für "andere" gegen uns arbeiten - offensichtlich verrückt geworden. Was tun, wenn die Elite wahnsinnig ist? Hanneman, geh Du voran! Wenn Sie nicht Hanneman heißen, wird man Sie nicht ran lassen. Da müssen schon "Experten" her, renommierte!

      Es ist George W. Bush zu danken, daß er uns endlich beibringt, zwischen Werbung und Realität zu unterscheiden. "Ich erzählte seiner Majestät - sagte der US Präsident nach seinem Treffen mit Jordaniens Regierungschef Abdullah - daß mir die Demütigungen der irakischen Gefangenen und die Demütigungen ihrer Familien Leid tun, und ich sagte ihm, daß es mir genau so leid tut, daß die Leute die diese Bilder sehen, nicht die wahre Natur und das Herz Amerikas verstehen." Die peinliche Sache war - ehe sie an die Öffentlichkeit drang - lange bekannt. Antonella Notari, Sprecher des Intern. Roten Kreuzes schrieb am 5. Mai in "Le Monde": "Die Fotos sind natürlich schockierend, doch unsere Berichte sind noch schlimmer. Wir wußten das und haben das amerikanischen Regierungsstellen (schon im Herbst letzten Jahres) mitgeteilt...". Seit langem wird über die Gefangenenlager in Guantanamo berichtet, ohne daß etwas geschieht. Erschreckende Vorgänge in Afghanistan kamen ins Gerede. Wie lange wird in Palästina schon amtlich gemordet. Wie ist man 1983 in Somalia vorgegangen, wie in Panama bei der Festnahme des früheren CIA-Mitarbeiters Noriega, als der plötzlich, wie sein Kollege Saddam Hussein, die Interessen des eigenen Landes entdeckte?

      In Deutschland wollte man nicht wissen, was 1945 in den Rheinwiesen geschah und in den Folterkammern, in denen Geständnisse (weil die begangenen Schweinereien nicht ausreichten) als Grundlage des Natio-Masochismus der Nachkriegszeit geschaffen wurden. Wie war man mit den Indianern bei der Landnahme vor 250 Jahren umgegangen, wie mit den eigenen Landsleuten im US-Bürgerkrieg vor 150 Jahren? Das hatte es im feudalen Europa, das alles andere als zimperlich war, nicht gegeben. Dort sah man im befehdeten Feind noch den Mitmenschen bis der konfessionelle Wahn die Sicht verstellte. Heute sind die Feinde der Auserwählten Ungeziefer (Vietnam) oder bösartige Halbmenschen (Irak, Palästina). Und doch ist, was da geschieht, nicht das, wofür "Amerika" steht.

      Und das wäre? Hier gibt es ein doppeltes Problem. 1. Es wird bei dem, was Amerika betrifft seit über 200 Jahren nicht zwischen Propaganda und Realität unterschieden. 2. Viele Menschen nehmen die leicht durchschaubare Werbelüge hin, obwohl es sich hierbei ganz offensichtlich um Propaganda handelt(e) und nicht um Realität. Menschen wollen sich ihren Traum von Freiheit nicht nehmen lassen, die süße Hoffnung, daß sich ideale Zustände ohne eigenes Zutun und Verantwortung ganz "von alleine" einstellen, wenn nur die unangenehme Staatsmacht auf ein Mindestmaß zurückgeschraubt ist und der freie Markt regiert und jeder seinen niedrigsten Bereicherungsinstinkten freien Lauf läßt. Und Erfolgreiche lassen ihnen gerne "freien" Lauf, zumal der Markt ihnen alle Verantwortung für die Folgen ideologisch nimmt. Sich zu bereichern ohne sich den Folgen stellen zu müssen, daß ist das "freiheitliche" an der westlichen Demokratie, die alle erfolgreichen Menschen "beglücken" soll. Wer das Glück nicht sucht, ist kein Mensch.

      Doch Mißstände hören damit nicht auf, es gibt sie mehr denn je. Aber an ihnen sind immer nur die anderen Schuld, vornehmlich die "Faulen", die nicht Erfolgreichen und diejenigen "die unsere Freiheit hassen" (G.W. Bush) etc. Das sind die Unmenschen, mit ihnen man umspringen kann, wie mit den Gefängnisinsassen im Irak. Schuldige lassen sich immer finden und seien es die "eigenen Männer" dann, wenn sie nicht mehr mitspielen, wie Saddam oder Noriega, oder jetzt die von Rudeln von Psychologen trainierten Folterer, die es zugelassen haben, daß diese nichtwerbewirksamen Dinge die Amerika-Werbung trüben.

      Dabei wäre die Freiheitspropaganda mit dem Markt im Mittelpunkt so leicht zu durchschauen. Der Markt funktioniert nur, wenn er "Gewinn" verspricht. Auf ihm läßt sich aber kein Gewinn "realisieren", weil als zahlungsfähige Nachfrage auf der einen Seite nur auftritt, was auf der anderen als reale Kosten erscheint (Lohn-, Anschaffungskosten, Steuern etc.). Gewinn ist nur für einige möglich: 1. solange man marktfremde Vermögen auf den Markt ziehen oder andere Marktteilnehmer aus dem Markt drängen (Enteignung ungeschickter Marktteilnehmer) kann, 2. durch die Anhäufung von Schulden (vorfinanzierte Verkäufe). Das geschieht a) als Geldentwertung durch Gelddruckerei (was nicht auffällt, solange der Geldentwertungseffekt durch den Effekt der Produktivitätssteigerung verdeckt wird; danach beraubt die schleichende Geldentwertung alle wenig Erfolgreichen, die für ihre Altersversorgung oder sonst etwas sparen müssen) b) als Monetarisierung der Schulden, d.h. die Umwandlung von Schulden in Wertpapiere, die gegen ein Zinsversprechen verkauft werden. Investitionen in solche Papiere gehen auf Kosten neuer Produktionsstätten (Arbeitsplätze). Sie werden allmählich rentabler als der Verkauf realer Güter, wenn nur noch die "Verknappung" auf dem Markt die Preise für Versorgungsgüter so hoch hält, daß aus dem Erlös die Zinslast (die als Kaufanreiz für den Wert der Wertpapiere sorgt) zu tragen ist.

      Schließlich ist "die Beseitigung der Armut als Beseitigung der Armen" das eigentliche Wesen des Marktes. Wer nicht zahlungsfähig ist, hat auf dem Markt nichts zu suchen. Für ihn produziert mangels Gewinnerwartung kein Marktteilnehmer. Daher ist es marktgerecht, wenn jährlich Millionen Menschen verhungern, während sich die Überproduktion an Nahrungsmitteln nicht verkaufen läßt, Landwirte verarmen und ebenfalls aus dem Markt fallen. Der Staat soll die Härten abfedern. Womit? Er tut das - wo möglich - mit dem, was er von Marktgewinnen rentabilitätsschmälernd abgreift. Ohne Rendite keine Produktion, und ohne rentable Produktion keine Steuern und kein Abfedern - wie sich allmählich zeigt.

      Das sind keine neuen Erkenntnisse. Aber Rudel von Wirtschafts-"Wissenschaftler" sind damit beschäftigt, durch "wissenschaftliche" Verkomplizierungen die Einsicht in diese einfachen Grundzüge der "Freiheitlichkeit" zu vernebeln, um den vermarktbaren Traum davon am Leben zu halten. Im Grunde beruht dieser Traum auf mittelalterlichen Produktionsvorstellungen, als jeder Bauernhof sich selbst genug war und sein Erfolg (Versorgung) vom Arbeiterfolg und dieser neben dem Wetter (Gottes Segen) vom Arbeitsaufwand abhing - allerdings auch vom garantierten Landbesitz. Dieser war/ist eine Funktion der Verteidigungsfähigkeit. Dafür mußt(e) jeder Opfer bringen. Die Opfer wuchsen mit der Zeit so, daß man sich die Dienstleister für Eigentumsrechte (Waffenträger, Ritter, Adel, Obrigkeit) nicht mehr leisten konnte/wollte.

      Wie schön, daß diejenigen, die damals schon die Verteidigungskosten hoch getrieben hatten, jetzt selbst die Eigentumsrechte nicht mehr in Frage stellten (wenn es sich nicht gerade um Ölquellen etc. handelt) und statt dessen den freien Markt als Alternative anbieten. Hochgetrieben hatten sie die Verteidigungskosten, als sie aus Rentabilitätsgründen die Fehden der Verteidigungs-Dienstleister um Landrechte finanziert und angeregt hatten. Sie lebten von den dafür berechneten Zinsen und setzten später - aus Rentabilitätsgründen - an die Stelle der Fehden den Markt. Dieser schuf Verhältnisse (zum Beispiel die wechselseitige Verschuldung), die jeden, der noch auf dem Markt arbeiten konnte, bei allmählich schrumpfender Rendite zu Höchstleistungen antrieb (das war kostensparender als die Knute der sich befehdenden, verschuldeten Feudalherrn).

      Im Großen und Ganzen "frei" sind (wie im Mittelalter) nur die Geldgeber großen Stils. Das sind die Leute, die niemals Schuld sind, weil sie das Geld drucken. Sie finanzieren nur nach Rentabilitätsgesichtspunkten, die Drecksarbeit tun andere. Sollten die unbequem werden, werden sie bestraft, wie möglicherweise diejenigen, die unter wissenschaftlicher Anleitung im Irak foltern. Hätten die es nicht getan, hätten es andere getan - so arbeitet der Markt bei knapper zahlungsfähiger Nachfrage. Und das ist der eigentliche Grund, weshalb verrückt gewordene Regierung oder deren Opposition wiedergewählt werden - jedenfalls solange sich an der Zahlungsfähigkeit im großen Stil (von Ihrer abgesehen) nichts ändert.
      Avatar
      schrieb am 11.05.04 17:14:10
      Beitrag Nr. 1.623 ()
      Avatar
      schrieb am 11.05.04 19:34:15
      Beitrag Nr. 1.624 ()
      Benzinpreise: endlich Bewegung in der Politik?

      Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und der ADAC wollen ein begrenztes Aussetzen der sogenannten Ökosteuer aufgrund der derzeitigen Benzinpreise. Daß der ADAC als Vertretung der Autofahrer dies fordert, wundert nicht und ist daher keine Meldung wert. Was steckt aber dahinter, daß sich jetzt auch ein Politiker sich dieser Forderung anschließt?

      Edmund Stoiber hat Bundeskanzler Gerhard Schröder zu sofortigem Handeln aufgefordert. Die Regierung solle flexible Instrumente prüfen, um die "Ökosteuer" zumindest befristet zu senken. "Es wäre höchste Zeit", soll Stoiber gesagt haben, "daß der selbsternannte Auto-Kanzler Schröder den Wettbewerbsnachteil durch zu hohe Benzin- und Energiepreise endlich zur Kenntnis nimmt". Was hat uns aber diese zweifellos wahre Äußerung zu sagen?

      Die sogenannte Ökosteuer ist beim Benzinpreis (anders als beispielsweise bei elektrischer Energie) keine selbständige Steuer, sondern nur die übliche Bezeichnung für die von Rot-Grün veranlaßten diversen Erhöhungen der Mineralölsteuer; als Verbrauchssteuer wird die Mineralölsteuer selbst wieder in die Bemessungsgrundlage zur Umsatzsteuer einbezogen, also eine Steuer auf eine Steuer erhoben, so daß die Gesamtsteuerlast in einem Liter Benzin schon bei einem Preis von 1,15 EUR ca. 76,49% beträgt (Beispielrechnung). Benzin ist damit das am höchsten besteuerte Gut überhaupt - oder, positiv gesagt, kostet eigentlich derzeit nur so ca. um die 30 Cent (!) pro Liter. Der Rest des Preises geht an Rabenvater Staat.

      Daß das erst jetzt Anlaß zu politischer Intervention ist, mag mindestens verwundern, denn im Volk kocht die Benzinpreiswut schon lange. Bislang wurde Volkes Zorn aber ignoriert, wie es sich in einer guten Demokratie ja auch gehört. Schließlich hat Michel ja auch die Klappe gehalten, als die Grünen im Bundestagswahlkamp 1998 einen Benzinpreis von 5 DM angekündigt haben, was eine gewisse Planungssicherheit bietet: wir wissen, wohin die Reise geht, und der halbe Weg ist derzeit fast geschafft.

      Es liegt daher nah zu vermuten, daß Stoiber nicht wirklich die Mobilität der Menschen und die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft erhalten, sondern gewählt werden will. Viel wird von der Senkung der Mineralölsteuer nach der Wahl nicht übrig bleiben: ginge es nämlich wirklich um den Erhalt der Wirtschaft, müßte eine Benzinpreissenkung um wesentlich mehr als "nur" die Ökosteuer gefordert werden, und auch die immer noch vorbereitete LKW-Maut, die in Wirklichkeit der Überwachung aller Fahrten dient, müßte schleunigst abgeschafft werden - nicht nur wegen ihrer hohen volkswirtschaftlichen Schäden. Komisch nur, daß solche Forderungen nicht zu hören sind.

      Populismus ist eine Politik, die die Interessen des Volkes in den Mittelpunkt stellt. Ginge alle Staatsgewalt vom Volke aus, wie es in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG zu lesen steht, dann wäre Deutschland ein populistischer Staat. Nichts der Gleichen ist freilich zu sehen: Stoiber ist daher kein Populist, wie man ihm nach solchen Vorschlägen immer wieder vorwirft, sondern er verarscht das Volk: nicht die Interessen des Volkes vertritt er, sondern seine eigenen Ziele. Das ist man freilich von der Politik gewöhnt...

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 11.05.04 19:46:36
      Beitrag Nr. 1.625 ()
      Trauen Sie Marktgerüchten nicht über den Weg

      von Jochen Steffens

      Es gibt ein Gerücht im Markt, die amerikanische Notenbank soll Präsident Bush informiert haben, dass es im Herbst, also direkt vor der Präsidentschaftswahl zu einer Zinsanhebung kommen wird. Gerüchte sind an der Börse so weit verbreitet, wie der Schnupfen im Winter und meistens genauso unangenehm – da falsch. Doch manchmal verbirgt sich hinter einem Schnupfen auch eine schwere Krankheit. Genauso gibt es Gerüchte, die ein Körnchen Wahrheit in sich tragen.

      Natürlich ist es bezeichnend, dass so ein Gerücht gerade jetzt aufkommt, zu einem Zeitpunkt, da die Märkte aufgrund von Zinserhöhungsängsten unkontrolliert und völlig übertrieben fallen. Zu nahe liegt die Vermutung, dass ein Verzweifelter, ein völlig auf dem falschen Fuß erwischter Investor versucht, zu retten was noch zu retten ist (rein hypothetisch, da ich keinen Schimmer habe, wo dieses Gerücht entstanden ist). Generell sollte man sich fragen, warum die Fed, wenn Sie schon bis zum Herbst warten will, nicht auch noch bis nach der Wahl warten kann. Es wäre sehr untypisch, die Zinsen direkt vor der Wahl zu erhöhen.

      Trotz aller gerechtfertigten Bedenken, mir gefällt dieses Gerücht natürlich (was es keine Deut zuverlässiger macht), denn es würde bestätigen, was ich hier die ganze Zeit sage. Die Fed wird eine Zinserhöhung so lange aufschieben, wie irgend möglich und auch dann nur kleine Zinsschritte beschließen, eher zur Beruhigung der Märkte. Denn meines Erachtens will die Fed, eine verdeckte Inflation. Aber dazu habe ich in den letzten Wochen genug geschrieben, deswegen zu den Folgen: Sollte meine These von einer ausufernden Inflation stimmen, und erst dann, sind Euro und Gold DIE Anlagetipps schlechthin. Und gerade zu Gold habe ich etwas sehr "erfreuliches" gelesen:

      Sehr gut – sehr gut. Es freut mich wirklich, dass ich heute endlich die ersten Warnung vor Gold lesen kann. Darauf warte ich schon länger. Unsere Kollegen vom Trader`s Daily weisen auf Adam Lass hin, der Gold in einem Bear-Markt sieht, in einem weiterführenden Link waren die Worte zu lesen: Warning: Gold Price Shock Coming! (Warnung: Goldpreis Schock steht bevor).

      Das ist ein gutes, wenn auch noch sehr frühes Zeichen und leider ein noch ebenso vereinzeltes Signal. Trotzdem finde ich es interessant, dass diese Warnung kurz vor dem Zeitpunkt kommt, wo Gold die untere Linie seines nunmehr zweieinhalbjährigen Aufwärtstrends berührt. Es ist das alte Spiel, so typisch für einen großen Aufwärtstrendkanal: Oben, an der oberen Trendlinie schreien Sie alle: Kaufen! Gold ist der Trade des Jahrhunderts. So war es, als Gold die obere Trendlinie bei 430 Dollar berührte, Sie erinnern sich vielleicht. Unten mehren sich die Stimmen: Verkaufen, der große Crash steht bevor!

      So ist das Gesetzt, denn auch in Aufwärtstrends gilt: Verkaufe die Euphorie und kaufe die Angst. Und natürlich hat man an der unteren Linie eines Aufwärtstrends die Angst, dass der Trend diesmal bricht, das wird man allerdings jedes Mal an der unteren Linie haben (Selbst Bill Bonner zeigt erste Zweifel, s.u.). Genauso, wie man an der oberen Linien denkt, bloß nicht verkaufen, die Rallye geht noch viel weiter. Viele lassen sich hier sogar ermuntern einzusteigen. Das beschreibt genau die psychischen Faktoren, die viele Investoren in den Ruin treiben. Sie halten/kaufen die Euphorie und verkaufen die Angst.

      Sie können sich vorstellen, dass ich schmunzeln musste, als ich nun diese Warnung hörte. Ich weiß natürlich nicht, ob der Trend diesmal hält. Kein Mensch auf dieser Welt weiß das. Aber ich weiß, dass man solange ein Trend intakt ist, davon ausgeht, dass er hält. Denn ein Trend bricht nur einmal, bestätigt sich aber mehrere Male. Damit ist es von der Wahrscheinlichkeit her effektiver auf eine Fortsetzung eines Trends zu traden, als auf einen Bruch. Hoffen wir, dass mein Kollege viele findet, die seiner Meinung sind, denn dann könnte er mit dieser Meinung ein wenig dazu beitragen, dass der Trend hält ...

      Und so wäre ich fast geneigt diese Headline zu übernehmen: "Achtung Goldpreisschock steht uns bevor!" Nur, hätte ich dabei wohl eine etwas andere Intention als mein Kollege und müsste darunter schreiben: Gold bald bei 480 Dollar. Doch dazu ist es noch etwas zu früh, ich warte ruhig ab, ob der Goldpreis den Trend bestätigt oder ihn nachhaltig bricht, bevor ich solche Thesen vertrete.

      Zu den Märkten: Offenbar wird gerade der erste Bodenversuch gestartet. Doch relativ selten entpuppt sich der erste Bodenversuch als der entscheidende. Es kann also gut sein, dass es noch einen kleinen weiteren Abwärtsrutsch gibt, bevor es wieder aufwärts geht. In diesem Falle wären die 3692 Punkte im Dax in erreichbarer Nähe.

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      Deutsche Exporte: höchster Wert seit 38 Jahren!

      von Jochen Steffens

      Und mal endlich etwas erfreuliches. Sie sind sicherlich auch schon etwas genervt von den vielen schlechten Nachrichten aus Deutschland, hier also mal was fürs Gemüt:

      Die deutsche Wirtschaft konnte ihre Exportleistung deutlich steigern und zwar auf den höchsten Wert seit 1966. Im März dieses Jahres wurden Waren im Wert von 65 Mrd. Euro ausgeführt, 16,6 % mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Einfuhren stiegen um 5,3 % auf 48,5 Mrd. Euro. Der Exportüberschuss erreichte so 16,5 Mrd. Euro, nach 9,7 Mrd. Euro Im Vorjahresmonat.

      Analysten hatten im Schnitt nur mit einem Handelsbilanzüberschuss von 12,3 Mrd. Euro gerechnet.

      Im gesamten ersten Quartal wurde damit ein Handelsbilanzüberschuss von 41,1 Mrd. Euro erzielt.

      Die Weltwirtschaft boomt und zieht auch den deutschen Export mit. Doch in Deutschland sind die Menschen besorgt – besorgt über ihren Arbeitsplatz, über die Rente über die Zukunft. Das beeinträchtigt die Binnenkonjunktur nachhaltig. Solange sich diese Einstellung nicht ändert ...

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      Ursus interruptus

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Ursus interruptus. Ursus recommensus.

      Die Finanzpresse schreibt wieder in ihrem üblichen Kauderwelsch. Welche Gesellschaft die Erwartungen schlagen konnte ... welcher Aktienfonds seinen Sektor outperformen konnte ... wie Alan Greenspan die Wirtschaft managt.

      Niemand scheint bemerkt zu haben, dass die Phase II des großen Bärenmarktes begonnen hat.

      Am Freitag fiel der Dow Jones deutlich. Aber es geht nicht nur um diesen einen Tag – denn die Aktienmärkte allgemein befinden sich in allgemeinem Rückzug. Für jede Aktie, die steigt, fallen 10.

      Jetzt nimmt der Dow Jones Kurs auf die Marke von 10.000 Punkten ... und keiner scheint das zu bemerken. Die Aktienkurse von zwei führenden Gesellschaften der Kreditblase von Greenspan – die Hypothekenbank Fannie Mae ... und Wal-Mart, der Einzelhandelsriese – fallen. Und laut Richard Russell gilt immer noch das "Hindenburg Omen" (ich hatte darüber im Investor`s Daily berichtet) ... die Wall Street befindet sich in "einem potenziellen Crash-Modus."

      Natürlich wird das nicht das erste Mal sein, dass Sie mich das sagen hören. Ich habe das schon oft gesagt, und ich war ein bisschen zu früh ... und vielleicht bin ich auch diesmal noch etwas zu früh.

      Einige Dinge sind es wert, dass man die ganze Zeit mit ihnen rechnet – auch wenn sie niemals eintreten. Aber wenn man zum Beispiel mit seiner Geliebten im Bett liegt, dann ist es wahrscheinlich eine gute Idee, damit zu rechnen, dass die Ehefrau jeden Moment nach Hause kommen könnte. Und wenn man sehr hoch bewertete Aktien im Depot hat ... dann ist es ebenfalls eine gute Idee, damit zu rechnen, dass jeder Tag der letzte Tag des Bullenmarktes sein könnte.

      Sie werden sich daran erinnern, dass der erste "Bruch" des Bullenmarktes vor rund 4 Jahren eintrat, im März 2000. Aber nach einem Vierteljahrhundert steigender Aktienkurse waren die Leute noch nicht dazu bereit, ihren Traum von leichtem Reichtum aufzugeben. Sie hatten alle Sprüche der Wall Street geschluckt: Sie hielten sich für "Investoren", nicht für "Spekulanten". Und sie dachten, dass sie die Gewinne, die sie erzielten, nicht nur wollten, sondern auch verdient hatten. Sie dachten: "Wenn ich mir ein gut diversifiziertes Aktiendepot zulege und langfristig halte, dann werde ich irgendwie (aus einem nicht erklärbaren Grund) reich werden."

      Natürlich ist das Quatsch. Unsinn. Flimmflamm. Die alte Masche.

      Es gibt keinen Grund, warum ein Dollar Unternehmensgewinn in der Zukunft mehr wert sein soll als in der Vergangenheit. Im Gegenteil: Im Zeitablauf vergeht alles, es verschwindet. Früher oder später verschwinden alle Unternehmen ... und jede Aktie wird wertlos.

      Wirkliche Investoren kaufen Unternehmen, und keine Aktie. Warren Buffett kauft gute Gesellschaften zu einem "fairen" Preis. Die Kleinanleger suchen nach "heißen Tipps", und sie kaufen nur dann, wenn es gar keine gibt. Sie kaufen zur schlechtmöglichsten Zeit – nämlich genau dann, wenn ein Bullenmarkt schon weit fortgeschritten ist. Und dann suchen sie nicht nach guten Unternehmen ... sondern nach Aktien, von denen sie denken, dass sie steigen werden.

      Zunächst kaufen die Kleinanleger nur sehr zögerlich. Sie sind stolz, an diesem Spiel beteiligt zu sein – an dem auch Soros, Buffett und andere Profis teilnehmen. Dann – wenn sich immer mehr Kleinanleger am Spiel beteiligen – steigt ihre Zuversicht. Bald werden sie immer kaufwütiger ... ohne Ahnung und ohne Gebet. Die wirklichen Investoren hingegen verkaufen da schon.

      Schließlich fallen die Kurse, und die Kleinanleger verkaufen in der Nähe des Tiefs mit hohen Verlusten. Dann werden sie die Aktien verfluchen.

      Aber als der erste Bruch im Jahr 2000 eintrat, da waren die Kleinanleger noch nicht bereit dazu, aufzugeben. Der Bärenmarkt konnte seine Arbeit noch nicht beendet ... es gab eine Unterbrechung ... ursus interruptus ...

      "Die Investoren" haben sich zwar zu einem großen Teil von der Nasdaq zurückgezogen, aber nicht vom Aktienmarkt insgesamt. Und dann, nach einem Zeitraum, in dem sie wegen ihrer Verluste mit Hightech-Aktien gejammert haben, sind sie bereit für einen weiteren Versuch. Für Tausende von Investoren kam die Google-Neuemission genau zum richtigen Zeitpunkt – denn sie suchten nach ein bisschen Spannung. Kurz vor dem ersten "Bruch" des Bullenmarktes Anfang 2000 gab es die Fusion von AOL und Time Warner ... und die aktuelle Google-Neuemission könnte wieder so einen Bruch ankündigen.

      Dazwischen lag die aggressivste "Kampagne der leichten Kredite", die die Welt jemals gesehen hat. Ich erwähne das nur, um Ihnen das vollständige Bild aufzuzeigen. Sie haben mich schon so oft über diese Dinge sprechen hören – Sie müssen das schon nicht mehr hören können.

      Aber die Billionen Dollar von Schulden und Konsumausgaben sahen für Ökonomen wie "Wachstum" aus; sie konnten keinen Unterschied erkennen. Die Zeitungen konnten freudige Schlagzeilen bringen. Die Unternehmen konnten höhere Gewinne vermelden. Und die "Wirtschaftserholung" sah wie eine sichere Sache aus.

      Selbst die Zahlen vom US-Arbeitsmarkt – die hartnäckig negativ geblieben waren – schienen sich zuletzt doch zu verbessern. Wenn man sie nicht näher unter die Lupe nahm und feststellte, dass die Leute tatsächlich weniger arbeiten und weniger verdienen. Die Geschäftszahlen von Wal Mart zeigen, dass sich die Umsätze gegen Monatsende abschwächen: Den Leuten geht dann das Geld aus. Und überall in der englischsprachigen Welt gehen so viele Leute wie nie zuvor Pleite; sie werden unter der Wucht der Greenspan-Schulden erdrückt!

      Wie können Gesellschaften Geld verdienen, wenn ihre Kunden Pleite gehen? Wie können sie ihre Gewinnmargen halten, wenn die Chinesen die gleichen Waren zum halben Preis herstellen? Wie können die Aktienkurse steigen, wenn jeder, der Aktien haben wollte, schon mehr hat, als er braucht? Wie lange werden die Kleinanleger noch glauben, dass die Aktienkurse "langfristig immer steigen"?

      Die Antworten auf diese ... und so viele weitere Fragen ... werden ganz bestimmt dann beantwortet werden, wenn die Phase II des großen Bärenmarktes ihren Weg nimmt.
      ----------------------


      Was stimmt nicht mit dem Gold?

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      *** Unsere Korrespondenten blieben heute merkwürdig ruhig. Aber egal, liebe(r) Leser(in), denn Sie kennen die Story ja schon – die Aktienmärkte fallen wieder. *** In den USA sind die Hypothekenzinsen die siebte Woche in Folge gestiegen.

      *** Der Goldpreis ist letzte Woche um über 8 Dollar gefallen. Nun, soviel zum Thema "Boden bei 400" und "Unterstützung bei 380/385 Dollar."

      *** "Was stimmt nicht mit dem Gold?" hatte ich Dr. Kurt Richebächer gefragt. Ich weiß nicht, ob wir in den USA auf einen inflationären Kollaps hinlaufen ... oder auf einen deflationären Abschwung. So oder so müsste es aber meiner Meinung nach gut für den Goldpreis sein.

      "Nun", antwortete mir der alte Mann, "ich verfolge den Goldpreis nicht wirklich. Ich verstehe es nicht. Aber wenn die Entwicklung der USA auf eine Liquiditätskrise à là LTCM hinausläuft ... dann wird alles fallen."

      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 11.05.04 19:48:11
      Beitrag Nr. 1.626 ()
      Avatar
      schrieb am 12.05.04 19:38:53
      Beitrag Nr. 1.627 ()
      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14013Demografie.html

      Die furchtbaren Folgen einer katastrophalen demografischen Entwicklung

      Die Argumente der "demografischen Kampagne" muss man nicht fürchten, diejenigen, die sie vortragen, schon.


      Egon W. Kreutzer
      06. Mai 2004


      Die deutsche Bevölkerung schrumpft jährlich um rund 120.000 Menschen.
      Weil nämlich rund 840.000 Sterbefällen nur rund 720.000 Geburten gegenüberstehen.



      ...und das Bruttosozialprodukt bleibt gleich - in Wahrheit wächst es sogar immer wieder noch ein bisschen.


      Ja?

      --------------------------------------------------------------------------------




      Da sollte doch eigentlich Jahr für Jahr für jeden Einzelnen ein bisschen mehr Wohlstand, ein bisschen mehr Lohn, ein bisschen mehr Rente übrig bleiben.

      Ist aber nicht!


      Stattdessen spart uns unsere Obrigkeit kaputt, verscherbelt bald auch noch das letzte Staats- (=Volks-) Vermögen und erklärt, dass dieses Volk selbst daran schuld sei, weil einfach viel zu wenig Leute sterben (im Original: "...immer älter werden") und weil außerdem viel zu wenig geboren werden.

      Da passt doch irgendetwas nicht zusammen.



      Die Experten erklären das immer ganz fix weg:

      "Wer einfach Bevölkerung und Bruttosozialprodukt gegenüberstellt", sagen sie uns, "der übersieht die strukturellen Probleme im Detail, insbesondere das Rentnerproblem. Immer mehr Alte müssen von immer weniger Jungen mitgeschleppt werden, da müssen doch entweder die Beiträge ins Unermessliche steigen oder die Renten ins Bodenlose sinken."

      Stimmt das?

      Tatsächlich kann man davon ausgehen, dass die Zahl der Rentner jährlich um rund 160.000 wächst.

      Gehen wir davon aus, dass Menschen üblicherweise sterben, wenn sie schon alt und in Rente sind, während die Mehrzahl der Menschen, die geboren werden, zu diesem Zeitpunkt noch sehr jung und vom Rentenbeginn weit entfernt sind, dann ist es zulässig, einfach zu unterstellen, die rund 840.000 Todesfälle pro Jahr würden direkt zum Absinken der Rentnerzahl führen. Daraus entsteht folglich eine Entlastung der Rentenkassen um die Altersbezüge von 840.000 Altrentnern.

      Allerdings wachsen jährlich auch rund 1 Million Neurentner nach, so dass sich die Zahl der Rentner unter dem Strich um jährlich rund 160.000 Menschen erhöht.

      Wie wirkt sich das nun auf den Wohlstand im Lande aus?

      Nun, von 1 Million Menschen, die das Renteneintrittsalter erreichen, waren vorher etwa 800.000 erwerbstätig und bekommen ab sofort - wenn`s hoch kommt - noch 60 Prozent ihres früheren Nettogehaltes aus der Rentenkasse. Die anderen 200.000 waren aus verschiedensten Gründen nicht erwerbstätig und bekommen deswegen auch weniger Rente, nehmen wir an, durchschnittlich die Hälfte dessen, was die Erwerbstätigen erwarten dürfen. Dies durchgerechnet ergibt, dass diese Million frisch verrenteter Menschen die Gesellschaft nur noch ungefähr 45 Prozent dessen kostet, was sie vorher an Lohn und Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung gekostet haben.

      Weil allerdings nur 840.000 gestorben, aber 1 Million Neurentner hinzugekommen sind, erhöhen sich die Ausgaben der Rentenkasse tatsächlich und zwar um die Renten von 160.000 Menschen, was einem Mehraufwand von etwa 0,8 Prozent entspricht.

      Haben die Experten also recht?

      Solange man nur die Rentenkassen betrachtet schon. Die Wirtschaft allerdings ist, wenn man die Überlegung an dieser Stelle abschließen will, gleichzeitig 1 Million Lohn- und Gehalts- und Lohnnebenkostenverursacher losgeworden und spart damit rund das 13-fache dessen ein, was die Rentenkasse mehr braucht.

      Da sollte sich eigentlich das bisschen Mehrbedarf der Rentenkasse leicht finanzieren lassen.



      Die Experten erklären diesen Gedanken immer ganz fix weg.

      Wenn man nur die Bewegung der Rentner betrachtet, kann man sich natürlich kein richtiges Bild von den furchtbaren Wirkungen der demografischen Entwicklung machen. Schließlich verändert sich doch nicht nur die Zahl der Rentner, es verändern sich auch alle anderen Zahlen. Insbesondere darf nicht vergessen werden, dass die verrenteten Mitarbeiter durch Neueinstellungen ersetzt werden müssen, was natürlich auch wieder zu einem Anwachsen der Löhne und Lohnnebenkosten führt.

      Stimmt das?

      Nun, wenn wir uns von der Betrachtung der Rentner ab und den Nichtrentnern zuwenden, dann stellen wir fest, dass die Zahl der Nichtrentner jährlich um rund 280.000 sinkt.

      Die Rechnung ist einfach. 1 Million geht in Rente, aber nur 720.000 kommen per Geburt hinzu.

      Die absoluten Zahlen sehen so aus, dass von den 82,5 Millionen Bundesbürgern knapp
      20 Millionen 60 Jahre und älter - also "Rentner" - sind, während rund 62,5 Millionen Menschen als Nichtrentner unter uns leben. Eine Zahl die jährlich um 280.000 sinkt, was einerseits bedeutet, dass sich das Verhältnis von Rentnern zu Nichtrentnern schleichend verändert, von rund 32 Prozent derzeit, um jährlich rund 0,4 Prozent steigend, so dass tatsächlich in 10 Jahren nur noch 1,76 Nicht-Rentner auf einen Rentner kommen, während es heute noch rund 2,125 sind.

      Aber den Experten ist das schon wieder zu pauschal.

      Die dramatischen Veränderung in der Altersgruppe der Erwerbsfähigen, die müssten wir betrachten, wenn wir die nahende Katastrophe erkennen wollen.

      O.k.: Von 62,5 Millionen Nichtrentnern sind rund 15 Millionen Kinder sowie Jugendliche in Ausbildung. Wenn wir die Bevölkerungsbewegungen innerhalb der Gruppe der Nichtrentner verfolgen, können wir feststellen, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen jährlich um 720.000 Neugeborene wächst, während sie gleichzeitig um etwa 950.000 Menschen sinkt, die nach Abschluss ihrer Ausbildung in das Berufsleben eintreten (möchten).

      Die Zahl der Kinder und Jugendlichen nimmt also derzeit jährlich um rund 230.000 Personen ab, während die Zahl der Rentner um jährlich 160.000 zunimmt.

      Per Saldo nimmt also die Zahl der nicht im erwerbsfähigen Alter (Kinder, Jugendliche und Rentner) befindlichen Menschen jährlich um 70.000 ab.

      Das ist doch eigentlich schon wieder ein schönes Zwischenergebnis.

      Die Bundesrepublik Deutschland ist eines der dichtest besiedelten Länder der Welt. Mit 230 Menschen pro Quadratkilometer hocken wir zwischen Rhein und Elbe gut acht Mal so dicht aufeinander, wie die US-Amerikaner zwischen Atlantik und Pazifik.

      Dazu kommt als Nebeneffekt:
      Wenn es jährlich 70.000 unproduktive Menschen weniger gibt, dann brauchen die auch weder Nahrung, noch Kleidung, noch Wohnung - also auch kein Geld.


      Die Experten erklären diesen Gedanken immer ganz fix weg.

      Es kommt doch nicht darauf an, wieviele Menschen im nicht-erwerbsfähigen Alter sind, sondern darauf, wie viele im erwerbsfähigen Alter sind, weil es genau die sind, die immer weniger werden, aber alle anderen mit versorgen müssen.

      Stimmt das?

      Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter erhöht sich derzeit alljährlich noch um rund 950.000 Menschen, die aus der Gruppe der Kinder und Jugendlichen in die Altersgruppe der Erwerbsfähigen hineinwachsen und sie vermindert sich gleichzeitig um die rund 1 Million Neurentner, die wir bereits näher betrachtet haben.

      Per Saldo kommt es also jährlich zu einer Minderung der Zahl der erwerbsfähigen Menschen um rund 50.000.

      Aber in Kombination mit der Erkenntnis von gerade eben heißt das:

      Die Gruppe der Menschen im erwerbsfähigen Alter nimmt jährlich um 50.000 ab, während die Gruppe der Menschen im nicht erwerbsfähigen Alter jährlich um 70.000 Menschen abnimmt.

      Wieder sieht es so aus, als bliebe das Verhältnis nahezu konstant, mit einem ganz leichten Trend zur Verbesserung. Die Gruppe der nicht Erwerbsfähigen schrumpft etwas schneller, als die Gruppe der Erwerbsfähigen.

      Die Belastung für den Unterhalt der nicht erwerbsfähigen Bevölkerungsgruppen, müsst sich also doch eigentlich für den einzelnen Erwerbsfähigen leicht verringern.




      Die Experten erklären diesen Gedanken immer ganz fix weg.

      Erwerbsfähig heißt doch noch lange nicht, dass auch jeder arbeitet. Da gibt es Faulenzer und Drückeberger zu Hauf, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Zivis, Knackis, Langzeitkranke, Aussteiger. Gelänge es, die zum Arbeiten zu bewegen, dann bräuchte die Rente nicht gekürzt, die Selbstbeteiligung bei den Krankheitskosten nicht erhöht, die Pflegeversicherung nicht reformiert, die Zumutbarkeitsregelungen für Bezieher Arbeitslosengeldes II nicht gestrichen, der Kündigungsschutz nicht aufgehoben, das Bundesbankgold nicht verkauft, die Beamten nicht auf 42 Wochenstunden verpflichtet und die Steuern nicht noch weiter vereinfacht und gesenkt werden.

      Stimmt das?

      O.k., es stimmt.

      Von 47,5 Millionen erwerbsfähigen Menschen sind nur rund 38 Millionen tatsächlich auch erwerbstätig. Die restlichen 9,5 Millionen verteilen sich auf rund 5,5 Millionen arbeitssuchende Arbeitslose und weitere rund 4 Millionen Menschen, die dem Arbeitsmarkt aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zur Verfügung stehen.

      O.k., es stimmt.

      Diese 38 Millionen Erwerbstätigen sind es, die den ganzen großen Rest mitversorgen müssen, da haben die Experten schon recht.

      Aber ist das auch richtig, gerecht und unabänderlich?


      Kommen wir einfach noch einmal zum Ausgangspunkt der Betrachtung zurück:

      Eine leicht schrumpfende Bevölkerung schafft eine leicht wachsende wirtschaftliche Leistung. Daran hat sich bei allem Hin- und Herrechnen nichts verändert.

      Wenn unter diesen eigentlich kaum zu übertreffenden Bedingungen einer langsamen und kontinuierlichen positiven Entwicklung überall das Geld knapp wird, dann kann das doch nur bedeuten, dass der Bevölkerung der Ertrag ihrer Arbeit vorenthalten wird, und zwar um so mehr, je mehr es gelingt, die Zahl der für die Erstellung der Leistung erforderlichen Menschen und deren Ansprüche (Lohn, Gehalt, Gesundheit, Rente, Schulen, Theater, Schwimmbäder, Straßen, Parks, usw.) zu senken.

      Würden nicht einige wenige Schmarotzer den gesamten Produktivitätszuwachs als ihren persönlichen Gewinn vereinnahmen, würde stattdessen der Ertrag der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung auch nur annähernd gerecht verteilt, es könnte allen Deutschen Jahr für Jahr ein kleines bisschen besser gehen.


      Wer aber einerseits die Menschen in die Arbeitslosigkeit schickt und dem Rest der Beschäftigten mit tatkräftiger Unterstützung der Regierung die Löhne drückt, wer so den Löwenanteil des Ertrags der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung in die Taschen weniger Reicher und Superreicher lenkt, der braucht Experten, die stets in der Lage sind, jede vernünftige Argumentation fix wegzuerklären, weil ohne solcheVolksverdummung die unanständige Bereicherung ruchbar würde und die Betrogenen beginnen könnten, ihr Recht einzuklagen.
      Avatar
      schrieb am 12.05.04 19:56:31
      Beitrag Nr. 1.628 ()
      In Italien sollen Polizisten bei einmaliger Gewaltanwendung in Verhören straffrei ausgehen

      Florian Rötzer 12.05.2004
      Eine von der rechtsextremen Lega Nord ins Parlament eingebrachte Gesetzesänderung des Folterparagrafen wurde in erste Lesung von der Mehrheit gebilligt


      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/17410/1.html
      Avatar
      schrieb am 12.05.04 20:07:20
      Beitrag Nr. 1.629 ()
      Interview
      Interview: Stefan Valentin

      Massenarbeitslosigkeit und Billiglöhne: Mit Existenzgeld aus der Krise?


      Harald Rein ist im Arbeitslosenzentrum FALZ in Frankfurt am Main tätig und Mitarbeiter beim Runden Tisch der Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganisationen. jW sprach mit ihm

      F: Die SPD will demnächst ein Konzept zur Einführung einer Bürgerversicherung vorstellen. Was halten Sie davon?

      Nichts, weil nur am bisherigen System herumgedoktert wird. Die strukturelle Krise der sogenannten Arbeitsgesellschaft – Stichworte: rückläufige Anzahl sogenannter Normalarbeitsverhältnisse, prekäre Arbeitsfelder etc. – wird in den angestellten Berechnungen nicht berücksichtigt. Zunächst soll auch nur das Krankenversicherungssystem gerettet werden. Aber auch eine Bürgerversicherung wird eine Zweiklassenmedizin schaffen und weitere Verarmungsprozesse nicht aufhalten.

      F: Was schlagen Sie statt dessen vor?

      Aus dem Erwerbslosenbereich wird seit Anfang der 1980er Jahre die Forderung nach einem Existenzgeld erhoben. Damals belächelt, wird sie heute breiter diskutiert. Wir wollen die Krise der Arbeitsgesellschaft nutzen, um die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Existenzgeld ist für uns Synonym für ein ausreichendes, garantiertes und bedingungsloses Grundeinkommen, das jedem Individuum zusteht.

      F: Wieviel Existenzgeld soll man erhalten?

      Der Betrag soll weit über dem unzureichenden Sozialhilferegelsatz liegen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen, mit der wir eng zusammenarbeiten, führte vor zwei Jahren eine detaillierte Untersuchung zum sozio-kulturellen Existenzminimum durch. Dabei wurde eine Summe von rund 850 Euro im Monat zuzüglich Wohnkosten errechnet. Das ist eine Summe, die ausreichend sein soll nicht nur zum Überleben, sondern auch eine Beteiligung an sozialen, kulturellen und sonstigen gesellschaftlichen Angeboten ermöglicht. Es sollte zunächst aber nicht um die Höhe des Betrags gehen, sondern um die Diskussion dieser Forderung, die dann zu einer politischen Willensbildung führen kann.

      F: Ist ein Existenzgeld nicht eine Einladung zum Faulenzen?

      Menschen wollen in aller Regel arbeiten und tätig sein, was sich auch mit den Erfahrungen der Arbeitsloseninitiativen deckt. Nur, Vollbeschäftigung wird es nicht mehr geben, Lohnarbeit wird abnehmen und Arbeitslosigkeit zunehmen. Die Menschen, die zu uns in die Beratungsstelle kommen, sind keineswegs arbeitslos, sie sind nur ohne Erwerbseinkommen. Sie tun sehr viel, sie tun Dinge im sozialen, im kulturellen oder im sportlichen Bereich, ohne dafür eine materielle Unterstützung zu bekommen. Diesen Widerspruch wollen wir mit der Durchsetzung eines Existenzgelds aufheben.

      F: Wie schätzen Sie die Chancen der Umsetzung ein?

      Dafür, daß Menschen frei von Zwängen tätig und produktiv sein können, bedarf es eines Bewußtseinswandels, der aber schon eingesetzt hat. Lohnarbeit, wie sie heute existiert, ist schließlich nicht »gottgewollt«.

      F: Wie denkt man innerhalb der Gewerkschaften über Ihren Vorschlag?

      Eine Diskussion darüber kommt hier nur langsam in Gang. Vielen Gewerkschaftern ist der Gedanke zu fremd, daß es neben der Lohnarbeit noch andere Formen des Tätigseins gibt. Erste Auseinandersetzungen zu diesem Thema wird es auf dem von Gewerkschaften, Sozialinitiativen und -verbänden organisierten Perspektivenkongreß am kommenden Wochenende in Berlin geben. Wir werden dort einen Workshop für ein bedingungsloses Grundeinkommen anbieten.

      * Infos im Internet: www.existenzgeld.de

      http://www.jungewelt.de/2004/05-13/018.php
      Avatar
      schrieb am 12.05.04 20:17:55
      Beitrag Nr. 1.630 ()
      Kandidat John Kerry - für Krieg und Imperialismus


      von Dr. Stephen Sniegoski, USA
      Fast alle Umfragen zu den Präsidentschaftswahlen zeigen, dass der von den Demokraten aufgestellte Kandidat J.F. Kerry vor Präsident G.W. Bush liegt. Er führt nicht nur bei den bundesweiten Umfragen, sondern auch bei denjenigen, die man in einigen Bundesstaaten durchgeführt hat1 - die Präsidenten der Vereinigten Staaten werden nicht durch eine bundesweite allgemeine Volkswahl bestimmt, sondern durch Wahlmänner, deren Anzahl gemäss der Bevölkerungsgrösse der jeweiligen Staaten festgelegt wird.2 Eine der wichtigsten Fragen ist, wie solch ein Regierungswechsel die amerikanische Politik im Irak und Mittleren Osten beeinflussen wird. Ein weitverbreiteter Mythos ist, dass Kerry den militärischen Interventionismus der Bush-Administration rückgängig machen wird. Deshalb hat Kerry die überwältigende Unterstützung der zahlenmässig bedeutsamen Antikriegs-Wählerschaft - die «Anyone but Bush»- (Jeder ausser Bush-) Masse. Während einige Mythen Elemente der Wahrheit besitzen, enthält dieser Mythos leider nur wenige davon, und das wird im folgenden illustriert. ................


      http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_116d/T05.HTM
      Avatar
      schrieb am 13.05.04 19:05:46
      Beitrag Nr. 1.631 ()
      Avatar
      schrieb am 13.05.04 19:12:27
      Beitrag Nr. 1.632 ()
      Avatar
      schrieb am 13.05.04 19:17:08
      Beitrag Nr. 1.633 ()
      Titel
      Rainer Balcerowiak

      Es geht auch anders

      Ver.di und ATTAC stellten Konzept für eine »solidarische Einfachsteuer« vor


      Wenige Stunden, bevor die Ergebnisse der offiziellen Steuerschätzung für das laufende und die kommenden Jahre in Gotha offiziell verkündet wurden, präsentierten die Gewerkschaft ver.di und das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC am Donnerstag ihr Konzept für eine »solidarische Einfachsteuer«.

      Das von sieben renommierten Wirtschaftswissenschaftlern, darunter Rudolf Hickel von der Memo-Gruppe und Achim Truger von der Hans-Böckler-Stiftung, erarbeitete Modell basiert auf einem Grundfreibetrag von 8 000 Euro, einem Eingangssteuersatz von 15 Prozent und einem linear-progressiven Tarif, der bei einem zu versteuernden Einkommen von 60 000 Euro seinen Höchstsatz von 45 Prozent erreicht. Ein weiterer Eckpunkt ist die gemeinsame Erfassung und steuerliche Gleichstellung aller Einkommensarten, also abhängige Arbeit, Zins- und Dividendenerträge, Miet- und Pachteinnahmen sowie Gewinne aus unternehmerischer oder freiberuflicher Tätigkeit. Das Konzept sieht ferner die Kappung des Ehegattensplittings auf dem Niveau des Grundfreibetrags, die Wiedereinführung der Vermögens- und die Neugestaltung der Erbschafts- und Schenkungssteuer vor. Durch obligatorische Kontrollmeldungen der Banken über Finanztransaktionen soll die grassierende Steuerhinterziehung erschwert werden. Vorgeschlagen wird auch die Einführung einer unbegrenzten Steuerpflicht für im Ausland erzielte Gewinne deutscher Unternehmen nach deutschem Recht und die Veranlagung aller deutschen Staatsbürger nach hiesigen Tarifen, auch wenn sie ihren Wohnsitz im Ausland nehmen. Die Autoren verweisen dabei auf entsprechende Regelungen in den USA und anderen Staaten. Flankierend sollen auch Steuersubventionen und Abschreibungsmöglichkeiten weiter reduziert werden.

      Zur Vermeidung sozialer Härten für Klein- und Durchschnittsverdiener sollen jedoch die Steuerfreiheit für Nacht-, Sonntags- und Schichtzulagen sowie die Entfernungspauschale in begrenztem Umfang erhalten bleiben. Die steuerliche Absetzung von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen soll auf die Altersvorsorge und auf Unterhaltszahlungen beschränkt werden. Einen Dissens gibt es innerhalb der Autorengruppe und unter den unterstützenden Organisationen bei der Eigenheimzulage. Während ATTAC aus ökologischen und sozialen Gründen die Abschaffung dieser Steuersubvention fordert, verwies ver.di-Vizechefin Margret Mönig-Raane auf die gegenteilige Beschlußlage ihrer Organisation, wo sich die Fraktion der gut verdienenden Häuslebauer durchgesetzt hatte.

      Bei einer derartigen Steuerreform gehe es nicht um »Nettoentlastungen« für alle, wie sie in den Modellen von CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz und dem Steuerexperten Paul Kirchhoff im Mittelpunkt stünden, betonte Sven Giegold von ATTAC. Von den dort avisierten Entlastungen würden in erster Linie die Vermögenden profitieren. Zudem müsse Schluß sein mit der »Ruinierung der öffentlichen Finanzen« Läge die Steuerquote, also der Anteil der Steuern am Bruttoinlandsprodukt, noch auf dem Stand von 2000, hätte der Staat im laufenden Haushaltsjahr 50 Milliarden mehr Einnahmen. Statt dessen seien durch immer neue »Sparmaßnahmen« und Sozialkürzungen sowohl die – auf einen historischen Tiefststand gesunkene – öffentliche Investitionstätigkeit als auch die Binnennachfrage stranguliert worden, was wiederum ursächlich für Massenarbeitslosigkeit und weitere Steuerausfälle sei, so Giegold.

      Laut den Berechnungen den Autoren würden die vorgeschlagenen Änderungen im geltenden Steuerrecht zuzüglich der Wiedereinführung der Vermögenssteuer zu jährlichen Steuermehreinnahmen in Höhe von 32 Milliarden Euro führen, wobei die mögliche Streichung der Eigenheimzulage noch gar nicht eingerechnet ist.

      Doch die neoliberale Realität sieht anders aus. Aus dem gestern mittag in Gotha vom Arbeitskreis Steuerschätzung präsentierten Zahlenwerk geht hervor, daß den öffentlichen Kassen bis Ende 2007 voraussichtlich Steuereinnahmen von insgesamt 61 Milliarden Euro fehlen werden. Allein für das laufende Jahr werden demnach im Vergleich zur November-Schätzung zusätzliche Steuerausfälle von 9,6 Milliarden Euro erwartet.

      * Das vollständige Steuerkonzept ist von der ATTAC-Website (www.attac.de) herunterzuladen

      http://www.jungewelt.de/2004/05-14/001.php
      Avatar
      schrieb am 13.05.04 19:20:36
      Beitrag Nr. 1.634 ()
      Ausland
      Harald Neuber

      Die Folter hat System

      Brutale Verhörmethoden sind integraler Bestandteil der US-Militärausbildung


      Bei seinen Interviews mit den arabischen Fernsehstationen Al Hurra und Al Arabia bemühte sich der US-Präsident Mitte vergangener Woche um Schadensbegrenzung. Die grausamen Folterbilder aus dem Abu-Ghraib-Gefängnis »repräsentieren nicht das Amerika, das ich kenne«, so George W. Bush. Nach Kräften versuchen hohe Funktionäre der US-Regierung in der Debatte um Folterbilder derzeit, die These von Einzeltätern in der US-Armee zu etablieren. Auch der neue Leiter des Abu-Ghraib-Gefängnisses, US-General Geoffrey Miller, führt die vor seiner Ernennung vorgefallenen Mißhandlungen auf das »Verhalten einiger weniger Kommandanten und Soldaten« zurück. Es habe an »Führung und Aufsicht« gefehlt, so Miller. Tatsächlich ist seit Jahren bekannt, daß Folterpraktiken ein integraler Bestandteil der US-Militärausbildung sind.

      In einem aufsehenerregenden Rechtsstreit gelang es der US-Tageszeitung Baltimore Sun bereits vor acht Jahren, die CIA zur Veröffentlichung der Ausbildungsunterlagen aus der berüchtigten Militärschule »School of the Americas« zu zwingen. Die 1946 im US-Bundesstaat Georgia gegründete Akademie zur Fortbildung lateinamerikanischer Militärs hatte schon lange in der Kritik von Menschenrechtsgruppen aus den USA und lateinamerikanischen Ländern gestanden. Wes Geistes Kind die Ausbildung war, ließ schon ein Blick in die List der Absolventen vermuten. Neben Manuel Noriega und Omar Torrijos, den umstrittenen Machthabern Panamas, wurden in der Kleinstadt Fort Benning auch die argentinischen Junta-Mitglieder Leopoldo Galtieri und Roberto Viola sowie der bolivianische Machthaber Hugo Banzer »fortgebildet«.

      Seit 1963 gehörte das Studium des sogenannten Kubark-Handbuches »über geheimdienstliche Verhörmethoden« zum festen Bestandteil des Lehrplans. Damals zählte zu den politischen Zielen noch vorrangig die Niederschlagung sozialer Bewegungen im »Hinterhof« der USA. Im September 1996 berichtete die Washington Post, daß das 1983 überarbeitete Lehrbuch unter anderem die »Inhaftierung von Familienmitgliedern« empfiehlt, um gesuchter Personen habhaft zu werden. Zielperson sei, wer »gewerkschaftliche Organisierung und Rekrutierung unterstützt«, »Propaganda im Interesse von Arbeitern verbreitet«, »mit Demonstrationen oder Streiks sympathisiert« oder »die nationale Regierung einer schlechten Politik bezichtigt«. Wurde die gesuchte Person schließlich festgesetzt, sollte ihr Wille schnellstmöglich gebrochen werden. Erreicht werden könne dies am besten durch »den Verlust individueller Autonomie«. Die Individualität eines Menschen, heißt es in dem Handbuch weiter, stütze sich maßgeblich auf sein alltägliches Umfeld, Gewohnheiten oder soziale Kontakte. Um eine zu verhörende Person gefügig zu machen, müßten diese Faktoren gestört werden.

      Die Parallelen zum aktuellen Geschehen in Irak sind offensichtlich. Nach Angaben des nun angeklagten US-Feldwebels Ivan Frederick mußten Neuankömmlinge in dem Bagdader Gefängnis zunächst drei Tage in einer fensterlosen und unbeleuchteten Zelle verbringen. In E-Mails, die Fredericks Familie zu dessen Verteidigung an die Presse weiterleitete, berichtete der US-Marine, wie »Bedrohung durch Hunde während des Verhörs zu positiven Ergebnissen und Informationen geführt« hätten. Zwar habe er einige dieser Methoden hinterfragt, so Frederick. Von vorgesetzter Stelle sei ihm jedoch entgegnet worden, daß militärische Geheimdienstarbeit »nun einmal so funktioniert«. Die Androhung von Zwangsmaßnahmen, heißt es dazu im Kubark-Handbuch, »bricht den Widerstand oft effektiver als die Anwendung der Maßnahmen selber«. Was man sich unter solchen »Zwangsmaßnahmen« vorzustellen hat, beschrieb der US-Autor William Blum in seinem 1995 erschienenen Buch »Killing Hope« über Militärinterventionen der USA seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Blum zitiert darin neben vielen anderen Beispielen einen Bericht des US-Senates aus dem Jahr 1975 zu Menschenrechtsverletzungen von US-Militärs während geheimdienstlicher Operationen in Vietnam. K. Barton Osborn, damals Offizier des US-Militärgeheimdienstes gab unter anderem Auskunft über die gängigen Praktiken bei Verhören von gefangenen Nordvietnamesen. Die Verhöre hätten oft bei Flügen stattgefunden, wobei den Gefangenen angedroht wurde, sie aus dem Hubschrauber zu stoßen. Auch die Androhung von Elektroschocks habe zum gängigen Repertoire der Geheimdienstmitarbeiter gehört.

      Historiker und Journalisten wie der New Yorker Pulitzer-Preisträger Seymore Hersch weisen auf diese Kontinuitäten hin. Die Anwälte der nun angeklagten US-Militärs indes sehen ihre Klienten als Sündenböcke, die für die Folgen eines grundsätzlich brutalen Haftsystems verantwortlich gemacht werden sollen. Tatsächlich deckte der britische Journalist Julian Borger im Guardian Ende April auf, daß sogar Angestellte privater Söldnerunternehmen Anweisungen für die Folter im Abu-Ghraib-Gefängnis gegeben haben. Ziel sei es auch hier gewesen, die Häftlinge für die bevorstehenden Verhöre gefügig zu machen. Nach vorliegenden Informationen hätten sich dieser Aufgabe in Abu Ghraib die US-»Sicherheitsunternehmen« CACI International und Titan Corporation angenommen. Ihre Anwesenheit in den Gefängnissen der Besatzer ergibt durchaus Sinn, denn bei Übergriffen können die Angestellten als Zivilisten von der Armee nach Militärrecht nicht zur Rechenschaft werden. Andere Rechtstinstanzen als die Besatzungsarmee aber gibt es in Irak derzeit nicht.
      http://www.jungewelt.de/2004/05-14/004.php
      Avatar
      schrieb am 13.05.04 19:22:29
      Beitrag Nr. 1.635 ()
      Ausland
      Wolfgang Pomrehn

      Kompromißsuche

      Bei der OECD-Tagung prallen die Interessen der reichen und der armen Länder aufeinander


      Am Sitz der OECD (Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit) in Paris treffen sich noch bis zum heutigen Freitag Vertreter der 30 reichsten Industriestaaten. Auf der Tagesordnung steht unter anderem die Frage, wie die festgefahrenen Verhandlungen in der Welthandelsorganisation WTO wieder in Gang gebracht werden können. EU-Handelskommissar Pascal Lamy erhofft sich, wie es in einer Stellungnahme der Brüsseler EU-Kommission heißt, »50 Prozent der Themen noch in diesem Jahr« abschließen zu können. Viel Zeit bleibt dafür allerdings nicht mehr, denn nach dem Sommer geht in den USA der Präsidentschaftswahlkampf in die heiße Phase. Dann wird die Regierung in Washington sich mit Blick auf die zumeist sehr protektionistisch gesonnenen Wähler selbst der kleinsten Konzession zum Beispiel in der Frage der Agrarsubventionen oder der Marktöffnung für Importe aus den Entwicklungsländern enthalten müssen.

      Die WTO-Verhandlungen hatten auf der letzten Ministerkonferenz der Organisation im September letzten Jahres im mexikanischen Cancún einen schweren Schlag versetzt bekommen. Wegen unüberbrückbarer Gegensätze zwischen vielen Entwicklungsländern auf der einen und vor allem der EU auf der anderen Seite, war es nicht möglich gewesen, einen Zeitplan für weitere Gespräche mit den entsprechenden inhaltlichen Zielvorgaben festzulegen. Die EU hatte fast bis zuletzt auf ihrer Position beharrt, weitgehende Rechte für europäische Konzerne in allen WTO-Migliedsstaaten zu fordern. Dazu gehört vor allem der Zugang zu öffentlichen Aufträgen sowie die Gleichbehandlung mit einheimischen Unternehmen. In der Sprache hiesiger Industrielobbyisten nennt sich das Investitionsschutz. Auf der anderen Seite verlangt ein Teil der Entwicklungsländer, unter anderem Bangladesh, besseren Zugang für ihre Textilwaren zu den Märkten in Europa und den USA.

      Andere haben vor allem die Interessen des exportorientierten Sektors ihrer Landwirtschaft im Auge und fordern, daß die EU und USA ihre hohen Zollbarrieren für landwirtschaftliche Produkte abbauen. Auch die inländische Subvention des Agrarsektors in den Industrieländern wird von diesen Staaten kritisiert, zu denen die Philippinen, Argentinien und Malaysia gehören. Philippinische Reisbauern beklagen hingegen, daß diese Politik nur den großen Plantagenbesitzern nütze. Der von ihrer Regierung in diesem Zusammenhang betriebene Abbau der philippinischen Zölle zerstöre die Existenz zahlloser Kleinbauern.

      Einig sind sich viele Entwicklungsländer, daß das bisherige Regime der WTO-Verträge eher zu ihrem Nachteil ist. Statt über weitergehende Liberalisierung und die Rechte von europäischen oder US-amerikanischen Konzernen zu verhandeln, müsse über die bestehenden Probleme gesprochen und diese behoben werden. Dazu zählen die afrikanischen Staaten unter anderem auch das TRIPs-Abkommen (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights, Handelsspezifische Fragen des Geistigen Eigentums), das das Patentrecht sehr weit faßt und es Konzernen ermöglicht, geistiges Eigentum auf Pflanzenarten oder auch bestimmte Verarbeitungsverfahren zu »schützen«, die in den Herkunftsregionen Allgemeingut sind.

      Um den Verhandlungen einen neuen Impuls zu geben hatte Lamy Anfang der Woche gemeinsam mit seinem Agrarkollegen Franz Fischler den anderen WTO-Mitgliedern in einem Brief eine Reihe von Zugeständnissen gemacht. So bot er an, die Exportsubventionen für Agrarprodukte, die zuletzt 2,8 Milliarden Euro pro Jahr betrugen, deutlich zu senken und Einfuhrzölle für landwirtschaftliche Waren zu reduzieren. Außerdem bietet die EU an, auf ihre Forderung nach Investorenschutz vorerst zu verzichten. Bedingung sei aber, daß der Verhandlungsrahmen bis zum Juli abgesteckt ist.

      Während einige europäische Bauernorganisationen Lamy und Fischler vorwarfen, sie hätten ihr Verhandlungsmandat überschritten, das sie von den EU-Regierungen bekommen haben, wiesen die beiden Kommissare darauf hin, daß die Zugeständnisse nur wirksam würden, wenn auch die anderen Industriestaaten mitzögen.

      Am Rande des Pariser Treffens kam es auch zu Gesprächen zwischen dem russischen Chefunterhändler für Fragen des Handels, Maxim Medwedkow, mit Lamy und dem US-Handelssprecher Robert Zoellick. Rußland, der letzte große weiße Fleck auf der Landkarte der Handelsorganisation, strebt derzeit den Beitritt an. Dafür ist die Zustimmung jedes einzelnen Mitglieds notwendig, weshalb in einem komplizierten Prozeß mit allen wichtigen Mitgliedern ein Interessensausgleich gefunden werden muß. Zwischen Brüssel und Moskau sind noch Höhe und Übergangsfristen für russische Importzölle auf EU-Waren wie Autos, landwirtschaftliche Erzeugnisse und Flugzeuge strittig. Außerdem versucht die EU-Kommission für die westeuropäische Banken- und Versicherungsbranche den Zugang zum russischen Markt zu erleichtern. Allerdings hatte Kommissionspräsident Romano Prodi sich bereits Mitte April zuversichtlich gezeigt, daß die Beitrittsurkunde noch in diesem Jahr unterschrieben werden kann.
      http://www.jungewelt.de/2004/05-14/008.php
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      schrieb am 13.05.04 19:24:13
      Beitrag Nr. 1.636 ()
      Inland
      Tilo Gräser

      Aufruf zum Widerstand

      Volkssolidarität kritisiert Folgen des »schärfsten Sozialabbaus in der Geschichte der Bundesrepublik«


      Die Rentner erleben mit den gesetzlichen Eingriffen in diesem Jahr erstmals, daß auch ihr Lebensstandard nicht mehr sicher ist. Darauf machte am Donnerstag in Berlin der Soziologe Gunnar Winkler, Präsident des Bundesverbandes der Volkssolidarität, aufmerksam. Das sei auch der Grund, warum sich der größte ostdeutsche Sozialverband gemeinsam mit dem Sozialverband Deutschland (SoVD) an der Protestkundgebung am Samstag in Berlin beteiligt. Am Brandenburger Tor soll gegen den »schärfsten Sozialabbau in der Geschichte der Bundesrepublik« protestiert werden.

      Die Folgen der Rentengesetze und der sogenannten Gesundheitsreform stellten »für viele eine Zumutung« dar, erklärte Verbandspräsident Winkler. Die Volkssolidarität kritisiere vor allem die reale Rentenkürzung durch die ausgesetzte Anpassung in diesem Jahr sowie durch den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung. Zur »unerträglichen Anhäufung von Belastungen« kämen laut Verbandsgeschäftsführer Bernd Niederland die Praxisgebühr, die erhöhten Zuzahlungen und die Leistungskürzungen bei der Gesundheitsversorgung infolge der »Gesundheitsreform, die keine ist«. Nach Angaben der Volkssolidarität leben etwa sechs Millionen Rentner von weniger als 600 Euro im Monat, vor allem Frauen.

      Aus Sicht des Verbandspräsidenten trifft der Abbau die ostdeutschen Senioren stärker als jene im Westen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ostdeutschen seien schlechter, auch wenn ihre durchschnittlichen Rentenbezüge höher seien. Das Alterseinkommen im Ostteil des Landes liege bei 80 Prozent gegenüber dem Westdeutschen, erklärte Winkler. Für 93 Prozent der ostdeutschen Rentner stelle die gesetzliche Rente das einzige Einkommen dar. Doch der Abbau treffe alle älteren Bürger in der Bundesrepublik, betonte Winkler.

      Für die Volkssolidarität sind die gemeinsamen Proteste ein »wichtiger Fortschritt« angesichts der sonstigen Konkurrenz unter den Sozial- und Wohlfahrtsverbänden. Der Sozialabbau bedrohe auch die Verbände selbst, die aufgrund der schlechten Finanzlage ihre Betreuungs- und Pflegeangebote kürzen müßten, so Geschäftsführer Niederland.

      Viele Senioren glaubten der »Demagogie der Herrschenden«, es gehe beim Sozialabbau um die Sanierung der Staatsfinanzen, stellte Verbandspräsident Winkler fest. Trotzdem hoffe er, daß am Samstag viele nach Berlin kommen werden und die wachsende Verunsicherung sich in zunehmenden Protesten äußert.

      http://www.jungewelt.de/2004/05-14/011.php
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      schrieb am 13.05.04 20:16:44
      Beitrag Nr. 1.637 ()
      Warum Sie mit Angst im Rücken keinen Börsen-Erfolg haben können ...

      von Jochen Steffens

      Morgen ist der nächste entscheidende Tag. Am Freitag wird der Verbraucherpreisindex mit Spannung erwartet. Er wird die nächsten Hinweise auf die Inflation in den USA geben. Je nach dem wie stark er ausfällt, werden die Märkte entsprechend reagieren. Bis dahin, und da der Dax heute wenig Schwung besitzt, kann ich die Zeit nutzen und etwas über Traden und Angst schreiben.

      Einer der schlimmsten Feinde des Traders ist nicht die Börse selbst, auch wenn es manch einem so scheinen mag, der schlimmste Feind ist die Angst.

      Es gibt dazu eine Geschichte, die ich einmal vor langer Zeit irgendwo gelesen haben und leider nicht wiederfinde. Ich erzähle sie also aus dem Gedächtnis: Ein sehr erfolgreicher und somit auch überaus bekannter Broker in New York tätigte sehr gewinnträchtige Geschäfte für seine Kunden. So wurden die Kunden immer reicher und reicher. Obwohl er auch gut verdiente, verwundert es nicht, dass er sich irgendwann fragte, warum er nicht Schluss mit diesem stressigen Job macht und auf eigene Rechnung tradet. Schließlich hatte er sich ja ausreichend bewiesen, dass er wirklich gut ist. Gesagt getan, das Arbeitsverhältnis wurde gekündigt, zu Hause ein entsprechende Equipment aufgestellt, Geld war auch genug da und los.

      Es kam wie es kommen musste, sonst wäre es keine Geschichte, die ich hier erzählen würde: Der arme Mann machte pleite. Innerhalb eines Jahres war er arm wie eine Kirchenmaus. Ein wahrscheinlich wahres Börsenmärchen. Es ist ein Phänomen, um so mehr ein Trader mit dem Rücken an der Wand steht, um so mehr "Angst" er hat, desto schlechter werden seine Trades. Gerade wenn man vom Traden lebt und weiß, dass man jeden Monat mindestens das Geld für seine alltägliche Ausgaben eintraden muss, wird die Anspannung groß.

      Diese Geschichte bestätigte meine Erkenntnis, die sich über die Jahre immer mehr verfestigt hat: Traden ist zum überwiegenden Teil Psyche und nur zu einem vergleichbar geringen Teil, Technik, Wissen oder System. Aus der Psychologie weiß man, dass ein Mensch der Angst hat, eine Art "Tunnelblick" entwickelt. Das bedeutet, er sieht nicht mehr vernünftig die vielen logischen Fakten um sich herum, sondern sein Blick fokussiert sich auf das angstauslösende Moment. Das angstauslösende Moment eines Traders ist der Verlust.

      Um das mal ein wenig überspitzt darzustellen, nehmen wir einmal den ängstlichen Trader, der bereits viel Geld verloren hat und mit dem Rücken an der Wand steht, ich nenne ihn kurz: den "ängstlichen Trader".

      Der ängstliche Trader ist aufgrund der Erfahrung mit allen seinen Sinnen auf "Verlust" ausgerichtet, geradezu auf Verlust getrimmt, auch wenn er noch so sehr auf einen Gewinn hofft. Dadurch verbindet er sich tief in seinem Inneren mit dem Verlust. Und da traden auch eine ganze Menge mit Intuition und Gefühl zu tun hat, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass er sich genau diese Trades aussucht, die dieses starke Gefühl des "Verlustes" erfüllen werden. Auch das ist ein bekanntes Phänomen in der Psychologie (Denken Sie an Opfermentalitäten, Menschen die erstaunlicherweise immer und immer wieder Opfer von Verbrechen werden.).

      Es ist ganz leicht zu erkennen, ob Sie zu einem solchen ängstlichen Tradertyp gehören. Wenn Sie immer und immer wieder feststellen, dass die Trades, die Sie NICHT machen erfolgreich gewesen wären und die Trades, die sie machen ein Verlust werden, dann ist das bereits ein guter Hinweis. Dazu zwei erläuternde Beispiele:

      Ein Trader, der Angst hat, wird den sicheren Trade suchen. Das Problem: Der sicherste Trade ist der, den die Masse der Anleger ebenso als solchen ansieht. Der ängstliche Trader sieht, dass ein Kurs steigt. Dann wartet er darauf, dass eine wichtige Widerstandslinie bricht, dann dass Volumen in den Markt kommt, dann dass das Tageshoch überboten wird und dann noch, dass das die Märkte positiv gestimmt sind. Erst wenn er sich ganz sicher ist, steigt er ein, vorher traut er sich nicht: Die Folge: Er wird der Letzte sein, der in eine Aktie einsteigt und dann, ganz oben das Licht ausmachen.

      Ein anderes Beispiel: Ein ängstlicher Trader, der um seinen letzten Cent tradet, wird seine Verlust-Trades extrem überbewerten. Dabei gehören Verluste zum traden dazu. Es ist der alte Casino Effekt: Ein Casino verdient hauptsächlich deswegen so viel Geld, da die Leute, die gewinnen weiterspielen, bis sie das Geld wieder verloren haben und die Leute, die verlieren gehen raus. Mit anderen Worten: Die meisten Casinospieler verlassen das Casino mit Verlusten.

      Für den ängstlichen Trader bedeutet das: Er wird nach einem Verlust alles hinwerfen und den Computer ausmachen und dem Traden abschwören wollen. Dabei gilt gerade nach einem Verlusttrade: Weitertraden (sofern es der Markt hergibt). Sobald der ängstliche Trader jedoch Gewinn macht, wird er weiter traden, wahrscheinlich immer riskanter, denn jetzt läuft es ja, jetzt ist der Tag an dem er sich alle Verluste wieder zurückerobert. Wozu das führt, ist abzusehen.

      Das sind nur zwei Beispiele für die vielen Fallen, die Ihnen die "Angst" stellen kann. Und natürlich trifft das nicht auf jeden Trader zu, es gibt auch Menschen, die brauchen diese Angst. Aber generell ist das ein weit verbreitetes Phänomen. Der erste Schritt zu Lösung ist, zu erkennen, dass man so handelt.

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      US-Konjunkturdaten

      von Jochen Steffens

      Die amerikanische Haushaltsbilanz weist für den Monat April ein Plus von 17,62 Mrd. Dollar auf. Erwartet wurden 15–18 Mrd. Die positive Bilanz hat etwas damit zu tun, dass die Einkommenssteuer anfällt. Doch ist dieser Wert im Vergleich zum Vorjahr deutlich schlechter, denn im April 2003 fiel noch ein Plus von 51,1 Mrd. Dollar an. Wirkten sich hier vielleicht Steuererleichterungen negativ aus? Das wird so natürlich nicht von der US-Regierung dargestellt, deswegen das Fragezeichen.

      Der Umsatz im Einzelhandel ist um 0,5 % zurückgegangen. Erwartet wurden –0,2 bis 0,0 % nach zuvor +2,0 % (revidiert von +1,8 %).

      Ohne die Autoverkäufe ist der Einzelhandelsumsatz um 0,1 % zurückgegangen. Erwartet wurden –0,2 bis +0,2 % nach zuletzt +1,8 % (revidiert von +1,7 %).

      Was ist das? Eigentlich sollten die Einzelhandelsumsätze doch ansteigen. Offenbar hatten die im letzten Monat angestiegenen Umsätze als doch etwas mit Steuerzurückzahlungen zu tun. Das Ergebnis gibt einer Zinserhöhung von dieser Seite etwas Luft.

      Die Zahl der Erstanträge ist auf 331.000 gestiegen. Erwartet wurden 320.000 bis 325.000 neue Anträge nach zuvor 318.000 (revidiert von 315.000). Auch wenn die Zahl die Erwartungen enttäuscht, ist eine Zahl unter 350.000 eher positiv zu werten. Die Zahl ist schließlich sehr schwankungsfreudig. Von der Seite der Erstanträge auf Arbeitslosigkeit gibt es also insgesamt keine Impulse für den Markt.

      Bedenklicher ist das schon, dass die Erzeugerpreise um 0,7 % angestiegen sind. Erwartet wurden 0,3–0,4 % nach zuvor 0,5 %. Die Kernrate ist wie erwartet um 0,2 % gestiegen. Da kann man morgen gespannt auf den Verbraucherpreisindex sein. Ich rechne damit, dass er stärker steigen wird, als erwartet. Inflation bleibt weiter das Thema.

      Deswegen rechne ich auch damit, dass die Amis heute etwas schlechter abschneiden, da die höheren Erzeugerpreise indirekt darauf hinweisen, dass der Verbraucherpreisindex auch nach oben enttäuschen könnte.

      Um 17.00 Uhr wird Alan Greenspan reden. Dazu morgen dann mehr.

      Und kurz nach Deutschland:

      Das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland ist im ersten Quartal 2004 zum Vorquartal saison- und kalenderbereinigt um 0,4 % gestiegen. Erwartet wurde ein Plus in Höhe von 0,3 % nach zuvor +0,3 % (revidiert von 0,2 %).

      Zum Vorjahr steig das BIP um satte 1,5 %.Erwartet wurde ein Plus von 1,3 % nach zuletzt +0,2 %. Erfreuliche Zahlen, die nach den sehr guten Exportzahlen kaum verwundern.

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      Auf was wird es hinauslaufen?

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Lassen Sie mich mal sehen, ob ich es auf die Reihe bekomme.

      Der Ölpreis ist auf über 40 Dollar je Barrel gestiegen. Sowohl die Unternehmen als auch die Konsumenten leiden darunter. So werden zum Beispiel Fluggesellschaften hart und schnell getroffen ...

      Und auch die Zinsen steigen. Deshalb müssen Schuldner mehr Zinsen bezahlen. Und da in den USA fast jeder ein Schuldner ist – bedenken Sie, dass Alan Greenspan die Hausbesitzer dazu ermuntert hat, neue Hypotheken ohne Zinsbindung aufzunehmen –, trifft auch dies die gesamte amerikanische Volkswirtschaft.

      Und natürlich steigen die Preise für Holz, Milch, Bildung, Gesundheit, und so weiter. Das merken besonders die Leute, bei denen die Ausgaben und die Einnahmen übereinstimmen.

      Was können die tun? Sich verschulden? Nun, ja, aber das funktioniert nur, wenn sie einen Gegenwert haben, den sie beleihen können. Es geht um Sicherheiten.

      Aber jetzt scheinen die Aktienkurse zu fallen ... in die Phase des großen Bärenmarktes – Ursa major –, vor dem ich schon länger warne.

      Es muss angenehm sein für Kleinanleger, TV-Moderatoren und Fed-Gouverneure, sich vorzustellen, dass die Aktienkurse für immer steigen ... und dass normale Leute damit Geld verdienen können, wenn sie einfach nur "im Markt sind". Aber so funktioniert das nicht. Stattdessen steigen die Aktienkurse für Perioden von 17–20 Jahren ... und fallen dann etwa genauso lang. Kaum jemand bemerkt es, aber das Geld, in dem die Aktienkurse notiert sind, ist fast genauso zittrig wie die Leute, die es kontrollieren.

      Sie werden sich vielleicht daran erinnern, dass im Jahr 1971 die Goldpreisbindung des Dollar aufgegeben wurde. Seitdem ist nicht nur die Dollarmenge, sondern auch die Summe der in Dollar notierten Schulden, Kredite, Obligationen, Derivate um unglaubliche Weise gestiegen. Jetzt braucht man schon mehr als Vertrauen, um an den Dollar zu glauben ... dafür braucht man jetzt schon harte Drogen.

      Die US-Regierung alleine hat schon so extravagante Versprechungen und Schulden gemacht, dass Volkswirte darüber lachen und Buchhalter weinen. Laurence Kotlikoff erklärte in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Fortune", dass die "Verpflichtungen" der amerikanischen Nation auf 51 Billionen (wirklich, "Billionen"!) gestiegen seien – das ist mehr als der Wert aller Vermögensanlagen in den USA.

      Wie kann man diese Lücke schließen? Entweder indem man die amerikanische Einkommensteuer auf 78 % erhöht. Oder, indem man die Sozialleistungen um 51 % kürzt. Das wäre das amerikanische "Menü des Schmerzes", so Kotlikoff.

      Also, auf was wird es hinauslaufen?

      "Auf nichts von beidem", das ist meine Einschätzung. Ein ehrenwerter Mann bezahlt seine Schulden mit seinem eigenen Geld zurück, sagte de Gaulle. Aber die Amerikaner können sich Ehre nicht mehr leisten. Sie sind konfrontiert mit steigenden Kosten und Rechnungen, die sie nicht bezahlen können. Der Ausweg: Sie werden ihre Schulden durch eine Inflation entwerten und abschreiben.

      Irgendwann.

      Bis dahin kann noch eine Menge passieren – darunter all die Dinge, die nicht passieren sollten.

      Der Goldpreis hält sich knapp behauptet, genauso wie der Euro.

      Kurzfristig sollten Sie mit allem rechnen. Chinas Wirtschaft könnte heiß gelaufen sein. Die Wall Street könnte vor einem Crash stehen ... oder vor einem Rebound. Der Dollar steht vor der Zerstörung, aber da immer mehr Dollar benötigt werden, um die Schulden bezahlen zu können, brauchen die Leute mehr als je zuvor Dollar.

      Nichts ist klar. Nichts ist leicht. Nichts ist direkt. Nichts ist sicher. Ich liebe das!

      Richtig, Addison? Hast Du mehr News für uns?

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      Was wir von John Law lernen können

      von unserem Korrespondenten Addison Wiggin, derzeit in Baltimore

      John Law war ein freundlicher Schurke; sein Lebenslauf liest sich wie der einer Legende. Seine Verrufenheit wurde bestätigt, als er 1694 bei einem Duell in London einen Mann tötete. Die nächsten 20 Jahre verbrachte er auf der Flucht.

      Aber 1720 war der Sohn eines Goldschmieds aus Edinburgh der reichste Mann der Welt. Auf dem Höhepunkt seiner Popularität und seines Reichtums besaß John Law unter anderem die französische Zentralbank und das gesamte Gebiet von Louisiana, das sich vom Golf von Mexiko bis zum Eriesee erstreckte, und von den Appalachen bis zu den Rocky Montains. Er hatte es alles – Frauen belagerten ihn, Soldaten beschützten ihn, und Könige verbeugten sich vor ihm.

      "Aber alle Dinge werden korrigiert", so schrieb Bill Bonner zusammen mit mir in unserem neuen Buch (das demnächst auf dem deutschen Markt erscheinen wird), "selbst der Ruf von Menschen." Wir bezogen uns da auf John Law, aber das könnte auch auf Alan Greenspan angewendet werden.

      Laws Experiment mit Papiergeld führte zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Zentralfrankreich zu einem spekulativen Hype. Aber Laws Experiment mit Papiergeld wurde durch eine Inflation unterminiert – die Chinesen hatten das übrigens schon im 10. Jahrhundert entdeckt. Die Spekulationsblase von Law platzte, und Law war gezwungen, in Ungnade zu fliehen – in Frankreich war er Pleite. Bis heute sind die Franzosen zurückhaltende Investoren – vielleicht sind sie immer noch durch John Law traumatisiert.

      Alan Greenspan ist jetzt 78 Jahre alt, und seit 17 Jahren ist er der Vorsitzende der amerikanischen Zentralbank. Er wird allgemein als Genie bezeichnet, das Amerika reich gemacht hat ... aber das ist alles nur wie eine Sandburg am Strand. Und das wird sich bestimmt in seinem Ruf widerspiegeln – vielleicht früher, vielleicht später. Greenspan hat ein Schneeball-System kreiert, das von immer neuen Schulden abhängig ist, ein großes Monster, das von neuen Krediten lebt. Wie wird das enden? Was wird der Katalysator für das Ende sein?

      Auch die Anleihenmärkte beginnen sich zu wundern. So hohe Renditen wie jetzt haben wir am US-Anleihenmarkt seit Juli 2002 nicht mehr gesehen. Wird man sich an Greenspan erinnern, als denjenigen, der die schuldenüberladene Wirtschaft mit Inflation angeheizt hat, bis er die Kontrolle verlor?

      Der Goldpreis ist jetzt von seinem Topp aus rund 50 Dollar gefallen. Das ist wieder einmal so eine bizarre, obskure Unbekanntheit des Marktes: Die Währungen und die Edelmetalle scheinen eine völlig unterschiedliche Botschaft zu senden als der US-Anleihenmarkt.

      Wenn der Dollar weiter steigen würde und der Goldpreis weiter fallen würde – könnte dann die Dollar-Rally der Katalysator sein, der die US-Wirtschaft in die Knie zwingt? Die dann folgende massive deflationäre Spirale würde dann ganz bestimmt die Reputation von "Big Al" schädigen – besonders, da er ja gerade verkündet hat: "Die Deflation ist tot."

      Der Ölpreis dreht die Uhr zurück. Es steht wieder da, wo er im Oktober 1990 stand, als der Irak in Kuwait einfiel. Danach wurde dieses hohe Niveau nie wieder erreicht – bis auf jetzt. Könnte es auch eine Energiekrise sein, die bei der Party von Greenspan die Lichter ausgehen lassen wird? Und was ist mit dem Abenteuer im Irak? Könnte Desert Storm II die Rakete abfeuern, die die Schuldenbombe hochgehen lässt? Oder vielleicht Osama bin Laden?

      Ich bin benebelt ... und räume bereitwillig ein, dass ich keine Ahnung habe. Ich weiß nicht, wann die massive Entschuldung von Amerika stattfinden wird. Es gibt zu viele unkontrollierbare Faktoren, ungeachtet der Fehler, die die Zentralbank macht. Der Dollar könnte steigen. Der Dollar könnte kollabieren. Gold könnte weitere 50 Dollar verlieren. Aber das wären bloß Katalysatoren für die Korrektur – denn am Ende würde Amerikas Allianz mit dem Papiergeld im Fiasko enden. Das hat schon John Law entdeckt.


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      Die größten Fehler des letzten Jahrhunderts

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner in Paris

      *** Nun, eigentlich bin ich momentan gar nicht in Paris. Denn ich bin auf dem Weg nach Las Vegas, wo ich ein paar Reden halten werde ... und die Gelegenheit nutzen will, um ein paar alte Freunde zu treffen. Wenn Sie gerade zufällig ebenfalls dort sein sollten – vielleicht treffen wir uns ja dort?

      *** Wenn man die amerikanischen Zeitungen liest, entdeckt man immer noch eine weit verbreitete Unterstützung für die Außenpolitik von Präsident Bush. Die vorherrschende Meinung im gestrigen Herald Tribune war unerschütterlicher Optimismus: "Es ist wahr, nicht alles läuft so wie es laufen sollte", waren sich die Kommentatoren einig, "aber trotzdem sind wir überzeugt davon, dass sie das Richtige machen".

      Richtig? Falsch? Ich habe keine Ahnung, wie das enden wird. Aber es fällt schon auf, wie widerwillig die Masse ihre innere Überzeugung über den Haufen wirft – selbst wenn sie noch so grotesk ist.

      Beispielsweise ist die Vorstellung absurd, dass durchschnittliche Investoren dadurch reich werden, dass sie die Aktien oder Häuser von anderen durchschnittlichen Investoren kaufen. Betrachtet man diese Investoren als eine Gruppe, dann verdient diese Gruppe keinen einzigen Cent dadurch, dass sie sich gegenseitig ihre Aktien und Häuser verkauft.

      Immer noch geben die Menschen ihren Glauben an Aktien nicht auf. Am Montag fiel der Dow Jones unter 10 000 Punkte. Die Aktien haben keinen höheren Wert als vor sechs Jahren. Und jetzt scheint es mit den Aktienkursen abwärts zu gehen. Aber die Investoren bleiben dran, sie glauben immer noch an die Aktien ...

      Und sie glauben ebenfalls an ihre Regierung.

      Als ich am Bahnhof an einem Zeitschriftenkiosk halt machte, fiel mir ein deutsches Hochglanzmagazin ins Auge. "Die größten Fehler des letzten Jahrhunderts", so lautete der Titel des Covers, wenn ich mich richtig erinnere. Die Fotos sagten alles. Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, Konzentrationslager usw. Für Katastrophen haben die Deutschen eine besondere Begabung.

      Aber wir sind in einem neuen Jahrhundert. Katastrophen scheinen ausgewandert zu sein. Heutzutage scheinen sie einen amerikanischen Pass zu haben.

      Niemand weiß, was passieren wird. Aber auch George W. Bush scheint den größten Fehler der amerikanischen Geschichte gemacht zu haben. Tausende sind im "Abenteuer Irak" umgekommen – ohne triftigen Grund. Die Kriegskosten steigen, sie wurden heute Morgen auf 300 Milliarden US$ geschätzt. Der Integrität des amerikanischen Militärs hat die ganze Aktion nur geschadet. Die moralische Begründung für diese "Zivilisations-Mission" ist hinfällig.

      Aber je mehr Schaden ein Präsident anrichtet, umso mehr lieben ihn seine Wähler. Bush hat den Status noch nicht erreicht, Amerikas größte Katastrophe ausgelöst zu haben – mit Lincolns Bürgerkrieg und Wilsons Eintritt in den Ersten Weltkrieg kann er noch nicht mithalten – aber wenn er weiter so macht, wird auch er noch ein Gedenkporträt am Mount Rushmore erhalten


      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 14.05.04 22:18:52
      Beitrag Nr. 1.638 ()
      Aus der FTD vom 14.5.2004 www.ftd.de/dullien
      Kolumne: Pekings schillernde Seifenblasen
      Von Sebastian Dullien

      Alle reden über die Chancen in China - dabei haben sich gefährliche Ungleichgewichte entwickelt.






      Chinas Stahlimporte und Investitionsquote


      Fast schon fühlt man sich in die Zeit des New-Economy-Booms zurückversetzt: Zwar wird nicht mehr auf jeder Konferenz über neue Technologien und die Chancen des Internets gesprochen. Dafür vergeht kaum ein Treffen namhafter Konjunktur- und Wirtschaftsexperten, ohne dass die Folgen des kometenhaften Aufstiegs Chinas erörtert würden. Auch in den Konzernen ist China das beherrschende Thema: Wenn etwa bei Volkswagen oder DaimlerChrysler die Gewinne unter Druck geraten, lockt der Vorstand mit einem neuen Werk im Reich der Mitte, das ganz schnell die Bilanzen aufpolieren soll.

      Sogar die Kleinanleger hat das Fieber gepackt. Weil allerdings die undurchsichtigen chinesischen Kapitalmärkte wenig Lust zum Einstieg machen, lautet der Ratschlag, indirekt vom Boom zu profitieren. Rohstoffwerte gelten als heißer Tipp, etwa in den Branchen Stahl, Kupfer, Koks und Öl. Schließlich haben die Rohstoffpreise in den vergangenen Monaten mit der Nachfrage aus China kräftig zugelegt, und diese Entwicklung - so die Volksweisheit - werde weitergehen.


      Doch gerade solche Ratschläge sind es, die vorsichtig machen sollten. Bei genauerem Hinsehen gibt es genügend Faktoren, die es dem Beobachter kalt den Rücken hinunterlaufen lassen. Vieles erinnert gefährlich an den Internetboom der späten 90er Jahre.



      Staatlicher Investitionsboom


      Dass die Investitionsausgaben in China zuletzt bei fast 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und rund ein Drittel über dem Vorjahr lagen, könnte am enormen Nachholbedarf des Landes mit dem enormen Potenzial an billigen und gut ausgebildeten Arbeitskräften liegen. Allerdings bricht diese Erklärung in sich zusammen, wenn man die Zusammensetzung der Investitionen betrachtet: Zu den Großinvestoren gehören viele Staatsbetriebe, die ihre Ausgaben für neue Anlagen ausweiten, und oft wird in rückwärts gewandte Branchen investiert. So stiegen die Investitionen im Stahlsektor um fast 100 Prozent zum Vorjahr, bei den Zement- und Aluminiumfabriken sieht es ähnlich aus.


      Wenig deutet zudem darauf hin, dass in diesen Branchen eine weltweit führende Industrie entsteht. Vielmehr fördert jeder Provinzfürst eine Parallelindustrie in der eigenen Region, um dort Wachstum und Arbeitsplätze zu generieren. Die Finanzierung dafür leisten - auf gutes Zureden der Parteifunktionäre und ohne allzu genaue Kreditprüfung - die vier großen staatlichen Geschäftsbanken und öffentliche regionale Banken. Eine marktwirtschaftlich begründete Kreditvergabe, die Erfolgsaussichten und Risiken eines Projektes untersucht, findet kaum statt. Wofür etwa China 8000 Zementfabriken braucht, während die USA mit 110, Indien mit 106 und Brasilien mit 58 auskommen, scheinen sich die Banker und Politiker nicht zu fragen.


      Bei dieser Art der Staatstätigkeit ist Verantwortungslosigkeit programmiert: Jene Ebene, die heute die morgen unprofitablen Investitionen antreibt, wird eben nicht für die faulen Kredite der Staatsbanken verantwortlich sein. Die Probleme des Bankensektors sind ein nationales Problem, keines der Provinzen.


      Auch die westlichen Firmen bauen in China kräftig an Überkapazitäten. Jeder möchte sich - etwa im Automarkt - möglichst früh einen großen Marktanteil sichern, um später am stärksten vom Wachstum des Marktes zu profitieren. Das Problem ist nur, dass nicht jeder später Marktführer werden kann. Wie im Internetgeschäft, wo anfangs Dutzende von Auktionsplattformen, Suchmaschinen oder Internetbuchhändlern parallel ihre Geschäfte aufbauten, wird sich ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser Investitionen als unprofitabel herausstellen. Und wie in der Internetbranche dürften dann die Investitionen erst einmal einbrechen.



      Wann platzt die Blase?


      Was aber bedeutet es für die Weltwirtschaft, wenn in China irgendwann die Investitionsblase platzt? Zum einen dürfte es dann wieder deutlich billigere Rohstoffe geben. Der derzeitige atemberaubende Rohstoffverbrauch Chinas hat nämlich weniger mit den langsam wachsenden Bedürfnissen einer reicher werdenden Bevölkerung zu tun als mit dem enormen Bau- und Investitionsboom. Die Chinesen, die rund ein Fünftel der Weltbevölkerung und fünf Prozent des Welt-BIP repräsentieren, verbrauchen derzeit fast ein Drittel des weltweit produzierten Rohstahls. Rund 230 Tonnen hat jeder der rund 1,3 Milliarden Chinesen im vergangenen Jahr rechnerisch verbraucht - mehr als doppelt so viel wie noch 1998 und etwas weniger als der durchschnittliche Brite. Verstärkt wird der Rohstoff-Boom derzeit dadurch, dass angesichts steigender Preise und negativer Realzinsen chinesische Firmen Vorprodukte auf Vorrat bestellen. In den Lagern der chinesischen Unternehmen findet damit quasi eine primitive Rohstoffspekulation statt.


      Das alles ist nicht neu: Auch im Boom 1993/94 stieg die chinesische Stahlnachfrage rapide, nur um dann ebenso deutlich wieder einzubrechen. Diesmal könnte der Preiseinbruch dadurch verstärkt werden, dass nicht nur in China, sondern auch im Rest der Welt im Eiltempo neue Kapazitäten aufgebaut werden, die in den kommenden Jahren das globale Angebot noch kräftig erhöhen werden - möglicherweise gerade dann, wenn die Nachfrage aus China wegbricht.


      Zum anderen könnte ein Platzen der Blase in China eine böse konjunkturelle Überraschung für diejenigen Länder sein, die derzeit besonders vom chinesischen Boom profitieren. Japan etwa wäre ohne die überschäumende Konjunktur beim großen Nachbarn alleine wohl kaum der Dauerkrise entkommen. Die Verantwortlichen in Tokio können nur hoffen, dass die heimische Wirtschaft aus eigener Kraft wieder stabil genug läuft, wenn in China der Investitionsboom zum Ende kommt.

      http://www.ftd.de/pw/in/1084269312843.html?nv=cpwd
      Avatar
      schrieb am 14.05.04 22:28:49
      Beitrag Nr. 1.639 ()
      Avatar
      schrieb am 14.05.04 22:49:00
      Beitrag Nr. 1.640 ()
      1,24 Euro für einen Liter Super

      Kein Sinken in Sicht


      Der Rohöl-Preis hat eine neue Rekordhöhe erreicht, und daran wird sich vorerst nichts ändern. Die hohe Nachfrage aus den USA wird erst Anfang Juni nachlassen - genau dann, wenn hierzulande die Reisesaison startet, was Benzin wieder teurer macht.
      Von Meite Thiede
      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/869/31838/
      Avatar
      schrieb am 14.05.04 22:53:19
      Beitrag Nr. 1.641 ()
      Sauber gespart

      Arbeitslos durchs Arbeitsamt

      Die Bundesagentur für Arbeit will angeblich bei der Reinigung ihrer Amtsgebäude sparen. Regulär beschäftigte Putzkräfte dürfen seit
      1. April durch Mini-Jobber ersetzt werden.



      Anzeige


      Foto: dpa


      Bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) werden in großem Stil sozial-versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse durch
      400-Euro-Minijobs ersetzt, berichtet die Bild-Zeitung.

      In rund 1300 der 1800 Liegenschaften der Arbeitsämter wurden seit 1. April die Reinigungsarbeiten an Privatfirmen vergeben, die nun auch 400-Euro-Jobber einsetzen dürfen. Dadurch sollten 3,2 Millionen Euro im Jahr eingespart werden.

      BA-Sprecher Ulrich Waschki erklärte dazu: "Ob die von uns im Zuge einer zentralen Ausschreibung ermittelten Reinigungsfirmen auch 400-Euro-Jobber einsetzen, können wir nicht bestimmen."

      In der Ausschreibung seien solche Minijobs aber nicht ausgeschlossen worden. "Das können wir auch gar nicht, da die 400-Euro-Jobs vom Gesetzgeber ja ausdrücklich gewünscht werden", betonte der Pressesprecher.

      Bevor es die Minijobs gegeben habe, habe die BA jedoch bei der Vergabe von Aufträgen darauf bestanden, dass bei den betreffenden Firmen ausschließlich sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt würden.

      (sueddeutsche.de/dpa)
      Avatar
      schrieb am 14.05.04 22:55:34
      Beitrag Nr. 1.642 ()
      "Siemens stellt Standort D in Frage"

      Für Betriebsräte und Gewerkschafter haben Verlagerungspläne eine politische Dimension / Aktionstag am 18. Juni

      Siemens-Pläne für Stellenabbau und -verlagerung stoßen in der Belegschaft auf Widerstand. Nach Ansicht von Arbeitnehmervertretern haben sie darüber hinaus Bedeutung für die ganze Wirtschaft und Gesellschaft.


      VON MARTIN BRUST


      Handy-Verpackung am Standort Kamp-Lintfort (ddp)


      Nürnberg · 14. Mai · Auf der Siemens-Konferenz der IG Metall in Nürnberg trafen sich gestern 380 Betriebsräte aus allen deutschen Standorten, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Viele von ihnen berichteten von angespannter Stimmung und Angst in den Belegschaften. Der zweite Vorsitzender der IG Metall, Berthold Huber, stellte die Verbindung her zu der für den öffentlichen Dienst in Bayern beschlossenen Arbeitszeitverlängerung auf 40 Wochenstunden und erklärte, Siemens nehme eine Vorreiterrolle in der Diskussion über eine generelle Rückkehr zur 40-Stunden-Woche ein.

      Huber und der Vorsitzende des Siemens-Gesamtbetriebsrates, Ralf Heckmann, wiederholten, dass rechnerisch bis zu 74 000 der 167 000 inländischen Stellen gefährdet seien, wenn der Konzern die Beschäftigtenzahl in einem Land dem dortigen Umsatz anpassen sollte. "Dieses Programm hat Bedeutung für die Gesamtwirtschaft", betonte Huber, "Siemens stellt damit auch den Industriestandort Deutschland in Frage, der das Unternehmen groß gemacht hat". Das Management hatte erklärt, im Inland seien 5000 Jobs bedroht, die Hälfte davon, weil im Ausland billiger produziert werde. Aktuell geht es vor allem um Werke in Kamp-Lintfort und Bocholt. Die Zahl 74 000 wies Siemens als Panikmache zurück.

      Huber betonte, dass seine Gewerkschaft Globalisierung nicht generell ablehne. Aber die Betrachtung eines Ingenieurs lediglich unter betriebswirtschaftlichen Aspekten wie Personalkosten sei "eine kurzfristige und falsche Unternehmensphilosophie". Ein Teil der Firmen komme aus dem Ausland wieder zurück, weil die Qualität nicht gehalten werden könne. Vor allem solche, die ihre Produktion ausschließlich aus Kostengründen verlagerten. "Innovationen haben Siemens groß gemacht, nicht Niedriglöhne und Steuererleichterungen", sagte Huber. Heckmann pflichtete ihm bei: "Siemens definiert sich nicht über billige Produkte, sondern durch Spitzentechnologie."

      Auch Wolfgang Müller vom Siemens-Team der IG Metall rückte die politische Dimension des Konfliktes in den Mittelpunkt: "Wir sind heute hier, weil Siemens ein Problem hat, das mittlerweile zu einem der gesamten Gesellschaft geworden ist." Viele der anwesenden Betriebsräte berichteten, sie würden immer wieder mit den Zugeständnissen in Bocholt konfrontiert, auch wenn am eigenen Standort ganz andere Probleme existierten.

      Am 18. Juni will die Gewerkschaft mit verschiedenen Aktionen innerbetrieblich und in der Öffentlichkeit auf die Problematik aufmerksam machen. Je nach Organisationsgrad kommen dafür Warnstreiks, Demonstrationen oder kleineren Aktionen in Betracht. Selbst bei den bisher von der Gewerkschaft nur schwer zu erreichenden Beschäftigten sei die Angst um den Job mittlerweile sehr groß - und daher möglicherweise auch die Bereitschaft, sich zu engagieren.

      Huber bekräftigte, die IG Metall wolle mit Siemens über die Sicherung von Stellen und Standorten in Deutschland sprechen. Die Gewerkschaft sei bereit, "differenzierte Lösungen" zu entwickeln.



      Wirtschaft: Siemens-Globalisierung erreicht die Provinz
      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 14.05.04 23:03:44
      Beitrag Nr. 1.643 ()
      Ausland
      Knut Mellenthin

      Offensichtliche Widersprüche

      Umstände und Vorgeschichte der Hinrichtung des US-Amerikaners Nick Berg immer verworrener


      Die Vorgeschichte der mit einem Video dokumentierten Hinrichtung des US-Amerikaners Nicholas (»Nick«) Berg wird immer verworrener. Neben den bisherigen Ungereimtheiten wurde nun am Freitag zusätzlich bekannt, daß gegen Berg vor einigen Jahren wegen Terrorismusverdachts ermittelt wurde.



      Sicher scheint derzeit nur, daß Nicholas Berg zuletzt am 10. April gesehen wurde, als er sein Hotel in Bagdad verließ. Davor war der 26jährige, der angeblich auf eigene Faust in den Irak gekommen war, um Aufträge als Fachmann für Sendemasten zu finden, vom 24. März bis zum 6. April in Mosul inhaftiert gewesen.

      Einem chilenischen Journalisten, der Berg Anfang April in seinem Bagdader Hotel kennenlernte, hatte er erzählt, daß ihn irakische Polizisten festgenommen und festgehalten hätten, weil sich in seinem Paß ein israelischer Visumstempel befand. Nach kurzer Zeit sei er dann US-amerikanischen Stellen übergeben worden und in ein Gefängnis gebracht worden, in dem sich unter anderem Syrer, Ägypter, Jordanier und Iraner wegen illegaler Einreise in den Irak befunden hätten. Das zumindest berichtete der US-Nachrichtensender CNN am Donnerstag. Auch seiner Familie hatte Nick Berg nach seiner Haftentlassung per E-Mail mitgeteilt, daß er in einem amerikanischen Militärgefängnis gewesen sei. Diese Version wird außerdem durch mehrere E-Mails bestätigt, die das US-Konsulat Anfang April an Bergs Familie in den USA schickte.

      Eine Sprecherin des Außenministeriums gab am Freitag zu, daß das Konsulat diese Information von der obersten Besatzungsbehörde erhalten hatte. Sie sei aber falsch gewesen. Alle US-Stellen haben sich inzwischen offensichtlich auf die Version geeinigt, daß Berg sich niemals in amerikanischem Gewahrsam befunden habe. Er sei lediglich in einem von irakischer Polizei verwalteten Gefängnis von der US-Bundespolizei FBI am 25. und 26. März und dann noch einmal Anfang April verhört worden. Ziel sei es dabei gewesen, festzustellen, ob Berg »Verbindungen zum Terrorismus« hatte, berichtete die Washington Post am Donnerstag.

      Daß US-Dienststellen einen Amerikaner unter Terrorismusverdacht über eine Woche lang in den Händen der irakischen Polizei gelassen hätten, statt ihn sofort in ein von ihnen direkt kontrolliertes Gefängnis zu bringen, ist allerdings höchst unwahrscheinlich. Zutreffend hat das Bergs Vater, im Gegensatz zu seinem Sohn ein Gegner des Irak-Kriegs, so kommentiert: »Nicht die irakische Polizei sagt dem FBI, wie es läuft, sondern umgekehrt. Was glauben sie denn, wen sie an der Nase herumführen können?« Am Freitag hat überdies der Polizeichef von Mosul der Nachrichtenagentur AP zufolge ausdrücklich dementiert, daß sich Berg überhaupt in irakischer Haft befunden habe.

      Ebenfalls am Freitag wurde bekannt, daß US-Stellen vor einiger Zeit gegen Nick Berg ermittelt hatten, weil ein »Terrorismusverdächtiger« seine E-Mail-Adresse benutzt hatte. Nach einigen Meldungen soll es sich dabei um Zacarias Moussaoui gehandelt haben, der unter dem Vorwurf einer Beteiligung an der Planung der Anschläge vom 11. September 2001 in US-Haft ist. Nick Bergs Vater hat das dementiert und erklärt, daß sich der Vorfall schon 1999 abspielte und es nicht um Moussaoui ging, der damals noch gar nicht in den USA lebte.

      http://www.jungewelt.de/2004/05-15/006.php
      Avatar
      schrieb am 14.05.04 23:05:39
      Beitrag Nr. 1.644 ()
      Ausland
      Mumia Abu-Jamal

      Die Schatten von Abu Ghraib

      Irak und die USA: Wie will man Menschen »befreien«, die man verachtet?


      Die Fotos aus dem Abu-Ghraib-Gefängnis, jenem furchtbaren Ort am Rande Bagdads, gehen um die Welt. Sie legen ein stilles, aber dennoch beredtes Zeugnis ab von dem realen Verhältnis der USA gegenüber dem irakischen Volk, das sie angeblich »befreien« wollten.

      In Zeiten des Internets rasen die Fotos durch die arabische und muslimische Welt und zeigen eine Seite des amerikanischen Wesens, das selten so deutlich wahrgenommen wird, vor allem im Ausland. Die Bilder nackter arabischer Männer, vor denen lachende und ihre Opfer verhöhnende US-Soldaten posieren, stellen einen Höhepunkt der Demütigungen dar und zeigen jedem, der gewillt ist, es zu sehen, wie die USA den unterworfenen Irakis und so allen arabischen Völkern mit schierer Verachtung begegnen.

      Sind die US-amerikanischen und britischen Truppen also Befreier oder Besatzer? Wer in die Gesichter auf den Fotos des Abu-Ghraib-Gefängnisses schaut, erfährt die Antwort sofort. Als ich kürzlich mit Emory Douglas sprach, dem gefeierten früheren »Kulturminister« der Black Panther Party und dem wichtigsten künstlerischen Gestalter der legendären Zeitung The Black Panther, da rief dieser fast vergessene Bilder aus unserer eigenen Geschichte in Erinnerung. Bilder einer Polizeirazzia gegen unser Black-Panther-Büro in West Philadelphia am 31. August 1970, als die Polizei die Festgenommenen mit automatischen Waffen bedrohte und sie zwang, sich auszuziehen und an die Wand zu stellen. Es ist bewiesen, daß viele der US-Soldaten, die ihren Dienst in irakischen Gefängnissen versehen, in ihrem Zivilberuf Polizisten oder Gefängniswärter sind. Und tatsächlich kennen wir einen Corporal der US-Armee, der als einer der Verdächtigen identifiziert wurde, die für die brutalen Mißhandlungen von Gefangenen in Abu Ghraib verantwortlich sind, als Wärter hier aus dem Todestrakt des Staatsgefängnisses SCI Greene in Waynesburg, Pennsylvania! Die schrecklichen Mißhandlungen und die Folter an gefangenen Irakis hat ihre dunkle Vorgeschichte in den Gefängnissen und Polizeiwachen überall in den USA.

      Wenn man jemanden haßt, wenn man ihn mißachtet und gar fürchtet, wie kann man ihn dann »befreien«? Wir haben es von Anfang an gesagt, daß es bei diesem Irak-Abenteuer nicht um die »Befreiung« eines unterdrückten Volkes geht und in Wirklichkeit auch niemals ging. Tatsächlich belegt eine aktuelle Umfrage von CNN/USA Today, daß 71 Prozent der Irakis der Meinung sind, die US-Amerikaner in ihrem Land seien »Besatzer«. Egal wie die US-Amerikaner ihr Handeln nennen, sie bringen dem Land Folter, Erniedrigung und Fremdherrschaft. Die Gewaltakte sind auch nicht die Arbeit von Menschen, die »schlecht ausgebildet«, »mangelhaft trainiert« oder die sattsam bekannten »schwarzen Schafe« sind, die so gern vorgeschoben werden. Wie schon festgestellt, sind viele von denen, die als Angehörige der US-Armee im Irak sind und Hunderte von denen, die Gefangene beaufsichtigen, Reservisten und üben in ihrem Zivilleben Berufe als Polizisten oder Gefängniswärter aus. Das heißt, sie sind mit Sicherheit besser ausgebildet und trainiert als jeder durchschnittliche Militärpolizist. Also glauben Sie den Lügen nicht.

      (Übersetzung: Jürgen Heiser)

      http://www.jungewelt.de/2004/05-15/008.php
      Avatar
      schrieb am 14.05.04 23:08:41
      Beitrag Nr. 1.645 ()
      Inland
      Kathrin Hedtke

      Widerstand ins Parlament

      Auftaktveranstaltung für die Gründung einer basisdemokratischen Wahlalternative in Berlin


      Das Argument der herrschenden Parteien, es gäbe keine Alternative zu ihrer neoliberalen Kürzungspolitik, hat ausgedient. Denn künftig soll der Widerstand der sozialen Bewegungen gegen Sozialkahlschlag auf die parlamentarische Ebene ausgedehnt werden. Am Donnerstag abend ist nun auch in Berlin offiziell der Startschuß zur Gründung einer Wahlalternative gefallen. Die bundesweiten Initiativen »Arbeit und soziale Gerechtigkeit« und »Wahlalternative 2006« sowie die »Berliner Wahlalternative« hatten zu einem ersten Treffen in die Humboldt-Universität eingeladen, um gemeinsam mit den rund 300 Anwesenden Perspektiven zu diskutieren und die nächsten Schritte zu planen.

      »Neben einer starken außerparlamentarischen Bewegung, soll es künftig auch am Tag der Wahl eine Alternative geben«, erklärte Uwe Hiksch von der Wahlalternative 2006. Die neue Partei dürfe jedoch keinesfalls »auf die weichen Sitze im Parlament ausgerichtet« sein, sondern müsse sich als Teil der sozialen Bewegung verstehen und den Menschen Möglichkeiten zur Teilnahme geben. Daher sollten schnellstmöglich basisdemokratische Strukturen eingerichtet werden. Dabei sollte eine »gemeinsame Plattform für Menschen mit den unterschiedlichsten Denktraditionen« geschaffen werden. Explizit seien Noch-Mitglieder der SPD und der Grünen ebenso willkommen wie Mitglieder der Arbeitnehmerschaft der CDU (CDA) sowie der Sozialverbände und der autonomen Szene. »Soziale Fragen müssen wieder im Mittelpunkt der Politik stehen«, forderte Hiksch.

      Auch Klaus Ernst von der Initiative Arbeit und soziale Gerechtigkeit betonte die Enttäuschung der Gewerkschaften über die neoliberale Politik der SPD und die Notwendigkeit einer politischen Alternative. Da weitgehend Einigkeit zwischen beiden unabhängig voneinander entstandenen bundesweiten Initiativen besteht, wird derzeit an einer Zusammenführung gearbeitet.

      »In Berlin steht die SPD-PDS-Koalition vor den Trümmern ihrer Politik«, verkündete Michael Prütz von der Berliner Wahlalternative. Da es statt einer Opposition hierzulande nur »Neoliberale im Wartestand« gäbe, sei die Zeit reif, für eine wählbare Alternative. Diese müßte in der außerparlamentarischen Bewegung und den Gewerkschaften verankert sein und so breit wie möglich angelegt werden. »Wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren: die soziale Frage«, betonte Prütz und verwies auf die Beschäftigten von Vivantis und der BVG, die Studierenden und die unterhalb der Armutsgrenze lebenden Menschen, die bislang kein Gehör fänden. Für den Aufbau einer Wahlalternative in Berlin seien eine offene, demokratische Struktur und Transparenz unerläßlich. Darum wurde für die kommende Woche zu einem offenen Arbeitsausschuß eingeladen und Mitmach-zettel an die Anwesenden verteilt, in denen sie ihre Interessen eintragen konnten.

      * Weitere Informationen: www.wahlalternative.de
      http://www.jungewelt.de/2004/05-15/011.php
      Avatar
      schrieb am 14.05.04 23:11:33
      Beitrag Nr. 1.646 ()
      Inland
      Mag Wompel

      Öffentlich heißt, es gehört uns

      Arbeitszeiten, Tarifverträge, Gehälter: Was im öffentlichen Dienst geschieht, geht alle an


      Der öffentliche Dienst ist unter Dauerbeschuß, was aus verschiedenen Gründen uns alle angeht. Nachdem im vergangenen Jahr den Beamten längere Arbeitszeiten »gegen« weniger Weihnachts- und gar kein Urlaubsgeld per Gesetz aufgezwungen wurden, sind nun – nach dem klassischen Dominoeffekt – die Angestellten der Länder dran. Denen hat die Tarifgemeinschaft der Länder – nach dem Tarifvertrag zu Weihnachts- und Urlaubsgeld – nun auch den zu Arbeitszeiten gekündigt. Durch Anpassung an das Beamtenrecht soll die Tarifautonomie im öffentlichen Dienst ausgehebelt werden.

      In den vergangenen zehn Jahren ist die Einkommensentwicklung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nahezu durchgängig hinter dem Lohn- und Gehaltszuwachs in der Privatwirtschaft zurückgeblieben. Der Anteil der Personalkosten an den Ausgaben ist kontinuierlich gesunken. Es geht aber auch um Einsparungen durch Personalabbau. In den vergangenen zehn Jahren wurde die Zahl der Staatsbediensteten von 6,6 Millionen auf 4,8 reduziert und damit auf zwölf Prozent aller abhängig Beschäftigten. Hingegen leisten sich selbst die USA eine Quote von 15 Prozent. Die nun angepeilten Arbeitszeitverlängerungen der Angestellten würden zusätzlich Hunderttausende von Arbeitsplätzen kosten.

      Es geht aber auch um einen Test. Denn sollte die aktuelle Tarifkündigung Erfolg haben, droht den Kolleginnen und Kollegen beim Bund und in den Gemeinden ähnliches. Die von den Unionsparteien regierten Länder sind zudem wild entschlossen, mit dem öffentlichen Dienst Vorreiter für die Privatwirtschaft zu spielen.

      Die Gewerkschaft ver.di steht dabei vor mehreren Problemen. Erstens sind fast 60 Prozent der Länderbeschäftigten verbeamtet, dürfen also nicht streiken. Und zweitens gibt es bei den übrigen einen überdurchschnittlich geringen Organisierungsgrad, wobei es von den eher kampferprobten Arbeitern auf Länderebene nur 120 000 gibt. Wie aber mobilisieren, wenn die laufende Neugestaltung des Tarifrechts abgehoben von wenigen Tarifexperten verhandelt wird, ohne gewerkschaftsinterne Öffentlichkeit, ohne die Positionen in den Verhandlungen mit den Betroffenen diskutiert zu haben?

      Hier rächt sich ein politisches Problem, das der Stuttgarter Gewerkschafter Bernd Riexinger in seinem Referat zur bundesweiten Tagung der ver.di-Linken am 27. März 2004 auf den Punkt brachte: »Während wir auf der Metaebene vertreten, daß Verzicht keine neuen Arbeitsplätze schafft und die wirtschaftliche Krise nur noch mehr verschärft, organisieren wir in der praktischen Betriebs- und Tarifpolitik permanente Kompensationsgeschäfte, die genau das beinhalten. (…) Ob uns die Mitglieder glauben, daß sich Verzicht nicht lohnt, wenn wir ihn permanent organisieren, ist doch mehr als zweifelhaft und letzten Endes Teil unserer Schwäche.«

      Es rächen sich aber auch andere Versäumnisse. Diese langfristig für uns alle wichtige Auseinandersetzung ist nur zu gewinnen, wenn einerseits Beschäftigte von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam kämpfen. Das schließt die Beamten ein, und zudem sollte auch über alle Bereiche des öffentlichen Dienstes hinweg gemeinsam gekämpft werden: Stadtverwaltungen und Krankenhäuser, Verkehrsbetriebe und Ver- und Entsorgungsbetriebe etc. Schließlich geht es bei diesem Ringen nicht nur um die betroffenen Angestellten im öffentlichen Dienst. Es geht um alle potentiell betroffenen abhängig Beschäftigten.

      Und, um die Latte für ver.di noch höher zu hängen, der Kampf kann auch nicht gewonnen werden, ohne die Einbeziehung aller potentiell betroffenen Bürgerinnen und Bürger, der »Kunden« des öffentlichen Dienstes. Denen sei gesagt: Es gibt keinesfalls nur faule Beamte, schikanierende Sachbearbeiter oder prügelnde Polizisten. Die meisten der im öffentlichen Dienst beschäftigten Menschen arbeiten für uns alle, ob als Feuerwehrleute, Erzieherinnen, Busfahrer, Pfleger, Lehrer, Müllwerker oder Sozialarbeiter. Sie haben mit die längsten Arbeitszeiten und oft sehr miese Arbeitsbedingungen. Ein zusätzliches Gefälle gibt es zwischen Westen und Osten, als ob hier die Daseinsvorsorge weniger wichtig sei. Wie alle anderen leiden die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes von Jahr zu Jahr mehr unter zunehmender Arbeitsverdichtung und Arbeitsstreß.

      Erschwerend für die Mobilisierung von Bürgerinnen und Bürgern als Kunden des öffentlichen Dienstes ist, daß sie nicht nur Nutznießer, sondern oft genug auch dessen Opfer sind – Beispiele dürften überflüssig sein. Diese von den Bürgern unerwünschten Dienstleistungen haben zur Verachtung auch derjenigen Menschen geführt, die unterbezahlt Tag und Nacht für sie da sind und deren Leistung erst auffällt, wenn sie ausfällt.

      Wer diesen Ansatz teilt, sollte sich dafür einsetzen, daß öffentliche Güter und Verantwortungsbereiche wie Wasser, Erziehung, Bildung, ÖPNV, Gesundheitsversorgung, Ver- und Entsorgung, Verwaltung der sozialen Systeme nicht der Kapitalakkumulation freigegeben, sondern endlich von uns allen angeeignet werden, wobei manche abzuschaffen oder zu verändern wären. Denn die Tariffrage im öffentlichen Dienst ist eine gesellschaftliche Frage. Sie sollte neben den Arbeitsbedingungen auch die Mitbestimmung über die Verwendung der öffentlichen Mittel, wie im brasilianischen Porto Alegre in Ansätzen erprobt, beinhalten.

      * Unsere Autorin arbeitet für LabourNet.Germany www. labournet.de
      http://www.jungewelt.de/2004/05-15/014.php
      Avatar
      schrieb am 14.05.04 23:41:40
      Beitrag Nr. 1.647 ()
      EU-Verfassung entscheidet über die Zukunft der Demokratie
      von Prof. Dr. Klaus Buchner

      Elementare demokratische Grundsätze werden aufgegeben


      Aus der Präambel der Verfassung:

      "Die Verfassung, die wir haben ... heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist." - Thukydides, II, 37

      Vergl. hierzu: SF-39667

      http://f23.parsimony.net/forum52169/messages/43947.htm


      Seit Jahren wird eine Verfassung für die EU gefordert. Jetzt liegt endlich ein Entwurf dafür vor. Er ist nur deshalb noch nicht in Kraft getreten, weil es zwischen Polen und Deutschland Streitigkeiten um die Verteilung der Stimmrechte gab. Der Entwurf selbst soll jedoch nicht mehr geändert werden.
      Falls diese Verfassung in Kraft tritt, wird sie in vielfacher Weise unser Leben beeinflussen. Gleich in den ersten Sätzen wird klar, dass wichtige demokratische Grundsätze außer Kraft gesetzt werden. Denn der Entwurf bekennt sich zwar zu den Menschenrechten und Grundfreiheiten (Art. I-7), jedoch nicht zu den demokratischen Grundrechten. Interessant ist, was unter den „Grundfreiheiten“ verstanden wird. Art. I-4 definiert sie als „der freie Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapital-verkehr sowie die Niederlassungsfreiheit“.

      Das sind neo-liberale Wirtschaftsregeln für die Globalisierung, aber keine Freiheiten im Sinn der Menschenrechte.

      Ein Satz der Art: „Alle Gewalt geht vom Volk aus“ fehlt und wäre auch mit den Bestimmungen dieser Verfassung unvereinbar. Das wird deutlich, wenn man die Strukturen der EU (PDF/ 9 Seiten) betrachtet, die der Verfassungsentwurf beibehalten will:


      Das EU-Parlament, das von den EU-Bürgern gewählt wird.

      Der EU-Rat, der aus seinem Präsidenten, den Regierungschefs der Mitgliedsstaaten und dem Präsidenten der EU-Kommission besteht. Der Rats-Präsident wird nicht von den EU-Bürgern, sondern von den Mitgliedern des EU-Rats für jeweils zweieinhalb Jahre gewählt.

      Der Ministerrat. Jeder Mitgliedsstaat entsendet je einen Minister für jedes Fachge-biet des Ministerrats.

      Die EU-Kommission, deren Mitglieder von den Regierungen der EU-Staaten aus-gehandelt werden. Ihr Präsident wird vom EU-Rat vorgeschlagen und vom EU-Parlament bestätigt.

      Der EU-Außenminister der Union. Er wird vom EU-Rat ernannt und vom Präsidenten der Kommission bestätigt.
      1. Die Verwaltung ist im wesentlichen Aufgabe der Kommission. Die politischen Grundsätze werden im Europäischen Rat festgelegt. Das EU-Parlament hat nur wenige Kompetenzen: Gesetzesentwürfe können nur auf Vorschlag der Kommission eingebracht werden. Diese Gesetze und der Haushalt können vom EU-Parlament nur gemeinsam mit dem Ministerrat beschlossen werden. Sonst darf das EU-Parlament nur noch Misstrauensanträge gegen die gesamte Kommission einbringen und die Kommission beraten. Die für Demokratien so wesentliche Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung und Politik / Verwaltung fehlt völlig. Die Kommission, die die Gesetze formuliert und die Verwaltung durchführt, wird nicht einmal gewählt, und steht unter dem direkten Einfluss der Wirtschaft. Denn deren Vertreter haben ständigen Zugang zu allen Bereichen der Kommission.

      2. Da das EU-Parlament als einzig direkt gewählte Institution sehr wenig Befugnisse hat, schafft die EU-Verfassung einen zentralistischen Staat von entmündigten Bürgern. Es entsteht der Eindruck, dass es nicht um Demokratie geht, sondern um eine problemlose zentrale Verwaltung.

      Ein Beispiel:
      Die Grenzwerte für die Mobilfunkstrahlung sollten für Europa einheitlich festgelegt werden. Dazu berief das EU-Parlament eine Gruppe von Wissenschaft-lern, die den sehr niedrigen Wert von 0, 000 1 W/m2 vorschlugen. Da aber das EU-Parlament keine Gesetzentwürfe machen darf, konnte es diesen Vorschlag nicht weiter verfolgen. Die Kommission, die unter dem Einfluss der Industrie steht, wollte dagegen die 50 000 bis 100 000 mal höheren deutschen Grenzwerte festlegen. Sofern die Kommission hierzu kein Gesetz, sondern nur eine Verordnung erlässt, kann sie das jederzeit gegen den Willen des Parlaments tun.

      3. Unionsrecht bricht grundsätzlich das Recht der Mitgliedsstaaten (Art. I-10) und setzt sogar Teile von deren Verfassungen außer Kraft. Ein Beispiel dafür ist die Verteidigungspolitik: Art. I-40 (3) verpflichtet zur Aufrüstung: „Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ Diese werden zur „Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit gemäß den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen“ eingesetzt. Das bedeutet z.B. auch Bundeswehreinsätze zur Terrorismus-Bekämpfung außerhalb Europas im Interesse von Drittstaaten (siehe Irakkrieg) und zur „Krisenbewältigung“ überall in der Welt (beides in Art. III-210) und steht im klaren Widerspruch zum Deutschen Grundgesetz, das praktisch nur reine Verteidigungskriege zulässt (Art. 87a des Grundgesetzes) und Angriffskriege unter Strafe stellt (Art. 26, Abs.1). Bei der Entscheidung über Krieg und Frieden haben weder der Deutsche Bundestag, noch das Europäische Parlament ein Mitspracherecht. Sie wird allein vom Europäischen Ministerrat gefällt; der allerdings in einigen Fällen einstimmig beschließen muss (Art. I-40 (4) und I-39 (7)).

      4. Da die Zuständigkeit der Union nicht genau eingeschränkt wird (Art. I-9), greift sie in immer mehr Bereiche ein. So bleiben den nationalen Parlamenten immer weniger Kompetenzen. (Verletzung des Subsidiaritätsprinzips „So viel lokal wie möglich, soviel überregional wie nötig“)

      Ein harmloses Beispiel:
      Form und Größe der importierten Bananen gehören sicher nicht zu den „ausschließlichen Zuständigkeiten“ der Union (nach Art. I-12). Wenn aber ein EU-Kommissar beschließt, die Eigenschaften von Bananen müssen im Rahmen der „gemeinsamen Handelspolitik“ (Art. I-12 (1)) für die ganze EU einheitlich festgelegt werden, so kann er das tun. Weniger harmlos ist es, wenn die EU wichtige Befugnisse von Regierungen den privaten Konzernen übergibt. Wie das geschehen kann, zeigen die folgenden beiden Punkte:

      5. Der EU-Verfassungsentwurf sieht vor, dass internationale Verträge ohne Zustimmung der Mitgliedsstaaten geschlossen werden (Art. I-12 (2)). Dies geschieht auch ohne Zustimmung des EU-Parlaments, aber im direkten Einflussbereich von Wirtschaftsverbänden (z.B. „European Services Forum“). In nächster Zeit betrifft dies beispielsweise den sog. GATS-Vertrag, der u.a. die Öffnung von Bildungseinrichtungen für Privatfirmen festschreibt.

      Damit private Anbieter gleiche Chancen haben, dürfen Universitäten nicht mehr bezuschusst werden. Als Folge davon müssen dann Studiengebühren, eventuell auch Schulgeld erhoben werden. Volkshochschulen sind in der bisherigen Form nicht mehr möglich. Zuschüsse zu Krankenhäusern, eine öffentliche Wasserversorgung und Müllabfuhr stehen auf dem Prüfstand, ebenso wie der Öffentliche Nahverkehr.

      6. Der Einfluss der Politik wird gegenüber der Wirtschaft stark eingeschränkt: Sozial- und Umweltstandards, Gesundheits- und Verbraucherschutz werden geopfert: Der GATS-Vertrag, der von der EU ins Auge gefasst wird, sieht vor, „keine unnötigen Hemmnisse“ gegen den freien Warenverkehr aufzubauen. Im Vertrag ist ein „Notwendigkeitstest“ für nationale Gesetze enthalten (Art. XIV, XX). Er besagt, dass bei bestimmten Dienstleistungen weder die „Kernarbeitsnormen“ der internationalen Arbeiterorganisation ILO, noch Einhaltung von Tarif- und Gewerkschaftsverträgen gefordert werden dürfen. Selbstverständlich werden auch Gesetze zum Umwelt- und Verbraucherschutz aufgehoben, soweit sie den Interessen der betroffenen Firmen im Weg stehen.

      Die Folgen derartiger Verträge bekommen wir jetzt zu spüren: Die EU, insbesondere die deutsche Ministerin Künast ist vor den USA eingeknickt und lassen den Import genmanipulierter Nahrungsmittel zu. Bisher mussten derartige Verträgen jedoch im Ministerrat von den zuständigen Ministern der Mitgliedsstaaten beschlossen werden. Nach dem Verfassungsentwurf ist das in Zukunft nicht mehr nötig. Die Kommission, die keinerlei demokratische Legitimation hat, bestimmt darüber allein.

      7. Die Soziale Marktwirtschaft wird praktisch abgeschafft. Art. I-3 (3) enthält zwar noch die Formulierung „wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“. Aber in der konkreten Ausgestaltung in Abschnitt III ist das Wort „soziale“ nicht mehr enthalten. Schlimmer noch: In Art. III-69 (1) heißt es: „Die Tätigkeit der Mitgliedsstaaten und der Union im Sinne des Artikels I-3 umfasst nach Maßgabe der Verfassung die Einführung einer Wirtschaftspolitik, die ... dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist.“ Kein Wort von ökologischer oder sozialer Marktwirtschaft! Was das praktisch bedeutet, wurde oben in 6. an einem Beispiel gezeigt.

      Ein weiteres Beispiel:
      8. In umständlicher Sprache legt Art. III.55 (1) etwas Ungeheueres fest: „Die Mitgliedsstaaten werden in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine den Bestimmungen der Verfassung und insbesondere deren Artikel I-4.Absatz 2 und den Artikeln III-55 bis III-58 widersprechende Maß-nahmen treffen oder beibehalten.“ Diese Maßnahmen sind nach III-56 „Beihilfen der Mitgliedsstaaten oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen ...“) Das ist ein Anschlag auf die öffentliche Daseinsvorsorge z.B. durch staatliche Schulen, Universitäten, Rundfunk- und Fernsehsender usw., sobald andere „Unternehmen“ als Konkurrenten auftreten, z.B. Schulen ausländischer Bildungskonzerne oder Islamschulen fundamentalistischer Muslims. Dieses Beispiel ist nicht aus der Luft gegriffen. Bei den GATS - Verhandlungen steht unser Schulsystem tatsächlich zur Disposition, d.h. die Bezahlung von Schulen durch den Staat kann verboten werden, wenn andere Schulen als benachteiligte Konkurrenten dagegen klagen. (Bisher bekommen Privatschulen hohe Zuschüsse, falls sie die Lehrpläne und bestimmte Mindeststandards erfüllen. Nach der Verfassung darf – wenn ein Konkurrent auftritt – kein Schulsystem staatliche Gelder bekommen. Dann muss selbst in Grundschulen Alles von den Eltern bezahlt werden.)

      9. Der 1957 abgeschlossene Euratomvertrag gilt weiter und wird sogar im EU-Verfassungsentwurf ausdrücklich bestätigt (Protokoll zur Änderung des Euratom-Vertrags in Abschnitt IV). Dort heißt es: „... Unter Hinweis darauf, dass die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft weiterhin volle rechtliche Wirkung entfalten müssen, ...“ Das bedeutet, dass sogar Länder, die dem Euratomvertrag nicht beigetreten sind und selbst keine Atomkraftwerke betreiben (z.B. Österreich), auch in Zukunft über ihre EU-Beiträge AKWs in Osteuropa subventionieren müssen.

      Aus diesen Gründen lehnt die ödp den vorliegenden Verfassungsentwurf ab. Sie fordert, dass eine so weitreichende Einschränkung demokratischer Rechte nur nach einer Volksabstimmung erfolgen darf. 92,4% der Deutschen sprechen sich für diese Volksabstimmung aus. Aber 90% der Bundestagsabgeordneten sind dagegen. Denn bei einer Volksabstimmung nach einer fairen Information der Bevölkerung hätte diese Verfassung kaum eine Chance.



      Prof. Dr. Klaus Buchner ist Bundesvorsitzender der ödp und Spitzenkandidat für die Europawahl am 13. Juni 2004

      Bisher berichtet die Presse über diese Missstände kaum. lediglich die Friedenswerkstatt Linz" und die Informationsstelle Militarisierung sind Ausnahmen in der deutschsprachigen Presselandschaft.

      Am 13. Juni ist Europawahl. Nicht wählen zu gehen ist eine Sache. Einer kleinen Partei, wie z.B. den Unabhänigen Kandidaten oder der ödp die Stimme zu geben ist auch eine Möglichkeit des Protests. Gegen ein zentralistisch regiertes Europa, bei dem die Nationen und die Bürger vor allem eines sollen: Kaufen ohne nachzudenken!

      Einar von Vielen
      Avatar
      schrieb am 14.05.04 23:47:29
      Beitrag Nr. 1.648 ()
      Avatar
      schrieb am 14.05.04 23:49:53
      Beitrag Nr. 1.649 ()
      Avatar
      schrieb am 17.05.04 17:01:04
      Beitrag Nr. 1.650 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      spatzseite.de


      Aus dem Reich der Lüge und der Heuchelei: 16.05.2004

      DIESE WOCHE
      Die Diktatoren aller Zeiten haben von einer stationären Gesellschaft geträumt, die sich technologisch nicht mehr entwickelt und daher beherrschbar ist – was genau das ist, was derzeit im Entstehen begriffen ist. Mit großer Klarheit leitet der Spatz diese Woche her, weshalb und wie sich dieser Endzustand der Geschichte entwickelt, und wie unmenschlich er ist.

      "Tschuldigung! Es war nicht so gemeint!"




      Sie pressen sich künstlich einige Worte des Bedauerns ab und schieben alle Schuld auf nachgeordnete Dienststellen. Daß die Folterungen nicht erst im letzten Krieg betrieben wurden, daß sie nach wissenschaftlicher Anleitung erfolgten und von höchster Stelle sogar gegen Beschwerden nachgeordneter Stellen angeordnet wurden, schert so wenig, wie willkürlichen Regierungsmorde an Leuten, von denen man sagt, sie seien möglicherweise Terroristen. Aber Menschenrechtsverletzungen in China und anderswo sind empörend. Das Bedauern gilt ausschließlich dem Umstand, daß die Sache aufgeflogen ist. Man kann die eigene Bevölkerung und die Weltbevölkerung folgenlos belügen, (fiskalisch) bestehlen und an der Nase herumführen.
      Ein billiges "Tschuldigung" genügt.

      Die dänische Tageszeitung Jyllandposten schrieb am 11. Mai: "Die USA hat nun zum 2. Mal ihr Vietnam, nicht wegen einer starken Vietcong Armee, nicht wegen der massiven Unterstützung seitens der kommunistischen Diktatur im Norden, nicht wegen eines gut organisierten Widerstands der Saddam Hussein Anhänger im Irak, sondern wegen der perversen Vorgehensweise ihrer Soldaten [...] auf direktem Befehl ihrer hochrangigen militärischen und politischen Führer". Bei aller Abscheu, solche Dinge waren so neu nicht. Die eigentliche Frage ist: Wer konnte/wollte sie gerade jetzt auffliegen lassen? Dabei ist nicht einmal klar, welcher Seite das im US-Wahlkampf dient. US-Bürger lieben Leute, die erst ziehen und danach Fragen stellen - vor allem, wenn es sich bei den Opfern um nichtwestliche Untermenschen handelt.

      Danken wir die Aufdeckung dem wachsamen, kritischen Journalismus? Wohl kaum! Wie engagiert hatten sich die stets kritischen Medien, allen voran der Spiegel, noch gegen die mit überwältigender Datenfülle begründeten Zweifel an der amtlichen Darstellung der terroristischen Angriffe auf das WTC am 11.9.01 gewehrt und als verschwörungstheoretische Spinnereien lächerlich gemacht? (Was es nicht geben darf, gibt es auch nicht - in den Medien) Was - jedenfalls seit dem Tonking-Zwischenfall, der den Vietnamkrieg begründete, voll Entrüstung "aufflog", tat es erst, als es an der eigentlichen Sache nichts mehr änderte, allenfalls den westlichen Pluralismus bestätigte. Soweit sind wir im Irak und Afghanistan noch nicht? Dabei ist der Zugang zu den Tatorten streng bewacht. Da kommen Sie so wenig hinein, wie Ihr FAZ-Journalist, wenn er es wollte. Schlechtes Gefängnis-Management? - Kaum!

      In der gleichen dänischen Zeitung war nur 20 Tage vorher (am 21. April) ein Interview mit Dr. Rajendra Pachauri, dem Vorsitzenden des IPCC, der offiziellen Priesterschaft des Wettergottes der Vereinten Nationen zu lesen. Er äußerte sich über den "grünen" Statistiker Bjorn Lomborg und sein Buch "The Sceptical Environmentalist": "Wie unterscheiden sich Lomborgs Ansichten zur Menschheit von denen Hitlers? Man kann Leute nicht wie Vieh behandeln. Man muß ihre kulturellen Unterschiede respektieren [...] Lomborg denkt, es wäre billiger die Menschen von den Maldiven umzusiedeln, statt zu versuchen, den Anstieg des Meeresspiegels zu verhindern, damit Inselngruppen wie die Maldiven oder Tuvalu nicht im Meer versinken. Wo ist da der Respekt für diese Menschen? Wenn Sie die Denkweise Lomborgs akzeptieren, dann war vielleicht das, was Hitler tat, richtig". Harte Anklage denn: "Hitler" ist der Superlativ von "böse".

      Lomborg war von den Klimabehauptungen des IPCC ausgegangen, hatte aber mit Hilfe überwältigender wissenschaftlicher Belege gezeigt, daß die Maßnahmen des Kyoto-Protokolls nichts gegen die Klimaerwärmung ausrichten würden, daß sich aber für einen geringen Teil der damit verbundenen Kosten dringendere und nützlichere Umweltprobleme lösen ließen, darunter die Versorgung der Menschen in der Dritten Welt mit sauberem Wasser und ausreichender Nahrung. Das hält der weltamtliche Klimafunktionär für hitlerisch. Schon das britische Wissenschaftsmagazin "Nature" hat in seiner Novemberausgabe 2001 Lomborgs Buch ungewöhnlich scharf angegriffen: "Der Text folgt der Strategie derjenigen, die zum Beispiel behaupteten, Homosexuelle stürben nicht an AIDS, Juden wären nicht von den Nazis zur Vernichtung ausgewählt worden und so weiter". Warum so gereizt?

      Der zweite Fall scheint klar zu sein. Die Lügengebäude brechen ein, wenn sie selbst einen Umweltschützer wie Lomborg nicht mehr überzeugen. Man wollte damit den Untergebenen erklären, warum sie bei überschäumenden, technischen Produktionsmöglichkeiten ihren Gürtel enger ziehen und Not leiden müssen. Sprüche überzeugen nicht mehr, wenn sich die Not persönlich meldet.

      Liegt der erste Fall vielleicht ähnlich? Nehmen Sie jüngste außenpolitische Vorstöße des Westens noch hinzu: Die gerade neu verhängten Sanktionen gegen Syrien und vor allem das am 6. Mai verkündete neue "Projekt zur Befreiung Kubas". Nachdem die USA den Irak so erfolgreich mit "Demokratie, freiem Markt und westlichen Werten" beglücken konnten, wollen sie wieder einmal die Kubaner mit dergleichen versorgen. Bushs "Kommission zur Hilfe für ein freies Cuba" verkündete: 1. Es werde "die unnachsichtige, brutale Diktatur in Kuba an ein Ende bringen" 2. "dem Kubanischen Volk beim Übergang zu einer repräsentativen Demokratie beistehen" 3. "dem Kubanischen Volk helfen, eine freie Marktwirtschaft einzuführen". Für diese gnädige Zuwendung werden in den nächsten zwei Jahren 59 Millionen US$ locker gemacht, davon gehen 36 Millionen an Widerstandskämpfer in Kuba, 15 Millionen an einen Rundfunk- und TV-Sender, der die Insel vom Flugzeug aus mit Propaganda übergießt, 5 Millionen stehen für zusätzliche diplomatische Anstrengungen zur Verfügung. Im US-Außenministerium wird der Posten eines "Transition Koordinators" für Kuba eingerichtet und die Absicht verkündet, andere Länder dazu zu bringen, solche Bemühungen zu unterstützen. Aus Kubanischer Sicht wäre so etwas Terrorismus. Es kommt bei dergleichen auf den Standort an.

      Was haben beide Fälle gemeinsam? Ablenkung? Das eigentlich schmerzhafte Problem im Wahlkampf ist wohl der "Aufschwung". Dazu ein paar "facts": Die Detroit News berichteten am 7. Mai, große Betonbrocken seien von der East Grand Boulevard Brücke herabgeregnet. Glücklicherweise sei niemand getroffen worden, nur 5 Fahrzeuge hätten sich an ihnen einen Platten geholt. Die Brücke habe wie 1500 andere Brücken nur dieses Bundesstaates, das Ende ihrer 40-50 jährigen Lebenserwartung erreicht. Die Megabank Citigroup ließ sich, nach dem sie über 2 Jahre jede Schuld bestritten hatte, auf einen 2,65 Mrd.-US$-Vergleich mit Anlegern ein, denen sie noch schnell WorldCom Aktien angedreht hatte, als der Bankrott der Firma bereits feststand. Eine weitere Klage über 4,95 Mrd. US$ ist im Zusammenhang mit der Enron-Affäre anhängig. US-Behörden weiten ihre Untersuchungen der Mutual Fonds wegen des Verdachts aus, nach dem letzten Aktienkrach der besseren Optik wegen Anlagegelder ihrer Klienten als Eigenkapital verbucht zu haben. Verdächtigt werden u. a. Citigroup, Merill Lynch, Morgan Stanley und CSFB.

      Schwere Sorgen bereitet der Ölpreisanstieg auf über 40 US$ das Faß. Verantwortlich gemacht werden - wie immer in einem solchen Fall - die Ölscheichs und ihre OPEC. Die OPEC produziert bei einem Weltverbrauch von 82 Millionen Faß täglich etwa 23,5 Millionen Faß an ihrer Kapazitätsgrenze, knapp 30%. Das Hauptproblem sieht OPEC Präsident Purnomo Yusgiantoro neben "geopolitischen Unsicherheiten und unangemessener Raffineriekapazität im Westen, vor allem in der gewaltigen Öl-Spekulation seitens großer Fonds". Irgendwoher muß das Geld für die Wertpapierzinsen ja herkommen.

      Bedenklich, vor allem in den USA und in England, wird die Hypothekenblase bei steigenden Zinsen. Hatten sich viele Haushalte dadurch noch über Wasser gehalten, daß sie angesichts niedriger Zinsen neue Schulden auf ihr Haus aufgenommen haben, so versiegt diese Möglichkeit allmählich (Umschuldungen nahmen im März in den USA gegenüber dem Februar um 56% ab), gleichzeitig drohen hohe Zinsen oder eine fortschreitende Teuerung (wegen Inflation oder der hohen Energiekosten), die Verschuldete in die Zahlungsunfähigkeit und ihre Kreditgeber in den Bankrott zu treiben. Trotzdem und trotz bei gesunkenem Dollarwert teurerer Importe überstieg das Außenhandelsdefizit der USA bei Güter und Dienstleistungen allein im März zum ersten Mal die 50 Mrd./Monat-Marke auf 51,24 Mrd. US$. (Wie schön, daß wir wenigstens ein Plus beim Export haben, irgendwer muß ja...). Wie wollen die USA reiche Leute im Nahen Osten, in Asien und bei uns überzeugen, ihr Geld weiterhin in die USA zu schaffen, um den Markt "frei" zu halten und das Defizit der USA zu finanzieren. Da bleiben nur hohe Zinsangebote oder der Einsatz von Truppen (war das die eigentliche Fehlkalkulation von Herrn Rumsfeld: Was macht ein Ölscheich mit seinem Geld, wenn man seine aufmüpfigen Untertanen so richtig in Wut versetzt).

      Es ist nicht verwunderlich, wenn der Kommentator Roberts in der Washington Times am 12. Mai angesichts der wegbrechenden Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe der USA darüber sinniert: "Vor Zeiten war der freie Markt eine vernünftige Politik aufgrund gesunder Analysen, doch heute ist es eine Ideologie zum Drücken der Löhne". Heute senke der freie Markt den Lebensstandard und zerstöre er die Wirtschaft. (Was hat sich für den Markt geändert, wenn nicht die "Konzentration" des sogenannten Kapitals?)

      Konnte man das nicht schon bei Adam Smith lesen, wenn man lesen konnte? Der freie Markt würde - so Adam Smith - das Einkommen der Produzenten gegen Null gehen und das Vermögen sich bei den Geldgebern sammeln lassen. (bei Unternehmern wie Arbeitern; für die Unternehmer ist das fast erreicht, dort herrschen inzwischen angestellte Finanzvorstände im Auftrag der Geldgeber, die Arbeiter werden zur Zeit freiheitlich gegen Null globalisiert). Deswegen wird Smith auch von den Geldgebern und ihren Medien so gelobt. Und schon John Stuart Mill schloß aus Smith` Analyse messerscharf, daß man früher oder später zu einer "Stationären Gesellschaft" übergehen müsse. Darunter verstand er unmißverständlich eine sich technologisch nicht mehr entwickelnde Gesellschaft, die von der intellektuellen Avantgarde des Finanzkapitals nach soziologischen Methoden verwaltet würde. Wo liegt der Unterschied zu Karl Marx, der auf die "Negation der Negation" und die Avantgarde der Gegenseite (Opposition) setzte? Zu den "soziologischen Methoden" gehört die moralische und praktische Einschüchterung (wie in den Gefängnissen des Irak oder der ehemaligen SU - wenn entsprechende Berichte nicht nur billige Westpropaganda waren) und eine angeblich antikapitalistische grüne, quasi-sozialistische Ideologie - noch Fragen?

      Man sollte die allzuoft zitierten Werke aufmerksam lesen. Auch unsere Eltern wunderten sich hernach über Hitlers Pläne: sie hatten zwar "Mein Kampf" im Bücherschrank, aber es selbst bis heute nicht gelesen.
      Avatar
      schrieb am 17.05.04 17:07:16
      Beitrag Nr. 1.651 ()











      Verlag Humanwirtschaft, Humboldstrasse 108, D-90459 Nürnberg

      info@humanwirtschaft.org --
      www.humanwirtschaft.org

      http://www.evotrade.de/Tag_im_Markt/Naturgesetz-Formel/Human…
      Avatar
      schrieb am 17.05.04 17:09:18
      Beitrag Nr. 1.652 ()
      Der verheerende Teil der Baisse liegt noch vor uns!

      In 1971, wie wir wissen, wurde der US-Dollar vom Gold abgekoppelt, es war danach eine auf Vertrauen basierende Währung. Seit dieser Zeit blähten sich die Dollars, die Dollar-gelinkten Kredite und Schulden, die Dollar-Obligationen, Derivate, und andere Verpflichtungen auf, und zwar zu einer unglaublichen Grösse. Jetzt braucht man mehr als Glauben an den Dollar... man braucht harte Drogen.
      Allein die Federale Regierung hat derart extravagante Versprechen und Schulden angehäuft, die jeden Ökonomen zum lachen bringen - und die Buchhalter zum weinen. Das fiskale Defizit der USA ist auf $51 Billionen ($51 Trillion) - mehr als der Wert aller privaten Aktiva im gesamten Land USA angestiegen.
      Alan Greenspan, 78, hat das FED Board bis dato 17 Jahre lang geführt. Er wurde als "Genius" gepriesen, das Land so zur Prosperität geführt zu haben. Jedoch es ist eine Schande, eine Burg auf Sand gebaut. Seine Reputation wird das früher oder später reflektieren. Es steht ausser Zweifel, Greenspan hat ein Monster kreiert, das nur durch Kreditausdehnung aufrecht erhalten wird. Wie wird das enden, mag man sich wundern? Was wird der Katalysator sein?

      Niemand weiss, was passieren wird. Ein gutes Argument wäre, dass George W. Bush den grössten katastrophalen Fehler in der amerikanischen Geschichte gemacht hat. Tausende Menschen wurden in seinem Irak-Abenteuer getötet, für nichts. Die Kosten häufen sich an, $300 Milliarden ist die Schätzung.

      Die Integrität des amerikanischen Militärs wurde kompromitiert. Der hohe moralische Standard seiner "zivilisierenden Mission" wurde verloren.

      Von den 1950er bis Ende1970er Jahren hatte 1 Dollar zusätzliche Schulden zwischen $0,50 und $0,70 zusätzliches nominales BIP erzeugt. Jedoch in jüngster Zeit konnte ein Dollar mehr Schulden, nur eine Erhöhung des nominalen BIP um ca. $0,20 bewirken. Mit anderen Worten, um bei dem gegenwärtigen Höhenflug die Höhe halten zu können, muss der Pilot der US Ökonomie die Drehzahl des Motors erhöhen.

      Wie jedermann weiss, führt diese Überforderung der Maschine "Ökonomie" zum Crash. Der Aktienmarkt wird als erstes diesen Defekt sichtbar machen.

      US- Einzelhandelsumsätze April –0,5%. Anträge auf US-Arbeitslosenunterstützung in dieser Woche +25.000. Der Verbrauchervertrauensindex der Uni Michigan lag im Mai bei 94,2% (1. Schätzung) unverändert zum Vormonat. Prognose 96,0.

      Das deutsche Bruttosozialprodukt lag im ersten Quartal 2004 bei 0,4%, liess das Statistische Bundesamt am Donnerstag verlauten. Der US CPI im April war +0,2%, Jahresrate 2,3%. Prognose war 2,4%. Der Ölpreis erreichte heute ein Hoch von $41,45/Barrel.

      http://www.evotrade.de/Tag_im_Markt/tag_im_markt.html
      Avatar
      schrieb am 17.05.04 19:26:29
      Beitrag Nr. 1.653 ()
      Interview mit Marc Faber:
      " Aktien und Rohstoffe haben die Höchstkurse erreicht"


      Investmentberater Marc Faber über unbegründeten Optimismus an den Börsen, explosive Ölpreise und den Reiz von Orangensaft



      Herr Faber, 2003 war ein ungewöhnlich gutes Jahr für die Anleger. Alles ist gestiegen - Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Immobilien. Geht es so weiter?

      ANTWORT: Es ist unmöglich, daß langfristig alle Anlageklassen zur gleichen Zeit steigen. Gewöhnlich werden Haussen in einem Vermögenswert von Baissen anderer Vermögenswerte begleitet. Zum Beispiel stiegen in den siebziger Jahren die Rohstoffpreise, gleichzeitig brachen die Kurse von Anleihen ein. Selbst Nichtökonomen dürfte einleuchten, daß die Preise von Immobilien und Rohstoffen nicht gleichzeitig mit den Kursen festverzinslicher Wertpapiere klettern können. Denn ihr Anstieg deutet auf Inflationsgefahren hin.


      Am Rentenmarkt brennt es schon. Werden die Kurse weiter fallen?

      ANTWORT: Die Obligationennotierungen sind in den letzten vier Wochen so stark eingebrochen, daß sie sich möglicherweise ein wenig erholen können. Grundsätzlich bin ich aber überzeugt, daß die Zinsen im September 1981 ihren Höchststand und im Juni 2003 ihren Tiefststand erreicht haben.


      Wir erleben gerade die gefürchtete Zinswende?

      Ja, in den nächsten zehn Jahren werden die Anleihekurse fallen, insbesondere in Japan. Es ist also eine attraktive Wette, die japanischen Bonds a la Baisse zu spielen.


      Gehen mit den Anleihen auch andere Anlagen in den Keller?

      ANTWORT: Ich habe das ungute Gefühl, daß Rohstoffe, Immobilien und Aktien in diesem Jahr die Höchstkurse erreicht haben. Trotz des monetären Stimulus und trotz Rekordzuflüssen in Aktienfonds sind die Aktienmärkte in den letzten drei Monaten nicht mehr wesentlich gestiegen. Da baut sich Verkaufsdruck auf.


      Was stimmt Sie für den Aktienmarkt skeptisch?

      ANTWORT: Ich habe einfach Angst, daß der Konsum und das Wirtschaftswachstum in Amerika enttäuschen. Die extrem expansive Geldpolitik von Notenbankchef Alan Greenspan stößt an ihre Grenzen. Während in den fünfziger und sechziger Jahren ein Dollar zusätzlicher Verschuldung zu einem Dollar zusätzlichen Wirtschaftswachstums geführt hat, braucht Amerika heute acht Dollar zusätzliche Verschuldung, um einen zusätzlichen Dollar Wachstum zu erzielen.


      Aber die amerikanische Konjunktur läuft doch gut. Warum sollten sich Anleger sorgen?

      ANTWORT: Der Optimismus vieler Investoren ist nicht begründet. Tatsächlich ist die Lage bedenklich. Die Wirtschaft in Amerika wurde nicht durch steigende Beschäftigtenzahlen, neue Industrieproduktion oder Investitionen angekurbelt.

      Was die Wirtschaft belebte, war eine inflationistische Geld- und Fiskalpolitik, die es den Verbrauchern ermöglichte, sich stärker zu verschulden und weiter zu konsumieren, obwohl die Reallöhne gefallen sind. Die Amerikaner haben zu immer tieferen Zinsen zusätzliche Hypotheken aufgenommen und einen Großteil des Geldes für Autos und anderes ausgegeben. Steigen die Zinsen, ist das Spiel aus.


      Was bedeutet das für die Börse?

      ANTWORT: Die Lage ist höchst gefährlich. Solche Perioden der Inflation in Vermögenswerten enden in der Regel in einem Börsencrash und einer Finanzkrise. So war es in Japan in den neunziger Jahren und in Hongkong 1994.


      Wird sich Asien gegen den negativen Trend in Amerika stemmen?

      ANTWORT: Grundsätzlich glaube ich, daß sich Asien vom Konjunkturzyklus Amerikas abkoppeln kann, insbesondere Japan. Mit 3,6 Milliarden Menschen hat die Region ein gewaltiges Wachstumspotential. Aber finanziell ist sie dem amerikanischen Aktienmarkt verbunden. Wenn dort die Kurse fallen, wird keine Börse in Asien steigen. Das gilt im übrigen auch für Europa.


      Auch China ist chancenlos?

      ANTWORT: Produktion und Investitionen in China steigen. Aber so stark, daß die Wirtschaft stark überhitzt. Vieles spricht dafür, daß sich die Konjunktur abkühlen muß. Wenn die chinesische Wirtschaft sich zur gleichen Zeit verlangsamt wie die amerikanische, ist es gut möglich, daß sich die Rentenmärkte vorübergehend stabilisieren.


      Der Ölpreis ist außer Kontrolle. Müssen sich Anleger sorgen?

      ANTWORT: Der steigende Ölpreis ist ein weiterer Grund zur Vorsicht an der Börse. Er hat sich in der Vergangenheit negativ auf die Finanzmärkte ausgewirkt. Und es spricht viel dafür, daß er weiter klettert.


      Warum droht eine Preisexplosion?

      ANTWORT: Es ist ganz klar, daß der Energiebedarf in Asien zunimmt. China fragt zunehmend Öl nach. Noch ist der Pro-Kopf-Verbrauch mit einem Faß im Jahr sehr gering. Als Südkorea und Japan zu Industriemächten aufstiegen, schnellte ihr Konsum von einem auf 17 Faß. Heute verbraucht ganz Asien 20 Millionen Faß Öl pro Tag, in sechs bis zwölf Jahren wird es doppelt soviel sein.


      Wird das Ölangebot mit der Nachfrage Schritt halten?

      ANTWORT: Kaum. Jedes Ölfeld ist irgendwann leer. In Amerika fällt die Ölproduktion seit 1971. Ghawar, das größte Ölfeld in Saudi-Arabien, dürfte seine besten Tage hinter sich haben. Es gibt Berechnungen, denen zufolge die Gesamtölproduktion der Welt nach 2006 abnehmen wird.


      Wie stark wird der Ölpreis steigen?

      ANTWORT: Das hängt auch von der politischen Entwicklung ab. Es ist ziemlich wahrscheinlich, daß das Regime in Saudi-Arabien über kurz oder lang gestürzt wird. Die Bevölkerung dort ist von drei auf 22 Millionen gewachsen, die Arbeitslosenzahl im Land ist riesig und die Unzufriedenheit sehr groß. Ich könnte mir vorstellen, daß eines Tages eine politische Explosion stattfindet. Dann könnte Öl sehr teuer werden. Sehen Sie es positiv: All das sind starke Argumente, in Ölwerte zu investieren.


      Wo noch finden Anleger Zuflucht?

      ANTWORT: Die asiatischen Börsen sind im Vergleich zu den amerikanischen günstig, die Währungen sind unterbewertet, und das Preisniveau ist tief. Trotz aller Skepsis: Langfristig haben China, Vietnam und Indien die besten Aussichten. Vor allem Vietnam bietet interessante Gelegenheiten. Es stand zu Unrecht lange im Schatten von China, obwohl seine Wirtschaft kräftig wächst.


      Sollten Anleger mit dem Einstieg nicht besser warten?

      ANTWORT: Es stimmt schon: Wenn der amerikanische Konsument schlappmacht, ist das nicht gerade der ideale Zeitpunkt, asiatische Aktien zu kaufen. Ich konzentriere mich derzeit eher auf Immobilien. In Ländern wie Thailand, Indonesien, Malaysia oder Vietnam sind die Immobilienpreise im Vergleich zu Westeuropa noch sehr tief.


      Wie steht es mit Ihrem Favoriten Gold. Empfehlen Sie es noch?

      ANTWORT: Es gibt auf der Welt fünf große Währungen, Dollar, Euro, Yen, die chinesische Währung und Gold. Vier sind Papierwährungen, die aufgrund der verfehlten Politik der Notenbanken an Kaufkraft verlieren werden. Deshalb bleiben Gold und andere Sachanlagen wie Immobilien attraktiv. Sie dürften wenigstens ihren Wert halten. Kurzfristig sieht der Goldpreis jedoch schlecht aus. Ich habe den Eindruck, daß er noch weiter fallen könnte. Aber langfristig bin ich überzeugt, daß 90 Prozent Ihrer Leser in ihrem Leben einen höheren Goldpreis sehen werden als heute.


      Gibt es andere Rohstoffe, die Ihnen gefallen?

      ANTWORT: Orangensaft, Zucker und Kaffee haben kein großes Risiko nach unten. Der Preis für Orangensaft ist auf einem 27jährigen Tief. Viele Besitzer von Kaffeeplantagen reduzieren die Anbaufläche und pflanzen Sojabohnen. Angesichts der Misere sehe ich ein recht gutes Potential. Es kann ohne weiteres sein, daß sich der Kaffeepreis in den nächsten drei Jahren verdoppelt.


      Catherine Hoffmann / FAZ.de 16.05.2004
      Avatar
      schrieb am 17.05.04 23:24:27
      Beitrag Nr. 1.654 ()
      Avatar
      schrieb am 17.05.04 23:41:43
      Beitrag Nr. 1.655 ()
      Staatsschulden

      Jede Sekunde zählt

      Horrende Schulden lähmen den Staat. Es bleibt nur die Alternative: Steuern erhöhen oder Leistungen kürzen

      Von Wilfried Herz




      Ein Hoffnungsschimmer für Hans Eichel: Bei der verzweifelten Suche nach verborgenen Schätzen, mit denen sie die Haushaltsnöte ihres obersten Chefs lindern können, sind die Beamten im Bundesfinanzministerium tatsächlich fündig geworden. Ausgerechnet faule Schuldner der Vergangenheit können dem Bundesfinanzminister – wenn auch nur vorläufig – aus der schlimmsten Bredouille helfen.

      Fast 50 Milliarden Euro Außenstände hat der Bund im Ausland – Forderungen aus Krediten, die der Bund früher verbürgt hatte und die von den Schuldnern nicht zurückgezahlt wurden. Der mit Abstand größte Brocken – 14 Milliarden Euro – entfällt auf Russland. Und die Russen, die aus Sowjetzeiten die Schulden übernommen haben, sind inzwischen pünktliche Zahler geworden. Diese Forderungen, so das Kalkül von Eichels Experten, kann das Finanzministerium auf dem internationalen Kapitalmarkt verkaufen und direkt in Bares ummünzen. Dabei werden zwar Abschläge fällig, aber der von Kanzler und Ministerkollegen bedrängte Kassenchef kann mit den Erlösen die neuen Löcher in seinem Etat teilweise stopfen.

      Doch das ist nur eine Notoperation. Trotz aller verbalen Bekenntnisse von Gerhard Schröder und anderen Spitzenkoalitionären zum Konsolidierungskurs – in Regierung und Koalitionsfraktionen wächst die Zahl der Sparunfähigen und -unwilligen. Der grüne Wirtschaftspolitiker Fritz Kuhn plädiert für eine „antizyklische Finanzpolitik“ und hat „einen Horror“ vor einer neuen Sparrunde. Der SPD-Fraktionsvize Joachim Poß rät von einem Sparpaket ab, um nicht die „dümpelnde Binnenkonjunktur weiter abzuwürgen“.

      Weniger Steuereinnahmen, schwindender Sparwille bei den Regierenden – der Galopp in den Schuldenstaat, den Eichel zu Beginn seiner Amtszeit gebremst hatte, gewinnt mit der Haushaltskrise in Bund, Ländern und Gemeinden wieder an Tempo. Der Schuldenberg des Staates wächst und wächst, und das mittlerweile seit drei Jahrzehnten. In diesem Jahr wird er die Höhe von 1,4 Billionen Euro übersteigen. Dazu kommen nach Schätzungen des Finanzwissenschaftlers Bernd Raffelhüschen noch weitere 600 Milliarden Euro an Pensionsverpflichtungen, die zwar in keinem Haushalt stehen, die der Staat aber in späteren Jahren an seine Beamten zahlen muss. Die Folgen dieser gewaltigen Kreditpyramide sind verheerend: Wegen der hohen Zinskosten wird der Spielraum für Zukunftsausgaben wie Bildung, Forschung oder eine moderne Verkehrsinfrastruktur immer geringer.

      Ein Ausweg aus der „Schuldenfalle“, warnten die Präsidenten der Rechnungshöfe von Bund und Ländern in einer bislang einzigartigen Einmischung in eine aktuelle finanzpolitische Auseinandersetzung, „wird immer schwieriger“. „Solide öffentliche Finanzen“ seien jedoch die Voraussetzung dafür, „dass Investoren und Konsumenten Vertrauen in stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen haben“, betonte die Bundesbank. Folglich kann von einem „Ende der Zumutungen“ für die Bürger, das der Kanzler verkündet hat, noch keine Rede sein. Je länger die Konsolidierung der Staatsfinanzen hinausgeschoben wird, desto schwieriger wird die Aufgabe, desto schmerzhafter müssen am Ende die Einschnitte sein.

      Allerdings sind nicht alle Gründe, die gegen staatliche Schulden vorgebracht werden, wirklich triftig. Die Gefahr, dass der Euro zu einer „Weichwährung“ wird, wie der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle behauptet, ist weit übertrieben. Auch von der höheren Neuverschuldung können keine Inflationsgefahren ausgehen, weil der Europäischen Zentralbank im Maastricht-Vertrag untersagt wurde, Staatsdefizite durch Gelddrucken zu finanzieren. Für das vielfach heraufbeschworene so genannte crowding out, ein Verdrängen der Privatwirtschaft an den Kreditmärkten durch den allzu gierigen Staat, gibt es ebenfalls keine Anzeichen; trotz gestiegener Neuverschuldung sind in den vergangenen Jahren die Zinsen gesunken.

      Dennoch sind die Schäden immens. So reformbedürftig der europäische Stabilitätspakt auch ist, dass ihn gerade die Deutschen laufend brechen, die ihn einst durchgesetzt haben, schadet dem internationalen Renommee der Bundesrepublik. Mit dem Haushalt 2005, den das Kabinett am 23. Juni beschließen will, wird Deutschland zum vierten Mal hintereinander die Dreiprozentgrenze für die Neuverschuldung überspringen. Auch das zweite Maastricht-Kriterium, nach dem der Schuldenstand nicht höher sein darf als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wird die Bundesrepublik 2005 ein weiteres Mal – und zwar noch deutlicher als in diesem Jahr – überschreiten. Es entschuldigt die Deutschen auch nicht, dass sich immer mehr Euro-Länder nicht an die Maastricht-Vorgaben halten.

      Die schwerwiegendste Folge des ständig wachsenden Schuldenbergs sind die Kreditzinsen, die der Staat seinen Gläubigern zahlen muss und die auf lange Sicht einen immer größeren Budgetanteil auffressen. Neu ist diese Erkenntnis nicht. Bereits 1981, als die Zinslasten aus heutiger Sicht noch Peanuts waren, warnte der damalige sozialdemokratische Finanzminister Hans Matthöfer vor „erheblichen“ Einschränkungen für „die Handlungsmöglichkeiten im Bundeshaushalt“. Heute geben Bund, Länder und Kommunen mehr als 80 Milliarden Euro im Jahr an Zinsen aus – einen Haufen Geld, an dem kein Finanzminister rütteln kann und der für andere Zwecke, sei es für neue Universitäten, die Bundeswehrreform oder Sozialleistungen, nicht zur Verfügung steht. Allein der Bund muss jeden fünften Euro, den er an Steuern kassiert, für Kreditzinsen ausgeben. Im Durchschnitt aller Gebietskörperschaften sind es 16 Prozent der Steuereinnahmen.



      Dabei haben die Finanzminister und Stadtkämmerer in den vergangenen Jahren sogar noch das Glück niedriger Zinsen gehabt. Obwohl die Schulden insgesamt weiter kräftig gestiegen sind – selbst beim Bund macht im Rückblick die Schuldentilgung aus den UMTS-Erlösen von 50 Milliarden Euro im Jahre 2001 nur noch eine kleine Delle aus –, sind die Zinsausgaben per Saldo nahezu unverändert geblieben. Wenn ein alter teurer Kredit auslief, konnten ihn die Kassenverwalter durch einen neuen Kredit zu deutlich niedrigeren Zinsen ersetzen. Doch die Zinsentwicklung kann sich schnell ändern – erste Anzeichen dafür gibt es bereits an den Kapitalmärkten. Steigt die Durchschnittsverzinsung für die gesamten öffentlichen Schulden nur um einen Prozentpunkt, rechnet Bundesbank-Vizepräsident Jürgen Stark vor, hat das zwangsläufige Mehrausgaben des Staates von 14 Milliarden Euro zur Folge – immerhin gut 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

      Es wirkt jedoch nicht überzeugend, wenn die Opposition über die höhere Neuverschuldung der Bundesregierung lamentiert – so wie der CDU-Haushaltsexperte Dietrich Austermann: „Die sind am Ende, die sind fertig.“ Denn Union und FDP sind nicht nur in den Bundesländern an der Schuldenmacherei beteiligt, der größte Block der Staatsschulden wurde während ihrer Amtszeit von 1982 bis 1998 aufgehäuft.

      Von Finanzministern verschiedener Couleur immer wieder mal durchgesetzte Sparpakete hinterließen beim Schuldenberg keine dauerhaften Spuren. Schon die erste aller Sparaktionen trug das falsche Etikett. 1975 beschloss die sozialliberale Koalition nach der ersten Ölkrise in der Rezession das „Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur“. Schon damals wurden nur notdürftig Löcher gestopft und Steuern erhöht, aber die Etatstruktur wurde nicht verbessert. Das hat sich bis heute kaum geändert. Die Zinsausgaben sind gestiegen, während die Ausgaben für wachstumsfördernde Investitionen auf einem Tiefpunkt angelangt sind.




      Noch hat sich in der Amtszeit Hans Eichels aber nicht die alte Ökonomenweisheit bestätigt, mit der der Bund der Steuerzahler auf seiner Internet-Seite vor üppiger Staatsverschuldung warnt: „Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen.“ Trotz Öko- und Tabaksteuererhöhung ist die gesamtwirtschaftliche Steuerquote so niedrig wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Doch langfristig bleibt nur die Alternative: Entweder Steuern erhöhen, um die Einnahmen zu steigern, oder Leistungen kürzen, um die Ausgaben zu senken.

      (c) DIE ZEIT 13.05.2004 Nr.21

      ZUM ARTIKELANFANG

      http://www.zeit.de/2004/21/Schulden
      Avatar
      schrieb am 17.05.04 23:44:56
      Beitrag Nr. 1.656 ()
      staatsschulden

      Wer profitiert von den Schulden?

      Die Gläubiger des Staates verstecken sich hinter dem Bankgeheimnis


      Von Marie-Luise Hauch-Fleck

      In den Debatten über Pro und Contra staatlicher Verschuldung und Neuverschuldung wird meist ausgeblendet, dass dem Kreditnehmer Staat selbstverständlich auch Gläubiger gegenüberstehen. Bei einem Schuldenstand von fast 1,4 Billionen Euro zahlt der Staat immerhin 66,2 Milliarden Euro Zinsen im Jahr – das sind elf Prozent der gesamten Staatsausgaben . Noch 1992 betrug diese Zins-Ausgabenquote lediglich 9,4 Prozent. Verschlechtert hat sich auch die Zins-Steuerquote, die misst, wie viel Prozent der Steuern für Zinszahlungen aufgewendet werden müssen. Sie ist innerhalb der vergangenen zwölf Jahre von 13,7 auf 16 Prozent gestiegen.

      Doch anders als bei Steuern, über deren Verteilungswirkungen viel geforscht wird, gibt es zu der Frage, welche Verteilungswirkungen von der Staatverschuldung ausgehen – ob sie neutral ist oder möglicherweise bestimmte Einkommensschichten überproportional davon profitieren – keine gesicherten Erkenntnisse.


      Wer die Zinsen kassiert

      Wer tatsächlich die Gläubiger der öffentlichen Hände sind, ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der Republik. Nicht einmal das Unternehmen, das für den Bund die Kreditaufnahme regelt, kennt die Geldgeber: die Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur, eine 100-prozentige Tochter des Bundes. An der Frage „Wem gehört die Bundesrepublik“ hätten zwar viele ein brennendes Interesse, sagt Boris Knapp, der Sprecher der Finanzagentur. Ihre Beantwortung scheitere aber „an den geschäftspolitischen Interessen derer, die die Papiere des Bundes erwerben“ – im Klartext: am Bankgeheimniss.

      Die einzige, höchst grobe Statistik veröffentlicht die Bundesbank. Danach halten Kreditinstitute rund 532 Milliarden Euro, Nichtbanken 228 Milliarden Euro und das Ausland 512 Milliarden Euro. Wie viele unter den im Punkt „Ausland“ summierten Gläubigern in Wirklichkeit Bundesbürger mit Konten bei Auslandstöchtern inländischer Banken sind, ist offen.

      Dennoch scheint eines plausibel: Dass es vorrangig Besserverdienende sind, die dem Staat ihre Ersparnisse als Kredit anvertrauen. Diese These wird durch eine TNS Emnid-Umfrage im Auftrag des Immobilienunternehmens IVG untermauert. Danach besitzen lediglich 19 Prozent der Haushalte mit einem Nettoeinkommen von 2000 bis 2500 Euro festverzinsliche Wertpapiere – gegenüber 36 Prozent der Haushalte mit Einkommen von mehr als 4000 Euro netto.

      Gegen die These, dass Staatsverschuldung möglicherweise durchaus Verteilungswirkungen zugunsten der Staatsgläubiger haben könnte, wird häufig eingewandt, die Gläubiger hätten dasselbe Zinseinkommen ja auch, wenn sie ihr Geld beispielsweise Unternehmen liehen. Dann allerdings würden deren Kunden die Zinsen freiwillig über den Preis finanzieren und nicht per Zwangsabgabe als Steuerzahler.


      Steuern als Teil des Gegengeschäfts

      Nun sind aber auch gutverdienende Staatsgläubiger Steuerzahler. Es könnte ja sein, dass der Staat den Beziehern höherer Einkommen an Zinsen nur einen Bruchteil dessen zurückgibt, was er ihnen zuvor an Steuern abgeknöpft hat. Dagegen spricht eine simple Rechnung: Zusammen reichen die Erbschaftsteuer, die Grundsteuer, die Gewerbesteuer, die veranlagte Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Kapitalertragsteuer mit einem Aufkommen von 64,9 Milliarden Euro nicht einmal, um die Zinsen von 66,2 Milliarden Euro zu finanzieren. Dies aber sind die Steuern, die in der Regel von Wohlhabenderen gezahlt werden. Für die Finanzierung öffentlicher Aufgaben wie des Baus von Schulen und Universitäten und Ähnliches bleibt davon nichts mehr übrig.


      Zielgruppe verfehlt

      Die Tatsache, dass Staatsschulden durchaus Verteilungswirkungen haben, war Ende der sechziger Jahre – anders als heute – auch Regierungspolitikern bewusst. 1968 erfanden Finanzminister Franz-Josef Strauß und Wirtschaftsminister Karl Schiller die Bundesschatzbriefe. Sie waren ausdrücklich für Anleger mit geringeren Einkommen konzipiert und sollten die Lücke zwischen Sparbuch und festverzinslichen Wertpapieren schließen. Medienwirksam übergab Strauß in seinem Heimatort Rott am Inn drei Schenkungsurkunden für Bundesschatzbriefe in Höhe von 100 Mark an drei Schüler.

      Der Durchbruch gelang nie. Dafür sorgten die Banken: Bei einem Test machten zuletzt auch Mitarbeiter der Finanzagentur dieselbe Erfahrung wie viele Bankkunden zuvor. Auf Bundesschatzbriefe weisen die Kreditinstitute selten hin, der Anleger muss fragen. „Nirgendwo war ein Aushang, die lagen in der untersten Schublade“, sagt Agentur-Sprecher Knapp.

      (c) DIE ZEIT 13.05.2004 Nr.21

      ZUM ARTIKELANFANG
      http://www.zeit.de/2004/21/Verteil__Effekte
      Avatar
      schrieb am 18.05.04 17:36:03
      Beitrag Nr. 1.657 ()
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      Wir müssen den Menschen erklären, dass aufgrund der tiefgreifenden Veränderungen in Zukunft nichts mehr so sein wird, wie früher...


      Weil es mit dem Erklären immer noch hapert, hier eine kostenlose Hilfestellung



      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14015Freeware.html

      von
      Egon W. Kreutzer
      17. Mai 2004


      Freeware

      Die nachstehende, sehr geduldige Erklärung der wirtschafts- und sozialpolitischen Sachzwänge, steht Politikern aller Farbschattierungen zum kostenlosen und unentgeltlichen Download und zur uneingeschränkten Nutzung auf beliebig vielen Systemen zur Verfügung.


      Mit ihrer Hilfe können endlich alle bestehenden, aber auch die sich bei Fortsetzung der bisherigen Politik zwangsläufig ergebenden, zukünftigen Kommunikations- und Vermittlungsprobleme gelöst werden. Offener Erklärungsbedarf wird prompt befriedigt und die immer schneller um sich greifende Verunsicherung der Bevölkerung kann zügig und rückstandsfrei abgebaut werden.



      Risiken und Nebenwirkungen:

      Die hier verwendeten Argumente enthalten extrem hohe Anteile der sog. "Wahrheit" und kamen beim Herstellungsprozess intensiv mit erheblichen Quantitäten gesunden Menschenverstands in Berührung. Für Personen, die diese Drogen ohne ärztliche Aufsicht konsumieren, besteht extreme Suchtgefahr.

      Kontraindikationen

      Es gibt Menschen, die wollen gar nicht begreifen; die haben ihre Überzeugungen; denen ist nicht zu helfen. Wer in jedem zweiten Satz behauptet: "...das habe ich schon immer gesagt", und in jedem dritten Satz erklärt: "...und das ist die Wahrheit!", der gehört zweifellos zu dieser Kategorie und kann sich jetzt ausklinken.


      Hinweise für den Erst-User


      Es gibt aber auch Menschen, die möchten gerne erklären und vermitteln, übermitteln, kommunizieren, den Leuten klar machen, dass die Gründe für die Tatsachen, an denen niemand vorbeikommt, nur richtig vermittelt werden müssen, Leute, die hierin das eigentliche und einzige Defizit und die Ursache der strukturellen Verunsicherung sehen, welche wiederum dem Vermittlungsdefizit Vorschub leistet - ...und genau diese Leute, sind hier gemeint:


      Die mit der ganz langen Leitung.

      Diejenigen, die es noch nicht einmal sich selbst erklären können, aber nichts sehnlicher wünschen, als dass alle Welt begreifen möge, warum sie versprechen, was sie versprechen, warum sie aber trotzdem tun müssen, was sie tun und warum Sofort-Maßnahmen zwar sofort weh tun, aber sonst keinerlei Wirkung zeigen, warum überhaupt alle Politik auf die Herstellung paradiesischer Zustände im Jahre 2050 abzielt und warum heutige Politiker heutige Probleme mit heutigen Mitteln nicht lösen können, sich aber ohne den geringsten Zweifel zutrauen, alle künftigen Probleme, sofern sie nur nicht vor dem Jahr 2.050 drohen, durch kühne Weichenstellungen schon heute nachhaltig aus der Welt zu schaffen.




      Also, alle `mal herhören!

      Dass ihr weder die Probleme, noch die Rezepte erklären könnt, liegt daran, dass ihr es immer noch nicht gelernt habt, hinter den Wirkungen nach den Ursachen zu suchen.

      Wenn es viele Arbeitslose gibt und wenig Geld in die Sozialkassen kommt, dann haut ihr mit dem Knüppel auf die Arbeitslosen ein, damit die wieder arbeiten sollen, weil ihr glaubt, die Arbeitslosen wären die Ursache des Übels und dann wundert ihr euch, dass die Arbeitslosen das nicht begreifen wollen.

      Ihr müsst nur einmal einen Augenblick nachdenken, dann wird euch aufgehen, warum sich ein Arbeitsloser einen solchen Quark nicht erklären lässt. Da hilft alle Geduld nichts. Man kann es ihm auch nicht vermitteln, nicht mit dem allerschönsten Gesäusel und auch nicht mit einer zur "Agenda" aufgeblasenen Liste von guten Absichten mit bösen Folgen. Der Arbeitslose weiß nämlich - und das lässt er sich nicht ausreden, dass er gerne arbeiten und Geld verdienen würde. Der Arbeitslose kann sich ganz genau daran erinnern, dass er sich nicht selbst entlassen hat, sondern dass das sein letzter Arbeitgeber war. Der Arbeitslose weiß ganz genau, dass die Hauptschuld an seiner Situation bei denen liegt, die ihn entlassen haben - und dass ein bisschen Schuld auch bei denen liegt, die ihn jetzt nicht einstellen.

      So, schon haben wir uns gedanklich ein kleines Stück von einer der offen zu Tage liegenden Wirkungen des Problems entfernt. Aber denkt jetzt bloß nicht, dass entlassende Arbeitgeber und nicht einstellende Unternehmer schon die Ursache sind, nach der wir suchen!

      Die sind immer noch nichts anderes, als ein Teil der Wirkung.

      Wenn es Unternehmer und leitende Angestellte von Kapitalgesellschaften gibt, die durch ihre Personal- und Standortpolitik in Deutschland Arbeitslosigkeit erzeugen, dann tun die doch nur das, was ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist. Sie versuchen, im Wettbewerb des freien Marktes bestmöglich zu bestehen.

      Primäres Ziel wirtschaftlichen Handelns im Kapitalismus ist die kurz-, mittel- und langfristige Gewinnmaximierung. Schon die Beachtung bestehender Gesetze und Verordnungen wird aus betriebswirtschaftlicher Sicht, soweit sie die eigene Wettbewerbsposition schwächen könnte, als lästig angesehen. Denken in moralischen oder ethischen Kategorien aber, ist im auf Gewinnerzielung ausgerichteten Unternehmen ein gefährlicher Luxus, den sich nur wenige Verantwortliche leisten und dies in der Regel auch nur für sehr kurze Zeit.

      Wenn also ein Unternehmer oder ein Manager sein Bestes tut, um einen größtmöglichen Gewinn zu erzielen, dann kann ihm niemand erklären, dass dieses Ziel umso leichter zu erreichen wäre, je mehr Leute er beschäftigt. Er wird auch nicht einsehen, dass höhere Löhne oder kürzere Arbeitszeiten, Kündigungsschutz und Mitbestimmungsrechte auch nur einen Deut zur Gewinnmaximierung beitragen. Er weiß ganz genau, dass er mit möglichst wenigen Leuten, die möglichst viele Überstunden leisten und sich weder gewerkschaftlich organisieren, noch einen Betriebsrat wählen, am billigsten produzieren kann. Er weiß auch genau, was ihm Mitgesellschafter und Anteilseigner erzählen, wenn der Gewinn unter den Erwartungen bleibt, oder wenn gar Verluste eintreten, und er weiß, was ihm die Banker erzählen, wenn er einen Kredit braucht, oder was die Börse von ihm verlangt, wenn er sich dort Kapital holen will.

      Und schon wieder denkt ihr, ihr habt die Ursache gefunden: Das Gewinnstreben ist schuld!

      Leider auch Quatsch. Gesundes Gewinnstreben ist gut und richtig, es gehört zur menschlichen Natur und ein vernünftiger Wettstreit um immer bessere und ertragreichere Lösungen unterstützt den Fortschritt.

      Weil aber der Fortschritt inzwischen so weit fortgeschritten ist, dass man gar nicht mehr alle Menschen braucht, um bei betriebswirtschaftlich perfektem Management alles das herzustellen, was die Bevölkerung so braucht, glaubt ihr wiederum, dass dieser wunderschöne Effekt, der Produktivitätssteigerung genannt wird, nicht die Wirkung, sondern die Ursache wäre und schreit laut und unverständig nach Wachstum. Nur so, spinnt ihr den Faden weiter, könnten trotz durchrationalisierter Fabriken und Büros, trotz Millionen von Computern, trotz Internet und online-banking wieder alle Menschen jeden Tag für 10 Stunden Arbeit haben und das an sechs Tagen in der Woche und das für fünfzig Jahre im Leben.

      Diese Theorie nehmen euch weder die Arbeitslosen, noch die Unternehmer ab. Beide wissen, dass die dafür erforderliche Arbeitsmenge einfach nicht da ist. Der Arbeitslose, weil er wegen Arbeitsmangel entlassen wurde und der Unternehmer, weil er die millionenschweren Rationalisierungsinvestitionen doch gemacht hat, um menschliche Arbeit überflüssig zu machen und weil er seine Fertigung doch nach China verlagert hat, um dort billige menschliche Arbeitskraft einzukaufen, statt hier teure menschliche Arbeitskraft bezahlen zu müssen. Trotzdem wird der Unternehmer Zustimmung heucheln, weil er sich von solchen Initiativen immer noch weitere Möglichkeiten zur Erhöhung des Unternehmensgewinns verspricht.

      Da höre ich euch schon wieder johlen:
      Das haben wir doch schon immer gesagt: Die Arbeitskosten sind zu hoch. Das ist die Ursache allen Übels.

      Die Löhne müssen runter und die Beiträge zur Krankenversicherung und die Beiträge zur Rentenversicherung und die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und die Beiträge zur Pflegeversicherung auch! Das haben euch die Unternehmer sofort geglaubt. Kein Wunder. Sie selbst sind überhaupt nicht betroffen - und alles was die Arbeitskosten senkt, erhöht die Gewinne.

      Die Arbeitslosen und die Beschäftigten und die Rentner und die Kranken und die Pflegebedürftigen, die glauben euch das nicht. Die wissen nämlich, was das Leben in Deutschland kostet.



      Da gibt es viele Arbeitslose und auch viele, die einen schlecht bezahlten Job haben, die nur zu genau wissen, was man allermindestens braucht, um überhaupt über die Runden zu kommen.

      Es gibt auch viele Eltern, die ganz genau wissen, was es kostet, ein Kind halbwegs mit Anstand groß zu ziehen.

      Es gibt viele Häuslebauer, die ganz genau wissen, welche Einschränkungen man auf sich nehmen muss, damit es in langen zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren mit Mühe und Not gelingt, die Eigentumswohnung oder das Reihenmittelhaus abzubezahlen.

      Es gibt viele Rentner, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen...



      Auf dieses Stichwort hin kommt ihr schon wieder mit einem unüberlegten Patentrezept daher:

      Denen geht es doch allen viel zu gut. Die müssen einfach wieder lernen, sich einzuschränken. Das ist doch die Ursache allen Übels, dass dieses ganze verwöhnte Volk seit Jahrzehnten über seine Verhältnisse lebt. Die müssen jetzt einfach begreifen, dass kein Geld mehr da ist. Die müssen den Gürtel enger schnallen und endlich wieder lernen, auch mit weniger auszukommen!

      Am Ende findet dann einer von euch Schlaumeiern heraus, dass die ja nur deshalb nicht arbeiten, weil es viel zu viel Sozialhilfe gibt und dann wollt ihr Anreize zur Arbeitsaufnahme setzen, indem ihr auch noch den Ärmsten der Armen den Hahn zudreht. Wenn die Sozialhilfe für die Sozialhilfeempfänger nicht zum Leben reicht, dann müssen sie eben mit Naturalien versorgt werden. Wenn sich die Geringverdiener aus dem Niedriglohnsektor die Kopfpauschale bei der Krankenversicherung nicht leisten können, dann muss eben der Staat aus dem Steuersäckel zuschießen, wenn die Universitäten nicht mehr zu bezahlen sind, dann wird eben ein halbes Dutzend davon zur Elite-Uni für eure Kinder ernannt; der Rest, für die Kinder der anderen, darf ruhig verkommen - und wenn der Staat endlich überhaupt kein Geld mehr hat, dann entlasst ihr eben die Arbeiter und Angestellten, schickt die Beamten in Frühpension und verlängert die Arbeitszeiten.

      Dabei seid ihr inzwischen ganz nahe dran, an der Ursache. Ihr könntet sie mit Händen greifen, aber ihr weigert euch standhaft und verharrt in der Auffassung: Wenn kein Geld mehr da ist muss eben gespart werden.


      Selbst der dümmste Bauer weiß, dass er säen muss, wenn er ernten will.

      Aber was macht ihr?

      Ihr spart das Saatgut und verkauft den Acker!

      Unternehmen im Staatsbesitz sind nicht euer Privateigentum. Sie sind Volkseigentum und sie sind keinem Gläubiger verpfändet! Die Autobahnen sind Volkseigentum, Schulen, Kindergärten, Museen, Parkanlagen, Krankenhäuser, die Post, die Bahn - alles ist Volkseigentum. Aber ihr sagt, dass "wir" über unsere Verhältnisse gelebt haben! Jetzt ist das Geld weg. Jetzt muss konsolidiert werden.


      Nun glaubt ihr, ihr müsst das Tafelsilber verkaufen,
      weil kein Geld mehr da ist?



      Ja - dann sagt einmal - wo ist das Geld denn?

      Wer hat es denn?

      Ist es verbrannt?


      Merkt ihr nicht, wie dämlich es klingt, als Antwort einfach zu behaupten, "wir" hätten über unsere Verhältnisse gelebt?

      Merkt ihr nicht, dass jahrzehntelange Exportüberschüsse eigentlich genau das Gegenteil belegen?

      Wir haben unter unseren Verhältnissen gelebt.

      Wir haben unsere Leistungen viel zu billig verkauft.

      Deshalb haben wir jetzt kein Geld mehr!

      ...und die anderen haben die Produkte unserer Arbeit und das Geld!

      Wir haben uns betrügen lassen, wie die Neger zu Beginn der Kolonialisierung. Wir haben Gold gegen Glasperlen, Arbeitskraft gegen Almosen, Leistung und know how gegen ein paar Fetzen bedrucktes Papier hergegeben.

      Das Geld ist doch nicht weniger geworden. Es ist nur völlig falsch verteilt.

      Aber ihr weigert euch darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoll wäre, das Geld mit Hilfe von Vermögenssteuern und Einkommensteuern auf Zinserträge da wieder herauszuholen, wo es aufgetürmt worden ist. Lieber leiht ihr es euch gegen immer neue Zinsforderungen immer wieder bei denen, die es gekidnapt haben.

      Ihr habt den Kapitalgesellschaften und deren Anteilseignern die Steuern gesenkt, ihr weigert euch, Spekulationsgewinne und Zinserträge wie Arbeitseinkommen zu behandeln, ihr lasst Steuerflüchtige unbehelligt und nun wundert ihr euch, dass euch das Geld ausgeht.

      Aber ihr jammert lautstark über die erdrückenden Zinslasten und wollt künftige Generationen davor bewahren, an den Zinsen zu ersticken.

      Warum weigert ihr euch so hartnäckig, die ebenso einfache wie eigentlich auch offensichtliche Wahrheit zu aktzeptieren, dass es Geld, so wie wir es kennen, überhaupt nur gibt, wenn sich vorher jemand verschuldet?

      Wann werdet ihr begreifen, dass andere einspringen und neue Schulden machen müssen, wenn der Staat Schulden abbaut, weil das System sonst krachend zusammenbricht?

      Dieses Geld, auf dass ihr so dringend angewiesen seid, kommt nicht durch Sparen in die Welt, sondern durch Schuldenmachen.

      Deshalb kann das vorhandene Geld auch niemals ausreichen, um damit die Schulden zu bezahlen. Denn Schulden wachsen; Jahr für Jahr durch die Zinsen. Der Geldbedarf wächst durch jede Miet- und Pachtforderung, aber das benötigte Geld wächst nicht auf Feldern, kann nicht aus Bergwerken geholt werden - dieses Geld entsteht ausschließlich durch unzählige Akte der Verschuldung!

      Habt ihr euch nie Gedanken gemacht, über den Zinseszinseffekt?
      Glaubt ihr wirklich noch an den Storch und daran, dass das Geld im Safe sich lüstern vermehrt ?



      Solange es möglich ist, dass Geld aus dem Kreislauf der Realwirtschaft herausgezogen, in erpresserischer Absicht gehortet und in unsinnigen und überflüssigen Spekulationen um die Welt gejagt wird, ist ein demokratischer Staat, der das Wohl aller Bürger im Auge hat, verpflichtet, den dadurch entstehenden Geldmangel zu beheben. Die Verantwortung für die Geldversorgung der eigenen Wirtschaft darf sich ein Staat, der sich nicht selbst schon aufgegeben hat, von niemandem nehmen lassen. Am besten kann er eingreifen, indem er frisches Geld als verlorenen Zuschuss an ein paar geeigneten Stellen in die Wirtschaft einspeist.

      Tut der Staat nichts gegen den erdrückenden und vorsätzlich herbeigeführten Geldmangel, dann macht er sich zum Helfershelfer einer Clique von Spekulanten und Superreichen und hilft denen bei der schamlosen Ausbeutung der arbeitenden Bevölkerung.


      Wenn ihr also wieder einmal erklären müsst, woher die schwerwiegenden wirtschaftlichen Probleme und Umwälzungen kommen, dann könnt ihr euch das von nun an ganz einfach machen. Sagt einfach:

      Im Kapitalismus kommt es zwangsläufig alle 60, 70 Jahre zu einem Zusammenbruch des gesamten Finanzsystems und damit der gesamten Volkswirtschaft. Da kann man gar nichts machen, das ist wissenschaftlich erwiesen und eigentlich auch unbestritten. Da müssen wir alle durch und es trifft ja auch wirklich alle, ohne Ausnahme. Froh und dankbar kann man sein, wenn kein Krieg daraus wird.

      Dass ein paar Superreichen hinterher noch viel reicher sind, das könnt ihr in der Argumentation glatt vernachlässigen. Das sind so wenige, die fallen überhaupt nicht ins Gewicht.



      Aber wenn man euch daraufhin fragt, ob man nicht lieber am Kapitalismus etwas ändern sollte, anstatt regelmäßige Systemabstürze zu provozieren, dann werdet ihr wieder nicht erklären können, warum ihr ausgerechnet das nicht wollt -

      ...und aus dieser Klemme kann euch dann niemand mehr heraushelfen.
      Avatar
      schrieb am 18.05.04 17:53:30
      Beitrag Nr. 1.658 ()
      Thema
      Hermann Ploppa

      Herrenmenschenklub

      Wer wird der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika? Ob Bush, ob Kerry: Die rechte Burschenschaft »Skull and Bones« regiert im Oval Office mit


      Ein Sieger der Präsidentenwahl in den USA im November steht bereits fest. Die elitäre studentische Verbindung »Skull and Bones« (»Schädel und Knochen«) wird auch den neuen Präsidenten aus ihren Reihen rekrutieren. »Skull and Bones« ist einer von sieben studentischen Geheimbünden auf dem Campus der privaten Yale-Universität in der altehrwürdigen Ostküstenstadt New Haven im beschaulichen Bundesstaat Connecticut.

      Können Sie sich vorstellen, wie George W. Bush oder der drahtige John Kerry sich nackt im Schlamm suhlen? Wie hochrangige Persönlichkeiten der einzig verbliebenen Weltmacht in einem Sarg liegen und den Corpsbrüdern ihre sexuellen Eskapaden beichten? Wie sie anschließend auf allen Vieren zu einer als Don Quichotte verkleideten Gestalt kriechen und deren rote Puschen küssen? Das kann man sich tatsächlich schwer vorstellen, gehört aber zu der Zeremonie, die durchmachen muß, wer unkündbares Mitglied der »Skulls« werden will. John Kerry wurde 1966 initiiert, George Bush junior im bewegten Jahre 1968.

      Aufgeklärte Bürger der USA sind beunruhigt über die Zusammenballung von exekutiver Machtbefugnis in den Händen einer kleinen exklusiven Gruppe. Die »Skulls« rekrutieren jedes Jahr nur 15 neue Mitglieder. Deren Karrieregang wird von früheren »Skulls«-Jahrgängen betreut. Die Alten Herren heißen »Patriarchen«, und es gibt bei etwa 280 Millionen US-Bürgern gerade mal 600 lebende »Skull and Bones«-Mitglieder. Die Frischbekehrten der exklusiven Yale-Bruderschaft müssen einen unverbrüchlichen Treueid auf den Orden schwören. Vor der Loyalität zu Vaterland, Religion und Familie rangiert die Verpflichtung gegenüber den geheimen Logenbrüdern. Da fragt man sich schon: Wie will so einer noch den Eid auf das Gemeinwohl der Vereinigten Staaten schwören können?


      Aus einem Stall

      Ein anderes Paradoxon: Der Herausforderer des US-Präsidenten hätte eigentlich keinen Mangel an guten Argumenten, warum Bush abgewählt werden muß. Die Bilanz der Bush-Administration ist katastrophal. Der Irak-Krieg ist – trotz des schnell verkündeten Sieges – kein Ruhmesblatt für Bush und seine Mannschaft geworden. Der Staatshaushalt ist ruiniert. Konjunkturelle Aufschwünge ändern daran wenig. Versprochene Reformen, wie die der Krankenversorgung der Alten, können nicht finanziert werden.

      Doch Herausforderer Kerry äußert sich zu den Schwachpunkten des Titelverteidigers nur sehr dezent. Sicher, Kerry findet ein Meinungsklima vor, das sich grundsätzlich im Einklang mit der Regierung befindet. Nach wie vor machen die meisten US-Bürger keinen Unterschied zwischen Saddam Hussein und Al Qaida. Die Presse in den USA – löbliche Ausnahmen wie New Yorker und New York Times bestätigen die Regel – löst diese von der Regierung gewollten Irrtümer nicht auf. Als Bush von Marsausflügen tagträumte, haben die Medien die Schimären ernsthaft diskutiert. Kerry muß einer Hofpresse Rechnung tragen, die »jede noch so haltlose Meinung, jede abstruse These und noch die abseitigste Position ernst nimmt«. So der Princeton-Ökonom Paul Krugman.

      Dennoch ist es erstaunlich, wenn der Herausforderer in allen Grundpositionen mit der Bush-Administration übereinstimmt. Auch Kerry will Ariel Scharon ohne Wenn und Aber unterstützen. Den Bellizismus der Bush-Dynastie und des mit ihr verbündeten Project for a New American Century (PNAC) versucht Kerry rhetorisch zu übertrumpfen: Bush, der Kriegsdrückeberger; Kerry, der Vietnamkriegsheld. Daß von Kerry keine Renaissance eines New Deal oder auch nur eine Neuauflage der Clintonomics zu erwarten ist, könnte seinen Grund im wahlarithmetischen Kalkül haben. Gewiß spielt aber auch die Bush und Kerry gemeinsame Sozialisation durch exklusive Seilschaften an Elite-Unis eine Rolle.


      Pfründeverteilungsorden

      Vielleicht kann in den USA immer noch ein Tellerwäscher Millionär werden. Besser ist es, die richtigen Eltern zu haben. Der Weg in die Spitzenämter von Wirtschaft, Politik und Kultur führt über die Elite-Universitäten der Efeu-Liga, der Ivy League. Während die staatlichen Unis ums nackte Überleben kämpfen, schwimmen die berühmten acht Privatuniversitäten nur so im Geld. Harvard, der Tabellenführer, verfügt über ein Vermögen von 19 Milliarden Dollar. Die New Yorker Columbia-Universität ist der zweitgrößte Grundstückseigentümer im Bundesstaat New York.

      Damit nicht gewöhnliche Sterbliche die komfortable Ruhe der studierenden Sprößlinge aus den edlen neuenglischen Ostküstenfamilien der Cabot Lodge, Coolidge, Forbes oder Harriman stören, sind die Studiengebühren so preiswert wie ein guter Mittelklassewagen. In Yale kostet das Studienjahr 28 000 Dollar. Das verschulte Curriculum währt drei Jahre bis zum Unterexamen. Es folgt ein Vorbereitungsjahr zum Vollexamen.

      An allen acht Efeu-Universitäten sind Studentenbünde zu Hause. Sie suchen gezielt die Seilschaften für das spätere gemeinsame Vorpreschen in die Chefetagen zusammen. Da geistern durch Yale neben den »Skull and Bones« die »Scroll and Key«, »Book and Snake«, »Wolf’s Head«, »Eliahu« oder »Berzelius«. Verglichen mit diesen Pfründeverteilungsorden muten deutsche Burschenschaften geradezu egalitär und demokratiesüchtig an. Deutsche Corporationen »baggern« fast jeden Studienanfänger an, der in der Lage ist, einen Bierhumpen zu stemmen.

      Nicht so die »Skull and Bones«. Die ordenseigenen Talentesucher beobachten auf dem Campus genau, wer in den drei Jahren bis zum Undergraduate besondere Aktivitäten gezeigt hat. So ist ihnen auch der eloquente, unerträglich ehrgeizige John Forbes Kerry aufgefallen.

      Der »Skull and Bones«-Orden gehört einer eingetragenen Firma, der Russell Trust Association. Diese ist dem Bundesstaat Connecticut so wichtig, daß er 1943 per Gesetz die Russell-Gesellschaft von der Berichtspflicht gegenüber dem Staat entband. Die Sippe des Ordensstifters William Huntington Russell machte ihr Vermögen im Opiumhandel mit China. Der »Skull and Bones«-Orden wurde 1833 gegründet und erhielt als Emblem die Piratenflagge mit dem Totenschädel und den gekreuzten Knochen.

      »Skull and Bones« ist eine von vielen hermetischen Elitegruppen der Ivy League, die entscheidenden Einfluß auf die Politik der USA nehmen. Theodore Roosevelt war Mitglied in der studentischen Geheimverbindung Pig Club in Harvard. Die Brüder Allan und John Foster Dulles, die faktisch die Politik der USA in den fünfziger Jahren bestimmten, gehörten dem Ivy Club in Princeton an. Franklin Delano Roosevelt begnügte sich mit dem gemäßigten Fly-Club.

      Die Mitglieder dieses außerordentlich wohlhabenden Netzwerkes eint das Bewußtsein, als Elite auserwählt zu sein. Mit Ekel schauen diese Vorzugsmenschen auf die Massen herab. Rechtspopulistische Bewegungen wie die Rednecks oder die McCarthy-Inquisition waren ihnen taktisch willkommen und dennoch zutiefst zuwider. Die Ivy-League-Menschen schätzten klassische Bildung: antike Literatur, englische Hochliteratur, besonders Lyrik. Sie förderten T.S. Eliott und Ezra Pound. Theodore Roosevelt las in arbeitsfreien Minuten griechische Klassiker im Original. Man verstand sich zudem als Pressuregroup moderner Forschung.


      Nährboden der CIA

      So überrascht es nicht, daß Irving Fischer (»Skull and Bones« 1888) Gründungspräsident der American Eugenics Society wurde. Die Vorstellung, die Qualität der Massenmenschen durch gezielte Zuchtwahl und Aussiebung der Kranken und Schwachen anzuheben, hatte unwiderstehliche Anziehungskraft auf Elitemenschen an der Ostküste. Eine herausragende Stellung als Förderer der Eugenik erlangte Averell Harriman, dessen Dynastie ihren Reichtum durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes in den USA erwarb. Zusammen mit George Herbert Walker (»Skull and Bones« 1927) faßte Averell Harriman die eugenischen Forscher u.a. aus Deutschland, England und Skandinavien zu einem schlagkräftigen Weltverband zusammen. Auf dem Eugenik-Weltkongreß 1932 sorgte Harriman dafür, daß der deutsche Eugeniker Ernst Rüdin zum Vorsitzenden des Weltverbandes gewählt wurde.

      Während sich Averell Harriman um die Verbesserung der menschlichen »Rasse« kümmerte, arbeitete ein anderer »Skull and Bones«-Patriarch an der Beeinflussung des Bewußtseins der Massen. Henry Robinson Luce baute nacheinander Time-Magazine, Fortune, Life and Sports Illustrated auf. 1923 gibt ihm ein Netzwerk von 72 Wall-Street-Investoren das nötige Geld, damit Luce mit 18 Redakteuren – elf davon Absolventen aus Yale – die erste Nummer von Time starten kann. Harriman war einflußreicher Demokrat, Luce setzte die Macht seiner Presse für die Republikaner ein.

      Den Erfolg jener Eliteherrschaft sichern diskrete Operationen, die – an Legislative, Exekutive und Judikative vorbei – entscheidende Weichen stellen. Es verwundert in diesem Zusammenhang nicht, daß der elitäre Campus der Yale-Universität einen idealen Nährboden für die CIA hergab. Durchgeistigte Lyriker wie James Jesus Angleton oder Cord Meyer verließen die Redaktionsklause ihrer poetischen Campuszeitung Yale Lit, um in Europa mit »dirty tricks« linke Milieus aufzumischen. Yale-Geschichtsprofessor Gaddis Smith beschreibt die innere Beziehung zwischen Yale und CIA: »Yale hat die CIA stärker beeinflußt als irgendeine andere Universität. Das gibt der CIA bisweilen den Charakter eines Klassentreffens.«


      Parallelregierung

      Einen Gipfelpunkt in der Umgehung demokratischer Kontrollinstanzen erklomm George Bush senior (»Skull and Bones« 1948, zeitweilig CIA-Chef). In seiner Eigenschaft als Vizepräsident unter Ronald Reagan ließ er in der eigens für ihn gegründeten Special Situation Group alle Informationsfäden zusammenlaufen. Sogar der Nationale Sicherheitsrat wurde zur Akklamationsinstanz degradiert. Über die Special Situation Group führte Bush ein Regiment, dessen Konturen bruchstückhaft in der Iran-Contra-Affäre sichtbar wurden. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses für Geheimdienste, der Demokrat David Lyle Boren (»Skull and Bones« 1963) nannte die Machtmaschine von George Bush sen. eine »Parallelregierung«.

      Das provokante Vorgehen von George Bush ist schuld daran, daß die Öffentlichkeit auf »Skull and Bones« aufmerksam wurde. Als Bush Präsident werden wollte, fragte 1988 die Washington Post: »Hat der Vater von George Bush ein Grab geschändet?« Papa Prescott Bush brach nämlich 1919 mit einigen seiner Corpsbrüder als »Skull and Bones«-Stoßtruppe mitternächtlich auf einen Friedhof ein und entnahm dem Grab des Apachenhäuptlings Geronimo dessen Schädel. Der Schädel wurde sodann als Trophäe in einer Glasvitrine im »Skull and Bones«-Clubheim ausgestellt.

      Jene Pietätlosigkeit von Prescott Bush brachte die »Skulls« in den Ruch des Rassismus. In der Tat war der Orden lange Zeit der extreme Ausdruck des WASP-Dünkels. WASP steht für »White Anglo Saxon Protestants«. Gemeint sind die weißen anglophilen protestantischen Geldaristokraten von der Ostküste, deren Vorfahren tunlichst schon auf der »Mayflower« mitgefahren zu sein hatten.

      Die Kolportage der Washington Post traf nicht ganz ins Schwarze. Denn George Bush senior erkannte als einer der ersten im WASP-Lager, daß demographische Umschichtungen zuungunsten der weißen Protestanten die Mehrheitsfähigkeit seiner Machtbasis über kurz oder lang obsolet machen könnten. So kam es zu einer ethnischen Öffnung bei den »Skull and Bones«. Seit geraumer Zeit soll es bei dem Schädelorden Afroamerikaner, Homosexuelle und Frauen als willkommene Mitglieder geben.


      Kerrys Zickzackkurs

      Sind die »Skull and Bones« möglicherweise politisch gar nicht rechts orientiert? Sie sind sowohl bei den Demokraten als auch bei den Republikanern vertreten. Der mächtige Henry Stimson diente demokratischen wie republikanischen Präsidenten als Minister. Der Nationale Sicherheitsberater von John F. Kennedy hieß McGeorge Bundy. Auch er ein »Skulli«.

      Der typische »Skull and Bones«-Aktivist kann in seinem Leben wechselweise Diplomat, Geheimagent, Minister, Wirtschaftsboß oder Universitätsdekan sein. William Sloane Coffin (»Skull and Bones« 1948) wechselte gar von der Kanzel zum Agentenauto und zurück: »Nach einem Jahr auf dem Union Theological Seminary schien sich ein Krieg mit der Sowjetunion anzukündigen, und nun wechselte ich doch zur CIA, weil ich in diesem Krieg von Nutzen sein wollte.« Der Krieg fiel gottlob aus, und in den sechziger Jahren profilierte sich Coffin als engagierter Vietnamkriegsgegner.

      Und traf da gewiß John Kerry. Damals warf Kerry als dekorierter Vietnamkriegsveteran seine Orden ins Wasser. Frustrierte Veteranen folgten seinem Beispiel. Erstaunlicherweise fotografierte ein Reporter in Kerrys Haus genau diese Kriegsorden: Sie hingen algenfrei an der Wand. Warum Kerry als Senator gegen den ersten Golfkrieg, aber für Golfkrieg zwei optiert hat, weiß nur er allein. Kerrys Zickzackkurs in allen wichtigen Fragen der Politik ist hinlänglich bekannt. Verheiratet war er übrigens zunächst mit der geschiedenen Frau eines »Skull and Bones«-Mannes, bevor er Teresa Heinz, die milliardenschwere Witwe des Ketchupkönigs John Heinz (»Skull and Bones« 1931) ehelichte.

      John Kerry wird gewiß niemals in seinem Leben einen Corpsbruder in Schwierigkeiten bringen. Weder Vater noch Sohn Bush. Als Senator saß er zusammen mit seinem republikanischen Kollegen Hank Brown einem Untersuchungsausschuß vor. Der Ausschuß sollte ermitteln, ob Regierungsstellen oder Geheimdienste unerlaubte Aktivitäten der pakistanischen Bank und Geldwaschanlage BCCI gefördert oder gedeckt hatten. Der Bericht ist lesenswert. Er beschreibt, wie CIA, der englische SIS, Zentralbanken, Waffen- und Drogenhändler, Warlords und BCCI zu einer einzigen globalen Firnisschicht verwachsen waren, und wie die US-Regierung mit billigen Tricks den Ausschuß daran hinderte, relevante Dokumente einzusehen. Kerry und Brown pickten sich Donald Regan und Oliver North als Hauptbösewichte der US-Regierung heraus. Der Mann, auf dessen Special Situation Group alle Fäden zulaufen, bleibt ausgespart: George Herbert Walker Bush.

      Da der Kerry-Brown-Bericht erst im Dezember 1992, also einen Monat nach der Präsidentenwahl, herauskam, nützte er George Bush leider nicht mehr. Aber keine Sorge. Denn Bush-Bezwinger William Clinton wurde von Winston Lord (»Skull and Bones« 1959), seinem stellvertretenden Außenminister, gut beraten. Und nach der achtjährigen Bush-Pause sind aktuell zwei weitere »Skullis« im Kabinett vertreten: Edward McNally als Chefberater im neugeschaffenen Heimatschutzministerium sowie Robert McCallum als stellvertretender Justizminister. McCallum ist sogar ein »Skull«-Jahrgangskamerad von George Bush junior.

      Offenkundig hat die neue Offenheit der WASPs gegenüber andersethnischen Privilegsanwärtern die Position der weißen Efeu-Liga noch gestärkt. Denn bei den Vorwahlen der Demokraten im letzten Winter kamen mit John Edwards, Howard Dean, Joe Liebermann und John Kerry gleich vier Aspiranten auf das Präsidentenamt aus – Sie haben es erraten: Yale.
      http://www.jungewelt.de/2004/05-18/005.php
      Avatar
      schrieb am 18.05.04 18:04:31
      Beitrag Nr. 1.659 ()
      Für den Verlust der Freiheit noch bezahlen?


      von Simon Kühne

      Die EU braucht Geld. Die Ost-Erweiterung wird Milliardenbeträge verschlingen, und Deutschland als der grösste Nettozahler liegt am Boden. 1,8 Billionen Franken hat die Aufbauhilfe Deutschland Ost in den letzten 14 Jahren verschlungen, das ist eine Zahl mit 11 Nullen, unvorstellbar. Obwohl die ehemalige DDR das wirtschaftlich gesündeste Land des ehemaligen Ostblocks war. Auch wenn die übrigen Ost-Länder schon seit 14 Jahren einen Anschluss an den westeuropäischen Standard zu finden versuchen, wird die weitere Aufbauhilfe Hunderte von Milliarden verschlingen. So ist die EU auf der Suche nach Geld.

      Was in den eigenen Ländern nicht zu finden ist, muss von ausserhalb eingetrieben werden, so verfuhren schon die Römer, als sie ihr Weltreich immer weiter ausdehnten.

      Der ominöse Kohäsionsfonds der EU muss gefüllt werden. Mit diesem Fonds will man den Ost-Ländern Wirtschaftshilfe in Form von Geld zukommen lassen. Norwegen als EWR-Mitglied, jedoch nicht EU-Mitglied wurde bereits zur Kasse gebeten. So auch die Schweiz. 200 Millionen jährlich soll das Land berappen, und das über mindestens 5 Jahre. Nachdem der Bundesrat dieser Forderung zugestimmt hatte, gaben die 25 EU-Botschafter dem gesamten Paket der bilateralen Verträge II grünes Licht.

      Das Bankgeheimnis solle gewahrt bleiben, so die Botschaft der EU, auch in Fragen der Hinterziehung von direkten Steuern, was in der Schweiz nur ein Vergehen ist und nicht wie in der EU ein Verbrechen. Mit speziellen Klauseln soll auf die Besonderheiten der Schweiz Rücksicht genommen werden, doch tatsächlich muss die Schweiz über weite Strecken das EU-Recht übernehmen, besonders beim Schengen-Dossier (vgl. Zeit-Fragen Nr. 15 vom 19.4.). Nächste Woche sollte noch die EU-Kommission zustimmen, und dann sind die Verträge von der EU aus zunächst unter Dach und Fach.

      Und nun muss es schnell gehen. Bereits ab dem 1. Januar 2005 soll die Zinsbesteuerung Gültigkeit haben, so die konkrete Forderung der EU. Das heisst, EU-Bürger, die ihr Vermögen in der Schweiz angelegt haben, müssen 35 Prozent Steuern auf ihre Zinserträge über die Schweiz an den Fiskus der EU abführen. Dass man mit dieser zeitlichen Forderung in keine Weise auf den demokratischen Ablauf in der Schweiz Rücksicht nimmt, wird offenkundig. Die Beteuerungen, man wolle auf die Besonderheiten der Schweiz Rücksicht nehmen, werden noch, bevor die Verträge in Kraft treten, zur Farce. Denn zunächst müssen sie im Parlament diskutiert und untersucht werden. Das kann frühestens im Herbst geschehen, verlangt aber von den Schweizer Parlamentariern ein schnelles Durcharbeiten dieser umfangreichen Dossiers, insgesamt sind es neun.

      Eigentlich müsste das Parlament, wenn es zum Wohle der Schweiz und ihrer Bürger entscheiden würde, diese Verträge zurückweisen, da sie die Souveränität in sensiblen Bereichen vollständig einschränken. Somit müsste neu verhandelt werden, was die Forderung der EU ad absurdum führte. Doch das ist kaum zu erwarten, da die SP jetzt wieder lauthals den EU-Beitritt fordert und dabei von CVP und FDP Unterstützung erhält.

      Doch besitzt die Schweiz im Gegensatz zu den EU-Mitgliedstaaten ein Korrektiv, das Volk. Sollten die bilateralen Verträge II, und insbesondere das Schengen-Dossier, eine Verfassungsänderung nach sich ziehen, muss dies dem obligatorischen Referendum unterstellt werden. Kommt es zu keinem obligatorischen Referendum, wollen die SVP und die AUNS das fakultative Referendum ergreifen. Mit diesem Instrument könnte diese unheilvolle Entwicklung gestoppt werden und man träfe sich erneut am Verhandlungstisch.

      Noch eine weitere schwer-wiegende Entscheidung für die Schweiz steht an. Die EU verlangt, die Personenfreizügigkeit auf die zehn neuen Mitgliedsländer auszudehnen. Das tangiert nun die bilateralen Verträge I mit der EU, da dies eine Erweiterung des Freizügigkeitsdossiers darstellt. Es ist kaum zu erwarten, dass das Parlament diese Entscheidung dem obligatorischen Referendum unterstellt. Somit bleibt hier nur der Weg über eine Initiative, um diese einschneidende Veränderung dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Bei einem Nein wären dann auf Grund der sogenannten Guillotineklausel die gesamten bilateralen Verträge I hinfällig.

      Wenn man sich die negativen Auswirkungen dieser Verträge (Bauernsterben, Transitchaos, Luftverkehr und freier Personenverkehr sowie das öffentliche Beschaffungswesen) vor Augen hält, wäre eine Ablehnung der bilateralen Verträge I und II für das Land eine Erlösung, denn es müssten neue, weniger Schweiz-feindliche Verträge ausgehandelt werden. Das wäre ein grosse Chance für das Land.

      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 18.05.04 18:22:56
      Beitrag Nr. 1.660 ()
      Globalisierung

      Mit der Privatisierung der Grundversorgung schaffen die Politiker die Basis der Zivilgesellschaft ab


      http://www.zeit-fragen.ch/

      Interview mit Maude Barlow, Leiterin des International Forum on Globalization

      ka. Der Deutschlandfunk hat im Zusammenhang mit dem Weltsozialforum im Januar dieses Jahres in Mumbay (Bombay) unter dem Titel «Total global» eine 7teilige Gesprächsreihe ausgestrahlt, die sich mit der Globalisierung und möglichen Alternativen dazu auseinandersetzt. Der erste Beitrag dieser Reihe wurde in Zeit-Fragen Nr.15 vom 19.April 2004 abgedruckt. Im folgenden lesen Sie ein Gespräch mit Maude Barlow, der Leiterin des International Forum on Globalization und Vorsitzenden des Council of Canadiens. Die Fragen stellte Christoph Burgmer in der Sendung vom 7. März 2004.

      Christoph Burgmer: Der Nationalstaat, als organisatorisches Prinzip von Gesellschaften und Märkten begriffen, ist zunehmend Geschichte geworden. Der Kapitalismus hat nicht nur seine Grenzen gesprengt, sondern in den vergangenen 30 Jahren auch einen weitreichenden Umbau der Nationalgesellschaften selbst initiiert. Diese neue Weltordnung ist im Begriff, ihren historischen Platz einzunehmen. In ihr treten nicht nur Staaten, sondern zunehmend weltweit operierende Konzerne als politische Akteure auf. Wie kann man die Beziehung zwischen alten und neuen Trägern politischer Macht in der neuen Weltordnung beschreiben?
      Maude Barlow: Das ist eine wunderbare Frage, und sie irritiert sicher alle diejenigen, die politisches Handeln in starken Regierungen realisiert sehen, wovon noch nicht einmal alle Politiker überzeugt sind. Dies wird besonders dann manifest, wenn Politiker, anstatt sich dafür einzusetzen, dass alle Menschen Zugang zu Gesundheitsvorsorge, Bildung und sauberem Wasser bekommen, wofür sie ja auch gewählt wurden, dafür sorgen, dass dieser Zugang privatisiert wird. Denn mit der Privatisierung gesellschaftlichen Eigentums schaffen Politiker die wichtigste Basis der Zivilgesellschaft ab.

      Die neuen politischen Eliten - eine globale Monarchie
      Dabei ist ihre Vorgehensweise nicht leicht zu durchschauen. Zunächst werden internationale Handelsabkommen unterzeichnet; sie erst schaffen die Legitimation dafür, dass nationale Entscheidungskompetenzen auf internationale Organisationen übertragen werden. Diese internationalen Organisationen werden aber von transnationalen Unternehmen beherrscht. In deren Vorstand sitzen nun wiederum die Politiker; eine Hand wäscht schliesslich die andere. So erhält das transnationale Unternehmen über den Umweg internationaler Abkommen die Kontrolle über wichtige gesellschaftliche Ressourcen und erhöht seinen Profit auf Kosten der Allgemeinheit. Dieses gemeinsame Ziel verbindet weltweit alle politischen und wirtschaftlichen Eliten miteinander, ganz gleich, ob sie aus einem Land der sogenannten ersten oder dritten Welt sind. Es sind diese neuen politischen Eliten, die sich weder an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientieren noch etwas von den langfristigen Auswirkungen der eigenen Politik wissen wollen. Dabei sind sie gut organisiert. Sie reisen zusammen, besuchen sich gegenseitig, lassen sich mit Luxuskarossen durch die Slums oder mit Helikoptern in die 5-Stern-Hotels bringen, in denen sie gemeinsam feiern.

      Ich erinnere mich an eine Konferenz in Manila, während der man sogar Farbe ins Meerwasser schüttete, damit es noch blauer im Sonnenlicht schimmerte. So inszeniert sich diese neue Elite; man kann sie als globale Monarchie bezeichnen.

      Dagegen muss es Widerstand geben über Netzwerke und Koalitionen jenseits von nationalen Grenzen, historischen Erfahrungen, Kulturen und Klassen hinweg.

      Die Antwort auf die globale Monarchie ist eine weltweite Anti-Globalisierungsbewegung. Allerdings ist es schwierig zu beantworten, in welche Richtung sie sich entwickeln wird.

      Wir wollen aber nochmal kurz bei der Beschreibung dieser neuen Elite bleiben. Wie kann man diese neue Elite charakterisieren, wo kommt sie her, wo nimmt sie ihre Macht her, und wie gestaltet sie, wie benutzt sie die Macht in Verbindung mit Staaten und internationalen Organisationen?
      Die alten politischen Eliten versuchten immer einen Konsens zwischen den unterschiedlichsten Gruppen herzustellen. Zu ihnen gehörte auch die Wirtschaftselite, die allerdings nur eine wenn auch mächtige unter vielen war. Indem die alten politischen Eliten diesen Konsens immer wieder neu herstellten, übten sie Macht aus. Dagegen kommt die neue Klasse von Politikern aus der Wirtschaftselite selbst. Da ist z. B. George Bush, der erst mit Hilfe der Ölkonzerne an die Macht gelangte, oder Berlusconi, der vorher schon ein Witschafts-Tycoon war, oder der mexikanische Präsident Vicente Fox, der als Vizepräsident von Coca-Cola fungierte, oder Paul Martin, der neue Premierminister Kanadas, der zahlreiche Reedereien besitzt. Sie alle kommen aus der Wirtschaft, gehören zur Wirtschaftsführung ihres Landes, sind traditionell wohlhabend oder sind in der new economy reich geworden. Sie alle haben es nicht mehr nötig, einen Konsens herzustellen.

      Es ist neu, dass Unternehmer mit dieser ökonomischen Macht politische Ämter besetzen. Das ist ein wichtiger Unterschied zum Karrierepolitiker, der aus einer Partei kommt, sich politisch engagiert und vielleicht während seiner Karriere reich wird.

      Transnationale Unternehmen bestimmen die Inhalte der Politik
      Mit der neuen politischen Klasse haben sich aber auch die politischen Inhalte verändert. Denn mehr als jemals zuvor bestimmen heute die transnationalen Unternehmen die Inhalte der Politik. Das führt so weit, dass die hervorragend organisierte Wirtschaftslobby den Regierungen ihr Regierungsprogramm diktiert. Die transnationalen Unternehmen regieren über die Konferenzen der Welthandelsorganisation de facto bis in nationale Parlamente hinein.

      Nehmen Sie zum Beispiel die Konferenz über nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz im vergangenen Sommer in Südafrika. Als es um Fragen des weltweiten Umweltschutzes ging, trat diese neue Allianz zwischen transnational operierenden Unternehmen, Unternehmer-Politikern und der internationalen Handelsbürokratie stark und für alle sichtbar auf und setzte ihre politischen Forderungen durch. Mit dem Schlagwort von der Freiheit des Marktes und dem freien Handel werden Deregulierung, Privatisierung und der Verkauf gesellschaftlichen bzw. staatlichen Eigentums an transnationale Unternehmen betrieben. Dies sind die eigentlichen inhaltlichen Ziele dieser neuen globalen Monarchie.

      Natürlich unterstützen nicht alle Politiker diese Ziele. Aber in der Realität sieht es so aus, dass selbst wenn ein Politiker sich dafür einsetzt, die Privatisierung zu verhindern, er schon nach kurzer Zeit feststellen muss, dass für eine Opposition im traditionellen politischen Rahmen keine Handlungsspielräume mehr existieren. Sie existieren nicht mehr, weil die internationalen Organisationen wie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und die Welthandelsorganisation ihre Regeln weltweit zum Massstab politischen Handelns gemacht haben.

      Ein Europa-Politiker fasste es einmal so zusammen: «Am heutigen Scheideweg ist der Weg nach links durch eine Mauer versperrt, während der Weg nach rechts weit offen ist.» In der offiziellen Politik ist heute niemand mehr in der Lage, daran etwas zu ändern, völlig unabhängig davon, wie engagiert der einzelne Politiker ist. Nach kurzer Zeit auf der Bühne der offiziellen Politik muss auch der engagierteste Aktivist eine entgegengesetzte Politik durchsetzen helfen. Damit ist er trotz aller Entschuldigungen auf Grund tatsächlicher Sachzwänge letztlich nur eine Marionette der regierenden Wirtschaftselite. Nehmen Sie zum Beispiel den Fall des früheren kanadischen Premierministers Brian Mulroney. Er setzte mit dem Schlagwort vom «freien Handel» die Deregulierung und Privatisierung in Kanada durch. Heute, nach Ende seiner Amtszeit, sitzt er in allen möglichen Vorständen internationaler Unternehmen und verdient Abermillionen Dollars jedes Jahr. Er ist ein schwerreicher Mann, was er nicht war, als er begann, Politik zu machen. Und dies, weil er der internationalen Wirtschaftselite den Gefallen tat, während seiner Amtszeit ihre politischen Ziele durchzusetzen; mit eindrucksvollen Ergebnissen. Seit Beginn der Privatisierungspolitik verzeichnet Kanada beispielsweise den höchsten Anstieg von Kinderarmut weltweit. Aber wie Brian Mulroney hat keiner dieser Politiker jemals zurückgeschaut. Sie sind wie Bomberpiloten, die, wenn sie die Bombe einmal abgeworfen haben, abdrehen und niemals wissen wollen, welchen Schaden sie angerichtet haben. Wir als Aktivisten versuchen diese neuen Beziehungen zwischen globaler Wirtschaftselite und der Politik zu verstehen und Wege zu finden, auf die neue Organisation politischer Macht zu reagieren. Das heisst zwar nicht, dass der alte Nationalstaat keine Herrschaftsstrukturen herausbildete, aber es existiert auch dieses Neue, das alles verändert.

      Diese Instrumentalisierung der traditionellen politischen Institutionen des Staates durch eine neue ökonomische Elite hat natürlich auch einen ökonomischen Hintergrund. Heute existieren etwa 45000 multinationale Konzerne gegenüber 7000 vor zwanzig Jahren. Und die 200 führenden Konzerne sind so mächtig, dass ihr gemeinsamer Jahresumsatz die wirtschaftliche Gesamtleistung von 182 der 191 Länder der Welt übertrifft. Zu den 100 grössten Wirtschaften der Welt gehören 53 Konzerne und nur 47 Staaten. Walmart, der zweitgrösste Konzern der Welt, besitzt ein grösseres Wirtschaftsvolumen als die Volkswirtschaften von 178 Ländern. Um diese globalisierten Konzerne als politische Akteure zu verstehen, muss man sich fragen, wie sie ihre wirtschaftliche Macht einsetzen, um sie in ihren Dienst zu stellen.

      In den vergangenen 15 Jahren haben sich Ausrichtung und Organisation der Unternehmen verändert. Aus nationalen Unternehmen wurden erst multinationale und dann transnationale Unternehmen.

      Ich gebe ihnen ein Beispiel, wie sich diese transnationalen Unternehmen weltweit das Verhältnis zu den Staaten vorstellen. Modell ist das nordamerikanische Freihandelsabkommen, kurz Nafta genannt. Darin erhielten die transnationalen Unternehmen das Recht, bei einer Behinderung von Investitionen durch einen Unterzeichnerstaat diesen verklagen zu können. Dazu ein Beispiel: Kanada verbot aus Gründen der Gesundheitsvorsorge und des Umweltschutzes den grenzüberschreitenden Handel mit MMT, einem Zusatz in Kraftstoffen. Dieser findet sich nachweislich im Grundwasser wieder und vergiftet es. Alle Parlamentsparteien stimmten dem zu. MMT ist schon längst in vielen europäischen Staaten und selbst in fast allen amerikanischen Bundesstaaten verboten. Und wenn eine kanadische Firma diesen Zusatz hergestellt hätte, wäre das ihr Ende gewesen. Aber es handelte sich um ein amerikanisches Unternehmen. Dieses verklagte nun den kanadischen Staat wegen entgangener Profite auf Grund des neuen Gesetzes auf einige Millionen Dollar Schadensersatz. Kanada machte das Gesetz rückgängig, was dazu führte, dass MMT heute wieder ein legales Additiv zu Benzin ist. Zusätzlich zahlte der kanadische Staat Abermillionen Dollar als Entschädigung für das eine Jahr, in welchem das Unternehmen in Kanada kein MMT verkaufen konnte. Doch damit war es immer noch nicht genug. Zusätzlich entschuldigte sich die kanadische Regierung mit einem offiziellen Brief des Premierministers für die Rufschädigung. Wenn das Unternehmen heute MMT in der sogenannten dritten Welt verkauft, verweist es immer auf den Brief der kanadischen Regierung.

      WTO-Diktat: Entwicklungsländer dürfen keine Vorräte mehr anlegen
      Ein anderes Beispiel: Früher wurden die Regierungen in der dritten Welt daran gemessen, inwieweit es ihnen gelang, die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln sicherzustellen. Viele Regierungen versuchten die Produktion von Grundnahrungsmitteln zu steigern und für schlechte Erntejahre Vorräte anzulegen. Dieses Horten, wie man es im Welthandelsabkommen nennt, ist nun verboten. Schaut man sich Ägypten oder Indien an, sieht man die Folgen. Diese Länder sind nun gezwungen, ihre landwirtschaftlichen Produkte auf dem Weltmarkt zu verkaufen, natürlich nur in bester Qualität. Für deren Anbau jedoch werden nicht nur die ergiebigsten agrarischen Flächen reserviert, sondern um in der Konkurrenz bestehen zu können, muss der Anbau industriell erfolgen. So werden zahllose kleinbäuerliche Betriebe ruiniert, und Menschen, die sich bislang selbst ernähren konnten, werden gezwungen, in die Städte abzuwandern, wo sie in den immer grösser werdenden Slums ums Überleben kämpfen. Heute sterben in Indien oder Ägypten wieder Menschen am Hungertod. Es ist das sogenannte irische Kartoffelphänomen des 19. Jahrhunderts, als Zehntausende Iren verhungerten. Diese neue Form des Kolonialismus hat zwar dieselben Auswirkungen wie vor 150 Jahren, wird jedoch nicht von Staaten, sondern einer Handvoll transnationaler Unternehmen durchgesetzt. So werden überall auf der Welt öffentliche Gesundheitssysteme demontiert, Renten und Pensionen gekürzt und die öffentlichen Wasserversorgungen und Bildungseinrichtungen privatisiert. Und alles zugunsten und auf Druck dieser neuen wirtschaftspolitischen Elite.


      Heutige Politik vergrössert die Armut weltweit

      Kann man einen Unterschied finden in dem Verhalten dieser multinationalen Konzerne gegenüber dem Süden, und auch die Auswirkungen - sind das andere als in den reichen Staaten der ersten Welt?
      Die transnationalen Unternehmen kommen aus den Industrieländern, weshalb deren Regierungen sie auch unterstützen und fördern. Es existiert zudem ein Gefälle in der Möglichkeit dieser Unternehmen, Macht auszuüben. Dies gelingt eher in Ländern der sogenannten dritten Welt als in den reichen Ländern. Die Regierungen der dritten Welt haben diesen transnationalen Unternehmen nichts entgegenzusetzen. Es gibt jedoch auch Auswirkungen der Privatisierungspolitik, die alle gleichermassen betreffen. Die Gesellschaften des Nordens konnte man bislang grafisch als grosses Ei darstellen. Da gab es eine breite Mittelklasse, oberhalb und unterhalb gleichgrosse Gruppen von Reichen und Armen. Diese Konstellation hat sich verändert. Heute gibt es wesentlich mehr Arme als Reiche. Die Gesellschaften der dritten Welt gleichen von jeher einer Pyramide. Ich möchte die Armut der ersten und der dritten Welt nicht miteinander vergleichen, weil die daraus folgenden Konsequenzen sehr unterschiedlich sind. Dennoch zeichnet sich eine globale Angleichung ab. Denn aus dem Ei im Norden wird immer mehr eine Pyramide wie im Süden. Die Frage ist aber nicht, ob es Armut gibt, sondern ob national und international eine Politik existiert, die diese Armut bekämpft. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die heutige Politik vergrössert die Armut.

      Es gibt noch einen weiteren Prozess der Angleichung zwischen Nord und Süd. Die Eliten in der dritten Welt und in der ersten Welt sind einander sehr ähnlich geworden, sie arbeiten Hand in Hand zusammen. Die Auswirkungen ihrer Politik betreffen alle. Vereinfacht kann man von einer ersten Welt in der dritten Welt und von einer dritten Welt in der ersten Welt sprechen.



      Betrachten Sie zum Beispiel Japan. Dort gibt es inzwischen wieder zahlreiche Obdachlose. Vor 10 Jahren hätten sie nach einem Obdachlosen suchen müssen wie nach einer Stecknadel im Heuhaufen. Wenn man heute nach Japan kommt, sieht man schon von ferne die blauen Zelte, in denen die Menschen untergebracht sind. Dort trifft man Männer in verdreckten Anzügen mit verdreckten weissen Hemden, ihre Krawatte behalten sie noch an. Es sind ehemalige Geschäftsleute. Heute übernachten sie in Parks oder in U-Bahn-Stationen. Sie sind arbeitslos geworden, und es gibt nichts mehr für sie zu tun. Sie sind absolut überflüssig.

      Dies ist die neue Realität, die in den Ländern des Südens weit extremer ist, von der man aber wissen sollte, das sie zurückschlägt auf die Gesellschaften des Nordens und auch dort viele Menschen betrifft.

      Aus den Zeiten der Entkolonialisierung sind im Süden eigentlich sehr starke Nationalstaaten entstanden. Mit protektionistischen Wirtschaftsmassnahmen hat man versucht, selber so eine Art Industrialisierung nachgeholter Entwicklung zu vollziehen. Diese gemeinsamen Erfahrungen, die alle Länder der dritten Welt auch miteinander geteilt haben, sind komplett verschwunden. Man hat den Eindruck heute, dass die Länder der dritten Welt in einem absoluten Konkurrenzkampf zueinander liegen, den billigsten Produk-tionsstandort zu Verfügung zu stellen und das Beste ins Ausland zu exportieren, um Gelder zu machen.

      Noch einmal die Frage, wie gelang es eigentlich diesen doch sehr starken antikolonialen Befreiungsbewegungen und ihren Staaten danach, sich in dieses internationale System in den letzten 30 Jahren so mit einzugliedern, dass man heute eigentlich kaum in einem Land der dritten Welt noch von einer handlungsfähigen Regierung sprechen kann.
      Es existiert neben der wirtschaftlichen Elite der ersten Welt eben auch eine neue ökonomische Elite in den Ländern der sogenannten dritten Welt. Sie haben auch dort die Politik der Deregulierung durchgesetzt. Man muss sich als Beispiel nur die indischen Tageszeitungen anschauen und sich die Auswirkungen vergegenwärtigen. Da gibt es Bilder von Bollywood-Schauspielern, die zu rufen scheinen: «He, Leute schaut euch um, alles ist fantastisch, es geht bergauf, wir sind erfolgreich in der Computerindustrie, alles wird gut!» Und direkt daneben sind die Bilder von den endlosen Slumgebieten an den Rändern der Grossstädte. Dort steht alles kurz vor dem totalen Zusammenbruch. Der Gegensatz ist extrem und Ergebnis der Herrschaft der globalen Monarchie in allen Ländern der dritten Welt, abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Lulas Brasilien.



      Die neue Form des westlichen Kolonialismus


      Angehörige dieser globalen Monarchie trifft man als Delegationsmitglieder ihrer Länder während der Verhandlungen zum Welthandel. Es sind brillante junge Menschen aus den führenden Familien ihrer Länder. Sie sprechen fliessend drei, vier Sprachen, haben Wirtschaft studiert oder sind Juristen. Sie sprechen jedoch niemals für die Bevölkerungen ihrer Länder. Trotzdem haben ihre Entscheidungen häufig weitreichende negative Folgen für die Menschen. Dies ist eine Folge der neuen Form des westlichen Kolonialismus. Es ist eine neue Form, weil der heutige Kolonialismus nichts mehr mit der alten wirtschaftlichen Ausbeutung durch militärische Eroberung zu tun hat. In unserer Zeit geschieht die wirtschaftliche Plünderung durch westliche transnationale Unternehmen. Durch die internationalen Handelsabkommen erhalten die transnationalen Unternehmen das Recht, sich Patente auf Samen, Nutzpflanzen, Lebensformen und neu entdeckte Gene anzueignen. Durch sie werden die neuen Spielregeln etabliert, an die sich die einheimische Elite gerne hält, weil sie davon profitiert. Und sollte sie sich trotzdem weigern, wird sie durch internationalen politischen Druck westlicher Staaten einfach gezwungen, sich daran zu halten.

      Dieses Machtungleichgewicht wurde besonders während der Welthandelskonferenz in Dohar/Katar deutlich, während der ich als Beobachterin anwesend war. Sie fand nur zwei Monate nach dem Attentat vom 11. September statt, und die Amerikaner nutzten die politische Situation, um alle massiv unter Druck zu setzen. Sie verkündeten, dass sie nur diejenigen im Kampf gegen den Terrorismus als Verbündete ansehen, die das neue Welthandelsabkommen unterzeichnen würden. Wer sich trotzdem weigerte, wurde mit Hilfe der Weltbank und des IWF dadurch massiv unter Druck gesetzt, dass man drohte, Kredite zu kündigen und Schulden zurückzufordern.

      Indien war eines der letzten Länder, dessen Widerstand erst nach über 24 Stunden Dauerdruck gebrochen werden konnte. Das ist tatsächliche Machtausübung. Dazu muss man sich nur die logistischen Mittel anschauen, die europäische, kanadische und amerikanische Verhandlungsdelegationen einsetzten. Hunderte, Tausende von Spezialisten, Bürokraten, PR-Experten, Zuträgern, Dienern und Geheimdienstlern machten jederzeit jede gewünschte Information verfügbar. Ihnen gegenüber verhandelten manchmal nur zwei Vertreter eines afrikanischen oder südamerikanischen Landes, die noch nicht einmal ein Handy besassen. Die Länder der sogenannten dritten Welt reagierten erst zwei Jahre später darauf. Bei den Verhandlungen im mexikanischen Cancun. Hier bestanden die grossen Länder des Südens zum ersten Mal gemeinsam auf Ablehnung des Abbaus weiterer Handelsbeschränkungen. Was nicht bedeutet, dass sie sonst nicht unterschiedliche Interessen verfolgten. Einige wären selbst gerne die neuen Vereinigten Staaten, wenn sie nur gross und mächtig genug werden könnten. Aber das Scheitern der Verhandlungen in Cancun ist ein Einschnitt, weil hier erstmalig euro-amerikanische Forderungen von einer Allianz des Südens abgelehnt wurden. Das bedeutete jedoch nicht, dass die Herrschaft der transnationalen Unternehmen in den Ländern des Südens eingeschränkt oder gar aufgehoben wurde, denn die neue Form des Kolonialismus, die man als wirtschaftliche Apartheid bezeichnen könnte, existiert weiter. Und sie wird nicht durch Landbesetzung, sondern mittels der einseitigen international gültigen transnationalen Handelsabkommen aufrechterhalten, gegen die die Menschen des Südens machtlos sind.

      Dieser neue Kolonialismus, den Sie genannt haben, hat natürlich eine Ideologie. Ist diese Ideologie der Bekämpfung des internationalen Terrorismus eine Art Gutmenschen-Ideologie. Ist das diese Ideologie, mit der diese Dinge auch möglich gemacht werden?
      Zu dieser Realität, wie wir sie beschrieben haben, kommt der Terrorismus hinzu, von dem die USA betroffen sind. Man versteht die Amerikaner nicht, wenn man nicht begreift, dass sie davon überzeugt sind, sich in einem Krieg zu befinden. Sie sind angegriffen worden,(?) und nun bekommt die gesamte Welt ihre Reaktion darauf zu spüren. So werden die Amerikaner ein neues Raketenverteidigungssystem in Nordamerika aufbauen und die Militarisierung des Weltraums massiv vorantreiben. Für diese Projekte sind der Regierung 5 Billionen Dollar in den kommenden 2 bis 3 Jahren bewilligt worden. Das ist eine völlig neue Stufe der Militarisierung. Der wirtschaftlichen Globalisierung folgt jetzt die Militarisierung des Weltraums. Auf der staatlichen Website des für die Umsetzung des Abwehrraketensystems im All zuständigen Militärs steht wortwörtlich, dass ein solches System nötig sei, da die wirtschaftliche Globalisierung zu einer zweigeteilten Welt geführt habe, in der mehr und mehr Regionen existierten, die nicht mehr mit herkömmlichen militärischen Mitteln kontrolliert werden könnten. Um jedoch den Einfluss und die Kontrolle dieser Regionen durch die USA zu gewährleisten, bedürfe man des neuen Abwehrsystems im All. Dies wird ganz unverhohlen gesagt. Wir befinden uns also in einem neuen Kolonialzeitalter, dessen bedeutendste Macht die USA sind, die unterstützt werden von Kanada und deren Komplizen ein grosser Teil der europäischen Staaten sind. Unter der Agenda der Terrorismusbekämpfung werden Bürgerrechte eingeschränkt, so dass Menschen ohne Anklage und Verteidigung in Gefängnissen festgehalten werden. Diese Missachtung ziviler Rechte in den Vereinigten Staaten ist für Machthaber und Eliten in Ländern, in denen es sowieso keine Bürgerrechte gibt, eine Entschuldigung für ihr Handeln. Dies ist eine angstmachende neue Folge der Wirtschaftsglobalisierung.



      Die Bedeutung der Ressource Wasser


      Auf der anderen Seite schreitet die Privatisierung auch von bisher als Gemeingut angesehenen Gütern voran, zum Beispiel Gesundheit, Bildung und insbesondere Wasser. Das ist ein Angriff auf alles, was bisher als selbstverständlich betrachtet wurde. Trotzdem ist der Widerstand dagegen, zum Beispiel gegen die Privatisierung von Wasser, im Westen so gut wie gar kein Thema. Wie wird diese Privatisierung begründet, und welche Folgen könnte das haben?
      Ein Teil der neuen Agenda, dieser neuen Realität, ist, dass Dinge, die tabu waren, jetzt auf dem Markt an den Meistbietenden verkauft werden. Das Wichtigste ist Wasser. Denn die Welt hat nur einen beschränkten Vorrat an Süsswasser. Insgesamt nur ein halbes Prozent des gesamten Wassers der Erde. Und dieser Vorrat wird weltweit in einer solchen Geschwindigkeit verbraucht, verschwendet und verschmutzt, dass im Jahr 2025 zwei Drittel der Weltbevölkerung in irgendeiner Weise von Wassermangel betroffen sein werden. Diejenigen neuen Eliten, die derzeit über Macht und Geld verfügen, wissen dies schon längst und wissen, dass, wer auch immer die Wasserversorgung und Verteilung kontrolliert, beides weiterhin haben wird, nämlich enormen Reichtum und grosse Macht. Deshalb sind derzeit drei europäische transnationale Unternehmen - dazu grosse Abfüller von Wasserflaschen wie Nestlé, Coca-Cola oder Pepsi - dabei, die weltweiten Wasservorräte unter sich aufzuteilen. Man plant riesige Pipelines und den Aufbau von Supertankerflotten, um Wasser weltweit handeln zu können. Wasser soll als Handelsware in einem freien Markt bewertet und verkauft werden, kontrolliert von einem Wasserfirmenkartell, einer Art Opec für Wasser. Wenn dieses Kartell die weltweiten Süsswasservorräte kontrolliert, werden Millionen von Menschen verdursten oder infolge fehlenden Wassers für landwirtschaftlichen Anbau verhungern. Dies ist keine Phantasie, dies ist dramatische Realität in naher Zukunft. Die drei grössten transnationalen Wasserunternehmen wollen in den kommenden 10 Jahren 70% des amerikanischen und europäischen Süsswassers unter ihre Kontrolle bringen.



      In der dritten Welt, wo diese Unternehmen das bereits seit längerem versuchen, gibt es heftigen Widerstand. Denn Zugang zu Wasser bedeutet dort noch mehr als in Europa, überleben zu können.

      Im indischen Bundesstaat Keramala erhielt Coca-Cola die Rechte über die Wasservorräte für die nächsten 99 Jahre. Sie erklärten der lokalen Bevölkerung, dass das Wasser, dessen man sich bislang bedienen konnte, jetzt ihnen gehören würde und dass man es nicht an die lokale Bevölkerung abzugeben gedenke, sondern es abfülle und auf dem indischen Markt verkaufen wolle. Die Menschen haben sich gewehrt. Frauen haben sich kürzlich erst aus Protest sogar verbrannt. In Bolivien ist wegen der Privatisierung des Wassers sogar ein Bürgerkrieg ausgebrochen, und das transnationale Unternehmen Bechtel wurde aus dem Land gejagt. Die Weltbank versucht heute noch, die bolivianische Regierung auf Grund von geltendem Handelsrechts auf einige Millionen Dollar Schadensersatz zu verklagen.

      Noch nicht so ganz klar ist, mit welchen Methoden und auf welche Art und Weise man mit privatisiertem Wasser eigentlich ein Geschäft machen kann und wie man das kontrolliert.

      Dazu muss man wissen, dass die Unternehmen nicht einen einzigen Cent investieren müssen. Die Weltbank hat erst kürzlich die finanziellen Zuschüsse für transnationale Unternehmen, die sich bei der Privatisierung von Wasser in Ländern der dritten Welt mit beteiligen, von 1,3 auf 4 Milliarden Dollar jährlich angehoben. Das ist die Summe, die transnationalen Unternehmen zur Errichtung profitorientierter Wassersysteme zur Verfügung steht. Sie erhalten damit nicht nur den Profit, etwa 20 - 30% des Wasserpreises, sondern bekommen von der Weltbank noch zusätzliche Fördergelder überwiesen. Dies ist tatsächlich eine Art der Massenverdummung: Erst lässt man das öffentliche Wassersystem verkommen, und dann gibt man den transnationalen Unternehmen die Kontrolle darüber.


      Artikel 5: Zeit-Fragen Nr.19 vom 17.5.2004, letzte Änderung am 18.5.2004
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      schrieb am 19.05.04 17:09:01
      Beitrag Nr. 1.661 ()
      [Schwarzarbeit
      Die Kleinen werden gehängt, die Großen lässt man laufen!


      Autorin: Gabi Heleen Bollinger

      Ein Maler kostet rund 40 Euro die Stunde, ein Karosseriebauer knapp 60 - Handwerksarbeit ist in Deutschland teuer, für viele Verbraucher zu teuer. Die Folge: Schwarzarbeit, auch Nachbarschaftshilfe genannt. Doch Schwarzarbeit in Deutschland ist noch viel mehr. Ganze Kolonnen verdingen sich auf Großbaustellen ohne Sozialversicherung und ohne Lohnsteuer. Schwarzarbeit ist zum Geschäft der organisierten Kriminalität geworden. Es geht um Milliarden.

      Organisierte Kriminalität
      Die Beamten vom LKA Rheinland-Pfalz und der Steuerfahndung Wuppertal ermitteln verdeckt und müssen unerkannt bleiben. Sie haben ein Scheinfirmensystem geknackt, mit dem viele Bauunternehmen gezielt ihre Schwarzarbeit vertuschen - mit sagenumwobenen Geschäftspartnern.

      Ein Steuerfahnder zieht Bilanz: "Die Personen, die hier bei uns das System von Strohmannfirmen zur Verschleierung der Schwarzarbeit organisieren, stammen schwerpunktmäßig aus einer bestimmten Region in Sizilien. Das ganze System arbeitet nach Art der Cosa Nostra, und es gibt auch aus unseren Verfahren festgestellt eindeutige Bezüge in Richtung Cosa Nostra Sizilien".

      Die Ermittler des Landeskriminalamts in Mainz sind sich ebenfalls sicher, es mit der Mafia zu tun zu haben: "Das konnten wir nachweisen, durch Zusammenarbeit mit italienischen Kollegen. Dazu gibt es einige wenige Kronzeugenaussagen."

      Betonmafia vor Gericht
      Das System arbeitet bundesweit. In der Ermittlungszentrale: tonnenschwere Aktenberge. Die Ermittlungen: ein Fass ohne Boden. Denn strafrechtlich können nur die kleinen Organisatoren der Schwarzarbeit belangt werden, nicht aber die großen Bauunternehmer.

      So auch im Saarbrücker Betonmafiaprozess Anfang Mai 2004. Der Bezug zur Cosa Nostra konnte hier nicht nachgewiesen werden, die Beklagten sind auf Bewährung frei. Trotz der milden Strafe, der aus Italien stammende Hauptbeschuldigte, Chioacchino Vitanza, ist sauer. Er wurde wegen Steuerbetrug und als Initiator von Scheinfirmen verurteilt, die großen Bauunternehmer bauen unbehelligt weiter. Erklärungsversuche: "Also, wenn die Auftraggeber bzw. die Großunternehmer diese Sache nicht bräuchten wie z.B. Scheinrechnungen, Scheinfirmen und Servicefirmen, dann würd`s die ja nicht geben. Das ganze deutsche System braucht die, sonst funktioniert gar nichts".

      Die Sache mit der Rechnung
      Und so funktioniert das System: Der Bauauftrag geht an einen Generalunternehmer. Dieser baut nicht selbst, sondern schaltet Subunternehmer ein. Um billig zu bauen, werden Schwarzarbeiter engagiert. Da Schwarzarbeiter keine Rechnung schreiben können, kauft der Unternehmer sich die Rechnung bei einer Strohmannfirma. Die Bücher der Bauunternehmer sind sauber.

      Ein Steuerfahnder erklärt: "Eine Strohmannfirma ist so organisiert, dass alles vorhanden ist, was notwendig ist, um den Anschein der Legalität nach außen hin aufrechtzuerhalten".

      Alles, was eine Strohmannfirma braucht, um offiziell am Markt aufzutreten, passt in einen Koffer. Da sind die Unbedenklichkeitsbescheinigungen der AOK, des Finanzamtes und die Betriebsnummernzuteilung der Bundesagentur für Arbeit. Die Papiere werden von den Behörden bei jeder Betriebsgründung ausgestellt. Damit gilt die Firma als seriös.

      Und genau diesen legalen Anschein nutzen die Bauunternehmer. Der Nachweis einer Mittäterschaft gelingt dann nicht. Doch die Ermittler vom Landeskriminalamt sagen, die großen Bauunternehmer wissen ganz genau, mit wem sie Geschäfte machen. "Je nachdem, wie sicher sich derjenige fühlt, lacht er uns an oder gibt durch nonverbales Verhalten zu verstehen, dass er genau weiß, dass es eben nicht eine normale Firma ist. So dass man genau weiß: Der lügt dich jetzt an".

      Der Fall Carmelo Di Muro
      Er hat für große deutsche Bauunternehmen die Schwarzarbeit erledigt. Dafür wurde Carmelo Di Muro mit fünf Jahren Haft bestraft und aus Deutschland ausgewiesen. Er hat Großes geschaffen. Nur ein Beispiel aus der Akte: Der Welt sauberstes Braunkohlekraftwerk "Schwarze Pumpe" bei Cottbus.

      Carmelo Di Muro: "Seit ich auf dem Markt war, ca. 20 Jahre lang, hab ich noch nie erlebt, dass einer Baufirma, einem Großunternehmer was passiert ist. Nur den Kleinen ist was passiert. Nur den Kleinen. In Italien gibt`s ein Sprichwort: Der Fisch fängt an zu stinken vom Kopf".

      Schwarzarbeit mit System
      [plusminus hat einen Bauunternehmer getroffen, der aus guten Gründen anonym bleiben will. Auch er hat das System der Italiener genutzt: "Sicherlich wird da schwarz gebaut. Jeder weiß es im Grunde. Man sieht es ja auch an den Preisen. Bei so großen Bauvorhaben können sie mit eigenen Leuten nicht mehr rechnen. Die Großen wollen einfach billig bauen, dass die möglichst großen Profit dabei haben".

      Insgesamt werden so jährlich mehr als 100 Milliarden Euro an Steuergeldern und Sozialabgaben an Fiskus und Sozialkassen vorbeigewirtschaftet - laut offiziellen Zahlen des Bundesrechnungshofs. Nur 300 Millionen davon konnten die Fahnder zurückholen.

      Ohne Schattenwirtschaft könnte eine halbe Million Bauarbeiter offiziell beschäftigt werden. Das neue Umsatzsteuergesetz soll zwar einen Teil der Steuereinnahmen sichern, ist aber wirkungslos gegen Schwarzarbeit. Da ist der Gesetzgeber äußerst zurückhaltend. Immer noch muss den Bauunternehmern ein vorsätzliches Verschulden nachgewiesen werden.

      Eine mögliche Lösung
      Die Ermittler vom Landeskriminalamt Mainz und der Steuerfahndung in Wuppertal sehen nur eine Lösung und fordern, in Sozialgesetzbuch und Steuerrecht eine verschuldensunabhängige Haftung einzuführen - bis ganz nach oben.

      Ein Kriminalbeamter: "Um die Schwarzarbeit einzudämmen, bedarf es im Prinzip einer Haftung derjenigen, die davon profitieren."
      Der Steuerfahnder: "Da muss der Tatbestand, dass festgestellt wurde, es wurde über Scheinfirmen abgerechnet und es wurden Schwarzarbeiter eingesetzt, ausreichen, um eine Haftung in Gang zu setzen, die bis zum Generalunternehmer gegebenenfalls auch bis hin zum Bauherrn reicht."

      Doch im neuen Gesetz der Bundesregierung zur Bekämpfung der Schwarzarbeit ist davon nichts in Sicht. Und solange der politische Wille fehlt, bleibt es bei der alten Weisheit: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.


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      Dieser Text gibt den Inhalt des Beitrags der Sendung [plusminus vom 18.05.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

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      schrieb am 19.05.04 17:13:31
      Beitrag Nr. 1.662 ()
      [Kostenerstattung
      Willkür bei den gesetzlichen Krankenkassen


      Autor: Jörg Lefèvre

      "Sparen - koste es was es wolle", so oder so ähnlich lautet wohl schon seit geraumer Zeit eine der Hauptdevisen der gesetzlichen Krankenkassen. Viele Patienten mussten sich inzwischen leidvoll daran gewöhnen, dass sie trotz Versicherung immer tiefer in die eigen Taschen greifen müssen. Doch wer jetzt glaubt, dass er, wenn er schon einen Großteil der Behandlung selbst zahlt, auch wirklich mitbestimmen kann, ist häufig auf dem Holzweg.

      Klinikalltag heute
      Fast täglich werden in einer Privatklinik Bandscheibenvorfälle operiert. Die Operation gehört nach wie vor zu den sensibelsten in der Chirurgie. Gerade hierbei aber zeigt sich, welche medizinische Versorgung hinter dem Patienten steht, was er sich "leisten" darf.

      Für die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen gilt: Nur das medizinisch Notwendige ist zulässig. Und das heißt bei der Wirbelsäule in aller Regel: Versteifung der Wirbel.

      Für Privatpatienten sieht das ganz anders aus: Bei ihnen werden auch moderne Operationsmethoden wie die Bandscheibenprothese erstattet.

      Sylvia Kleiné hat Glück im Unglück: "Die Kostenfrage ist insofern geklärt, da 50 Prozent von meiner Beihilfe bezahlt werden, da ich beim Staat bin, Beamtin. Und der Rest von der privaten Krankenkasse, wobei diese Kosten noch nicht ganz geklärt sind. Und das erst geklärt werden muss, und man da erst noch abwarten muss."

      Wer selbst schon mal Probleme mit der Wirbelsäule hatte, kann verstehen, dass es für Betroffene, wie zum Beispiel Klaus Thiemann, zunächst völlig unwichtig ist, wer die Operation bezahlt: "Wer das jetzt letztendlich bezahlt, kann ich noch nicht sagen. Es war mir auch fürchterlich egal. Und im Moment ist es mir immer noch egal, weil für mich war jetzt wichtig, dass ich die Schmerzen weg bekam und dass die entscheidenden Schritte gemacht wurden bei den Operationen."

      Patienten zweiter Klasse
      Peter Thiemann kann sich als Privatpatient voll auf die Wiederherstellung seiner Gesundheit konzentrieren. Doch Kassenpatienten stehen vor einem Dilemma: Wer eine Extra-Leistung will, kann nicht einfach auf die Kassenerstattung drauf-satteln. Er muss sich entscheiden: Alles oder nichts.

      Neurochirurg Dr. Franz Copf kennt das Problem der Kassen-Patienten: "Nimmt er die Kassenleistung in Anspruch mit allem Pro und Contra, oder entscheidet er sich für eine privatärztliche Behandlung. Und da haben die gesetzlichen Krankenversicherungen keine Pflicht, die Kosten zu bezahlen, also die Kosten zu erstatten, weil mit der Budgetfinanzierung die Kosten durch die Kasse eigentlich bereits gezahlt sind. Es sind mir Fälle bekannt, dass die Krankenkassen die Kosten trotzdem erstatten, dazu besteht aber keine Pflicht."

      Die Gerichte müssen entscheiden
      Und genau darin liegt das Problem. Immer mehr Patienten suchen deshalb Hilfe bei den Sozialgerichten. Doch im Gesetz steht, dass privat in Auftrag gegebene Behandlungen von den Kassen grundsätzlich nicht erstattet werden dürfen.

      Und so ging auch ein Verfahren am Sozialgericht Reutlingen Anfang Mai 2004 zu Gunsten der gesetzlichen Krankenkasse aus. Der Patient bleibt auf den vollen Operationskosten von 13.000 Euro sitzen. Nur vorerst macht Rechtsanwältin Martina Schwörer ihrem Mandanten Mut: "Heute hat das System gesiegt, nicht die Gerechtigkeit, deshalb werden wir versuchen, diese Entscheidung zu revidieren in der nächsten Instanz. Und hoffen auf eine andere Entscheidung."

      Eine Frage der Gerechtigkeit
      Ob diese Hoffnung in Erfüllung geht, ist zweifelhaft. Denn dafür müsste das bestehende System geändert werden, das selbst Vertreter der Krankenkassen, wie Herbert Raach von der IKK Reutlingen für nicht gerecht halten. "Das Urteil spielt sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens ab, und wir als Krankenkasse haben darüber hinaus keine Möglichkeit, Veränderungen vorzunehmen. Insofern ist es im Rahmen des vom Gesetzgeber Gewollten gerecht."
      Frage: "Aber, der Patient bleibt auf den Kosten hängen?"
      Antwort: "Der Patient bleibt in diesem Fall auf den Kosten sitzen, jawohl."
      Frage: "Ist das gerecht?"
      Antwort: "Ist schwer zu sagen, aus der Sicht des Versicherten sicherlich nicht."

      Was ist medizinisch notwendig?
      Die Crux bei dem System ist das so genannte "Leistungsprinzip." Pflichtversicherte haben dabei nur Anspruch auf eine medizinische Grund-Versorgung. Es gilt "Alles oder nichts".

      Doch vor der Kamera wird das von den gesetzlichen Kassen nicht bestätigt. Es sei möglich, auch bei Wahlleistungen einen Teil der Behandlung erstattet zu bekommen, lautet die Formulierung gegenüber [plusminus - auch von Stefan Wöhrmann, vom Verband der Angestellten-Krankenkassen: "Bei einer medizinischen Notwendigkeit einer stationären Behandlung hat die Krankenkasse unabhängig von einer Chefarztbehandlung den Grundanteil für die Regelleistung zu übernehmen. Nur die Mehrleistung, die durch die Chefarztbehandlung anfällt, ist vom Versicherten zu tragen."

      Die Realität sieht anders aus
      Die Erfahrungen der Verbraucherzentralen sind da ganz andere. Wer "Chefarzt" bucht, muss nicht nur für ihn draufzahlen, sondern die ganze Behandlung aus eigener Tasche zahlen.

      Das sei nach dem System auch gar nicht anders möglich, weiß auch Wolfgang Schuldzinski von der Verbraucherzentrale NRW: "Die Chefarztbehandlung ist nicht Gegenstand dieses Vertrages, den die Kasse mit dem Krankenhaus hat, sondern das sind Extraverträge, die in der Regel mit den gesetzlichen Krankenkassen so abgeschlossen worden sind. Und deshalb die Logik: Eine Sache, die gar nicht existiert aus Sicht der Krankenkasse, die kann auch nicht bezahlt werden. Und deshalb muss der Patient sie voll bezahlen."

      Fazit
      Seit Anfang diesen Jahres kann der Kassenpatient wählen: Abrechnung auf Chipkarte oder Kostenerstattung. Doch auch das ändert nichts am System. Wer "Chefarztbehandlung" oder "Privatklinik" wählt, bleibt auch weiterhin auf den Kosten sitzen. Und zwar komplett. Oder er bleibt was er ist: Patient 2. Klasse.


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      schrieb am 25.05.04 16:17:51
      Beitrag Nr. 1.663 ()
      http://www.spatzseite.de

      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten



      Ersaufen, ohne sich naß zu machen: 23.05.2004



      DIESE WOCHE
      Es stehen wieder Wahlen an, bei denen wir die machtloseste Instanz Europas mitbestimmen dürfen, das EU-Parlament, und pünktlich werden wir mit der üblichen Propaganda überschüttet. Die seziert der Spatz, zeigt die Lügen, untersucht die Manipulation, der wir vor der Wahl unterliegen, demonstriert, wie man uns belügt und betrügt. Eine gute Lektüre vor dem Gang zum Wahllokal, besser als jeder Werbespot im Lügen-TV!

      Europawahl: die Verhältnisse wählen


      Wieder so eine Wahl! Alle paar Jahre wieder stellen sich Politiker zur Wahl. Sie legen keine Bilanz ihrer Tätigkeit vor. Die sollte der der Bürger kennen, hat er doch die Amtführung zu erleiden gehabt. Die Amtsinhaber bauen auf kurze Gedächtnisse der Wähler. Wer erinnert sich schon an all das, was inzwischen zur Normalität geworden ist? Wer ist Schuld, daß es so geworden ist? - Niemand! Sollte man deshalb auch "niemanden" wählen? Wer Schaden anrichtet, hat normalerweise mit seinem Vermögen dafür einzustehen. Das gilt für alle bis auf drei Personengruppen, Unmündige, Politiker und Leitende Unternehmensvorstände. Die beiden letzten werden im "schlimmsten" Fall mit einer hohen Pension oder Entschädigung verabschiedet. Wen wundern die Ergebnisse.

      Es geht bei der Wahl um die Besetzung nicht schlecht bezahlter Arbeitslätze. Sie zu verteidigen, ist ihren Inhabern schon etwas wert. Was genau? Sie kämpfen darum. Wie, womit? Sie nennen es Überzeugungsarbeit und lassen sich diese gut mit Steuergeldern bezahlen (schließlich verfügen sie ja über die Steuerkasse - und deshalb ist sie wohl auch so leer). Doch wer soll wovon und womit überzeugt werden? Davon, daß der Mitbewerber wenig taugt, daß alles im Wesentlichen beim Alten aber auch alles viel besser werden soll? Daß es einen großen Unterschied macht, ob Herr A und nicht Herr B oder gar Frau C den Posten bekommt. Welcher Unterschied das sein soll, lehren weder Erfahrungen mit diesen Leuten, noch Sprüche, die man von ihren zuhören bekommt. Daß der eine freundlicher dreinblickt, ergreifender reden kann etc. macht ihn vielleicht zum "geringeren Übel", und damit doch zum Übel. Die Unterschiede liegen in der Person, der Rest, das, was läuft, verläuft fast schicksalhaft, daran ist "eigentlich niemand" Schuld, nur die Verhältnisse. Selbst an Dingen wie der Ökosteuer ist eigentlich niemand Schuld, allenfalls "der Staat", der keinen Namen hat. Warum dann noch wählen? Es muß gewählt werden, sonst ist es keine Demokratie. Das Gesetz will es so. Offensichtlich kommt es auf die Wahl an, nicht auf das, was gewählt wird.

      Für Lobbyisten ist das anders. Die wollen "ihren Mann" möglichst weit nach vorne bringen, dorthin, von wo der Griff in die Staatskasse möglich wird: "Was garantiert ihr mir, wenn ich..." Von Nichts kommt nichts und das Freibier, die Kugelschreiber, die Humba-Band, das, was das Strohdreschen der zum "Wahlkampf" angereisten Politprominenz ("Wir kämpfen um jede Stimme") erträglich macht, kostet Geld. Der Wahlkampf verläuft hinter den Kulissen.

      Zwar lassen sich in Wahlen Leute, über die man sich getäuscht hat, abwählen ("abstrafen"). Anfang der siebziger Jahre, als der Kohlebergbau noch etwas darstellte, kam es im Ruhrgebiet zu einem Arbeitskampf. Über 70% der Kumpels stimmten für Streik. Die Gewerkschaftsführung war "vernünftig", und blies ihn ab. Die Wut war groß, die Abwahl des Gewerkschaftsvorstands beschlossene Sache. Zwei Jahre später auf dem Gewerkschaftstag war davon nicht mehr die Rede. Hatte man vergessen, war man selbst "vernünftig" geworden, hatte man sich eingewöhnt, oder keine Alternative gefunden? Wahlen sind Stimmungssache. Um Stimmungen zu erzeugen bedarf es größerer Ereignisse. Nicht immer läßt sich durch einen kleinen Krieg, einen inszenierten Terroranschlag oder etwas Derartiges zeitgerecht für die Stimmung sorgen, die sich auszahlt. (Es ist wie beim Krimi oder Tabubruch sogenannter "Kunst", der Reiz muß, um noch zu reizen, von Fall zu Fall steigen).

      Mittels Wahl glaubt man, würden die Wähler über die Richtung, in der es weiter gehen soll, abstimmen. Welche Richtung wäre das? Fragen sie die Politprominenz! Auch sie muß erst nachfragen - bei wem wohl? Sicher, es soll alles besser werden: mehr Arbeitsplätze, bessere Schulen, billigeres Gesundheitswesen, ein einigeres Europa. Was, bitteschön, darf es sein? Um das alles zu finanzieren, brauchen wir den "Aufschwung" und der schaut schon um die nächste Ecke. Was wollen Sie mehr? Wer ihn nicht sehen kann, muß daran glauben, wie an des Kaisers neue Kleider. Wenn er tatsächlich kommen sollte, "waren wir es, die ihn gemacht haben - wer sonst?" Wie hatten sie es gemacht - auch das müßten sie sich sagen lassen - von wem wohl? Deshalb kommt der Aufschwung auch nicht um die Ecke.

      Doch haben sie für jeden etwas dabei. Es steht eine konservative, fortschrittliche, liberale oder eine "ganz andere" Partei staatstragender Partei zur Wahl; und Analphabeten, denen die Fremdwörter nichts sagen, bietet man Farben als Politik an. Man kann zwischen rot, schwarz, gelb und grün wählen. Welche Verhältnisse die Farbe bedeuten, steht in den Sternen. Und weil Perspektivlosigkeit ängstigt, bietet hält man für die Leute auch Grund für die Angst bereit: Umweltverschmutzung, Terroristen, Islamisten, Neonazis. Welche Farbe schützt am besten? Wenn Sie es nicht wissen, stopfen Ihnen die Medien die richtige Antwort in Ihre liebste Worthülse.

      Doch steht hinter jeder ordentlichen Farbe oder staatstragenden Parteien auch ein Programm. Es aufzustellen hat viel gekostet. Damit es gut klingt, mußte es von Fachleuten entworfen werden. Sprachwissenschaftler formulierten die Texte so, daß sich möglichst viele Menschen möglichst vielerlei (jeder etwas anderes, ihm passendes) darunter vorstellen können. Da "alles" bekanntlich "nichts" ist, klingen die Programme auch so. Man will viele Wähler ansprechen. Was spricht man tatsächlich an: subjektiv, zustimmende Gefühle, die die Programm-Floskeln auslösen wollen. Um das zu gewährleisten, bezahlt man teure Sozio-Psychologen, die dazu die Meinungen/Stimmungen der Bevölkerung ausforschen, um die Ansatzpunkt zu finden, auf die die Floskeln sich beziehen sollen. So "erfaßt" und "bedient" man die größtmögliche Schnittmenge der Meinungsträger. Schließlich obliegt es den noch teureren Kreativen, für die Floskeln "images" zu fertigen, denen wir dann auf Wahlplakaten und in Werbespots begegnen. Was sagen sie aus? "Wir, die Politiker und ihre Wahlvereine (Partei) sind ganz Ihrer Meinung, wir verstehen Euch, stehen voll auf Eurer Seite". Noch was?

      Da heißt es zum Beispiel: "Wir stehen für Frieden!" Wer wollte den nicht? "Wir haben uns am Kriegszug gegen den Irak nicht beteiligt!" Damit locken diejenigen, denen es - weil man es ihnen nicht zugetraut hatte - zum ersten Mal gelungen ist, wieder deutsche Truppen grundgesetzwidrig und gegen das Völkerrecht (Feindstaatenklausel) außerhalb der Landesgrenzen und nicht zum Schutz des eigenen Territoriums in Kriegshandlungen zu verwickeln. Inzwischen ist der Serbienkrieg vorbei, die Soldaten als "Friedensschützer" noch dort und fast vergessen ist auch der Umstand, daß der Krieg mit den gleichen falschen, verlogen vorgeschobenen Vorwänden und der gleichen Greuelpropaganda zur Rechtfertigung des Kriegseintritts ausgelöst wurde, wie fast jeder andere Krieg, in dem es statt um die Abwehr eines feindlichen Angriffs, um Demokratie (richtige Politikverwalter) und Freiheit (freier Zugang zu den Produktivkräften des Landes) ging. Dieser Krieg hatte wie die folgenden, dafür gesorgt, daß die freien Gelder Europas in den USA Schutz gefunden haben. (Sie reichen noch immer nicht aus). Damit hielt man zwar den "Aufschwung", den jeder schon gesehen hatte, hinter der Ecke fest, doch der Hauptzweck war erreicht: Die Währung währte ein Weilchen länger. Weil dieser Zweck nicht sonderlich rühmlich ist, will ihn auch niemand wissen. Inzwischen verteidigen wir Freiheit und Demokratie am Hindukusch. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage des Werbedesigns, wo wir sie demnächst verteidigen werden. Wir? - Keiner hat uns gefragt, wir gehen nur wählen.

      Weitere Programme: Wer will nicht "die Familie" schützen? An erster Stelle diejenigen, die gegen die alte, die "repressive" Familienpolitik angerannt sind. Ihnen gelang es Familie zu einer "freien", beliebigen, privaten "Sex-Lust-Gemeinschaft" umzudefinieren und lesbischen und homosexuellen Gemeinschaften gleichzustellen. Was kümmert sie, daß die Familie nicht sexuelle Präferenzen der Bürger, sondern die Gesellschaft mit einer "Zukunft" zu bedienen hatte. Familie war einmal als günstigster Ort, an dem Kinder aufwachsen und sich zu selbstbewußten Menschen und mündigen Bürgern bilden (nicht dazu "gemacht werden") konnten, als Kampfplatz um Lebensgrundsätze in liebevoller Geborgenheit, eingerichtet worden. Wo es um diese nicht mehr geht, kommt auch keine Familie in Gang, und "günstig" wird nur noch als "preisgünstig" verstanden. Wen (von der Rentenfrage abgesehen) interessiert "die Zukunft der Gesellschaft", hängt doch schon die eigene in den Sternen, in die wir sie bei den Wahlen gehängt haben.

      Aber "Zukunft" steht auf vielen Plakaten, vor allem bei denen, die rückwärt "vorwärts" nennen. Jeder will mehr für die "Bildung" tun. Ihnen ist Bildung eine nötige Investition in brauchbare Arbeitskräfte. Die gute Chance auf dem Arbeitsmarkt hat alles wett zu machen: Bildung als (Selbst/Fremd)-Vermarktung. Daß Bildung etwas mit Moral, mit Selbstüberwindung, Beharrlichkeit, Neugier, wissen zu wollen, was die Welt im innersten zusammenhält, und dem Abenteuer, nach dem, was man weiß, auch zu handeln - zu tun hat, stört wie die "affirmative Kultur der "längst veralteten" Klassiker. Zeitgemäß, weil es sich (vielleicht - je nach Konjunkturentwicklung) auszahlt, ist es, "allgemein anerkanntes" Wissen bis zur nächsten Prüfung bei sich zu behalten und ein Gespür dafür zu entwickeln, wie man Leute "herum bekommt". Jeder verspricht, den Nürnberger Trichter mit mehr Geld zu polieren, ohne zusagen, wo das Geld herkommt. "Die haben`s ja - die anderen.

      Wir schützen Mensch und Umwelt, retten das Klima", verteufeln Kernenergie und sogar Kohle, Öl und Gas (weil wir "als Fortschrittliche" den Pflanzen selbst ihre Hauptnahrung neiden). Wir schaffen Arbeitsplätze, in dem wir die Energie verteuern. Wir sorgen für Umsätze, indem wir neue Generationen von Wertpapieren (neue Derivate und CO2-Zertifikate) auf den Markt werfen. Kurbeln die Wirtschaft an, in dem wir sie bremsen. Kurz: Wir ersaufen, weil wir uns nicht naß machen wollen. Dementsprechend wählen wir, was alleine an allem Schuld ist, die Verhältnisse. Eine Alternative kennt keiner, genauer gesagt, will kaum einer kennen. Sich auf das verständigen, was uns über die Verhältnisse hinausbrächte und danach handeln: "Danke, keine Zeit!"
      Avatar
      schrieb am 25.05.04 16:21:13
      Beitrag Nr. 1.664 ()
      Der verheerende Teil der Baisse liegt noch vor uns!

      Die U.S. Regierung hat über ihre Verhältnisse Geld geborgt und noch mehr ausgegeben. Sie hat Versprechen gemacht, die sie nicht einhalten kann, wahrscheinlich auch nie beabsichtigt hat.

      Um ehrlich zu sein, die Unverantwortlichkeit der U.S. Regierung ist vollkommen in der Reihe mit anderen Regierungen überall. Wir leben in einer Zeit wo Regierungen stetig in die Ökonomie eingreifen. Ökonomische Politik (Defizitspending, Tariffe, Währungsmanipulation) werden als die Werkzeuge für volkswirtschaftlichen Krieg angesehen. Nationen benutzen diese Waffe gegenseitig, um relativen Vorteil im Dickicht von Wettbewerb zahlreicher Niedrigkosten-Produzenten zu erreichen.

      Die U.S. Regierung hat drei wichtige Fehler gemacht. Zunächst wurde der „Goodwill“ vom Rest der Welt als gegeben hingenommen. Amerika ist eine Schuldner-Nation. Es hängt vom Rest der Welt ab, dass in USA investiert wird, um den Wert des Greenback hochzuhalten. Nimmt man die Investitionen in Aktien, Bonds und Immobilien weg, dann beginnt die “Grosse Inflation.“

      Zweitens, die Regierung predigt die Vorteile der Globalisierung, nämlich niedrigere Preise und grössere Auswahl.

      Was sie nicht erwähnt, dass wahre Globalisierung einen ständigen Wechsel im amerikanischen Arbeitsmarkt bewirkt. So arbeitet der freie Markt. Produktionen werden in die Niedrigkosten -Zentren verlagert. Das ist kein zyklisches Phänomen, sondern ein strukturelles. Amerika wird eine Dienstleistungs-Nation. Der Lohn für exzessiven Konsum ist der Verlust einer Ökonomie, die „Neuinvestment und Reichtum“ produziert.

      Drittens, der grösste Fehler dieser Politik ist die Annahme, dass monetäre Politik Lohn-Inflation bewirken kann.

      Die FED entdeckt mittlerweile, dass ihre Bemühungen, die Volkswirtschaft durch niedrige Zinsen zu inflationieren, verfehlt wurde. Spielraum nach unten besteht nicht mehr. Was haben Verbraucherlöhne mit monetärer Politik zu tun? Die FED hat es fertig gebracht, Inflation überall in der Wirtschaft zu produzieren, ausgenommen in Verbraucherlöhnen. Jedoch ohne steigende Löhne kann der Verbraucher die steigenden Preise nicht bezahlen. Energiepreise sind hoch und steigen weiter. Langfristzinsen steigen und erhöhen damit die Hypotheken- und Kreditkartenzinsen. Was macht der Verbraucher? Wenn die Löhne nicht mitsteigen, kann er höhere Preise nicht bezahlen.

      Greenspan weiss, dass ohne steigende Löhne keine wirkliche „Reflation“ einsetzen kann. In seiner letzten Rede vor dem Kongress sagte er: „Remember that more than two-thirds of the consolidated underlying domestic costs in the United States are unit labor costs... And unit labor costs, as best we can judge, are still going down."

      Mit anderen Worten, alles geht im Preis nach oben., jedoch Verbraucher können diese Preise nicht bezahlen. Das ist ironischerweise „deflationär“. Verbraucher reduzieren ihre Ausgaben. Je mehr die Preise steigen, desto weniger wird konsumiert. Es ist das Ende des konsum-getriebenen amerikanischen Modells. Es wurde vom Rest der Welt toleriert, da die Amerikaner auf Kredit gekauft haben. Der Kredit-Kollaps kommt!

      Es muss für die FED hart sein zu sehen, dass das Reflations-Modell hinfällig ist. Die FED kann keine Verbraucher-Inflation bewirken, da sie den Arbeitsmarkt nicht beeinflussen kann. Dieser ist eine Funktion der Globalisierung.

      Die FED hat einen Preisschub bewirkt, welcher zu einem deflationären Kollaps der Verbraucher führt. Die normale Reaktion zu Preiserhöhungen würde eine Erhöhung der Zinsen sein. Jedoch steigende Zinsen bringen den Verbraucher in noch prekärere Umstände als er schon ist, gefährdet damit die Haushaltsbilanz-Aktiva: das Haus.

      „Ausgeben“ ist ein psychologischer und fiskalischer Prozess. Leute geben Geld aus, wenn sie der Meinung sind, dass es risikolos besser wird. Wenn sie vorsichtig werden, wird weniger ausgegeben. Sie denken anders.

      Es ist schwer vorstellbar, was in der amerikanischen Ökonomie passieren wird? Ein Dollar-Ausverkauf wird kommen, der Lebensstandard fällt. Werte von Liegenschaften fallen und das alles weil........die amerikanische Regierung auch eine Regierung war, die ihre Rechnungen nicht bezahlen konnte.

      Diese Schilderung kann man auch auf unsere europäischen Verhältnisse übertragen.


      http://www.evotrade.de/Tag_im_Markt/tag_im_markt.html
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      schrieb am 25.05.04 20:35:34
      Beitrag Nr. 1.665 ()
      Avatar
      schrieb am 25.05.04 20:54:21
      Beitrag Nr. 1.666 ()
      Titel


      Tote Briefkästen

      Weitere Warnstreiks bei der Post. In Hessen blieben 1,8 Millionen Sendungen liegen


      Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG reißen die Warnstreiks nicht ab. In der Nacht zum Dienstag wurden die hessischen Verteilzentren in Frankfurt/Main, Offenbach, Fulda, Kassel, Marburg, Wiesbaden und Darmstadt lahmgelegt. In den Zentren werden die Briefe für die Zustellungen sortiert und die Postfächer befüllt. Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sind rund 1,8 Millionen Sendungen liegengeblieben. Diese werden nun mit einem Tag Verspätung zugestellt. Ver.di-Sprecher Ernst Honig lobte die hervorragende Beteiligung und hohe Motivation der insgesamt rund 400 Streikenden und bat die Bevölkerung um Verständnis für die Verzögerungen. In Umfragen im Hessischen Rundfunk am Dienstag äußerten die meisten Befragten Zustimmung zu den Aktionen. Die Gewerkschaft kündigte für den heutigen Mittwoch eine Ausweitung der Aktionen auf Rheinland-Pfalz und das Saarland an.

      Unmittelbarer Anlaß für die Aktionen ist die bisherige Weigerung der Unternehmensspitze der Deutschen Post AG, in den laufenden Tarifverhandlungen für die rund 160 000 nichtverbeamteten Beschäftigten des Unternehmens ein Angebot vorzulegen. Ver.di fordert vier Prozent mehr Geld und eine Tariflaufzeit von zwölf Monaten. »Der Vorstand hat es in der Hand, weitere Streiks zu verhindern, indem er aufhört, auf Zeit zu spielen«, sagte der rheinland-pfälzische ver.di-Landeschef Frank Jesse am Dienstag. Wenn es bei den nächsten Gesprächen mit dem Unternehmen am 1. und 2. Juni in Münster kein Angebot gebe, wären auch bundesweite Aktionen nicht mehr auszuschließen, ergänzte der für Postdienste zuständige hessische Landessekretär von ver.di, Detlev Borowski. Die Kampfbereitschaft und Wut der Kollegen sei durch die Anfang der Woche erfolgte Mitteilung der Postspitze über eine geplante Erhöhung der Managergehälter um 20 Prozent noch erheblich gewachsen.

      Ohnehin ist für viele Postler das Maß schon lange voll. Die Arbeitsbelastung hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert, und ein Ende ist noch nicht abzusehen. So wurde in diesem Jahr in ländlichen Regionen die »Verbundzustellung« eingeführt. Das bedeutet, daß die Briefzusteller zusätzlich auch Päckchen und Pakete austragen müssen. In den städtischen Bereichen wurden die Zustellbezirke mehrere Male vergrößert, und das in vielen Fällen bei gleichzeitiger Lohnkürzung. Unerträglich ist auch die Situation der meisten Neueingestellten, die nur noch befristete Verträge mit nur vagen Aussichten auf eine Weiterbeschäftigung nach Vertragsende erhielten. Eine Betriebsvereinbarung sieht außerdem die »freiwillige« Ausweitung der Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden, in einigen Fällen sogar noch mehr, vor. Erpreßt wurde die Zustimmung zu diesen Verschlechterungen mit der Drohung von Massenentlassungen.

      Schon jetzt ist absehbar, daß der Druck auf die Beschäftigten weiter zunehmen wird. Am Dienstag wurde bekannt, daß weitere Teile des ehemals staatlichen Postmonopols schon in absehbarer Zeit fallen werden. Laut einem Bericht des Handelsblatts fordert die EU-Kommission, bei »postvorbereitenden Diensten« wie dem Einsammeln und Sortieren von Massensendungen das bisherige Monopol auf Sendungen mit einem Gewicht von bis zu 100 Gramm abzuschaffen. Nach Erhalt eines entsprechenden Mahnschreibens aus Brüssel habe Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) bereits »Entgegenkommen signalisiert, schreibt das Blatt. Der sich dann absehbar verschärfende Konkurrenzkampf der Post mit privaten Dumpinganbietern wird von der Konzernspitze als willkommenes Argument für weitere Verschlechterungen bei Entlohnung und Arbeitsbedingungen genutzt werden, wie die Erfahrungen bei anderen privatisierten Dienstleistungsanbietern zeigen. Auf der anderen Seite kann das Unternehmen vor Ertragskraft kaum laufen und expandiert ständig. So lag der operative Gewinn 2003 bei knapp drei Milliarden Euro. Durch den Börsengang der Post-Tochter Postbank am 21. Juni sollen weitere drei Milliarden Euro in die Unternehmenskasse fließen.

      http://www.jungewelt.de/2004/05-26/001.php
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      schrieb am 27.05.04 19:56:42
      Beitrag Nr. 1.667 ()
      Veraltete Daten -
      - Warum Krebspatienten ihre Chemo möglicherweise selbst zahlen müssen


      Autorin: Christiane Cichy

      Der Zugriff auf eine veraltete Datenbank im Gemeinsamen Bundesausschuss ist Schuld daran, dass Krebspatienten derzeit Teile ihrer Chemotherapie möglicherweise nicht von der Krankenkasse bezahlt bekommen. Gegenüber [plusminus räumt der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Dr. Rainer Hess, diesen Fehler ein: Die Folinsäure als Bestandteil der ergänzenden Chemotherapie beim Dickdarmkrebs sei nicht in den veränderten Leistungskatalog aufgenommen worden, weil dem Gemeinsamen Bundesausschuss bei der Festlegung der Kassenleistungen bei der Therapie von Schwersterkrankungen keine aktuellen Daten zur Verfügung standen, so Hess. In der Datenbank, die dem Ausschusses vorlag, galt die Folinsäure bei dieser speziellen Therapie fälschlicherweise als nicht zugelassenes Medikament und muss deshalb seit Anfang März nicht mehr von der Kasse bezahlt werden.

      Ein Beispiel
      Norbert Jansen etwa ist von dieser falschen Regelung betroffen: Der an Dickdarmkrebs Erkrankte benötigt nach seiner Operation eine Chemotherapie, damit auch alle Tumorzellen zerstört werden. Die Chemotherapie, in der die Folinsäure verabreicht wird, ist weltweit medizinischer Standard und seit Jahren aus der Krebstherapie nicht wegzudenken. Doch durch den Fehler im Gemeinsamen Ausschuss müsste Norbert Jansen die Kosten – bis zu 1000 Euro - selbst zahlen oder aber verzichten. Letzteres kann er laut Aussagen seines Onkologen Dr. Grabenhorst nicht. "Diese Therapie ist lebensnotwendig, sie ist überlebensnotwendig. Ohne diese Behandlung würde die Wahrscheinlichkeit, dass Herr Jansen von dieser Krankheit geheilt wird, drastisch sinken und aus diesem Grund gibt es keine Alternative.", so Grabenhorst.

      Betroffen ist nicht nur Norbert Jansen, sondern mit ihm Zehntausende andere Krebspatienten in Deutschland. Allein in einer von [plusminus besuchten Spezialpraxis braucht etwa jeder Fünfte diese Therapie. Wenn die Krankenkassen aufgrund der Panne die Kosten nicht mehr übernehmen, müssten viele Patienten verzichten, weil sie das Geld nicht haben.

      Schicksal der Patienten ungewiss
      Gegenüber [plusminus versicherte der Vorsitzende des Gemeinsamen Ausschusses, Hess, dass dieser Fehler schnellsten korrigiert werden solle. Dies sei aber erst durch Beschluss auf der nächsten Sitzung des Ausschusses möglich und könne erst ab Juli in Kraft treten. Ob die Korrektur auch rückwirkend gelte und damit alle möglicherweise bislang privat bezahlten Anteile der Chemotherapie den Betroffenen zurückgezahlt werden, konnte Hess nicht sagen. Die für diesen Bereich zuständige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wollte sich trotz Anfrage gegenüber [plusminus dazu nicht äußern.

      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 25.05.04 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      http://www3.mdr.de/plusminus/250504/krebs2.html
      Avatar
      schrieb am 27.05.04 20:00:21
      Beitrag Nr. 1.668 ()
      Bodenreform-Urteil: Warum ostdeutsche Erben ihr enteignetes Land dennoch nicht zurückerhalten

      Autorin: Christiane Cichy

      Thomas Voek hatte einmal eine gut funktionierende Baumschule in Ostdeutschland. Gehört hat sie ihm, bis er vom Staat enteignet wurde. Das neun Hektar große Land war einst im Besitz des Großvaters. Dieser hatte es als Bauer aus der Bodenreform bekommen und nach seinem Tod über seinen Sohn an seinen Enkel vererbt. Voek gründete daraufhin besagte Baumschule, kaufte einen Maschinenpark dazu, wofür er auch Fördergelder vom Freistaat Sachsen bekam.
      Dann passierte das Unfassbare: Voek sollte sein Land entschädigungslos an den Freistaat Sachsen abgeben. Grund der Enteignung war ein Gesetz aus dem Jahr 1992 zur Abwicklung der Bodenreform. Damit sollten die Erben wie Voek entschädigungslos enteignet werden - das Land ging in das Eigentum des jeweiligen Bundeslandes über. Thomas Voek hielt die Enteignung für einen Irrtum und wehrte sich vor Gericht. Ohne Erfolg. Vor dem Oberlandesgericht Dresden musste er in einem Vergleich das Land dem Freistaat entschädigungslos überlassen.

      Keine Reaktion auf Menschenrechtsurteil
      Nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die Enteignung für menschenrechtswidrig erklärte, stellte Thomas Voek Antrag auf Rückgabe seines Eigentums. Doch seine Bemühungen sind bisher fehlgeschlagen. Die Bundesregierung hat jetzt gegen das Urteil durch das zuständige Bundesjustizministerium Berufung eingelegt und damit die Rückgabe weiter verzögert. Völlig aussichtslos, meint die Rechtsexpertin Beate Grün. Denn auch die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofes, die die Bundesregierung jetzt anruft, hat in einem vergleichbaren Fall klar für den Enteigneten entschieden.

      Land Sachsen kommt Pflicht zum Rechtsbeistand nicht nach
      Die zuständigen Ministerien der neuen Bundesländer, wie etwa das Sächsische Finanzministerium, müssten nun von sich aus eigentlich gegen die Bundesregierung vorgehen: Denn nach Artikel 44 des Einigungsvertrages sind die Neuen Länder verpflichtet, die Rechte der ehemaligen DDR-Bürger zu wahren. Doch bei den Bodenreform-Erben wie Voek tut die sächsische Staatsregierung genau das Gegenteil. Weder geht sie gegen die Bundesregierung vor noch betreibt sie die Rückübertragung des enteigneten Landes.Darüber hinaus fordert der Freistaat Sachsen von Thomas Voek sogar die Fördergelder von etwa 30.000 Euro zurück. Der Grund: Er habe seine Baumschule nicht zehn Jahre lang behalten.

      Länder verkaufen Grundstücke
      Und der Freistaat Sachsen geht offenbar noch einen Schritt weiter: So wurde der Fall einer Betroffenen bekannt, deren ehemaliges Grundstück das Land Sachsen selbst nach dem europäischen Urteil verkaufen will. Nach Expertenmeinung sei dies ein bewusster Bruch der Menschenrechtskonvention. Doch für die neuen Bundesländer scheint es sich offenbar zu lohnen, die enteigneten Grundstücke noch schnell zu verkaufen. [plusminus liegt ein internes Papier des Sächsischen Staatsministeriums für Justiz vor, in dem es heißt, dass Sachsen "die Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte so nicht teilt" und die Betroffenen ihr Eigentum ohnedies nicht zurückerhalten, sondern ihnen nach dem Urteil lediglich "ein Ausgleich zukommen" solle. Und der dürfte wohl geringer ausfallen als der eigentliche Wert der Grundstücke. Thomas Voek hat den Traum von seiner eigenen Baumschule inzwischen aufgegeben. Im Westen hat er Arbeit gefunden. Er muss ja Geld verdienen, um die Fördergelder zurückzuzahlen – für die Baumschule, die es nicht mehr gibt.

      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 25.05.04 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www3.mdr.de/plusminus/250504/bodenreform.html
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      schrieb am 27.05.04 20:05:01
      Beitrag Nr. 1.669 ()
      Fiese Nummer – Wie neue Auslandsdialer bestehende Gesetze austricksen
      - Hunger bei polnischen Kindern


      Autor: Ernst Doerr

      Lothar Pingel ist sauer. Normalerweise beträgt seine monatliche Telefonrechnung knapp 60 Euro, doch diesmal soll er 505,76 Euro bezahlen. Pingel ist auf eine neue Form des Betrugs mit so genannten Dialern hereingefallen. Das sind kleine Computerprogramme, die vom Nutzer unbemerkt teure Internetverbindungen aufbauen. Das Besondere an Pingels Fall ist, dass die Verbindungen nicht wie sonst üblich mit so genannten 0190er- Nummern zustande gekommen sind, sondern durch Verbindungen mit der kleinen Pazifik-Insel Nauru (Vorwahl 00674).

      Rechtsschutz gilt nur deutschlandweit
      Anbieter solcher Dialer nutzen damit eine Gesetzeslücke. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation hat zwar seit Dezember die Rechtslage kundenfreundlicher gemacht. So müssen Internet-Einwahlprogramme mit der Nummer 0900-9 beginnen und bei der Behörde registriert werden; Rechnungen nicht registrierter Nummern müssen künftig nicht mehr bezahlt werden. Doch die neue Regelung gilt nur für Dialer, die überteuerte Verbindungen im Inland aufbauen nicht aber für Auslandsverbindungen, wie im vorliegenen Fall. .............

      http://www3.mdr.de/plusminus/250504/dialer.html
      Avatar
      schrieb am 27.05.04 20:09:21
      Beitrag Nr. 1.670 ()
      FBI und CIA arbeiteten mit Nazi-Kriegsverbrechern zusammen
      Neu geöffnete US-Archive übertreffen schlimmste Befürchtungen



      Wie die Wochenend-Ausgabe der «International Herald Tribune» vom 15./16. Mai berichtet, beweisen bisher der Geheimhaltung unterstellte und kürzlich freigegebene Akten in den USA: Die amerikanische Regierung arbeitete eng mit Nazi-Kriegsverbrechern und Kollaborateuren zusammen, erlaubte manchen, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in den USA zu leben, anderen bezahlte sie deren Arbeit für den westdeutschen Geheimdienst.

      ts. Obwohl die geheime Zusammenarbeit der US-Regierung mit Nazi-Kriegsverbrechen in ihren Grundzügen schon länger bekannt war, ist das volle Ausmass der Kooperation bisher nie so umfassend dokumentiert und enthüllt worden, sagte Elizabeth Holtzmann, frühere Parlamentsabgeordnete aus New York und Mitglied einer Arbeitsgruppe, die mit der Sichtung des Materials betraut ist, gegenüber der «New York Times». Bis zum Zeitpunkt der aktuellen Öffnung der Archive war dies eines der grossen Geheimnisse der Nachkriegsgeschichte, so Holtzmann.

      Die 240000 freigegebenen Seiten legen ein klar erkennbares Muster der Zusammenarbeit zwischen den USA und den besagten Kriegsverbrechern offen: Wer bereit war, Auskünfte über Kommunisten zu geben, wurde von den US-Behörden in Schutz genommen.

      Nicht dass die US-Einwanderungsbehörden die Nazis nicht erkannten, im Gegenteil. Doch der damalige FBI-Direktor J. Edgar Hoover persönlich sorgte dafür, dass sie in den USA Aufnahme fanden, betonte Professor Norman Goda von der Ohio University, welcher die Dokumente zusammen mit anderen unter die Lupe nahm und im Buch «U.S. Intelligence and the Nazis» einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht.

      Gemäss den Untersuchungen von Professor Goda wurden mindestens fünf enge Mitarbeiter von Adolf Eichmann von der CIA als Mitarbeiter rekrutiert. Alle hatten sie eine zentrale Rolle beim Holocaust gespielt.

      Unter den über zwei Dutzend Nazi-Kriegsverbrechern, die von der CIA angeworben wurden, erhielten einige in den USA eine Arbeitsbewilligung, zwei sogar das US-Bürgerrecht! Mehrere Dutzend Nazis wurden von den USA bezahlt, damit sie für den westdeutschen Nachrichtendienst arbeiteten.

      Das von Professor Norman Goda herausgegebene Buch «U.S. Intelligence and the Nazis», welches in verschiedenen Aufsätzen von mehreren Autoren das neu freigegebene Archivmaterial aufgearbeitet präsentiert, wird sicher auch der europäische Leser mit Gewinn zur Hand nehmen.

      Dass selbst Mitarbeiter von Adolf Eichmann, also hochrangige Nazi-Kriegsverbrecher, die am Holocaust massgebend beteiligt waren, nicht nur straffrei ausgingen, sondern wider besseres Wissen von den US-Behörden in die eigenen Dienste übernommen wurden, lässt einen sprachlos zurück.

      Was für eine Politik verfolgte die damalige US-Führung? Von welchen Werten liess sie sich leiten? Nur von der Arroganz der Macht? So wie die vorhergehende, die wider besseres Wissen die Schienen nach Auschwitz nicht bombardieren liess? Die gegen die Bosse der Firmen, die mit den Nazis Geschäfte betrieben und damit gegen den «Trading with the enemy Act» verstiessen, lächerliche Strafen verhängte? Gegen IBM, General Motors, Ford und andere?

      Muss der kalte Krieg als Rechtfertigung für jede beliebige Scheusslichkeit herhalten? Wie weit darf eine Demokratie, insbesondere die Regierung eines demokratischen Gemeinwesens, gehen, um sich gegen die Feinde der Freiheit zu wappnen? Wo ist der Punkt gekommen, an welchem das zu verteidigende Gut aufhört, verteidigungswürdig zu sein, weil in der Abwehr dieselben machiavellistischen und menschenverachtenden Mittel angewandt werden, die man dem Gegner vorwirft? Oder anders gefragt: Darf eine Demokratie zur Verteidigung ihrer Werte undemokratische Methoden und Werte anwenden und übernehmen?

      Wer bis anhin die schon längst vermutete und ruchbar gewordene Zusammenarbeit der damaligen US-Administration mit Nazi-Kriegsverbrechern als puren Antiamerikanismus abtun wollte, sieht sich heute eines Besseren belehrt.

      Wenn es sich bestätigen sollte, dass die von US-Journalisten wie Seymour Hersh vermuteten Folterbefehle auf dem Schauplatz Irak von ganz oben kamen, bekämen wohl alle die recht, die in der US-Aussenpolitik eine Kontinuität imperialistischen Denkens und globalen Machtanspruchs sehen, egal, welche Partei gerade den Präsidenten stellt.



      Artikel 5: Zeit-Fragen Nr.20 vom 24.5.2004, letzte Änderung am 25.5.2004
      Zum Artikel-Anfang: auf den roten Balken klicken!
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 27.05.04 20:15:13
      Beitrag Nr. 1.671 ()
      Zyklen, Zyklen, Zyklen 26.5.04
      Geschrieben von Klaus Singer

      Was bewegt die Welt? Selbst wenn man nur oberflächlich hinsieht, sind wellenförmige Bewegungen im gesamten sozialen Leben der Menschheit unverkennbar.

      Aufstieg und Fall von Hochkulturen, Ausdehnung von Macht und ihr Ende, Armut und Überfluss, Panik und Euphorie – diese und andere gegenpoligen Merkmale prägen die Geschichte. Das Spannungsfeld zwischen Angst und Gier drückt nicht nur den Finanzmärkten seinen Stempel auf. Erfindungen mausern sich zu Trägern von epochalen, technologischen Trends und verschwinden schließlich in der Belanglosigkeit. Wirtschaftssysteme fördern bis zu ihrer Blüte gesellschaftlichen Wohlstand und werden in ihrer Spätphase zum Hemmschuh der sozialen und technologischen Entwicklung.

      Genau die gleichen Bewegungsmuster finden wir auch in der Natur um uns herum. Denken wir an den jahreszeitlichen Rhythmus, an Anziehung- und Abstoßungskräfte in der Physik, an die Evolution oder an chemische Prozesse. Wo ein Pol ist, ist ein Gegenpol. Zwischen beiden baut sich ein Spannungsfeld auf, das sich so lange entwickelt, bis es den Rahmen sprengt, in dem es sich bisher bewegt hat. Die frei werdende Energie sucht ein „neues Zuhause“, das Spiel der Kräfte beginnt von vorne.

      Auf den Punkte gebracht: Die Welt entwickelt sich in Wellen und Zyklen, getrieben durch Widersprüche.

      Wellen, das sind in den Finanzmärkten zum Beispiel Bewegungen auf einer Preisachse, während Zyklen die Bewegungen auf der Zeitachse betonen. Wellentheorien sehen in der Preisbewegung die unabhängige Variable, für Zyklustheorien ist das die Zeitachse. Beide Seiten sind untrennbar miteinander verbunden. Bestimmte Kursformationen, etwa Dreiecke, kann es ohne ein bestimmtes, regelmäßig wiederkehrendes zeitliches Verhaltensmuster nicht geben.

      Die Betrachtung von Preismustern ist längst Gemeingut in der Finanzwelt, die Analyse von Zyklen jedoch hinkt hinterher. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Untersuchungen, die die Existenz von prägenden Zeitmustern nachweisen. Die Wellentheorie von Elliott z. B. beinhaltet neben den Gesichtspunkten von Formation und Preisverhältnis auch einen Zeit-Aspekt. Edward R. Dewey und Og Mandino wiesen in den dreißiger Jahren in praktisch allen Bereichen der menschlichen Gesellschaft und der Natur die Existenz von Zyklen nach. Sie entdeckten, dass viele, offenbar voneinander unabhängige Zyklen dieselbe Dauer haben und auch noch synchron ablaufen.

      Zyklen werden bestimmt durch Amplitude und Länge. Die Amplitude ist der Ausschlag etwa auf einer im Börsengeschehen üblichen Preisskala. Die Zykluslänge wird durch den zeitlichen Abstand zweier aufeinander folgender Wellenkämme oder Wellentäler bestimmt. Die Phasenlage ist darüber hinaus beim Vergleich mit anderen Zyklen wichtig und meint die Verschiebung des Extrempunkts einer Welle zum gleichgerichteten Extrem einer anderen. Treten mehrere Zyklen zur gleichen Zeit auf, ergibt sich das Ergebnis der zusammengesetzten Bewegung für jeden Punkt auf der Zeitachse durch Addition der Amplituden der verschiedenen Einzelwellen.

      Neben diesem Prinzip der Summation hat J.M. Hurst in seinem 1970 erstmals erschienenen Werk „The Profit Magic of Stock Transaction Timing“ weitere, für die Zyklusanalyse von Aktienmärkten maßgebliche Regeln gefunden. Harmonität bedeutet, dass benachbarte Wellen üblicherweise durch eine kleine, ganze Zahl im Verhältnis stehen, gewöhnlich ist das der Faktor zwei. Das Prinzip der Synchronität bezeichnet die Eigenschaft von Zyklen unterschiedlicher Länge, zum ähnlichen Zeitpunkt ein Tal auszubilden. Die Proportionalität schließlich legt fest, dass Zyklen von längerer Dauer üblicherweise proportional größere Amplituden aufweisen. Diese vier Prinzipien setzen sich zwar häufig durch, sie sind aber keine starren Regeln. Daher führte Hurst das Prinzip der Abweichung ein. Sein Grundsatz der Nominalität schließlich besagt, dass es offenbar trotz aller Besonderheiten eine Reihe von harmonischen Zyklen gibt, die alle Märkte gemeinsam beeinflussen.

      So weit, so gut. Viele Anhänger von Zyklustheorien gehen meiner Meinung nach allerdings zu mechanisch vor. Sie suchen nach oberflächlicher Regelmäßigkeit, wo keine ist. Es ist meiner Meinung nach ein Irrweg, zu glauben, Zyklen bahnten sich in stets gleicher Zusammensetzung ihren Weg und takteten sich mit sturer Regelmäßigkeit durch die Geschichte. Das Prinzip der Synchronität deutet schon an, dass unterschiedliche Zyklen offenbar dazu tendieren, an bestimmten Punkten zusammenzulaufen. Bei harmonischen Verhältnissen der Zykluslängen ist das noch leicht vorstellbar, ohne einen der beteiligten Zyklen vorrübergehend aus seinem angestammten Rhythmus fallen zu lassen.

      Die Betrachtung harmonischer Zyklen scheint mir jedoch nicht vereinbar mit dem allgemeinen „Bauplan“ von Natur und Gesellschaft. An diesem Punkt kommt die mathematische Chaostheorie, wie sie von Mandelbrot begründet wurde, ins Spiel. Interessanterweise finden sich bei Elliott bereits wichtige Merkmale dieses Konzepts. „Wie im Kleinen, so im Großen“. So lässt sich kurz gefasst benennen, was mit fraktaler Struktur oder dem Prinzip der Selbstähnlichkeit gemeint ist. Auf jeder Ebene in Zeit und Raum entwickelt sich eine Struktur in ähnlicher Weise. Und so beinhaltet ein Atom zum Beispiel denselben Bauplan wie Sonnensystem und Galaxien.

      Für die Zyklusanalyse bedeutet das meiner Meinung nach, dass die Länge und Struktur signifikanter Zyklen im Zeitablauf wechselt. Es kommt immer wieder zu Interferenzen, an bestimmten Punkten auf der Zeitachse werden Zyklen unterschiedlicher Länge zwangssynchronisiert. Sie geraten kurzzeitig aus dem Tritt, bevor sich eine neue Zyklusstruktur herauskristallisiert, die der alten ähnelt und doch anders ist. So verstanden, behält das Prinzip der Synchronität seine Gültigkeit.

      Je länger ein Zyklus ist je größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er aufgrund seiner Energie, seiner Amplitude, „durchtaktet“. Das gilt im Wirtschaftsgeschehen wohl insbesondere für den Kondratieff-Zyklus. Ich halte die von Nikolai Kondratieff begründete Theorie der langen Wirtschaftszyklen für zutreffend, nach der bestimmte Basisinnovationen die Wirtschaftsentwicklung jeweils auf einen Zeithorizont von 50 bis 60 Jahren antreiben.

      Damit sind wir – endlich – beim „Heute“ angekommen. Wir befinden wir uns meiner Meinung nach aktuell in der letzten Phase des aktuellen, von Elektronik und Halbleitern getriebenen Kondratieff-Zyklus. Dieser sogenannte Winter begann mit dem Börsen-Crash des Jahres 2000 und führt im Verlauf einer Reihe von Jahren zu einer allgemeinen wirtschaftlichen Kontraktion.

      Nun sind die Finanzmärkte kein Ökonomen-Kongress und daher ist es ganz normal, wenn sich langfristig trübe Aussichten nicht zwingend und unmittelbar in aktuellen Kursverläufen widerspiegeln. Der lange Zyklus ist dann eben überdeckt mit kurzfristigen Zeitmustern, die anderen Aspekten des komplexen Geschehens an den Finanzmärkten entsprechen. Das ändert jedoch nichts daran, dass sich die von Kondratieff beschriebene Entwicklung entfaltet, die er immer als Zusammenspiel der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Dimension begriff.

      Wir können heute nahezu jeden Aspekt unserer gesellschaftlichen Entwicklungsstufe nehmen und müssen konstatieren, dass wir uns in ernsten Schwierigkeiten befinden. Die Rate der staatlichen Neuverschuldung bewegt sich in den entwickelten kapitalistischen Ländern dauerhaft oberhalb der Wachstumsraten ihrer Bruttosozialprodukte, Massen- und Dauerarbeitslosigkeit schränken die kaufkräftige Nachfrage ein. Die Sättigungstendenzen der Schlüsselmärkte tun ein Übriges, um die Wachstumsaussichten auch zukünftig in einem düsteren Licht erscheinen zu lassen. Die politischen Systeme in der westlichen Welt erweisen sich zunehmend als unfähig, mit den Problemen fertig zu werden. Die Sozialsysteme knirschen und knacken und wie sie vor dem Zusammenbruch bewahrt werden sollen, kann niemand sagen.

      Radikale Strömungen erhalten Zulauf, lieb gewonnene geopolitische Allianzen stehen auf dem Prüfstand und werden das Jahrzehnt wohl kaum überstehen. In Europa macht sich ein bürokratischer Moloch, Europäische Union genannt, breit. Ausufernde Bürokratie war immer schon ein Zeichen des Niedergangs. Den Menschen fehlt die Perspektive, das treibt sie in Isolation und „Ersatzwerte“. Sie identifizieren und engagieren sich in immer geringerem Masse für das Gemeinwesen, das ihnen jeden Tag fremder wird. An der Rohstofffront wird die relative Knappheit des Rohstoffs Nr. 1 immer offensichtlicher. Aber die Technologieentwicklung kann immer noch keine Alternativen vorlegen. Auch sonst scheint die aktuelle Trägertechnologie, Elektronik und Halbleiter, im „Ausrollen“ begriffen zu sein. Ihre Produkte finden immer weitere Verbreitung, werden immer billiger und besser verfügbar. Aber wirklich Neues ist in Sicht. Auch keine neue Basis-Innovation, die das Zeug hätte, einen neuen Kondratieff-Zyklus zu treiben.

      Dies alles stützt die These eines auslaufenden Kondratieff-Zyklus. In einem, im Juli 2004 im FinanzBuch Verlag neu erscheinenden Buch mit dem Titel „Weltsichten – Weitsichten“ vertiefen die Autoren, Robert Rethfeld und der Verfasser dieser Zeilen, diese Thematik und stellen Szenarien vor, wie die Geschichte in den nächsten 30 bis 50 Jahren weiter geht.

      Zum Verfasser:

      Klaus Singer (56) ist unabhängiger Finanzanalyst, Marktforscher und Unternehmensberater. Er befasst sich seit einigen Jahren auch mit der Thematik der Zyklusanalyse und hat hierzu die TimePatternAnalysis, ein Prognosesystem für Finanzmärkte, entwickelt. Das System zerlegt mit Methoden der modernen Signalverarbeitung Preisverläufe in Frequenzbestandteile und synthetisiert künftige Kursbewegungen. Dessen Ergebnisse werden zusammen mit aktuellen Marktkommentaren regelmäßig unter www.timepatternanalysis.de vorgestellt.

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      http://www.zeitenwende.ch/page/index.cfm?SelNavID=478&NewsIn…
      Avatar
      schrieb am 01.06.04 15:42:18
      Beitrag Nr. 1.672 ()
      Avatar
      schrieb am 01.06.04 15:43:19
      Beitrag Nr. 1.673 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de




      Heiß oder kalt: 30.05.2004

      DIESE WOCHE
      Wie schon vor 70 Jahren werden auch jetzt wieder Propagandafilme gedreht - "The Day After Tomorrow" zum Beispiel. Das ist Anlaß für den Spatz zu erläutern, weshalb die Finanzwelt diese Propaganda braucht, denn Verknappung (durch Ökologismus) oder Krieg (z.B. durch Herrn Bush) ist nötig, um die Finanzwirtschaft aufrecht zu erhalten: ein Blick hinter die Oberfläche der Lügenwelt im Kino und im Parlament!



      Übermorgen...



      Ein Gastwirt - so die Geschichte - hatte in seiner Schankstube ein Schild mit der Aufschrift hängen: "Morgen alles umsonst!" Ein Reisender, der in diesem Gasthaus Unterkunft gefunden hatte, sah abends das Schild, befragte den Wirt, ob es damit seine Richtigkeit hätte, und begann im Vertrauen auf die morgige Kostenbefreiung ordentlich zu zechen. Als er anderntags die Rechnung bekam, wollte er sich auf die Zusage von gestern berufen. Doch der Wirt verwies nur auf das Schild: "Morgen! Nicht heute".

      An diese Geschichte erinnert der Film "The Day after Tomorrow", den die Medien zur Zeit anheizen. Der 120 Millionen Dollar teure Propagandafilm soll naiven Zuschauern die inzwischen verblassenden Gefahren einer Klimakatastrophe wieder ins Hirn brennen. Die Arbeit leistete ein seit "Independence Day" bewährter Angstmanipulator aus Schwaben, der damit in den USA ordentlich Geld macht. "Einer der Gründe, warum wir den Film gemacht haben, war, das Umweltbewußtsein zu schärfen" sagte der Produzent Mark Gordon, und Jeffrey Godsick von Fox sieht es nicht anders. So etwas ist der US-Elite Millionen wert.

      Aber, könnte man einwenden, es ist ja gerade die US-Elite, die dem Kyoto-Protokoll gegen die Klimakatastrophe nicht folgen will? Als wäre das ein Einwand. Haben Sie Jane Fondas Film "The China Syndrome" von 1969 vergessen. 12 Tage danach folgte dem Film-Skript entsprechend die FEMA-Übung (Federal EMergency Agency oder Notstandsbehörde) mit dem Kernkraftwerk Three Mile Island. Der Film und die Übung sorgten dafür, daß in den Mitbewerbernationen des Westens der Ausstieg aus der Kernenergie vorankam. In den USA wird dagegen die Betriebsdauer von Kernkraftwerken von 40 auf 60 Jahre erhöht und werden stillgelegte Kernkraftwerke wieder in Betrieb genommen. Propaganda-Events funktionieren am besten, wenn sie scheinbar das eigene Haus schädigen, so auch am 11.09.2001. ("Ungeheuerlich, Sie wollen damit doch nicht sagen..." Ich werde mich hüten, außerdem dürfte keiner so etwas glauben wollen - und genau darauf kommt es an).

      Nach den großen Erfolgen mit dem "Ozonloch" glaubte man, der Weg zum Teilausstieg aus der fossilen Energie sei geebnet, doch der Widerstand war stärker als befürchtet. Die Durchsetzung verzögerte sich und man geriet aus der (sonnen)zyklischen Erwärmungsphase wieder in die Abkühlungsphase, die um das Jahr 2030 ihren Tiefstpunkt erreichen wird. Das machte es nötig, das "wissenschaftlichen Faktoid" (Faktoide, sind mittels undurchsichtiger Computer zu "Fakten" hochgerechnete politisch erwünschte Fiktionen) Klimaerwärmung so umzustellen, daß eine katastrophale Klimaabkühlung vertretbar wird.

      Den trickreichen Hinweis lieferte ein Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Klimainstitut. Er griff auf eine Hypothese, die nicht auf seinem Mist gewachsen war, zurück, peppte sie auf, brachte sie in Umlauf und erhielt dafür als Preisgeld einer amerikanischen Umweltinitiative rund eine Million DM und jede Menge Anerkennung. Sein Faktoid besagt: Die Klimaerwärmung läßt die polaren Gletscher schmelzen. Das süße Schmelzwasser verdünnt das salzige Meerwasser an den Polen; dieses wird leichter und sinkt nicht mehr in die Tiefe. Dadurch wird die Wasserzirkulation der Weltmeere gebremst. Wenn sie zum Erliegen kommt, kann auch der Golfstrom nicht mehr tropische Wärme nach Europa bringen. Es kommt zur Vereisung wie in der Eiszeit.

      Die ursprüngliche Hypothese lautete ein wenig anders, aber genau das Wenige macht den ganzen Unterschied: Wenn Seewasser zu Eis gefriert, bleibt der größte Teil des gelösten Salzes außen vor, macht das Seewasser an den Polen schwerer, so daß es absinkt und die Zirkulation in Gang bringt. Soll die Klimaerwärmung verhindern, daß an den Polen weiterhin Seewasser gefriert? Wenn nicht bleibt der Zirkulationsmotor in Gang, selbst wenn in Sommermonaten etwas mehr Eis abtauen sollte.

      Doch ist der Gewichtsunterschied von Salzwasser für die Wasserzirkulation der Weltmeere nur von untergeordneter Bedeutung, viel wichtiger sind Erdrotation und das Windsystem der Luftzirkulation. Um den Golfstrom zu stoppen, müßten wir die erst abstellen. Daß menschliche Geldmenschen dazu fähig sein könnten, dürfte selbst den Glauben neidischer Gutmenschen überfordern - also verschweigen sie diesen Zusammenhang.

      Aber es gab, worauf der Film anspielt, in der Geschichte immer wieder Phasen (z.B. im 17. und 18. Jahrhundert), in denen der Golfstrom Europa nicht so recht wärmen wollte. Doch hatten die nichts mit einer Klimaerwärmung durch CO2 zu tun. Damals, während des sogenannten "Maunder Minimums", fuhr die Sonne ihre Aktivität zurück, es zeigten sich fast keine Sonnenflecken und kaum noch Sonnenwind erreichte die Erde. Es wurde in Europa katastrophal kalt. Niederländer (Breughel) malten vor Kälte klirrende Winterbilder und der naive, leichtgläubige Mob gab rothaarigen Frauen die Schuld an Unwetter und Mißernte. Vom kirchlichen Establishment beider Konfessionen unterstützt wollte der Mob das Klima dadurch wieder erwärmen, daß er Hexen auf Scheiterhaufen verbrannte. Das war mit Sicherheit genau so wirksam wie das, was das Kyoto-Protokoll vorschlägt [errechnete Klimawirkung im gesamten Zeitraum von 0,07°C bei 250 Mrd. € Kosten - laut Bundeswirtschaftsministerium im Jahr 2002] Die Weltbürokratie unterstützt das und gab zu dem Zweck u.a. Filme wie "The Day after Tomorrow" und das Drehbuch dazu "The Coming Global Superstorm" von Art Bell und Whitley Stieber und Entsprechendes in Auftrag.

      Fast alles, was im Drehbuch, im Film und in der bestellten "wissenschaftlichen Literatur" zum Thema gesagt wird, ist mehr oder weniger Kokolores, etwa, daß die Anzahl Tornados bedrohlich zugenommen hätte. Pat Michels, ein US Meteorologe hat sich die Statistiken angesehen und entdeckt, daß im Mai 2003 tatsächlich die Anzahl der Tornados einen Höchstwert erreicht hat. Im Unterschied zu "anerkannten" Wissenschaftlern verschweigt er nicht, was es damit für eine Bewandtnis hat. Als in den 60er und 70er Jahren der Wetterradar eingeführt wurde, nahm die Zahl der Tornados zuerst drastisch zu, um sich dann auf ein bestimmtes Niveau einzupendeln. Das gleich geschieht heute mit der Einführung des Doppler Radars. Wieder steigt die Anzahl der Wirbelstürme. Aber die Zahl der starken, Schaden anrichtenden Wirbelstürme bleibt gleich, sie ist eher etwas rückläufig. Ins Bild kommen vermehrt kleinere, harmlosere Wirbelstürme, die man früher nicht feststellen konnte.

      Aufschlußreicher ist allerdings, wer die neue Form der Klimabedrohung "sponsort". Hier tut sich besonders eine MoveOn.org hervor. Ihre Web-Seite trommelt nur so für den Film. Es handelt sich um eine überparteiliche Wählerorganisation mit dem einzigen (löblichen) Programmpunkt, die Wiederwahl von US-Präsident Bush zu verhindern. Das Geld, von dem diese Gruppe und ihre Aktivität lebt, stammt aber zu 99,9 % vom Superspekulanten George Soros. Die Gruppe hat Al Gore, den früheren Vizepräsident als Gallionsfigur ihrer Filmpromotion und die öffentliche Unterstützung der Senatoren McCain (Republikaner) und Joe Liebermann (Demokraten) bekommen. Man tut, was man kriegt.

      Bisherige Leser des Spatzes wissen, woher das Interesse der Geldleute am CO2 stammt: Schulden wurden in Wertpapiere umgewandelt und damit "monetarisiert". Papiere sind nur solange etwas "wert", solange es dafür eine zahlungsfähige Nachfrage gibt. Um die ist es in Krisenzeiten wie den heutigen schlecht bestellt. Zusätzliche zahlungsfähige Nachfrage für Wertpapiere läßt sich nur gewinnen, wenn man sie vom Markt für Versorgungsgüter abzweigen kann. Dazu müssen die Preise vor allem von Gütern unelastischer Nachfrage (Energie, Wasser, Werkstoffe, Nahrungsmittel und Gesundheitsvorsorge etc.) entsprechend überhöht werden. Das wiederum kann nur durch eine entsprechende Verknappung gelingen.

      Der Schlüssel zur Verknappung ist (Produktions-)Energie und daher rührt die Verteufelung der Kernenergie und der fossilen Brennstoffe. Andere Mittel der Verknappung sind Kriege. Dafür hat sich Herr Bush entschieden. Vorsichtshalber wird schon ein dritter Weg vorbereitet: "Peak Oil". Es ist die Wiederbelebung der "Grenzen des Wachstums" wie zu Beginn der gegenwärtigen Finanzkrise, die zunächst durch die Ölkrise von 1974 und entsprechende Petrodollar "gelöst" wurde. Peak Oil heißt, wir verbrauchen mehr Öl als neu entdeckt wird, so daß wir in kürzester Zeit kein Öl mehr haben, wenn wir nicht deutlich höhere Preise dafür bezahlen. Erinnern Sie sich an das kürzliche Medienspektakel mit Shell: Die Firma habe zu hohe Öl-Reserven angegeben und wurde für den Betrug durch (vorübergehenden) Aktieneinbruch bestraft. Das war der Startschuß, sicher hören Sie bald mehr über Peak Oil.

      Den Film könnte noch etwas bestätigen, was aber auch nichts mit CO2, Energie und Finanzen zu tun hat. Im Jahr 1985 konnte ein Atsumu Ohmura am Schweizer Institut für Technologie keine Zweifel mehr gegen die Einsicht vorbringen, daß das Sonnenlicht - noch dazu recht schnell - verblaßt. Sie haben richtig gelesen. Pro Jahr erreicht durchschnittlich 0,3 Prozent weniger Sonnenlicht die Erde. Obwohl unser Planet sich zunächst noch weiter erwärmt hat, nahm die Sonnenstrahlung bereits deutlich ab. "Ich war schockiert - schrieb Ohmura - Der Unterschied war so groß, daß ich es einfach nicht glauben wollte." Als Ohmura 1989 seine Entdeckungen veröffentlichte, wollten das die "anerkannte" Wissenschaft auch nicht, Klimaerwärmung war angesagt. Inzwischen haben zahlreiche andere Spezialisten in verschiedenen Teilen der Welt Ohmuras Messungen bestätigt. Es könnte sich wieder um so etwas wie das "Maunder Minimum" handeln, aber es könnte auch sein, daß sich die Meßgeräte (sogenannte Pyranometer) allmählich eintrüben. Was genau der Fall ist, weiß der Spatz nicht.

      Interessant ist das Verhalten der Medien, von denen es locker heißt "Only bad news are good news. Hat Ohmura keine bad news? Die terrorisierende Meldung muß sich finanzpolitisch ausschlachten lassen, bevor sie good news wird - das übersehen (Nach-)Schwätzer geflissentlich. Wie das mit "solar dimming" (so nennt sich Ohmuras Entdeckung) geschehen soll, ist noch unbekannt. Haben Sie eine Idee? Sie könnten sich damit einen Namen und viel Geld machen. Wenn nicht Sie, dann jemand anderes, vielleicht ein Kollege von Herrn Rahmstorf.

      Was bleibt uns nach der Korruption der "anerkannten" Wissenschaft? Vielleicht sollte man es wieder mit informiertem, kritisch abwägendem Selbstdenken versuchen - was meinen Sie? Morgen oder übermorgen, erst müssen Sie sich um Ihr Geld kümmern? - Eben, wie alle anderen auch!
      Avatar
      schrieb am 01.06.04 15:45:51
      Beitrag Nr. 1.674 ()
      Avatar
      schrieb am 02.06.04 00:26:42
      Beitrag Nr. 1.675 ()
      #1672 klingt interessant,

      aber man sollte nicht vergessen,

      dass der Energiehunger der Chinesen und bald auch der Inder doch gewaltige Auswirkungen auf die Rohstoffpreise haben wird.

      Wer verächtlich von "Peak-Oel" spricht, der hätte vor einigen Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden als die Länder der Mittelmeer-Region noch stark bewaldet waren, auch vom verächtlich vom "Peak-Holz" gesprochen.

      Tatsächlich aber sollte man das Abholzen der Wälder der Mittelmeer-Welt als eine der Ursachen für den jahrhundertelangen Niedergang sehen und erkennen, dass der Aufstieg des nördlichen Europas seinen reicheren Wäldern zu verdanken ist.

      mfg
      thefarmer
      Avatar
      schrieb am 03.06.04 17:47:22
      Beitrag Nr. 1.676 ()
      Doc Morris
      Pharmagroßhandel bremst Internetapotheke aus

      | Di 01.06.04|21:55




      Seit Jahresanfang ist der grenzüberschreitende Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland gesetzlich erlaubt. Davon wollte auch die Patientin Barbara Schneider aus Tornesch bei Hamburg profitieren. Ihre Krankenkasse hatte ihr zum Jahresanfang nämlich mitgeteilt, das sie als Mitglied der BKK Mobil Oil auch bei Internetapotheken ihr Rezept einreichen darf. Gesagt, getan: Ein Blick auf die Internetseite des Versandhändlers Doc Morris zeigte ihr: Wenn sie ihr Rezept mit den Medikamenten Sortis (ein Cholesterinhemmer), Xusal (ein Heuschnupfenmittel) und Prednisolon (ein Cortisonpräparat) bei Doc Morris einreicht, spart sie gegenüber der Ladenapotheke 10 Euro. Auf Dauer läppert sich das.

      Internethandel – ja, aber...
      Doch die Überraschung von Barbara Schneider war groß, als ihr Doc Morris nicht die Medikamente, sondern das Rezept zurück schickte. Leider könne die Versandapotheke das Medikament Sortis nicht liefern. „Da habe ich gedacht: Mein Gott nochmal, kann das sein, dass die Pharmaindustrie uns auf diese Art und Weise dahin bringen will, dass wir wieder in den teuren Apotheken einkaufen müssen, denn ich musste jetzt das Doppelte bezahlen für das Rezept. " Barbara Schneider wandte sich an Plusminus mit der Bitte, der Sache nachzugehen.

      Der Pharmagroßhandel blockt
      Auf Nachfrage von Plusminus bestätigt uns Ralf Däinghaus, Gründer und Geschäftsführer von Doc Morris: „Ja, wir konnten das Rezept von Frau Schneider mit dem Medikament Sortis nicht bedienen. Wir werden vom deutschen Pharmagroßhandel boykottiert.“

      Im Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO e.V.) sind 16 Pharma-Großhändler zusammengeschlossen, die mehr als 21.000 Apotheken und mehr als 90 Prozent des Arzneimittelmarktes in Deutschland bedienen. Telefonisch fragen wir alle 16 Mitgliedsfirmen, ob sie die Versandapotheke Doc Morris beliefern. Und wenn nein, warum nicht. Resultat: Kein einziger im PHAGRO organisierter Großhändler beliefert Doc Morris. Die Gründe variieren: Zwei Pharmafirmen sind genossenschaftlich organisiert. Die Genossen sind öffentliche Apotheken. Und für die ist der Versandhandel mit Medikamenten ein rotes Tuch. Andere Pharma-Großhändler sehen einen „Interessenkonflikt“: Wenn man Doc Morris beliefere und das würde öffentlich, könnten andere Kunden (die Ladenapotheken) ihre Arzneien vielleicht bei einem anderen Großhändler bestellen. Und dritte wiederum äußerten sich wenig differenziert: „Uns passt die ganze Richtung nicht. Versandhandel? Warum sollen wir den bedienen?“

      Auch die Hersteller liefern nicht
      Hersteller des Medikamentes Sortis ist die Firma Pfizer, ein Großer in der Branche. Auch Pfizer bestätigt uns, was Ralf Däinghaus von Doc Morris uns schon mitgeteilt hatte: Pfizer würde den Versandhändler Doc Morris nicht beliefern. „Dazu sind wir aus logistischen Gründen gar nicht in der Lage“, meint Unternehmenssprecherin Herlinde Schneider.

      Doc Morris improvisiert
      Stellt sich die Frage: Wie kommt Doc Morris trotzdem an Medikamente? „20-25 Prozent unserer Arzneien beziehen wir direkt von einigen Herstellern, den Rest bekommen wir über befreundete Apotheken, die ihrerseits beim Großhandel einkaufen“, sagt Ralf Däinghaus. Der würde lieber direkt beim Großhandel oder beim Hersteller einkaufen. Denn so gibt es manchmal Lieferengpässe. Ausbaden müssen das die Kunden von Doc Morris: Wie Barbara Schneider, die ihr Rezept dann doch in der Ladenapotheke einlösen und 10 Euro mehr zahlen musste.

      Lieferboykott rechtlich umstritten
      Von Prof. Christian Koenig, Spezialist für europäisches Wettbewerbsrecht, wollen wir wissen, ob es rechtlich korrekt ist, wenn der Pharmagroßhandel eine Versandapotheke wie Doc Morris nicht beliefert. „Es handelt sich hier um einen Lieferboykott“, sagt Koenig. Der verstoße gegen das Kartellverbot. Außerdem liege hier eine Diskriminierung vor und das unerlaubte Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung.

      Wir erzählen Barbara Schneider, was wir herausgefunden haben, warum Doc Morris das Medikament Sortis nicht liefern konnte. Ihr Kommentar: "Ich werde mich nicht erpressen lassen. Ich werde weiterhin bei Doc Morris oder einer anderen Internetapotheke meine Medikamente bestellen, denn ich muss auch sehen wie ich sparen kann, bei den Kostenexplosionen die da auf uns zugekommen sind.“

      Vermutlich wird Doc Morris künftig nicht mehr solche Lieferprobleme haben. Hersteller Pfizer teilte uns mit, man wolle die Vertriebsstrukturen überprüfen.

      Von Nicolas Peerenboom

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 1. Juni 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.


      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040601_2.html
      Avatar
      schrieb am 03.06.04 17:49:33
      Beitrag Nr. 1.677 ()
      Wucherzinsen
      Wie eine Bank Kunden ruiniert

      | Di 01.06.04|21:55



      Fast 30.000 Menschen mussten im vorigen Jahr Privatinsolvenz beantragen, weil sie ihre Schulden nicht mehr bezahlen konnten. Banken spielen dabei immer öfter eine unrühmliche Rolle, weil sie zu großzügig bei der Darlehensvergabe verfahren. Zum zweiten Mal beschäftigt sich Plusminus aus gegebenem Anlass mit dem Kreditgebaren der Citibank.

      Leichte und schnelle Kredite bei der Citibank

      Besonders der Düsseldorfer Citibank wird von Schuldnerberatungsstellen und Verbraucherzentralen vorgeworfen, im Ratenkreditgeschäft „die Einkommen ihrer Kunden schön zu rechnen und damit systematisch in die Überschuldung zu treiben“ (Zitat Verbraucherzentrale Bremen). Jeder zweite Überschuldungsfall, so Schuldnerberater, hat mit der Citibank zu tun. Jetzt bestätigen auch Mitarbeiter der Citibank der Plusminus-Redaktion, wie verschuldete Kunden mit unlauteren Methoden immer weiter in die Verschuldungsspirale getrieben werden.

      Schuldenfalle: Kettenkredite und Restschuldversicherungen

      Wie kaum eine andere Bank in Deutschland, sagen Schuldnerberater und Verbraucherschützer unisono, habe die Citibank das Geschäft mit sogenannten Kettenkreditverträgen professionalisiert. Diese werden mit teuren Restschuldversicherungen kombiniert. Fast immer läuft es so wie im Fall von Sigfried Parchan. Der frühere Obdachlose fiel auf verlockende Werbebotschaften herein, die ihm einen bequemen und günstigen Sofortkredit versprachen.

      Aus den 3.000 Euro, die er borgen wollte, wurden in nur einem halben Jahr erst 11.000 Euro, dann 23.000 und schließlich rund 54.000 Euro Schulden mit einem effektiven Zins von 33 Prozent.

      Insider bestätigen jetzt: „Die Mitarbeiter müssen so viel wie möglich aus den Kunden herauskriegen. Die Kunden wissen ja nicht, wie sie ordentlich mit dem Konto umgehen oder wie sie die Raten zu zahlen haben - und darauf spekuliert die Bank.“

      Weiterhin erklärte ein Mitarbeiter: „Es gibt bei der Citibank ein internes Suchsystem, wo wie potentielle Kunden heraussuchen können. Nach 6 - 12 Monaten taucht der Kunde wieder auf diesen Potentiallisten auf – d.h. in den Listen, wo wir die Kunden aktiv aufrufen, damit ein neuer Kredit kommt. Dieses Spiel läuft dann 3 - 4 Mal. Danach gehen die Kunden in die Rechtsabteilung, weil sie nicht mehr zahlen können.“

      Ein ehemaliger Filialleiter der Citibank zu Plusminus: “Der Grundgedanke bei der Citibank ist, den Kunden möglichst hoch zu verschulden. Beim ersten Kundengespräch wird ausgelotet, für wie viel ist dieser Kunde gut. Und dann setzt die Citibank alles daran, dass dieser Rahmen in relativ kurzer Zeit erreicht wird. Und bei 80 Prozent der Kunden funktioniert das“

      Die Verbraucherzentralen warnen eindringlich vor Kettenkrediten. Vor der Kreditaufnahme sollten Verbraucher genau prüfen, ob die Rückzahlung aus dem verfügbaren Einkommen wirklich möglich ist und die teuren Restschuldversicherungen meiden. Wer schon in der Kreditfalle sitzt, sollte möglichst umgehend eine Schuldnerberatungsstelle oder Verbraucherzentrale aufsuchen.

      Von Franz Jägeler

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 1. Juni 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.


      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040601_5.html
      Avatar
      schrieb am 03.06.04 17:52:43
      Beitrag Nr. 1.678 ()
      Avatar
      schrieb am 03.06.04 17:56:01
      Beitrag Nr. 1.679 ()
      Hände weg von Mikrowellenöfen!

      Mikrowellenherde zerstören die Nährstoffe im Kochgut. Dies fanden Wissenschaftler um Cristina Garcia-Viguera vom CEBAS-CSIC-Forschungsinstitut im spanischen Murcia heraus. Wie der New Scientist in seiner Ausgabe vom 25. Oktober 2003 schrieb, sei das Garen mit Wasserdampf in einem Steamer bei weitem die beste Art, um Gemüse zu kochen - und der Mikrowellenofen die schlechteste.
      Das spanische Forscherteam verglich nämlich die verbleibenden Nährstoffe in Broccoli, nachdem das Gemüse entweder im Steamer, im Dampfkochtopf, in kochendem Wasser oder in der Mikrowelle gegart wurde. Der Wasserdampf des Steamers beeinträchtigte die krebshemmenden Antioxidantien praktisch nicht, während der Mikrowellenherd sie praktisch vollkommen eliminierte. Cristina Garcia-Viguera: "Die innerlich erzeugte Reibungswärme des Mikrowellenofens ist viel zerstörerischer."
      Der Dampfkochtopf und das Wasserbad bauten beide deutlich weniger Antioxidantien ab als die Mikrowelle. Im Gegensatz zum Steamer treten bei diesen Garvarianten jedoch große Mengen der Antioxidantien in das Kochwasser aus, weshalb das Gemüse nachher nur noch 20 bis 45 Prozent der in rohem Broccoli enthaltenen Antioxidantien aufweist.
      Doch damit nicht genug: Die solcherart im Mikrowellenofen denaturierte Nahrung schädigt auch den Menschen, der sie ißt. Wie die ZeitenSchrift schon vor acht Jahren ausführlich berichtete (vgl. ZS 11, Seite 37), führten Dr. Hans U. Hertel von The World Foundation for Natural Science und Prof. Bernhard Blanc von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne bereits 1991 eine Studie durch, die klar zeigte: Die im Mikrowellenofen erhitzte, aufgetaute oder gekochte Nahrung, ob Milch oder Gemüse, verursachte im Blut der Versuchspersonen signifikante Änderungen, "die auf eine krankhafte Störung hinweisen und ein Bild zeigen, das auch für den Beginn eines kanzerogenen [krebsartigen] Prozesses gelten könnte".
      Die Hämoglobinwerte des Blutes nahmen nämlich ab, während das Hämatokrit, die Leukozyten und der Cholesterinwert zunahmen. - Einfach ausgedrückt: Die Nahrungsmittel haben die technische Mikrowellenenergie aufgenommen und im Magen an den Menschen abgegeben.
      Eine 1992 publizierte Studie der Stanford Universität analysierte die im Mikrowellenofen erwärmte Muttermilch und kam zum Schluß, daß diese Muttermilch ihre Fähigkeit verliert, Infektionen zu bekämpfen. Außerdem baut sie sich extrem schnell ab und bildet E.Coli-Bakterien. Die Forscher schrieben: "Unsere Erkenntnisse zeigen außerdem, daß Mikrowellenstrahlung kein geeignetes Kochinstrument ist, da sie einen signifikanten Verlust des Immunsystems zur Folge hat."

      Die Mikrowellenstrahlung von Handys und Mobilfunktürmen kann Krebs erzeugen, das ist hinlänglich bekannt. Was erzeugt wohl die Mikrowellenstrahlung eines Mikrowellenherdes?

      http://www.zeitenschrift.com/
      Avatar
      schrieb am 03.06.04 18:47:02
      Beitrag Nr. 1.680 ()
      Der Kampf gegen die kalte Fusion

      Haiko Lietz 03.06.2004
      Teil 4: Was wäre, wenn sich jeder selber mit Energie versorgen könnte?


      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/zen/17555/1.html


      Die derzeit hohen Benzinpreise lassen uns spüren, wie sehr unsere Lebensweise von der Verbrennung fossiler Brennstoffe abhängt. Der Kinofilm The Day After Tomorrow ( Supersturm mit frostiger Botschaft) führt uns vor Augen, welchen Preis wir oder unsere Kinder im schlimmsten Fall für unseren unnatürlichen Energiedurst zahlen müssen. In Teil 1 ( Kalte Fusion wieder heiß) dieser Telepolis-Reihe wurde berichtet, dass Wissenschaftler 1989 eine Entdeckung bekannt machten, von der sie meinten, dass sie die Lösung unseres Energieproblems sein könnte: kalte Fusion. In Teil 2 ( Die unerzählte Geschichte der kalten Fusion) wurde berichtet, dass zahlreiche Forscher die Entdeckung reproduziert haben und dafür von den Meinungsführern unserer Gesellschaft diskreditiert worden sind. In Teil 3 ( Zur Theorie der kalten Fusion) wurde geschildert, dass Aussagen, kalte Fusion sei theoretisch unmöglich, wissenschaftlich nicht haltbar sind. Dieser Teil ist eine Episode zur Forschungspolitik. Die kalte Fusion ist von Teilen der Politik und der Wissenschaft aktiv bekämpft worden. Die Gründe dafür haben etwas damit zu tun, dass ein Kubikkilometer Meerwasser so viel Brennstoff enthält, wie in den gesamten bekannten Ölreserven schlummert, und dass nach Wunsch der Politik die heiße Fusion die Energiequelle der Zukunft sein soll.






      Als im März 1989 auf der ganzen Welt der Startschuss fiel, die kalte Fusion zu reproduzieren, entschied sich auch das Electric Power Research Institute ( EPRI) diese Forschung zu fördern. Das nichtkommerzielle Konsortium finanziert Forschung zur Energieerzeugung und -verteilung. Bestehende Förderbudgets des Stanford Research Institute und der Texas A&M University wurden unmittelbar zu Gunsten der kalten Fusion umgeschichtet. Texas A&M war für die Aufgabe überaus geeignet. Sie unterhielt 1989 nicht nur ein Zentrum für elektrochemische Systeme und Wasserstoff-Forschung und drei elektrochemische Arbeitsgruppen, sondern auch einen Teilchenbeschleuniger und ein Thermodynamisches Forschungszentrum. Ganze 90 Forscher waren 1989 an A&M in der Elektrochemie tätig, und EPRI beauftragte alle Arbeitsgruppen mit dem Versuch, die kalte Fusion zu reproduzieren.1

      Die Gruppe von Prof. John O`M Bockris berichtete noch im selben Jahr von einer erfolgreichen Reproduktion, die sich durch große Mengen des Fusionsprodukts Tritium geäußert habe. Der Journalist Gary Taubes veröffentlichte daraufhin im Juni 1990 im Fachjournal Science einen Artikel, in dem er einen jungen Forscher aus Bockris` Team beschuldigte, Ergebnisse manipuliert zu haben. Der Doktorand Nigel Packham habe Tritium beigefügt, um seine Dissertation zu etwas ganz Besonderem zu machen. Vor dem Science-Artikel hatte Taubes bereits versucht, Packham zu einem Geständnis zu bewegen, indem er blöffte, ihn am nächsten Tag in der New York Times bloßzustellen. Die Anschuldigung war nie durch irgendein Experiment belegt. Hauptquelle war der A&M-Forscher Prof. Kevin Wolf.2

      Bockris schreibt rückblickend, Wolf habe heimlich Experimentalflüssigkeiten, die bereits ein halbes Jahr eingelagert gewesen seien, auf schweren Wasserstoff analysiert, welchen gefunden, und somit gemeint, Taubes Vermutung stützen zu können. Der zugrunde liegenden Vermutung widersprach zunächst der EPRI-Programm-Manager und später das Ergebnis eines Experiments3 , das Science aber nicht veröffentlichen wollte. Bockris wurde auch erst mit Verzögerung ein Leserbrief zugestanden, in dem er dann aber 26 weitere Labore zitierte, die ebenfalls Tritium gefunden hätten.4 Auch Bockris bekam Probleme. Seine wissenschaftliche Integrität war Gegenstand zweier Untersuchungen seiner Universität, welche zeitweise überlegte, ihn zu entlassen. Am Ende wurde er von sämtlichen Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens freigesprochen, und er hat auch seine Auszeichnung behalten, nicht aber seinen vorher exzellenten Ruf. Bockris, Autor mehrerer Standardwerke zur Elektrochemie, hatte das Pech, die falschen Experimente gemacht zu haben.5





      1992 berichtete Bockris` Team als erstes von der Messung des Fusionsproduktes Helium. 1994 wurde über die Transmutation (Umwandlung) von Kohlenstoff in Eisen berichtetet und 1995 habe man entdeckt, "dass viele neue Elemente in Palladium entstehen, wenn man damit über mehrere Wochen Wasserstoff elektrolysiert."6 Interessanterweise erhielt auch Professor Wolf 1992 Hinweise auf neu entstandene Elemente. Wolfs Team maß in einem einzelnen Elektrolyse-Experiment die Entstehung von Silikon, Eisen, Kupfer, Zink und Gold, konnte dieses aber nie wiederholen. Dr. Tom Passell, der EPRI-Programm-Manager, bei dem Wolf Bockris zuvor für die Manipulation von Tritium-Messungen angeschwärzt hatte, veröffentlichte Wolfs Ergebnisse 1995.7


      Überstürzte Experimente


      So lange hat der Untersuchungsausschuss des US-Energieministeriums (ERAB), ins Leben gerufen vom damaligen Präsidenten George Bush senior, nie gewartet. Im Abschlussbericht vom November 1989 sind dennoch bereits fünf Forschungsgruppen aufgeführt, die Hinweise auf kalte Fusion in Form von Überschusswärme veröffentlicht haben: neben der ursprünglichen Gruppe von der University of Utah8 und den beiden A&M-Gruppen9 noch jeweils eine von der Stanford University10 und der University of Minnesota11 , deren Arbeit letztendlich vom Fachblatt Nature zur Veröffentlichung aber abgelehnt worden ist.

      Dem gegenüber werden 13 Gruppen genannt, die in ihren Veröffentlichungen nicht von Überschusswärme oder Fusionsprodukten berichteten. Vier Experimente haben aufgrund des hervorragenden Rufs der ausführenden Labore besonders zum ablehnenden Fazit des Untersuchungsberichts und generell zur Ablehnung der kalten Fusion beigetragen: das des California Institute of Technology (CalTech)12 , des britischen Harwell Laboratory13 , beide veröffentlicht in Nature, das des Massachusetts Institute of Technology (MIT)14 und des Naval Weapons Center15 der US Navy.

      Kurz nach Veröffentlichung des ERAB-Berichts an die Regierung und nachdem sich Wissenschaft wie Öffentlichkeit eine (ablehnende) Meinung gebildet hatte, nahm der Lauf der Dinge erneut eine Wendung. Auch vom Navy-Labor kam nun eine Bestätigung anomaler Überschusswärme in kalten Fusions-Experimenten. Erst Palladium-Kathoden, die das Labor im September 1989 erhalten hatte, brachten die Bestätigung der Wärmeproduktion und der Entstehung des Fusionsproduktes Helium-4.16 Diese neuen Ergebnisse hatten es nicht mehr in den ERAB-Bericht geschafft. In ihrem Abschlussbericht von 1996 berichtet die Navy von einem anomalen Leistungsgewinn bei 28 von 94 Experimenten. Bestätigt wurde auch der Zusammenhang zwischen der Entstehung von Überschusswärme und Helium-4.17




      Bestätigung der kalten Fusion durch zehn Jahre Forschugn der US Navy






      Die Forschung bei der Navy ging weiter. Im Februar 2002 erschien der technische Bericht 1862.18 Ein gutes Jahr später griff der New Scientist den Bericht auf und schrieb, nach mehr als 200 Experimenten, durchgeführt während zehn Jahren in verschiedenen Labors der Navy, seien manche Forscher bereit, Ereignisse zu bezeugen, die nicht nur zeigten, dass kalte Fusion real sei, sondern auch, dass sie nicht anders erklärt werden könne. "Mir war ein bisschen unwohl dabei, meinen Unterschrift [unter den Bericht] zu setzen", gab Dr. Frank Gordon, Direktor des Navigation and Applied Sciences Department in San Diego, dem New Scientist gegenüber zu. "Doch unsere Daten sind so, wie sie sind, und wir stehen dazu." Ein anderer Navy-Forscher berichtet19 von Einschüchterungsversuchen:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Ziemlich prominente Persönlichkeiten der Physik-Gemeinde sprachen Drohungen aus. (...) Sie sagten, sie seien sich bewusst, dass staatliche Forschungsgelder in die kalte Fusions-Forschung gehen würden und dass sie alles versuchen würden, dieses zu verhindern.






      Bedrohung der Budgets für die heiße Fusion


      Mann muss wissen, dass reguläre Forschungsbudgets auch in den USA knapp bemessen sind. Werden Forschungsgelder einem bestimmten Gebiet zugewiesen, fehlen sie einem anderen. Auch das Stanford Research Institute ( SRI) hatte von EPRI keine zusätzlichen Gelder erhalten. Dr. Michael McKubre, der vor 1989 für EPRI bereits zehn Jahre in der Elektrochemie tätig gewesen war, erhielt ein neues Forschungsziel, womit seine vorherige Forschung abrupt endete. Nach fünfjähriger Forschung konnte auch das SRI mit Gewissheit sagen, dass kalte Fusions-Zellen eine unverstandene Leistungsquelle darstellten.20 "Die Wissenschaft ist sehr träge," teilte McKubre mit, "und die Idee der kalten Fusion war sehr Unruhe stiftend."

      Am 26. April 1989 hatte eine Abordnung aus Forschern und Politikern des US-Bundesstaats Utah, der Heimat der modernen Erforschung der kalten Fusion, den Ausschuss für Wissenschaft, Weltraum und Technologie des US-Repräsentantenhauses um 25 Millionen Dollar zur Erforschung dieser gebeten. Dass es so nicht kam, dazu hat die Aussage vor dem Ausschuss von Prof. Ronald Ballinger und die anschließende negative Presse beigetragen. Ballinger leitete damals das Forschungsprogramm zur heißen Fusion des Plasma Fusion Center am MIT. Das PFC musste fürchten, dass es Forschungsgelder an die kalte Fusion verliert.

      Prof. William Happer, 1989 Mitglied des Energieministerium-Ausschusses (ERAB), hat die damaligen Bemühungen zur Beschaffung von Forschungsgeldern für die kalte Fusion kürzlich als "schädliche Politisierung der Wissenschaft" bezeichnet. Es wäre bei der Anfrage um 25 Millionen Dollar nur um persönlich Bereicherung gegangen. Immerhin wisse man ja heute, dass kalte Fusion "nicht reproduzierbar" gewesen sei.21 Dabei kennt Happer die Ergebnisse beispielsweise der Navy. Der Leiter derer Untersuchungen Dr. Melvin Miles hat sie allen ERAB-Mitgliedern im Sommer 1990 mitgeteilt, ohne eine Antwort zu erhalten.22

      Die "revolutionäre Entdeckung" der kalten Fusion kam in den Worten des Abgeordneten Wayne Owens aus Utah zeitgleich mit dem "Eintritt in das Zeitalter alarmierender Umweltprobleme".23 Die aktuelle Ankündigung des US-Energieministeriums, die mittlerweile vorliegenden Daten zur kalten Fusion überprüfen zu wollen24 , kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Umweltprobleme noch alarmierender und die Knappheit von Energie, Wasser und Nahrungsmitteln noch viel deutlicher geworden sind (vgl. Maulkorb für Nasa-Wissenschaftler).


      Eintritt in die "hydrogen economy"


      Evident sind aktuelle Äußerungen der US-Administration zur "Wasserstoffwirtschaft", in die man nun eintrete. Im Februar 2003 kündigte Präsident George W. Bush eine 1,2 Milliarden Dollar schwere Wasserstoff-Initiative an, um Amerikas wachsende Abhängigkeit von Ölimporten zu kontern. Die USA haben sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, ihre Transportinfrastruktur, die zwei Drittel der nationalen Ölimporte verbrennt, bis 2020 auf schadstofffreie Wasserstoffverbrennung umzustellen.

      Die Regierung zeigt sich dabei gewillt, die Kontrolle über die Energiequelle der Zukunft zu behalten. 2015 steht für den Kongress und die beteiligten Unternehmen die Kommerzialisierungsentscheidung an. Bis dahin soll weiter geforscht werden. Eine "Aufklärungskampagne" soll die Nation für diese Absicht gewinnen. Arnold Schwarzenegger, Gouverneur von Kalifornien und Kuratoriumsmitglied der George Bush Foundation, macht bereits fleißig Werbung für den "Wasserstoff-Highway". Präsidentschaftskandidat John Kerry sagte kürzlich - ohne Details zu nennen -, auch er habe einen Plan, in "neue Technologien und alternative Treibstoffe" zu investieren, um "die derzeitige Energiekrise" zu beenden. Am 15. Jahrestag der Wiederentdeckung der kalten Fusion, dem 23. März 2004, begann das Energieministerium außerdem eine Fortbildungsreihe für Beamte über "Versprechen und Herausforderung der Wasserstoff-Energie".

      Für die langfristige Energieversorgung setzen die USA auf "Kernkraft und Fusionsenergie der nächsten Generation". Nachdem die Clinton-Administration ihre Forschungsbeteiligung am International Thermonuclear Experimental Reactor ( ITER) zurückgezogen hatte, ist die Bush-Administration Anfang 2003 wieder beigetreten. ITER ist ein geplanter Forschungsreaktor, der den Durchbruch bei der Energiegewinnung durch heiße Fusion bringen soll.

      Heiße Fusion gilt als potentielle Lösung des Energieproblems der Erde. Dabei wird Deuterium und Tritium verschmolzen. Um diese Wasserstoffisotope in ein reaktives Plasma zu verwandeln, sind Temperaturen von über 100 Millionen Grad Celsius nötig. Vorbild der Reaktion sind Prozesse in der Sonne, wie sie derzeit verstanden werden. Wenn in einem solchen Reaktor zwei schwere Wasserstoff-Teilchen zu einem neuen schwereren Teilchen fusionieren, wird Bindungsenergie frei. Seit nunmehr 50 Jahren wird an der Nutzbarmachung dieser Energie geforscht. Optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass diese Energiequelle in 50 Jahren zur Grundlastdeckung zur Verfügung stehen könnte.

      Im ersten heißen Fusionsreaktor, dem Joint European Torus ( JET) in England, konnte 1998 für einige Sekunden eine heiße Fusion aufrechterhalten werden. Dabei wurden 16 Megawatt Leistung frei. Allerdings musste das eineinhalbfache an Energie aufgewandt werden, um die Fusionsbedingungen zu erreichen. ITER soll zehn- oder zwanzigmal so viel Energie erzeugen, wie zum Erreichen der Zündbedingungen benötigt wird.25 Eigentlich sollte sich ITER bereits im Bau befinden, doch die USA verzögern ihn aus politischen Gründen.26


      Spekulative Zukunft der heißen Fusion


      Auch außerhalb der USA hat die Erforschung der heißen Fusion einen sehr hohen Stellenwert. ITER ist ein internationales Forschungsprojekt. Neben den USA und der EU sind auch Japan, Russland, China und weitere Länder beteiligt. In Deutschland ist die Fusionspolitik Bestandteil der Internationalen Nuklearpolitik. Das Auswärtige Amt sieht in der Kernfusion eine "Option für die kommerzielle Energieversorgung etwa zur Mitte dieses Jahrhunderts".

      Die Möglichkeit heißer Fusion zur "Absicherung gegenüber Energieknappheit angesichts der Erschöpfung der fossilen Energieträger" erkennt auch das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (BAT). Ein gewisses Umweltrisiko stellten die langfristige radioaktive Kontaminierung der Reaktorwände und nicht ganz leicht beherrschbare Eigenschaften des Brennstoffs Tritium dar. Die Hauptkritik, die der heißen Fusion entgegengebracht wird, liegt jedoch in den immensen Kosten, die bei solchen Großprojekten anfallen.

      Die EU hat bis 2000 fast zehn Milliarden Euro an Fördergeldern aufgebracht; Deutschland in den letzten Jahren fast so viel wie zur Förderung erneuerbarer Energien, im Mittel 130 Millionen. Bis zur Realisierung der Stromerzeugung müssten bis Mitte des Jahrhunderts weitere 60 bis 80 Milliarden Euro aufgebracht werden (vgl. Update: Kernfusion als Energiequelle der Zukunft?). Für das BAT ist die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Fusionsenergie gegenüber konkurrierenden Energieträgern "höchst spekulativ"27 :




      --------------------------------------------------------------------------------

      Alleine die Geschwindigkeit des technologischen Fortschrittes und die Kostenentwicklung bei konkurrierenden, z.B. regenerativen Energiesystemen, die von immenser Bedeutung für deren Konkurrenzfähigkeit ist, entziehen sich der langfristigen Vorhersagbarkeit. Als sicher gilt, dass die Investitionen gegenüber den Betriebskosten die Stromgestehungskosten dominieren werden. Für eine Anlage mit 1.000 MWe werden 5 bis 6 Mrd. Euro angegeben. Fusionskraftwerke werden damit sehr kapitalintensive Großprojekte sein. Sie werden sich daher hauptsächlich für die zentralisierte Stromerzeugung in der Grundlast eignen.






      Kalter Strich durch die heiße Rechnung?


      In diese Situation, tatsächlich in die Hauptphase der politischen Entscheidung zu ITER, platzte 1989 die Ankündigung der kalten Fusion. Milliardenschweren Großprojekten, die sich nur zur zentralisierten Energieerzeugung eignen und erst in ferner Zukunft eine Energiegewinnung versprechen, stellten sich kompakte Laborprojekte entgegen, die Energie angeblich jetzt schon reproduzierbar abgeben und die vor allem dezentral eingesetzt werden könnten.




      JET-Reaktorraum zur heißen Fusion






      Trotz früher positiver Berichte aus fünf Labors war das Ausbleiben einer Bestätigung durch das MIT, Harwell und CalTech der Hauptgrund für die heute etablierte Meinung, kalte Fusion funktioniere nicht. Nach der Publikation ihrer negativen Ergebnisse wurden alle drei Labore von außenstehenden Forschern kritisiert. "Schwerwiegende Fehler" würden die Akzeptanz dieser Studien als glaubhafte Untersuchungen "ultimativ unterminieren", kritisierte ein Navy-Team erstmals 1991. Die CalTech-Ergebnisse könnten nicht beweisen, dass keine anomale überschüssige Leistung frei würde, und seien bei Berücksichtigung von Fehlerquellen sogar in guter Übereinstimmung mit eigenen Ergebnissen und den ursprünglichen der Professorn Martin Fleischmann und Stanley Pons aus Utah.28 In einer späteren Veröffentlichung schrieben Forscher der Navy und der University of Texas, obwohl die CalTech-Experimente oft als Widerlegung der kalten Fusion zitiert würden, zeige deren Bericht im Gegenteil einen Leistungsgewinn von 13 Prozent.29 Den qualitativ gleichen Schluss ziehen zwei weitere Forscher mit der Begründung, CalTech hätte eine ungeeignete Methode benutzt.30



      kaltes Fusions-Experiment zur Lehre an der italienischen Augusto Monti Hochschule





      Auch eine Analyse der Harwell-Daten erbrachte Hinweise auf einen möglichen Leistungsgewinn.31 Das Harwell Laboratory befindet sich seit 1954 unter der Ägide der staatlichen United Kingdom Atomic Energy Authority und ist seitdem, neben anderen Laboren, für Großbritanniens heißes Fusionsprogramm zuständig. Seit 2000 betreibt die UKAEA den Versuchsreaktor JET.

      Das MIT-Team mit direktem Forschungsauftrag vom US-Energieministerium war prominent mit Forschern des Plasma Fusion Center ( PFC zur Erforschung der heißen Fusion besetzt. Neben der Überstürzung der Experimente wurde das MIT-Team unter anderem für seine schlechte Fehlertoleranz kritisiert. Arbeiteten die Forscher aus Utah mit einer Messgenauigkeit von einem Milliwatt, waren die Ergebnisse des MIT mit 40 Milliwatt weitaus weniger aussagekräftig.32 Ein Leistungsgewinn, den es ja zu reproduzieren galt, könne dabei "sehr leicht unentdeckt" bleiben.33 EPRI-Manager Passell, der die kalte Fusions-Forschung seit 1989 begleitet und bis 1994 finanziert hat, sieht die Herangehensweise mancher Labore wie folgt34 :




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      Viele versuchten, die kalte Fusion zu reproduzieren, weil sie sich eben nicht sicher waren, dass es nicht klappen würde. Als sie es aber in Kürze nicht schafften, fingen sie an, die kalte Fusion zu denunzieren. Sie hatten sich nur ein paar Monate Zeit genommen. Es kam mir vor, als arbeiteten sie mit dem Konzept, erstens die Budgets für die heiße Fusion zu schützen und zweitens - falls es tatsächlich klappen sollte -, den Anschluss nicht zu verpassen.






      Heavy Watergate?


      Möglicherweise war man sich am PFC sogar mehr als unsicher, dass es nicht doch funktionieren könnte. Dr. Eugene Mallove teilte kürzlich mit, warum er im Juni 1991 seinen Job als MIT-Pressesprecher gekündigt hatte35 :




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      Bis zum Frühling 1991 hatte ich Betrug in der Berichterstattung der MIT-Experimentaldaten des heißen Fusions-Labors vom Frühling 1989 gefunden - in der Phase-II-Kalorimetrie, welche ein Versuch war, das [Fleischmann/Pons]-Experiment zu reproduzieren. Die Experimentaldaten zeigten, bevor sie in betrügerischer Absicht verändert worden waren, ein positives Ergebnis.





      Leiter der besagten Experimente war Prof. Ronald R. Parker, der sich auch schon vor Beginn der eigenen Experimente überzeugt zeigte, kalte Fusion sei "wissenschaftlicher Schund".36 Noch vor der Analyse der eigenen Daten feierte das MIT mit einer Party das Ende der kalten Fusion, berichtete Mallove von seinem damaligen Campus. Am 10. Juli 1989 stolperte Mallove über ein Diagramm, das für die Verwendung schweren Wassers im Experiment einen Leistungsgewinn angab. Drei Tage später veröffentlichte das PFC seinen endgültigen Bericht. Diesem war dieser Leistungsgewinn nicht mehr zu entnehmen, das Diagramm war verändert. Mallove gab das ursprüngliche Diagramm dem MIT-Forscher Dr. Michell Swartz. Dieser folgerte, dass die Leistungskurve für die Veröffentlichung auf Null gesenkt worden sei, was eine Wärmeproduktion (einen Hinweis auf kalte Fusion) vernebelt habe.37 Andere Forscher zweifelte die PFC-Ergebnisse aus analytischen Gründen an.38




      Daten für das Kontrollexperiment mit leichtem Wasser, bei dem keine kalte Fusion zu erwarten ist: Die tatsächliche (schwarz) und veröffentlichte (blau) Kurve des Leistungsgewinns im kalten Fusions-Experiment des MIT liegen im Mittel bei Null.






      Mallove verließ das MIT unter Protest, nachdem ihm über Monate die Rohdaten vorenthalten worden waren und er merkte, wie er zur "unethischen Manipulation der Presse" benutzt worden sei. Mallove forderte eine Untersuchung der Vorkommnisse, die aber nach monatelanger Auseinandersetzung von MIT-Präsident Prof. Charles M. Vest im Frühling 1992 endgültig abgelehnt wurde.39 Vest ist seit 2003 wissenschaftlicher Berater des Energieministeriums (DoE). Whistleblower Mallove hielt die Vorkommnisse am MIT für "einen der schlimmsten wissenschaftlichen Betrugsfälle der Geschichte". Doch auch im besten Fall handelt es sich um eine "Politik gütiger Nachlässigkeit", wie der Reporter Hal Plotkin im San Francisco Chronicle schrieb.40



      Daten für das Experiment mit schwerem Wasser, bei dem kalte Fusion unter Umständen zu erwarten wäre: Die unveröffentlichte Kurve (schwarz) liegt über Null. Die veröffentlichte Kurve (blau) zeigt keinen Leistungsgewinn als Hinweis auf kalte Fusion mehr.





      Da der Druck zu groß geworden war, veröffentlichte das MIT-PFC 1992 einen technischen Anhang zur ursprünglichen Veröffentlichung. Darin wird praktisch eingestanden, die Kurve verändert zu haben. Mit der Veränderung sei dem Einfluss "bekannter Quellen systematischer und statistischer Fehler" Rechnung getragen worden.41 Dieses ist ein schwerer wissenschaftlicher Protokollfehler, denn aus der Veröffentlichung von 1989 ging dieser Schritt nicht hervor. Effektiv hat das PFC mit der Nachveröffentlichung auch rückwirkend das Ziel des ursprünglichen Experimentes neu definiert. Es sei 1989 tatsächlich darum gegangen, nach Störeinflüssen zu fahnden. "In der Wissenschaft erlauben wir es normalerweise nicht, das Ziel eines Experiments neu zu definieren, um es den Ergebnissen anzupassen", kommentierte Mallove diesen Schachzug.42


      Politisierung der Forschung


      Spätestens seit 1992 werden Patentanträge, in denen kalte Fusion behauptet wird, vom US-Patentamt abgelehnt. Die Begründung unter Berufung auf den ERAB-Ausschuss und speziell die MIT-Ergebnisse lautet, dass es keine kalte Fusion gäbe. Und weil es sie nicht gäbe, könne sie auch in keinem Patent beschrieben werden.43

      Wie im Krieg scheint es der US-Administration auch in der Wissenschaft darum zu gehen, die Informationshoheit zu besitzen. Im März 2004 hat die US-amerikanische Vereinigung Besorgter Wissenschaftler ( UCS) der Bush-Regierung vorgeworfen, "wissenschaftliche Ergebnisse, die ihrer Politik widersprechen, zu verzerren und zu zensieren". Besonders besorgt stimmen die Wissenschaftler aktuelle Pläne der Regierung, Sammlung und Überprüfung wissenschaftlicher Informationen in einem Büro im Weißen Haus zu zentralisieren und der privaten Industrie mehr Einfluss zu geben. Ein Forscher warnt, die neue Regelung mache das Weiße Haus zu einem "Pförtnerhaus" für wissenschaftliche Informationen und würde "Integrität in der Wissenschaft ultimativ zerstören". Ein Abschnitt über kalte Fusion steht nicht im UCS-Bericht.44 .

      Das Verteidigungsministerium hatte bereits 1993 die JASON-Gruppe beauftragt, den damaligen Stand der kalten Fusions-Forschung zu berichten. JASON ist ein vertrauliches Berater-Gremium der US-Regierung in wissenschaftlichen Fragen. Vorsitzender bis 1990 war Prof. Happer, ERAB-Mitglied des DoE zur kalten Fusion. Vor elf Jahren ließen sich zwei JASON-Wissenschaftler einen Tag lang von McKubre und Passell die Experimente am SRI zeigen: Prof. Richard L. Garwin, ebenfalls ERAB-Mitglied und außerdem UCS-Vorstandsmitglied, und Prof. Nathan L. Lewis, Leiter der 89er Experimente des CalTech. In einem Bericht an das Pentagon, der von Steven Krivitt von der New Energy Times freundlicherweise zur Verfügung gestellt worden ist, schreiben die JASONs über die positiven Ergebnisse des SRI, sie hätten keine Fehler entdecken können, die die Überschusswärme erklären könnten. An die große Glocke haben sie das nicht gehängt.




      Bericht von Regierungsberater Garwin zum positiven kalten Fusions-Experiment des SRI an das Pentagon






      Wenn das Energieministerium Wort hält, ist man dort bereits mit der Prüfung der vorliegenden Berichte zur kalten Fusion beschäftigt. Im Hinblick auf die aktuell bekundete Absicht des Energieministeriums, die kalte Fusion erneut zu überprüfen, wollen Plotkins Worte, nicht die Experimente sollten Gegenstand einer Untersuchung sein, sondern das DoE selber, nicht so recht verhallen.45


      Was wäre, wenn kalte Fusion echt ist?

      Warum die Überstürzung, die vermeidbaren Fehler, die politische Einflussnahme und die Manipulation? Warum der Kampf gegen die kalte Fusion, wenn sie doch gar nicht funktioniert? Um diese abschließende Frage zu beantworten muss man sich damit beschäftigen, was eigentlich wäre, wenn kalte Fusion echt sein sollte. Prof. Martin Fleischmann, Wiederentdecker der kalten Fusion in 1989, sagte 1998 in einem Interview46 :




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      Man muss sich fragen, wer diese Entdeckung will? Glauben Sie, dass die sieben Schwestern [die großen Ölkonzerne] sie wollen? Passt sie in irgendein makroökonomisches oder mikroökonomisches Konzept? Ich glaube nicht.





      Berechnungen des US-Office of Naval Research zeigen, dass ein Kubikkilometer normalen Seewassers genug schweres Wasser enthält, um die Verbrennungsenergie der gesamten bekannten Ölreserven aufzurechnen. Für den Forscher Dr. Edmund Storms spricht bislang nichts dagegen, kalte Fusion als Energiequelle zu nutzen, "entweder als Anwendung im großen Maßstab oder im kleinen, wie etwa in Batterien." Manche Forscher sehen die Möglichkeit gegeben, mit dem Verfahren Meerwasser zu entsalzen und es auf langem Weg in trockene Regionen zu transportieren.47 Bei der kalten Fusion fällt nur unter Umständen leicht radioaktives Tritium an. Da aber auch von Transmutationen (Umwandlungen) von Elementen berichtet wird, könnte sich das Verfahren auch zum Entstrahlen von Atommüll eignen.48 . Letztendlich ließen sich sogar teure Elemente aus billigen herstellen, meint Prof. Bockris. Kalte Fusion wäre Alchemie in modernem Gewand.


      Auch Charles Platt ist der Frage "What If Cold Fusion Is Real?" 1998 im Wired-Magazin in einem überaus lesenswerten Artikel nachgegangen49 :




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      Wenn Fusion bei niedriger Energie tatsächlich existiert und perfektioniert werden kann, könnte die Stromerzeugung dezentralisiert werden. Jedes Haus könnte sich selber wärmen und seine eigene Elektrizität erzeugen, wahrscheinlich mit einer Art von Wasser als Treibstoff. Sogar Autos könnten durch kalte Fusion angetrieben werden. Massive Stromgeneratoren und hässliche Überlandleitungen gehörten der Vergangenheit an, genau wie importiertes Öl und unser Beitrag zum Treibhauseffekt.



      Bereits 2002 forderte Dr. Gordon von der Navy, "dass Organisationen mit Forschungsgeldern der Regierung in diese Forschung investieren". Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit dazu?



      Diese Telepolis-Reihe ist Eugene Mallove gewidmet. Gene hat sich für eine bessere Welt eingesetzt. Am 14. Mai 2004 ist er im Haus seiner Eltern umgebracht worden. Sein Vermächtnis ist das 57-seitige Protokoll der Vorkommnisse am MIT, das auf der Seite des Infinite Energy-Magazins frei zugänglich ist. Steven Krivitt betreibt ein Portal mit Informationen zu Genes Ermordung.
      Avatar
      schrieb am 03.06.04 18:50:59
      Beitrag Nr. 1.681 ()
      Insel der Überwachung

      Florian Rötzer 02.06.2004
      Intelligente Gebäude oder Umgebungen als Modelle der Zukunft


      Das klassische Panopticon war ein Gefängnis. Der britische Philosoph Jeremy Bentham hatte 1785 im Zeichen der Aufklärung, mit der auch das Zeitalter der Geheimdienste und der Überwachung begann, sein berühmtes Gefängnismodell entworfen, das er "Panopticon" nannte. Von einem zentralen Turm, so sein Modell, hätten die Wachen in alle Zellen Einblick gehabt, während die Beobachter von den Gefangenen selbst nicht gesehen werden könnten. Während im 18. Jahrhundert die Totalüberwachung noch einen geschlossenen Raum mit Insassen erforderte, die sich nicht frei bewegen konnten, hat sich dies mit der Ankunft der elektronischen und digitalen Technologien verändert. Prinzipiell könnte nun jeder an (fast) jedem Ort und auch in Bewegung aus der Ferne lückenlos überwacht werden. ......


      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/arch/17451/1.html
      Avatar
      schrieb am 03.06.04 19:12:59
      Beitrag Nr. 1.682 ()
      Schwundgeld, oder ein Weg aus der Krise?

      Geldreform, Regionalgeld - der BWL-Bote ist dafür bekannt, sich nicht an die Denkverbote der political correctness zu halten, und so ist es auch in diesem Artikel: von den zahlreichen Versuchen einer Geldreform im zwanzigsten Jahrhundert wollen die etablierten Wissenschaftler und die politische Kaste am liebsten gar nichts hören. Dabei ist das Thema angesichts Teuroflation, Massenarmut und Rationierung aktueller den je.

      Silvio Gesell und das Schwundgeld
      Urahn aller Geldreformer ist Silvio Gesell (1862-1930), der als Kaufmann und Finanztheoretiker die sogenannte Freiwirtschaftslehre begründet hat, was ihm später den Ruf einbrachte, der "Karl Marx der Anarchisten" zu sein. Sein wesentlicher Vorschlag war, das Geld mit einem Abschlag zu versehen, einer Art eingebautem Wertverlust, sozusagen einer Art automatischer Inflation. Das würde den Geldumlauf beschleunigen weil die Spekulation behindert und das Ausgeben von Geld gefördert würde. So wollte Gesell und bestens bekannte Probleme wie die Arbeitslosigkeit lösen. Gesell machte damit den Zinseszinseffekt für zahlreiche wirtschaftliche Übel verantwortlich, weil dieser bekanntlich die Anhäufung wirtschaftlicher Macht ohne Arbeit gestattet.

      Historische Versuche
      Die Gesell`schen Ideen wurden einige Mal in die Praxis umgesetzt, so zum Beispiel ab Sommer 1932 in Wörgl im bayerischen Wald. Dort war durch den Rückgang der örtlichen Zellulose- und Zementindustrie die Arbeitslosigkeit so stark angestiegen, so daß der Bürgermeister Unterguggenberger im August 1933 eigene Papiergeldnoten, den Wörgler Schilling herausbrachte. Diese Scheine mußten durch den Kauf von Marken im Wert von 1% des Nennwertes pro Monat in Umlauf gehalten werden. In Folge dieses Experimentes sank die Arbeitslosenquote in Wörgl und Umgebung, während sie anderswo bedingt durch die Weltwirtschaftskrise weiter stieg. Da das sogenannte Wörgeler Schwundgeld aber in den Augen der Obrigkeit eine Verletzung des Notenbankprivileges war, wurde es im September 1933 durch Gerichtsbeschluß verboten. Schon im Oktober 1929 gründeten Hans Timm und Helmut Rödiger in Erfurt die Wära-Tauschgesellschaft als "Vereinigung zur Bekämpfung von Absatzstockung und Arbeitslosigkeit", die das Tauschgeld "Wäre" emittierte. Schon nach zwei Jahren gehörten ihr über 1.000 Unternehmen an, die einen kleinen unabhängigen Wirtschaftskreislauf bildeten, aber auch dieses Freigeldexperiment wurde durch ein Gericht untersagt.

      "...and the pursuit of happiness"
      Die Geschichtsbücher sind voller Spuren solcher historischer Experimente, jedenfalls die historischen Werke, die sich nicht an kollektive Denkverbote halten, und fast alle berichten von Erfolgen solcher Versuche. Anders als die zeitgeistigen Öko-Experimente unserer Epoche haben die Schwundgeldversuche ihren Erfolg also schon unter Beweis gestellt. Da aber in Deutschland niemand staatsfrei glücklich werden soll, wurden all diese Experimente verboten - mit Folgen wie Massenarbeitslosigkeit, Verarmung und Extremismus, und das trieb die Massen in die NSDAP. Hätte es mit Freigeld kein Nazireich, keinen zweiten Weltkrieg und kein Auschwitz gegeben?

      Vom Nutzen der Inflation
      Das Freigeld hat durch seinen immanenten Wertverlust eine Art eingebaute Inflation, was wir vom Teuro eigentlich zur Genüge kennen sollten. Was aber nützt das? Die Schwundgeldinflation ist - im Gegensatz zur Euroflation - planbar und vorhersagbar. Das schafft einen Anreiz, Geld auszugeben statt zu horten. Es schwächt die Vorsorge und Spekulation in Geld aber erhöht die Geldumlaufgeschwindigkeit - so daß, wie es schon das Say`sche Theorem postuliert, jeder durch Befriedigung seines Eigeninteresses (am Verlust des Geldwertes nicht teilzunehmen) anderen und damit der Gesellschaft nützt (nämlich durch Ausgeben von Geld). Die geplante Inflation befördert also, was Wirtschaft eigentlich sein sollte, nämlich der Austausch nützlicher Güter.

      Nicht zeitgemäß
      Das bringt uns einer Antwort auf die Frage näher, weshalb hierüber nachzudenken nicht politisch korrekt ist, denn derzeit passiert das Gegenteil, und mächtige Interessen stehen dahinter. Interessen, die Freigeld fürchten wie der Teufel das Weihwasser. So wird durch die Schaffung immer neuer Derivate und Finanzwetten der Finanzsektor aufgebläht - der ab 2005 eingeführte Emissionshandel ist nur das neuste Beispiel einer Kasinowirtschaft, die schon 2002 alleine bei der Deutschen Bank das Fünffache des BSP ausmachte (!). Um die Nachfrage nach Finanztiteln zu erhöhen, muß man aber die Nachfrage vom Gütermarkt abziehen, und das tut G.W. Bush in den USA durch Krieg, das europäische Politbüro in Brüssel erreicht dasselbe aber durch Angst, die jetzt, da uns die Klimakatastrophe abhanden zu kommen droht, durch Roland Emmerichs Öko-Propagandafilm "The Day After Tomorrow" wieder angeheizt wird. Es wundert daher nicht, daß große Industrieunternehmen schon angekündigt haben, ins Ausland auszulagern wenn Sie "Treibhausgasemmissionsrechte" kaufen müßten - die Klimascheine wirken damit wie eine Prämie für den Export von Arbeitsplätzen. Das Freigeld wäre da sehr kontraproduktiv: es würde die Realwirtschaft fördern und die Spekulation bremsen. Kein Wunder also, daß die politische Kaste solche Experimente haßt und mit ihrem Recht zu verhindern sucht.

      Weitere positive Nebeneffekte
      Dies hat noch weitere Effekte, die den Menschen nützen, aber die die Obrigkeit das Fürchten lehren: so erleben wir durch den derzeitigen Rentenraub, daß sich Vorsorge in Geld grundsätzlich nicht lohnt. Durch Freigeld würde aber die Vorsorge in einen funktionierenden eigenen Betrieb gefördert - mehr Selbständige, weniger Angestellte, viel weniger Abhängigkeit. Das behindert die staatliche Verknappung und Abzocke. Mehr noch: wie treibt man die Unzahl deutscher Steuern ein, wenn alles in Schwundgeld abgewickelt wird? Nicht auszudenken!

      Der Widerspruch in den Geldfunktionen
      Das Geld diene, so lesen wir in den volkswirtschaftlichen Leerbüchern, als Knappheitsindikator, der Bewertung, Wertaufbewahrung und als Tauschmittel. Zwischen den letzten beiden Funktionen besteht aber ein Widerspruch - worüber sich die besagten Schriftwerke beredt ausschweigen. Dummerweise haben wir aber den Fehler gemacht, die Staatsgewalt nicht mehr vom Volke (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG), sondern vom Geld ausgehen zu lassen. Das ist ein Ansatz, den immer größer werdenden Graben zwischen Ökologismus und Volk aber nicht zwischen Ökologismus und Wirtschaft zu erklären, denn die Wirtschaft profitiert von vorgeblichem Umweltschutz, der durch Verknappung und Rationierung die Nachfrage in den Finanzsektor umlenkt, wo man ohne Arbeit und ohne Energieverbrauch viel höhere Renditen erzielen kann als durch materielle Produktion.

      Der deutsche Michel schläft
      15 Monate danach hat sich die Aufregung über die Teuroflation gelegt, und nach ein wenig Schimpfen stellt man sich sogar klaglos an der Zapfsäule an, was für den leidensfähigen Deutschen typisch ist. Die Franzosen, nur zum Vergleich, haben eine variable Benzinsteuer, die sinkt, wenn der Preis steigt, denn allzuleicht errichtet das Volk Straßensperren und lehrt damit seiner Obrigkeit das Fürchten. Es ist daher fast ein Wunder, daß es jetzt wieder Freigeldexperimente gibt, so z.B. den Kamenzer oder den Berliner. Solche bislang nur sehr regional begrenzten Versuche stellen für die beginnende Ökoplanwirtschaft noch keine Gefahr da, was schon an ihrer Fortexistenz zu sehen ist. Dennoch sollte man das nicht unterschätzen: gäbe es in einer strukturschwachen Region durch Schwundgeld wieder einen Wirtschaftsaufschwung, kämen Leute wieder in Lohn und Brot, dann könnte die Stimmung schnell umkippen, denn der schlafmützige Michel könnte entdecken, wie er die Staatsgewalt wiedererlangen könnte. Das Schwundgeld ist damit eine derzeit nur ganz vorsichtig brennende Lunte an den Festen der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung und schon alleine dadurch interessant. Immerhin wird Silvio Gesell schon von Leuten als Anarchist diffamiert, die nicht wahrhaben wollen, daß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG gerade diese Art von Anarchie vorschreibt.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 03.06.04 19:17:22
      Beitrag Nr. 1.683 ()
      Verkehrspolitik: Irrglaube und Wirklichkeit

      Immer wieder werden verkehrspolitische Vorurteile geäußert, die sich zum Teil sehr hartnäckig halten. Der BWL-Bote demontiert in diesem Beitrag einige der absurdesten Irrtümer, die sich offensichtlich durch die jahrzehntelange Ökopropaganda in den Gehirnen der Menschen festgefressen haben.


      Irrglaube 1: Der Autofahrer müsse nicht für seinen Verkehrsweg aufkommen
      Dieser besonders oft gehörte Satz wird auch durch häufige Wiederholung nicht wahrer, ist aber leicht durch Zahlen zu widerlegen. So betrugen in 2002 die Einnahmen des Bundes und der Länder aus Mineralölsteuer 37.365 Mrd. € und aus Kfz-Steuer 7.592 €. Der Autofahrer hat damit 44,957 Mrd. € für seinen Verkehrsweg bezahlt. Die Ausgaben des Bundes und der Länder im gleichen Zeitraum betrugen aber nach Auskunft des statistischen Bundesamtes in Wiesbaden nur 10,376 Mrd. € oder gerade 23,08% der Steuereinnahmen. Der Autofahrer hat also rein statistisch seinen Verkehrsweg etwas über vier Mal bezahlt. Daß es immer noch Leute gibt die meinen, der Kraftfahrer müsse für seinen eigenen Verkehrsweg nicht aufkommen, ist also offensichtlich ein großer Erfolg der täglich auf uns einprasselnden Ökopropaganda; ebenso kann es als ein solcher Erfolg gewertet werden, daß es keinen nationalen Aufschrei gab als Verkehrsminister Stolpe am 17. Mai damit schwadronierte, er wolle die Autofahrer an den Kosten für den Straßenbau "beteiligen": das haben wir schon vier mal bezahlt. Wann ist das Ende der Fahnenstange endlich erreicht?

      Irrglaube 2: Die Eisenbahn muß für ihren eigenen Verkehrsweg aufkommen
      Diese Legende ist eigentlich nur die Umkehr der vorstehend widerlegten Irrtumes, und ebenso absurd wie dieser. Jeder weiß, daß die Bahn hohe Subventionen vom Bund empfängt - allerdings legt sie großen Wert darauf, daß diese Zahlungen nicht als Subventionen sondern als Bundesmittel bezeichnet werden, denn der Bund ist gemäß Art. 87e Grundgesetz (GG) zu solchen Zahlungen verpflichtet. Gemäß dem Geschäftsbericht der Bahn AG sinken die Leistungen des Bundes für Investitionen in die Schieneninfrastruktur übrigens von 2005 bis 2008 um 0,6 Mrd. € auf nur noch 3,5 Mrd. €, was aber eindeutig beweist, daß die Bahn aus ihrem Geschäft ihren Verkehrsweg eben nicht finanziert, sondern Steuermittel in erheblicher Höhe hierfür erforderlich sind.

      Irrglaube 3: Der Staat subventioniert den Flugverkehr
      Dieses Argument scheint auf den ersten Blick stichhaltig, denn es ist bekannt, daß bei Benzin der Staatsanteil in Form von Steuern über drei Viertel des Zapfsäulenpreises liegt, bei Flugbenzin aber keine Steuer erhoben wird. Ist das aber auch eine Subvention? Die Absurdität dieses Argumentes kann man sich durch ein Gleichnis verdeutlichen: Ein Räuber überfällt ein Haus, und erschlägt drei Bewohner, den vierten Bewohner läßt er unangetastet. Hat der Räuber jetzt den vierten Hausbewohner Subvention geleistet? Mag man vielleicht das Unterlassen der Besteuerung, das zweifellos auf die Möglichkeit, Flugzeuge im Ausland aufzutanken zurückzuführen ist noch als eine Art indirekten Vorteil definieren, so hört man sogar, der Autoverkehr werde subventioniert, was angesichts einer Steigerung der Mineralölsteuer um 2.450% seit ihrer Einführung 1950 einfach lachhaft ist. Und die uns bevorstehende Maut und Totalüberwachung aller Bewegungen im öffentlichen Raum hat auch wenig Ähnlichkeit mit einer Subvention...

      Für einen neuen Populismus
      Von einer Regierung sollte man erwarten, daß sie ihrem Amtseid nachkommt, Schaden vom Deutschen Volke abzuwenden. Hier entsteht durch aber durch die systematische Behinderung des Straßenverkehrs und die Subventiuonierung oft fast leer fahrender Bahnen (insbesondere im Nahverkehr) aber ein hoher volkswirtschaftlicher Schaden. Käme die Regierung ihrem Amtseid nach, müßte sie die Zahlungen an die Bahn einstellen und die Steuern, die der Autofahrer zahlt, ausschließlich für den Straßenbau verwenden (und damit alle zusammenhanglosen Quersubventionierungen wie die Unterstützung der Zwangsrentenkasse durch die Ökosteuer fallenlassen). Kurz der Staat müßte tun, was das Volk will. Wir hätten dann in wenigen Jahren ein effizientes, bürgernahes Verkehrssystem, in dem Staus nur aus Erzählungen oder dem Ausland und Mautbrücken nur aus dem Museum bekannt sind.

      Agitation und Propaganda
      Es ist interessant zu untersuchen, wie so extreme Irrtümer sich so hartnäckig im Volk halten, daß es offensichtlich keinen mehr stört, wenn man den Straßenbenutzer noch ein bißchen mehr überlasten will. So urteilte dieses Frühjahr auch das Bundesverfassungsgericht, daß der Staat durch die "Ökosteuer" energieintensive Gewerbe durchaus kaputtmachen dürfe: dies sei kein Verstoß gegen den grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz. Und letzten Sommer offenbarte eine Studie, daß ca. die Hälfte der Befragten für einen zwangsweisen autofreien Tag in der Woche wären - und 96% meinten, Solarenergie müsse stärker genutzt werden, trotz des derzeitigen Kilowattstundenpreises von 2,22 €/KWh. Die Diktatoren aller Zeiten und Länder hätten ihre Freude an einer so wirksamen Ökopropaganda gehabt. Willkommen im totalen Ökologismus!

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 07.06.04 15:22:58
      Beitrag Nr. 1.684 ()
      ----------


      Ökonomischer Wahnsinn im Gesundheitswesen: ein Beispiel




      Immer wieder haben wir an dieser Stelle den ökonomischen Wahnsinn kritisiert, der durch Zwangsversicherungssysteme erzeugt wird, insbesondere durch die in Form der sogenannten Bürgerversicherung geplante Totalverstaatlichung des Gesundheitswesens. Dabei ist eigentlich besonders in Deutschland aus zwei entsprechenden Experimenten gut bekannt, daß wenn man die Sozialisten in die Wüste schickt, drei Jahre später der Sand knapp wird. Dennoch wird immer wieder der gleiche Fehler gemacht, und diesen besonders extremen Fall wollen wir Ihnen nicht vorenthalten:




      Jellin ist ein Medikament für eine bestimmte Hauterkrankung, und man kann es bei DocMorris bestellen. Sucht man danach, findet man eine Liste mit verschiedenen Packungsgrößen und Preisen, die vorstehend auszugsweise abgebildet ist. Der besseren Transparenz halber, und um den dahintersteckenden Wahnsinn anschaulich zu machen, rechnen wir die für 15 g oder 50 g angegebenen Preise aber auf jeweils 100 g um. Dabei tritt etwas Erstaunliches zutage:


      100 g kosten bei Selbstzahlung 6,80 € (oberste Zeile)
      100 g kosten bei Übernahme durch eine Gesetzliche Kasse 19,64 € (unterste Zeile)
      100 g kosten bei Übernahme durch eine Privatversicherung 91,67 € (mittlere Zeile)

      Der gesetzlich "Versicherte" zahlt damit 245% dessen, was der Selbstzahler entrichten muß, und der Privatversicherte sogar 1.348% des Preises des unversicherten Selbstzahlers!

      Wir haben immer wieder dargestellt, daß das Krankenversicherungssystem nicht auf die Versorgung der Kranken, sondern auf die Beraubung der Gesunden ausgelegt ist. Das gilt für gesetzliche Zwangsversicherung ebenso wie für die auf Angst begründete freiwillige Privatversicherung: in jedem Fall wird wer schon hohe Versicherungsbeiträge, Eintrittsgebühren für Arztpraxen und massive Selbstbehalte zahlen muß, noch mit bis zum 13,48-fachen bei den Medikamenten abgezockt.

      Schickt man die Sozialisten in die Wüste, wird der Sand knapp; sie auf das Gesundheitssystem loszulassen ist die sicherste Art, eine einstmals hervorragende medizinische Versorgung zugrundezurichten. Unser Beispiel demonstriert, daß ganz offensichtlich die sofortige und radikale Abschaffung aller Zwangsversicherungen der einzige Weg ist, den wettbewerbsgebundenen Preis der obersten Zeile auch den (dann ja nur noch freiwillig) Versicherten zugänglich zu machen, die wenn ihre Kasse versucht, sie abzuzocken, jederzeit wechseln oder ganz aussteigen können müssen.
      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 07.06.04 15:31:43
      Beitrag Nr. 1.685 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de





      "Um Himmels Willen, was wird aus meinem Geld?" 06.06.2004

      DIESE WOCHE
      Mit seltener Klarheit zeigt der Spatz in diesem visionären Beitrag die tieferen Wurzeln der Finanzkrise auf. Er demonstriert, weshalb Krieg, Verknappung und der betrug mit "erneuerbaren" Energien die Herrschaft stabilisieren und was Energiedichte mit Entwicklung und Wohlstand zu tun haben. Was haben die Abhängigkeit von der Natur und das Finanzsystem gemein? Lesen Sie selbst!


      Oder doch lieber ein neues Finanzsystem?



      "Wo bleiben wir dann?" fragen sich die herrschenden Eliten. Ihre Sorge ist angesichts ihrer immer offenkundigeren Inkompetenz berechtigt. Symptome ihrer Unzulänglichkeit sind die wachsende Unterversorgung und das Elend von Milliarden von Menschen, das trotz der gestiegenen Produktivität immer dramatischere Ausmaße annimmt, ein Weltfinanzsystem, das Spekulation ermutigt und Produktion der Versorgungsgüter unrentabel macht, eine Wirtschaftskrise zwischen versiegender Produktion und Hyperinflation, und ein um sich greifender Terrorismus, in dem sich das Entsetzen über und die Wut auf die für die Entwicklung verantwortliche Elite äußert. Auf die Dummheit der Masse und das ihnen "induzierte Irresein" ist in Krisenzeiten solchen Ausmaßes kaum Verlaß.

      Die Schaltzentrale unserer Gesellschaftsordnung, das Finanzsystem, läßt sich kaum länger handhaben. Immer mehr Geld muß gedruckt werden, nur um wenigstens die wichtigsten Verbindlichkeiten nicht platzen zu lassen. Es wird gelogen, betrogen, getrickst und gefälscht, um den Zusammenbruch des Finanzsystems wenigstens bis hinter den nächsten Wahltermin des US-Präsidenten hinauszuschieben. Der dabei erzeugte Dreck läßt sich nur noch teilweise unter den Teppich kehren.

      So strahlten CBS News am 2. und 3. Juni Mitschnitte von Telefongesprächen aus der Enron Zentrale aus, in denen sich höhere Angestellte in kaum zu überbietendem Zynismus darüber unterhalten, wie sie in Kalifornien durch ihre preistreibende Energieverknappung "Grandma Killie" ausnehmen und sich über die Schäden, die sie damit anrichten, lustig machen. Das sorgt für Stimmung beim Publikum. Im Pentagon tauchten Unterlagen auf, die eindeutig belegen, daß sich Vizepräsident Cheney persönlich für die Milliardenverträge zwischen der Armee und seinem früheren Konzern Halliburton stark gemacht hatte. Sie bestätigen einen Vorwurf, den dieser vor Monaten in öffentlichen Anhörungen mit Empörung von sich gewiesen hatte. In der New York Post vom 3. Juni läßt sich ein John Crudele über die kommende Veröffentlichung der Arbeitsplatzstatistik aus. Sie enthalte eine "gewaltige Dosis imaginärer Jobs" schreibt er. Man erwarte, daß im Mai wieder 250.000 Jobs gemeldet würden, "von denen das Arbeitsministerium (Labor Department) meint, sie seien von neuen Firmen, unsichtbaren neuen Firmen geschaffen worden". Das Verfahren, unsichtbare Jobs zu zählen, sei mit dem neuen Berechnungsverfahren des Ministeriums eingeführt worden. Es sei so schlimm, daß von den 288.000 im April neu gemeldeten Jobs wohl über 270.000 zu dieser "neuen" Gruppe zähle.

      Der Wille des Establishments das Bersten des Finanzsystems aus politischen Gründen über die Präsidentschaftswahl im November hinauszuschieben, spricht sich natürlich "bei Hofe", in den Kreisen der Topspekulanten und Geldschieber, herum. Sie nutzen ihre bis zum November scheinbar gesicherte Chance, um sich möglichst mit Gewinn vom Papier zu trennen und in möglichst elementar benötigte Sachwerte aller Art umzusteigen, oder sich über Derivat-Verträge an derer Wertsteigerung zu beteiligen. Damit sorgen die Spekulanten nicht nur für zunehmende Geldflüsse und Kostensteigerungen, sondern auch für den Anschein reger Wirtschaftstätigkeit und so etwas wie einen "Aufschwung".

      Letztlich geht auch die jüngste so laut beklagte Ölpreissteigerung auf derart spekulative Ankäufe und Preiswetten zurück. Nach konservativen Schätzungen sollen pro einem Liter Rohöl Derivat-Kaufverträge über mehr als 70 l Öl abgeschlossen worden sein, andere Schätzungen reichen bis zu 540 l. Fest steht, daß zur Zeit weit mehr Öl gefördert als tatsächlich auf dem Weltmarkt verbraucht wird. Beobachter fragen sich, wo wohl das zusätzliche Öl hinfließen mag. Übelwollende Propagandisten verweisen auf China. Doch deren Ölkäufe werden in den Statistiken peinlich genau erfaßt. Nicht erfaßt wird das Öl, das in die Bunker der strategischen Reserve der USA fließt. Diese waren in den letzten Jahrzehnten klammheimlich leer gepumpt worden, um mit dem Erlös die Haushaltslöcher wenigstens ein wenig zu beschönigen.

      Bevor man auf Anraten eines Richard Perles und der Freunde Cheneys Saudi-Arabien mit Hilfe befreundeter Taliban- oder Al Qaida-Kämpfer destabilisiert (diese Gruppen waren bekanntlich schon zu Zeiten des früheren Sicherheitsberaters Brzezinski von US-Diensten aufgebaut und "geführt" worden und werden es seitdem immer noch) und dementsprechend den Öl-Preis für die anderen in die Höhe treibt, müssen diese Bunker erst wieder gefüllt und die Füllung noch schnell mit frisch gedrucktem, wertlosem Papier bezahlt werden. Irgend jemand muß ja für die Kosten des Irakkriegs aufkommen. Sollte Bush II wie sein Vater Bush I für den Irakkrieg I den Klingelbeutel umgehen lassen, dürfte er darin vergebens die 50 - 90 Mrd. US$ suchen, die sein Vater damals angeblich darinnen gefunden hatte. Also wird man sich etwas anderes einfallen lassen. Wozu hat man schließlich "Verbündete"?

      Unterdessen tagen in Bonn die wütenden Alternativen zu Bush. "Wir müssen Nägel mit Köpfen machen!", verkündete Jürgen Trittin. Sonne, Wind und Wasser statt Öl, Kohle und Uran. Das Aktionsprogramm dafür will die Weltkonferenz für erneuerbare Energien, die seit dem 1. Juni in Bonn tagt, auf den Weg bringen. Geladen hatte Umweltminister Trittin wohl auch, um die ins Wanken geratenen Wahlchancen von Rot-Grün durch das zu erwartende Medien-Krakeel etwas aufzubessern. Doch reicht die Bedeutung der Konferenz weit darüber hinaus. Auch sie drängt, was viele nicht glauben wollen, auf eine grundsätzliche gesellschaftspolitische Entscheidung.

      Für die angeblich unbegrenzt vorhandenen, erneuerbaren Energien, deren Wirtschaftlichkeit wie der "Aufschwung" in greifbare Nähe gerückt sei, wird die Werbetrommel gerührt. Allerlei "Anerkannte" mahnen die Unabhängigkeit von terroristischen Nahoststaaten an, winken mit Zukunftsmärkten für alternative Technologie, durch die sie die Entwicklung der Entwicklungsländer in eine gewünschte Richtung lenken wollen, stellen Arbeitsplätze in Aussicht und eröffnen mit Emissionszertifikaten neue, lukrative Spekulationsmöglichkeiten. Das Ganze wird noch ethisch aufgepeppt, weil sich damit das angeblich bedrohte Klima retten lasse. Klima (Wetter) hat im archetypischen Denken der Menschen viel Gewicht.

      Man muß nicht besonders klug sein, um die Fadenscheinigkeit zu durchschauen. Die Möglichkeiten der einzig sinnvollen erneuerbaren Energie, der Wasserkraft, sind weitgehend ausgeschöpft. Erdwärme ist offensichtlich keine erneuerbare Energie, die Möglichkeiten und Folgen ihrer Nutzung sind kaum erschlossen. Windparks erweisen sich zunehmend als das, wofür sie gedacht waren, Verschwendung von Investitionskapital. Sie schmälern, wenn sie manchmal Strom liefern, nur die Effizienz der Heizkraftwerke. Für Solarkraftwerke gilt das Gleiche, dazu sind sie so unproduktiv, daß sie während ihrer gesamten (meist propagandistisch übertriebenen) Lebensdauer kaum die Energie liefern, die zu ihrer Herstellung, Wartung und schließliche Entsorgung aufgewandt werden muß. Kot gibt es so wenig, daß Kotkraftwerke nur wenig Kraft aufbringen werden. Über die fehlende Wirtschaftlichkeit und Vernunft der Alternativen täuschen die Regierenden durch Subventionen zu Lasten der Wirtschaftlichkeit der Volkswirtschaft mit entsprechend verheerenden Folgen für die Arbeitsplätze hinweg.

      Den propagandistischen Aufwand rechtfertigt nur die beabsichtigte gesellschaftspolitische Weichenstellung. Seit ihren Anfängen als Hackbauern waren die Menschen der Unbill und Unsicherheit der "Klima"-Schwankungen ("Klima" ist ein Inbegriff für Wetter) ausgeliefert. Diese hielten sie so in Bedrängnis, daß sie nur stationäre, nicht auf Veränderung angelegte Gesellschaftssysteme ("alle Jahre wieder…") zu Stande brachten. Das erwies sich für die jeweilige Elite aber nicht für ihre der Not ausgesetzten Untertanen als sehr vorteilhaft. Erst mit der Industrialisierung gelang es den Bewohnern einiger Gegenden, sich von der existentiellen Unsicherheit der Klimaschwankungen zu befreien und Güterversorgung und Wohlstand anzuheben. Die Gesellschaft wurde dynamisch. Die alten Eliten richteten mit ihren über Jahrhunderte angehäuften Reichtümern das Finanzsystem aus und verstanden es, dieses ab spätestens seit 1913 zur Schaltstelle der globalen gesellschaftlichen Entwicklung zu machen. Doch mit seiner zunehmenden Brüchigkeit und weil ihre Anzahl im Verhältnis zu der ihrer Untertanen drastisch schrumpfte, sehen sie sich am Rand des Abgrunds.

      Was liegt der angeschlagenen Elite näherer, als sich wieder nach der Stabilität stationärer Gesellschaften zurückzusehen. Wegen der noch knappen, begrenzten Energieversorgung der Industrie entscheidet sich an der Kernenergie das weitere Geschick der Menschheit. Will sie mit ihrer Nutzung endgültig ihre Abhängigkeit von Klimaschwankungen und die damit verbundene Not überwinden? Das hätte auch die grundlegende Veränderung und Weiterentwicklung des derzeit gültigen Finanzsystems, zu dem die Herrschaftsstruktur der modernen Gesellschaft geronnen ist, zur Voraussetzung. Oder wendet sich die Menschheit von der Nutzung der millionenfach dichteren, wirksameren und unerschöpflichen Kernenergie (Kernspaltung, Kernfusion, und ihren weiteren technologischen Entfaltungsmöglichkeiten) ab, um wieder in einer stationären Gesellschaftsform, die fest in die biologische Natur eingebunden ist, zu verharren. Die Entscheidung liegt bei uns allen. Allen? "Alles" ist gleich "nichts", also liegt sie in erster Linie bei Ihnen. Noch Fragen?
      Avatar
      schrieb am 07.06.04 15:33:19
      Beitrag Nr. 1.686 ()
      Avatar
      schrieb am 07.06.04 15:46:46
      Beitrag Nr. 1.687 ()
      Grünen-Politiker: Sprit-Spar-Kurs soll Pflicht werden[/b ]


      Vollgas spart kein Benzin (Foto: Archiv)
      Autofahrer sollen nach dem Vorschlag eines Grünen-Politikers in Pflichtkursen lernen, möglichst wenig Benzin zu verbrauchen. "Ich bin dafür, alle deutschen Autofahrer zu verpflichten, einen Kurs zum spritsparenden Autofahren zu belegen", sagte der umwelt- und verkehrspolitische Sprecher der Grünen in Baden-Württemberg, Boris Palmer, der "Bild"-Zeitung vom Montag. Dadurch könne 15 Prozent Benzin gespart werden, sagte Palmer.


      Info-Show Sieben Spritspar-Tipps
      Grüne Idee Autofreie Wochenenden
      130 auf Autobahnen Politiker fordern Tempolimit


      650 statt 500 Kilometer
      Auch das Umweltbundesamt verwies darauf, wie effizient die richtige Fahrtechnik sei. Abteilungsleiter Axel Friedrich sagte der Zeitung: "Wer richtig Sprit sparend fährt, kommt 30 Prozent weiter. Also mit einer Tankfüllung 650 Kilometer statt nur 500 Kilometer." Deshalb sollte die Auto-Industrie jedem Neuwagen einen Gutschein für einen Kurs beilegen, forderte Friedrich. Spätestens in zehn Jahren seien dann alle Fahrer geschult.


      Öl-Frust Alles halb so schlimm?
      Das große Special Alles übers Auto
      Für ein paar Euro weniger "Tanktourismus" in Belgien


      "Autogipfel" startet
      Bei einem "Autogipfel" will Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) heute mit führenden europäischen Verbandsvertretern die Lage der seit vier Jahren unter einer schwachen Konjunktur leidenden Branche erörtern. In Regierungskreisen hieß es am Wochenende in Berlin. Bei dem Treffen Schröders mit dem Verband der europäischen Automobilindustrie (ACEA) gehe es um die Wettbewerbsfähigkeit der Branche im Interesse von Wachstum und Beschäftigung.


      Umfrage Frauen wollen sparsame Wagen
      Tote im Verkehr Zahl 2003 gesunken


      Thema: Rußfilter und Absatz-Zahlen
      Neben den hohen Benzinpreisen dürften die Vertreter der Branche auch die von ihnen abgelehnten Pläne von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) zur Sprache bringen, ab 2005 den Einbau eines Rußfilters in Dieselfahrzeugen vorzuschreiben. Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) legt heute seine vorläufigen Mai-Zahlen vor, die wahrscheinlich rückläufig sind.

      http://onnachrichten.t-online.de/c/20/40/33/2040338.html
      Avatar
      schrieb am 07.06.04 15:50:17
      Beitrag Nr. 1.688 ()
      "Der Sozialstaat ist nicht mehr finanzierbar!"

      Norbert Rost 06.06.2004
      Über den Irrsinn des Geld-Denkens


      Seit ihrer Kindheit sind die Menschen der westlichen Zivilisation daran gewöhnt, dass Geld der Mittelpunkt des Lebens ist. Für Geld bekommt man alles; alles was man tut, tut man für Geld; ohne Geld bekommt man nichts. Die Verfügbarkeit von Geld ist, was den Unterschied ausmacht zwischen einer Teilnahme am gesellschaftlichen Leben oder eben einer Ausgegrenztheit.



      Diese Mittelpunktstellung von Geld durchzieht alle Schichten: Gebildete wie Ungebildete, Politiker wie Journalisten, Arbeiter wie Arbeitslose. Und es wird durch die Gewöhnung an den Suchstoff Geld ( Junkie Business) eine Schlussfolgerung gezogen, die bei objektiver Betrachtung einfach lächerlich ist: Geht das Geld aus, geht der Wohlstand flöten.

      Was ist Wohlstand? Es ist kein in einer einzigen Zahl messbarer Zustand. Wohlstand allein ans Bruttoinlandsprodukt (und an das daraus folgende ominöse, angeblich endlos mögliche Wirtschaftswachstum ( Wachstum, Wachstum über alles) zu koppeln, ist eindimensional und damit kurzsichtig. Daraus gezogene Schlussfolgerungen können somit ebenfalls nur eindimensional und kurzsichtig sein.

      Wohlstand ist auch nicht die Menge des Geldes, die man auf seinem Konto hat. Dieses Geld ist potentieller Wohlstand, denn erst dann, wenn das Geld in reale Güter oder Dienstleistungen umgesetzt wird, wird aus dem potenziellen Wohlstand real nutzbarer.





      Das Geld-Denken in unserer Gesellschaft führt dazu, dass die Wenigsten wahrnehmen, dass es nicht die Menge des Geldes ist, die uns ernährt und Wohlstand schafft, sondern die Menge der Leistungen, die wir erbringen und über die wir - wenn wir sie erbracht haben - verfügen können. Geld ist nur das Hilfsmittel, mit Hilfe dessen diese Leistungen verteilt und unters Volk gebracht werden. Aber Geld arbeitet nicht, Geld schafft nicht ein winziges Bisschen Wohlstand: Es ist immer die Arbeit der Menschen. Es sind immer deren Leistungen!

      Wer meint, die Erde sei eine Scheibe, muss natürlich Angst davor haben, am Rand hinunterzufallen. Wer also meint, Geld schaffe Wohlstand, der muss bei Geldmangel meinen, der Wohlstand gehe aus. So folgen dann Schlussfolgerungen wie "Der Sozialstaat ist nicht mehr finanzierbar!". Wer allein in Finanzen denkt, der wird zu diesem Schluss kommen - und ist damit womöglich genauso schlecht informiert wie die Leute, die meinen, die Erde sei eine Scheibe.

      Denkt man sich das Geld als Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel jedoch weg, so stellt man fest, dass unsere Gesellschaft heute mit weniger als 40 Millionen arbeitenden Menschen dank enormer Produktivität (und trotz riesiger Ineffizienz, man denke nur an das deutsche Steuersystem und die daraus folgende Bürokratie) in der Lage ist, über 80 Millionen Menschen problemlos zu ernähren und viele davon sogar in unermesslichem Luxus schwelgen zu lassen. Wir leisten uns sogar den Extra-Luxus, etwa 5 Millionen Menschen mit dem Stempel "Arbeitslos!" zu versehen, großzügig auf ihre Leistungen zu verzichten und sie zugleich miternähren zu müssen - letzteres gebietet die Menschlichkeit. Bei solch einem generösen Verzicht auf wohlstandsvermehrende Leistungen braucht man sich nicht wundern, wenn dem Sozialstaat langsam die Leistungsmöglichkeiten ausgehen.

      Man müsste sich allerdings erneut über den Wahnwitz der Entscheidungsträger wundern: Diese meinen tatsächlich, es liege an der Knappheit von Papierzettelchen, dass unser Wohlstand schwindet. Wenn es die Knappheit von Papierzetteln ist, die Probleme bereitet, warum druckt man dann nicht neue? Wenn tatsächlich der Sozialstaat und an ihm hängend die gesamte Gesellschaft der Dekadenz anheim fällt und vielen Menschen das Leben versaut wird, nur weil ein paar Papierzettel knapp werden, warum stellt man dann nicht neue Papierzettel her? Was ist nur so Besonderes an ein paar Papierzetteln, dass ihre Abwesenheit eine ganze Welt(wirtschaft) an den Rand zum Chaos führt? Und die andere Frage ist: Wo sind sie eigentlich hin, die Papierzettel, die vor einigen Jahren angeblich noch ausreichend vorhanden waren?




      --------------------------------------------------------------------------------

      99 Prozent der Menschen sehen das Geldproblem nicht. Die Wissenschaft sieht es nicht, die Ökonomie sieht es nicht. Solange wir aber die Geldwirtschaft nicht als Problem erkennen, ist keine wirkliche ökologische Wende möglich.
      Der Volkswirtschaftler Prof. H.C. Binswanger




      Was würde wohl ein Außerirdischer denken, wenn er sich die Menschheit anschaut, wie sie sich von fehlendem Papier an der Nase herumführen lässt? Er würde sehen, wie immer neue Ideen ausgebrütet werden, um die Arbeitszeit derjenigen zu erhöhen, die noch Arbeit haben. Er würde sehen, dass ein Staatschef auf dem Kontinent Europa allen Ernstes den Vorschlag macht, den Kalender dahingehend anzupassen, dass Weihnachten wenn möglich auf ein Wochenende fällt. Dann könnten die faulen Erdenbürger schließlich nicht mehr Brückentage nehmen und blau machen, sondern würden weiterhin Arbeiten bis zum Umfallen). Ein kluger Außerirdischer würde sich wohl kopfschüttelnd oder hemmungslos lachend einen anderen Planeten fürs Sight-Seeing suchen...

      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/17193/1.html
      Avatar
      schrieb am 07.06.04 16:11:20
      Beitrag Nr. 1.689 ()
      Auf Tauchfahrt

      Oliver Eberhardt 05.06.2004
      Israel möchte gerne in Deutschland zwei U-Boote kaufen, obwohl die Bundesregierung die Rüstungslieferungen nach Israel eingefroren zu haben scheint


      Die Bild-Zeitung berichtete in der vergangenen Woche, die israelische Regierung habe in einer Voranfrage an die Bundesregierung ihr Kaufinteresse für die beiden U-Boote des Typs U212 bekundet. Ein Sprecher des israelischen Verteidigungsministeriums bestätigte den Vorgang. Vorausgegangen seien monatelange Vorgespräche mit der Kieler HDW-Werft, in denen die technischen Details abgeklärt worden seien. Ob Israels Militär die beiden je rund 230 Millionen Euro teuren Kolosse sein Eigen wird nennen können, ist aber ungewiss: Seit Anfang 2002 erteilt der Bundessicherheitsrat nur noch selten Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Israel.





      Die U-Boote mit dem Namen U-212 gelten als die besten, die derzeit auf dem Markt sind: Schnell und wendig, und dabei dank eines geräuschlosen Brennstoffzellenantriebs doch flüsterleise, sind sie bei Militärs überall auf der Welt begehrt.

      Doch nicht jeder Kaufwunsch wird auch erfüllt, denn die deutschen Exportvorschriften verbieten die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Krisenregionen. Und dazu zählt eigentlich auch Israel, dessen Regierung gerne zwei der von der Kieler HDW-Werft gebauten Kolosse anschaffen würde. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Tel Aviv bestätigte am Donnerstag das israelische Interesse an der Rüstungstechnologie made in Germany:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Die Vorgespräche über technische Details der Bestellung sind abgeschlossen; wir warten nun auf eine Antwort aus Berlin.





      Doch ansonsten wurde am Donnerstag gemauert: Das Büro des Premierministers verweigerte eine Stellungnahme, das Militär verwies an das Verteidigungsministerium. Und bei der deutschen Botschaft wollte sich niemand zu dem Geschäft äußern. Für solche Fragen sei Berlin zuständig.





      Dort muss nun entschieden werden, ob ein Export der U-Boote trotzt des andauernden Nahost-Konflikts genehmigt werden kann. Und dass ist eine Entscheidung, die Berlin nicht leicht fallen dürfte: Seit der Dschenin-Operation der israelischen Armee im Frühjahr 2002 erteilt der Bundessicherheitsrat nur noch sehr selten Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Israel. Zuvor war Israel der viertgrößte Empfänger von deutschen Rüstungsexporten gewesen: Zwischen 1999 und 2001 hatte Jerusalem Bestellungen im Gesamtwert von über 1,2 Milliarden Mark aufgegeben. Betroffen vom Exportstopp seien neben Feuerwaffen für die Sicherheitsorgane auch bis zu 120 sicherheitsrelevante Teile, die in der israelischen Panzer-Eigenmarke Merkava 4 verbaut werden, sagen Quellen im Verteidigungsministerium - und bitten sich dabei absolute Anonymität aus. Hatte der Quasi-Exportstopp vor zwei Jahren noch für energische Proteste der israelischen Regierung gesorgt , möchte man dort das Thema mittlerweile lieber gar nicht mehr diskutieren.

      Denn Jerusalem hofft darauf, dass die Bundesregierung trotz allem dem U-Boot-Verkauf zustimmen wird. Das Bekanntwerden der Voranfrage werde nun die Bundesregierung unter erheblichen Druck setzen, sagt der deutsche Kriegswissenschaftler Dr. Martin Rauch von der Hebräischen Universität Jerusalem: "Vor dem Hintergrund der aktuellen israelischen Militäroperationen wird dieses Geschäft einen negativen Beigeschmack bekommen." Und Kritik aus Israel an der deutschen Exportpolitik würde diesen Druck noch verstärken: "Israels Regierung spielt in diesem Geschäft die Rolle des demütigen Bittstellers, weil sie keine andere Wahl hat, wenn sie ihre verteidigungsstrategischen Ziele erreichen will."

      Seit einigen Jahren rüstet Jerusalem systematisch die israelische Marine auf, um so den militärischen Spielraum zu vergrößern. Auf diese Weise, so die Theorie, sollen potentielle Gegner abgeschreckt werden. Sollte es dennoch zum Krieg kommen, soll dieser nach Möglichkeit soweit weg von der Heimat wie möglich ausgefochten werden. Während Waffen und die Teile für den Merkava-4 relativ problemlos anderswo beschafft werden konnten, ist die Spitzentechnologie des U212 so gut wie konkurrenzlos: Die U-Boote mit einer Reichweite von 4.000 nautischen Meilen würden es dem israelischen Militär erlauben, im Westen im gesamten Mittelmeer-Raum und im Osten im Roten Meer, dem Persischen Golf und dem Arabischen Meer bis an die indische Westküste zu operieren - und das dank des hochmodernen Flüsterantrieb des U212 nahezu unbemerkt. Rauch:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Das israelische Hauptargument in den Gesprächen mit der Bundesregierung wird sein, dass die U-Boote für die Verteidigung des Landes lebensnotwendig sind und die Lieferung deshalb auch im deutschen Interesse liegen sollte.





      Doch auch diese Sichtweise sei für die Bundesregierung nicht ganz unproblematisch, sagt der israelische Rüstungsexperte Nahum La`or:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Es wird die Frage auftauchen, ob durch die Lieferung nicht das militärische Gleichgewicht im Nahen Osten unverhältnismäßig verschoben wird.





      Israels Militär hatte bereits 1999 aus Deutschland eine Lieferung von drei U-212 erhalten; durch die zusätzlichen beiden U-Boote erhalte Israel eine Vormachtstellung zur See:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Es ist sehr wahrscheinlich, dass einige der arabischen Staaten nun bei der Bundesregierung intervenieren oder wenigstens versuchen werden, ähnliche Deals abzuschließen.





      Schon 1999 hatte es in Berlin starke politische Bedenken gegen die Lieferung gegeben: Kritiker fürchteten, die U-Boote würden in Israel mit Trägerplattformen für Nuklearwaffen ausgestattet - eine Vermutung, die sich nach Ansicht der Rüstungsexperten später bestätigte. In der deutschen Öffentlichkeit hingegen hatte damals vor allem der Fakt für Stirnrunzeln gesorgt, dass die Bundesregierung Israel die Bestellung nahezu geschenkt hat: Jerusalem zahlte nur ein halbes U-Boot; die Kosten für die verbleibenden zweieinhalb trug der deutsche Steuerzahler.

      Auch jetzt ist unklar, wovon die Bestellung bezahlt werden soll: Ein U-212 kostet rund 230 Millionen Euro - Geld, dass im stark unterdeckten israelischen Staatshaushalt nicht vorhanden ist. Dass die Bundesregierung gewillt ist, nochmals einen Teil der Kosten zu übernehmen, halten La`or und Rauch für unwahrscheinlich. Möglich wäre jedoch unter anderem eine Finanzierung aus amerikanischen Rüstungsbeihilfen, die nur für Einkäufe bei US-Unternehmen ausgegeben werden dürfen - und dazu zählt, dank ihrer Eigentümer-Struktur, derzeit auch die Kieler HDW-Werft: Sie gehört dem US-Investor One Equity. Nach Auskunft der amerikanischen Botschaft in Tel Aviv wären die Vorschriften des US-Senats damit erfüllt. Allerdings müsste der Deal schnell unter Dach und Fach gebracht werden: Der ThyssenKrupp-Konzern will demnächst HDW übernehmen und in einen Werften-Verbund integrieren.


      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/17566/1.html
      Avatar
      schrieb am 07.06.04 16:14:40
      Beitrag Nr. 1.690 ()
      Hitzewelle im Eozän

      Andrea Naica-Loebell 04.06.2004
      Ein "Global Warming" gab es im Verlauf der Erdgeschichte schon öfter

      Vor ungefähr 55 Millionen Jahren wurde es warm, sehr warm. Wie es zu dieser globalen Erwärmung kam, ist umstritten. Norwegische Forscher legen jetzt Beweise vor, dass Methan aus dem Meer empor blubberte. .....[/b

      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/lis/17567/1.html
      Avatar
      schrieb am 07.06.04 22:52:26
      Beitrag Nr. 1.691 ()
      Bush laut Gutachten nicht an Folterverbot gebunden

      Washington (dpa/WEB.DE) - Pentagon-Juristen sind nach einem Zeitungsbericht im vergangenen Jahr zum Schluss gekommen, dass Präsident George W. Bush nicht an Gesetze zum Verbot von Folter gebunden sei.

      Personen, die auf seine Anordnung hin folterten, könnten folglich auch nicht bestraft werden. Ein entsprechendes Gutachten sei Anfang 2003 für Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erstellt worden.

      Das berichtete das "Wall Street Journal" am Montag. In dem von einer juristischen Arbeitsgruppe zusammengestellten Papier sei aufgelistet, welche Methoden nach internationalen Gesetzen zulässig seien und wie Beschränkungen mit dem Hinweis auf nationale Sicherheitsanforderungen umgangen werden könnten. Im Kern werde argumentiert, dass nichts wichtiger sei "als Geheimdienstinformationen zu erhalten, die für den Schutz unzähliger Bürger lebenswichtig sind". Ob Bush das Papier jemals gesehen habe, sei unklar.

      Das Gutachten wurde dem Blatt zufolge erstellt, nachdem sich Kommandeure im US-Gefangenenlager Guantánamo Bay darüber beklagt hätten, dass sie mit "herkömmlichen" Verhörmethoden nicht genügend Informationen von den Häftlingen erhielten. Vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass Dutzende von Ermittlungen gegen US-Soldaten im Irak und in Afghanistan wegen Vorwürfen der Gefangenenmisshandlung im Gange sind.

      http://portale.web.de/Schlagzeilen/USA/
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      schrieb am 07.06.04 23:00:32
      Beitrag Nr. 1.692 ()
      Kommentar
      Rainer Balcerowiak

      Heuchelei

      SPD ermöglichte Vodafones Steuertricks


      Die Reaktionen von Politikern auf den Steuercoup des Mobilfunkkonzerns Vodafone sind an Heuchelei kaum zu überbieten. Während in den letzten Jahren kaum ein Tag vergangen ist, an dem nicht Steuererleichterungen für Unternehmen gefordert wurden, um die »Wettbewerbsfähigkeit« des Standorts Deutschland zu erhöhen, wird nunmehr ein Konzern an den Pranger gestellt, der nichts weiter getan hat, als bereits bestehende »steuerliche Gestaltungsmöglickeiten« zur dauerhaften Abgabenvermeidung zu nutzen, um sich die größte Übernahme der deutschen Industriegeschichte nachträglich aus Steuergeldern finanzieren zu lassen.

      Verlustvorträge und Teilwertabschreibungen sind dabei keineswegs pauschal als »Abzockerei« zu verurteilen. Besonders für kleinere und mittlere Unternehmen mit schwacher Eigenkapitaldecke sind es unverzichtbare Instrumente, um das Risiko von Investitionen beherrschbar zu machen. Es ist das »Verdienst« der SPD/Grünen-Regierung, daß diese Regelungen dahingehend »weiterentwickelt« wurden, daß sich auch hochprofitable multinationale Großkonzerne mittels Buchgeschäften dauerhaft »arm« rechnen können und keinerlei Steuern mehr zahlen müssen. Gegenstimmen aus den Reihen derjenigen SPD-Abgeordneten, die jetzt über »den Schlag ins Gesicht« jedes Steuerzahlers schwadronieren, gab es seinerzeit nicht. Dies sei besonders denjenigen Sozialdemokraten ins Stammbuch geschrieben, die zwar mit Schröders »Agenda 2010« nicht einverstanden sind, aber trotzdem nicht müde werden zu behaupten, daß mit einer CDU-Regierung »alles noch viel schlimmer« wäre. Im Gegenteil: Entsprechende Vorstöße der FDP und des wirtschaftsliberalen Flügels der CDU zur Erleichterung der Steuervermeidung sind in der Ära Kohl nicht nur auf die entschiedene Ablehnung der oppositionellen SPD, sondern auch beim »Arbeitsnehmerflügels« der Christdemokraten gestoßen.

      Was bleibt, ist die anscheinend für viele Menschen überraschende Erkenntnis, daß es dank einer SPD-geführten Regierung in Deutschland legal ist, mittels virtueller Aktiengeschäfte 50 Milliarden Euro aus der Staatskasse abzuziehen. Angesichts dieser gewaltigen Summe kann man der Argumentation der wegen Millionenabfindungen angeklagten Mannesmann-Manager und Aufsichtsräte, es handele sich um angemessene Prämienzahlungen für erfolgreiche Wertschöpfungen, nicht mehr widersprechen. Vielleicht hilft der ganze Vorgang aber auch für die Verbreitung der Erkenntnis, daß es bei Protesten gegen Sozialabbau nicht um eine »etwas sozialere« Politik, sondern um das kapitalistische System als Ganzes gehen muß.
      http://www.jungewelt.de/2004/06-08/003.php
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      schrieb am 07.06.04 23:18:32
      Beitrag Nr. 1.693 ()
      Thema
      Michel Chossudovsky

      Nuklearkriegsoption

      Der US-Senat hat »grünes Licht« für den Einsatz taktischer Nuklearwaffen in
      konventionellen Kriegen gegen »Schurkenstaaten« und terroristische Organisationen gegeben


      * Im folgenden dokumentieren wir in gekürzter Form einen Vortrag, den Michel Chossudovsky, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Ottawa, auf dem letzten europäischen IPPNW-Kongreß gehalten hat. Der Kongreß, bei dem es um »Atomwaffen und Atomenergie in einer instabilen Welt« ging, fand vom 7. bis 9. Mai in Berlin statt (siehe jW vom 8. Mai 2004).

      Die Kriege gegen Afghanistan und den Irak sind Teil einer umfassenderen Militärplanung, mit der nach dem Ende des Kalten Krieges begonnen wurde. Die aktuelle Kriegsagenda stellt eine Fortsetzung des Golfkrieges von 1991 und der NATO-Kriege gegen Jugoslawien von 1991-2001 dar.

      Der Krieg gegen den Irak ist spätestens seit Mitte der neunziger Jahre in Planung gewesen. Dabei heißt es in einem Dokument der Clinton-Administration zur Nationalen Sicherheit unzweideutig, das Ziel des Krieges bestehe in der »Sicherung des ununterbrochenen und unangefochtenen US-Zugangs zum Öl«.

      Im September 2000, einige Monate bevor George W. Bush zum Amtsinhaber im Weißen Haus wurde, veröffentlichte das Project for a New American Century (PNAC)1 unter dem Titel »Der Wiederaufbau der Verteidigung Amerikas«2 seine Blaupause für die globale Herrschaft der USA.

      Das PNAC ist eine neokonservative Denkfabrik mit Verbindungen zum Establishment des Verteidigungsministeriums und der Nachrichtendienste, der Republikanischen Partei und dem mächtigen Council on Foreign Relations (CFR)3, der hinter den Kulissen eine erhebliche Rolle bei der Formulierung der US-Außenpolitik spielt. Laut eigener Auskunft verfolgt das PNAC folgende Ziele:

      – Verteidigung des amerikanischen Heimatlandes,

      – Führung mehrerer großer Kriege gleichzeitig bei klarem Sieg,

      – Durchführung »polizeilicher« Aufgaben bei der Gestaltung der Sicherheitssituation in als kritisch betrachteten Regionen,

      – Umgestaltung der US-Streitkräfte unter Nutzung der »Revolution in militärischen Angelegenheiten«.

      Die Blaupause des PNAC war vor den Präsidentschaftswahlen des Jahres 2000 vom stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Vizepräsident Richard Cheney in Auftrag gegeben worden. Das PNAC umreißt in diesem Papier den strategischen Plan einer Eroberungspolitik.

      Das Dokument sieht »die direkte Errichtung von ›Vorwärtsbasen‹ der USA in ganz Mittelasien und dem Nahen Osten vor, die der Sicherung der wirtschaftlichen Vorherrschaft der USA in der Welt und der Strangulierung aller potentiellen ›Rivalen‹ oder sonstiger lebensfähiger Alternativen zu Amerikas Vision einer ›freien Marktwirtschaft‹ dienen sollen.« (Siehe Chris Floyd, »Bush’s Crusade for Empire«, Global Outlook, No. 6, 2003.)

      Im Unterschied zu gewöhnlichen konventionellen Kriegen erfordern die sogenannten »polizeilichen Funktionen« eine Form der globalen militärischen Überwachung und Kontrolle, bei der verschiedene Instrumente der militärischen Intervention wie Strafbombardements, die Entsendung von Sondereinsatzkräften der US-Armee usw. zum Einsatz kommen.

      Neue Waffensysteme

      Die vom PNAC angesprochene »Revolution in militärischen Angelegenheiten« (das heißt, die Entwicklung neuer Waffensysteme) besteht in der Strategischen Verteidigungsinitiative, der damit einhergehenden Militarisierung des Weltraums und der Entwicklung einer neuen Generation von Nuklearwaffen.

      Zur Strategischen Verteidigungsinitiative, bekannt geworden unter dem Namen Star Wars, gehört nicht nur der umstrittene »Raketenschild«, sondern auch eine große Bandbreite offensiver lasergelenkter Waffen, die überall auf der Welt zuschlagen könnten, und außerdem Instrumente der Wetter- und Klimakriegführung, die im Rahmen des High Altitude Auroral Research Program (HAARP)4 entwickelt wurden. Jüngste wissenschaftliche Forschungsergebnisse deuten darauf hin, daß HAARP voll einsatzfähig ist und genutzt werden könnte, um Flutkatastrophen, Wirbelstürme und Erdbeben auszulösen. Seinem Potential nach ist es ein Werkzeug der Eroberung, das selektiv die landwirtschaftlichen und ökologischen Systeme ganzer Regionen destabilisieren kann.

      Ebenfalls diskutiert wird das sogenannte FALCON-Programm des Pentagon. FALCON ist das ultimative Waffensystem der Neuen Weltordnung, das zur Sicherung der globalen wirtschaftlichen und politischen Vorherrschaft der USA eingesetzt werden soll. Dieses System kann vom US-amerikanischen Kontinent aus Ziele überall auf der Welt angreifen. Es wird als Waffe mit »globaler Reichweite« beschrieben, deren Einsatzzweck die »prompte und durchschlagende Reaktion auf destabilisierende oder bedrohliche Aktivitäten seitens feindlicher Länder und terroristischer Organisationen« ist. Diese von der Firma Northop Grumman zu entwickelnden Hyperschall-Marschflugkörper würden den USA erlauben, effektive, blitzschnelle Angriffsmissionen auf globaler Basis durchzuführen, ohne sich auf militärische Basen in Übersee stützen zu müssen. FALCON würde es den USA ermöglichen, beliebige Ziele anzugreifen, um konventionelle Streitkräfte in einem gewöhnlichen Krieg zu unterstützen oder um Strafbombardements gegen Länder durchzuführen, die sich weigern, den wirtschaftlichen und politischen Diktaten der USA zu gehorchen.

      »Vorbeugender« Kernwaffeneinsatz

      Die Bush-Administration hat eine »vorbeugende«, auf einen atomaren Erstschlag gerichtete Nuklearpolitik beschlossen, der inzwischen auch der Kongreß zugestimmt hat. Nuklearwaffen werden nicht mehr wie noch zur Zeit des Kalten Krieges als letztmögliche Alternative angesehen.

      In einem geheimen Pentagondokument namens »Nuclear Posture Review«5, das Anfang 2002 dem Senat vorgelegt wurde, legte die Bush-Administration sogenannte »Eventualpläne« für einen offensiven »Ersteinsatz« von Nuklearwaffen vor, nicht nur gegen die »Achse des Bösen« (Irak, Iran, Libyen und Nordkorea), sondern auch gegen Rußland und China.

      Die in der Nuclear Posture Review enthaltene vorbeugende Nukleardoktrin wird von der Republikanischen Partei und den konservativen Denkfabriken in Washington unterstützt: Das Pentagon muß sich auf alle möglichen Eventualitäten vorbereiten, besonders jetzt, wo Dutzende von Ländern und einige terroristische Gruppen sich mit der Entwicklung geheimer Waffenprogramme beschäftigen. (William Arkin, »Secret Plan Lines Out the Unthinkable«, Los Angeles Times, 9. März 2002.)

      Während das Pentagon – im Einvernehmen mit Rußland – die Zahl der nuklearen Sprengköpfe zurückgeschraubt hat, ist sein eigentliches Ziel nicht nur die »Modernisierung« seines nuklearen Arsenals, sondern auch die Etablierung der Vorherrschaft der USA »im gesamten Spektrum« des (militarisierten) Weltraums. Mittels fortgeschrittener Überwachungs- und Waffensystemen im Weltraum wären die USA in der Lage, direkt von ihren Erdsatelliten aus überall und unmittelbar auf der ganzen Welt Gewalt einzusetzen und dies völlig straflos zu tun.

      Die USA, Großbritannien und Israel haben ihre Nuklearwaffenpolitik untereinander koordiniert. Dabei sind die israelischen Nuklearsprengköpfe auf die Großstädte des Nahen Ostens gerichtet. In den Monaten, die schließlich im Krieg gegen den Irak mündeten, haben die Regierungen aller drei Länder ganz offen ihre Bereitschaft zum Einsatz von Nuklearwaffen erklärt, falls sie mit sogenannten »Massenvernichtungswaffen« angegriffen würden.

      Nur wenige Wochen nach dem Einmarsch der US-Marines in Bagdad im April 2003 gab der Senatsausschuß für die US-Streitkräfte dem Pentagon grünes Licht für die Entwicklung einer neuen taktischen Atombombe zum Einsatz in konventionellen Kriegen – »mit einer Sprengkraft, die [bis zu] sechs Mal größer ist als die der Hiroshimabombe«.

      Privatisierter Nuklearkrieg

      Auf diese Entscheidung des Senatsausschusses für die Streitkräfte folgte einige Monate später eine wichtige Neudefinition der US-Politik im Bereich des Nuklearwaffeneinsatzes.

      Am 6. August 2003, dem 58. Jahrestag des Abwurfs der ersten Atombombe über Hiroshima fand im Hauptquartier des US-Zentralkommandos auf der Offutt-Luftwaffenbasis in Nebraska ein geheimes Treffen von hohen Managern der Nuklearindustrie und des militärisch-industriellen Komplexes statt. Bei diesem Treffen »versammelten sich mehr als 150 Vertragspartner der Militärindustrie, Wissenschaftler aus den Waffenlabors und andere Regierungsvertreter im Hauptquartier des Strategischen Kommandos der USA in Omaha, Nebraska, zur Erörterung von Plänen für einen ›umfassenden Nuklearkrieg‹, der die Produktion einer neuen Generation von Nuklearwaffen erfordern würde. Gemeint damit sind leichter ›einsetzbare‹ ›Mini-Atomwaffen‹ und ›Bunkerbrecher‹, die die Erdoberfläche durchschlagen und mit Atomsprengköpfen ausgerüstet sind.« (Alice Slater, »Bush Nuclear Policy a Recipe for National Insecurity«, August 2003. http://globalresearch.ca/articles/SLA308A.html.)

      Die neue Nuklearkriegspolitik beteiligt die großen Verteidigungskonzerne ganz explizit an den Entscheidungen. Das läuft auf eine »Privatisierung« des Nuklearkrieges hinaus. So kassieren die Konzerne nicht nur Profite in vielfacher Milliardenhöhe aus der Produktion von Atombomben, sondern sie haben auch eine direkte Stimme bei der Formulierung der Agenda für den Einsatz und die Aufstellung von Nuklearwaffen.

      Kontrolliert wird die Nuklearwaffenindustrie, die sowohl die Produktion von Atomwaffen als auch von Raketenabschußsystemen usw. umfaßt, von einer Handvoll von Rüstungsfirmen, an deren Spitze Lockheed Martin, General Dynamics, Northrop, Raytheon und Boeing stehen.

      Hier muß auch darauf hingewiesen werden, daß die National Nuclear Security Administration (NNSA)6 knapp eine Woche vor dem Treffen vom 6. August ihren Beratungsausschuß auflöste, der für eine »unabhängige Aufsicht« über das US-Nuklearwaffenarsenal, einschließlich der Testung und des Einsatzes von neuen Nuklearwaffen, zuständig war. (The Guardian, 31. Juli 2003)

      In der Zwischenzeit hat das Pentagon eine große Propaganda- und Public-Relations-Kampagne gestartet, die auf die Rechtfertigung des Einsatzes von Nuklearwaffen für die »Verteidigung des amerikanischen Heimatlandes« abzielt. [...]

      Seit Ende 2003 werden die »Mini-Atomwaffen« mit formeller Zustimmung des US-Kongresses als »unschädlich für Zivilisten« betrachtet. Sobald diese Auffassung einmal in die militärische Planung integriert ist, wird aus ihr ein Konsens, der nicht mehr Gegenstand kritischer Debatte ist. Den Einsatz solcher Nuklearwaffen betreffende Entscheidungen werden auf den zuvor getroffenen »wissenschaftlichen« Einschätzungen basieren, die überhaupt erst zu dem Konsens geführt haben, nach dem diese Waffen »für Zivilisten nicht gefährlich sind«.

      Diese Propagandakampagne behauptet einfach, Mini-Atomwaffen seien harmlos. Auf dieser Behauptung aufbauend hat der US-Kongreß sein »grünes Licht« für sie gegeben, und damit wird diese neue Generation von Nuklearwaffen für den Einsatz in der nächsten Phase des Krieges eingeplant, wo sie, zusammen mit den konventionellen Waffen, »in konventionellen Kriegssituationen« (wie im Nahen Osten und Mittelasien) zur Anwendung kommen soll.

      Im Dezember 2003 bewilligte der US-Kongreß allein für das Jahr 2004 6,3 Milliarden Dollar für die Entwicklung dieser neuen Generation »defensiver« Nuklearwaffen.

      Der gesamte jährliche Verteidigungsetat beträgt mittlerweile mehr als 400 Milliarden Dollar und damit mehr als das gesamte Bruttosozialprodukt der Russischen Föderation.

      »Krieg gegen den Terror«

      Zur Rechtfertigung vorbeugender militärischer Aktionen muß die Nationale Sicherheitsdoktrin eine terroristische Bedrohung, das heißt, »einen Feind im Äußeren« fabrizieren. Außerdem muß sie derartige terroristische Gefahren mit »staatlicher Unterstützung« durch »Schurkenstaaten« in Verbindung bringen.

      Die Doktrinen vom vorbeugenden »Verteidigungskrieg« und des »Antiterrorkrieges« gegen Al Quaida, wie sie in der Nationalen Sicherheitsstrategie NSS von 2002 niedergelegt sind, sind wesentliche Bausteine der Propagandakampagne des Pentagon. Seit dem 11. September 2001 ist die nukleare Option eng verbunden mit dem »Krieg gegen den Terror«.

      Das Ziel besteht darin, »vorbeugendes militärisches Vorgehen« – was bedeuten soll, Krieg – als Akt der »Selbstverteidigung« gegen zwei Kategorien von Feinden zu präsentieren: »Schurkenstaaten« und »islamische Terroristen«, wobei von beiden behauptet wird, sie seien im Besitz von Massenvernichtungswaffen [...].

      Zu diesem »präventiven Handeln« nach der NSS gehört auch der Einsatz taktischer Nuklearwaffen, die nun neben konventionellen Waffen als ganz normale Kriegswaffen behandelt werden.[...]

      Der von der CIA und dem Pentagon ersonnene Propagandatrick basiert auf der Unterstellung, Al Qaida sei im Besitz der Fähigkeit zur Entwicklung einer Atombombe. Laut einem Bericht der Nachrichtenabteilung der CIA unter dem Titel »Terrorist CBRN: Materials and Effects«, der zwei Monate vor dem mit dem Hiroshima-Jahrestag zusammenfallenden Treffen im August 2003 in Nebraska veröffentlicht wurde, »strebt Al Qaida den Einsatz [chemischer, biologischer, radiologischer oder nuklearer Waffen] an, um möglichst viele Opfer zu verursachen ...

      [Islamische Extremisten] »sind im Besitz einer großen Bandbreite von potenziellen Substanzen und Trägersystemen für Angriffe chemischer, biologischer, radiologischer oder nuklearer (CBRN) Art«, hieß es in dem vier Seiten langen Bericht (Washington Times vom 3. Juni 2003). [...]

      Seit dem 11. September 2001 bildet der »Krieg gegen den Terror« einen Deckmantel für die umfassenderen Ziele, die mit dem militärischen und wirtschaftlichen Expansionismus der USA angestrebt werden. Das zentrale Ziel liegt in der Destabilisierung Rußlands und Chinas.

      Krieg und Wirtschaft

      Die Formulierung der amerikanischen Kriegsagenda trifft mit einer weltweiten Wirtschaftsrezession zusammen, die zur Verarmung von Millionen von Menschen führt.

      Diese Wirtschaftskrise ist das direkte Ergebnis eines makroökonomischen Politikrahmens unter Oberaufsicht von IWF, Weltbank und WTO. Ganz allgemein haben Handelsliberalisierung, Privatisierung und Massenentlassungen unter dem Kommando der neoliberalen Politikagenda mit zum Niedergang der zivilen Wirtschaft beigetragen.

      Die Krise trifft die zivilen Sektoren der Wirtschaft hart und stimuliert die Unterstützung für den militärisch-industriellen Komplex.

      Die Hinwendung zur Kriegswirtschaft hat zu massiven Sparmaßnahmen geführt, die sich auf sämtliche Bereiche der zivilen Ausgaben auswirken, einschließlich öffentlicher Investitionen in die Infrastruktur und in soziale Programme. Während die zivile Wirtschaft zusammenbricht, werden riesige finanzielle Ressourcen in Amerikas Kriegsmaschine gepumpt. Sowohl in Nordamerika als auch in der Europäischen Union werden Ressourcen, die früher zur Finanzierung des Gesundheits- und Bildungswesens verwendet wurden, nunmehr für den Verteidigungshaushalt verwendet.

      Dabei wird die Kriegswirtschaft mit der ansteigenden Flut der Arbeitslosigkeit nicht fertig werden. Der neue, am militärisch-industriellen Komplex ausgerichtete Weg der US-Wirtschaft wird Hunderte von Millionen Dollar Extraprofit schaffen, während er nur sehr marginal zur Steigerung der Beschäftigung der spezialisierten Arbeitskräfte im wissenschaftlichen, technischen und selbständigen Sektor beitragen wird, die in den letzten Jahren in der zivilen Wirtschaft ihre Arbeit verloren haben.

      Diese Umorientierung der US-Wirtschaft geht auf geopolitische und strategische Ziele zurück. Der militärisch-industrielle Komplex entwickelt diese fortgeschrittensten Waffensysteme der Welt, weil es dabei um die Position der globalen militärischen und wirtschaftlichen Vorherrschaft geht, nicht nur gegenüber Rußland und China, sondern auch gegenüber der Europäischen Union, die von Washington als potentieller Konkurrent angesehen wird.

      Gleichzeitig führt Amerikas sogenannter »Krieg gegen den Terror« zur Militarisierung riesiger Regionen der Welt.

      Seit dem Krieg gegen Jugoslawien im Jahr 1999 hat sich eine angloamerikanische Militärachse entwickelt, die auf einer engen Koordination zwischen den USA und Großbritannien in den Bereichen Verteidigung, Außenpolitik und Geheimdiensten basiert. Die Verteidigungsindustrien der USA, Großbritanniens, Kanadas und Israels sind in wachsendem Maß miteinander verflochten.

      Gemäß einem im Jahr 1999 unterzeichneten Abkommen namens »Trans-Atlantic Bridge«7 wurde die British Aerospace Systems Corporation (BAES) immer mehr in das Beschaffungssystem des US-Verteidigungsministeriums integriert.

      Ferner spielt auch Israel, obwohl es nicht offiziell Teil der angloamerikanischen Achse ist, eine zentrale strategische Rolle im Nahen Osten im Dienste Washingtons. [...]

      Globale Vorherrschaft

      Krieg und Globalisierung gehen Hand in Hand. Die Kräfte des Finanzestablishments der Wall Street, die angloamerikanischen Ölgiganten und die Rüstungskonzerne in den USA und Großbritannien arbeiten unaufhörlich an diesem Prozeß, der auf die Erweiterung der Grenzen des globalen Marktsystems abzielt.

      Das Ziel des amerikanischen Neuen Krieges besteht in der Verwandlung souveräner Nationen in offene Territorien (Freihandelsgebiete) sowohl durch militärische Mittel als auch durch die Durchsetzung tödlicher Reformen zugunsten eines »freien Marktes«.

      Der Zweck dieses Krieges ist letztlich die Rekolonisierung nicht nur Chinas und der Länder des ehemaligen Sowjetblocks, sondern auch der gesamten nahöstlichen Region und des indischen Subkontinents.

      Gleichzeitig strebt Washington nach der globalen Vorherrschaft im militärischen Bereich, einer Vorherrschaft, die die militärischen Fähigkeiten seiner europäischen »Verbündeten« in den Schatten stellt.

      Die Entwicklung des amerikanischen Nuklearwaffenarsenals einschließlich des vorbeugenden Einsatzes von Nuklearwaffen in konventionellen Kriegen ist nur ein integraler Bestandteil dieses Prozesses.

      1 Projekt für ein Neues Amerikanisches Jahrhundert.

      2 »Rebuilding America’s Defenses«.

      3 Rat für auswärtige Angelegenheiten.

      4 Ein Programm zur Wetter- und Klimamanipulation mittels Hochenergiestrahlen, die auf jeden Punkt der Ionosphäre (die äußerst dünne Atmosphärenschicht oberhalb der Stratosphäre) gerichtet werden können und damit großflächig das Klima beeinflussen. (A. d. Ü.)

      5 »Überblick über unsere Haltung zum Nuklearwaffeneinsatz«.

      6 Nationale Behörde für Nuklearsicherheit.

      7 Transatlantische Brücke.

      * Übersetzung: Michael Schiffmann
      http://www.jungewelt.de/2004/06-08/005.php
      Avatar
      schrieb am 07.06.04 23:23:51
      Beitrag Nr. 1.694 ()
      Inland
      Klaus Schramm

      Gen-Food keinesfalls unbedenklich

      Neue Forschungsergebnisse weisen auf Gesundheitsgefahren hin
      ::mad:
      :confused:

      Die Gefahren durch genmanipulierte Pflanzen, die sich – einmal angebaut – durch Auskreuzungen unkontrolliert ausbreiten können, werden weithin erkannt und immer breiter diskutiert. Zugleich aber wird nicht zuletzt auch von der SPD-Grünen-Bundesregierung nach wie vor behauptet, es seien bislang keinerlei gesundheitliche Gefahren durch Gen-Food bekannt.

      Doch Hinweise auf Gesundheitsrisiken sind erst kürzlich wieder publik geworden. So wurden auf den Philippinen bei Dorfbewohnern Antikörper gegen Pollen in unmittelbarer Nähe angebauter genmanipulierter Pflanzen entdeckt. Und die französische Tageszeitung Le Monde berichtete über geheime Dokumente, die pathogene Auswirkungen der Genmaissorte Mon 863 des Konzerns Monsanto konstatieren. Mon 863 hat eben erst eine positive Bescheinigung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit erhalten. Dem Dokument zufolge, auf das sich Le Monde beruft, sind bei Versuchstieren Mißbildungen der Niere und eine abnormale Veränderung des Blutbildes festgestellt worden. Und in einer aktuellen Studie der Universität Urbino (Italien), die dieser Tage veröffentlicht wurde, wird von einer veränderten Leberstruktur bei Mäusen nach Verabreichung genmanipulierten Sojas berichtet.:mad::mad:

      Die Übertragung der Ergebnisse von Tierversuchen auf den Menschen ist indes problematisch. Es fällt jedoch auf, daß solche Erkenntnisse kaum mediale Verbreitung finden. Der frühere britische Umweltminister Michael Meacher, der wegen seiner gentechnik-kritischen Haltung von Premierminister Tony Blair vor einem Jahr entlassen worden war, trat jetzt einmal mehr an die Öffentlichkeit. Es sei dringend nötig, so Meacher, eine großangelegte vergleichende Studie über die Sicherheit von Gen-Food in Auftrag zu geben. Wissenschaftler, deren Forschungsergebnisse der Industrie »unpassend« erschienen, nicht länger erheblichen Nachteilen ausgesetzt sein.

      http://www.jungewelt.de/2004/06-08/015.php
      Avatar
      schrieb am 08.06.04 16:48:37
      Beitrag Nr. 1.695 ()
      @ 1693

      das glaube ich nicht so recht.

      :confused:
      Avatar
      schrieb am 08.06.04 23:15:52
      Beitrag Nr. 1.696 ()
      Direkte Demokratie gegen Machtmissbrauch


      von Gisbert Otto, Stettfurt
      Freiheit und Gerechtigkeit sind soziale Werte, die die Menschen im Laufe ihrer Geschichte errungen haben, wobei Freiheit als Gegenmacht zur herrschenden Macht zu verstehen ist. Die allein herrschende Macht war durch Willkür und Ungerechtigkeit gekennzeichnet. Dieser willkürlichen Machtausübung wurde durch die Einführung demokratischer Regierungsformen ein Ende gesetzt, und durch die Gewaltenteilung wurde eine demokratische Kontrolle der Macht möglich. Während in den meisten Ländern in Europa repräsentative Demokratien eingeführt wurden, zeichnet sich die Demokratie der Schweiz vor allem dadurch aus, dass diese sehr direkt gestaltet ist.

      Heute sind die demokratischen Errungenschaften in Gefahr, da die Wirtschaft - insbesondere die Multis und Banken - immer mehr Macht ausüben. Die heutige Wirtschaftsform des Neoliberalismus wird als unumgänglich dargestellt: Der freie Markt soll als effizientes Steuerungsmittel dienen. Obwohl längst bewiesen ist, dass durch diesen sogenannt freien Markt die Schere zwischen arm und reich immer grösser wird, werden keine Konsequenzen gezogen. (Im Gegenteil: Obwohl immer wieder Personal entlassen wird, deklarieren Manager ungeniert ihre Gehälter in Millionenhöhe.) Dabei könnte man auf erfolgreiche Wirtschaftsmodelle zurückgreifen, zum Beispiel auf die Wirtschaftspolitik Ludwig Erhards, der in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg den «Wohlstand für alle» in den Vordergrund stellte: nicht als Schlagwort, sondern als Realität für das ganze Volk. Die - im Vergleich zu heute äusserst wohltuende - Einstellung Ludwig Erhards kommt in folgenden Worten zum Ausdruck:

      «Wir müssen den Menschen Gelegenheit geben, mit ihrer Hände Arbeit ihre Existenz zu sichern. Das gibt ihnen Selbstvertrauen und stärkt die Persönlichkeit.»

      Diese humane Denkweise ist heute kaum mehr denkbar und auch nicht mehr gewollt: Solidarität und Verantwortung für das Gemeinwohl sind nicht mehr erwünscht - statt dessen soll jeder selbst sehen, wie er klarkommt. Der Mensch wird nicht mehr als soziales Wesen angesehen, sondern nur noch als ökonomische Arbeitskraft. Der Betrug am Arbeitnehmer ist doppelter Natur: Zum einen wird ihm seine soziale Natur abgesprochen, und zum anderen wird er auch nicht mehr unbedingt benötigt (das Kapital braucht ihn nur noch dann, wenn der Lohn tief genug ist). Dieser Betrug an der arbeitenden Bevölkerung wird durch die Herrschenden und die Medien so perfekt aufbereitet, dass die meisten zwar Stress und Unbehagen spüren, aber scheinbar doch glauben, dass es zum Neoliberalismus keine Alternative gibt.

      Der Neoliberalist würde behaupten, dass zum Beispiel die Wirtschaftspolitik Ludwig Erhards heute kaum mehr angewendet werden kann. Dabei geht es nicht um eine Neueinführung Erhardscher Politik, sondern darum, dass Lösungen im Interesse aller wieder zum Zuge kommen können. Machtverzicht auf Seiten der Wirtschaft wäre notwendig. Können wir das erwarten? Realistischer ist sicher, wenn wir unsere Möglichkeiten der Machtausübung nutzen. In der Schweiz ist dies möglich, da das Volk der Souverän ist.

      EU als undemokratisches Machtgebilde
      Am Beispiel der EU-Ost-Erweiterung soll die Wirkweise des Neoliberalismus noch einmal verdeutlicht werden: Der Chef einer deutschen Modefirma produziert seit Jahren in Tschechien zu 1/5 der inländischen Lohnkosten. Er überlegt sich, ob er mit der EU- Ost-Erweiterung noch weiter nach Osten ziehen muss, um konkurrenzfähig zu bleiben. Noch weiter im Osten liegt China: Hier entsteht nur noch 1/50 der deutschen Lohnkosten. Jeder kann sich ausrechnen, wohin das führt: Europa wird sich von der Arbeitslosigkeit nicht erholen können; Löhne und soziale Standards werden immer weiter absinken - ganz zu schweigen von den Nöten und Sorgen, denen immer mehr Menschen ausgesetzt sein werden.

      Die grossen Kapitalbesitzer und die Multis sind die Nutzniesser dieser Wirtschaft, die sich weder um die Nation (nationale Steuern werden von den Grossen nur in Ausnahmefällen gezahlt) noch um das Wohlergehen der Menschen kümmern. Einziges Ziel ist die Gewinnmaximierung. Die EU, ein undemokratisches, zentralistisches Machtgefüge, das fälschlicherweise für sich oft den Namen «Europa» in Anspruch nimmt, ist eine Hauptverfechterin dieser Denkweise.

      In der EU können Proteste gegen soziale Ungerechtigkeiten bereits nur noch unter erschwerten Umständen durchgeführt werden. Ein Beteiligter aus Deutschland: «Wir machen immer wieder Kundgebungen, aber die Kontinuität fehlt. Die Menschen sind im Arbeitsprozess - in der Sorge um die Existenz der Familie - so stark eingebunden, dass Reserven fehlen.»

      Wir in der Schweiz dagegen haben Rechtsmittel, um die Macht zu kontrollieren: das Referendums- und Initiativrecht unserer direkten Demokratie. Kritiker werden sagen: «Nicht einmal die Hälfte der Eidgenossen geht an die Urnen», aber dennoch ist unsere Situation im Vergleich zu der in den anderen europäischen Länder weit besser. Die Geschicke der Schweiz sind nicht nur von der politischen Führungsschicht abhängig; zumindest ein Teil des Volkes ist immer mitbeteiligt. Das ist die einzigartige Situation, die wir haben und demokratisch nutzen müssen. Nur so können wir unkontrollierte Macht einschränken.

      Ein wichtiges Beispiel der direkten Demokratie
      Die direkte Demokratie war in ihren Anfängen von sachlicher Information einerseits und Bildung andererseits abhängig. Dies gilt heute noch. Tatsache ist aber, dass der Bundesrat seit Jahren seiner Pflicht, das Volk sachlich zu informieren, nicht nachkommt. Im Gegenteil - heute steht für den Bundesrat im Vordergrund, dass er seine Meinung bei Abstimmungen durchbringen möchte, dass er gewinnen will. Dabei hat er die Aufgabe, die Beschlüsse des Volkes und des Parlamentes auszuführen (er ist Exekutive und nicht Legislative). Mit seiner Propagandatätigkeit beschneidet er nicht nur das Recht des Volkes auf freie Meinungsbildung, sondern er untergräbt auch das ausbalancierte System der direkten Demokratie. Denn wenn er «gewinnt», kann er nur noch einen Teil des Volkes vertreten. Seine Aufgabe ist aber, den Willen des ganzen Volkes auszuführen - hieran müssen wir ihn erinnern.

      Mit der Initiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» wird genau dieses Ziel verfolgt. Das Volk soll der Souverän bleiben. Deshalb ist es wichtig, diese Initiative zu unterstützen.

      Informationen zur Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» erhalten Sie beim Verein «Bürger für Bürger» unter Telefon 061

      983 70 33 oder bei www.freie-meinung.ch und über

      E-Mail: info@freie-meinung




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      Leserzuschrift

      Unsere Volksrechte erhalten!
      Ich beglückwünsche Sie zu Zeit-Fragen vom 17. Mai und der Beilage zur Volksinitiative statt Behördenpropaganda, die ich schon vor einiger Zeit unterschrieben habe, zusammen mit Bekannten und Freunden.

      «Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es.» Aber es wird in für uns wichtigsten Belangen nicht nur nichts Gutes getan, sondern verhängnisvoll Schlimmes. Die Information über wirklich politisch Entscheidendes bleibt, wahrscheinlich absichtlich, dem Volke verborgen, dagegen werden wir mit zumeist wenig oder Unwichtigem überinformiert und sind dann des Glaubens, wirklich zu wissen, was vorgeht. Die Schweiz insbesondere, aber nicht nur sie, sondern die Staaten überhaupt, stehen im Begriff durch internationalistische Organisationen - die Sie ja namentlich aufführen - durch zunehmenden Druck von Aussen regiert zu werden. Sie verlieren dadurch ihre Souveränität und können dadurch immer weniger die eigentlichen Staatsaufgaben, das Wohl des eigenen Landes und seiner Bevölkerung, lösen.

      Nicht bloss einzelne Abkommen, sondern ganze Pakete wie Bilaterale I und II mit der Zentralmacht der EU in Brüssel, und nicht genug damit, zusätzlich ständigem Druck von WTO, OECD usw. ausgesetzt, dem nachgegeben wird, weil es angeblich so sein müsse, höhlen immer mehr die landeseigene politische Macht aus. Mit den zusätzlichen Mitteln weitgehender Privatisierung, Propagierung rücksichtsloser Konkurrenz und ausschliess-lich globalisierendem Denken und Handeln wird es so weit kommen, dass unsere direkte Demokratie und unsere Volksrechte indirekt aufhören werden zu existieren. Alarmierende Zeichen sind bei uns das stark zunehmende Streben nach Zentralisation in Bern und die unverblümte Art, uns von oben her in der Art der gnädigen Herren zu sagen, was wir als einzig korrekt zu akzeptieren haben.

      Vieles ist schon viel zu weit «gediehen», denken wir nur an den totalen, der Nato gefallenden Umbau unserer Armee, dem dreisten Auftreten des neuen Generals Keckeis. Sollen wir unser Land dereinst auch am Hindukusch beschützen, weil wir nach neuesten sogenannten fachmännischen Beurteilungen dies im eigenen Land nicht mehr können? Was für verrückte Auswirkungen haben wir dem Globalisierungswahn von Politikern zu «verdanken»?

      Max Disteli-Walser, Olten



      Artikel 7: Zeit-Fragen Nr.22 vom 7.6.2004, letzte Änderung am 8.6.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 08.06.04 23:20:08
      Beitrag Nr. 1.697 ()
      @1694 M. Haze

      die Zukunft wird es zeigen, die Glaubenssache wird sich dann erledigen. Ein Schaden verhindern ist besser, als in später zu beheben.
      Avatar
      schrieb am 08.06.04 23:37:31
      Beitrag Nr. 1.698 ()
      stimmt das etwa auch nicht? M.Haze

      Genetisch manipuliertes Saatgut
      Verlieren wir nun auch unsere Nahrungsmittelsicherheit?


      :mad::mad::(


      von F. William Engdahl
      Washington und London sind sich nicht nur in bezug auf die Politik im Irak einig. Tony Blair und George W. Bush stimmen auch darin überein, dass der Weltmarkt mit genmanipuliertem oder genetisch verändertem (GV) Getreide und Saatgut gesättigt werden sollte. Deren Fürsprecher, einschliesslich der Chemiegiganten Monsanto, Syngenta, DuPont und Bayer, behaupten, dass genetisch verändertes Getreide die Antwort auf den Hunger in der Welt sei, und versprechen der stetig wachsenden Bevölkerung Nahrungsmittelsicherheit. Erstaunlicherweise werden die Behauptungen in Ermangelung irgendeiner ernstzunehmenden, unabhängigen und wissenschaftlichen Langzeitstudie über die Auswirkungen von genetisch verändertem Getreide auf den tierischen oder menschlichen Organismus gemacht.

      Wenn die Verbreitung des genmanipulierten Getreides mit der gegenwärtigen Geschwindigkeit vorangetrieben wird, dann wird innerhalb der kommenden 7 bis 8 Jahre die grundlegende Nahrungsmittelversorgung der Menschheit möglicherweise in den Händen der 3 bis 4 grössten multinationalen Konzerne liegen. Solche Macht über Leben und Tod war nie vorher in der Geschichte in so wenigen Händen konzentriert. Am schockierendsten aber ist, dass solch ein tiefgreifender Wandel in der Politik mit dem fast kompletten Fehlen einer wirklich unabhängigen wissenschaftlichen Studie einhergeht beziehungsweise mit dem Fehlen einer Analyse der möglichen negativen Langzeitauswirkungen der genetisch veränderten Nahrungsmittel, manchmal auch GVO (genetisch veränderte Organismen) genannt, entweder auf Menschen oder auf Tiere.

      Seit dem 18. April hat die EU, unter starkem Druck von Washington, den Verkauf von genmanipulierten Nahrungsmitteln innerhalb der EU zum erstenmal seit dem Verbot von 1998 wieder erlaubt. Die neue Richtlinie sieht wie eine Kontrolle der genetisch veränderten Produkte aus, da sie eine Kennzeichnung vergleichbar der Warnung auf Zigarettenschachteln vorsieht, dass ein Produkt einen bestimmten Prozentsatz an genmanipulierten Substanzen enthält. Der EU Kommissar für Landwirtschaft, Franz Fischler, ein offener Anhänger von genetisch veränderten Nahrung, begrüsst sie als «das Recht jedes Landwirts, sich dafür oder dagegen zu entscheiden». Mit diesem Schritt ist jedoch das EU-Moratorium für GV-Pflanzen jetzt effektiv ausser Kraft gesetzt worden. Und die zweitgrösste Wirtschaftsregion der Welt sieht sich nun dem Verlust ihrer Kontrolle über das lebenswichtigste Gebrauchsgut ausgesetzt &endash; die eigene Nahrungsmittelversorgung.

      Im Juni 2003, direkt nach der US-Besetzung von Bagdad, startete Präsident George W. Bush eine Offensive gegen das EU-Moratorium über GV-Produkte. Bush bezichtigte die EU, durch dieses Verbot den Hunger in Afrika voranzutreiben, und drohte damit, bei der WTO gegen das EU-Moratorium vorzugehen. «Wegen eines durch den Hunger bedrohten Kontinents», erklärte Bush, «ersuche ich die europäischen Nationen, ihre Opposition zur Biotechnologie aufzugeben.»

      Die Dringlichkeit von Bushs Anliegen, ein europäisches Verbot auf GV-Produkte aufzuheben, hatte wenig damit zu tun, den Hunger in Afrika zu stoppen. Sie hatte allerdings sehr viel mit der zukünftigen Kontrolle der Weltnahrungsmittelversorgung durch eine Macht zu tun, deren Militär bereits die schrecklichste Herrschaft in der Geschichte ausübt und deren finanzielles und ökonomisches Gewicht die Weltwirtschaft beherrscht. Wenn Wa-shington und seine Unterstützer in der Industrie mit ihrem Vorstoss zu genetisch veränderten Organismen Erfolg haben, dann wird dies der Menschheit zum Negativen gereichen. Wieso das?

      Ende Januar genehmigte die EU-Kommission den Verkauf von genmanipuliertem Mais in Dosen durch das Schweizer Biotechunternehmen Syngenta und liess es als Mais vom Grill in Geschäften und Restaurants in der EU verkaufen. Die EU argumentiert, dass die neuen Richtlinien zur Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen die Genehmigung solcher Nahrungsmittel sichermachen. Am gleichen Tag verkündete die belgische Regierung, dass sie plane, eine Vielzahl von gentechnisch veränderten ölhaltigen Samen oder Raps zum Anbau zuzulassen.

      Im letzten Monat verkündete die EU-Kommission, sie sei im Begriff, die Anpflanzung eines angeblich Herbizid-beständigen Mais zu genehmigen, des NK603, dessen Hersteller Monsanto einer der grössten Inhaber von Patenten auf genetisch veränderten Pflanzen weltweit ist. Zur gleichen Zeit wandte sich der Schweizer Riese Syngenta an deutsche Behörden mit der Bitte um Versuchsfelder für GV-Weizen in Thüringen. Nimmt man die Erfahrungen in den USA als Richtschnur, dann heisst das, dass innerhalb weniger Jahre die gesamte EU-Landwirtschaftsproduktion von Polen und Ungarn bis nach Deutschland und Frankreich von genetisch verändertem Getreide beherrscht wird. Das polnische Parlament öffnete unlängst unter dem Druck von Monsanto und der US-Agrobusinesslobby sein Land der breiten Anwendung von genmanipuliertem Getreide auf einem der ertragreichsten Böden in Europa. Die EU-Kommission hat mit ihrer Entscheidung, den Verbrauchern eine «Wahl» zuzugestehen, die Büchse der Pandora geöffnet. Brüssels Abteilung für Europäische Nahrungsmittelsicherheit erneuert die Zulassungen für Monsanto und Syngenta zum Anbau und zur Verarbeitung von genetisch verändertem Mais als Futtermittel.

      Keine unabhängige Forschung
      Das grösste Entsetzen löst das praktisch komplette Fehlen einer grundlegenden unabhängigen Forschung über die möglichen Nebenwirkungen auf Menschen und Tiere aus, wenn gentechnisch veränderte Substanzen in die Nahrungskette gelangen; jetzt sind aber die Schleusentore für Veränderungen geöffnet worden, die die Art und Weise, wie wir leben, beeinflussen und jedes Lebewesen betreffen könnten.

      Der britische Umweltminister Michael Meacher wurde im Juni 2003 von Tony Blair gefeuert. Der Grund war laut britischen Quellen Meachers Weigerung, den ungetesteten Anbau von genetisch veränderten Pflanzen zu unterstützen. Nach seiner Entlassung aus dem Kabinett beschuldigte Meacher die Blair-Regierung, «voreilig erwünschte Schlussfolgerungen zu ziehen, die nicht wissenschaftlich abgestützt werden können». Die britische Soil Association unterstützte Meachers Vorwurf mit den Worten: «Die Entscheidung, ob man oder ob man nicht den kommerziellen Anbau von genetisch manipuliertem Getreide zulassen sollte, ist sehr bedeutsam. Möglicherweise ist sie eine der weitreichendsten Entscheidungen, die je eine Regierung bezüglich der Umwelt und der allgemeinen Gesundheit zu treffen hatte.»

      Die Soil Association warnte darüber hinaus, dass «der einzige bislang an Menschen unternommene Versuch mit genetisch veränderten Organismen erbracht hat, dass genmanipulierte DNA auf Bakterien im menschlichen Darm übertragen werden können, während Tierversuche eine Verdoppelung der Sterblichkeitsrate bei Verabreichung von gentechnisch verändertem Hühnerfutter zur Folge hatte und die Entwicklung von Darmerkrankungen bei Ratten, die genetisch veränderte Kartoffeln und Tomaten assen, erbrachten.» Was sie nicht weiter ausführten, war die Tatsache, dass Englands BSE- und MKS-Katastrophen vor einigen Jahren ebensogut auch das Resultat des Verfütterns gentechnisch veränderter Futtermittel hätte sein können.1

      Im August 1998 wurde der weltweit führende Experte der GVO-Forschung, der in Ungarn geborene Wissenschafter Dr. Arpad Pustzai, aus seinem Job am Forschungszentrum des britischen Rowett Instituts gefeuert. Seine Karriere war ruiniert, und er wurde an weiteren Arbeiten gehindert, indem man ihn auf eine schwarze Liste setzte. Sein Verbrechen war, dass er den Mut hatte, mit alarmierenden Forschungsergebnissen in einem britischen Fernsehinterview an die Öffentlichkeit zu gehen. Pustzai deckte auf, dass seine Forschung mit Laborratten Tiere hervorbrachte, die durch das Füttern mit genetisch veränderten Kartoffeln an gebremstem Wachstum und Schäden im Immunsystem litten. Gemäss Pusztai zeigten seine Daten, dass die Ernährung mit genmanipulierten Kartoffeln zu kleineren Lebern und Herzen führte und sogar die Gehirngrösse beeinflusste. Über seine Forschung wurde ein Embargo verhängt, seine Forschungsmannschaft aufgelöst, und es wurde ihm verboten, mit seinen Kollegen über seine frühere Arbeit zu sprechen

      Pustzai, ein hervorragender Wissenschafter, der seit mehr als 35 Jahren professionelle Forschungsergebnisse veröffentlicht, fand später heraus, dass er auf Intervention des britischen Premierministers Blair gefeuert worden war. Es scheint, dass der damalige US-Präsident Bill Clinton Blair anrief, nachdem selbst von Monsanto auf die Gefahr hingewiesen worden war, die die Forschungen Pustzais darstellten, wenn sie weltweit Aufmerksamkeit erregen würden. Zu der Zeit produzierte Monsanto, eine amerikanische Chemiefabrik, die für ihr tödliches in Vietnam verwendetes Agent Orange bekannt ist, 91% des genetisch veränderten Saatgutes der Welt. Clinton war nachweislich derjenige gewesen, der Blair vom Nutzen der Förderung von genetisch veränderten Nahrungsmitteln als neues Hauptbetätigungsfeld für die britische Industrie überzeugte.2


      Ein Jahr später, nämlich im Jahre 1999, ersuchten anlässlich einer wissenschaftlichen Konferenz der Internationalen Föderation der Biobauern-Bewegung Delegierte aus 60 Ländern ihre Regierungen, den Handel mit genetisch veränderten Nahrungsmitteln zu verbieten und benannten dabei mögliche Gefahren für die menschliche Gesundheit und Risiken für Landwirte bei der Auswahl ihres Saatguts. Dr. Michael Fox, ein Fachmann für Bioethik aus Washington, lieferte den Nachweis, dass mit dem genmanipulierten Getreide fremde DNA in den menschlichen Körper eindringen kann; genetisch veränderte Organismen können unvorhergesehene Giftstoffe oder allergieauslösende Stoffe produzieren; Genübertragung zwischen transgenen Pflanzen und Bakterien kann auftreten, «dessen ökologische Konsequenzen verhängnisvoll sein können». Er berichtete auch, dass Milch von Kühen, denen eine genetisch hergestellte Substanz, das r-bGH (Wachstumshormon für Rinder), injiziert wurde, erhöhte Werte des Insulinartigen Wachstumsfaktors (IGF I) besitzt. Dieser steht in Beziehung zu Brustkrebs beim Menschen. Fox verlangte ein weltweites Moratorium für die Verbreitung von gentechnisch veränderten Substanzen so lange, bis eine ausreichende wissenschaftliche Risikobeurteilung vorliegt.



      Im März 2004 wurde in den Vereinigten Staaten ein Bericht über Tests veröffentlicht, die von zwei unabhängigen Labors durchgeführt worden waren. Sie hatten nicht gentechnisch verändertes Saatgut überprüft, das normalerweise für Mais-, Sojabohnen- und Rapsanbau verwendet wird, die drei wichtigsten Futtermittel für Tiere. Laut einem Bericht in der britischen Zeitung «The Independent» fanden sie heraus, dass ganze 67% des herkömmlichen Getreides &endash; Mais, Sojabohnen, Raps &endash; mit genetisch verändertem Material durch Wind, Bestäubung und andere Ursachen verseucht worden waren. Laut Aussage der Studie bauten Landwirte unwissentlich pro Jahr Milliarden von genmanipulierten Samen an im Glauben, sie hätten normales oder gentechnikfreies Saatgut. Dies kam heraus 8 Jahre nachdem genetisch verändertes Getreide in der amerikanischen Landwirtschaft zum erstenmal eingeführt worden war. Der Bericht warnte, es könnte «eine ernste Gefahr für die Gesundheit» darstellen, wenn GV-Drogen oder industrielle gentechnisch veränderte Chemikalien der nächsten Generation von genmanipulierten Produkten ihren Weg in die menschliche Nahrungsmittelkette finden.

      In einem weit publik gemachten Fall konnte man Gene von Starlink (Bayer AG), einem genetisch veränderten Getreide, das nur für Tiere genehmigt wurde und in nur 0,4% aller amerikanischen Maissorten vorkam, in Nahrungsmitteln in den gesamten Vereinigten Staaten nachweisen, sogar in den Tacos von Taco Bell (Fast-Food-Kette mit mexikanischen Spezialitäten). Die Tacos enthielten Proteine von Insektenvertilgungsmitteln, die von Menschen nicht verdaut werden können.

      Die Verunreinigung durch gentechnisch verändertes Saatgut ist das Kernproblem des GV-Themas. Wenn einmal dem Anbau von genmanipuliertem Saatgut in einer Gegend die Tür geöffnet wurde, dann ist sämtliches Saatgut in dieser Region anfällig für die Verseuchung, entweder durch Wind, Bienen oder andere Insekten. Es gibt nur wenig Kontrollen in den grossen Getreidefirmen wie Cargill oder ADM, von denen viele verdächtig werden, absichtlich GV-Samen mit nicht GV-Samen zu mischen. Diese Verseuchung oder die Tatsache der genetischen Verunreinigung alleine bedeuten das Ende der Bio-Bauern sowie das der herkömmlichen Landwirtschaft innerhalb einiger weniger Jahre, wie die Erfahrung in den USA zeigt.

      In einer anderen totgeschwiegenen Studie lieferte Dr. Terje Traavik, der Direktor des norwegischen Instituts für Gen-Ökologie, alarmierende Beweise für Auswirkungen von gentechnischen Veränderungen. Im Fall von BT-Mais des amerikanischen Samenproduzenten Dekalb liegt der Verdacht nahe, dass in der Zeit der Bestäubung der genetisch veränderte Mais bei Menschen auf den Philippinen, die nahe dem GV-Feld lebten, Krankheiten hervorrief. Das Virus CaMV, das bei der Herstellung der meisten genmanipulierten Nahrungsmittel verwendet wird, wurde intakt in Rattengewebe gefunden, 3 Tage nachdem es einer einzelnen Mahlzeit beigemischt worden war. Ebenso wurde es in menschlichen Zellen nachgewiesen. Am alarmierendsten aber ist, dass genetisch veränderte Pockenviren im Verbund mit natürlichen Viren neue, hybride Viren mit unvorhersehbaren und möglicherweise gefährlichen Eigenschaften hervorbringen.


      Traavik drängte auf sofortige weitere Untersuchung dieser alarmierenden Entdeckungen. Er sagte, seine Forschungen «erregen zusätzliche Verdachtsmomente, dass genetisch veränderte Nahrungsmittel genetische Instabilität und Veränderung, versehentliche Ausbrüche von Allergenen oder Toxinen aus nicht anvisierten Genen hervorbringen und sogar die Aktivierung schlafender Viren verursachen können. [...] Wir müssen erforschen, ob Bt-Getreide zum unerklärlichen Anstieg von Allergien beitragen.» Er wurde mit eisigem Schweigen in den westlichen Medien bedacht.


      Eine dreijährige Studie der britischen Regierung, die ursprünglich unter der Aufsicht von Michael Meacher durchgeführt und im Oktober 2003 veröffentlicht wurde, wies nach, dass die Tierwelt in der Landwirtschaft viel stärker von den besonders leistungsfähigen Herbiziden geschädigt wird, die bei genmanipuliertem Getreide verwendet werden, als durch herkömmliche chemische Herbizide. Ein Argument, das von Monsanto und der GV-Lobby verwendet wird, um die grünen Kritiker des genetisch veränderten Saatguts zum Schweigen zu bringen, ist die Behauptung, sie bräuchten weniger chemische Herbizide. Die britische Biotech-Industrie bestritt, dass der Bericht von Bedeutung sei, und die Blair-Regierung genehmigte die «begrenzte» Verwendung von gentechnisch verändertem Saatgut. Die Meacher-Studie fand auch heraus, dass genetisch verändertes Getreide auch dahingehend manipuliert worden war, widerstandsfähig gegenüber dem Herbizid zu sein und selbst von den stärksten todbringenden chemischen Unkrautvernichtungsmittel nicht angegriffen werden konnte. Eines dieser Unkrautvernichtungsmittel ist beispielweise Monsantos Roundup, eine Chemikalie, die so stark ist, dass sie alles auf einem herkömmlichen Getreideacker vernichtet, einschliesslich des Getreides, der Bienen und der Schmetterlinge.3

      Die britische Meacher-Studie dauerte 3 Jahre, kostete Millionen von Euro und stellte eine 500%ige Abnahme an Floravielfalt, einen 25%igen Rückgang von Schmetterlingen und eine geringere Samenzahl beim Raps fest. Die Blair-Regierung unterdrückte die Resultate und genehmigte dieses Jahr die begrenzte Verwendung gentechnisch veränderten Saatguts.



      Betrügerische Behauptungen zu Kosten/Nutzen von Genmanipulation.



      Die Verbreitung von gentechnisch verändertem Saatgut unter amerikanischen Landwirten gelang mit Hilfe des betrügerischen Versprechens, dass es zu einer grossen Produktivitätssteigerung komme und bedeutend weniger chemische Pestizide eingesetzt werden müssten. In der Realität hat sich dies nicht bewahrheitet; sogar das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Im Jahre 2001 präsentierte Dr. Charles Benbrook die Ergebnisse einer Analyse der Wirtschaftlichkeit von Bt-Mais. Er stellte fest, dass amerikanische Landwirte 3 Jahre lang hohe Prämien für gentechnisch verändertes Saatgut bezahlten und schliess-lich einen Nettoverlust von 92 Millionen Dollar beziehungsweise 1,31 Dollar pro Acre (4047 m2) zu verzeichnen hatten. Benbrook fand ausserdem heraus, dass der «Anbau von 550 Millionen Acre gentechnisch verändertem Mais, Sojabohnen und Baumwolle in den Vereinigten Staaten seit 1996 den Pestizidverbrauch um ungefähr 50 Millionen Pfund [Gewichtseinheit] erhöht hat». Sogenannte «herbizid-tolerante» Getreidesorten, die eine viel grössere Menge an Herbiziden benötigen als normale Pflanzen, wurden dahingehend gentechnisch verändert, dass Landwirte, die den gentechnisch veränderten Mais oder andere Feldfrüchte anbauen, gezwungen sind, das gentechnisch veränderte Herbizid derselben Firma zu kaufen, zum Beispiel Monsantos Roundup.4

      Gentechnisch verändertes Saatgut wurde aggressiv beworben und versprach verzweifelten amerikanischen Landwirten in den späten 90er Jahren grosse Profite, höhere Erträge und weniger Probleme mit Unkraut. 2002 waren mehr als 70% aller amerikanischen Sojabohnenpflanzen gentechnisch verändert, mehr als 61% der gesamten Baumwolle und 25% des gesamten Mais. Produkte im Supermarkt, von Ovomaltine bis Babynahrung von Nestlé bis hin zu McDonald`s Burger enthalten gentechnisch veränderte Nahrungsmittel.

      Eine von Michael Duffy durchgeführte Studie der Iowa State University hat gezeigt, dass HT-Soja, eine gentechnisch veränderte Variante, einen Verlust von 8,87 Dollar pro Acre im Vergleich zu normalem Soja mit sich brachte. 2001 erklärte der Beratungsausschuss Biotechnologie der kanadischen Regierung: «[...] es gibt kein öffentlich zugängliches Gutachten oder Daten darüber, inwiefern einzelne Landwirte von der Umstellung auf gentechnisch veränderte Feldfrüchte in Kanada profitiert hätten.»

      Ein weiterer versteckter Kostenpunkt bei gentechnisch verändertem Saatgut entsteht für Landwirte durch die von Monsanto und anderen so bezeichnete «Technologie-Gebühr». Monsanto berechnet eine «Technologie-Gebühr», die zusätzlich zu dem sowieso schon hohen Saatgutpreis anfällt, mit dem Argument, dass die Landwirte einen Nutzen aus der Gentechnologie ziehen werden. Zusammen mit dieser Gebühr kostet genetisch verändertes Saatgut den Landwirt normalerweise 24 bis 40% mehr als gentechnisch nicht verändertes Saatgut. Für genmanipulierten Mais fallen zwischen 30 und 90% höhere Kosten an. Hinzu kommt, dass der Landwirt gezwungen ist, beim Kauf des Saatguts ein «Technologie-Abkommen» mit dem Lieferanten Monsanto zu schliessen, welches dem Landwirt rechtlich verbietet, Samen für die nächste Ernte aufzubewahren. Wenn er betrügt, riskiert er, dass man gerichtlich gegen ihn vorgeht.

      Laut einem Bericht des «Food First/Institute for Food and Development Policy» (Nahrung zuerst/Institut für Nahrungs- und Entwicklungspolitik) in Kalifornien «könnte gentechnisch verändertes Saatgut verantwortlich sein für eine Reihe von Missernten». So wird berichtet, dass Herbizid-tolerante Pflanzen und Unkräuter in den Vereinigten Staaten aufgetreten seien und dass Glyphosat-tolerante Unkräuter dort GV-Baumwoll- und Sojafelder heimsuchen. Atrazin, eines der giftigsten Herbizide, muss bei Glufosinat-tolerantem Mais eingesetzt werden.

      Noch beunruhigender ist die Tatsache, dass sich Bt-Proteine, welche weltweit bei 25% der gentechnisch veränderten Saaten verwendet werden, als schädlich für eine Reihe von harmlosen Insekten erwiesen haben, und viele Wissenschafter haben davor gewarnt, Bt-Saaten für den Menschen freizugeben. Grosse Pharmazieunternehmen verwenden immer mehr genetisch verändertes Saatgut, um Medikamente zu produzieren, so auch Zytokin, das laut Food First bekanntlich die Funktion des menschlichen Immunsystems unterdrückt, Krankheiten verursacht und giftig ist für das zentrale Nervensystem. Ausserdem ist dokumentiert, dass genmanipulierte Pflanzen Interferon Alpha produziert haben, von dem es heisst, dass es Demenz auslöst und eine Virusreihe, wie zum Beispiel das «Spike»-Protein-Gen aus dem Coronavirus des Schweins, welches zur gleichen Familie wie das Sars-Virus gehört, das kürzlich Asien überschwemmte. Glufosinat-Ammonium und Glyphosat werden bei Herbizid-toleranten genetisch veränderten Saaten eingesetzt, weltweit bei etwa 75% aller genetisch veränderten Saaten. Glufosinat-Ammonium wird in Verbindung gebracht mit neurologischer, respiratorischer und gastrointestinaler Toxizität und Geburtsfehlern bei Mensch und Tier. Kinder, deren Mütter Glyphosat einnahmen, wiesen in erhöhtem Masse neurologisch bedingte Verhaltensstörungen auf.

      Food First zieht den Schluss: «Die bekannten Auswirkungen von Glufosinat und Glyphosat sind ernst genug, um jeden weiteren Gebrauch der Herbizide aufzuhalten.» Es wurde herausgefunden, dass das Herbizid Roundup von Monsanto Zell-Dysfunktionen (Funktionsstörungen) auslöst, welche mit menschlichen Krebsformen in Zusammenhang stehen könnten. Aber die erschreckendste Gefahr des GV-Konsums besteht in der inhärenten Neigung zu neuen Genverbindungen und Genübertragungen; auf diesem Wege entstehen dann neue Viren und Bakterien, die Epidemien auslösen können. 2001 wurde ganz «unbeabsichtigt» während eines scheinbar harmlosen Gentechnikexperimentes ein Killer-Maus-Virus geschaffen.5

      Im Februar diesen Jahres berichtete Devinder Sharma in einem Artikel der Zeitschrift BioSpectrum von alarmierenden Ergebnissen im Zusammenhang mit dem Anbau von Monsanto-Bt (GV)-Baumwolle. Die indische Firma Mahyco-Monsanto warb für die Bt-Baumwollsamen mit der Behauptung, dass sie eine eingebaute Fähigkeit hätten, den rosa Baumwollkapselwurm, einen bedeutenden Schädling, zu töten. Wegen dieser Behauptung konnten sie das genmanipulierte Saatgut zu einem Preis verkaufen, der viermal höher war als der bestehende Preis für Saatgut. Im ersten Jahr ihres Anbaus scheiterte die Ernte der Bt-Baumwolle in Indien auf manchen Feldern zu 100%.

      In China wurde 1999 auf 7 Millionen Hektar Bt-Baumwolle angebaut. Heute ist der Pestizidverbrauch wieder auf einen Stand von vor 1999 angestiegen, weil die Bt-Baumwolle ihre Resistenz gegen Schädlinge verliert. Genetisch veränderte Baumwolle in China macht einen Anteil von 50% der gesamten Baumwolle aus. In diesem Jahr hat die Regierung in Peking Import-Zertifikate für verschiedene US-Gentechnologien ausgestellt, darunter auch fünf von Monsanto. Mehr als 70% der Sojabohnenimporte Chinas sind genmanipuliert. China versucht seinen eigenen genmanipulierten Reis und andere Pflanzenarten zu entwickeln, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass dies sicherer sein könnte.

      1 Brussels clears GM maize to «Please US», von Andrew Osborn, The Guardian, 29.1.2004. Meacher attacks GM crops, in BBC News, 18.2.2003, news.bbc.co.uk

      2 Soil Association backs Meacher`s stance on GM crops, Pressemitteilung vom 23.6.2003, www.soilassociation.org. World`s top GE researcher was fired and persecuted by White House & Blair, von Andrew Rowell, The Daily Mail, 7.7.2003. www.organiconsumers.org

      3 Revealed: Shocking new dangers of GM crops, von Geoffrey Lean, The Independent, 7.3.2004. Proven: Environmental dangers that may halt GM revolution, von Michael McCarthy, The Independent, 17.10.2003. New health dangers of genetically modified foods (and vaccines) discovered, vom Institute for Responsible Technology, 24.2.2004 auf www.organicconsumers.org. Dangers of GE foods & crops, Dr. Michael W. Fox, Humane Society of the United States, www.hsus.org oder www.organicconsumers.org

      4 Farmer Income: seeds of doubt, von Norfolk Genetic Information Network, 24.10.2002. members.tripod.com oder www.non-gm-farmers.com

      5 The case for a GM-free sustainable world, von Food First/Institute for Food and Development Policy. www.foodfirst.org



      Artikel 5: Zeit-Fragen Nr.22 vom 7.6.2004, letzte Änderung am 8.6.2004
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      Avatar
      schrieb am 08.06.04 23:46:45
      Beitrag Nr. 1.699 ()
      Europa

      Deutsche Parteipolitiker lehnen Volksentscheid über EU-Verfassung ab


      ( wer hat Angst vom schwarzen Mann oder etwa vom Volk?
      Demokratie nur als Demo)

      von Karl Müller, Deutschland
      Am 28. Mai haben sich Spitzenpolitiker von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag erneut gegen einen Antrag aus der FDP-Fraktion ausgesprochen, das deutsche Grundgesetz zu ändern, um auch in Deutschland ein Referendum über die geplante EU-Verfassung abhalten zu können. In der rund 90minütigen Debatte sucht man allerdings vergeblich nach einem gründlichen Austausch von Argumenten. Selbst die Antragsteller von der FDP betonten, es ginge ihnen um die Legitimation der EU-Verfassung. Von einer gründlichen Debatte und freien Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger war nicht die Rede.

      Statt dessen wurden die «gesellschaftlichen Eliten [des] Landes in Wissenschaft, Kultur, Kirchen, Gewerkschaften usw.» dazu aufgerufen, «die Bevölkerung zu überzeugen, dass [die EU-Verfassung] der richtige Weg ist». Rüdiger Veit von der SPD brachte vor, es sei «verfehlt, das Volk über einen einzelnen - zweifellos bedeutsamen - Punkt der europäischen Politik gesondert abstimmen zu lassen», man habe das ja auch bisher nicht getan. Derselbe Abgeordnete stellte dann noch die Frage: «Was passiert denn eigentlich, wenn das Volk anders als der Bundestag und der Bundesrat entscheidet?»

      Der CDU-Abgeordnete Peter Hintze sprach davon, ein Volksentscheid sei ein «Irrweg». Man solle «solche hochkomplexen Materien nicht Augenblicksstimmungen ausliefern, sondern der Verantwortung der Parlamente» überlassen. Hintze: «Wir wollen diese Verantwortung wahrnehmen.» In diesem Zusammenhang bezeichnete er das Parlament, nicht mehr das Volk, als Souverän, und meinte: «[...] wenn wir als Souverän der Überzeugung sind, dass eine Sache richtig ist, dann sollten wir uns auch zutrauen, die Verantwortung dafür selbst zu tragen.» Zudem ist Hintze der Auffassung, «dass es für uns Deutsche in der Europäischen Union nur ein Ja gibt [...]. Dem Volk aber eine Frage vorzulegen, auf die es praktisch nur ein Ja gibt», sei «nicht ganz in Ordnung». Voller Skepsis über das, was bei einem Volksentscheid herauskommen könnte, fügte er hinzu: «Es ist eine Absurdität der Demokratie, wenn wir für Europa werben und die europäische Verfassung durchsetzen wollen, dann aber zusätzliche Hürden auf dem Weg zu ihrer Realisierung errichten.» Im übrigen setzt Hintze «Hoffnung darauf», dass mit dem Vorrang des EU-Rechts vor dem nationalen Recht die hohen Standards deutscher Rechtsetzung im Bereich von Freiheitsbeschränkungen aufgebrochen werden können.

      Auch für den Abgeordneten Norbert Röttgen (CDU) wäre ein Volksentscheid «die schlechtere demokratische Alternative». Die Bürgerinnen und Bürger seien nicht in der Lage, «eine schwierige Frage verantwortlich zu entscheiden».

      Einzig der Abgeordnete der CSU, Peter Müller, stellte kritische Fragen zur geplanten EU-Verfassung und zum Verfahren: «Trauen wir dem Volk? [...] Ich sage Ihnen: Das Volk ist mindestens so klug wie das Abbild des Parlamentes.» Müller beklagte, seit Wochen und Monaten werde «über dieses grosse Projekt einer europäischen Verfassung im Stil von Geheimverhandlungen hinter verschlossenen Türen gesprochen». Er forderte: «Der Verfassungsvertrag ist in vielen Punkten offen. Es wäre durchaus notwendig und interessant, in aller Offenheit einen Dialog über die inhaltlichen Fragen zu führen.» Als Punkte, die des Dialoges bedürften, nannte der Abgeordnete unter anderem die mit dem Verfassungsentwurf einhergehende weitergehende Zentralisierung in der EU, die Schwächung der nationalen Parlamente («Der Deutsche Bundestag ist bei der Sekundärgesetzgebung weitgehend auf das Abnicken und die Kenntnisnahme von Papieren reduziert.»), die «Verlagerung der Verantwortung für die Politikgestaltung, beispielsweise im Bereich der Daseinsvorsorge, des Zivilschutzes oder der Kultur nach Brüssel», die Schaffung einer «Exekutivdemokratie: die Herrschaft der Beamten, alle Macht den Beamten, keine Macht den Parlamenten».

      Der deutsche Aussenminister Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen), der eher geringschätzig auf die Frage des Volksentscheides einging («Meine Haltung zum Volksentscheid kennen Sie. [...] Wir sollten am Ratifizierungsverfahren, so wie wir es haben, festhalten.»), tat auch die Fragen des Abgeordneten Müller mit arroganter Pole-mik ab.
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 08.06.04 23:50:50
      Beitrag Nr. 1.700 ()
      Gewährleistung
      Verbraucher bei Garantiefällen benachteiligt


      SWR | 08.04.2004 | 21.55






      Mit dem neuen Gewährleistungsrecht aus dem Jahr 2002 sollte vieles für die Verbraucher besser werden, besonders mit der Ausdehnung der Gewährleistungsfrist auf zwei Jahre. Doch des einen Freud ist des anderen Leid, und so zeigt sich der Handel erfinderisch, wenn es darum geht, Kundenrechte zu beugen.

      Beliebt bei Elektro-Geräten sind dabei so genannte Nutzungsentschädigungen, die Käufer für den Gebrauch der Geräte zahlen sollen. Das Ehepaar Winterscheid kann davon ein Lied singen. Ihr neu gekaufter Fernseher zeigte schon von Beginn an einen Defekt in der Tonqualität. Der Rat des Händler: einfach öfter mal draufschlagen. Nach anderthalb Jahren dieser Faustarbeit und mehreren erfolglosen Reparaturversuchen reicht es den Winterscheids. Sie fordern ihr Geld zurück. Doch die Geschäftsleitung des Unternehmens will eine Nutzungsentschädigung vom mehreren hundert Euro abziehen, schließlich hätten die Kunden das Gerät ja anderthalb Jahre genutzt. Viel Geld für einen Fernseher, der von Anfang an defekt war.

      Auch bei Familie Leber verhindern technische Mängel das TV-Vergnügen. Nach anderthalb Jahren gibt das Gerät den Geist auf, Grund dafür ist eine vermutlich von Anfang an defekte Bildröhre. Nach dem Gesetz müsste der Händler dafür zwei Jahre lang gerade stehen. Doch das Versandhaus Quelle lehnt eine Reparatur rundweg ab, stattdessen sollen die Lebers einen neuen Fernseher nehmen, und ohne ein gehöriges Nutzungsentgelt von 219,- € geht gar nichts.
      Bei Quelle hat dieses Nutzungsentgelt System, gibt man auf Nachfrage von [plusminus zu. Einen Interviewtermin lässt man jedoch platzen. Interne Unterlagen, die der Redaktion zugespielt werden, zeigen jedoch, dass der Versandhändler das Gesetz auch in anderen Punkten eigenwillig auslegt: Gewährleistung auf Mängel nur sechs Monate lang?

      Verbraucherrecht mit Lücken

      Die EU hatte den Mitgliedsstaaten eine klare Aufgabe gestellt: Mehr Freiheit und mehr Rechte für alle Verbraucher. Doch die Umsetzung der Richtlinien, für die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries verantwortlich ist, hat Lücken. Kritik kommt von Professor Stephan Lorenz von der Universität München, der im Verhalten des Handels einen Widerspruch zum europäischen Recht sieht. Die Verbrauchsgüter-Kaufrichtlinie soll dem Käufer die Wahl ermöglichen, ob er eine mangelhafte Sache reparieren oder sich eine neue Sache liefern lässt - kostenfrei.
      Wenn vom Verbraucher ein Nutzungsentgelt verlangt wird, das er in seiner Höhe und Berechtigung nie überprüfen kann, dann besteht die Gefahr, dass er sich auf eine Neulieferung nicht einlassen wird. Damit wäre die vom europäischen Gesetzgeber gewollte Wahlfreiheit praktisch aufgehoben.
      Der Münchner Professor fordert daher eine sofortige Nachbesserung des Gesetzes. Er sieht zweifachen Handlungsbedarf: Erstens widerspreche die derzeitige deutsche Rechtslage dem europäischen Recht, schon dies allein verpflichte den Gesetzgeber zur Anpassung - er riskiert unter Umständen sogar Schadenersatzansprüche. Zweitens bewertet der Experte die Sachlage als "rechtspolitisch verfehlt", oder schlichtweg ungerecht.

      Doch beim Justizministerium sieht man dagegen keinen Handlungsbedarf, wie aus einem Schreiben an [plusminus hervorgeht. Den Betroffenen bleibt nun der Gang vor Gericht: Familie Leber will diesen Weg zur Not gehen, das Ehepaar Winterscheid hat sich einen neuen Fernseher gekauft und will gegen den Händler des alten Geräts auf Zahlung klagen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) plant nun, einen Musterprozess zu führen - damit den Kunden nicht länger Wildwest-Methoden im Handel drohen.

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 8. Juni 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion.
      Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.


      http://www.swr.de/plusminus/beitrag/04_06_08/beitrag1.html
      Avatar
      schrieb am 08.06.04 23:53:31
      Beitrag Nr. 1.701 ()
      Heilmittel
      Neue Hürden bei Massagen und Ergotherapien


      SWR | 08.06.2004 | 21.55





      Patienten, die dauerhaft auf Massagen, Krankengymnastik und Ergotherapie angewiesen sind, erhielten bislang vom Arzt eine zeitlich unbefristete Verordnung. Er entschied über die Weiterführung, die Krankenkasse übernahm die Kosten. Vom 1. Juli 2004 an wird mit den neuen Heilmittelrichtlinien jedoch der Rotstift angesetzt. Gesetzlich Krankenversicherte erhalten künftig weniger von ihrer Kasse bezahlt.

      So werden für viele Asthmapatienten statt 30 Behandlungen nur noch höchstens 20 verschrieben, nach einem Kreuzbandriss müssen Patienten mit 30 statt früher 70 Therapien auskommen. Je nach Diagnose darf der Arzt also nur noch eine geringere Anzahl verordnen. Eine längere Therapie muss er schriftlich begründen, die Krankenkasse entscheidet über die Genehmigung. Patienten befürchten, dass nun die Krankenversicherung nach Aktenlage über die Weiterführung einer Therapie entscheidet, nicht der Mediziner. Sogar dauerhaft Erkrankte müssen jedes weitere Rezept spätestens alle zwölf Wochen erneut genehmigen lassen.

      Belastung für Dauerpatienten

      Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Heilmittelverbände hält dies für eine unnötige Belastung der Patienten. Man sieht die Gefahr, dass dadurch insbesondere chronisch Kranke, Alte und Behinderte auf notwendige Therapien verzichten. Dabei führt die Unterbrechung solcher Behandlungen oft zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes. Daher fordert der Verband die Krankenkassen auf, in klaren Fällen einer erforderlichen Langzeittherapie auf die aufwändigen Genehmigungsverfahren zu verzichten.

      Große Einsparungen geplant

      Viele Landesverbände der AOK, mit 25 Millionen Versicherten die größte Kasse, und auch der IKK wollen jedoch auf die Überprüfung selbst chronisch Kranker nicht verzichten. Bei anderen Krankenkassen steht noch nicht fest, wie man mit diesen Patienten langfristig umgehen wird. Sicher ist aber, dass 20 Prozent der Heilmittelausgaben eingespart werden sollen.

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 8. Juni 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion.
      Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.



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      http://www.swr.de/plusminus/beitrag/04_06_08/beitrag2.html
      Avatar
      schrieb am 09.06.04 23:39:37
      Beitrag Nr. 1.702 ()
      Ausland
      Corell Wex

      Fluchthilfe

      Die EU-Kommission will die Verlagerung von Firmensitzen steuerlich erleichtern


      Während sich noch alle über den Vodafone-Skandal ereifern, wird auf europäischer Ebene bereits an weiteren Möglichkeiten zur umfassenden Steuervermeidung gebastelt. Der Europäische Gerichtsho (EuGH) hat die Bundesregierung aufgefordert, bis Mitte Juni die sogenannte Wegzugsteuer abzuschaffen. Diese widerspräche der Niederlassungsfreiheit. Die Konsequenzen für die öffentlichen Haushalte wären fatal.

      Hintergrund: Der französische Bürger Lasteyrie du Saillant zog vor sechs Jahren nach Belgien um und löste seine Beteiligung an einem Unternehmen auf. Diese Beteiligung sollte er entsprechend seinem Einkommenssteuersatz versteuern, wogegen er sich aber wehrte, weil dies einen Hinderungsgrund für seine Freizügigkeit darstelle und damit die Niederlassungsfreiheit einschränke. Der Europäische Gerichtshof entschied nun, daß die französische Regelung nicht undifferenziert alle Fälle von Wohnsitzverlegung als Steuerflucht beurteilen dürfe. Daher gehe der entsprechende Artikel 167 des Code general d’impôt über das verfolgte Ziel hinaus. Grundsätzlich erkennt das EuGH aber an, daß die Bekämpfung von »Steuerumgehungen« Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit erlaubt.

      Dieses Urteil wird auch Konsequenzen für andere Staaten haben. Deutschland erhebt ebenfalls nach Paragraph 6 des Außensteuergesetzes eine Wegzugbesteuerung. Diese gesetzliche Bestimmung wurde 1970 nach dem Umzug des Kaufhauskönigs Peter Horten in die Schweiz geschaffen, weil Horten damals sein Beteiligungsvermögen legal dem Fiskus entziehen konnte. Konzerne wie Müller Milch, die aktuell ihren Firmensitz verlegen wollen, müßten diese Wegzugsteuer zahlen, was die Auflösung von Rückstellungen in Millionenhöhe bedeuten würde. Die Drohungen von Sitzverlagerungen waren daher bisher meistens nur Papiertiger.

      Strittig ist, ob das Urteil auch Auswirkungen auf Kapitalgesellschaften hat oder nur für natürliche Personen zutrifft. In Deutschland müssen nach Paragraph 12 des Körperschaftssteuergesetzes die stillen Reserven einer Körperschaft beim Umzug aufgedeckt werden, weil diese Gesellschaft dann in Deutschland als aufgelöst gilt und sozusagen einer Letztbesteuerung unterliegt. Das ist nur logisch, denn die stillen Reserven wurden vorher als steuermindernd anerkannt. Nach Artikel 48 des Europäischen Gemeinschaftsvertrages sind jedoch in der EU ansässige Gesellschaften den natürlichen Personen ausdrücklich gleichgestellt. Zwar hat der EuGH 1988 in seinem Urteil über die Verlegung der englischen Zeitung Daily Mail noch geurteilt, die Niederlassungsfreiheit gewähre einer Gesellschaft nicht das Recht, ihren Sitz in einen anderen Mitgliedsstaat zu verlegen. Seither sind aber mehr als 15 Jahre vergangen, in denen die Interpretationen offensichtlich »liberaler« wurden. Die Niederlassungsfreiheit gewährleistet heute jedenfalls, daß Gesellschaften in jedem Mitgliedsstaat ihren Verwaltungssitz nehmen dürfen. Wenn ihnen aber der ungehinderte Zuzug gestattet ist, muß ihnen auch der Wegzug gestattet sein, wird von vielen Juristen im Sinne der Unternehmen interpretiert.

      Um die Konsequenzen dieser Rechtsauffassung gibt es noch Streit. Fest steht nur, daß die EU-Kommission am 19.04.2004 die Bundesregierung aufgefordert hat, die seit 1970 in Deutschland erhobene Wegzugsteuer abzuschaffen. Damit könnten sich vermögende Privatpersonen künftig leichter dem Zugriff des deutschen Fiskus entziehen. Kommt Deutschland nicht binnen zwei Monaten der Aufforderung nach, droht eine Klage der Kommission vor dem EuGH in Luxemburg. »Letztlich mindert ein Wegfall der Wegzugsteuer den Spielraum für steuerpolitische Alternativen«, hebt Sven Giegold von Attac hervor.

      Gibt es einen Ausweg? Hans Eichel und sein französischer Kollege Nicolas Sarkozy verlangen jedenfalls eine Steuerharmonisierung innerhalb der EU. Die Kommission solle in Kürze »konkrete Vorschläge für eine einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage im Unternehmenssteuerbereich« vorlegen, »die möglichst auch Mindeststeuersätze enthalten.«. Diesem Vorschlag schloß sich auch EU-Handelskommissar Pascal Lamy an. »Wir befürworten eine Steuerharmonisierung dort, wo sie notwendig ist, um Steuerdumping zu vermeiden«, und nannte konkret die Unternehmenssteuern. Darin sei man sich in der Kommission einig. Mit seinem Kollegen Frits Bolkestein scheint er aber nicht gesprochen zu haben. Denn der hatte den deutsch-französischen Vorschlag zuvor schon als »sinnentleert« zurückgewiesen. Im übrigen trete man für eine »faire Steuerkonkurrenz« ein. Daß diese »faire Steuerkonkurrenz« zu einem Steuerwettbewerb um die niedrigsten Sätze führt und katastrophale Entwicklungen für die öffentliche Infrastruktur nach sich ziehen könnte, scheint Bolkestein nicht zu stören.

      http://www.jungewelt.de/2004/06-10/027.php
      Avatar
      schrieb am 15.06.04 15:03:47
      Beitrag Nr. 1.703 ()
      Dienstag, 15. Juni 2004 | 14:14 Uhr [Artikel versenden] [Artikel drucken] [zurück]



      w:o/shm
      Autor: SmartHouseMedia
      14:14 | 15.06.04



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      Creditreform: Rekord bei den Insolvenzen in der Schweiz

      Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform veröffentlichte die Entwicklung der Firmen- und Privatkonkurse in der Schweiz für Mai 2004. Demnach sank die Zahl der Konkurse binnen Jahresfrist leicht um 1 Prozent auf nun 831 Fälle.

      In den ersten fünf Monaten 2004 kletterte die Zahl der Konkurse hingegen 7,8 Prozent auf 4.426 Fälle. Dies ist der höchsten Wert seit die detaillierte Erhebung im Jahr 1993 gestartet wurde.

      Im Einzelnen stiegt die Zahl der Unternehmenskonkurse seit Jahresbeginn um 10 Prozent auf einen Rekordstand von 2072. Bei den Privatkonkursen zeigte sich ein Anstieg um 5,9 Prozent auf 2.354, was die höchste Zahl seit 1996 ist.

      ---

      cu
      rightnow
      Avatar
      schrieb am 15.06.04 17:24:28
      Beitrag Nr. 1.704 ()
      @1698

      Bluemoons, brauchen wir bei einer solchen Wahlbeteiligung von 40+++% überhaupt Volksentscheide???

      Wer keine Entscheidung trifft und selbst bestimmt über den bestimmen die anderen.


      Gruß Kickaha
      Avatar
      schrieb am 15.06.04 22:07:37
      Beitrag Nr. 1.705 ()
      Die Leute sind über die Politiker und die Politiker frustiert, weil sie ihre eigenen Süppchen kochen; weit vom Volkes Wille.
      Das Volk sollte mit entscheiden können , was auf der politischen Speisekarte:D stehen soll. Immer die gleiche
      Suppe zu trinken ,nur in verschiedenen Farben (Parteien)ist allmählich im wahrsten Sinne zum "Kotzen".
      Viele Politiker verweisen darauf, das Volk könnte eine falsche Entscheidung treffen , weil Ihnen die Weitssicht fehlt, die anscheinend nur Politiker (Abgeordnete) besitzen. Ist sowas mit Demokratie vereinbar ?
      Man schustert sich die Kleider, so wie es einem passt.
      Avatar
      schrieb am 15.06.04 22:08:26
      Beitrag Nr. 1.706 ()
      Willkommen im Büro von Donald Rumsfeld

      Mathias Bröckers 14.06.2004
      Wer änderte am 1. Juni 2001 die Direktiven zum Abfangen entführter Flugzeuge? - Wargames Teil II


      Dass für die Geostrategen des Bushlagers eine Katastrophe wie die des 11.9. für ein "neues amerikanisches Jahrhundert" wünschenswert war, um als "neues Pearl Harbor" den Prätext für die geplanten Eroberungskriege zu liefern, ist kein großes Geheimnis mehr - selbst die Mainstream-Medien haben die Papiere des "Project for a New American Century" leicht stirnrunzelnd und mit kritischen Kommentaren zur Kenntnis gebracht. Allerdings: Wenn einer ein Verbrechen schamlos ausbeutet, heißt das ja noch lange nicht, dass er es auch begangen hat. Wie aber, wenn wir ihn auch noch bei Vorbereitungen ertappen, die die Durchführung des Verbrechens erst ermöglichen? Willkommen im Büro von Donald Rumsfeld.






      Auch wenn die am Morgen des 11.9. ablaufenden "Wargames", bei denen unter anderem die Simulation eines entführten Linienflugzeugs auf dem Programm standen, vor allem die Frage der Koordination noch nicht völlig geklärt ist, so liefern sie wohl den ersten plausiblen Hintergrund dafür, warum keine Abfangjäger bei den vom Kurs abweichenden Maschinen eintrafen. Dass diese Manöver für allgemeine Verwirrung bei den Controllern der zivilen und militärischen Luftraumüberwachung sorgten, diese Entschuldigung taugt als mögliche Verteidigungslinie für den verantwortlichen Minister wenig ( Die Wargames des 11. September - Teil I).

      Schon gar nicht für Rumsfeld, der nach den Anschlägen in New York in seinem Büro solange Plauderstündchen über den Militärhaushalt abhielt, bis es auch im Pentagon hörbar gerumst hatte. Dies dank einer Direktive, die unter seiner Ägide erstellt und am 1. Juni 2001 erlassen worden war - und die ausgerechnet und exakt jene Prozeduren der Luftfahrtüberwachung betrifft, die am 11. 9. 2001 aus bisher unerklärlichen Grund versagten. Mit der CHAIRMAN OF THE JOINT CHIEFS OF STAFF INSTRUCTION, J-3 CJCSI 3610.01A wurde die bis dahin geltende Standardprozedur zum Umgang mit entführten Flugzeugen in einem entscheidenden Punkt geändert. Die zuvor (von NORAD und FAA) automatisch in Kraft setzbare militärische Assistenz durch Abfangjäger bedurfte seit dem 1. Juni 2001 einer Entscheidung ("approval") durch den Verteidigungsminister, d.h. ohne Rumsfelds ausdrückliche Genehmigung konnten auch am 11. 9. keine Jäger aufsteigen. Da er aber nach eigener Aussage "no idea" hatte, dass ein Flugkörper in Richtung seines Ministeriums unterwegs war, konnte er derlei "approval" nicht erteilen.

      Mit welchen Taschenspielertricks Cheney, Rumsfeld und der Joint Chief of Staff Mayers um die ersten Journalisten-Frage zum Standdown herumschifften, hatte Jahed Israel schon im November 2001 dokumentiert. "Investigativ"-Hofschreiber Bob Woodward hatte statt der entscheidenden Fragen nach den Abfangjägern dazu nur eine kafkaeske Cheney-Szene aus dem Führerbunker geliefert. Dass am Morgen des 11. 9. ein Militärmanöver mit Hijack-Simulationen stattfand - und dass die automatische Standardprozedur für "AIRCRAFT PIRACY (HIJACKING) AND DESTRUCTION OF DERELICT AIRBORNE OBJECTS" drei Monate zuvor außer Kraft gesetzt und von einer Ministergenehmigung abhängig gemacht worden war - diese für die Beurteilung des Ausbleibens jeglicher Luftabwehr am 11.9. ganz entscheidenden Fakten wurden bisher weder von den großen Medien noch von der offiziellen Untersuchungskommission berücksichtigt. NIcht bekannt ist, dass der Ko-Konspirator Donald Rumsfeld dazu einer dezidierten Befragung unterzogen worden wäre. Ex-Anti-Terrorzar Richard Clarke, der letzte Woche die deutsche Ausgabe seines Bush-kritischen Bestsellers "Against all Enemies" vorstellte - in dem er das wargame "Vigilant Warrior" eher beiläufig erwähnt -, gab einem Zwischenrufer, der danach fragte, keine Antwort. "Zuschauerbeteiligung ist nicht vorgesehen", bemerkte die taz dazu...





      Umso wichtiger sind da Veranstaltungen wie die Cititizens Inquiry into 9/11 in Toronto Ende Mai, auch wenn die Zuschauerbeteiligung in der großen Convecation Hall der Universität dürftig blieb. Nicht weil Fragen verboten gewesen wären - im Gegenteil -, sondern wegen der hohen Eintrittspreise und weil sich die Konferenz in einem Marathon über 5 Tage hinzog, blieben viele Interessierte außen vor. Das wahrhaft komplexe und leicht ausufernde Thema 9/11 bei der für September geplanten Fortsetzung in New York auf ausgewählte Untersuchungspunkte zu begrenzen - und für publikumsfreundliche Eintrittspreise zu sorgen -, ist den Organisatoren anzuraten. Und auch, auf dubiose Prominente zu verzichten, selbst wenn sie sich spendabel zeigen.

      Schon auf dem Programm hatte ich mich gewundert, was der Beziehungsguru Dr. John Gray (Autor des Weltbestsellers "Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus") denn zur Aufklärung von 9/11 beizutragen hätte. Als er dann bei seinem Vortrag predigermäßig von "Vergebung" für die Terroristen und für George W. Bush sprach, verkniff ich mir den Zwischenruf "Ist ja okay, John, aber vorher müssen wir erst herausfinden WAS genau wir den Kerlen zu vergeben haben" und fragte meinen Sitznachbarn Don Paul - Autor ("9/11 - Facing our fascist state"), Musiker und Marathonläufer aus San Francisco - wer denn diesen Vogel eingeladen habe ? "Ich glaube, er hat der Inquiry Geld gespendet." Später erfuhr ich, dass es 15.000 $ an die New Yorker Gruppe gewesen sein sollen. Ehrenwert, und nett ist der Mann auch ... solange man nicht Google oder Nexis bemüht; denn dann stellt sich nicht nur schnell heraus, dass die akademischen Titel Grays ein Fake sind, sondern vor allem, dass die Aktienmehrheit seiner Firma "GenesisIntermedia Inc." (GENI), die Gray-Videos, Bücher & Produkte vertreibt, niemand anderem gehört als Adnan Kashoggi.

      Wie "Businessweek" ausführlich berichtete, ist der saudi-arabische Milliardär, Playboy und notorische Waffenschieber der CIA - zusammen mit der Deutschen Bank - derzeit von einem Gericht in Minnesota wegen eines millionenschweren Schwindels mit GENI-Aktien angeklagt. Aus der Anklageschrift geht hervor, dass auch mit dem Aktienpaket von John Gray betrügerischer Handel getrieben wurde. Als Michel Chossudovsky (Ökonomie-Professor, Autor von "Global Brutal") die Veranstalter im Vorfeld über diese Hintergründe informierte und forderte, Gray wieder auszuladen, wurde er gebeten, keine "bad vibrations" zu verbreiten und die Sache nicht publik zu machen.

      Wie ich finde, genau der falsche Weg, die Unabhängigkeit und Integrität der 9/11-Forschung zu bewahren - zumal uns dieses kleine Beispiel von Unterwanderung mitten in die Hintergründe der Verschwörung des 11.9. hineinführt, wie ein Posting auf einer Investorenwebseite schon im Januar 2003 feststellte, als der Aktienschwindel Kashoggis aufflog. Der Anwalt und Aufsichtsrat von GENI - Michael Roy Fugler -, der die Firma 1999 auch an die Börse gebracht hatte, war auch der Anwalt und Geschäftspartner von Barry Seal, des Chefpiloten jener Waffen- und Drogengeschäfte des Weißen Hauses, die unter dem "Iran-Contra-Skandal" in die Geschichte einging. Wie der 1986 ermordete Seal mit dem Stichwort "erfolgreichster Drogenschmuggler aller Zeiten" spielte die Hauptrolle auf der Waffenschieberseite seinerzeit Adnan Kashoggi. Gegen die Aussagen des Barry Seal-Biographen Daniel Hopsicker ( Barry and the Boys, 2001), Fugler sei in die Drogengeschäfte und Mafiaverbindungen Seals involviert gewesen, hat der "ehrenwerte Anwalt" gerade Klage eingereicht.

      Ich hatte bei der Konferenz in einem Vortrag darauf hingewiesen, dass es nicht allein die legalen Geschäftsverbindung des Bush-Regimes mit den "Saudis" sein können, die für die Vertuschung und Nichtermittlung des 11.9. sorgen. Ginge es nur um Öl und die saudischen Investments in die scheiternden Unternehmungen des jungen George W., wäre dies längst parteipolitisch ausgeschlachtet worden. Mit Michael Moores neuem Film wird diese "Bush/Bin Laden-Connection", über die in dieser Serie erstmals am 14.9.2001 berichtet wurde ( Usama Ibn Ladin), nun zwar endlich öffentlichkeitswirksam - doch ob dies mehr erreicht als nur eine "kritische" Ergänzung der offiziellen Legende, bleibt abzuwarten.

      Die illegalen Geschäftsverbindungen - Drogen, Waffen, Geldwäsche -, aus denen wie bei "Iran-Contra" beide Parteien, Republikaner und Demokraten, geschmiert werden, werden wohl auch von Moore nicht thematisiert. Obwohl nur sie einen plausiblen Grund liefern, warum der 11.9. und die Identität der Hijacker nicht gründlicher ermittelt werden. Dies würde nämlich eine Geschäftskette offenbaren, deren eines Ende in Afghanistan/Pakistan stationiert ist und Rohstoff und Produktion kontrolliert, während das andere in Florida/USA für die Distribution zuständig ist. In dieselbe Richtung - Drogen, Geldwäsche - deutet auch einer der whistleblower des 11.9., die ehemalige FBI-Übersetzerin Sibel Edmonds, der vom Justizministerium ein Maulkorb verpasst wurde:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Wenn sie das wirklich untersuchen würden, hätte es staatswanwaltliche Ermittlungen auf höchster Ebene in diesem Land zur Folge. Das ist etwas, das sie nicht herauslassen werden. Und glauben Sie mir, sie werden alles tun, um es zu vertuschen.





      Und wenn es sich nicht mehr vertuschen lässt, könnte womöglich der nächste große Anschlag folgen, zumindest wenn wir Webster Tarpley (Ko-Autor der Unautorisierten Bush-Biographie) und seinem Referat Rogue Bush Backers prepare Super 9/11 False Flag Terror Attacks folgen, in dem er die psychologische Operation hinter den allfälligen Terrorwarnungen der letzten Wochen untersuchte - und die Prognose abgab, dass wir alsbald mit einem atomaren, biologischen oder chemischen Anschlag zu rechnen hätten.

      Nach seinem Vortrag gab Webster Tarpley mir eine Kopie mit der Bitte, sie an einen deutschen Abgeordneten weiterzureichen, um dazu eine kleine Anfrage im Bundestag zu stellen. Da "mein Abgeordneter" zufällig der Grüne Christian Ströbele ( Kreuzberg-Kleinbonum) ist - und wir uns seit 25 Jahren kennen -, werde ich der Bitte natürlich nachkommen und ihm den Vortrag zusammen mit diesem Artikel schicken. Dass Ströbele es zu einer Anfrage bringt, glaube ich allerdings nicht. Als wir uns unlängst auf einer Party kurz begegneten, meinte er:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Mathias, du liegst falsch, wenn du glaubst, die Amis wären selbst in die Anschläge verwickelt. So kann das nicht gelaufen sein.





      Mag sein. Wenn es aber so nicht gelaufen ist, müsste die Frage geklärt werden, wie Osama und die tollkühnen Islamisten in ihren fliegenden Kiste es erreichten, dass Rumsfeld die Direktiven zum Abfangen entführter Flugzeuge änderte - und wie sie davon erfuhren, dass am 11.9. dank der Wargames mit Hijacking-Simulationen das ideale Trittbrett bereitstand, die echten Anschläge auszuführen. Fällt jemandem dazu mehr ein als eine mega-zufällige Oberverkettung superunglücklicher Katastrophenumstände? Um sachdienliche Hinweise wird gebeten....


      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/wtc/17641/1.html
      Avatar
      schrieb am 15.06.04 22:20:48
      Beitrag Nr. 1.707 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de


      Aus Deutschen Landen: 13.06.2004

      DIESE WOCHE
      Mit gewohnter Klarheit räumt der Spatz in dieser heftigen Ausgabe mit der Lüge auf, "erneuerbare" Energien würden Ressourcen sparen. Er zeigt, wie hoch die direkten und die volkswirtschaftlichen Kosten der sich entwickelnden Versorgungslücken sind und zeigt, daß die ganze Welt immer mehr auf Kernkraft setzt, nur die Deutschen mit dem für sie typischen Starrsinn am sogenannten Atomausstieg festhalten. Ein erschreckendes Bild der Zukunft der deutschen Energieversorgung!



      Nicht neu, aber manchmal muß man sich erinnern



      "Erneuerbare" Energien seien unerschöpflich, fast überall verfügbar und minderten die Abhängigkeit vom Öl, behauptete Umweltminister Trittin bei der Eröffnung der Erneuerbare Energien Konferenz in Bonn. Sie seien auch wesentlich, um Armut zu bekämpfen. Die hohen Rohölpreise wirkten sich dabei positiv auf den Ausbau regenerativer Energieformen aus. Wir sind gewohnt, von Politikern belogen zu werden, aber muß es so derb geschehen?

      Gegen steigende Spritpreise fordern Oppositionspolitiker z.B. CDU-Vize Christoph Böhr einen "Benzingipfel". Bundeskanzler Schröder solle "alle Betroffenen an einen Tisch" laden, sagte er in der "Bild"-Zeitung. Ähnliches wünscht FDP-Vize Rainer Brüderle. Die Benzinpreise an den deutschen Zapfsäulen stiegen im Mai auf einen historischen Höchststand: Ein Liter Eurosuper kostete im Monatsdurchschnitt 1,19 Euro und damit fünf Cent mehr als im April. Würde so ein "Gipfel", wie gewünscht, die Benzinsteuer senken?

      Ein paar Daten tun manchmal not. Die Reserven an fossilen Energieträger sind nicht so begrenzt, wie oft gesagt wird. Bei heutigem Verbrauch reichen die Erdgasreserven, soweit sie zur Zeit als förderwürdig gelten, noch 149 Jahre. Die Erdölvorräte reichen nach den heutigen technischen und wirtschaftlichen Fördermöglichkeiten noch 67 Jahre und die der Steinkohle 190 Jahre. Verbesserte Förderbedingungen und höhere Preiserwartungen vermehren die Menge der förderwürdigen Reserven (z.B. an Öl-Schiefer und Öl-Sanden). Aus diesem Grund, ist man in den 80er Jahren vom Club of Rome abgerückt, und hat statt der "Knappheit" der fossilen Rohstoffe eine angebliche Klimakatastrophe, die ihr Einsatz auslösen soll, als Motiv für den "Umbau der Industriegesellschaft" erklärt.

      Zur Versorgungsunsicherheit: An steigenden Ölpreisen sollen wie üblich die "Öl-Scheichs" der OPEC Schuld sein. Ihr Öl sei am meisten terroristischen oder anderen Angriffen (siehe Irak und demnächst vielleicht Iran und Saudi Arabien) ausgesetzt. Die OPEC produziert bei einem Weltverbrauch von täglich 82 Millionen nur 23,5 Mio. Faß. Sie liefert also nur rund 30% des Öls; 70% des Erdöls kommt demnach aus nicht "krisengefährdeten" Regionen. Doch wie schnell sind ein paar "Terroristen" gefunden, die eine Krise anzetteln.

      Letztlich geht die jüngste Ölpreissteigerung auf spekulative Ankäufe und Preiswetten zurück, diese lassen den Ölpreis nach Meinung von David Kitson, Chef der Abteilung Energiehandel bei I.P. Morgan, der keinen Grund für Übertreibungen hat, "gut um gut 10 US$ pro Faß" steigen, und "Öl war unsere Rettung" meinte Duncon Brown von der Spekulationsfirma Winston Capital (London Times vom 6.6.). Nachdem die USA ihre strategischen Reserve wieder aufgefüllt hat, aus denen sie in den letzten Jahren Haushaltslöcher frisiert hatte, dürften bald neue Versorgungskrisen und Ölpreis-Steigerungen, an denen Scheichs Schuld sind, ins Haus stehen.

      Die angeblich unbegrenzt vorhandenen, erneuerbaren Energien sind so wirtschaftlich, wie der Aufschwung "greifbar nahe". Windparks sind genau, wozu sie von Anfang an geplant waren, nämlich Verschwendung von Investitionskapital. Für jede installierte Windkraftleistung von 1 MW müssen - und das gibt selbst die Propagandabroschüre "Erneuerbare Energien in Zahlen" aus dem Hause Trittin zu - mindestens 0,8 MW konventionelle Kraftwerksleistung vorgehalten werden. Wo soll da ein Nutzen oder gar Klimarettung herkommen? Wir haben in Deutschland inzwischen Windanlagen mit 14.500 Megawatt (MW = 1.000 Kilowatt) installierter Leistung mit einer Verfügbarkeit von 1.300 Stunden (von insgesamt 8.736 Stunden) pro Jahr. Dafür mußten die Stromkunden im Jahr 2003 (mit deutlich steigender Tendenz) rund 2 Mrd. € an Dauersubvention aufbringen. Das ist mehr als früher der Kohlepfennig. Bei Sonne beträgt die installierte Leistung inzwischen 450 MW und die Jahresverfügbarkeit ganze 550 Stunden (BWK Bd. 56 H 4, 2004, S. 79). Wenn es heißt, alternativen Energiequellen könnten so und so viele Haushalte "versorgen", so ist jede genannte Zahl eine bewußte Lüge. Sie versorgen keinen einzigen Haushalt, weil dann, wenn ihre Leistung gebraucht wird, sie gerade keine erbringen.

      Bei Espenhain wurde als "Aufbau Ost" für 22 Mio. Euro eine hochmoderne Photovoltaikanlage mit einer installierten Leistung von 5 MW (wenn die Sonne scheint) gebaut. In der Nähe arbeitet das Braunkohlekraftwerk Lippendorf mit 1,866 MW, einer 372,2 mal größeren und zuverlässig erbrachten Leistung. Die installierte Leistung von 1 kW liefert in Espenhain im Jahr 800 kWh Strom, in Lippendorf das Zehnfache nämlich rund 8.000 kWh, sie kostet in Espenhain 4.400 € in Lippendorf nur 1.123 €. Aufgrund staatlicher Zwangsbestimmungen kostet eine kWh aus Espenhain 45,7 Cent in Lippendorf aber nur 2,5 Cent. Angeblich spart die Anlage in Espenhain jährlich 3.700 t CO2, das sind 0,00044% der in Deutschland emittierten Gesamtmenge. Doch wieder ist das nur Propaganda, denn für die Fehlzeiten müssen konventionelle Kraftwerke wie Lippendorf, einspringen. Wenn alternativer Strom fließt, müssen sie entsprechend weniger effizient arbeitet, d. h. verhältnismäßig mehr CO2 abgeben. Berücksichtigt man diesen Effekt, kommt man rechnerisch auf ganze 29,6 t CO2, die (für stolze 22 Millionen Euro) im Jahr tatsächlich eingespart werden.

      Die staatliche Förderung erneuerbarer Energien bringt also kaum eine Verringerung der CO2-Emissionen. Bringt sie wenigstens neue Arbeitsplätze, wie rot-grüne Wirtschaftsplaner hoffen? Wenn von Arbeitsplätzen die Rede ist, übersieht man geflissentlich, daß "Arbeits-Einkommen" benötigt werden. Wie viele Arbeitsplätze würde man schaffen, wenn man etwa die Alpen an die Ostsee umverlagern wollte, nur eben kein Einkommen. Ähnliches - nur weniger grotesk und damit weniger leicht durchschaubar - gilt für die staatlichen Zwangsmaßnahmen des "Erneuerbare Energien Gesetzes": Inzwischen hat sogar das regierungsnahe Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung errechnet, daß dieses Gesetz in begünstigten Industriezweigen zusätzliche Arbeitsplätze entstehen läßt, dafür aber wegen gestiegener Stromkosten in anderen Bereichen viel mehr produktive Arbeitsplätze wegbrechen. Die Logik dahinter ist leicht zu verstehen: Arbeitseinkommen lassen sich (im Unterschied zu denen der Banken) nur einmal ausgeben. Verteuern die Energiepreise die Preise der Industrie- und Landwirtschaftsprodukte, werden davon entsprechend weniger gekauft und werden dementsprechend Produktionsstätten stillgelegt.

      Mit Sonne und Wind läßt sich Strom erzeugen aber keine Motortreibstoffe und Chemierohstoffe. Weder im Verkehr noch als Industrierohstoff können Solaranlagen und Windräder Öl oder Kohle sparen, die wachsende LKW- und PKW-Flotte auf den Autobahnen antreiben, einen Joghurtbecher oder eine Abdeckplane möglich machen. Hier muß die Hoffnung auf Biomasse einspringen. Im sächsischen Freiberg stellt Choren Industries versuchsweise "Sundiesel" aus Raps, Heu oder Restholz her, "einen Treibstoff den man trinken kann" behauptet Tom Blades der Geschäftsführer (Spiegel vom 07.06.2004). Probiert hat er es nicht, denn die Aussage ist so problematisch, wie die Hoffnung auf Biodiesel. Rapsmethylester (Biodiesel) ist kein sanfter Treibstoff, er ist höchst aggressiv, er führt zu Korrosion, leckenden Dichtungen, verstopft Filter läßt Gummis aufquellen und löst Kunststoffe auf. Aus diesem Grund werde der Autohersteller Ford keine biodieseltauglichen Motoren entwickeln, "das Risiko ist uns zu groß". Dem normalen Dieseltreibstoff darf nur bis zu 5% Biodiesel beigemischt werden, um Motorschäden auszuschließen. Die Subvention dieses Dieseltreibstoffes durch die Bundesregierung (inkl. der Steuerausfälle) beläuft sich auf 2 Mrd. € (Welt am Sonntag 25.04.2004).

      Daß Regierungsmaßnahmen die Energie als wichtigste Voraussetzung zur Erzeugung von Versorgungsgütern, verteuern, wird von der Regierung (und wohl auch ihren Wählern) ausdrücklich gewünscht. Die private Firma Global Insight, Inc., berechnete die Energieverteuerung einzig und allein durch das ab Januar 2005 offizielle EU-Emissionshandelssystems. Für Deutschland sollen das bis 2010 satte 40% sein. Der EU-Richtlinienentwurf sieht vor, daß der Primärenergieverbrauch jährlich um 1,5% gedrosselt werden soll. Weitere Verknappung, weitere Verteuerung! Hinzu kommen Kosten, weil die Stromnetze wegen des liberalisierten Stromhandels und der Einspeisung des unberechenbaren Windstroms zunehmend an den Grenzen der Belastbarkeit gefahren werden. In der Nacht vom 29. zum 30.09.2003 schaltete eine kurze Störung in der Hochspannungsleitung der Schweiz in ganz Italien die Lichter aus. Kostenpunkt: Rund eine Mrd. €. Man rechnet inzwischen pro nicht gelieferter kWh beim Kunden mit durchschnittlichen Schäden von 8 €, beim Privathaushalt sind es nur 3 €, in der Industrie 10 €.

      In den USA hat inzwischen das 24. Kernkraftwerk die Betriebsverlängerung von 40 auf 60 Jahre erhalten. Für weitere 18 Anlagen laufen die Anträge (NucNetNews 93 vom 21.04.2004). In Deutschland müssen 18 Kernkraftwerke nach 32,5 Betriebjahren und ständigen, teuren Modernisierungen bis zum Jahr 2020 aufwendig verschrottet werden. Welche Kraftwerke die von ihnen erbrachten 20.000 MW Leistung (ein Drittel der Stromerzeugung in Deutschland) liefern sollen, ist so wenig klar, wie das, was an Stelle der anderen inzwischen veralteten, konventionellen Kraftwerke der gleichen Leistung tritt.

      Schweden rudert beim früher einmal beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie kräftig zurück. Seine 11 Kernkraftwerke liefern zur Zeit jährlich mehr Strom als je zuvor. Finnland und Frankreich bauen den neuen europäischen EPR Reaktor. Die Slowakei hat eben den Bau zweier neuer Reaktorblöcke beim Kernkraftwerk Mohovce beschlossen.

      Einen Tag, nach dem die Bundesregierung die Entscheidung bekannt gegeben hatte, bis zum Jahr 2020 aus der Kernenergie ausgestiegen zu sein, ließ die britische verkünden, in den nächsten 50 Jahren 40 bis 50 neue Kernkraftwerke zu errichten. Im Mai 2000 kündigte die russische Regierung an, 30 neue Kernkraftwerke bauen zu wollen. In Rußland, USA und China entwickelt man die Schnelle Brütertechnologie mit Eifer. In China und Südafrika wird der in Deutschland aus politischen Gründen verworfene Hochtemperaturreaktor zur Serienreife entwickelt. In ganz Südostasien entstehen neue Kernkraftwerke und werden weitere geplant. So "blöd" wie die Deutschen... Ist es Blödheit? Obwohl in die nuklearen Endlager Konrad und Gorleben über 2 Mrd. € investiert worden waren und ihre Betriebseignung von keinem Fachmann bezweifelt wird, weigert sich die Bundesregierung diese Endlager in Betrieb zu nehmen. Sie hat 11 neue Gutachten für mehrere Millionen € in Auftrag gegeben, damit ihre Anhängern behaupten können, die Endlagerfrage sei "noch nicht gelöst". Sie fordert damit Regreßansprüchen heraus, weil die Kernkraftwerksbetreiber zwar für die Entsorgungskosten verantwortlich sind aber nicht für die politische Gesinnung. Die dadurch erforderliche unnötige Zwischenlagerung soll bis zum Jahr 2030 konservativ geschätzt 5 Mrd. € kosten, was der Bundesrechnungshofs folgenlos beanstandet hat. (FAZ 13.04.2004)

      Es ist also schon etwas dran, wenn unser Kanzler bei der D-Day Feier verkündete "sein Deutschland" habe "1944 hier" begonnen - auch unseres? Damals galt unter anderem offiziell der Morgenthauplan.
      Avatar
      schrieb am 16.06.04 09:16:54
      Beitrag Nr. 1.708 ()
      @1706 Was stimmt den nun??????


      Die Kosten der Photovoltaik

      Craig Morris 07.06.2004
      Photovoltaik - das Flaggschiff der Erneuerbaren Energien (Teil II)

      Rund 98% der Photovoltaikmodule bestehen aus Silizium. Silizium wird gerne als häufigstes Element in der Erdekruste oder zweithäufigstes Element auf der Erde (nach Sauerstoff) genannt. Leider führen solche Vergleiche in die Irre, denn Silizium existiert nicht in einer Form, die für industrielle Herstellung von Solarzellen geeignet wäre, sondern kommt vor allem in Verbindung mit Sauerstoff als Quarzsand vor - Ähnliches gilt für Wasserstoff, der zwar häufig vorkommt, aber nicht in einer reinen, für Brennstoffzellen geeigneten Form. Wie billig kann die Photovoltaik (PV) aus Siliziumzellen werden? Gibt es andere Möglichkeiten für PV? In welchen Anwendungen ist PV trotz des heutigen Preises schon wettbewerbsfähig? Und erzeugt PV überhaupt mehr Energie als für ihre Herstellung benötigt wird?

      Photovoltaikzellen gibt es hauptsächlich in drei Typen: monokristallin, polykristallin, und amorph (auch Dünnschicht-Zelle genannt). Der Wirkungsgrad von Monozellen ist am höchsten (bis zu 16%), während der von Polyzellen leicht niedriger ist (bis zu 15%). Leider ist die Herstellung von Monozellen vergleichsweise teuer, denn das Silizium muss hochrein sein. Dazu werden einkristallige Stangen aus flüssigem Silizium gezogen. Bei Polyzellen wird das flüssige Silizium in Blöcke gegossen und dann in Scheiben gesägt. Bei der Erstarrung entstehen viele Kristalle. Die Risse zwischen ihnen belasten den Wirkungsgrad, aber solche Zellen sind billiger bei der Herstellung.

      Bisher ist das Solarsilizium oft aus den Abfallprodukten bei der Herstellung von Halbleitern gewonnen worden, denn das Halbleitersilizium hat eine noch höhere Reinheit. Bei Diskussionen über die Umweltverträglichkeit von Photovoltaikmodulen wird oft und gerne auf die in den Zellen enthaltenen und bei der Herstellung verwendeten Giftstoffe verwiesen, wobei zwei Sachverhalte meistens übersehen wird: erstens, dass Solarzellen heute schon quasi Abfallprodukte aus der Halbleiterindustrie sind; und zweitens, dass das Solarsilizium in PV-Modulen wiederverwertet werden kann, wenn die Modulen in 30 Jahren (oder noch länger) ersetzt werden müssen. Das Silizium selbst altert nicht, lediglich die Glassplatten und Laminate, die die Zellen vor Witterung schützen, müssen erneuert werden.

      Bei amorphen (weil ohne Kristalle) Zellen sieht die Lage allerdings etwas anders aus. Hier wird eine dünne Schicht Silizium auf ein billiges Trägermaterial (wie Glas) aufgedampft. Hier müsste für die Wiederverwertung also die aufgedampfte Schichte teuer vom Trägermaterial getrennt werden, was umso sinnloser ist als der große Vorteil von Dünnschichtzellen darin besteht, dass sie mit so wenig Silizium auskommen. Das bedeutet große Kostenersparnisse, weshalb man den niedrigen Wirkungsgrad in Kauf nimmt: rund 8%.

      Hier zeigt sich, dass die bloße Angabe des Wirkungsgrads uns nicht weiterbringt. Es muss nämlich nicht nur das Preis-/Leistungsverhältnis erwogen werden, sondern auch die tatsächliche Energieausbeute, denn Dünnschicht-Zellen erzeugen mehr Energie als Poly- und Monozellen bei diffusem Licht. Anders gesagt: Wenn der Himmel bewölkt oder die Orientierung der PV-Module suboptimal ist, kann es vorkommen, dass die billigeren Dünnschichtzellen in etwa so viel Strom wie die kristallinen Zellen erzeugen. Deshalb werden Dünnschicht-Zellen auch gerne an Fassaden angebracht, also bei einer Neigung von 90° zur Erde. Der optimale Neigungsgrad in Deutschland liegt eher bei 30°.


      Skaleneffekte? Preissenkungen?

      Auch wenn von Fall zu Fall entschieden werden muss, welche Art Zellen verwendet werden, so richtig billig wird es nicht. Dabei haben sich die Preise für PV seit 1990 mehr als halbiert - von rund 15.000 Euro pro kWp auf weniger als 6.000 Euro pro kWp. Werden Skaleneffekte nicht weiterhin eintreten, wenn immer mehr PV-Anlagen hergestellt werden? Man liest ja immer wieder, dass z.B. bis 2020 die PV wettbewerbsfähig sein wird - oder gar bis 2008, wie Helmut Engel von Sharp Deutschland meinte:

      In vier bis fünf Jahren werden Solarzellen wirtschaftlich sein und dann folgt eine lange Wachstumsphase.

      Apex-BP Solar wurde wie folgt im Februar 2004 von Le Monde Diplomatique zitiert: In Japan und in Kalifornien soll der Preis für die solar gewonnene Kilowattstunde bis 2005 oder 2010 auf das Niveau herkömmlicher Energieträger sinken.

      Man sollte sich nicht darauf verlassen, denn so viel billiges Abfall-Silizium aus der Halbleiterindustrie gibt es nicht. Die PV-Industrie macht sich nun daran, billigere Verfahren zur Herstellung von Solarsilizium zu entwickeln. Trotzdem schätzt die EU, dass der Preis pro kWp auf 3.200 Euro bis 2030 fallen wird. Das entspräche einem Preis von 17c pro kWh, was bedeuten würde, dass PV immer noch "generally uncompetitive" bleiben würde.

      Der Durchbruch könnte aus einer Neuentwicklung kommen. Einerseits müssen Solarzellen nicht unbedingt aus Silizium bestehen. Alan Heeger bekam 2000 den Nobelpreis für die Entwicklung von stromleitender Plastik, was irgendwann zur Entwicklung von billigen Solarzellen führen könnte. Und im April 2004 berichteten die US-Firma TDA Research und die National Science Foundation die Entwicklung einer neuen stromleitenden Plastik namens Oligotron. Wissenschaftler am Lawrence Berkeley National Laboratory in den USA haben außerdem eine Metalllegierung entwickelt, die den Wirkungsgrad von Solarzellen auf 45% oder mehr erhöhen könnte. Es könnte noch zu einem Durchbruch kommen, selbst wenn wir beim Silizium bleiben: Das Fraunhofer ISE hat erst Anfang 2004 mitgeteilt, eine 38 Mikrometer dünne Silizium-Solarzelle mit einem Wirkungsgrad von über 20% entwickelt zu haben.

      Im Augenblick ist das aber alles Zukunftsmusik. Niemand kann sagen, wann PV so billig wird wie Strom aus Kohlekraftwerke. Aber eine Tendenz ist da: PV wird jedes Jahr rund 4% billiger und Kohle immer knapper.


      Netzferne Anwendungen

      In manchen Anwendungen ist PV trotz des hohen Preises heute schon die billigste Stromquelle - ganz ohne Subventionen. Oft wird der Strom aus der PV-Anlage auf dem Dach direkt im Haus verwendet. Wenn nicht genug Solarstrom zur Verfügung steht, wird Strom aus dem Netz genommen; wenn die PV-Anlage mehr produziert, als im Haus verbraucht wird, wird der überschüssige Strom ins Netz gespeist.

      Wenn aber auf das Stromnetz nicht zurückgegriffen werden kann, ist die Photovoltaik oft die beste und billigste Lösung. Der Ausbau des Stromnetzes ist oft viel zu teuer für viele dezentrale Anwendungen, und andere Stromgeneratoren wie Dieselaggregate sind kaum kleiner als 5 kW zu haben. Und selbst wenn man einen Dieselgenerator hat, läuft er meistens nur ein paar Stunden am Tag. PV bietet eine breitere Verteilung über den Tag.

      Weltweit ist fast die Hälfte der installierten PV-Leistung nicht mit dem Stromnetz verbunden. Einerseits sind dies Anwendungen, die man in Deutschland mittlerweile überall sieht: Tastaturen, tragbare Radios, Parkautomaten, Telematik-Erfassungsgeräte an Autobahnen, usw. Bei den Kleingeräten möchte man viele große Batterien durch wenige, kleine Akkus ersetzen, während bei Parkautomaten und Autobahnkameras der Netzanschluss oft teurer als die Versorgung durch PV wäre. Selbst im neonbeleuchteten Las Vegas haben manche Bushaltestellen eine photovoltaisch versorgte Beleuchtung, weil es viel teurer wäre, eine Stromleitung unter die schon fertigen Bürgersteige zu verlegen. Für die wenigen Watt, die man benötigt, genügen ein paar Solarzellen und ein Akku. Tagsüber laden die Solarzellen den Akku, der dann abends die Lampe mit Strom versorgt.

      Diese Art der Stromversorgung verspricht für den Westen eine nahezu unbegrenzte Mobilität. Heute ist es beispielweise möglich, das Büro mit einem Laptop und einem Handy in eine Ferienhütte mitzunehmen. Solange der Akku hält, kann man seine Geräte bedienen. Dann heißt es: zurück an die Steckdose. Wenn man aber ein kleines Ladegerät mit PV hätte, könnte man sein Handy direkt im Straßencafé oder in der abgelegensten Ferienhütte ohne Netzanschluss laden.

      Und falls Sie denken, das Handynetz reicht doch gar nicht bis in den abgelegensten Ferienort, warten Sie es ab: Ein großes Hindernis beim Ausbau von Mobilnetzen ist die Stromversorgung für abgelegene Basisstationen. Es stellt sich immer wieder heraus, dass ein Solarsystem (PV-Anlage mit Akkus) die billigste Stromquelle für solche Anwendungen ist, d.h. die Mobilnetze selbst werden mit PV weiter ausgebaut. Andere Anwendungen sind auch denkbar: In Japan wird z.B. ein neues Solarladegerät als erdbebensichere Stromquelle vermarktet.

      Anderseits wird PV in sogenannten Inselnetzen ( microgrids/minigrids) verwendet. Hier wird quasi auf Dorfebene ein kleines Hybrid-Stromnetz aufgebaut. Solche Inselnetze können mit dem schon vorhandenen Dieselaggregat beginnen, der Akkus lädt. Wenn PV-Anlagen hinzu kommen und die Häuser miteinander in einem Stromnetz verbunden sind, muss der Aggregat nur noch als Notlösung funktionieren. Andere Kombinationen sind auch denkbar, z.B. ein Windgenerator mit PV-Anlage; hier funktioniert der Dieselaggregat als Notstromgenerator, denn Wind und Sonnenenergie ergänzen sich bestens. Im philippinischen Dorf Atulayan hat die Firma Synergy Power ein solches Inselnetz aufgebaut, um das alte System mit einem Dieselgenerator zu ersetzen. Früher hatten die Dorfbewohner lediglich 4 Stunden am Tag Strom. Heute haben sie ihn rund um die Uhr. Der Dieselaggregat schaltet für ein paar Stunden alle paar Tage an, wenn der Ladezustand der Batterien zu tief sinkt.


      Soziale Probleme und das Großkraftwerk als Notstromaggregat

      Wenn ein Inselnetz oder ein "Solar Home System" ( SHS) -meistens bestehend aus mindestens einer PV-Anlage, einem Wechselrichter, und einer Batterie, um Strom für Sparlampen, ein Radio, einen S/W-Fernseher, usw. bereitzustellen - erst mal installiert ist, steigt der Konsum oft, so dass das System oft bald überlastet ist. Das führt zu Frustration unter den Anwendern, die meinen, die Technik funktioniere nicht. Das System kann natürlich von der Technik her fast immer problemlos ausgebaut werden, aber das kostet Geld. Die Treibstoffkosten entfallen gänzlich für PV-Anlagen und die Wartungskosten sind minimal, aber die Anschaffungskosten sind enorm, d.h. alle Kosten entstehen am Anfang, bevor Strom überhaupt erzeugt worden ist.

      Wie sollen ausgerechnet arme Menschen diese Mittel aufbringen? Neben staatlicher Förderung und Entwicklungshilfe gibt es auch die Mikrofinanzierung, z.B. von der Firma Grameen Shakti (Teil der Grameen Bank). In solchen Programmen werden kleine Geldsummen an Frauen (die Darlehensnehmer sind meistens weiblich) geliehen, die ihr Einkommen z.B. durch die Anschaffung einer Nähmaschine und eine Lampe steigern könnten. In solchen Fällen erhöht die Anschaffung eines SHS das Einkommen des Nutzers, aber in anderen Fällen - wenn z.B. Licht für Schulen und Gemeinschaftsgebäude bereitgestellt wird - ist der Zusammenhang zwischen erhöhtem Lebensstandard und höherem Einkommen indirekter. Manchmal steigt das Einkommen der Nutzer von Inselnetzen und SHS eben nicht so schnell wie ihr Lebensstandard, damit sie den Ausbau des Systems selbst finanzieren könnten.

      In Europa, wo das Stromnetz besser ausgebaut ist, kommen solche Hybridanlagen in entlegenen Orten zum Einsatz, z.B. in der Rappenecker Hütte im Schwarzwald, wo neben einer Windanlage und einer PV-Anlage eine Brennstoffzelle den Dieselgenerator mittelfristig ersetzen soll. Eine ähnliche Wind/PV/Diesel-Hybridanlage wird seit 1996 am Rotwandhaus betrieben.

      Rund zwei Milliarden Menschen - ein Drittel der Menschheit - haben keinen Zugang zum Stromnetz. Diese Menschen geben einen viel größeren Anteil ihres Einkommens für Energie aus. Trotz ihrer Armut zahlen sie bis zu 10 Euro im Monat für Brennstoffe, Batterien, Kerzen, usw. Hybridsysteme mit Photovoltaik und Windenergie bieten mehr Energie für weniger Geld pro kWh. Außerdem sind diese erneuerbaren Energien viel sauberer und gesünder als die qualmenden Öllampen, die in den ärmsten Entwicklungsländern immer noch zum Luxus gehören. Die größten Probleme hier sind sozialer Art: Die Menschen müssen lernen, mit den neuen Technologien umzugehen. Man kann einen Generator anschmeißen, wenn man Strom braucht, aber wenn die Batterien leer sind, kein Wind weht und die Sonne nicht scheint, muss man ohne Strom auskommen.

      Diese Herausforderung gilt aber nicht nur in den Inselnetzen der Entwicklungsländer, sondern auch zunehmend im entwickelten Westen. Wenn wir bedenken, dass Netzbetreiber die Energie von Windkraftanlagen in Dänemark und Deutschland kaufen und die Großenkraftwerke dabei herunterfahren müssen, wird klar, dass die Großkraftwerke in solchen Fällen zunehmend die Rolle des Dieselaggregats im einem Hybrid-Inselnetz übernehmen, der eher Notstrom liefert. Das ist auch nicht schlecht, denn endliche Ressourcen sollten auch nur zur Not verbraucht werden.

      Aber dieser Wandel erfordert ein Umdenken seitens der Energiewirtschaft. Die Betreiber der Großkraftwerke sehen ihre Margen schwinden, wenn sie immer ein paar Prozentpunkte weniger produzieren dürfen, nur weil der Wind weht - ein Vorgang, der mittlerweile mit einiger Sicherheit vorhergesagt aber eben nicht kontrolliert werden kann. Und wenn PV und andere Erneuerbare Energien einen immer größeren Anteil der Stromversorgung deckt, werden die Großkraftwerke immer mehr zu Notstromaggregaten "degradiert" (aus den Augen der Betreiber).

      Wenn man diesen Zusammenhang begriffen hat, versteht man die recht übertriebenen Klagen der Kraftwerksbetreiber, sie müssten immer so viel "Reserve" parat halten, weil so viel Windenergie eingespeist wird - ganz so, als müssten mehr Kohlekraftwerke gebaut werden, wenn mehr erneuerbare Energien eingespeist werden. In Wirklichkeit werden die großen Kohle- und Atomkraftwerke immer weniger ausgelastet, was die Gewinnmarge kürzt.


      Energy payback

      Letztlich muss mit dem alten, hartnäckigen Vorurteil aufgeräumt werden, die PV würde nicht einmal so viel Energie erzeugen, wie für ihre Herstellung nötig wäre. Das ist nicht nur falsch, sondern unterstreicht den großen Vorteil von PV.

      Man sagt ja, ein einziges Kohlekraftwerk erzeuge große Mengen an Energie, z.B. es habe eine Kapazität von 600 MW. Das klingt sehr stark. In der Tat verwandelt ein Kohlekraftwerk auf eine höchst ineffiziente Weise - sagen wir mal 30% - die über Jahrmillionen gespeicherte Sonnenenergie in Strom - der Rest ist Abwärme. Das Kohlekraftwerk "verwandelt" also viel mehr Energie, als für ihren Bau verbraucht wurde, aber es wird immer weit mehr Energie in ein solches Kraftwerk eingesteckt, als sinnvoll herauskommt. Das wird uns irgendwann aufgehen, spätestens wenn die Kohle alle ist (schätzungsweise in 2 bis 3 Jahrhunderten).

      Wir werden aber nicht erleben, dass die PV ohne Sonne nicht funktioniert, da wir vorher vor der wachsenden Sonne verdampfen werden (keine Angst, wir haben noch gut 1 Milliarde Jahre). Bis dahin sollten wir die Energiemenge, die die Sonne uns jeden Tag schickt - das 16.000-Fache unseres Weltenergiekonsums - nutzen. Auch in Deutschland fällt jährlich rund 1.000 kWh an Sonnenenergie auf ein Quadratmeter. Das entspricht in etwa dem jährlichen Konsum eines Durchschnittsdeutschen. Bei einem Wirkungsgrad von 12,5% könnte man also seinen Energiebedarf mit 8 Quadratmeter PV in Deutschland decken.

      Selbst Kritiker der PV wie ExxonMobil geben zu, dass eine PV-Anlage in zwei Jahren die Energiemenge produziert hat, die für ihre Herstellung notwendig war. Befürworter von PV wie Irm Pontenagel schätzen den "energy payback" von ganzen PV-Anlagen (inklusive Wechselrichter, Rahmen, usw.) etwas konservativer auf 3 bis 6 Jahre. Selbst dann erzeugt eine PV-Anlage das 5- bis 10-Fache der Energie, die für seine Herstellung notwendig war.

      So relativiert sich auch der Begriff Wirkungsgrad, denn ein Kohlekraftwerk (30%) ist eben nicht doppelt so effizient wie PV (15%): Uns wird die Kohle ausgehen, wenn wir sie verbrennen, aber wir können die Sonne nie überstrapazieren. Sie schenkt uns weit mehr, als wir annehmen können. Nehmen wir das Geschenk an!
      Avatar
      schrieb am 16.06.04 09:21:46
      Beitrag Nr. 1.709 ()
      Avatar
      schrieb am 19.06.04 13:46:27
      Beitrag Nr. 1.710 ()
      fed/ us - regierung verweigert der us - fluggesellschaft united airlines
      die bürgschaft über rd. 2 mia. usd.!
      (die sie zur sanierung dringend bräuchten, u. schon damit gerechnet haben ! blubb!)

      -----
      ich erinnere an eine 2 - malige kurzkommentierung& stellungnahme der fed; bzgl. mae & mac
      (=us -hypothekenfinazierer).
      aussage: keine kreditbürgschaft durch fed/ us - regierung !

      ergo:
      die fed weiss sehr wohl einzuschätzen, welch damoklesschwert über den hypotheken schwebt.
      wie ich schon vor monaten geschrieben habe, sitzen sie gewaltig in der scheisse:

      a) erhöhen sie die zinsen -würgen sie den konsum & das luxus-/ lotterleben der us bürger ab.

      b) erhöhen sie zu stark, kann es durchaus passieren, dass
      die japaner& chinesen, dies mit handkuss nutzen, um aus
      den massiven us - anleihen auszusteigen.
      (eine sichtweise, die selten einkalkuliert wird, die ich
      aber für durchaus reel halte !)

      c) egal wie sie erhöhen, wir sind jetzt noch 1 % punkt
      höher, u. gbp hat schon mehrmals in kl. schritten
      erhöht.

      conclusion:
      der dollar wird weiter (kontrolliert) fallen, der öl/gold/silberpreis weitersteigen -u. dies nichtmal primär
      wegen der inflationsraten.


      cu
      rightnow
      ps: bluemoons -wo bleibst du ?
      Avatar
      schrieb am 21.06.04 13:56:32
      Beitrag Nr. 1.711 ()
      Ist der Dollar am Ende?


      Die Vereinigten Staaten haben sich innert kurzer Zeit vom Weltbankier zum weltweit grössten Schuldner gewandelt. Noch halten die Staatsbanken Asiens den US-Dollar durch den Kauf von US-Staatsanleihen auf Kurs. Doch wenn die USA nicht mehr länger der Motor der globalen Nachfrage sind, muss der Euroraum in Aktion treten, und zwar bald. Nutzen die Europäer ihre Chance, könnte für die Amerikaner ein halbes Jahrhundert Dollar-Herrschaft zu Ende gehen, schreibt Niall Ferguson


      «Die Übereinkunft, wonach der Dollar als internationale Währung anerkannt wird, entbehrt inzwischen ihrer ursprünglichen Grundlage. Weil viele Staaten zum Ausgleich des amerikanischen Handelsbilanzdefizits Dollars akzeptieren, können sich die Vereinigten Staaten gratis im Ausland verschulden. Was die Vereinigten Staaten diesen Ländern schulden, bezahlen sie in Dollar, die sie nach Belieben drucken können . . . Diese beispiellose Fähigkeit hat zur Verbreitung der Idee beigetragen, der Dollar sei ein objektives, internationales Zahlungsmittel, tatsächlich jedoch ist er ein Kreditinstrument, das einem einzigen Staat gehört.»

      Dies sprach Charles de Gaulle im Jahre 1965 auf einer Pressekonferenz, die von Historikern oft als der Anfang vom Ende der internationalen Währungsstabilität der Nachkriegszeit bezeichnet wird. De Gaulle behauptete, die USA zögen unfairen Vorteil daraus, dass der US-Dollar die wichtigste internationale Reservewährung sei. Sie finanzierten ihr eigenes Zahlungsbilanzdefizit, indem sie dem Ausland Dollars verkauften, welche voraussichtlich an Wert verlieren würden.

      Das Bemerkenswerte an de Gaulles Analyse ist, wie gut sie auf die Rolle des Dollars im Jahr 2004 zutrifft - ironischerweise. General de Gaulle hatte beabsichtigt, den Dollar, falls möglich, von seiner Position als wichtigste Währung der Welt abzudrängen. Sicher, in Folge von de Gaulles Bemerkungen nahm der Druck auf den Dollar kontinuierlich zu. 1973, wenn nicht schon früher, war das (1944 in Bretton Woods ausgearbeitete) System von mehr oder weniger festen Wechselkursen tot, und für die Welt brach eine Ära variabler Wechselkurse und hoher Inflation an. Aber noch in den dunkelsten Tagen der siebziger Jahre behielt der Dollar seinen Status als Reservewährung. Tatsächlich ist er in dieser Rolle auch weiterhin so erfolgreich, dass einige Ökonomen unlängst von Bretton Woods II gesprochen haben; abermals mit dem Dollar als Schlüsselwährung. Doch wie lange kann sich dieser neue Dollar-Standard halten?

      Asiatische Dollars
      Die Existenz eines Dollar-Standards mag all jene Amerikaner überraschen, die sich mit dem Gedanken tragen, die Sommerferien in Europa zu verbringen. Bei einem Euro-Kurs von 1,18 Dollar (gegenüber 0,90 Dollar vor zwei Jahren) scheint es weit hergeholt, von einer neuen Ära der festen Wechselkurse zu sprechen. Doch Bretton Woods II ist kein globales System (ebenso wenig wie Bretton Woods I), sondern ein primär asiatisches System. Dollar-gestützt sind die Währungen Chinas, Hongkongs und Malaysias sowie, wenn auch weniger starr, die Währungen Indiens, Indonesiens, Japans, Singapurs, Südkoreas, Taiwans und Thailands.

      Es fällt nicht schwer zu erraten, dass die Nutzniesser eines solchen Systems, wie schon in den sechziger Jahren, primär die USA sind. In den letzten zehn Jahren ist das amerikanische Aussenhandelsdefizit für Waren, Dienstleistungen und Kredite dramatisch angestiegen. Zählt man die Defizite der letzten zwölf Jahre zusammen, erhält man Auslandsschulden von insgesamt 2,9 Billionen Dollar. Nach Angaben des US-Handelsministeriums entsprach die Netto-Auslandsverschuldung der USA Ende 2002 rund einem Viertel des Bruttoinlandproduktes. Noch 1988 waren die USA Nettogläubiger gewesen.

      Der rasche Wandel vom Weltbankier zum grössten Schuldner der Welt hat zwei Vorteile für die Amerikaner. Erstens konnten die US-Unternehmen in grossem Umfang investieren (besonders die IT-Branche), ohne dass die Amerikaner ihren Konsum einschränken mussten. Zwischen 10 und 20 Prozent der Investitionen in der US-Wirtschaft im letzten Jahrzehnt wurden mit ausländischem Kapital getätigt, so dass die Amerikaner selbst immer mehr ausgeben konnten. Die Pro-Kopf-Sparquote beträgt weniger als die Hälfte der Quote der achtziger Jahre.

      Fetter «Free Lunch»
      Der zweite Vorteil nimmt Gestalt an in Steuersenkungen. Der seit 2000 stark defizitäre US-Haushalt - laut IWF eine beispiellose Verschlechterung für Friedenszeiten - gründet im Wesentlichen auf ausländischem Kapital. Ohne diese Grundlage hätte die für die Finanzpolitik von Präsident Bush charakteristische Kombination von Steuersenkungen, gestiegenen Ausgaben und sinkenden Staatseinnahmen zu einem sehr viel höheren Zinssatz geführt. Veteranen der Nixon- und Reagan-Jahre können angesichts der verschwenderischen Haushaltspolitik, die die gegenwärtige republikanische Regierung ungestraft verfolgt, nur neidisch den Kopf schütteln. Sich derart zu verschulden und gleichzeitig Renditen für langfristige Anleihen von unter 5 Prozent zu geniessen, das kann man getrost als den fettesten «Free Lunch» der modernen Wirtschaftsgeschichte bezeichnen. Unter Präsident Bush sind sogar die Kosten des Schuldendienstes gesunken, obwohl die Gesamthöhe der Schulden gestiegen ist.

      Das hat ganz einfach damit zu tun, dass das Ausland bereit ist, die bemerkenswert teuren neuen US-Staatsanleihen zu kaufen. In den letzten zehn Jahren ist der Anteil der US-Schulden in ausländischer Hand von 20 auf fast 45 Prozent angestiegen. Wer kauft diese auf Dollar lautenden Anleihen, offenbar ohne ein Bewusstsein für die Gefahr, dass deren Wert ziemlich plötzlich fallen könnte? Es sind keine Privatinvestoren, sondern staatliche Institutionen - die asiatischen Staatsbanken.

      Zwischen Januar 2002 und Dezember 2003 wuchsen die Devisenreserven der japanischen Staatsbank um 266 Milliarden Dollar an. Diejenigen in China, Hongkong und Malaysia um 224 Milliarden Dollar, in Taiwan um mehr als 80 Milliarden Dollar. Dieses Geld wurde fast ausschliesslich in US-Dollar und Dollar-denominierten Anleihen angelegt. Allein im ersten Quartal dieses Jahres kauften die Japaner 142 Milliarden Dollar. Die asiatischen Zentralbanken lassen sich dabei von einem einfachen Motiv lenken: Sie wollen eine Aufwertung der eigenen Währung im Verhältnis zum Dollar verhindern - denn ein schwacher Dollar würde den Export eigener Produkte auf dem amerikanischen Markt behindern. Ohne diese Interventionen würde der Dollar im Verhältnis zu den asiatischen Währungen an Wert verlieren, genauso wie gegenüber dem Euro. Die asiatischen Zentralbanken sind aber entschlossen, alles zu tun, um einen festen Dollar- Kurs zu stützen.

      Bretton Woods II ist also ein asiatisches System von Dollar-gekoppelten Währungskursen, das dafür sorgt, dass die asiatischen Exporte in den USA konkurrenzfähig bleiben, während die Amerikaner ihrerseits eine scheinbar unerschöpfliche und günstige Kreditmöglichkeit haben, um im privaten und staatlichen Bereich gigantische Schulden anzuhäufen.

      Zumindest in einer Hinsicht ist die These von einer unbewussten Neuauflage von Bretton Woods überzeugend. Langfristig hat sich der Aussenwert des Dollars als erstaunlich stabil erwiesen. Anfang der achtziger und Ende der neunziger Jahre gab es Phasen der Überbewertung, doch immer wieder kehrte er zu einem Durchschnittswert zurück. Momentan liegt er bei weniger als 10 Prozent, unter der Marke von 1973. Wo sich das neue System vom alten unterscheidet, ist es zum Vorteil des neuen. Grundlage von Bretton Woods war die feste Goldparität des Dollars. Erinnern Sie sich noch an «Goldfinger»? Der Wohlstand der Ära des Kalten Kriegs beruhte auf den Goldreserven von Fort Knox. Damit war das System aber anfällig für ausländische Spekulanten, die, wie etwa de Gaulle, lieber auf Gold als auf Dollar setzten. Heute gibt es nur den Dollar. Das internationale Währungssystem ist auf Papier gebaut.

      Doch dies ist der Haken: Die Anhänger von Bretton Woods II scheinen ein System mit einer grenzenlosen, rosigen Zukunft vor sich zu sehen. Die Asiaten, so lautet ihr Argument, werden weiterhin Dollar und US-Staatsanleihen kaufen, weil sie unbedingt einen Wertverlust des Dollars vermeiden wollen und weil sie theoretisch grenzenlos eigene Währung drucken können, nur um Dollar-Käufe tätigen zu können. Und überhaupt: Warum soll das Ausland nicht in den USA investieren wollen? Nachdem dort der Aufschwung eingesetzt hat, seien die USA genau der richtige Ort für Investoren, wie mir Wall-Street-Analysten in den letzten Monaten immer wieder versichert haben. «Wo denn sonst?», fragte mich kürzlich ein Wall-Street-Banker nicht ohne eine gewisse Arroganz. «Etwa in Europa?»

      Diese optimistische, konventionelle Auffassung übersieht jedoch eine Reihe wichtiger Tatsachen. In den sechziger Jahren war das amerikanische Handelsdefizit unbedeutend. Sorge bereitete eher, dass die Amerikaner im grossen Stil im Ausland investierten, auch wenn dies mit dem Import von ausländischem Kapital wettgemacht wurde. Doch vor allem sorgte man sich darüber, dass die Dollarinvestitionen im Ausland den Goldbestand der US- Zentralbank übersteigen könnten. Heute verzeichnet Amerika enorme Defizite, sehr viel mehr ausländisches Kapital fliesst herein. Folglich sind die potenziellen Probleme für ein System von festen Wechselkursen wesentlich grösser.

      Welche Vorteile das System Bretton Woods auch hatte, es war nicht von langer Dauer. Zählt man nur die Jahre, in denen der Dollar und die grossen europäischen Währungen eine festgesetzte Goldparität hatten, dann waren es deren zehn; von 1958 bis 1968. Das asiatische Kind von Bretton Woods wird vermutlich ähnlich kurzlebig sein. Und sein Verschwinden dürfte ebenso unangenehme Folgen haben wie die Krise in der Mitte der siebziger Jahre.

      Der Dollar ist trotz all seiner mystischen Anziehungskraft keine Goldmünze. Seit dem Ende der Goldparität ist er kaum mehr als ein bedrucktes Papier, dessen Herstellung etwa drei Cent kostet. Das weltweit bekannte Design stammt aus dem Jahr 1957, und seitdem hat der Dollar inflationsbedingt 84 Prozent seiner Kaufkraft eingebüsst. Die Japaner werden lachen, wenn man sie dazu beglückwünscht, zum «Dollar-Standard» zu gehören. 1971 bekam man über 350 Yen für einen Dollar, heute sind es um die 100.

      Die Schwäche des Dollars hat bis zuletzt kaum eine Rolle gespielt. Wir haben ihm die gelegentlichen Kursverluste verziehen, weil es keine Alternative gab. Die schiere Grösse der amerikanischen Wirtschaft (die Preise so vieler Waren - von Öl bis hin zu Gold - werden in Dollar angegeben) bedeutet, dass der Dollar noch immer die führende Währung der Welt und die Berechnungsgrundlage internationaler Leistungsbilanzen ist.

      Doch kein Geldsystem hält ewig. Vor hundert Jahren war das Pfund Sterling die führende Währung der Welt. Die immense britische Verschuldung während des Ersten Weltkriegs und in der Folgezeit bot dem Dollar die Gelegenheit, gleichzuziehen und die Führungsrolle zu beanspruchen. Dieses Muster könnte sich wiederholen; im internationalen Geldwesen ist ein neues Kind aufgetaucht. Nur wenige Amerikaner haben begriffen, dass dieses neue Kind ein ernst zu nehmender Kandidat für den Spitzenjob ist.

      Was immer man politisch von der Europäischen Union halten mag, niemand kann leugnen, dass die von ihr geschaffene Währung das Zeug hat, dem Dollar als internationale Reservewährung Konkurrenz zu machen. Erstens ist das BIP von Euroland kaum tiefer als das der USA - 16 Prozent der Weltproduktion 2002; verglichen mit 21 Prozent in den USA. Zweitens weist die Eurozone, anders als die USA, einen Überschuss auf. Die europäische Nachfrage ist sehr gering. Und drittens (meiner Ansicht nach der wichtigste Faktor) sind seit Einführung des Euro mehr internationale Anleihen in Euro als in Dollar aufgelegt worden. Vor 1999 waren etwa 30 Prozent aller internationalen Anleihen in den Vorgänger- Währungen des Euro aufgelegt worden, mehr als 50 Prozent lauteten auf Dollar. In den letzten fünf Jahren liegen Euro-Anleihen bei 47 Prozent, Dollar- Anleihen bei 44 Prozent.

      Könnte dies der Wendepunkt sein? Bei einem Dinner, das eine der grössten US-Banken kürzlich in London gab, stellte ich die Frage: Wer glaubt, dass der Euro den Dollar als internationale Reservewährung ersetzen könnte? Nicht weniger als sechs Anwesende antworteten mit Ja und waren auch bereit, ihre Ansicht gegenüber den amerikanischen Gästen zu vertreten. Als ich einer kleineren Gruppe von Wall- Street-Bankern die gleiche Frage stellte, reagierten sie eher skeptisch. Einer meinte, dass der Euro bereits die Lieblingswährung des organisierten Verbrechens sei, weil die Europäische Zentralbank (anders als die Federal Reserve Bank in den USA, die nur noch Banknoten im Wert von höchstens 100 Dollar druckt) immerhin 500-Euro- Noten ausgibt. So kann man locker ein paar Millionen Euro in die Aktenmappe stopfen - was in bestimmten Gegenden Kolumbiens nützlich sein kann. Womöglich auch an der Wall Street.

      Millionen im Aktenkoffer
      Die Zukunft des asiatischen Bretton- Woods-Systems - und des Aufschwungs der US-Wirtschaft - hängt ab von der Bereitschaft der asiatischen Institutionen, weiterhin Dollars zu kaufen. Aber warum sollten sie das tun, wenn die japanische Wirtschaft offenbar aus ihrer deflationären Talsohle herauskommt? Jedenfalls konnten die japanischen Interventionen den Kursverlust des Dollars nicht aufhalten - in den letzten zwei Jahren hat der Yen (im Verhältnis zum Dollar) von 135 auf 110 zugelegt. Die Dollarguthaben der japanischen Staatsbank haben so an Wert verloren.

      Es mag für Asien langfristig wenig sinnvoll sein, sich auf den US-Markt zu verlassen. Der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers erklärte jüngst in einem Vortrag in Washington, dass den USA nichts anderes übrig bliebe, als mehr zu sparen, wenn man «das riesige Problem des geringen Sparvolumens lösen wolle, das zu einer Abhängigkeit von ausländischem Kapital geführt hat sowie zur fiskalischen Schwäche, die wir in den letzten fünfzig Jahren hatten». Die Welt, so Summers` Konsequenz, darf sich nicht länger darauf verlassen, dass die USA der führende Konsument sind. Was wiederum bedeutet, dass Staaten, die auf «ein exportorientiertes Wachstum bauen, sich in den nächsten Jahren umorientieren müssen».

      Das Dilemma der asiatischen Dollars ist die Gelegenheit für den Euro, wirtschaftlich wie politisch. Wenn die USA tatsächlich nicht mehr der einzige funktionierende Motor für die globale Nachfrage sind, muss der Euroraum in Erscheinung treten, und zwar bald. Allzu lange war die Preisstabilität der alleinige Orientierungspunkt für die Europäische Zentralbank. Sie hat sich nicht ausreichend mit dem Wirtschaftswachstum in Europa und der Welt auseinandergesetzt. Zu lange lag der Zinssatz der EZB einen Prozentpunkt über dem der Federal Reserve, obwohl Deflation für die wichtige deutsche Wirtschaft die grössere Gefahr ist, als sie es je für die USA war.

      Inzwischen ist ein Franzose Präsident der EZB. Vielleicht sollte Jean- Claude Trichet einen Blick auf die Geschichte werfen. Vor 39 Jahren geriet der Dollar unter Druck, als sich die USA in zunehmendem Mass in einen schmutzigen postkolonialen Krieg verwickelt sahen. Charles de Gaulle verkündete das Ende von Bretton Woods, weil dieses System, wie er sagte, die europäischen Staaten zwang, die amerikanische Inflation zu importieren. Heute ist der Moment gekommen, das Ende von Bretton Woods II auszurufen. Asiaten und Europäer müssen ihre Waren anderswo als in Amerika verkaufen. Und sie müssen sehen, dass die Entwicklung des Euro zu einer alternativen Reservewährung die Chance bietet, den Schwerpunkt der internationalen Wirtschaft nachhaltig zu verlagern.

      Nutzen die Europäer ihre Chance, könnte für die Amerikaner ein halbes Jahrhundert Dollar-Herrschaft zu Ende gehen. Ist das denn so wichtig? Gar keine Frage. Wenn nämlich asiatische Länder ihre Guthaben von Dollar auf Euro umstellen, werden die Amerikaner sehr viel mehr Mühe haben, den privaten und staatlichen Konsum zu einem (aus Sicht ausländischer Kreditgeber) niedrigen oder negativen Realzins zu finanzieren. (Es ist eine einfache Rechenaufgabe: Vor einem Jahr betrug die Rendite bei einer zehnjährigen US- Anleihe etwa 4 Prozent, doch im gleichen Zeitraum verlor der Dollar gegenüber dem Yen 9 Prozent an Wert.)

      Der Verlust dieser Subventionierung (faktisch ist es die Prämie, die das Ausland bezahlt, um die beliebteste Währung der Welt zu stützen) könnte teuer sein. Denn ein Anstieg der Zinsen auf ein Niveau, wie es der Ökonom Paul Krugman prognostiziert (Anleihen mit zehn Jahren Laufzeit bei 7 Prozent, Hypothekenzinsen bei 8,5 Prozent) hätte zwei verheerende Auswirkungen. Nicht für die grossen US-Unternehmen, die sich abgesichert haben (mehr als fünf Achtel aller nachgeordneten Aufträge operieren mit bestimmten Zinssätzen), sondern vor allem für die Bundesregierung und die Hausbesitzer. Die Fristenstruktur der Staatsschulden ist extrem kurz: 35 Prozent haben eine Laufzeit von weniger als einem Jahr, so dass höhere Zinsen sich quasi sofort als höherer Schuldendienst niederschlagen und im Haushaltsdefizit bemerkbar machen. Obwohl der Zinssatz schon vorsichtig anzieht, hat sich der Anteil neuer Hypotheken mit variablem Zinssatz von etwa 12 Prozent Ende 2002 auf 32 Prozent erhöht.

      Über die geopolitischen Implikationen dieses Sachverhalts darf getrost spekuliert werden. Ein Anstieg der US- Zinsen dürfte nicht nur den Aufschwung verlangsamen. Er könnte auch zu einer noch höheren Staatsverschuldung führen. Damit dürfte der Druck zunehmen, die verfügbaren Mittel zu reduzieren, und das heisst gewöhnlich: das Militärbudget. Es dürfte zunehmend schwieriger werden, einer Bevölkerung, die unter steigenden Schulden und einem unaufhaltsamen Haushaltsdefizit leidet, eine kostspielige Besatzung des Iraks schmackhaft zu machen. Die Europäer dagegen werden selbstbewusster auftreten. Nicht nur werden sie mehr Geld für Entwicklungshilfe und Friedenssicherung ausgeben als die USA, sie werden auch über die Währung der Welt verfügen.

      Solche historischen Wendepunkte lassen sich kaum eindeutig markieren. Es ist nicht klar, wann der Dollar das Pfund verdrängte. Doch dann ging alles sehr rasch. Nachdem der Euro schon so weit hochgeklettert ist, werden sich vielleicht schon bald die Ölproduzenten zusammensetzen und ihr schwarzes Gold in der europäischen Währung auspreisen (eine Vorstellung, die für antiamerikanische Produzenten wie Venezuela und Malaysia sehr attraktiv sein muss). Weltwährung bedeutet jedoch nicht Weltmacht. Die Europäische Union ist den USA als militärische Macht noch immer weit unterlegen. Aber der Verlust der führenden Weltwährung würde das wirtschaftliche Fundament der Militärmacht USA fraglos schwächen.

      Langsam wird sich Amerika der schrecklichen Konsequenzen des Niedergangs des Dollars bewusst. Der Geist des General de Gaulle wird seine späte Genugtuung geniessen.

      Der Schotte Niall Ferguson, 40, ist Herzog-Professor für Finanzgeschichte an der Stern School of Business in New York. Sein neustes Buch, «Colossus», erschien 2004 bei Penguin Press. Übersetzung: Matthias Fienbork.

      http://www.nzz.ch/2004/06/20/wi/page-article9O8UX.html
      Avatar
      schrieb am 21.06.04 14:05:25
      Beitrag Nr. 1.712 ()
      Avatar
      schrieb am 21.06.04 14:12:40
      Beitrag Nr. 1.713 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de

      ...und keiner ginge hin: 20.06.2004

      DIESE WOCHE
      Der Schock über die Europawahl sitzt tief, und der Spatz sucht nach der Ursache. Er überlegt, weshalb in manchen Ländern fast 85% der Wähler nicht wählten und findet wirtschaftliche Ursachen, über die nicht in den Massenmedien berichtet wird. Was also steckt hinter der so offenbar gescheiterten Vereinigung Europas? Warum hat sie die Menschen nicht in der Weise angesprochen, wie es einst die deutsche Einheit tat?


      Was noch, außer Wahlen?



      Die Ergebnisse der Europawahl dürften viele bedrücken und manchen aus lange gehegten Träumen wecken - mehr aber auch nicht. Es war zu erwarten, daß die Regierungsparteien wie die SPD hier, Labor in England oder die Konservativen in Frankreich etc. vom Wähler "abgestraft" werden würden und Parteien mit einem Hauch von Opposition sich würden halten können. So weit, so gut. Doch wo konnte der neue Hoffnungsträger "Europa" zünden? Wer "gewann" wie die oppositionelle CDU hat nur weniger Stimmen verloren als die anderen. Die für die Misere hauptverantwortlichen Grünen konnten ihre Wähler sogar halten. Protestparteien gewannen nichts dazu. Prozentzahlen sagen wenig, denn viele Prozente von wenig bleiben wenig. Das eigentliche Ergebnis war die Wahlbeteiligung.

      Im alten, gut angepaßten Europa ging die Mehrheit, nämlich 57% der Wahlberechtigten gar nicht erst zur Wahl. In den mit großem Tamtam neu hinzugefeierten, weniger angepaßten Osteuropäischen Ländern waren es noch mehr. Dort mieden im Schnitt 78% die Wahllokale, in Tschechien waren es sogar 84% und in Polen 85%. Die Mehrheit der Europäer hat mit den Füßen gegen Europa abgestimmt, aber wofür? Wahlen sind der Inbegriff westlicher Freiheit. Nun scheute man die Mühe, zur Wahl gehen. Linke Sprüche, rechte Sprüche, mit Europa, ohne Europa, aber praktisch keine Alternative. Es hilft nichts, ob man das Kreuzchen unten oder oben oder gar nicht macht. So viel zum Thema "Jede Stimme zählt" oder "verlorene Stimmen". Doch was hilft, nur den Bauch in die Sonne zu halten?

      Was hätte man durch Abstimmung ändern wollen? "Warum fragen Sie mich das?" entrüstet sich der Bauch in der Sonne, "Bin ich vielleicht Politiker?". Der Bürger neodemokratischer Gesellschaften kann zwischen der gleichen Zahlpasta in unterschiedlich gefärbten Verpackungen wählen. Was aber, wenn er sich einen anderen Inhalt wünscht? Den müßte er erst einfüllen. Dazu benötigte er vernünftige politische Vorstellungen, die die "realen" Belange der Mehrheit betreffen, und das Interesse und die Mitarbeit der Bevölkerung. "Wie die bekommen? Ohne Fernsehen? Das geht nicht!" Hier liegt das Problem.

      "Stell Dir vor, es wäre Krieg, und keiner ginge hin", konnte man vor Zeiten an Hauswänden lesen. Wahrscheinlich fanden das zu viele Leser "gut", weil es unterstellt, es würde etwas am Krieg ändern, ob man zu ihm hinginge oder er selbst käme, als wäre die Erfahrung der Bombennächte verblaßt? Auch die Parteien kommen nicht, aber ihre Politik kommt allmählich und wird selbst in der "Überflußgesellschaft" von Fall zu Fall immer unerträglicher.

      Die Einigung Europa hat sich als Ablenkung der Wähler nicht bewährt. Die Leute wollen wissen, weshalb es wirtschaftlich immer steiler bergab geht - als wäre ihre grüne Ideologie nicht schon Grund genug dafür. Umweltschutz war ein so erfolgreiches Politmanöver, weil es dem verbreiteten Neid gleich den Bösewicht mitgeliefert hat - nämlich ausgerechnet das, womit wir uns das Leben erleichtern und interessanter machen könnten, die Industrie. Wie besessen glauben die Leute: "Die wollen nur ihre Waren verkaufen" (und zwar genau so verkürzt irregeleitet wie beim verkürzten "Erhaltung der Arbeitsplätze" statt der sichergestellten Versorgung. Gewiß, ohne Verkauf geht es nicht ganz, aber an erster Stelle wollen sie Ihre zahlungsfähige Nachfrage möglichst weitgehend abschöpfen und das mit dem geringsten Aufwand, der geringstmöglichen Gegenleistung. Das läßt sich nach der "Privatisierung" der Versorgungsunternehmen (als ob ein Staatsbediensteter prinzipiell schlechter arbeiten würde als einer in einem privaten, bürokratischen Großbetrieb) am gewinnträchtigsten mit der "unelastischen" Nachfrage bewerkstelligen (also über die Kosten von Wasser, Energie, Gesundheitswesen und dann bald auch der Nahrungsmittel). Güter produzieren? Warum denn, wenn`s dank rot-grüner Ideologie auch anders geht. Da macht man sich die Hände und noch dazu die Umwelt schmutzig. Das hat sich auch bei den Managern der "Industrie" herumgsprochen. Die Folgen sind bekannt, aber nicht durchschaut.

      Die gemeinsame Wut auf vermutete Bösewichter hilft, Leute vom Wesentlichen abzulenken. Die Wiedervereinigung war ein Versuchslauf, das Gleiche auch ohne Bösewichter zu erreichen: Aufbau Ost, ohne daß etwas gebaut wird (von ein paar Straßen abgesehen, das meiste wurde abgerissen) - und schon glauben die Leute zu wissen, wo das Geld (oder das, was man dafür kaufen kann) geblieben ist, das ihnen fehlt. Es dauerte nicht lange und Ossies und Wessies posierten gegenseitig als Bösewichter.

      Nun sollte es die europäische Vereinigung bringen. Wird man demnächst Rumänen, Tschechen oder Polen dafür verantwortlich machen dürfen, daß es bei uns noch schneller bergab geht? Die Medien schüren die Wut auf Wirtschaftsasylanten, in dem sie "mutig" dagegen anschreiben, ohne der Angst ihrer Mitbürger vor dem Sozialabbau, vor dem wirtschaftlichen Niedergang anders als durch unglaubwürdige Aufschwungswerbung abzubauen. Da man der Angst nicht begegnen will, dürfte als nächstes großes Spiel das "Kaplan, Islamisten, Terroristen, Ausländer etc. (was sich gerade an Bösewichtern anbietet) Raus!" erst richtig angepfiffen werden. Dieses Spiel paßt besser zum Krieg gegen den Terrorismus als ein: Griechen, Rumänen, Polen etc. raus aus der EU! Es stärkt das brüchige Atlantische Bündnis und bindet von der proletarischen Arbeiterjugend über eifernde Christen bis zu den Nationalkonservativen unzufriedene Kräfte und hilft Denkanstrengungen zu vermeiden. Die wachsende Wut sucht sich Kanäle, wenn sie nicht in zielstrebiges, politisches Handeln umgesetzt wird. Wahlen sind weder das eine noch das andere.

      "Was soll die Schwarzmalerei! Gewiß, wir haben schwierige Zeiten, aber daran wird gearbeitet und die ersten Erfolge der Agenda 2010 sind schon in Sicht." Wo? "In Amerika zum Beispiel." Und wo dort? In Statistiken? Ja Amerika, Du hast es besser, hast Du es?

      Am 15. Juli mußte Greenspan, um FED-Chef bleiben zu dürfen, vor dem US-Senat Banking Committee Rede und Antwort stehen. Senator Sarbanes drückte seine große Sorge über die wachsende Arbeitslosigkeit, besonders die Langzeit-Arbeitslosigkeit so aus. "Die Situation hat sich in den letzten Monaten nicht wesentlich gebessert. Denn die "recovery" (der Aufschwung) schafft keine Arbeitsplätze und die Leute kommen nicht wieder in Arbeit" meinte der Senator. Greenspan wehrte sich und gab die Schuld, wie üblich, anderen, nämlich der zu großzügigen Arbeitslosenunterstützung, sie schaffe Arbeitslosigkeit. Man kann so etwas auch in unseren Talk-Shows hören. Es leuchtet ein. Wozu weiterdenken. Das Argument hat alles, was man braucht: einen (schwachen) Bösewicht, ein Motiv und auch gleich die nötige Maßnahme, noch dazu eine Einsparmaßnahme. (Wenn es auch Arbeitsscheue gibt, sind sie nicht das Problem).

      "Diese Wirtschaft ist die schlimmste Wirtschaft seid der großen Depression" pflichtete der republikanische Senator Bunning bei. Als die demokratische Variante zu Bush, Kerry, in der Washington Post (WaPo) vom 15.6. verkünden ließ, er werde die Arbeitslosigkeit zum Wahlkampfthema machen, bemerkte Steve Schmidt vom Bush Wahlkampfteam "Kerry`s pessimistische Einstellung hat negative Auswirkungen auf die Art, wie die Wähler die Wirtschaft sehen." Denn, das sagte er nicht ausdrücklich sondern "in, mit und unter" diesem Satz: Wähler sind blöde, sie spüren die Wirtschaft nicht in der eigenen Tasche, sondern erleben die Wirklichkeit mit den Augen der Propaganda (Medien). Also, was man ihnen nicht sagt, das glauben sie auch nicht - so einfach ist das für Politiker.

      Doch die (WaPo) hatte schon am Vortag den "Pessimismus" bestätigt. Im letzten Jahr sind die Preise infolge der Energiepreise deutlich angestiegen, nämlich bei Stahl um 21%, Kabel 53%, Stahlträger 150%, Sperrholz 167%, Holzbalken 20%, Zement 10%. Firmen, insbesondere Baufirmen zahlen bei Aufträgen drauf, die sie vor der Teuerungswelle angenommen haben. Bei den Endverbrauchern waren es (wir kennen das vom Teuro) angeblich nur 5%. Wegen dieses inflationären Preisdrucks spricht man vom nötigen Zinsanstieg. Ob der die Preise drücken kann und es überhaupt will?

      An der zahlungsfähigen Nachfrage kann es nicht liegen, sondern an der "finanziellen Alchemie, insbesondere dem wachsenden Einsatz von Hedgefonds" sagte Bill Groß, Chef der Investment Abteilung bei Pimco dem weltgrößten Bond Fund Manager am 17.6. in der Financial Times. Die Bank für Intern. Zahlungsverkehr in Basel berichtet, daß im ersten Quartal die Umsätze bei Derivaten (Wetten auf Preisbewegungen, betroffen insbesondere sogenannten "fixed income" Derivate, die sich den Ertrag der festverzinslichen Papiere beziehen) gegenüber dem Quartal davor um 31% gestiegen seien und zwar auf 272 Billionen US$ (engl. Trillion). Darin sind OTC-Verträge, die nicht in den Büchern geführt werden, nicht enthalten. Der Anstieg war mit 122 Billionen in Europa am größten + 53%, in den USA waren es 112 Billionen + 20% und in Asien lag er bei 11 Billionen und stieg um 8%. Auch "die Umsätze auf dem Europäischen Geldmarkt waren ungewöhnlich lebhaft, sie stiegen um nahezu 60% auf 102 Billionen".

      Dann sagte der Pimco-Mann noch "Bei all den Schulden der Konsumenten, der Firmen, der Regierungen haben schon geringfügige Änderungen der Zinsen gewaltige Wirkungen, schon wenig kann das Boot zum Kentern bringen". Und dann? Dieser Mann jongliert ein Vermögen (nicht sein eigenes) von 400 Mrd. US$. Er gehört zu den wenigen Menschen, deren Meinung den Markt in Bewegung bringen kann. "Wenn die USA sich nicht Bond-Investitionen gegenüber freundlich erweist, nehmen wir unser Geld und gehen damit irgendwo anders hin." Im Monat April mußten die USA ein Handelsbilanzdefizit von 48,33 Mrd. finanzieren, berichtete das Wirtschaftsministerium. Es handelte sich um den 4. Monatsrekord im Jahr 2004. Das heißt das Defizit steigt von Monat zu Monat. Bezahlt wird es vom Ausland, wenigstens bis zu den Imperator-Wahlen im November.

      Was ließe sich mit dem allein im Derivate-Handel hin und her schwappenden Geld alles Schönes und Nützliches machen? Alle könnten zu essen haben. Die Terroristen wären voll damit beschäftigt, Meerwasserentsalzungsanlagen zu bauen und ihr trockenes Land in eines umzuwandeln, in dem "Milch und Honig fließen". Es könnte so sein, ist aber nicht, weil die in der Gesellschaft Maßgeblichen es nicht wollen und die Demokraten (damit ist nicht die so genannte Partei gemeint) kein Maß vorgeben. Das Spiel geht weiter von Fall zu Fall - da hilft auch kein "Europa" - so lange wir es weiter gehen lassen, weil wir die falschen politischen Parteien haben (finanzieren und wählen).
      Avatar
      schrieb am 21.06.04 14:17:00
      Beitrag Nr. 1.714 ()
      Skandal in weiß
      Uniklinik Gießen bei Medikamententests im Zwielicht



      Autoren: Jacqueline Paus, Herbert Stelz und Kamil Taylan

      Auf einer Landstraße bei Gießen in der Nacht - Ende der 80er Jahre. Ein junges Paar verunglückt. Der Rettungswagen kommt um 4:30 Uhr. Die schwerverletzte junge Frau wird in das Gießener Universitätsklinikum gefahren. Notoperation. Danach wird die 23-Jährige auf die Intensivstation gebracht. Vier Tage liegt sie dort im Koma. Dann taucht ein Arzt auf: Er will an der Frau schon zugelassene Medikamente in einer neuen Dosierung und Kombination testen. Dabei legt er der Patientin einen sogenannten Rechtsherzkatheter. Eine Einwilligung der Angehörigen habe der Mediziner nicht eingeholt, berichtet uns ein anderer Arzt, der dabei war. Aus Angst will er nicht erkannt werden. Nennen wir ihn Doktor M.

      "Die Patientin verstarb. Der Versuch war fahrlässig und unärztlich."
      [plusminus liegt eine eidesstattliche Erklärung des Mediziners vor: "Er entschied sich für diesen risikoreichen Zugang. Eine typische Komplikation dieses Zuganges ist die Verletzung der Lunge. Dies geschah auch in diesem Fall. Und der ohnehin stark verletzte Lungenanteil stand für den Gasaustausch nicht mehr zur Verfügung. Die Patientin verstarb. Dieser Versuch war für die Frau ein zusätzliches Risiko. Er war für die Behandlung der Patientin nicht erforderlich, nicht sinnvoll und nach meinem Dafürhalten grob fahrlässig und völlig unärztlich." Aufgrund dieser Aussage ermittelt die Staatsanwaltschaft Gießen seit Anfang des Jahres. Vor zwei Wochen dann Großrazzia in 23 Krankenhäusern, Praxen und Privaträumen. Die Ermittler suchen nach Patienteneinwilligungen.

      Versuche bis in jüngster Zeit?
      Die Staatsanwaltschaft in Gießen hat den Verdacht, dass sich solche Versuchsreihen ohne Patienteneinwilligung nicht nur auf die 80er und 90er Jahre beschränken. "Zunächst waren wir nur davon ausgegangen, dass solche Versuche bis Beginn der 90er Jahre stattgefunden hatten. Aufgrund neuerer Erkenntnisse haben wir den Verdacht, dass diese Versuche bis in jüngerer Zeit praktiziert worden sind. Deshalb ist nun auch für diesen Zeitraum der Vorwurf der Körperverletzung, gegebenenfalls auch der Körperverletzung mit Todesfolge, zu prüfen", sagt Volker Kramer, Leiter Staatsanwaltschaft Gießen. [plusminus hat heute noch einmal bei der Staatsanwaltschaft nach Patienteneinwilligungen gefragt: Die Antwort: bis jetzt liegen keine vor.

      Arzneimittelgesetz: Keine Studie ohne Aufklärung
      Wir erkundigen uns im Zentrum für klinische Studien in Freiburg. Dort erklärt man uns, dass laut Arzneimittelgesetz seit 1976 keine Studie an Patienten ohne vorheriges Aufklärungsgespräch und ohne Patienteneinwilligung durchgeführt werden darf. Wir erfahren, wie ein solches Aufklärungsgespräch auszusehen hat. Der Arzt erklärt dem Patienten genau, worum es in der Studie geht und welche Nebenwirkungen und Risiken bestehen. Dann gibt der Patient seine schriftliche Einwilligung. Er kann sich aber jederzeit ohne Angabe von Gründen entschließen, die Teilnahme an der Studie zu beenden. Dass die Einwilligungen der Patienten in Gießen verschwunden sein sollen, kann der Leiter des Zentrums für Klinische Studien, Professor Herbert Maier-Lenz, nicht nachvollziehen. "Die Patientenaufklärung selbst muss über 15 Jahre aufbewahrt werden. In der Studienakte, beim Prüfarzt. Die Krankenakten müssen von der Klinik noch viel länger aufgehoben werden. Es ist völlig unverständlich, dass das nicht mehr aufzufinden ist", erklärt Professor Herbert Maier-Lenz.

      "Eindeutig ein krimineller Akt"
      Nach Recherchen von [plusminus gibt es zahlreiche weitere Studien, bei denen der Verdacht besteht, dass sie ohne die Einwilligung der Patienten durchgeführt worden sind. Unser Augenzeuge Dr. M. bestätigt uns, dass es am Klinikum auch Versuche mit nicht zugelassenen Medikamenten ohne Patienteneinwilligung gab. Festgehalten in seiner eidesstattlichen Versicherung: "Ich selbst habe bei vielen Versuchen dabei gestanden und habe auch selber eine Versuchsreihe durchgeführt. Die Studie umfasste mehrere Patienten. An ihnen sollte getestet werden, wie sich die Kombination von verschiedenen Anästhetika auswirkt. Anzumerken ist, dass dieses Medikament zu diesem Zeitpunkt nicht zugelassen war. Die Patienten wurden weder über diese Versuchsreihen aufgeklärt, noch haben sie ihre schriftliche Einwilligung dazu abgegeben. In meiner Laufbahn am Universitätsklinikum bin ich nie darüber aufgeklärt worden, dass Patienten ihre Einwilligung zu Experimenten geben müssen." Diese Aussagen bewertet Professor Maier-Lenz, Leiter des Zentrums für Klinische Studien in Freiburg, so: "Also, wenn ich mal unterstellen müsste, dass in Gießen tatsächlich klinische Studien ohne Einwilligung und Aufklärung der Patienten durchgeführt wurden, dann ist das ganz eindeutig ein krimineller Akt."

      "Die Ethikkommission - das bin ich"
      In der Tat wäre es ein krimineller Akt, wenn in Gießen Studien ohne Patienteneinwilligung und an der Ethikkommission vorbei gemacht worden wären. Die Ethikkommission ist ein Gremium an jeder Uniklinik, die jede Studie unter ethischen Gesichtspunkten prüft und genehmigt. Der Anästhesiechef Professor Hempelmann ist mittlerweile vom Dienst suspendiert - wegen des Vorwurfs von illegalen Versuchsreihen und des Abrechnungsbetruges in Millionenhöhe. Kein Interview des beschuldigten Professors nur eine Pressemitteilung: "Die Behauptung, dass jahrelang Experimente an nichtsahnenden Patienten durchgeführt worden sein sollen, ist defintiv falsch." Andere ehemalige Ärzte der Abteilung Hempelmann haben uns bestätigt, dass man es nicht so eng sah mit der Einwilligung von Patienten. So habe Professor Hempelmann, oft gesagt: "die Ethikkommission - das bin ich". Auch sei jede Studie über seinen Tisch gelaufen.

      Tausende Studien unnötig?
      Fehlende Patienteneinwilligungen - das eine Problem. Das Andere: der wissenschaftliche Wert von Tausenden von Studien ist fraglich. "Wir brauchen weniger Studien und wir brauchen bessere Studien. Ich glaube, dass 80 Prozent der klinischen Prüfungen, die in Deutschland in den letzten 20 bis 30 Jahren durchgeführt wurden, verzichtbar gewesen wären", sagt Professor Herbert Maier-Lenz, Leiter des Zentrums für Klinische Studien in Freiburg. Immer mehr Ärzte kritisieren den Wildwuchs an Studien in unserem Land. Die Lösung wäre ein zentral geführtes Register, das für jedermann einsehbar ist.



      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 15. Juni 2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      http://static.hr-online.de/fs/plusminus/20040615_uniklinik_g…

      Informationen:

      Adressen:

      Universitätsklinikum Freiburg
      ZKS - Zentrum Klinische Studien
      Professor Herbert Maier-Lenz
      Elsässer Straße 2
      79110 Freiburg
      Telefon: 0761/270-7384 od. 7385
      Internet: www.zks.uni-freiburg.de

      Informationen zu Klinischen Studien im Internet:

      Für Ärzte: Deutsches Cochrane Zentrum
      Für Laien: Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin


      Der Fall im Rückblick:



      Gießener Chefarzt nach heimlichen Medikamententests suspendiert (hr-online vom 5. Juni 2004)

      Affäre in Gießener Uni-Klinik: Chefarzt will gegen Suspendierung klagen (hr-online vom 7. Juni 2004)

      Medikamententest: Gießener Ärzte protestieren gegen "Vorverurteilung" (hr-online vom 12. Juni 2004)


      [plusminus-Linktipps:
      Ausgewählte Stellungnahmen zum Gesetzgebungsverfahren zur 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes.



      12. Änderung des Arzneimittelgesetzes (Beschluss des Bundestages)

      Verordnungsentwurf zur "Guten Klinischen Praxis" bei klinischen Arzneimittelprüfungen

      Uni Heildelberg zur Novelle

      Ärzteblatt zur Novelle

      Journalmed zur Novelle

      SPD-Fraktion zur Novelle

      Unionsfraktion zur Novelle
      Avatar
      schrieb am 21.06.04 14:21:56
      Beitrag Nr. 1.715 ()
      Geld weg!
      Warum Betrug mit Überweisungen auf dem Vormarsch ist

      Autor: Sven Herold

      Christian Meißner in seiner neuen Eigentumswohnung. Der 68-jährige Rentner ist Opfer von Bankbetrügern geworden. Alles fing an mit einer ganz normalen Überweisung. "Es stand eine Restsumme aus, die noch zu bezahlen war. 46.000 Euro für den Wohnungskauf. Die habe ich per Überweisung anweisen wollen", erzählt Bankopfer Christian Meißner. [plusminus zeigt er den Durchschlag seiner 46.000 Euro Überweisung. Den Origninal-Beleg hat er an Pfingsten bei seiner Volksbank in den Briefkasten geworfen - das Geld wurde zwei Tage später auch bei ihm abgebucht. "Mehr war erst einmal nicht. Doch dann erfuhr ich, dass diese Geldsumme andere Wege gegangen ist, als es mir vorschwebte. 46.000 Euro waren erst einmal weg", sagt Rentner Christian Meißner.

      Briefkasten geplündert, Überweisung geklaut
      Wie, einfach weg? Das soll uns der Vorstand seiner Volksbank in Syke mal genauer erklären. "Dafür haben wir zunächst noch keine Erklärung. Wir vermuten, dass die Täter den Briefkasten geplündert haben und nach einer hohen Überweisung gesucht haben. Dann wurde die Unterschrift gefälscht. So wurde, wie ich glaube, mit einer sehr guten Fälschung, die Kontrolle unserer Mitarbeiter übergangen", sagt Werner Schierenbeck, Vorstand der Volksbank Syke. Als Empfängeradresse hat der Täter einfach ein anderes Konto eingetragen. Dieses hatte er wenige Tage zuvor bei der Nassauischen Sparkasse in Frankfurt eröffnet. Unter falschem Namen, mit falschen Papieren und falscher Adresse.

      Lasche Kontrollen bei den Banken
      Ein Bankkunde mit fingierter Identität - wieso sind die Kontrollen bei der Kontoeröffnung so lasch? "Das ist bei der Vielzahl der Konten, die wir täglich eröffnen und schließen, bei der Vielzahl der Kontovorgänge gar nicht möglich, alles im Einzelfall zu überprüfen. Im Interesse unserer Kunden versuchen wir die Wartezeiten kurz zu halten", sagt Daniela Gramlich von der Nassauischen Sparkasse. Im Klartext: Keine Überprüfung der persönlichen Daten! Wunderbar für die Betrüger! Sie überwiesen sich die geklauten 46.000 Euro von Herrn Meißner und ließen sich diese noch am selben Tag in bar auszahlen. Ohne weitere Nachfragen der Bank, nicht mal einen Ausweis mussten sie vorlegen.

      Zunahme der Fälle um über 250 Prozent
      Allzu laxe Sicherheitsvorkehrungen bei den Banken. Das bringt den ermittelnden Hauptkommissar Gerhard Götz auf die Palme. In seiner Abteilung bei der Kripo Frankfurt haben die Fälle von Überweisungsbetrug in nur einem Jahr um über 250 Prozent zugenommen. Er versteht nicht, dass die Banken von den Betrügereien nichts merken. "Kurz vor solchen Betrügereien wird das Konto eröffnet, es gibt keine größeren Kontobewegungen. Dann kommt eine große Überweisung und die Kunden lassen sich das Geld bar auszahlen. Da müssten eigentlich alle roten Lampen bei den Banken angehen", sagt Gerhard Götz von der Kriminalpolizei in Frankfurt. Fremde Konten leeren - so einfach? [plusminus unterwegs mit versteckter Kamera. Wir machen den Test: Wie genau nehmen es Banken mit den handschriftlich ausgefüllten Überweisungsformularen? Alles was wir haben sind Kontonummern und Bankleitzahlen von Kollegen. Damit füllen wir die Vordrucke aus. Wir unterschreiben jeweils mit dem Namen, nicht aber in der wirklichen Handschrift - gut zu erkennen, unten unsere Fälschung oben das Original.

      [plusminus testet die Sicherheit von Überweisungen
      Die so ausgefüllten Belege werfen wir bei den Banken ein, geben sie sogar direkt am Schalter ab. Kaum zu glauben: Aber schon wenige Tage später sind die Beträge verbucht. Überwiesen von fremden Konten auf unser eigenes. Außer einem gefälschten Beleg über 4.000 Euro. Hier hat die Deutsche Bank die Überweisung verweigert. Nicht aber wegen der falschen Unterschrift, sondern weil wir schlicht die Bankleitzahl vergessen hatten. Zu unserem Erstaunen steht unten: Unterschrift geprüft! Da zeigt sich auf sehr plastische Weise, wie genau es Banken bei den Kontrollen nehmen. Dazu Gerhard Götz, Kriminalpolizei Frankfurt: "Wir müssen im Grunde die Dinge ausbaden, die die Banken aus Kostenüberlegungen einführen - wie die Personaleinsparungen bei den Überprüfungen. Und anschließend hat man dann eine Zunahme der Betrügereien und anhand der statistischen Zahlen sieht man ja wohin das führt."

      "Sicherheit? Da muss ich passen!"
      Unwirksame Unterschriftenkontrolle, weil das den Banken schlicht zu teuer ist. Zwar versprechen die Institute Schäden generell auszugleichen - was aber, wenn den Kunden Kleinstbeträge gar nicht auffallen, weil sie ihre Kontoauszüge nur stichprobenartig kontrollieren. Vom Zentralen Kreditausschuss, dem Sprachrohr für alle Banken und Sparkassen, will [plusminus wissen: Ist eine Unterschrift als Sicherheitsmerkmal bei Überweisungen mit hohen Geldbeträgen geeignet? Oder müsste es weitere Sicherungsvorkehrungen geben? "Da muss ich passen", antwortet Michaela Roth, Zentraler Kreditausschuss, auf diese Frage. Passen bei der Sicherheit - das kann ja wohl nicht wahr sein. Immerhin: Einige Institute darunter auch die Volksbank von Herrn Meißner wollen jetzt zumindest Blanko-Formulare aus den Ständern nehmen und nur noch auf Anfrage herausgeben. Dem Rentner hat die Bank seine 46.000 Euro übrigens umgehend erstattet, der Betrug war zu eindeutig. Aber dennoch, sein Vertrauen in die sicher geglaubten Überweisungen hat er verloren. "Ich werde das in dieser Form und dieser Höhe nie mehr machen. Meine Überweisungsträger gebe ich in Zukunft immer persönlich am Schalter ab. Ob ich dann sicher bin, dass sie entsprechend richtig behandelt werden, ist eine andere Frage", lautet Christian Meißners Fazit.



      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 15. Juni 2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.



      Der [plusminus-Tipp:
      So können Sie sich schützen:


      1. Kontoauszüge regelmäßig kontrollieren, bei auffälligen Transaktionen Rücksprache mit der Bank halten.

      2. Bankdaten vertraulich behandeln, nicht auf Postkarten schreiben (wie etwa Versandhandels-Bestellungen) oder gar auf die Visitenkarte.

      3. Besser auf Online-Banking umstellen oder Überweisungs-Automat benutzen und Papierüberweisungen vermeiden.

      4. Papierüberweisungen am Schalter abgeben, auch wenn das die Banken nicht immer wollen.

      5. Belege wie Kontoauszüge nicht achtlos wegwerfen. Mülleimer neben Kontoauszugsdruckern können wahre Fundgruben für Abzocker sein. Auch wenn keine Umsätze auf dem Kontoauszug sind, finden Betrüger zumindest Kontonummer und Name.

      6. Lastschriftbelege bei Bezahlung mit EC-Karte nicht wegwerfen. Auch dort werden Bankverbindungen aufgedruckt oder es findet sich sogar die Unterschrift in Kopie darauf.

      7. Geschäftsleute sollten mit der Bank ein Limit für Überweisungen vereinbaren - darüber hinaus erfolgt die Überweisung nur nach telefonischer Rückfrage.

      8. Unternehmer sollten die Angabe von Kontodaten auf Briefköpfen überdenken. Es bietet sich an, ein Eingangskonto zu eröffnen. Von diesem Konto werden keine Abbuchungen vorgenommen. Geld abgebucht wird von einem anderen Konto. Das verhindert auch später rechtliche Probleme mit der Bank.

      9. Wenden Sie sich bei Betrugsverdacht an Ihre zuständige Kriminalpolizei. Dort hilft man bei Sicherheitsfragen gerne weiter.


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      http://static.hr-online.de/fs/plusminus/20040615_ueberweisun…
      Avatar
      schrieb am 21.06.04 14:26:32
      Beitrag Nr. 1.716 ()
      Wussten Sie schon, ...
      ... dass der Entwurf für eine «EU-Verfassung»


      ohne unmittelbaren demokratischen Auftrag entstanden ist,
      in Deutschland nicht vom Volk abgestimmt werden soll,
      eine Art Mammut-Bundesstaat schafft und praktisch die Eigenstaatlichkeit der bisherigen Mitgliedstaaten auflöst,
      die Verfassung und das EU-Recht über nationales Recht, d.h. auch über das Grundgesetz stellt,
      vorsieht, dass in der Regel gegen den Willen von Mitgliedsstaaten entschieden werden kann (noch mehr Souveränitäts- und Demokratieverlust),
      den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eigenständiger Aussen- und Sicherheitspolitik nimmt,
      die Aufrüstung und Militarisierung der EU fördert,
      mit der Übernahme des Euratom-Vertrages auf die Atomenergie (u. Atomrüstung) setzt,
      die Globalisierung als Prinzip mit Verfassungsrang formuliert,
      Parteien auf EU-Ebene die entscheidende politische Macht gibt,
      keine Volksentscheide auf europäischer Ebene kennt,
      keine ausdrückliche Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle kennt und statt dessen von «loyaler Zusammenarbeit» der EU-Organe spricht,
      positiv besetzte Begriffe mit neuen Inhalten füllt, zum Beispiel:
      - von Europa spricht und die EU meint,

      - von Demokratie spricht und ein Obrigkeitsgebilde mit der Vormacht exekutiver Gewalten (EU-Kommission und Ministerrat) meint,

      - von Freiheit spricht und Globalisierung meint,

      - von Subsidiarität spricht und Zentralisierung meint

      - als «Vorbild in der neuen Weltordnung» geplant ist?

      Flugblatt einer süddeutschen Bürgerinitiative gegen die EU-Verfassung


      Zeit-Fragen Nr.23 vom 14.6.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 21.06.04 14:28:21
      Beitrag Nr. 1.717 ()
      Artikel 8: Zeit-Fragen Nr.23 vom 14.6.2004

      Rüstungsausgaben steigen weltweit auf 775 Milliarden Euro


      Der kalte Krieg ist Geschichte - und doch steigen weltweit die Rüstungsausgaben markant. Ursache: der «Krieg gegen den Terror» in Afghanistan und im Irak. Laut einer neuen Studie stiegen die Ausgaben vergangenes Jahr um 11 Prozent. Die Hälfte der Ausgaben in Höhe von 775 Milliarden Euro trugen die USA. Ausschlaggebend für die «markante Aufwärtsentwicklung» sind die massiven Aufrüstungen in den USA seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, schreibt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri (Stockholm International Peace Research Institute) in seinem veröffentlichten Jahrbuch 2004.

      Die Ausgaben der hochentwickelten Staaten für militärische Zwecke zusammen liegen derzeit zehnmal so hoch wie ihre Leistungen für die Entwicklungshilfe (2001) und höher als alle Auslandsschulden der armen Länder zusammen, heisst es in dem Jahrbuch.

      Auch beim internationalen Waffenhandel ermittelte das schwedische Institut 2003 eine deutliche Umkehr des vorher überwiegend rückläufigen Trends. Russland und die USA waren dabei Hauptexporteure, China und Indien sind die Hauptabnehmerländer für russische Waffen. Taiwan, Ägypten, Grossbritannien, Griechenland, die Türkei und Japan sind die wichtigsten US-Kunden. Deutschland rangierte im vergangenen Jahr mit einem Anteil von 6 Prozent der weltweiten Rüstungsexporte an vierter Stelle hinter Russland, den USA und Frankreich.

      Für die kommenden Jahre erwarten die Stockholmer Friedensforscher im Rüstungshandel eine weitere Stärkung der US-Position bei rückläufigen Marktanteilen für Russ-land. Auch sei damit zu rechnen, dass der anhaltende Anstieg bei den US-Staatsausgaben für militärische Zwecke die Verteidigungshaushalte weltweit «nach oben treiben» werde. Dies werde sich aber in einem langsameren Tempo vollziehen, weil es «langfristig zweifelhaft erscheint, ob die derzeitigen Raten wirtschaftlich und politisch tragbar sind».

      Als alles beherrschendes sicherheitspoli-tisches Ereignis des vergangenen Jahres wird in dem Jahrbuch der von den USA begonnene Irak-Krieg eingestuft. Die britische Sipri-Chefin Alyson Bayles meinte dazu: «Die erfolgreiche Besetzung einer Nation mit 23 Millionen Menschen zu niedrigen Kosten hat die einzigartige Stärke der USA gezeigt. Die Nachwirkungen zeigten eher ihre Grenzen und den begrenzten Sinn militärischer Macht generell auf.»

      Von den weltweit 19 im letzten Jahr geführten Kriegen wurden nur die Konflikte im Irak und in Kaschmir zwischen Staaten ausgetragen. Acht der ansonsten rein innerstaatlichen Kriege fanden in Asien und vier in Afrika statt. In Burundi, der Elfenbeinküste, Indonesien, Liberia und auf den Philippinen habe sich das Potential für eine «plötzliche und massive Eskalation» dieser Konflikte gezeigt. Dasselbe gelte für Afghanistan mit erneut zunehmenden Aktivitäten der Taliban im vergangenen Jahr.

      Quelle: Spiegel Online vom 9.6.2004



      Artikel 8: Zeit-Fragen Nr.23 vom 14.6.2004, letzte Änderung am 15.6.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 21.06.04 14:28:59
      Beitrag Nr. 1.718 ()
      Avatar
      schrieb am 21.06.04 14:48:43
      Beitrag Nr. 1.719 ()
      Die neuen Knappheiten in der Wirtschaft der Informationsgesellschaft

      Erik Händeler 20.06.2004
      Babylonische Sprachverwirrung der Kondratieff-Ökonomen


      Das Ungeheuer von Loch Ness bleibt im Gespräch - obwohl seine Existenz keiner bewiesen hat, und jene, die das Wesen gesehen zu haben behaupten, es höchst unterschiedlich beschreiben. Kein Wunder, dass die meisten Zeitgenossen das Phänomen in das Reich der Fabelwesen verweisen. Mit den 40 bis 60 Jahre langen Konjunkturwellen, die seit Schumpeter nach dem russischen Konjunkturforscher Nikolai Kondratieff (1892 - 1938) benannt sind, scheint es genauso zu sein: Die einen sehen die Weltwirtschaft nun vor dem langen Aufschwung eines "Multimedia-Kondratieffs"; andere prognostizieren im Gegenteil einen langen Abschwung, weil die Informationstechnik nicht mehr so stark wächst wie bisher. Die einen sehen Einzelinnovationen wie Radio oder Flugzeug als "Basisinnovation"; andere lassen nur jene Erfindungen als Basisinnovation gelten, die die Wirtschaft alleine auf ein neues Niveau heben.






      Viele Generationen von jungen Doktoranden sind enthusiastisch ausgezogen, lange Wellen in makroökonomischen Zahlenreihen von Preisen, Zinsen oder dem Bruttosozialprodukt nachzuweisen, um am Ende zu den schärfsten Kondratieff-Gegnern zu mutieren, weil sich darin langen Wellen nicht durchgehend finden lassen; anderen sind diese Verfahren egal und sie suchen Kondratieffwellen in den Veränderungen am Markt und in der Gesellschaft. Die Sprachverwirrung könnte kaum babylonischer sein.

      Das liegt zum einen daran, dass die Aufsätze, die Nikolai Kondratieff 1926 und 1928 im Berliner "Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik" veröffentlichte, keiner mehr im Original gelesen hat. Zwar hatte auch er statistische Daten bemüht, aber nur das hat der Mainstream später weiterverfolgt. Im Mittelpunkt seiner Theorie steht jedoch Produktivität, die sich nicht gleichmäßig entwickelt - das ist ein wesentlicher Grund für die schwankenden Gewinne der Unternehmer und damit für die Schwankungen der Wirtschaft. Bisher, in der alten Industriegesellschaft, haben technisch-materielle Innovationen unseren Wohlstand auf eine neue Ebene gestellt und neue Arbeit lohnenswert gemacht: die Dampfmaschine etwa, der elektrische Strom oder die Informationstechnik.


      Dynamik der Marktwirtschaft






      Diese Schübe werden seit der Industriellen Revolution von vielen Indikatoren - Zinsen, in Löhnen, Bankeinlagen oder der Produktion einzelner Industriezweige - zwar nicht 1:1 wiedergegeben, aber zumindest vage widergespiegelt. Die Ursachen dafür vermutete Kondratieff nicht in äußeren Einflüssen wie Kriegen, Revolutionen oder neuen Goldfunden, wie seine Kritiker meinten: Nein, nicht neue Goldfunde lösten eine lange Welle aus, sondern weil in einem langanhaltenden Aufschwung die Goldnachfrage wächst, wird es schließlich wieder wirtschaftlich, neue Goldfelder zu erschließen. Und nicht Revolutionen und Kriege lösten lange Wellen aus (wenn sie diese auch unterstützen könnten), sondern weil eine lange Boomzeit von verschiedenen Ländern und Gesellschaftsgruppen unterschiedlich gut genutzt wird, kommt es zu innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Spannungen, die sich in Revolutionen und Kriegen entladen. Sie seien daher nur Auswirkungen der langen Konjunkturwellen. Sie sind umfassend in allen Lebensbereichen zu spüren: In der Kunst herrschen im Abschwung eher Formen wie Romantik und Historismus vor, während die Gesellschaft im Aufschwung liberaler wird - Jugendstil, Beatles-Zeit.

      Ursache, so Kondratieff, ist die der Marktwirtschaft innewohnende Dynamik selbst: Jede Produktionsweise stößt einmal an ihre Grenzen. Irgendwann ist ein Faktor so knapp, dass weiteres Wachstum zu teuer ist, sich also ökonomisch nicht mehr rentiert. Beispiel: Als eine Dampfmaschine einen mechanischen Webstuhl antrieb, war er zuerst um den Faktor 200 produktiver als ein Spinnrad (also nicht um 200 Prozent, sondern 200 Mal so produktiv). Textilien wurden viel billiger, die Bevölkerung konnte mehr erstehen. Ressourcen wurden frei, die gewaltigen Investitionen (Bergwerke, Kanäle) zu finanzieren, aber auch, um neue Bedürfnisse zu erschließen. Die Investitionen steigerten mit der Produktivität auch die Unternehmensgewinne, so dass sich die gestiegenen Kapitalkosten gut bezahlen ließen. Irgendwann jedoch war der Transport von Kohle, Erz und Industriegütern zu teuer - es gab ein neues Knappheitsfeld, das weiteres Wachstum verhinderte.

      Revolutionäre neue Techniken seien daher kein Zufall. Geforscht würde immer in eine Richtung, die den Anforderungen der Realität entsprächen, schrieb Kondratieff. Deswegen würden dieselben Erfindungen oft zur selben Zeit an verschiedenen Orten gemacht - um die "Realkostengrenze" zu überwinden. Die wurde nach dem ersten Kondratieff durchbrochen, als der Bau von Eisenbahnen die Transportkosten extrem verbilligte. Das Geld fließt dann in einen neuen "Fonds langfristiger Kapitalgüter", also in ein zusammengehörendes technologisches Netz: Nicht alleine das Auto oder das Fließband trugen den Aufschwung nach der Depression der 1930er. Erst als es möglich war, Erdöl in ausreichenden Mengen zu niedrigen Preisen zu raffinieren, entfaltete dieses technologische Netz sein Potential.

      Eine Basisinnovation - einmal in Fahrt - steigert die Produktivität, verbilligt die Produktion, erhöht die Gewinne, was den Unternehmer (und eine zunehmende Zahl von Konkurrenten) zur wirtschaftlichen Expansion reizt. Wenn sich das Produktivitätswachstum abschwächt, kommt im umgekehrten Mechanismus der Abschwung: sinkende Gewinne, stagnierende Wirtschaft, Arbeitslosigkeit.

      Brisant an der Kondratiefftheorie ist, dass ein langer Strukturzyklus nicht nur ein ökonomischer, sondern ein gesamtgesellschaftlicher Vorgang ist. Denn die ganze Gesellschaft organisiert sich neu, um die Basisinnovation optimal zu nutzen (neue Infrastruktur, neue Bildungsinhalte und Verhaltensweisen). Die neue, problemlösende Technik, die die Realkostengrenze durchbricht, ist schneller entwickelt, als sich die Strukturen der Gesellschaft darauf einstellen. Etablierte Gruppen zögern lange, sich an die (Produktivität hebenden) neuen Spielregeln anzupassen - die Eisenbahn wurde zuerst ebenso abgelehnt wie das Automobil oder später die Informationstechnik. Das Establishment des vorherigen Strukturzyklus verursacht so den Produktivitätsstau zwischen zwei Kondratieffzyklen, der das Wirtschaftswachstum lange Jahre tief hält, bis sich ein gesellschaftlicher Konsens herausgebildet hat, wohin die Reise gehen wird. Kurz: Wie stark oder schwach die Wirtschaft eines Landes prosperiert, entscheidet sich demnach an der Frage, wie sehr seine Bewohner die neuen Erfolgsmuster verwirklichen.


      Was ist eine Basisinnovation?


      England konnte Weltmacht sein, weil es Kohle und Stahl führend nutzte. Doch es hielt daran fest, als in Deutschland und den USA Elektrizität und Chemie die Produktivität hoben, und verlor an Einfluss. Die Sowjetunion konnte mit ihren Rohstoffreserven Weltmacht sein, als billige Petroenergie die Wirtschaft vorantrieb. Und sie musste zusammenbrechen, als die wachsende Informationsflut eine neue Realkostengrenze setzte: Es wurde immer teurer, rechtzeitig über die Information zu verfügen, die für die Produktion gerade nötig ist. Mit ihren starren Strukturen konnte sie dieses Paradigma nicht erschließen. Dass nicht Südamerika, sondern Asien/Japan in den 70er und 80er Jahren aufstieg, ist aus der Sicht der Langwellen klar: Sie nutzten die Informationstechnik, beherrschten führend den Informationsfluss Mensch-Maschine, konnten zum Beispiel Autos billiger herstellen und mehr absetzen.

      Die Kondratiefftheorie wurde zunächst nach dem Ölschock wieder ausgegraben: Verschiedene Arbeiten (darunter vom britischen Prof. Christopher Freeman, Sussex) machten darauf aufmerksam, dass die Stagnation mit einem Mangel an Innovation zu tun hatte, und beschrieben lange Wellen daher auf der Innovationsebene. Damals, Anfang der 80er Jahre, warf Freeman den westlichen Industrieländern vor, die wahre Natur der Herausforderungen nicht zu erkennen. Mit der Informationstechnik würde es außergewöhnlich billig, Informationen zu speichern, zu verarbeiten und zu übertragen.

      Auch andere Wissenschaftler hatten versucht, Kondratieffwellen auf der Innovationsebene zu identifizieren. Sie zählten die Häufigkeit von Innovationen, summierten also elektrische Zahnbürste und Computerchip zusammen - was niemanden überzeugte, weil dies nichts über die Bedeutung und das wirtschaftliche Gewicht einer Innovation aussagt. Neuere Arbeiten wie die von Leo Nefiodow ("Der 6. Kondratieff", 1996 erschienen) definieren eine Basisinnovation daher sehr eng: Nur das Herzstück eines technologischen Netzes ist eine Basisinnovation - wenn es die technologische Entwicklung bestimmt, einen neuen großen Markt hervorbringt, der die Wirtschaft auf ein neues Niveau hebt und wenn es die Gesellschaft weitreichend reorganisiert.

      Informationstechnik erfüllt daher die Kriterien einer Basisinnovation: Der Chip war eine Querschnittstechnologie, die überall zu finden ist - in der Küchenwaage, die zu einem Computer mit Gewichtssensor wurde, in der Telefonvermittlung, in der Fertigungssteuerung oder in der Textverarbeitung. Multimedia ist keine Basisinnovation, sondern nur ein derzeit wachsendes Segment im insgesamt sich abschwächenden IT-Markt, der Wirtschaft und Gesellschaft seit den 1960ern veränderte - nicht erst die vergangenen zehn Jahre. Ob wir uns in einem langen Aufschwung befinden oder in einem Abschwung, hängt davon ab, ob die aktuelle Basisinnovation gerade für steigende Gewinnspannen sorgt oder ihre Kraft so gering wird, dass der Markt die Gewinne schneller runterkonkurriert, als sie zusätzliche Produktivität generiert.

      Wer heute jedoch auf einem Lehrstuhl sitzt oder Politiker berät, hat in seiner Studienzeit gelernt (damals in den 60ern und 70ern, als man glaubte, Wirtschaft mit Geldmenge und Staatsausgaben global steuern zu können), die Kondratieffzyklen seien nur so eine Art "des Kaisers neue Kleider": Man rede darüber, aber sie seien nicht zu beweisen. Das liegt daran, dass man sie dort gesucht hat, wo sie kaum zu finden sind. In komplizierten mathematischen Verfahren versuchte man, lange Wellen in makroökonomischen Zahlenreihen von Preisen, Zinsen oder Sozialprodukt zu finden, was nicht durchgehend gelang, was wenig wundert, weil die realen Vorgänge am Markt natürlich nicht periodisch ablaufen.

      Diese Verfahren sind letztlich eine Überspitzung der derzeitigen, auf Mathematik reduzierten Ökonomie. Sie sind aufwendig und nutzen wenig: Wenn die Eisenbahn in einem Jahr 30 Milliarden Euro weniger umsetzt, die Gesunderhaltungsbranche aber 30 Milliarden Euro mehr - am Bruttosozialprodukt ist das nicht abzulesen. Vor 6echs Jahren mag ein PC noch 3.000 Mark gekostet haben, heute gibt es den Pentium xy im Aldi für 700 Euro. Strukturelle und qualitative Veränderungen des realen Lebens sind also in den von manchen diskutierten Zeitreihen-Daten überhaupt nicht zu finden.

      Nur auf der Ebene des realen Lebens lassen sich Kondratieffzyklen beschreiben: Dort, wo sich Umsatz oder Stückzahl einer Basisinnovation entlang ihrer Produktlebenszykluskurve messen lassen, die über die Jahrzehnte die Form einer langen S-Kurve einnimmt. Der Computer hat die steilste Anstiegszeit seiner S-Kurve längst hinter sich, so Nefiodow schon Ende der 90er Jahre: Was an PCs über den Ladentisch geht, ersetzt meist vorhandene, ältere Computer, und bringt kaum zusätzliche Produktivität. Wo sind die nun die von Kondratieff so gesehenen Kostengrenzen, die das Wachstum der Wirtschaft nun behindern? Welche Spielregeln hat der nächste Strukturzyklus?


      Von der Produktivität der Maschinen zum effizienten Umgang mit Information


      Die wesentliche Veränderung von der Industrie- zur Informationsgesellschaft ist in der Politik noch nicht angekommen: In einer globalisierten Wirtschaft kann jeder überall Kapital aufnehmen, verfügt über das Internet schnell über alle Informationen und jedes Wissen, kann sich auf einem freien Weltmarkt jede Maschine kaufen und seine Produkte weltweit vermarkten. Der einzige entscheidende Standortfaktor wird die Fähigkeit der Menschen vor Ort, mit Information umzugehen. Während es im Industriezeitalter darum ging, mit Rohstoffen und Energie effizient umzugehen und die Produktivität von Maschinen zu steigern, hängt Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung erstmals vom effizienten Umgang mit Information ab: von Informationsflüssen zwischen Menschen und im Menschen, von Fortschritten im Menschlichen.

      Was ist heute also der größte Kostenfaktor? Wer etwas Geniales vorschlägt, aber zu fünf Prozent irrt, den nageln wir fest bei den fünf Prozent, anstatt den guten Gedanken aufzunehmen - denn das könnte ja dessen Status erhöhen. In Zukunft dagegen wird jeder seine schwankende Wichtigkeit ertragen, je nach tagesaktuellem Kompetenzbedarf. Heute signalisieren wir den anderen unterschwellig, wehe Du kritisierst mich, sonst rede ich nicht mehr mit Dir; in Zukunft überleben nur noch die, die der Wirklichkeit so nahe wie möglich kommen, weil sie Informationen über alle Sensoren wahrnehmen; wo nicht der Chef, sondern die Wirklichkeit der Chef ist.

      Wer heute aus der Deckung tritt und Fehlentwicklungen anspricht, der wird schnell zum Einzelgänger; in Zukunft gilt er als jemand, der ein langfristig gesundes Firmenklima und eine redliche Entscheidungsbasis schafft. Wenn sich heute die anderen in der Abteilung streiten, halten wir zu dem, der uns nützlicher erscheint oder zumindest weniger bedrohlich; in Zukunft stärken wir, wer über seine eigenen Kostenstelle hinaus die größere Verantwortung verfolgt.

      Die heutigen Spielregeln zwingen Manager, an Investitionen und Mitarbeitern zu sparen, um vordergründigen Gewinn auszuweisen; langfristig werden nur die überleben, die in Entwicklung und Menschen investieren und Manchen Jahre Zeit geben, so zu reifen, dass sie die Firma bahnbrechend voranbringen. Heute nimmt ein Chef für sich auch die Fachkompetenz in Anspruch; morgen wird er sich beim Sachbearbeiter, der sich im operativen Geschäft besser auskennt, danach erkundigen, wie sich seine Entscheidung auswirkt. Heute "funktionieren" Mitarbeiter, was die deutsche Wirtschaft durch entgangenes Engagement im Umfang des deutschen Bundeshaushaltes schädigt; morgen wird sie der Chef fragen, mit welchen Ressourcen er ihnen dienen kann, damit sie optimal arbeiten können.

      Wir verschweigen Konflikte oder tragen sie schließlich frontal zur Vernichtung des anderen aus, mit dem Recht des Stärkeren oder wer den Vorstand besser kennt. Meinungsverschiedenheiten arten zu Machtkämpfen aus, die bis zur Rente anhalten und den Informationsfluss unterbinden. Unmengen an Energie verpuffen bei der Selbstbehauptung. Wer meint, daran werde sich nichts ändern, weil "der" Mensch eben "so" sei, der verkennt die formende Kraft einer andauernden ökonomischen Krise. Wer Informationsarbeit nicht ausreichend effizient löst, der bekommt vordergründig ein "Kostenproblem" und verschwindet demnächst vom Markt. Nachdem die 20 Jahre vorbei sind, in denen Computerhardware Produktion und Verwaltung in großen Portionen effizienter machte, in dem sie Ressourcen einsparte, die wir anderweitig verwenden konnten, entscheidet in Zukunft das Zusammenwirken der Informationsarbeiter über den Wohlstand.

      Zwar warten jetzt die meisten immer noch auf materielle Erfindungen wie früher die Dampfmaschine, um die Wirtschaft anzutreiben. Sie hoffen darauf, das bekannte Erschöpfte durch etwas ersetzen zu können, in dem auch irgendwie das Wort "-Technologie" vorkommt. Doch es wird in Zukunft keine Maschine mehr geben, die unsere Gedanken produktiver macht. Was an Hardware zu dem nächsten Aufschwung beitragen wird - Gentechnik, Nanotechnologie in der Medizintechnik, andere materielle Gesundheitsinvestitionen - sind nur das dienende Drumherum um die größte Knappheit: intelligente, unstrukturierte, kooperative Informationsarbeit und ihre produktive Lebensarbeitszeit. Die Konjunktur wird erst wieder in Schwung kommen, wenn sich eine neue Kultur der Zusammenarbeit durchgesetzt hat. Zugegeben: Das kann lange dauern, so wie früher der flächendeckende Bau der Eisenbahn. Aber wir sind der Krise nicht ausgeliefert. Wir haben die Wahl.

      Vom Erik Händeler erschien das Buch "Die Geschichte der Zukunft - Sozialverhalten heute und der Wohlstand von morgen (Kondratieffs Globalsicht)".


      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/17642/1.html
      Avatar
      schrieb am 21.06.04 14:57:38
      Beitrag Nr. 1.720 ()
      Amerikanisch-britische Atomwaffen-Partnerschaft

      Florian Rötzer 18.06.2004
      Die Verlängerung des Mutual Defence Agreement steht an, britische Kritiker warnen, dass die USA und Großbritannien damit den Atomwaffensperrvertrag verletzen und eine Aufrüstung mit Nuklearwaffen verfolgen könnten

      Großbritannien und die USA arbeiten im Rahmen des sogenannten Mutual Defence Agreement ( MDA) aus dem Jahr 1958 eng im Rahmen ihrer "besonderen Beziehung" in Bezug auf Atomwaffen zusammen. Dabei werden nicht nur Informationen, sondern auch Material wie Plutonium und Technologie ausgetauscht. Am 14. Juni wurde eine Erweiterung der "Zusammenarbeit zum Einsatz von Atomenergie" zur Stärkung der Verteidigung vorgeschlagen, wie US-Präsident Bush mitteilte






      Da die Bush-Regierung auch den taktischen Einsatz von Atomwaffen billigt ( Eine Kombination aus nuklearen und nicht-nuklearen Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten), mit dem Neustart der US-Atomwaffen-Produktion bereits begonnen hat und Senat und Repräsentantenhaus) Gelder für die Forschung an taktischen, angeblich ungefährlicheren Atomwaffen (Mini-Nukes), beispielsweise zur Zerstörung von gut geschützten Bunkern tief unter der Erde, bewilligt hat, warnen die Organisation British American Security Information Council ( BASIC) und der britische Abgeordnete Alan Simpson vor den Folgen des heimlichen und rechtlich angeblich bedenklichen Abkommens, das Ende des Jahres formell für die nächsten 10 Jahre verlängert werden muss.

      Gefordert wird eine eingehende parlamentarische Diskussion und Überprüfung des Abkommens, das für die Kritiker den Atomwaffensperrvertrag verletzen könnte. Bedenken gibt es auch, dass Großbritannien sich der Atomwaffenstrategie der US-Regierung anschließen und ebenfalls die Entwicklung und den Einsatz von Mini-Nukes planen könnte: "Das würde nur", so Simpson, " eine Einladung an andere sein, sich in irgendeiner Weise dem Atomklub anzuschließen." Zudem, so heißt es in einem Bericht von BASIC veröffentlichten Bericht, liegt das Ende des Kalten Kriegs schon über ein Jahrzehnt zurück: Großbritannien ist mit neuen Gefahren und Problemen konfrontiert, bei denen nukleare Abschreckung bestenfalls eine teure Bedeutungslosigkeit und schlimmstenfalls ein Teil des Problems ist." Die Gefahr bestehe, dass die USA auch wieder mit Atomwaffentests beginne, so dass dadurch die Bemühungen der britischen Regierung zur Stärkung des Atomwaffentestverbots unterminiert werden könnten.




      --------------------------------------------------------------------------------

      Each of the Parties to the Treaty undertakes to pursue negotiations in good faith on effective measures relating to cessation of the nuclear arms race at an early date and to nuclear disarmament, and on a treaty on general and complete disarmament under strict and effective international control.
      Artikel VI des Atomwaffensperrvertrags




      Nach Ansicht der Kritiker verletzt das Abkommen zwischen Großbritannien und den USA genau das, was der Atomwaffensperrvertrag verhindern soll. Artikel 1 verbietet die "direkte oder indirekte" Weitergabe von Atomwaffentechnologie. Das Abkommen aber erlaubt den "transfer of nonnuclear parts, source, byproduct, special nuclear materials, and other material and technology for nuclear weapons and military reactors". Zudem könnte Artikel 6, nach dem die nukleare Abrüstung angestrebt werden soll, verletzt werden. Das aber kann eine Frage der Auslegung sein, zumal die Details des Mutual Defence Agreement geheim sind. Die Kritiker wollen daher auch ein rechtliches Gutachten vorlegen. Überdies dürften der Atomwaffensperrvertrag und das Abkommen im Kalten Krieg so eingerichtet worden sein, dass sie eine Kooperation der Alliierten, die Atommächte sind, ermöglichen. So ist die britische U-Boot-Atomrakete Trident ein Ergebnis der Zusammenarbeit mit den USA. Ein ähnliches Abkommen gab es zwischen den USA und Frankreich, Großbritannien und Frankreich haben auch kooperiert.





      Nach Ansicht des Nuklearwaffenexperten Jon Wolfsthal, einem ehemaligen Berater von Bill Clinton, verletzt das MDA nicht den Atomwaffensperrvertrag. Allerdings könne es, wie er gegenüber New Scientist sagte, die moralische Position der USA und Großbritannien untergraben, nach der beide Staaten versuchen, andere Länder vom Erwerb von Atomwaffen abzuhalten.

      Der Atomwaffensperrvertrag wird nächstes Jahr überprüft, er ist aber auch das Werkzeug, mit dem vor allem die Bush-Regierung Nordkorea und den Iran unter Druck setzt und durch die Proliferation Security Initiative (PSI) die Verbreitung von Atomwaffen verhindern will ( Bush will Verbreitung von Massenvernichtungswaffen verhindern). Staaten, die schon rechtzeitig sich absicherten wie Israel, Pakistan oder Indien, haben den Atomwaffensperrvertrag erst gar nicht unterzeichnet ( Brasilien und die friedliche Urananreicherung). Und trotz der Aufforderung zur Abrüstung im Atomwaffensperrvertrag, der 1970 in Kraft trat, gibt es noch immer fast 30.000 Nuklearsprengköpfe, kaum weniger als vor 30 Jahren. Die Atommächte, die sich durch den Atomwaffensperrvertrag ihr Privileg sicherten, denken nicht an Abrüstung, wenn sie nicht zwangsweise wie in Russland geschieht. Nordkorea hat 2003 den Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag erklärt.


      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/17689/1.html
      Avatar
      schrieb am 21.06.04 15:12:12
      Beitrag Nr. 1.721 ()
      Wurden die Hijacker des 11.9. gehijacked?

      Mathias Bröckers 17.06.2004
      Nicht nur die Identität der verdächtigten Flugzeugentführer ist nach wie vor ungeklärt - Wargames III


      Am 1. Juni 2001 wurde die Standardprozedur für die Abwehr entführter Flugzeuge geändert und von einer Entscheidung des US-Verteidigungsministers abhängig gemacht. Am 11. September 2001 wurden militärische Manöver durchgeführt, bei denen Flugzeuge zu Übungszwecken entführte Linienmaschinen simulierten ( Die Wargames des 11. September und Willkommen im Büro von Donald Rumsfeld). Dass diese "Wargames" stattgefunden haben ist mittlerweile vielfältig belegt, noch unklar hingegen sind die Details der Operationen und wer für die Koordination verantwortlich war. Verständlich aber ist, warum diese Fakten von der offiziellen Untersuchungskommission und den Mainstream-Medien nicht tiefergehend untersucht werden: sie werfen unmittelbar die Frage nach den "19 Hijackern" auf, deren Identität sowie die Rolle, die sie am 11.9. spielten, bis heute ungeklärt sind.



      Als ich im Frühjahr letzten Jahres mit Andreas Hauß die "Fakten, Fälschungen und unterdrückten Beweise des 11.9." für unser gleichnamiges Buch zusammenstellte, stellten wir die Frage nach der Identität der Hijacker bewußt ganz an den Anfang. Hier, bei den Hauptverdächtigen, schienen uns die mannigfaltigen Ungereimtheiten des Falls am deutlichsten zu sein. Angefangen von den Elefantenspuren mit Koran und Testament über die unveröffentlichten Original-Passagierdokumentation und die manipulierten Passagierlisten, bis zu den sechs Personen, die sich lebend meldeten und beschwerten, als Massenmörder fälschlich auf die 48 Stunden nach der Tat veröffentlichte FBI-Liste geraten zu sein, konnten wir zeigen, dass die wahre Identität der Hijacker bis heute ungeklärt ist.

      Der "Spiegel" versuchte dann, diese Zweifel aus der Welt zu schaffen, indem er sie in einer Titelgeschichte als Panoptikum des Absurden abkanzelte und behauptete, mit einer korrigierten Hijacker-Liste des FBI vom 27.9. 2001 seien alle diese Verwechslungen defintiv geklärt worden. Das ist aber keineswegs der Fall - siehe dazu das aktualisierte Nachwort zum Buch und unsere Erwiderung der "Spiegel"-Geschichte - wie die "Spiegel"-Redaktion leicht selbst hätte herausfinden können, wäre sie nicht der dogmatischen Fortschreibung der Legende von Osama & den 19 Räubern verpflichtet. Als einen zentralen Beleg für die Unklarheiten über die Identität der Verdächtigen hatten wir aus der Presseerklärung der saudischen Botschaft über ein Treffen des Außenministers mit Präsident Bush am 20.9.2001 zitiert:








      --------------------------------------------------------------------------------

      Regarding the inclusion of Saudi names in the published list of the suspects, Prince Saud commented that haste in publishing the names of suspects has been acknowledged, and that it has been proven that five of the people listed had nothing to do with what happened, adding: "We very much hope that before being published, information, names and pictures will be verified."





      Es wurde bei diesem Gespräch von Bush also "Hast bei der Publizierung der Verdächtigenliste" zugegeben - und darüber gesprochen, dass "bewiesen" ist, dass "fünf der aufgelisteten Personen nichts mit dem zu tun hatten was passierte". Diese hatten sich denn ja auch schon bei den Medien gemeldet, wie BBC und andere seriöse Quellen in den darauffolgenden Tagen berichteten. Deshalb fragte der "Spiegel" bei der saudischen Botschaft in Berlin an, was es mit der Äußerung ihres Außenministers auf sich habe. Merkwürdigerweise wurde diese nämlich von der offiziellen Presseseite gelöscht (nachzulesen ist sie hier), worüber dann allerdings nicht berichtet wurde, genauso wenig wie über die noch merkwürdigere Antwort, die der "Spiegel" am 23.9.2003 erhielt




      --------------------------------------------------------------------------------

      ... teilt die Botschaft des Königreichs Saudi Arabien in Berlin mit, dass SKH der Außenminister solch eine Erklärung nicht abgegeben hat und dies bedeutet, was in dem Buch "Fakten Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11.9." steht, jeder Grundlage entbehrt.





      Zwei Jahre später dementiert die saudische Botschaft also, dass diese Erklärung jemals abgegeben wurde - und lässt die entsprechende Presseerklärung aus dem Netz entfernen. Warum das, wenn in der verständlichen Hast beim ersten Publizieren der Hijackerliste dem FBI nur ein paar Flüchtigkeitsfehler unterliefen, die dann in einer korrigierten Täterliste vom 27.9.2001 zur allseitigen Zufriedenheit korrigiert wurden? Weil mit den marginalen Korrekturen am 27.9.die Fragen nach den wahren Identitäten der Hijacker eben keineswegs geklärt sind - außer für den "Spiegel", dem das verdächtige Dementi der Saudis deshalb auch keinen Anlass zu weiteren Recherchen gab. Auch mir teilten sie die interessante Nachricht natürlich nicht mit.

      Als aber die Kollegen des NDR-Magazins "Panorama", die ich wegen der Falschbehauptungen über unser Buch verklagt hatte, bei ihren Freunden vom "Spiegel" nach Beweismaterial für meinen schlechten Journalismus nachfragten, wurde ihnen wohl auch dieses Dokument gegeben - und gelangte so in die Prozessakten, wo ich es freudig entdeckte. (Das Landgericht Berlin befand, dass ich bei drei der vier Falschbehauptungen nicht persönlich gemeint und deshalb nicht betroffen sei, für die Behauptung, dass Andreas von Bülow und ich uns "gegenseitig zitieren" und so unsere "Quellen adeln", wurde "Panorama" verurteilt.)

      Das Dokument mit dem Saudi-Dementi gibt als kleines Detail nicht nur einen Einblick, wie "Spiegel" und "Panorama" gelegentlich mit Fakten umgehen, die nicht zu der von ihnen propagierten 9/11-Legende passen; es deutet auch an, dass es sich bei der Frage nach der Identität der Verdächtigen und ihrer Saudi-Connections um eine der Achillesfersen dieser Legende handeln könnte. Einen wunden Punkt, der mit Tarnen, Täuschen und Vertuschen aus der Welt geschafft werden muss - um diejenigen, die darauf hinweisen, als "Verschwörungsspinner" und "Phantasten" entlarven zu können.

      "Welcher berühmte `islamistische Terrorist` verwöhnte seinen Magen gern mit Schweinefleisch, die Ohren mit `Beasty Boys` und die Nase mit Kokain?" Dass dereinst ein Quiz-Kandidat mit der richtigen Antwort auf diese Frage einige tausend Euro einstreichen kann, ist nicht zu erwarten, denn das FBI, die 9/11-Untersuchungskommissio, und die Medien interessieren sich nicht für die Augenzeugen, die diese und andere Merkwürdigkeiten des "Terrorchefs" Mohammed Atta bestätigen. Mag sein, dass die Dutzenden von Zeugen, die Daniel Hopsicker bei seinen Recherchen in Florida Auskunft über Atta gaben, alle gelogen haben, dass Attas amerikanische Freundin sich nur wichtig macht und die Angestellten der Hijacker-Flugschule "Huffman Aviation" nur Unsinn erzählten, als sie von einer "saudischen Protekion" für diese Flugschüler sprachen, die dafür sorgte, dass sie ohne Visaprobleme ins Land hereingelassen wurden. Warum und in welcher Eigenschaft?

      Bei Hopsicker hatte es Klick gemacht, als er auf die Meldung gestoßen war, dass einer der Verleih-Jets des eigentlichen Hufmann-Besitzers, Wallace Hilliard, mit 20 Kilo Heroin an Bord sichergestellt wurde, und er das Geflecht seiner Luftfahrtunternehmungen unter die Lupe nahm, die sämtlich die klassischen Indizien von CIA-Frontfirmen aufwiesen - einschließlich einer Sonderlizenz für Flüge nach Kuba. Und auch ansonsten offenbar bester Beziehungen: Am 13.9.2001, als sogar eilige Flüge mit Organspenden am Boden bleiben mussten, startete in Tampa (Florida) ein Lear-Jet, der zwei hochrangige Saudis und weitere Personen nach Lexington (Kentucky) brachte, von wo sie in einer privaten 747 mit weiteren saudischen Prinzen aus den USA ausgeflogen wurden. Dieser Flug - und das Treffen von Bush sen. mit Osama Bin Ladens Verwandten im Rahmen eines Investorendinners der "Carlyle Group" am 10.9. - wird von Michael Moore in seinem Film "Fahrenheit 9/11" thematisiert; Hopsicker hat darüber hinaus versucht, den Eigentümer des Lear-Jets zu ermitteln, der in Flordia startete.

      Doch die Rüstungsfirma "Raytheon" (führender Hersteller von Fernsteuerungssystemen für Flugzeuge; in drei der vier Todesmaschinen waren Raytheon-Ingenieure an Bord), aus deren Hangar in Tampa die Maschine gerollt wurde, gab keine Auskünfte. Die Luftüberwachungsbehörde FAA hatte den "Phantom-Flug" nicht aufgezeichnet und konnte ebenfalls nicht dienen, von einem Gewährsmann aus der Flugbranche erfuhr Hopsicker dann aber immerhin, dass der Jet einer Verleihfirma aus Naples(Florida) gehörte. Der einzige, der in ganz Südwestflorida Lear-Jets verleiht, ist Wally Hilliard - derselbe Finanzier, der 1999 mit dem Strohmann Rudi Dekkers die vor sich hin dümpelnde Flugschule "Huffman Aviation" kaufte, die dank Dutzender neuer Kunden dann umgehend aufblühte. Dass diese fast alle arabischer Abstammung waren, fiel zwar den Vermietern, Kellnern und Taxifahren des Rentnerstädtchens Venice Beach auf, veranlasste das FBI aber zu keiner weitergehenden Untersuchung.

      Nach dem 11.9. beschlagnahmte die Bundespolizei sämtliche Unterlagen von "Huffman" und gab Attas Nachbarn und anderen Zeugen, die mit der Lokalpresse geredet hatten, die dringende Empfehlung, den Mund zu halten."Meine Telefone wurden angezapft und sind es bis heute", erklärte ein ehemaliger Huffman-Manager auf Hopsickers Nachfragen - und fügte, nachdem ihm der Rporter versichert hatte, seinen Namen nicht zu nennen, hinzu: "Ich hielt diese Jungs (Atta &Co.) für Doppelagenten. Wie kommt es, dass ich mich dadurch verdächtig mache?" (Welcome to Terrorland, S. 186)

      Jeder, der nicht an die Story von 19 Islamisten mit Teppichmessern glaubt, macht sich verdächtig. Und das Cover-Up des 11.9. in Florida ( Mohamed Atta und das Cover-Up des 11.9. in Florida) dient zu nichts anderem, als diese Legende aufrecht zu erhalten. Würde das FBI dort nämlich ermitteln, müsste es zu demselben Schluss kommen wie der Reporter Hopsicker: dass "Huffman Aviation" keine normale Flugschule war, sondern zur Tarnung anderer Unternehmungen von Hilliard/Dekkers diente; Unternehmungen, die mit saudischem Geld, afghanisch-pakistanischem Heroin und diskretem Flugverkehr zu tun hatten - sowie mit der Lieferung einer Tarnung von Agenten als ausländische "Flugschüler". Für wen und warum?




      --------------------------------------------------------------------------------

      Wie sie aus der früheren Aussage von General Eberhardt wissen, waren wir zu dieser Zeit mitten in einem NORAD -Manöver(...)Ich war oben in unserem Gebäude, ging dann sofort nach unten und fragte meine Leute auf dem Weg: "Ist das Teil des Manövers?" Denn offen und ehrlich gesagt: Wir veranstalten tatsächlich Hijacking-Scenarios wenn wir diese Manöver durchführen von Zeit zu Zeit. Dieses hier war real.





      So der NORAD-Verantwortliche General Arnold vor der 9/11-Untersuchungskommision über seine Reaktion nach der Alarmierung. Welches konkrete Hijacking-Manöver an diesem Morgen stattfand, darüber blieben er und sein Kollege Colonel Scott die Antwort schuldig. Dass die Kommission bei ihrem letzten öffentlichen Hearing ab 16. Juni Klarheit in die Frage der "Wargames" bringen wird, wage ich zu bezweifeln - schließlich wurde sie von einer Regierung eingesetzt, deren Verantwortliche von Flugzeugen als Bomben vor dem 11.9.2001 noch nie gehört hatten. Da können große Manöver, bei denen eben dies "von Zeit zu Zeit" simuliert wird, nicht an die große Glocke gehängt werden.

      Für die Spin-Doktoren zeichnet sich nun ein Dilemma ab: Haben die Hijacking-Simulationen an diesem Morgen nicht stattgefunden, bleibt die Nicht-Reaktion auf die vier entführten Maschinen unerklärlich. Haben sie aber stattgefunden, wird die ohnehin schon löchrige Legende von den 19 autonomen Alleintätern unterhöhlt, denn wie sollen sie davon erfahren haben, dass ausgerechnet an diesem Tag die Luft rein war für ihren Anschläge? Von einem Top-Spion, den Al-Qaida ins US-Verteidigungsministerium eingeschleust hat? Angesichts der Nicht-Aufklärung des haarsträubenden Handels und Wandels der "Hijacker" in Florida scheint mir der umgekehrte Fall wahrscheinlicher, nämlich ein Top-Stratege im US-Verteidigungsministerium oder Geheimdienst, der eine Gruppe befreundeter arabischstämmiger Agenten, die im Rahmen klandestiner Drogenhandel- und Geldwäscheoperationen im Lande Immunität genießt, für eine Simulationsübung anheuern lässt. Dass sie kaum fliegen können, spielt keine Rolle - sie sollen ja nur so tun ... so wie die Luftüberwachung an diesem Tag nur so tut, als seien Flugzeuge entführt worden. Den Rest erledigen dann die Fernsteuerung ... und ein stehen gebliebener Koffer mit Koran und Fluganleitungen.

      Dies wäre die "amerikanische" Variante, die man aber nicht denken darf, weil die USA ja die Guten sind. Eine "islamistische" wäre aber auch möglich: Mit seinem Amtsantritt zieht das Bush-Team in diesem klandestinen Drogengeschäft neue Seiten auf, der Geschäftspartner auf der afghanischen/pakistanischen Seite - Osama - fühlt sich betrogen und beschließt Rache zu nehmen. Da er über nahezu unerschöpfliche Barmittel verfügt, hat er nicht nur einen Top-Informanten im US-Verteidigungsministerium, sondern auch hochrangige Militärs bestochen, einer Hijacking-Operation seiner kaum flugfähigen Agenten etwas nachzuhelfen - am besten, indem sie Verwirrung durch ein Manöver stiften und alle Abwehrmechanismen zwei Stunden lang außer Kraft setzen.

      Variante drei wäre ein Mix aus beiden: Einer der Militärs meldet Osamas Bestechungsversuch samt Plan an das Weiße Haus - und das "Office for Special Plans" ist entzückt: "So können wir vor dem Irak-Feldzug noch schnell und mit internationaler Hilfe das Opium- und Heroingeschäft in Afghanistan unter unsere Kontrolle bringen." Der Offizier erhält Anweisung, weiter mitzuspielen ...

      Weit hergeholt? Wie weit, das werden die Fragen der Kommission - und die Antworten der für die Luftverteidigung verantwortlichen Generäle - Myers, Eberhardt, Arnold - heute zeigen.



      Veranstaltungshinweis: Am 21.06. diskutiert Mathias Bröckers die Hintergründe des 11.9. mit Gunter Latsch (DER SPIEGEL) u.a., Universität Göttingen, ZH008, 19 Uhr 30.
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      schrieb am 21.06.04 15:27:27
      Beitrag Nr. 1.722 ()
      Hans-Dietrich Sander

      Raus Abschied


      Johannes Raus letzte Berliner Rede am 12. Mai 2004 ging an der Öffentlichkeit vorbei. Es war seine Abschiedsrede sieben Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit am 30. Juni 2004. Man erwartete nichts. Das allgemeine Desinteresse formulierte sich in der abschätzigen Bemerkung: „Was hat denn der schon (oder noch) zu sagen!“ Die Presse, die in der Regel den Reden der Bundespräsidenten breiten Raum zubilligte, sie oft sogar in vollem Wortlaut abdruckte, berichtete darüber nur in kurzen Artikeln im Meldungsstil. Er habe, hieß es, Politiker und Wirtschaftler kritisiert, wie man es aber besser machen sollte, wüßte er auch nicht.

      Na also, dachte ich. Ich interessierte mich für den Redetext erst, als die „Welt“ zehn Tage später, am 22. Mai, in ihrem Abschiedsartikel „Was von Rau bleibt“ schrieb: Bei seiner Rede „attackierte Rau mit überraschend großer Wucht die politischen und wirtschaftlichen Eliten im Land, die das Vertrauen der Bürger zerstörten. Aber was war seine Antwort darauf: Macht den Staat stark, damit er euch vor den Zwängen der Ökonomie schützen kann. Wenngleich ehrbar und aufrecht, da sprach jemand aus einer älteren, vergangenen Zeit.“ Ich beschaffte mir den vollen Wortlaut umgehend aus dem Internet und war verblüfft. Von seinen gelegentlichen Seitenhieben her, die besser als Seitenpieken zu bezeichnen wären, konnte ihm diesen Text wahrlich niemand zutrauen. Um so merkwürdiger die abwiegelnde Presse.

      Raus letzte Berliner Rede glich einer geballten Faust in einem seidenen Handschuh. In 14 Abschnitten gegliedert, machen die Nummern I und XII bis XIV die dünne Schale aus, II bis XI den harten Kern, den wir jetzt auf der Internetseite der Staatsbriefe allen Interessierten präsentieren.



      „Vertrauen in Deutschland - eine Ermutigung“

      Berliner Rede von Bundespräsident Johannes Rau

      am 12. Mai 2004 - Auszug -




      [...] II.



      Seit Jahren schon wird uns ein Bild immer wieder vor Augen gestellt: Wir stehen vor einem riesigen Berg von Aufgaben und Problemen. Wenn wir nicht alles anders machen als bisher, so drohen uns, heißt es, Niedergang, Zusammenbruch, Abstieg oder andere Katastrophen.


      Untergangsszenarien und Apokalypsen sind ja eigentlich Mittel von politischen Außenseitern, die gesellschaftliche Veränderungen erzwingen wollen.


      Heute kommen solche Beschreibungen oft auch von Verantwortlichen aus der Mitte von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Das Ziel ist das Gleiche: Untergangsszenarien sollen mithelfen, bestimmte Ziele durchzusetzen und dafür Mehrheiten zu gewinnen.


      Heute, da so viel von Zukunft die Rede ist, ist so wenig Zuversicht zu spüren, so wenig Selbstvertrauen und so wenig Vertrauen in die Zukunft. Viele scheinen von der Zukunft vor allem Schlechtes zu erwarten. Dafür gibt es manchen Grund, und viele Sorgen sind berechtigt.


      Entscheidend ist aber: Wo Vertrauen fehlt, regiert Unsicherheit, ja Angst. Angst vor der Zukunft ist der sicherste Weg, sie nicht zu gewinnen. Angst lähmt die Handlungsfähigkeit und trübt den Blick für das, was in Staat und Gesellschaft tatsächlich grundlegend verändert werden muss, was neuen Bedingungen angepasst werden soll und was auf jeden Fall bleiben muss.


      Die Zukunft kommt ja nicht einfach auf uns zu. Wir müssen sie nach unseren eigenen Vorstellungen gestalten. Wir wollen schließlich, dass wir auch in Zukunft friedlich und in Freiheit miteinander leben können – in einer Gesellschaft, in der Leistung etwas gilt und die Gerechtigkeit und Solidarität lebt.



      Wenn wir diese Zukunft gestalten wollen, wenn wir sie menschlich gestalten wollen, dann brauchen wir zweierlei: Vertrauen in die, die für uns Verantwortung tragen und die Bereitschaft, selber Verantwortung zu übernehmen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die notwendigen Veränderungen schaffen können. Genauso fest glaube ich aber, dass der Mangel an Vertrauen und Verantwortungsbereitschaft der eigentliche Grund für die massive Verunsicherung ist, für die an vielen Stellen pessimistische Stimmung und für die mangelnde Kraft zur Veränderung.

      Wir alle wissen: Vertrauen kann man nicht anordnen, nicht befehlen. Vertrauen kann man nicht beschließen. Vertrauen muss wachsen. Vertrauen wächst zwischen einzelnen Menschen, in Gemeinschaften und muss eine ganze Gesellschaft prägen.

      Ohne Vertrauen können Menschen nicht friedlich miteinander leben.

      Ohne Vertrauen werden wir unsere Probleme nicht lösen.



      Erst Vertrauen schafft das Klima für wirtschaftlichen Erfolg, für wissenschaftlichen und sozialen Fortschritt, für technische Innovation.



      III.



      Tatsächlich aber ist Verunsicherung so etwas wie ein allgegenwärtiges Gefühl geworden, das unsere gesamte Gesellschaft erfasst. Das ist lebensgefährlich.



      Natürlich gibt es auch ein falsches Sicherheitsgefühl, das Neugier, Wagemut und Unternehmensgeist bremst. Wenn neue Entwicklungen verschlafen oder verhindert wurden, kritisieren wir das zu Recht.


      Wir müssen aber träge Bequemlichkeit genau unterscheiden von der notwendigen Grundsicherheit, die jeder Mensch braucht, damit Sorgen und Angst ihn nicht lähmen. Auch Verunsicherung erzeugt Lähmung. Menschen ohne Grundvertrauen sind nicht besonders leistungsfähig, weder besonders leistungsbereit noch besonders risikofreudig.


      Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man Menschen zu besserer oder zu mehr Leistung motivieren kann, wenn sie ständig Angst haben müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder im Alter in Not zu geraten.


      Jeder Mensch braucht eine gewisse Grundsicherheit, damit er den Kopf frei hat, auch für Anstrengung und Erfolg im Beruf.


      Wenn wir unsere Gegenwart realistisch beschreiben wollen, müssen wir auch fragen, ob tatsächlich so vieles schwierig und unsicher ist, ob tatsächlich so vieles schlecht und erneuerungsbedürftig ist, so vieles abgebaut und umgebaut werden muss – oder ob vieles einfach schlecht geredet wird.


      Haben wir uns vielleicht selber inzwischen so schlecht geredet, dass wir uns nichts mehr zutrauen? Nähern wir uns gelegentlich nicht einer Art kollektiver Depression?


      Ich wüsste kein Land, in dem so viele Verantwortliche und Funktionsträger mit so großer Lust so schlecht, so negativ über das eigene Land sprechen, wie das bei uns in Deutschland geschieht.


      Das bleibt nicht ohne Folgen. Wir haben inzwischen ein so dunkles Bild von uns selber gewonnen, wie wir es in früheren Jahren nie gehabt haben.


      Natürlich gibt es haarsträubendes Versagen und objektive Missstände. Die peinlichen Pannen um die LKW-Maut sind allen im Gedächtnis. Oder das unendliche Gezerre um die Einführung des Dosenpfands, das der Gesetzgeber schon vor dreizehn Jahren beschlossen hat; alle hatten doch Zeit genug, sich darauf einzustellen. Oder das neue Preissystem, das die Bahn – trotz vieler Warnungen – mit großem Aufwand eingeführt hat, und das sich schon bald darauf als reichlich kundenfern herausstellte.


      Solche und ähnliche Missstände sind tatsächlich ärgerlich. Was mich allerdings noch mehr stört: Sie gelten nicht mehr als behebbare Einzelfälle von Inkompetenz, sondern sie werden inzwischen als etwas für uns Typisches wahrgenommen. Statt mit Tatkraft und einem Schuss Pragmatismus zu sagen: Das können wir besser und das machen wir jetzt besser, bricht, auch publizistisch, eine endlose Klage und Selbstanklagewelle über uns herein.

      Wir fangen schon an, hämisch und schulterzuckend über uns selber zu sprechen. Gelegentlich kann man den Eindruck gewinnen: Unser Land, seine Zukunft, das alles bedeutet vielen nichts mehr.

      Und wir wissen ja: Wenn es einmal einen bestimmten Trend gibt, dann wird alles in diesen Trend eingeordnet und all das, was dagegen spricht, nicht mehr wahrgenommen.



      IV.



      Der Vertrauensverlust in unserem Land hat aber auch ganz handfeste Gründe. Es sind ganz konkrete Handlungen und Einstellungen, Worte und Taten, die immer mehr Menschen tiefes Misstrauen einflößen.


      Wir müssen zum Beispiel erleben, dass einige, die in wirtschaftlicher oder öffentlicher Verantwortung stehen, ungeniert in die eigene Tasche wirtschaften. Das Gefühl für das, was richtig und angemessen ist, scheint oft verlorengegangen zu sein. Egoismus, Gier und Anspruchsmentalität in Teilen der sogenannten Eliten schwächen auch das Vertrauen in die Institutionen selber, wenn deren Repräsentanten offenbar alle Maßstäbe verloren haben.


      Wir müssen in den Debatten über Veränderungen und Reform auch erleben, dass allzu oft das Gemeinwohl vorgeschoben wird, wo es um nichts als Gruppenegoismus, um Verbandsinteressen oder gar um erpresserische Lobbyarbeit geht.


      Häufig glauben die Bürgerinnen und Bürger einfach nicht mehr, was sie hören und sehen. Sie machen zu oft die Erfahrung, dass man vielem, was in aller Öffentlichkeit gesagt wird, nicht trauen kann. Es ist auch kein Ausweis des Vertrauens, wenn über manche, die in der Öffentlichkeit stehen, gesagt wird: „Denen ist alles zuzutrauen.“


      Gewiss: Jeder kann sich gelegentlich irren. Was man heute aus Überzeugung vertritt, kann durch neue Umstände überholt werden. Das ist so, und das sollte man dann auch öffentlich sagen. Aber die bewusste Manipulation der Wahrheit oder der Tatsachen zerstört Vertrauen – manchmal endgültig.



      V.



      Vertrauen in die Politik wird auch zerstört, wenn der Eindruck entsteht, in nahezu jeder Frage gehe es in erster Linie darum, wer sich gegen wen durchsetzt, wer wem am meisten schadet, wer zurückgesetzt wird oder sich wieder ein Stück weiter nach vorne gekämpft hat.


      Dadurch werden nicht nur wichtige Sachfragen als Nebensache behandelt, so dass am Ende oft das Falsche oder Dilettantisches herauskommt. Dadurch entsteht auch der fatale Eindruck, in der Politik komme es letztlich nur darauf an, wer die Macht hat und nicht so sehr darauf, was er mit ihr macht. Dann wären wir bei Lenin angekommen, für den sich alle Politik auf die Frage reduzierte: Wer wen?



      Die Entwicklung bei den Gesprächen über ein Integrations- und Zuwanderungsgesetz ist ein besonders schlimmes Beispiel für diese Art von Politik.


      Natürlich geht es in der Politik um Macht und auch um Machtkampf und Machtanteile. Politik muss aber in erster Linie ein Streit um Ziele und um die besten Lösungen sein. Politik muss sich an Wertvorstellungen und an Grundsätzen orientieren, die man erkennen kann.


      Sonst trauen immer mehr Menschen am Ende den Politikern alles zu, nur nicht, dass sie sich wirklich für die Bürgerinnen und Bürger einsetzen, die sie gewählt haben.

      Besonders vertrauenszerstörend ist die offenbar anhaltende Wirkungslosigkeit all dessen, was die Arbeitslosigkeit beseitigen soll – und die gegenseitige Schuldzuweisung aller Beteiligten. Wir wissen alle: Die Arbeitslosigkeit ist die größte Wunde der Gesellschaft. Wieviel Hoffnungen, wieviel Lebensmut werden hier zerstört! Wieviel guter Wille, wieviel Leistungsbereitschaft bleiben hier ungenutzt! Wie groß und wie weitverbreitet ist das Gefühl, nicht gebraucht zu werden, ja wertlos zu sein! Keine Aussicht auf Arbeit und Beschäftigung zu haben: Das kann jedes Vertrauen in die Zukunft zerstören – in die eigene und in die der Gesellschaft.

      Niemand hat ein Konzept mit Erfolgsgarantie. Ich auch nicht. Ich weiß aber, dass die Vertrauenskrise in unserer Gesellschaft, das ständige Schlechtreden von allem und jedem viele Unternehmer davon abhält zu investieren, und viele Bürgerinnen und Bürger davon abhält zu kaufen. Wirtschaft und Wirtschaftspolitik bestehen bekanntlich zu fünfzig Prozent aus Psychologie. Unsere Wirtschaft wird nur in einem Klima des Vertrauens neuen Schwung bekommen.




      VI.




      Eine wichtige Grundlage für Entscheidungen, die heute getroffen werden müssen, sind Prognosen und Voraussagen.


      Auch hier wachsen Zweifel: Welche Prognosen sind seriös? Werden Voraussagen, die für die meisten Menschen handfeste Folgen haben, wirklich immer nach bestem Wissen und Gewissen gemacht? Sind sie nicht oft interessengeleitet? Wird nicht manches besonders hoch und anderes herunter gerechnet? Werden nicht bestimmte Wertungen zu Grunde gelegt, aber nicht offengelegt?


      Wir hätten schon viel gewonnen, wenn Prognosen und Voraussagen regelmäßig, nach einem Jahr, nach zwei oder fünf Jahren darauf überprüft werden, was sie wirklich wert waren. Schon das könnte eine heilsame Wirkung haben. Dann könnte man sogar aus Fehlprognosen lernen.


      Leichtfertige Prognosen, die irgendeinen Niedergang vorhersagen, wenn nicht sofort dies oder jenes geschieht, zerstören Vertrauen genauso wie Versprechen, von denen man wissen kann, dass sie nicht einzuhalten sind.


      Das geschieht trotz besseren Wissens immer wieder, und darum haben viele Menschen sich mittlerweile darauf eingestellt, vorsichtshalber erst einmal gar nichts mehr zu glauben.


      Diese Haltung führt über Politikverdrossenheit hinaus zur völligen Abkehr vom politischen Leben. Kein demokratischer Staat hält es auf Dauer aus, wenn sich immer stärker eine Haltung des „Wir da unten, die da oben“ durchsetzt.

      Gewohnheitsmäßiges Misstrauen in die Politik untergräbt die Fundamente der Demokratie und ist ein riesengroßes Einfallstor für Populisten und schreckliche Vereinfacher aller Art. Die haben auf alles eine Antwort und für nichts eine Lösung.



      VII.



      Misstrauen wächst auch dann, wenn wichtige politische Entscheidungen in immer kleineren Kreisen getroffen werden. Nun weiß jeder, dass es manchmal wirklich nötig ist, sich hinter verschlossenen Türen zu beraten, um zu einem Konsens oder zu einem Kompromiss zu kommen, den alle mittragen können.

      Solche Vereinbarungen schaffen nur dann Vertrauen, wenn die Verständigung echt ist, wenn kein fauler Kompromiss kaschiert wird und wenn alle sich an das halten, was sie gemeinsam verabredet haben. Wenn die Verfallszeit von Verabredungen aber kürzer ist als die eines Bechers Joghurt, dann schürt das den Eindruck, dass die politisch Verantwortlichen sich letztlich nicht verständigen wollen oder können.

      Besonders schädlich ist es, wenn sich immer mehr das Gefühl breit macht: „Die da oben können es nicht – und zwar auf allen Ebenen und auf allen Seiten.“ Ein Umfrageergebnis ist in der Nachkriegsgeschichte übrigens absolut neu: Noch nie hatten so wenig Menschen in Deutschland Vertrauen in die Politik einer Regierung – und noch nie haben gleichzeitig so wenige geglaubt, die Opposition könne es besser.


      Das ist der Ausdruck einer tiefgreifenden Vertrauenskrise. Von Ausnahmen abgesehen, geht die Beteiligung bei Wahlen bedenklich zurück. Auch langjährige Mitglieder wenden sich von den Parteien ab. In manchen Gegenden fehlen schon Kandidaten für die Wahlen in den Städten und Gemeinden.



      Darin drückt sich für mich das gefährlichste und verhängnisvollste Misstrauen aus: Das fehlende Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten, etwas verändern und etwas gestalten zu können. Das trifft nicht nur die eine oder die andere Partei, das richtet sich gegen unser Gemeinwesen als ganzes. Hier droht eine innere Auswanderung aus unserer Demokratie, die wir nicht tatenlos hinnehmen dürfen.


      Noch erleben wir keine wirklich bedrohlichen Äußerungen von Enttäuschung und Wut. Wir müssen aber einen stillen Abschied und privaten Zynismus beobachten, resigniertes Schulterzucken von Menschen, die von der Politik nichts mehr erwarten. Das geht oft einher mit fehlendem Vertrauen in die eigene Zukunft.



      VIII.



      Es ist höchste Zeit, etwas dafür zu tun, dass wir die Vertrauenskrise überwinden, in die unsere Gesellschaft geraten ist. Wir müssen die Grundlagen des Vertrauens wiedergewinnen. Schönreden hilft da nicht. Wir werden uns anstrengen müssen.

      Die Politik muss die Initiative wiedergewinnen gegenüber wirtschaftlichen und anderen Einzelinteressen. Die politische Gestaltung muss zurück in die Parlamente. Die Abgeordneten müssen mit ihrer Stimme die Richtung bestimmen und nicht bloß Beschlüsse von Kommissionen und Konsensrunden verabschieden.


      Dazu brauchen wir zunächst einmal eine verständliche politische Sprache. Oft hören wir ja ein seltsames Gemisch aus Abkürzungen und Neubildungen, aus halb verdeutschtem Englisch oder aus absichtlicher Schwammigkeit, aus Verharmlosung und Fachchinesisch.


      Was man nicht verstehen kann – und vielleicht auch nicht verstehen soll – das schafft kein Vertrauen. Manchmal glauben die Menschen auch, die Redner wüssten selber nicht so genau, worüber sie sprechen, so abstrakt und lebensfern hört sich vieles an.


      Eine verständliche und klare Sprache ist aber notwendig, auch im öffentlichen Streit mit Wort und Widerwort.



      Und nichts stärkt das Vertrauen der Menschen mehr als die Übereinstimmung von Wort und Tat. Das ist der einfachste Weg, um Glaubwürdigkeit zu gewinnen – und der ist schwer genug: Sagen, was man tut, und tun, was man sagt.


      Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit, aber auch Pflichtbewusstsein und Anstand sind Tugenden, auf die wir nicht verzichten können. Wir müssen darauf vertrauen können, dass jede und jeder, da, wo sie Verantwortung tragen, ihre Pflicht tun, dass sie wahrhaftig sind und sich anständig verhalten.



      · Wir müssen darauf vertrauen können, dass Handwerker ordentlich arbeiten und korrekt abrechnen. Und die müssen darauf vertrauen können, dass ihre Rechnungen pünktlich bezahlt werden.


      · Wir müssen uns darauf verlassen können, dass Manager in erster Linie an das Unternehmen, seine Anteilseigner und Beschäftigten, denken und nicht an ihre eigenen Abfindungen oder Aktienoptionen.


      · Wir müssen uns darauf verlassen können, dass wir richtig beraten werden, bei der Bank, beim Einkaufen, beim Abschluss von Verträgen.


      · Wir müssen uns darauf verlassen können, dass nicht nur bei Lebensmitteln der Grundsatz gilt: „Es ist drin, was drauf steht.“


      · Wir müssen uns darauf verlassen können, dass die öffentliche Verwaltung frei von Durchstechereien und unbestechlich arbeitet, wie das dem stolzen Ideal des deutschen Beamtentums entspricht.


      · Wir müssen uns darauf verlassen können, dass Ärzte uns richtig behandeln – und dass sie korrekt abrechnen.


      Das sind Forderungen an jeden Einzelnen von uns, da, wo er Verantwortung trägt. Wie aber kann der Einzelne motiviert werden, selber anständig zu handeln und vertrauenswürdig zu sein, wenn er den Eindruck hat, das große Ganze stimme nicht und der Ehrliche sei wirklich oft genug der Dumme?



      Das kann nur gelingen, wenn in der Politik deutlich wird, dass es noch Zukunftsentwürfe gibt, Ziele – und den nötigen Gestaltungswillen. Politik muss mehr sein als ein Reparaturbetrieb gesellschaftlicher Verwerfungen. Politik muss gestalten und darf nicht der Wirklichkeit hinterherhinken. Politik muss mehr sein als die möglichst geschickte Form, das zu kommentieren, was ohnehin geschieht.


      Wir müssen den Primat der Politik wieder gewinnen – einer Politik, die sich an Werten orientiert und die sich nicht darauf beschränkt, tatsächliche oder vermeintliche Sachzwänge zu exekutieren.


      Politik muss wieder zeigen, dass es sie gibt und dass sie etwas für die Menschen bewirken kann.


      Neues Vertrauen in staatliches Handeln wird aber nur wachsen, wenn in Politik und Verwaltung solide gearbeitet wird. Dazu gehört die ernsthafte Auseinandersetzung mit allen Sachfragen, bis ins kleinste Detail. Dazu gehört die Einsicht, dass politische Entscheidungen ihre Zeit brauchen, wenn sie vernünftig sein sollen. Ein westfälischer Mathematiklehrer hat einmal ganz schlicht gesagt: „Richtigkeit geht vor Fixigkeit“.


      Politik muss Probleme lösen. Diese Forderung richtet sich an die politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen, denn Bund, Länder und Gemeinden sind vielfältig aufeinander angewiesen. Keine politische Partei kann heute nur auf andere zeigen, wenn es darum geht, Veränderungen durchzusetzen.


      Ich sage das ausdrücklich an die Adresse aller politisch Handelnden in Regierung und Opposition. Es ist ein Ausdruck von Verantwortungslosigkeit, wenn eine Regierung Vorschläge nur deswegen ablehnt, weil sie von der Opposition kommen, obwohl sie sie insgeheim für vernünftig hält. Und es ist genauso Ausdruck von Verantwortungslosigkeit, wenn eine Opposition vernünftige Vorhaben nur deshalb scheitern lässt, weil sie von der Regierung kommen, obwohl sie sie selber genauso durchsetzen würde, wenn sie an der Macht wäre.


      Wer das von fast allen als richtig Erkannte allein aus wahltaktischen Motiven blockiert, mag zwar hoffen, kurzfristig Zustimmung zu gewinnen. Langfristig wird aber unser ganzes Land verlieren.




      IX.




      Eines müssen wir wieder entdecken: Wir können politisch gestalten, wir können Weichen stellen. Wir können sagen, wohin die Reise gehen soll. Dazu braucht es den politischen Willen, den Willen zur Politik. Große Spiele, sagt man im Fußball, werden im Kopf entschieden. Da ist viel dran. Was sich ändern muss, das ist die Haltung, die viele resignieren oder Abschied nehmen lässt von Politik und Staat. Diese Haltung führt letztlich dazu, dass unsere Gesellschaft auseinander fällt und dass jeder versucht, irgendwie für sich allein durchzukommen. Das aber wird nicht gut gehen.



      Wir müssen wieder begreifen: Der Staat, die Gesellschaft, das Land, das sind wir, das ist jeder einzelne. Das ist unsere gemeinsame Sache und diese gemeinsame Sache können wir selber gestalten. Wir hören oft, man müsse die Menschen „mitnehmen“, zum Beispiel auf den Weg der Reformen. Das ist gewiss richtig. Orientierung und Führung sind notwendig.



      Genauso notwendig ist es aber, auf die Menschen zu hören. Deshalb müssen wir uns neue Gedanken darüber machen, wie sich die Menschen besser und stärker an den Entscheidungen beteiligen können. Wir brauchen neue Ideen und Möglichkeiten für Mitgestaltung und Partizipation in unserer Gesellschaft. Wir müssen politische Willensbildung unter den heutigen Bedingungen besser organisieren.

      Unser demokratischer Staat ist mehr als ein Dienstleistungsbetrieb und auch mehr als eine Agentur zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts. Der Staat schützt und stärkt die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger auch vor den gesellschaftlichen und ökonomischen Kräften, die die Freiheit des Einzelnen längst viel stärker bedrohen als jede Obrigkeit. Dazu legt er auch Regeln und Pflichten zu Gunsten der Gemeinschaft fest. Damit schafft der Staat Freiräume gegen puren Ökonomismus und gegen das alles beherrschende Dogma von Effizienz und Gewinnmaximierung.

      Es gibt eine gefährliche Wechselwirkung von Staats- und Politikverdrossenheit auf der einen Seite und den allzu pauschalen Forderungen nach Privatisierung, Deregulierung und Rücknahme staatlicher Verantwortung auf der anderen Seite.

      Die solidarische Absicherung gegen die großen Lebensrisiken, die sozialen Ausgleich in unserer Gesellschaft schafft und damit soziale Stabilität, wird immer häufiger verächtlich gemacht. Sozialer Ausgleich und soziale Gerechtigkeit, so heißt es, bedrohten die Freiheit des Einzelnen. In Wirklichkeit ist es doch immer noch so, dass die Freiheit der meisten Menschen, dass ihre Chancen, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten, ganz wesentlich von der

      gesellschaftlich organisierten Solidarität abhängt.



      Gewiss: Eigene Verantwortung und eigene Anstrengung sind notwendig und unverzichtbar. Mehr Eigenverantwortung darf aber nicht heißen, dass die Starken sich nur noch um sich selber kümmern und die anderen sehen sollen, wo sie bleiben.



      Solidarität der Schwachen mit den Schwachen – das genügt nicht. Arbeitende für Arbeitslose, Junge für Alte, Gesunde für Kranke, Nichtbehinderte für Behinderte: Darauf bleibt jede Gesellschaft angewiesen.




      X.




      Wer politisch vertrauenswürdig sein will, der darf nicht über jedes Stöckchen springen, das Interessenvertreter oder Medien ihm hinhalten. Da wird ein Fall von angeblichem Sozialmissbrauch im Ausland medial groß aufgemacht – der bei Licht besehen gar kein Skandal ist – und schon werden Gesetze geändert. Ähnliches ließe sich im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform sagen, ähnliches von der Steuerreform.


      Wenn eine angeblich benachteiligte Gruppe nur laut genug schreit oder der blanke Populismus publizistisch Verstärkung erfährt, sind die Vorhaben von gestern heute schon nichts mehr wert. Das zeugt nicht von Souveränität. Es schafft vielleicht kurzfristig Applaus, aber nicht langfristig Vertrauen. Vertrauen gewinnt politisches Handeln durch Souveränität und Solidität. Kurzfristiger Aktionismus schafft eher Misstrauen, weil man dann nur darauf wartet, welches Thema wohl morgen hochgespielt wird. Vertrauen entsteht nur da, wo man einen klaren Kurs erkennen kann.


      Vertrauen setzt voraus, dass es klare Verantwortlichkeiten gibt und dass sie klar erkennbar sind. Jeder Interessierte sollte wissen können, wer für welche Entscheidungen verantwortlich ist. Das ist aber heute kaum mehr möglich.



      Die politisch Verantwortlichen vom Bund bis zu den Gemeinden sind heute zu oft in einer Verflechtungsfalle gefangen. Diese Blockade muss aufgelöst werden. Die institutionalisierte Verantwortungslosigkeit muss aufhören. Genau das muss die Föderalismuskommission zustande bringen.


      Zur Ehrlichkeit gehört es darum auch zu sagen, dass vieles aus guten Gründen längst nicht mehr in Deutschland entschieden wird, sondern auf europäischer Ebene. Übrigens: Vertrauen und Glaubwürdigkeit der Politik werden auch dann beschädigt, wenn Politiker etwas als Ausgeburt der Brüsseler Bürokratie an den Pranger stellen, was sie selber in Bund oder Ländern beschlossen und der Europäischen Union vorgeschlagen haben.



      XI.



      Die Medien spielen in der demokratischen Gesellschaft eine besonders wichtige Rolle als Kontrollinstanz. Sie tragen besondere Verantwortung. Unabhängige Medien, die sogenannte vierte Macht im Staat, können und müssen dazu beitragen, dass politische und gesellschaftliche Zusammenhänge durchschaubar werden. Sie können und sollen Missstände und Skandale aufdecken, komplizierte Zusammenhänge erläutern, Hintergründe darstellen und Interessenkonflikte offen legen. Das ist in unser aller Interesse.



      Wir müssen aber darauf vertrauen können, dass das Bild, das sie uns von der Welt zeigen, einigermaßen mit der Wirklichkeit übereinstimmt.



      Auch hier haben viele Menschen inzwischen viel Vertrauen verloren. Sie haben gelernt, dass man nicht nur mit Schlagzeilen, sondern auch mit Bildern lügen kann, dass halbe Wahrheiten oft schlimmer sind als ganze Lügen, dass nicht alle Themen, die groß aufgemacht werden, wirklich wichtig sind.


      Die Medien haben Macht. Oft ist der Grat schmal zwischen scharfer Kritik, die berechtigt ist, und der publizistischen Jagd auf einen Menschen, für die es keine Rechtfertigung geben kann.


      Vieles in unserer Gesellschaft, vieles in Politik und Wirtschaft gibt wahrlich Anlass zu Kritik. Die kritische Auseinandersetzung mit Fehlern und Mängeln kann das Vertrauen stärken. Es gibt aber auch in den Medien eine fatale Lust an Schwarzmalerei und klischeehafter Übertreibung. Diese Lust fördert die Entfremdung der Bürger von Politik und Staat.



      Der ökonomische Erfolg allein, der Blick auf Quote und Auflage darf die Grundregeln journalistischer Arbeit nicht außer Kraft setzen. Intendanten und Verleger, Chefredakteure und Journalisten – sie alle tragen Mitverantwortung für das Gemeinwesen, das auch durch Häme und Zynismus in Gefahr geraten kann. [...]



      (Quelle: Bundespräsidialamt)


      _____________________________________________


      Das ist wahrlich die bedeutendste Rede, die je ein Präsident der Bundesrepublik Deutschland gehalten hat. Zu ihrer Beurteilung spricht Bände, daß die Presse sie wie auf Kommando ignorierte und madig machte. Noch aufschlußreicher ist die umwerfende Tatsache, daß kein einziger Minister der Rede beiwohnte; von der Opposition war nur Guido Westerwelle dabei. Was Rau sagen wollte, mußte aus seiner Umgebung durchgesickert sein. So leitete man die Philippika an den Adressaten und an der Öffentlichkeit vorbei. Nannte sich einst Friedrich der Große stolz den ersten Diener seines Staates, muß sich nun am Ende seiner Präsidentschaft Johannes Rau als der erste Überwachte und Ausgegrenzte seines Staates vorkommen.

      Die Resonanz zeigte, daß die dünne Schale um den dicken Kern purer Salonoptimismus war. Was dem scheidenden Präsidenten vorschwebte, war, die kritisierten Eliten durch schonungslose Analyse zu bewegen, das verlorene Vertrauen wiederzuerwerben. Das aber können und wollen sie auch gar nicht. Das „Lob des Manchestertums“, das Otto Graf Lambsdorff am 26. Mai in der „Welt“ anstimmte, artikulierte drastisch die Mauer, an der die Rede abprallte. Dem leidenden Zeitgenossen fällt dazu nur noch Dantes Vers zum Höllentor ein „Laßt, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren.“

      Der arbeitslose Lehrer, der den Bundeskanzler im gleichen Monat auf einer Parteiveranstaltung ohrfeigte, kann sich in dem Prozeß, der ihm gemacht wird, nicht nur auf meinen Staatsbriefe-Artikel „Das freche Regiment der Backpfeifengesichter“, sondern auch auf Raus letzte Berliner Rede berufen. Man wird Rau deswegen nicht gleich als Schreibtischtäter brandmarken, wie das mit mir im Handumdrehen passieren würde.

      Das Mißtrauen, das der Bundespräsident bei den Bürgern mit Recht feststellte, führt bei schierer Aussichtslosigkeit wie von selbst zu exzessiven Ausschreitungen, unter denen eine Ohrfeige die mildeste Form ist.

      Bei allem Respekt vor dem Mut der Rede stellt sich allerdings die Frage, was denn der scheidende Bundespräsident in den Jahren seiner Amtszeit getan hat, um dem rasanten Niedergang in die Speichen zu greifen. Wer sie sich stellt, sagt sich schon nach einer kurzen Überlegung: er hat nichts getan. Johannes Rau hat nicht einmal die Kritiker des Niedergangs vor der Ausgrenzung bewahrt, die lange vor ihm und noch tiefer erkannten, was da im Gange war.

      Er hätte rechtzeitig eine umfassende Debatte erzwingen können, von der vielleicht die nötigen Abwehrkräfte mobilisiert worden wären. So kann er sich nicht gegen den Vorwurf wehren, die kritisierten Zustände selbst mit heraufgeführt zu haben. Diese Bemerkung dient jedoch nur der Historisierung. Sie soll sein Verdienst nicht schmälern, doch noch die Wahrheit gesagt zu haben – wenn es auch zu spät gewesen ist.

      Bei der Beurteilung der letzten Berliner Rede Raus fällt mir die Lukullus-Oper von Bertolt Brecht und Paul Dessau ein. Am Ende der ersten Fassung „Das Verhör des Lukullus“ wird das Gericht der Nachwelt um Nachsicht gebeten, weil er von seinen Raubkriegen den Kirschbaum nach Rom brachte. Mit diesem Kirschbaum ist Raus letzte Rede vergleichbar, wenn sein Fall einmal justiziabel werden sollte. Ich hoffe das nicht, weil eine juristische Bewältigung von unheilvoller Politik immer nur neues Unheil gebracht hat. Sollte es doch dazu kommen, möchte ich wünschen, daß dann nicht ein Zentralkomitee auftaucht, wie 1952, als Brecht gezwungen wurde, aus dem „Verhör des Lukullus“ eine „Verurteilung des Lukullus“ zu machen, die in den Ruf mündete: „A ja, ins Nichts mit ihm, ins Nichts mit ihm und allen wie er!“ Wann aber ist es in meinem langen Leben jemals nach mir gegangen.

      _____________________________________________

      © 2004 / V.i.S.d.P. Hans-Dietrich Sander

      [29.5.2004]
      http://www.staatsbriefe.de/1994/2004/Raus%20Abschied.htm
      Avatar
      schrieb am 21.06.04 15:35:35
      Beitrag Nr. 1.723 ()
      Gerhoch Reisegger

      Lügen haben kurze Beine

      Kommentar zur Wahl des "EU-Parlaments" am 13.6.2004



      Der Leser sei um Nachsicht – ja Entschuldigung – gebeten, daß er jetzt auch noch mit einem Kommentar zu einem Nichtereignis behelligt wird.

      Seit Jahrzehnten, und schon lange bevor es Maastricht, Nizza oder die „Osterweiterung“ gab, waren sich die Fädenzieher einig, daß es um die Zerstörung Europas als christliches Abendland und seine vielfältige Kultur und den geistigen Vorrang ging und geht. Solange noch der Kalte Krieg herrschte, ließ sich alles Negative, Bedrohliche, wirtschaftliche Menetekel, etc. dem „bösen“ Gegenreich zuschieben. Am „Ende der Geschichte“, als nun die „wahre Freiheit“ („Du darfst!“, ...), die „universellen Menschenrechte“ (Guantanamo, Abu Ghreib, Palästina, ...) und die „Demokratie“ (Kosovo, Irak, WTO, GATS, IMF, ...) ausgebrochen wurde, glaubten viele – insbesondere die ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten im Osten – daß ihnen wie im Schlaraffenland die gebratenen Hühner ins Maul fliegen würden - wenn sie nur erst einmal in der NATO bzw. der Europäischen Union wären.

      Der Unterschied des östlichen Materialismus und Atheismus zum amerikanischen und westlichen (Raubtier-)Kapitalismus – der natürlich auch blanker Materialismus ist, und daher nicht weniger Atheismus –, war der des Unterschieds der Vorder- bzw. Rückseite ein und derselben Münze. – Kein wesentlicher.

      Nun wurde also ca. sechs Wochen nach der „Erweiterung“ gewählt. - „Abgeordnete“ für das Europa-Parlament. Bei uns – Österreich - reduzierte sich dieser „Wahlkampf“ auf die Frage der Spesen und sonstigen Benefizien jener nach Hunderten zählenden Maden im Speck. Als mir jemand – besser gesagt ein Niemand – eine Wahlempfehlung unaufgefordert zukommen ließ, fragte ich ihn:

      - Wie kommen Sie auf die Idee, daß dies der einzige heimattreue Kandidat sei?

      - Können Sie mir erklären, was Sinn und Zweck des "EU-Parlamentes" ist?

      - Können Sie mir überhaupt erklären, um welche Befugnisse es hier überhaupt geht?

      - Können Sie mir erklären, was "Heimattreue" überhaupt in der EU verloren haben?

      - Können Sie mir erklären, warum jemand an einem "Spiel mit gezinkten Karten" teilnehmen soll?
      (Ich meine dem Konstrukt EU mit seinen angeblichen "Institutionen".)

      - Können Sie mir sagen, warum ich zu dieser Empfehlung komme?

      Sie können sich gewiß denken, daß ich keine Antwort bekam, um korrekt zu sein, eine auf Nachfrage nach 14 Tagen, die aber die Fragen unbeantwortet ließ und sich in Wischi-Waschi verlor.

      Es schien kein Mensch zu wissen, wozu und was er eigentlich wählen sollte. Daß dem so ist, dafür spricht, daß im Schnitt nur ca. 45% zur „Wahl“ gingen. Abgesehen von den Parteigängern (einer besonders dummen Sorte von Spießbürgern, die Partei-Parolen nachlaufen), die „bewußt“ ihren Kandidaten wählten, haben die meisten Wähler der jeweiligen Regierung einen Denkzettel verpaßt. Das merkten diesmal sogar die Wahl-„analytiker“ nach der Wahl. Parteiunabhängig verloren alle jene jeweils, die als Regierende für die Lügen, den fortgesetzten Verrat an den Lebensinteressen der Bürger und das Verscherbeln des Volksvermögens an Finanzhaie (unter dem Vorwand des einheitlichen EU-„Rechts“, aber auch der simplen persönlichen Bereicherung) verantwortlich waren und immer noch sind. In Österreich merkte man dies an einem Sonderphänomen: ein EU-Spesenritter spielt sich zum Saubermann auf und reduziert die Lebensfragen der Nation auf den (gewiß zum Himmel stinkenden) Spesenbetrug und die finanzielle Selbstbedienung der EU-Parlamentarier – und gewinnt haushoch.

      Daß dies alles den „Siegesfeiern“ keinen Abbruch tut, versteht sich. So hat also etwa die SPÖ mit etwa 33% die Wahl „gewonnen“. – Nun: 0,33 (Stimmanteil) x 0,45 (Wahlbeteiligung) = 0,14 (der Wahlberechtigten), d.h. dieser strahlende Sieger hat 14% der Wahlberechtigten „hinter sich“.

      Damit hat man ad oculos vorgeführt, daß alle diese teuren, unnötigen, korrupten, unfähigen, ... Institutionen zu all dem auch vollkommen delegitimiert sind. Oder will noch jemand behaupten, daß um und unter 10 Prozent „das Volk“ vertreten?

      Das hat aber auch eine gute Seite: für uns – und die längst auf Änderung sinnenden Menschen – zeigt es, daß nunmehr auch die „Mitzi-Tant´ aus Mistelbach“ begriffen hat, daß sie seit Jahren von den Politikern belogen und betrogen wird. Sie alle spielen nicht mehr länger mit.

      Bei uns und in Deutschland hat es, wegen der politisch korrekten Schreibe der Lizenzmedien, der Umerziehung und Dauerverblödung etwas länger gedauert, bis die Mehrheit dahintergekommen ist. Insofern sind die Ergebnisse in den neuen Mitgliedsstaaten sensationell.

      In Polen sind nur knapp 20% zur Wahl gegangen, nur sechs Wochen, nachdem sie ins Schlaraffenland gekommen sind.

      Dies zeigt unmißverständlich:

      1. die völlige Entfremdung zwischen Polit-Establishment und Bevölkerung,

      2. die völlige Desillusionierung über dieses Pseudo-Paradies,

      3. die totale Desinformation in unseren Medien über die wahren Verhältnisse in den Beitrittsländern.

      Wir finden gerade dieses polnische Ergebnis noch verheerender für das ganze Lügengebäude und Kartenhaus EU, als die verschiedenen „Nein“-Voten etwa Dänemarks oder Schwedens.

      Die miserable weltwirtschaftliche Lage, der Bankrott des Weltwährungssystems (d.h. des Dollars), die Kriegstreiberei der USA und Israels, die europäische Arbeitslosigkeit und das langsame Abschneiden von den nötigen Energie- und Industrierohstoffen durch den amerikanischen Hegemon (= Räuber), die geistige und kulturelle Verödung werden das Ihre dazu tun, daß dieser Jahrhundert-Betrug "EU" bald platzen wird.

      Insofern war das Nichtereignis der EU-Wahl doch ein wichtiges: Die Uhr ist abgelaufen.

      Es ist nun höchste Zeit, sich auf die kommenden Stürme einzurichten und „warm anzuziehen“.



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      © 2004 / V.i.S.d.P. Gerhoch Reisegger

      [15
      http://www.staatsbriefe.de/1994/2004/eu_wahl.htm.6.2004]
      Avatar
      schrieb am 22.06.04 02:39:24
      Beitrag Nr. 1.724 ()
      bluemoos,

      ist es nicht depremierent,die letzte grosse Rede von Bruder Johannes zu lesen,nach vierzig Jahren AKTIVER POLITIK,sich hinzustellen und solch eine Rede zu halten.Plötzlich wissen sie auf eimal alles,warum hat er denn aus seiner Position heraus keine Veränderungen eingeleitet?

      Alles regt sich über die Abschreibungen von Vodafon auf,niemand,aber auch niemand regt sich über die Abschreibungen der Landesbanken auf.
      Avatar
      schrieb am 23.06.04 16:58:38
      Beitrag Nr. 1.725 ()
      Nachrichten, die man nicht überall findet.




      Demokratien sterben einsam
      22.06.2004



      Derzeit wird wieder einmal an Gesetzen gearbeitet, die die Freiheiten der Bürger - eine der Grundvoraussetzungen einer Demokratie - weiter einschränken, andere sind bereits erlassen worden.

      So wird in Deutschland auf Betreiben des Innenministers Otto Schily an einem Gesetzentwurf gearbeitet, der eine deutliche Beschränkung des Versammlungsrechts zum Ziel hat. Demnach sollen nicht nur Veranstaltungen an "nationalen Gedenkstätten" verboten werden können, die dazu geeignet sind, die "menschenunwürdige Behandlung der Opfer zu billigen, zu leugnen oder zu verharmlosen", dies soll auch für jede Versammlung gelten, die "nationalsozialistische oder andere Gewalt- und Willkürherrschaft oder terroristische Vereinigungen oder terroristische Straftaten im In- und Ausland in einer Weise verherrlicht oder verharmlost, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu gefährden".

      Daß hier einem praktisch willkürlichen Verbot von unliebsamen Demonstrationen Tür und Tor geöffnet werden könnte, ist offensichtlich. Zumindest in seiner jetzigen Form könnte mit Hilfe dieses Gesetzes nach seinem Erlaß so gut wie jede kritische Demonstration und anderweitige Veranstaltung verboten werden. So wäre beispielsweise ein Verbot einer Demonstration gegen den Irakkrieg sicherlich aufgrund dieses Gesetzes damit begründbar gewesen, daß damit die "Willkürherrschaft Saddam Husseins verharmlost" worden wäre.

      Bemerkenswert ist hierbei sicherlich, daß dieser Gesetzesentwurf zu einem Zeitpunkt kommt, da die Bevölkerung eben gerade nicht regelmäßig zu hunderttausenden auf die Straße geht und so das "Geschäftsleben teilweise lahmlegen", wie der Berliner Innensenator Ehrhart Körting von der SPD sagte.

      Aber auch in Österreich ist die Lage kaum besser. So hat der Ministerrat einem Bericht des österreichischen ORF vom Dienstag zufolge bereits eine Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes beschlossen, die die Einrichtung von "Schutzzonen" um Schulen, Kindergärten und Altersheime ermöglicht.

      Das Gesetz gibt den Leitern der genannten Einrichtungen die Möglichkeit, Anträge auf die Errichtung von solchen "Schutzzonen" zu stellen. Wird einem solchen Antrag stattgegeben, so steht es der Polizei von da an mindestens sechs Monate lang - die Genehmigung einer "Schutzzone" kann verlängert werden - frei, "verdächtige Personen" im Umkreis von 150 Metern um die Einrichtung des Platzes zu verweisen.

      Der Eindruck, daß sich die Formulierung "verdächtige Personen" praktisch gegen jeden richten könnte, wird dabei durch die Aussage der Vizekanzlers Hubert Gorbach, daß sich das Gesetz vorrangig gegen Drogenhandel in der Nähe von Schulen, aber auch gegen Eigentums- und Sexualdelikte und Verstöße gegen das Verbotsgesetz, das eine Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinne unter Strafe stellt, kaum entkräftet. Schließlich wird eine Person, die beispielsweise einen Fahrraddiebstahl plant, kaum mit einer Panzerknackermaske und einem T-Shirt mit der Aufschrift "I`m an evil bike-napper" bekleidet auf eine Schule zu laufen.

      Bei genauerer Betrachtung ist offensichtlich, daß hier willkürlichen Entscheidungen ganz bewußt der Weg geebnet werden soll. Da die Leitung einer Schule allein schon von Seiten der Eltern sicherlich unter Druck gesetzt werden wird, einen solchen Antrag zu stellen, dürfte deren Anzahl hoch sein. Eine effektive Durchsetzung einer solchen "Schutzzone" würde allerdings einen großen Personalaufwand durch die Polizei erfordern, was angesichts der Finanzlage kaum entsprechend möglich wäre.

      Übrig bleibt also nur, daß innerhalb einer solchen "Schutzzone" bei "Bedarf" jede dort anwesende Person des Platzes verwiesen werden kann - der "Verdacht" eines geplanten Eigentumsdelikts dürfte nur äußerst schwierig zu widerlegen sein.

      Auch dieses Gesetz ist also letztendlich hervorragend dazu geeignet, unbequeme Versammlungen zwar nicht endgültig aufzulösen, aber doch empfindlich zu behindern, da die Einrichtung solcher Bannmeilen um alle genannten Einrichtungen einer Stadt zu einer großen Flächendeckung führen dürfte.

      Eine Demokratie, in der es den Bürgern aus welchen Gründen auch immer untersagt wird, sich an einem Ort ihrer Wahl zu versammeln, um ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen, hat sich bereits weit von den eigenen Grundsätzen entfernt.


      http://www.freace.de/artikel/200406/220604b.html
      Avatar
      schrieb am 23.06.04 17:06:34
      Beitrag Nr. 1.726 ()
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      Wirklich schlechte Handelsnachrichten vernebelt man ablenkungstechnisch durch schlechte Nachrichten von anderen Fronten
      von Saul Landau
      ZNet Kommentar 18.06.2004

      ZNet > Globalisierung / Nord-Süd Konflikt > “Den Armen und an den Rand Gedrängten wird Gerechtigkeit in aller Regel vorenthalten, (dabei) würden sie am meisten von der fairen Anwendung von Gesetz und Menschenrechten profitieren. Doch trotz der zunehmenden Debatte um die Unteilbarkeit der Menschenrechte, sieht die Realität so aus, dass wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vernachlässigt werden, sodass die Menschenrechte für die große Mehrheit der Weltbevölkerung auf ein bloßes theoretisches Konstrukt reduziert sind. Es ist nicht nur Zufall, dass im Irak-Krieg der Schutz der Ölquellen Priorität gegenüber dem Schutz von Krankenhäusern zu haben schien”, aus dem Jahresbericht von Amnesty International, Mai 2004. Am 29. Mai haben Terroristen, die der Al Kaida zugerechnet werden, in Saudi-Arabien westliche Geiseln genommen. Mehr als 20 dieser Geiseln wurden getötet - was Skeptiker in ihrer Ansicht bestätigt, Bushs Krieg gegen den Terror habe die Welt nicht sicherer sondern gefährlicher gemacht. Während aus dem Irak weiter schlechte Nachrichten eintreffen (und Bush sorgt dafür, dass die “Terroristen”, “Aufständischen” oder wie immer man “diese Leute” bezeichnen mag, an Boden und Prestige gewinnen), bezichtigt Amnesty International die USA, an der dauerhaften Erosion der Menschenrechte und des internationalen Rechts schuld zu sein - es sei schlimmer als in den letzten 50 Jahren. “Die globale Sicherheitsagenda, wie von der US-Administration verbreitet, ist eine visionäre Bankrotterklärung und prinzipienlos”, so der Report. “Im Namen der Sicherheit des eigenen Landes opfert (sie) Menschenrechte, ignoriert Misshandlungen im Ausland und setzt preemptive Militärgewalt ein, wo und wann immer sie will, was weder die Sicherheit erhöht, noch die Freiheit gesichert hat”. Anstatt dem Irak Freiheit und Sicherheit zu bescheren, resultierte Bushs Krieg gegen den Terror in systematischem Einsatz von Folter im Gefängnis Abu Ghraib - dies ist allerdings nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs, was US-Folter im Irak und in Afghanistan anbelangt. Derweil haben Bushs Männer fürs Grobe versucht, die Öffentlichkeit vom täglichen Trauerspiel in Bagdad abzulenken, indem sie an der Heimatfront Alarmmeldungen verbreiteten. Schon wieder gibt Generalstaatsanwalt John Ashcroft eine dringliche Terrorwarnung aus. Allerdings vergaß er, das Ministerium für Heimatsicherheit (Department of Homeland Security) über die angeblich so imminente (aber wie immer vage) Drohung zu informieren. Und da ist das allgegenwärtige “Breaking-news”-Gekreische - “neue Entwicklungen” im Gerichtsfall Kobe Bryant, Michael Jackson, Scott Peterson: Massenablenkungswaffen, die von den eigentlich wichtigen Nachrichten ablenken.

      Einem Bericht der UNCTAD (Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung) hingegen wurde in keiner der großen Zeitungen und TV-Nachrichtensendungen ‘prime space’ eingeräumt - leider. Die UNCTAD veröffentlicht zweimal im Jahr einen Report. Mit dem (aktuellen) Dokument zieht sie die gesamte “Globalisierung” bzw. das System der “freien Marktwirtschaft” in Zweifel. Der Anstieg des internationalen Handels, so der Report, habe nicht etwa zum Abbau der Armut in den ärmsten Ländern der Welt geführt. In Wirklichkeit sei die Armut während des Welthandels-Booms angestiegen, ebenso habe die Einkommenskluft zwischen Arm und Reich zugenommen. Laut dieser Studie gibt es wenig, was darauf schließen lässt, dass Handel das Einkommen der ärmsten Menschen in den 50 unterentwickeltsten Ländern der Welt verbessert hat. Zwar bestätigen die UNCTAD-Offiziellen, der Handel habe dazu beigetragen, einige arme Länder in die Weltwirtschaft zu integrieren; als Folge der neoliberalen Handelspolitik hätten sich deren negative Handelsbilanzen allerdings weiter verschlechtert. Bedeutet das, die Öffnung der Märkte verbreitet keinen Segen? Um das herauszufinden, hätte es keiner Expertengruppe bedurft, wache Leute haben das schon längst erkannt: Welthandels-Investionen - zoll- und steuerfrei und ohne Regierungsregularien - schaden den mehr als 3 Milliarden bedürftigsten Menschen dieser Welt, und sie nützen den Reichsten. Weitere Daten, die diese Schlussfolgerung belegen, enthält ein aktueller Bericht der ECLAC (UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik). Die Autoren schätzen, dass in den lateinamerikanischen Ländern und der Karibik 227 Millionen Bürger unterhalb der Armutsgrenze leben. Für die ersten Jahre des 21. Jahrhunderts hat man für diese Region eine Arbeitslosenrate von 10,3% ermittelt - was fast der Depressionszeit der 30ger entspricht. Enrique Iglesias, Präsident der Inter-amerikanischen Entwicklungsbank, bestätigt: 44% der Bevölkerung Lateinamerikas leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Region, gibt Iglesias zu, reflektiere eine hässliche Kluft in puncto Reichtumsverteilung, es herrsche massive Arbeitslosigkeit und “soziale Ausgrenzung, mitbeeinflusst durch ethnische und rassische Faktoren”. Auf der anderen Seite diskutieren Finanzexperten auf den Kommentatoren- und Wirtschaftsseiten der New York Times und des Wall Street Journals, ob der Ex-Chef der New Yorker Börse Richard Grasso sein “Kompensationspaket” in Höhe von $188,5 Millionen nun verdient hat oder nicht - Grasso musste seinen Posten vorzeitig räumen. Sie diskutieren, ob CEOs, die tausende Arbeiter niederer Lohngruppen entlassen, einen Bonus über $10 oder $20 Millionen erhalten sollten. Prominente, über deren Beitrag zur Weltkultur wir nicht zu diskutieren brauchen, akzeptieren Verträge, bzw. lehnen sie ab, bei denen es um hunderte Millionen geht. Ein gewisser Baseball-Spieler “verdient” Millionen von Dollars damit, Schuhe anzupreisen, die $100 und mehr kosten. $100 Dollar - für die Hälfte der Weltbevölkerung ist das mehr als ein Halbjahresverdienst. Hunderte Millionen Menschen dieser Welt verdienen diese Summe nicht einmal im Jahr.

      Hunderte Millionen Menschen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas schaffen es irgendwie, von weniger als einem Dollar pro Tag zu überleben. Für eine Kuh auf einer von der US-Regierung subventionierten Milchfarm wird mehr ausgegeben als für ein Kind in einem nicaraguanischen Slum. Willkommen in der ach so rationalen und demokratischen Welt des Freihandels. In diesem System “testet” man die Bedürftigsten darauf, ob sie sich für Kredite qualifizieren - Kredite, die letztlich die Reichsten reicher machen. Die Ökonomen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds verlangen von den Regierungen armer Länder routinemäßig, dass sie in “Export-Chancen” investieren. Sie raten den Führern armer Länder der sogenannten Dritten Welt, endlich mit dem “Blödsinn Autarkie” aufzuhören und stattdessen lieber Exportpflanzen anzubauen: Blumen statt Mais, Macadamia-Nüsse statt Bohnen. Es ist typisch für die Offiziellen des IWF (Internationaler Währungsfonds), Kredite solange zurückzuhalten, bis die bittende Regierung bereit ist, ihre harten Regeln zu akzeptieren. Ein Beispiel: Um sich für einen IWF-Kredit zu qualifizieren, musste die Regierung Jamaicas Mitte der 70ger Jahre nachweisen, dass sie ihre Subventionen für die Armen gekürzt und die Währung abgewertet hat. Auf diese Weise wurden die Armen immer ärmer. Die Sozialausgaben wurden exakt für diejenigen gekürzt, die sie am nötigsten brauchten. “Aber keine Angst”, säuselte der Handelsvertreter des IWF, “bald fließt privates Kapital herein, das schafft neue Jobs und regt das allgemeine Wirtschaftswachstum an”. In Ländern, die diese Ratschläge befolgten, stehen heute Textilfabriken der Marke ‘kleiner Lohn, niedrige Kosten’. Honduras, zum Beispiel, wurde zum Superzulieferer für Walmart. Honduras Dividende allerdings ist alles andere als super. Nur ein sehr geringer Teil des “investierten” Kapitals bleibt tatsächlich im Land, und die Jobs werfen im allgemeinen weniger ab, als ein Mensch zum Leben braucht. Ein honduranischer Arbeiter verdient rund 70 Cents pro Stunde - und das nach massiven Lohnerhöhungen.

      Hinzu kommt: In weiten Teilen der sogenannten Dritten Welt befindet sich die Landwirtschaft auf dem Rückzug - als Folge der “Eingliederung” der Dritte-Welt-Länder in die globale Wirtschaft. Länder, die früher ihren Eigenbedarf decken konnten, sind heute Importeure. So hat das Freihandelsmodell dazu geführt, dass Lebensmittelfabriken aus Watsonville, Kalifornien, nach Irapuato in Mexiko umsiedelten. Auf diese Weise konnte man Sozialleistungen umgehen und weit niedrigere Löhne zahlen. Umgekehrt produzierten die Bauern Irapuatos jetzt nicht mehr Mais und Bohnen sondern Erdbeeren und Brokkoli. Um ihren Bedarf zu decken, sind die Menschen in Irapuato heute auf importierten Mais und importierte Bohnen aus den USA angewiesen. In anderen Regionen Mexikos ist die Lage so, dass die Bauern sich außerstande sehen, mit den hochsubventionierten Agrobusiness-Giganten der USA zu konkurrieren. Sie gaben ihr Land einfach auf. Aber der Trommelruf nach Abschaffung der Zölle, nach Subventionsabbau in der Landwirtschaft gilt für Lateinamerika nach wie vor - während die Regierung der USA Agro-Unternehmen mit hunderten Milliarden verwöhnt. Die Regierung Nicaraguas - Nicaragua ist nach Haiti das ärmste Land in der Hemisphäre - unterzeichnete Ende Mai CAFTA (zentralamerikanisches Freihandelsabkommen mit den USA). Diese Unterschrift könnte das Ende der nicaraguanischen Landwirtschaft bedeuten. Wie sollen die kleinen Maisbauern mit US-Giganten konkurrieren, die ihre Steuergroschen-Unterstützung dazu nutzen, die Preise zu manipulieren und so die schwächeren Märkte zu entern? Noch etwas: In Nicaragua wie in Mexiko kommt dem Mais religiöse Bedeutung bei, aber auch biologische. Genveränderter Mais, wie ihn die US-Firmen anbieten, führt zu einer raschen Verseuchung und Zerstörung eingeborener Sorten - die Bauern hätten sie schützen können. Dieser Aspekt der Globalisierung macht Umweltschützer besorgt - so, wie die zunehmende Armut jeden ernsthaften Ökonomen besorgt macht (und alle Menschen, deren Herzen es noch nicht verlernt haben, mit menschlichem Leid mitzufühlen).

      Ashley Seagers (‘Guardian’ vom 28. Mai) leitet aus dem jüngsten Amnesty-Report folgende Voraussage ab: “die Zahl der Menschen in den am wenigsten entwickelten Ländern, die in absoluter Armut oder von weniger als $1 am Tag leben, wird bis 2015 auf 471 Millionen angestiegen sein, von heute 334 Millionen” - das heißt, sollte der Trend anhalten. Denken wir nur an die sich ständig wiederholenden Versprechungen (Lügen) der Regierungsoffiziellen und “Experten”: Freihandel sei etwas Vernünftiges und Gutes; NAFTA, CAFTA, FTAA und ähnliche Freihandelsabkommen schafften Jobs und führten zu einer gesunden Entwicklung, zu Stabilität. Richtig - so, wie die USA den Irak ja nur bekriegten, um Saddam Hussein daran zu hindern, Massenvernichtungswaffen einzusetzen und an Terroristen weiterzugeben und um dem Mittleren Osten Demokratie zu bringen, Freiheit und Stabilität! Alexander Solschenizyn schrieb einst über die UdSSR: “Zwangsernährung mit Lügen ist inzwischen zum leidvollsten Aspekt des Lebens in unserem Land geworden”. Die Freihandels-Lügen vernebeln die prekären Fakten des Lebens: Statt die Bedingungen für die arme Mehrheit auf Erden zu verbessern, hat der “freie Markt” zur Verschlechterung dieser Bedingungen geführt. Zeit für ‘fair trade’ statt ‘free trade’. Denn, ‘Freiheit’ aus dem Munde der Bushiten ist etwas anderes, als was wir darunter verstehen.

      Anmerkungen:

      Saul Landaus neuestes Buch trägt den Titel: ‘The Business of America: How Consumers Have Replaced Citizens and How We Can Reverse the Trend’. Sein neuer Film: ‘Syria: Between Iraq and a Hard Place’ (Cinema Guild: 800-723-5522). Landau ist Direktor des ‘Digital Media and International Outreach Programs for the College of Letters, Arts and Social Sciences’ der California State Polytechnic University, Pomona 3801 W. Temple Avenue Pomona, wo Landau lehrt www.saullandau.net

      http://www.zmag.de/artikel.php?id=1154&PHPSESSID=a3f7b2b4e36…
      Avatar
      schrieb am 23.06.04 17:21:01
      Beitrag Nr. 1.727 ()
      Avatar
      schrieb am 23.06.04 17:31:40
      Beitrag Nr. 1.728 ()
      Avatar
      schrieb am 24.06.04 19:57:08
      Beitrag Nr. 1.729 ()
      Avatar
      schrieb am 24.06.04 20:00:54
      Beitrag Nr. 1.730 ()
      Themen des Tages

      Finanzmarktgeschichte
      ++ Konjunktur gerettet? ++



      Von Claus Vogt
      Am Anfang jeder Anlageentscheidung sollte ein Studium der Finanzmarktgeschichte stehen. Sie ist voller spannender Episoden, die uns viel über das Funktionieren der Welt und das Wesen der Menschen lehren, und voller überraschender Wendungen. Mit dem Wissen des Spätgeborenen scheinen manche Zeiten spekulativer Exzesse so offensichtlich unsinnig zu sein, daß sich die Frage aufdrängt, wie die Zeitgenossen so blind sein konnten, das Offensichtliche nicht zu erkennen. Und doch wiederholt sich Finanzmarktgeschichte immer wieder, stets sich im Kreise drehend und dem Fortschrittsglauben hohnsprechend. Bei aller individuellen Abwechslung der jeweiligen Episoden ergeben sich immer wiederkehrende Muster und Zyklen, deren Kenntnis von unschätzbarem Wert sein kann.

      Unsere intensive Beschäftigung mit der Finanzmarktgeschichte und hier insbesondere mit den großen überlieferten Spekulationsblasen ermöglichte es uns, die vielleicht größte Spekulationsblase aller Zeiten während ihrer Entwicklung zu erkennen und ihr Platzen zu prognostizieren. Ausgehend von den USA in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre hielt diese Blase den größten Teil der Welt in Atem. Während sich die dafür verantwortliche US-Notenbank hinter der offensichtlich unhaltbaren Behauptung versteckte, Blasen seien erst nach ihrem Platzen zu erkennen, erlagen Unternehmer, (Noten-)Banker, Analysten, Politiker, Journalisten und Privatanleger den in spekulativen Zeiten so unwiderstehlichen Sirenengesängen einer angeblichen neuen Ära, die Reichtum für alle zu versprechen schien.

      Es kam, wie es kommen mußte, die Blase und die auf ihr basierenden Träume platzten. Jetzt traten die US-Notenbank und die Regierung in Aktion. Sie starteten bereits im Januar 2001 eines der größten konjunkturellen Ankurbelungsprogramme aller Zeiten. Nachdem es in den beiden Jahren 2001 und 2002 nicht zu greifen schien, entfaltete es 2003 wenigstens teilweise die erhoffte Wirkung. Ist jetzt also, wie die lautstarke Bullenherde uns versichert, die Konjunktur gerettet und eine neue Hausse losgetreten worden?


      ++ Konjunktur gerettet? ++

      Leider nicht, befürchten wir, leider nicht. Der Wirtschaftsaufschwung in den USA entbehrt unserer Meinung nach weiterhin einer gesunden und tragfähigen Basis. Er ist das Ergebnis eines exzessiven staatlichen Konjunkturprogrammes und vermutlich lediglich ein Strohfeuer, dessen künstliche, staatlich verordnete Energiezufuhr langsam nachläßt. Insbesondere die kurzfristig sehr positiven Konjunktureffekte des boomenden US-Immobilienmarktes scheinen nach und nach zu verblassen. Wenn die wenigen mahnenden Stimmen, die eine Immobilienblase in den USA erkennen, Recht haben sollten, dann drohen aus diesem Bereich äußerst unangenehme Überraschungen für die Wirtschaft. Da die Bedeutung des Immobilienmarktes für die Wirtschaftslage der USA sehr viel größer ist als die der Aktienmärkte, würde das Platzen dieser Blase vermutlich sehr viel gravierendere Folgen haben als das der Aktienblase. Allerdings hat sich auch an den Aktienmärkten erneut eine Spekulationsblase entwickelt. Außerdem haben die von der Notenbank administrierten extrem niedrigen „Notfall“-Zinsen zu einem sehr hohen Maß spekulativer Aktivitäten an den Anleihemärkten geführt. Der von der Notenbank bewußt gesetzte Anreiz für Großspekulanten, zu 1 Prozent Geld zu leihen, um es zu 3 oder 4 Prozent anzulegen, ist geradezu unwiderstehlich groß. Entsprechend zahlreich sind die Spieler, die diesen Trade in den vergangenen Jahren eingegangen sind. Sollte die Zukunft Zinssteigerungen bringen, dann werden einige der in diesem Bereich schlummernden Risiken sichtbar werden und für Schlagzeilen sorgen.

      Wie alle ihre Vorgängerinnen, so unsere feste Überzeugung, wird auch diese doppelte oder gar dreifache Blase platzen. Erst dann wird sich herausstellen, ob die Politik der US-Notenbank tatsächlich so extrem falsch war, wie wir meinen, oder ob gegen die Lehren aus der Finanzmarktgeschichte und wider alle Vernunft dieses Mal tatsächlich alles anders gewesen ist. Wir bleiben vorerst standhaft bei unserer Überzeugung, daß es nicht vernünftig sein kann, Gelddrucken und Schuldenmachen als Heilmittel für Probleme einzusetzen, deren Ursache Gelddrucken und Schuldenmachen ist.


      Claus Vogt leitet das Research der Berliner Effektenbank.

      http://www.instock.de/Nachrichten/10143177/pos/2
      Avatar
      schrieb am 24.06.04 20:03:59
      Beitrag Nr. 1.731 ()
      [b ]Der "Trade des Jahrzehnts" [/b]
      Von Bill Bonner

      Wie geht es dem "Trade des Jahrzehnts"? Nicht schlecht.

      Wenn Sie den "Investor`s Daily" schon länger lesen, dann wissen Sie, was ich mit dem "Trade der Dekade" meine. Es handelt sich um eine Investmententscheidung, die man nur einmal alle 10 Jahre treffen muss. Danach kann man den Fernseher abschalten, man braucht nicht mehr NTV zu sehen und den Wirtschaftsteil der Zeitung zu lesen, sondern kann sich stattdessen um die Dinge kümmern, die wirklich zählen – Frauen und Trinken, zum Beispiel.

      Mein letzter "Trade des Jahrzehnts" stammt aus dem Jahr 2000. Damals sagte ich: "Kaufen Sie Gold, verkaufen Sie Aktien". Seitdem hat der Dow Jones etwa 2000 Punkte verloren. Der Goldpreis ist um ungefähr 100 Dollar gestiegen. Aber man kann für den Punktestand des Dow Jones in Dollar immer noch 26 Feinunzen Gold erhalten. Vor einem Vierteljahrhundert lag dieses Verhältnis bei 1 zu 1.

      Der wirkliche Gewinn liegt noch in der Zukunft. Ich weiß nicht, was passieren wird, aber ich bezweifle, dass die Zukunft steigende Aktienkurse und einen fallenden Goldpreis bringen wird.

      Ob durch Unfähigkeit oder durch eine perverse Absicht ... jedenfalls ist es die tiefe Absicht von Alan Greenspan, das Vertrauen der Welt in den Dollar zu zerstören. Er tut dies, indem er einen Schein-Boom veranlasst hat.

      In einem wirklichen Boom verdienen die Leute echtes Geld. Und wenn sie mehr Geld verdienen, dann haben sie auch mehr Geld zum Konsumieren. Die Arbeitgeber stellen wieder Leute ein ... die Gewinne steigen und werden reinvestiert. Aber in einem "Schein-Boom" – der auf Schulden basiert – wird die reale Nachfrage durch eine "Schein-Nachfrage" ersetzt. Das führt zu "Pseudo-Reichtum", wie es Dr. Kurt Richebächer nennt ... zu teuren Immobilienpreisen und überteuerten Aktienkursen.

      Und Gold? Eine Inflation wird zu einem steigenden Goldpreis führen. Auch eine Deflation sollte zu einem steigenden Goldpreis führen – da die Leute dann "sichere Häfen" suchen.

      Aber wer weiß? Vielleicht haben die Zentralbanker es endlich doch geschafft, mit dem Papiergeld umgehen zu können. Vielleicht können sie aus dem Nichts Kaufkraft schaffen. Es gibt also keine Garantie, dass es eine Inflation oder Deflation geben wird.

      Ich bleibe dabei: Verkaufen Sie Aktien, kaufen Sie Gold.


      Bill Bonner schreibt als US-Korrespondent für den kostenlosen Newsletter "Investor`s Daily". Weitere Informationen finden sie hier.

      [ Donnerstag, 24.06.2004, 18:33 ]
      http://www.instock.de/Nachrichten/10143181.html
      Avatar
      schrieb am 24.06.04 20:07:53
      Beitrag Nr. 1.732 ()
      Avatar
      schrieb am 24.06.04 20:14:13
      Beitrag Nr. 1.733 ()
      Die EU nach den Wahlen zum Europäischen Parlament
      km. Das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament hat verschiedenes deutlich gemacht:


      Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten ist der Wahl ferngeblieben. Besonders niedrig war die Wahlbeteiligung in einigen der gerade erst der EU beigetretenen Länder, sie rutschte dort bis unter 20 Prozent. So zeigt die seit 1979 kontinuierlich sinkende Wahlbeteiligung, dass sich immer weniger Bürgerinnen und Bürger etwas davon versprechen, an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilzunehmen.
      Fast alle Regierungsparteien innerhalb der EU mussten zum Teil starke Einbussen hinnehmen, gleich welcher Partei die Regierungen angehören. Dies ist nicht erstaunlich, weil es keine grossen Unterschiede mehr zwischen den Regierungspolitiken der einzelnen Länder gibt. In der Tat haben sich alle Regierungen der EU-Staaten der Globalisierung, der sozialdarwinistischen neoliberalen Ideologie und einer europäischen Grossmacht-politik, ob nun im Gefolge oder als Kontrapunkt zur US-Politik, verschrieben. Sie betreiben also eine Politik, die gegen die Anliegen der Mehrheit in der Bevölkerung gerichtet ist.
      Selbst politisch gut informierte Bürgerinnen und Bürger können nicht mehr überblicken, welche politischen Kräfte und Persönlichkeiten aus 25 Staaten mit mehr als 350 Millionen Einwohnern und 19 verschiedenen Sprachen im Parlament vertreten sind. Schon jetzt ist abzusehen, dass die Entfremdung zwischen den EU-Institutionen und den Bürgern weiter zunehmen wird und deshalb die These, es handle sich bei der EU um ein durch und durch undemokratisches und bürgerfernes Gebilde, nur noch mehr an Berechtigung gewinnt.
      In vielen Ländern der EU haben Parteien und Gruppierungen, die aus unterschiedlichen Motiven die EU kritisieren, starke Zustimmung erhalten. Eine der wenigen Ausnahmen ist Deutschland. Dies hängt wohl damit zusammen, dass Deutschland mittlerweile eines der Länder mit der geringsten poli-tischen Freiheit und politischen Vielfalt innerhalb der EU ist und auch die öffentliche Meinung im Grunde genommen in Sachen EU gleichgeschaltet ist. Dass deutliche Kritiker der EU wie in Österreich oder in den Niederlanden auch noch von Massenmedien unterstützt werden, in Österreich zum Beispiel von der auflagenstarken «Neuen Kronenzeitung», ist in Deutschland derzeit undenkbar.
      Mehr als 100 Abgeordnete des 732köpfigen EU-Parlaments liegen nach der Wahl nicht auf EU-Linie. Vielleicht gibt es Hoffnung, dass diese Abgeordneten, so unterschiedlich auch ihre politische Herkunft ist, ein kritisches Potential bilden und die Öffentlichkeit verstärkt über die Vorgänge innerhalb der EU informieren.
      Die Medienkommentare nach den Wahlen waren durchaus nachdenklich, ohne dass aber die EU als solche in Frage gestellt wurde. Dies wohl auch deshalb, weil sich mittlerweile auch die meisten Medienmacher nicht mehr bewusst sind, welchen Einschnitt und welche Missachtung der Menschenwürde es bedeutet, wenn das Ringen um Demokratie und politische Freiheit aufgegeben wird.

      Stellvertretend für viele mag der Leitartikel aus der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» vom 15. Juni stehen, in dem es heisst: «Eine wirkliche Wahl hätten die Europäer erst dann, wenn sie darüber entscheiden könnten, was aus ihrer Union werden soll. Die Bürger in den 25 Mitgliedsländern darüber abstimmen zu lassen, dürfte allerdings eine Utopie bleiben.»

      Nachdenken sollten alle in der EU über eine Stimme aus Prag. Die Zeitung «Lada Fronta Dnes» schrieb am 14. Juni: «Die Menschen identifizieren sich mehr mit den Nationalstaaten als mit diesem übergeordneten Koloss, den sie nicht verstehen und von dem sie nicht wissen, was er tut. Vielleicht waren gerade die Europa-Wahlen eine Ohrfeige für die Integrationsbemühungen der EU, und es stellt sich die Frage, ob sich überhaupt so weitermachen lässt.»

      Die Staats- und Regierungschefs, die den umstrittenen Vertrag über eine EU-Verfassung beschlossen haben, sind über diese Stimme hinweggegangen.



      Artikel 4: Zeit-Fragen Nr.24 vom 21.6.2004, letzte Änderung am 23.6.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 28.06.04 13:35:21
      Beitrag Nr. 1.734 ()
      Avatar
      schrieb am 28.06.04 14:03:30
      Beitrag Nr. 1.735 ()
      --------------



      Über die besondere Fähigkeit der Bäume,
      den Blick auf den Wald zu verstellen




      Eine Auflistung von Einzelerscheinungen,
      die helfen soll, den Überblick zu bewahren


      Egon W. Kreutzer
      24. Juni 2004


      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14016Waldbaum.html


      Der Juni 2004 brachte eine beispiellose Flut an Höhepunkten, Schlussstrichen und endgültigen, kaum revidierbaren Entscheidungen. Jedes einzelne Ereignis war aufregend genug, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu binden und den Blick von der großen Linie des Geschehens abzulenken. Nichtiges und Wichtiges prasselte im Trommelfeuer der Medien ohne erkennbare Unterschiede in den Prioritäten auf uns nieder und wer es schaffte, einen Augenblick innezuhalten, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine unsichtbare Regie dafür sorgte, dass immer dann ein neuer, dicker Baum auf die Bühne geschoben wurde, wenn die Gefahr bestand, dass irgendwer bemerkt, wie tief wir im Grunde schon in den Wald geraten sind.

      Grund genug, die wichtigsten Ereignisse Revue passieren zu lassen und die Handlungsfäden zurückzuverfolgen, aus denen sie hervorgegangen sind. Erinnern Sie sich?




      "Wahnsinn!"





      Deutschland ist in der Vorrunde aus "der Euro" ausgeschieden.

      Ist Ihnen das auch aufgefallen?

      Was bis vor vier Jahren immer und ausschließlich EM hieß, ist diesmal von beinahe allen Kommentatoren, Ansagern oder einfach nur mal so "Zu-Wort-Gekommenen" bei beinahe jeder Gelegenheit als
      "die Euro" bezeichnet worden.

      Wer hat sich das ausgedacht? Wer ist auf die Idee gekommen? Wer hat befürwortet und durchgesetzt, dass dem ungeliebten, maskulinen Zahlungsmittel "der Euro" zum Ausgleich eine bewunderungswerte, feminine Ballspielmeisterschaft, "die Euro", zur Seite gestellt wurde?

      Wer hofft, der Bevölkerung mit der Schaffung einer "Euro-Familie" die Ablehnung des Euro austreiben zu können, um damit Raum zu schaffen, für die unterschiedlichsten Charaktere, für Sympathie und Antipathie?


      Verschwörungstheorie?

      Es gibt Menschen, die dem Beruf des "Spin-doctor" nachgehen, und für viel gutes Geld nichts anderes tun, als immer neue Wege zu ersinnen, wie man Stimmungen verändert oder umdreht, wie man dem Volkszorn und dem Volkswillen die Richtung weist, die er sonst nicht finden könnte.

      Vermutlich war es ein Spin-doctor, der geraten hat, die Politik rigorosen Sozialabbaus sowohl unter dem neuen, ebenso geheimnisvollen wie zukunftsdeutenden Namen "Agenda 2010", wie auch gleichzeitig unter dem vertrauten, an erfüllte Hoffnungen erinnernden Namen "Reform" zu verkaufen.

      Vermutlich war es schon 1989 ein Spin-doctor, der als erster damit angefangen hat, bei jeder Gelegenheit mit lauten "Wahnsinn!, Wahnsinn!" -Rufen seine Wiedervereinigungsfreude auszudrücken, mit dem Ziel, so endlich auch den wahren Wahnsinn hoffähig zu machen.

      Seitdem jedenfall ist "Wahnsinn!" positiv besetzt und ein Politiker, dem heute eine "wahnsinnige Politik" attestiert wird, der wird das zunächst einmal für den Ausdruck kaum noch zu steigernder Anerkennung halten, keineswegs aber Kritik darin erkennen können.

      "Wahnsinn!" das ist seit 1989 Programm und jeder der sich diesem Programm verschreibt, ist im Vorteil.

      Blühende Landschaften? "Wahnsinn!"

      Solidaritätszuschlag? "Wahnsinn!"

      Stasi-Akten? "Wahnsinn!"

      Hauptstadt Berlin? "Wahnsinn!"

      Olympia in Leipzig? "Wahnsinn!"

      Hartz halbiert die Arbeitslosenzahlen? "Wahnsinn!"

      Subventionsabbau? "Wahnsinn!"



      SPD Wahlergebnisse
      im Juni 2004?

      "Wahnsinn!"

      Selbst ein Erdrutsch ist noch harmlos gegen das, was die Genossen von Wählern und Nichtwählern als Quittung für eine völlig verfehlte Politik bekommen haben.



      Warum aber können sich Frau Merkel und ihre Mitstreiter trotzdem nicht dazu durchringen, ihre Rolle als Opposition anzunehmen und gegen die generelle Richtung der Regierungspolitik zu kämpfen?

      Warum wollen sie stattdessen nichts anderes, als in Zukunft das Falsche selber nur
      noch falscher zu machen?

      Weil "Wahnsinn!" positiv besetzt ist? Weil "Wahnsinn!" Methode hat?


      Nun, wenn "Wahnsinn!" Methode hat, dann kann auch "die Euro" Methode gehabt haben. Schade nur, dass wir schon draußen sind. Vielleicht werden wir es deshalb nie mehr erfahren.



      Eines jedenfalls haben wir in diesem Juni begriffen:


      Vor vielen Monaten begann ein schleichender Prozess, mit dem das schöne deutsche Wort "Mauer" aus dem aktiven Sprachschatz der Medienleute und der Politiker verschwunden ist.

      Sie erinnern sich:
      Als Sharon anfing, die Palästinenser einzumauern, hieß es
      verharmlosend: Er baut einen "Zaun".




      Doch Zaun war als Synonym für Mauer nicht zu etablieren. Im nächsten Anlauf kam die Wand. Während alte Mauern, wie z.B. die Schallmauer oder die Berliner-Mauer Mauern bleiben, werden auf den Baustellen der Gegenwart nur noch glatte Wände hochgezogen, und wo immer es geht, wird gleich der Trockenbauer gerufen, weil dessen Wände niemals zu feuchten Mauern werden können.

      Nun ja. Im Juni haben wir endlich erfahren, was der Zweck dieser Übung war:

      Die CDU-CSU hat die Regierung das Zuwanderungsgesetz verabschieden lassen.

      Jetzt ist die Wand zu. Niemand kommt rein, den wir nicht ausdrücklich wollen und selbst diejenigen, die schon drin sind, können leichter, flexibler, und unbürokratischer wieder vor die Wand gesetzt werden. Selbst, wenn sie möglicherweise (wer weiß das schon?) von anderen an die Wand gestellt werden. Hauptsache, ausländische Hassprediger, gegen die sich ein Verdacht begründen lässt, können zügig abgeschoben werden.

      Gut gegangen. Aber nur mit Hilfe der Wand.

      Hätte man das Gesetz, wie es noch vor einem Jahr der Sprachgebrauch gefordert hätte, "Zumauerungsgesetz" genannt, es wäre am Widerstand aller Demokraten gescheitert.
      Wir haben schließlich ein im Grundgesetz verbrieftes Asylrecht, das uns zwar, Dank Drittstaatenklausel, inzwischen kaum noch belastet, aber wir haben es.

      Wir haben dazu grundgesetzlich verbriefte Menschenrechte, zu denen auch gehört, dass niemand bloß auf Grund seiner Religionszugehörigkeit, seiner Hautfarbe oder seiner politischen Überzeugung weggesperrt und abgeschoben werden darf.

      Wer diese hehren Rechtsgüter mit Hilfe eines Zumauerungsgesetzes hätte aushebeln wollen, wäre gescheitert.

      Das Zuwanderungsgesetz hat die Hürden genommen.



      Grundgesetz,
      wie lange noch?




      Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, dessen Artikel 146 besagt:

      Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit
      Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine
      Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von
      dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.

      ist allerdings inzwischen auch obsolet, ebenso wie ein Großteil aller Bundes- und Landesgesetze, ja selbst der Gemeindeordnungen und -Satzungen.

      Es wird nämlich nicht vom deutschen Volke in freier Entscheidung durch eine Verfassung ersetzt, sondern durch die Unterwerfung der Bundesrepublik Deutschland unter die im Juni von den Regierungen aller Mitgliedsstaaten akzeptierte Europoäische Verfassung. Diese ist allerdings in weiten Teilen nichts anderes, als die bedingungslose Kapitulation der europäischen Völker vor dem Diktat der ungezügelten Kräfte des Marktes.

      "Wahnsinn!"

      Wenn künftig einer unserer großen Global Player die Wasserversorgung von Niederunterauendorf haben will, dann bekommt er die. Gegen den Widerstand der Gemeinde hilft die Europäische Verfassung. Zur Not wird um die Rechte an dem Brunnen mit dem klaren Gebirgswasser geklagt. Das Gericht muss die Ausschreibung erzwingen und schon hat der Global Player den Brunnen, weil er das Geld hat, das mehr als tausendmal reichen würde, die Ausschreibung zu gewinnen. Und hat er gewonnen, dann dürfen die Niederunterauendorfer gechlortes Uferfiltrat vom Rhein trinken, während ihr kristallklares Felsenwasser in Dubai in 0,2 l Fläschelchen zum Preis von 15 Dollar verhökert wird.

      "Wahnsinn!"



      Weil klar ist, dass es in einem Volksentscheid für eine solche Verfassung keine Mehrheit gäbe, gibt es keinen Volksentscheid.

      Da heißt es:

      "Die Verfassung müsste geändert werden, um einen Volksentscheid zu ermöglichen."


      In der Verfassung steht dazu aber ganz eindeutig:

      Artikel 20 [Verfassungsgrundsätze - Widerstandsrecht]

      (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
      (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
      (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
      (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.


      Wie also übt das Volk die von ihm ausgehende Gewalt aus?

      In Wahlen und Abstimmungen!

      Nun ja, da steht "Abstimmungen". Da steht weder was von einem "Plebiszit", noch von einem "Volksbegehren" oder einem "Volksentscheid" und es steht auch nicht, wie so was zu machen wäre und wer das darf und es steht auch nicht dabei: "Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."


      Die Bürger, die bereits akzeptiert haben, dass die Reform des Sozialstaates nicht dem Erhalt des Sozialstaates dienen, die Bürger, die eingesehen haben, dass Fahrtkostenpauschale und Eigenheimzulage ganz ungeheuerliche Subventionen sind, während die Milliarden, die man der Firma American Micro Devices (AMD) gibt, damit sie sich in Dresden ansiedelt, lediglich eine musterhafte Maßnahme der Wirtschaftsförderung sind, die Bürger, die inzwischen sogar eingesehen haben, dass eine Wand keine Mauer ist, werden auch noch hinnehmen, dass eine "Abstimmung" alles Mögliche sein kann, aber nie und nimmer ein "Volksentscheid".

      Und wenn sie es nicht einsehen wollen?

      Dann sehen sie es eben nicht ein. Was wollen sie denn machen?

      Wenn die EU-Verfassung erst einmal ratifiziert ist, ist der alte Artikel 20, samt seinem Widerstandsrecht sowieso nur noch Makulatur. Dann gibt es, im Europa der Regionen, als Ersatz dafür den europaweiten Volksentscheid. Da können sich die wahren Europäer großeuropäisch einigen.

      Und wenn sie jetzt noch Widerstand leisten wollen?

      Mein Gott: Es ist doch "andere Abhilfe" möglich! Man kann doch z.B. mit seinem Wahlkreisabgeordneten reden und den bitten, etwas gegen die EU-Verfassung zu tun. Der ist doch nur seinem Gewissen verantwortlich und der wird demnächst abstimmen, über die Verfassung.

      Ja, ...wenn die Abgeordneten nicht frei wären, in ihren Entscheidungen, vielleicht sogar einem Fraktionszwang unterlägen, dann wäre vielleicht keine andere Abhilfe mehr möglich, aber so?

      Außerdem kann doch jeder Bürger ganz einfach bei der nächsten Bundestagswahl zur Urne gehen und genau die Partei wählen, die Europa nicht will. Wenn die gewinnt, könnte Deutschland sogar wieder aus der EU austreten, in einem geregelten Verfahren.

      Nee, nee, ist nicht, mit Widerstand.

      Es ist auch überhaupt nicht gut, wenn sich das niedere Volk allzu sehr mit hoher Politik befasst. Reicht es denn nicht, dass sich die dafür gewählten und bestimmten Volksvertreter nicht einig werden? Muss denn wirklich noch an jedem Stammtisch alles durchgehechelt werden? Unsere Interessen werden doch von den Spezialisten und Experten weiß Gott zur Genüge vertreten

      .

      Da hat die Ministerin Schmidt

      doch erst neulich noch begeistert verkündet, ihre Reform habe gegriffen und die Beiträge könnten gesenkt werden, und nun kommt der Schätzerkreis der Krankenkassen daher und glaubt nicht mehr an die Beitragssenkung.



      Es werden über 14 Prozent bleiben.






      Mit Zuzahlungen, Praxisgebühr und gleichzeitigen Leistungseinschränkungen seien zwar
      10 Milliarden Euro mehr in die Kassen gespült worden, aber die sind offenbar schon wieder irgendwie zwischen Altschulden und neuen Begehrlichkeiten verschwunden.

      Für Renten- und Pflegeversicherung gilt Ähnliches und die Spezialisten und Experten wissen genau, dass derzeit alle Sozialversicherungen darunter leiden, dass sich die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten entgegen der Prognosen weiter verringert.



      Pünktlich zum
      Haushaltsentwurf 2005

      kommen außerdem noch die Experten vom Bund der Steuerzahler daher, stellen ihre frisch gestrichene Schuldenuhr auf und mahnen die Regierung, weniger Schulden zu machen.

      Hinterher kommt Herr Merz und beschwert sich darüber, dass die Regierung das Tafelsilber verkauft,
      und auch darüber, dass sie es eigentlich doch nicht verkauft,
      und dass verkaufen und gleichzeitig nicht verkaufen ein ganz übles Karussellgeschäft sei,
      und darüber, dass so etwas eine Trickserei wäre, und dass deswegen der Haushalt auf alle Fälle grundgesetzwidrig ist,

      weswegen es - na klar - für Deutschland gut wäre, wenn die Regierung zurückträte.

      Und während die Meute der Journalisten nicht ablassen kann, genüsslich alle Formen der Dämmerung durchzudeklinieren, um sich letztlich darauf zu einigen, dass die Kanzlerdämmerung angebrochen sei, da kommt Herr Rogowski daher, der seinen Job nicht weitermachen will, und sagt dem Kanzler: "Machen Sie weiter so, Herr Schröder, wir bauen auf Sie!"

      "Wahnsinn!", oder?



      Herr Dräke, vom Bund der Steuerzahler, der sich um die Bundesfinanzen sorgt, sorgt sich kein Deut darum, welche Aufgaben der Staat nicht mehr erfüllen kann, wenn er kein Geld mehr einnimmt. Herr Dräke will, dass seine Klientel möglichst wenig Steuern zahlt.

      "Wahnsinn!", oder?


      Herrn Merz ist es in Wahrheit völlig egal, wie Hans Eichel seinen Haushalt finanziert, Hauptsache, er findet einen publikumswirksamen Angriffspunkt.

      Besser machen muss er es ja nicht, nur noch falscher, und das, hofft Friedrich Merz, ist zu schaffen. Ob wir es fürchten, ist ihm ebenfalls egal.

      Der einzige, der sich wirkliche Sorgen macht, ob die Reformen auch weit und tief genug gegangen sein werden, bevor die Kanzlerin vereidigt wird, ist Herr Rogowski.

      "Wahnsinn!", oder?



      Genauso wie die Sache mit der Ausbildungsplatzabgabe.

      Die ist nun - auch in diesen Tagen - gegen einen Pakt getauscht worden, weil sich mit der Abgabe sonst ganz schlimme wirtschaftliche Auswirkungen auf hunderttausende deutscher Unternehmen ergeben hätten.


      Es ist ein Pakt geworden, der von denen, die versprochen haben, Ausbildungsplätze bereitzustellen, schon am ersten Tag dahingehend relativiert worden ist, dass es zwar 30.000 neue Ausbildungsplätze geben soll, dass damit aber keinerlei Gewähr verbunden sei, dass es auch insgesamt mehr Ausbildungsplätze gäbe, weil schließlich, auf Grund der allgemein schlechten Lage, niemand niemandem verübeln könnte, wenn er im Gegenzug zu den neuen Ausbildungsplätzen mit dem Betreiben der alten Ausbildungsplätze aufhört, zumal es ja nun doch kein Gesetz gibt, dass das Nichtausbilden verteuert.

      Darüber, wie viele von den 30.000 neuen Ausbildungsplätzen letztlich als unbezahlte Praktikantenstellen daherkommen werden, wollen wir an dieser Stelle gar nicht spekulieren. Sind wir froh, dass es wenigstens den Pakt gibt. Das Gesetz sollte schließlich nie in Kraft treten. Da ist es doch sogar besser, einen Pakt zu haben, als ein "nichtinkraftes" Gesetz, oder?

      Müntefering ist auch heilfroh, dieses aufreibend heiße Thema vom Tisch zu haben. Statt, wie angekündigt, nicht mehr länger zuzulassen, dass alle Jahre wieder das Schicksal von zigtausend jungen Menschen gegen das Gewinnstreben der aus "betriebswirtschaftlichen Gründen" nicht ausbildenden Unternehmer abgewogen wird, hat er es vorgezogen, die Diskussion sang und klanglos in einem Pakt untergehen zu lassen.

      "Wahnsinn!"

      Man hätte doch ein Gesetz machen können. Man hätte dieses Gesetz auch in Kraft setzen können. Man hätte in dem Gesetz nur bestimmen müssen, dass eine Ausbildungsplatzabgabe immer dann fälllig wird, wenn im November eines jeden Jahres mehr als 1.000 ausbildungswillige junge Menschen, trotz nachgewiesener Bemühungen, keinen Ausbildungsplatz gefunden haben; dass die Ausbildungsplatzabgabe aber nicht fällig wird, wenn weniger als 1.000 keinen Ausbildungsplatz gefunden haben.

      Das Gesetz zur Besteuerung der Alterseinkünfte ist schließlich auch beschlossen und verabschiedet worden. Obwohl sich die wirtschaftliche Situation von Millionen von Menschen dadurch verschlechtern wird. Da hat keiner daran gedacht, einen Pakt mit den Rentnern zu schließen.

      Aber so ist es:

      Gesetze macht man für die Kleinen, mit den Großen wird paktiert.



      Was bei so einem Pakt herauskommt, kann übrigens jedermann leicht nachvollziehen, der sich bemüht, sich an die Verheißungen des Reformators des deutschen Arbeitsmarktes zu erinnnern.

      Peter Hartz:
      Großer Autritt im heiligen Raum des Französischen Doms in Berlin.

      Vorstellung der Module.

      Aufforderung, eine Projektkoalion aller Profis der Nation zu bilden:

      "Der Hartz Pakt "




      Damit - und mit den unvermeidlichen Leistungs-Kürzungen und dem gezielten Einsatz von härteren Zwangsmitteln gegen die Drückerberger auf der Seite der Bezieher von Lohnersatzleistungen - sollte die Zahl der Arbeitslosen bis Mitte 2005 halbiert werden. Von damals vier Millionen, auf dann zwei Millionen.

      Was ist passiert?

      Die Zahl der Arbeitslosen ist seitdem nicht gesunken.

      Sie ist gestiegen. Sie ist gestiegen, obwohl inzwischen längst nicht mehr jeder als arbeitslos gezählt wird, der damals noch als arbeitslos galt, obwohl mit massivem Druck und zweifelhaften Methoden dafür gesorgt wurde, dass viele Menschen freiwillig aufgehört haben, die Bundesagentur für Arbeit mit der sinnlosen Nachfrage nach Arbeit zu behelligen. Sie ist gestiegen, obwohl die Zahl der Teilzeitbeschäftigten zugenommen, die Zahl der durchschnittlich geleisteten Wochenstunden weiter gesunken ist.

      "Wahnsinn!", oder?



      Derweil lässt der Bundesfinanzminister in ganzseitigen Zeitungsanzeigen verbreiten,


      man müsse nur die Schwarzarbeit richtig bekämpfen, dann gäbe es wieder Arbeit für alle.




      Jeden Tag würde in Deutschland für 1 Milliarde Euro schwarz gearbeitet!

      Das wird gedruckt und gelesen und geglaubt.

      "Wahnsinn!"



      Um das zu schaffen, müssten 25 Millionen Vollzeit-Schwarzarbeiter jede Woche 40 Stunden schwarz arbeiten, jeder dritte Deutsche. Wenn das wahr wäre, müsste es nur gelingen, ein Sechstel der Schwarzarbeiter in legale Arbeitsverhältnisse zu bringen, dann hätten wir in Deutschland wieder Vollbeschäftigung und immer noch über 20 Millionen Schwarzarbeiter.

      Klingt das nicht beinahe noch verheißungsvoller als "Blühende Landschaften"?

      "Wahnsinn!"



      Aber der Aufschwung kommt diesmal. Dieses Jahr kommt er.

      Das erste Halbjahr ist noch nicht ganz um und schon gibt es eine Steigerung um mehr als
      100 Prozent zu vermelden.

      "Wahnsinn!"



      Wo?

      Bei den Arbeitsplätzen.



      Im ersten Halbjahr 2004 wurden doppelt soviele Arbeitsplätze vernichtet, wie im ersten Halbjahr 2003.

      Frau Merkel meint übrigens ganz aktuell, mit einem Niedriglohnsektor, dort wo die Arbeitslosigkeit noch nicht so hoch sei, könnten noch Arbeitsplätze geschaffen werden. Da wo sie schon hoch sei, hülfe auch der Niedriglohnsektor nichts.

      "Wahnsinn!"

      Hier geht`s zur aktuellen Statistik von Arbeitsplatzvernichtung und Stellenabbau in Deutschland.




      Das waren einige dicke Bäume aus den letzten Wochen.


      Doch diese Bäume sind keine "bedauerlichen Einzelfälle". Sie sind ein Teil des Waldes, in den man uns geführt hat.



      In der Mitte des Waldes steht ein Knusperhäuschen, auf dessen Pfefferkuchensteinen mit allersüßestem Zuckerguss geschrieben steht: "


      Aufschwung", "Wachstum", "Wohlstand für alle", "Chancengleichheit", "Soziale Sicherheit","Arbeitsplätze", "Arbeitsplätze", "Arbeitsplätze"....


      Wenn wir hungrig genug sind, werden wir "Wahnsinn!" schreien und unter Aufbietung der letzten Kräfte hinrennen, und alles tun, um in den Genuß der süßen Verheißungen zu gelangen.




      Oder rennen wir schon?
      Avatar
      schrieb am 28.06.04 14:06:00
      Beitrag Nr. 1.736 ()
      Aktienmarkt


      Wie bereits mitgeteilt, werden wir heute den Mond Fibonacci -Zyklus „55“ seit dem 14. Januar 2000 vollenden. Die Zahl „55“ deutet meistens auf ein Hoch hin, mit einem zusätzlichen Schub am Ende. (Bullenfalle). Das Jahr 1987 war das 55. Jahr seit dem Tief in 1932. Die Sentiment-Indikatoren stehen wieder auf Rekordhöhe, was erfahrungsgemäss sehr bedenklich ist. Die Woche 27/04 ist eine Fibo-Woche „233“ seit dem 14.Januar 2000 und dürfte signifikant für das Marktgeschehen sein. Am Mittwoch fällt die FED ihre Zinsentscheidung. Am gleichen Tag wird der Irak souverän.

      In Japan erwartet man den „Tankan-Report“. Drei wichtige Ereignisse in der Fibo-Woche 233. Heute wurde der Finalwert für Juni des Verbrauchervertrauensindex der Uni Michigan auf 95,6 festgesetzt. Das US BIP für das 1.Quartal 2004 beträgt 3,9%, erwartet war 4,4%. Der deutsche IFO Geschäftsklimaindex hat sich wieder von 96 auf 94,6 verschlechtert. Das verteuerte Rohöl hat negative Auswirkungen auf die Konsumnachfrage, sagte das Institut. Die Vola im Aktienmarkt ist auf niedrigem Niveau. Siehe Dow Jones Indu Chart. Es sieht aus, wie die „Ruhe vor dem Sturm“.

      Seit dem 17. Juni 2004 wirkt ein astrologischer 42 Tagezyklus, der negative Überraschungen bringen kann. Eskalationen im Mittleren Osten und Naturkatastrophen sowie Terroranschläge in Europa können passieren. Die Auswirkungen auf die Börse stehen daher nicht sehr gut, besonders im Hinblick auf die gegenwärtige Geo-Instabilität. Alle Indikatoren deuten auf ein einschneidendes Ereignis hin.




      http://www.evotrade.de/Weekly_Charts___Vola/1987_1989/Fibo_2…
      Avatar
      schrieb am 28.06.04 14:19:22
      Beitrag Nr. 1.737 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de



      Nazi oder Egozi: 27.06.2004

      DIESE WOCHE
      Diese Woche philosophiert der Spatz. Er überlegt, was die kant`sche Einheit aus Erfahrung und Wahrnehmung mit der Gesellschaft zu tun haben könnte, zieht Parallelen zwischen Hitlers Feldzug in Rußland und dem gegenwärtigen "Krieg gegen den Terror". Er findet, was bei Habermas fehlt und denkt über die Frankfurter Schule nach: ein Grundlagenbeitrag mit Tiefengang!

      Von Habermas bis Hitler und zurück


      In den letzten Tagen wurde in den Medien der 75. Geburtstag des Frankfurter Schülers Jürgen Habermas als dem zur Zeit einzig nennenswerten Philosophen in Deutschland gefeiert. Er verspricht mit seiner "Theorie der Rationalität" und des "kommunikativen Handelns" zu einem "Gesellschaftsbegriff" zu gelangen, der "System- und Handlungstheorie" zusammenführt. Das klingt wie fast alles bei zeitgemäßen Philosophen recht verquast. Die Idee dahinter ist einfach: Wir kommen zu einem vernünftigen Gesellschaftsleben, wenn wir uns ohne Gewalt anzuwenden darüber verständigen, was unserem Gemeinwohl am besten dient und das dann auch tun. Aber ist nicht rhetorische Geschicklichkeit auch schon eine Form der Gewaltanwendung? Wir wollen aber nicht ins Kleinliche abschweifen.

      Worauf gründet sich Habermasens Hoffnung auf eine vernünftige Verständigung der einzelnen in der Gemein(d)e? Was ist die Grundlage der Vernunft, was vernimmt sie? Ist es nicht das "Was Du nicht willst, das man Dir tu`, das füg` auch keinem anderen zu"? Und liegt dem nicht auch nur das bloße, "Ich will überleben, ich zu aller erst" zugrunde. In "normalen" Zeiten können Menschen, die aufgrund überschäumender, materieller Absicherung angstfrei leben, zur Vermeidung möglicher Krisen an ihrem großen Überfluß zu Gunsten anderer Abstriche machen, Zugeständnisse für die Allgemeinheit einräumen und um Spannungen zu vermeiden sogar manchmal verzichten - das heißt - sich auf vernünftigere gesellschaftliche Zustände verständigen, solange das ihre Position nicht gefährdet. Die Krise ist die Stunde der Wahrheit. Wenn es um Leben und Stellung geht, erfährt man, was der "Vernunft" zugrunde liegt. In der Krise wird der Martyrer zum Ärgernis oder zum Deppen, weil er daran erinnert, daß es Wichtigeres geben könnte als die bloße Selbsterhaltung, als das Ego.

      Hitler ist in der heutigen Zeit zum Inbegriff des Bösen schlechthin, damit zu einer mythischen Figur geworden. Jeder Mythos lebt von seiner Geschichte. Die Bösartigkeit Hitlers macht sich an Mehrererlei fest, am Reichstagsbrand als Mittel der Meinungsmanipulation zur Rechtfertigung undemokratischer Machtübernahme, an den Morden von 1934 zur persönlichen und parteilichen Machtabsicherung und natürlich an der Behandlung der Gegner insbesondere in KZs und schließlich an der Kriegspolitik, die zwar zur Zeit historisch kaum umstritten ist aber mit guten Gründen sogar, was der Mythos verwehrt, zu bestreiten wäre. Zum Inbegriff des politisch Bösen macht ihn, daß er sich über die mühsam in der Gesellschaft und unter Völkern errichtete Rechtsordnung hinwegsetzen wollte.

      Er gesteht das im sogenannten Kommissarsbefehl selbst ein (wenn man William L. Shirers "The Rise and Fall of the Third Reich" glauben kann, das folgende Zitat ist aus dem Englischen übersetzt). Im März 1941 soll Hitler vor den Armeespitzen gesagt haben: "Der Krieg gegen Rußland wird von der Art sein, daß er nicht ritterlich geführt werden kann. Dieser Kampf ist einer der Ideologien und rassischer Unterschiede und wird mit einer nie dagewesenen, unbarmherzigen und unerbittlichen Härte geführt werden. Alle Offiziere werden überholte Ideologien ablegen müssen. Deutsche Soldaten, die das internationale Recht brechen werden entschuldigt. Rußland hat sich an der Hager Konvention nicht beteiligt und hat daher ihr nach kein Recht". Der Jura-Professor Karl Schmidt hatte schon in einer Rechtfertigung der Morde von 1934 sophistisch nachgewiesen, daß der Führer als Gewährleister des Rechts selbst über dem Recht stünde.

      Am 25.1.2002 schrieb Alberto Gonzales (oberster Rechtsberater des Weißen Hauses) in einem Memorandum an Bush: "Die Natur des neuen Krieges [gegen den Terrorismus] verlagert das Gewicht auf andere Faktoren, wie die Fähigkeit sehr schnell Informationen aus gefangenen Terroristen und über ihre Auftraggeber herauszuholen, um weitere Gewalttaten gegen amerikanische Zivilisten zu vermeiden. Daher macht - meiner Meinung nach - dieses neue Paradigma die starren Beschränkungen der Genfer Konvention zur Befragung von Kriegsgefangenen obsolet und läßt einige ihrer Vorschriften kurios erscheinen." In einem weiteren Memorandum vom 1.2.2002 stellte Justizminister Ashcroft klar: "Wenn man die Feststellung trifft, daß Afghanistan ein mißglückter Staat (failed state) ist, lassen sich verschiedene juristische Risiken, Haftungsansprüche, Prozesse und Strafverfolgungen minimieren". Dem folgten vor dem Irak-Krieg weitere Rechtsgutachten gleichen Inhalts.

      Wir wollen hier nicht näher auf die Ungeheuerlichkeiten eingehen, die diese "Gutachten" in den Gefängnissen Afghanistans, Iraks und in Cuba bewirkt haben. Entrüstung bringt niemals weiter (weshalb sich die Manipulationsmedien ihrer so gerne bedienen). Auch sei nur auf die anderen Parallelen, wie die zwischen den Anschlägen des 11.9. und dem Reichtagsbrand oder den Mord an J.F. Kennedy, der durch einen weiteren an Oswald (und die Warren Kommission) staatlicherseits verschleiert wurde, (oder den Morden an Malcom X, Martin Luther King, Robert Kennedy und anderen) kurz verwiesen. Sie gehen (wie wohl auch im Fall Hitler) nicht nur auf einzelne Person zurück, sondern - wovon Entrüstung ablenkt - auf die Institutionen, die sich der Personen bedienen.

      Doch vergleichen wir noch die Rechtfertigung. Bei Hitler hatte die ideologische Auseinandersetzung, also eine Art "Kampf der Kulturen", die Rechtlosigkeit zu rechtfertigten und ein "Rassenkrieg", in dem es nach der einseitig verzerrten Erfahrungen der Zeit nach dem 1. Weltkrieg letztlich um das Überleben des ganzen Volkes - der Menschen (Hungerblockade nach der Kapitulation) und der Institutionen - ging. Diese Bedrohung wurde - abgesehen von anderen reißerischen Reden eines Churchills oder Roosevelts - durch das Beharren der USA auf der "bedingungslosen Kapitulation" eindringlich bestätigt. Bush und seine Berater schieben vor, "weitere Gewalttaten gegen amerikanische Zivilisten vermeiden" zu wollen. Dort ging es um ein Volk im Gegensatz zu anderen, hier um besondere Zivilisten im Gegensatz zu anderen (weshalb die Organe US-Raels auch bedenkenlos in Menschenmengen schießen, um einzelne verdächtige Personen mit den oberflächlich bedauerten Kollateralschäden zu töten.

      Wenn man nicht dem "Hinhalten der linken Backe" das Wort reden will, nachdem einem auf die rechte geschlagen wurde, (was nur mit höchster Brutalität als allgemeinverbindliches "Recht" durchzusetzen wäre), muß man sich fragen, auf welcher Grundlage in einem solchen Fall "kommunikatives Handeln", von dem sich Habermas philosophisch oder eine UNO politisch die Heilung unserer gesellschaftlichen Gebrechen erhofft , wieder in Gang kommen kann. Egoisten mögen in der Zusammenarbeit wechselseitige Vorteile erkennen, sie werden aber viel eher ihre Sondervorteile wahrnehmen, mit denen sie sich von anderen absondern, über sie erheben können. Dem mag man durch Gesetze und Polizei in gewisser Weise Schranken setzen. Doch die Schranken verwalten Menschen, die sie, wo sie nur können geradeso nutzen.

      Man mag sich im Kaufhaus den möglichen Diebstahl versagen, weil der Vorteil das Risiko, die Achtung zu verspielen, kaum wert ist. Wie ist es aber, wenn man durch bestimmte Manipulationen eine ganze Bank unter seinen Einfluß bekommt oder sich gar politisch über Aufträge und günstigsts kalkulierte Preise Steuergelder in großem Umfang aneignen kann, oder wenn man jemanden erst wegen seiner besonderen Methoden an die Macht bringt, um ihn dann, wenn er nicht liefert, zum Buhmann zu machen, ihn mit Krieg überzieht, um billiger und ausschließlich an das Öl seines Volkes zu kommen; oder wenn man, weil man das Land eines Volkes haben will, dieses erst unter Druck setzt, dann Ideologen wie Franz Fanon einsetzt, die höchst seriös und "anerkannt" von der läuternden Gewalt des Terrors schwätzen, dann mit etwas Geld nachhilft, um Unzufriedene in Terrorbanden zu organisieren, ihre Einsätze steuert, und diese dann als Vorwand zur Vertreibung des Volkes nutzt? Raffiniert! Gekonnt! Schlau! Der Erfolg segnet die Mittel.

      Gewiß schafft das nicht jeder, nur Besondere. Dazu bedarf es viel Geld (als Ausweis gesellschaftlicher Vorzüglichkeit), einen aufwendigen Apparat zur Meinungsmanipulation, um Leute zu "entrüsten" und ihnen gewünschte Opfer vorzuwerfen, damit sie an ihnen die aufgestaute Wut kühlen können und sogar dafür noch bezahlen. Und warum funktioniert das? Weil man den Leuten dadurch dient, daß man ihnen die "einfachere" Lösung anbietet, die alles beim Altgewohnten beläßt, wenn sie nur "in die andere Richtung" schauen und über etwas Unrecht oder einige Ungereimtheiten hinwegsehen. Damit sie das für vorteilhaft halten, müssen die Leute unter Druck stehen (terrorisiert sein): wegen des Arbeitsplatzes möglicher Vergiftung durch erschwinglichere Nahrungsmittel, oder wegen eines erzürnten Wettergottes (von der Industrie verursachte Klimakatastrophe) und vielem mehr - für jeden das seinige. Mit dem Terror lassen sich sogar Geschäfte machen wie mit Rauschgift, Pornographie oder New-Age-Spinnereien. Wie kann es unter Egoisten, wenn sie um ihre Stellung oder das Überleben kämpfen, Verständigung auf das Gemeinwohl geben?

      Die Frage ist alt, wahrscheinlich so alt wie die Menschen: Schiller hat in seinem Wilhelm Tell, der schließlich ja auch sehr individualistisch handelt, die Richtung angedeutet, in der eine Antwort zu suchen wäre. Tell beruft sich auf ein allgemeines höheres Gesetz, während der "Patrizida", der scheinbar das Gleiche tut, es - wenn man alle sophistisch vorgeschobene Rechtfertigung abstreift - nur um des eigenen Selbsts willen tut. Bisher hat niemand die Tafeln gefunden, auf denen das Gesetz geschrieben steht. Doch vernimmt es jeder Mensch in seinem Innersten, solange er dort noch hineinhören kann und nicht menschliche Vernunft und Freiheit durch das ersetzt hat, was jeweils heute als "vernünftig" gilt und das Gegenteil von Freiheit meint. Dafür hat Tell ohne Not einen Mord (an einer entmenschlichten Obrigkeit) begangen und die Todesstrafe riskiert; um sie nicht zu verleugnen, haben sich Martyrer, angebotene Auswege ausschlagend, hinschlachten lassen.

      Der berühmte Philosoph Immanuel Kant hatte herausgearbeitet, daß im Bereich der individuellen Wahrnehmung und Erfahrung eine ungreifbare Einheit vorhanden sein muß, die aktiv alle Sinnesdaten und Eindrücke zu einem bedeutsamen Ganzen zusammenführt. Diese von ihm sogenannte "innere Einheit der Apperzeption" gilt auch für das "kommunikative" Handeln der Menschen. Habermas wie schon die Frankfurter Schule* glauben Wege anzubieten, wie man sich dieser in vielen bunten, (un)glaubwürdigen Bildern gefaßten Einheit entledigen könne, und reden mit all ihrem Emanzipationsgeschwätz doch nur der Versklavung der Menschen das Wort.

      Ohne eine "gesellschaftliche Einheit der Apperzeption" gibt es keine Verständigung, kann die bereits einsetzende Krise nur in der Katastrophe enden. Vor ihrem Verlust sollten wir Angst haben und nicht vor Buhmännern und Wettergöttern, die man uns allerorten vorhält, um uns, unser Leben einfacher über den Tisch zu ziehen. ("Ach wäre das schön, ein Häuschen mit Garten, wo Du und ich die Blümchen begießen". Ja wäre, wenn...!)

      * Näheres dazu in Revolte gegen die abendländische Kultur als Programm. Das Frankfurter Institut für Sozialforschung (DIN A 4, 16 Seiten 3 € plus Porto. Zu bestellen per eMail über nebenstehendem Link bei Dr. Böttiger)
      Avatar
      schrieb am 29.06.04 00:09:59
      Beitrag Nr. 1.738 ()
      Ausland
      Wolfgang Pomrehn

      Kapitalpoker

      Chinas Wirtschaft läuft heiß. Dennoch setzen Anleger weiter auf volles Risiko


      Langsam hat man sich daran gewöhnt, daß die Volksrepublik China für ständig neue ökonomische Rekordmeldungen gut ist. Dennoch soll hier eine weitere vermerkt werden: Vergangene Woche verkündete das Wirtschaftsministerium in Peking die neuesten Zahlen der ausländischen Direktinvestitionen. So nennt man jenes Kapital, das internationale Anleger unmittelbar in den Erwerb oder Bau von Produktionsanlagen stecken. In dieser Summe nicht enthalten ist der Erwerb von Aktien oder anderer Wertpapiere beziehungsweise die Vergabe von Darlehen. Auch über diesen Weg fließen inzwischen beträchtliche Summen ins Boomland China, denn eine ganze Reihe staatlicher wie privater chinesischer Firmen wird an den Börsen in Hongkong, Shenzhen oder Shanghai gehandelt.

      Doch zurück zu den ausländischen Direktinvestitionen (FDI – Foreign Direct Investment). Nach Angaben des Pekinger Wirtschaftsministeriums steckten internationale Unternehmen – zu denen auch die Firmen aus Taiwan und Hongkong gezählt werden, die eine besonders wichtige Rolle für die Finanzierung der chinesischen Wirtschaft spielen – von Januar bis Mai 2004 21,6 Milliarden Euro in Produktionsstätten im Reich der Mitte. Das war ein weiterer Anstieg um rund elf Prozent. Anders als in Europa oder Nordamerika, wo sich hinter den FDI-Zahlen meist Firmenaufkäufe verbergen, kann man davon ausgehen, daß das Kapital in China fast ausschließlich in neue Anlagen fließt. Sehr zur Freude der auf Marktwirtschaft und Wachstum orientierten Führung in Peking, sollte man meinen. Doch ganz so einfach verhält es sich nicht.

      Seit Spätsommer vergangenen Jahres deutet immer mehr darauf hin, daß sich in China eine ausgewachsene Überproduktionskrise zusammenbraut. Der rasch expandierende Markt mit seinen 1,3 Milliarden Konsumenten heizt die Profitphantasien sowohl in den Vorstandsetagen der Weltkonzerne als auch bei der schnell wachsenden Schaar der chinesischen Privatkapitalisten an. Überall entstehen neue Fabriken, Büros, Geschäfte und Straßen, aber die Nachfrage kommt nicht hinterher. Der Konsum wächst zwar, doch die Sparquote auch. Chinas Verbraucher sind vorsichtig. Von den über Lohnsteigerungen erzielten höheren Einkünften wandert ein Teil aufs Konto. Vorsorge für spätere Anschaffungen, für die Ausbildung der Kinder und vor allem als Absicherung im Falle von Krankheit und Alter. Eine halbwegs sichere Rente gab es bisher nur für die Industriearbeiterschaft in den Staatsbetrieben, und auch die wird durch Betriebsstillegungen und die Einführung marktwirtschaftlicher – also kapitalistischer – Prinzipien zunehmend in Frage gestellt.

      Die Folge ist, daß China gezwungener Maßen zu den sparsamsten Nationen der Welt gehören. Fast die Hälfte des Einkommens wird auf die hohe Kante gelegt – 44,6 Prozent, Tendenz steigend, wie neueste Zahlen zeigen. Die zahlreichen neuen Fabriken laufen also Gefahr, auf Halde zu produzieren. Die Folge wären Massenentlassungen und ein Rückgang der Kaufkraft. Die ganze Wirtschaft würde von einer Abwärtsspirale erfaßt. Zusätzlich droht das Platzen einer Immobilienblase, die sich in den letzten Jahren in den boomenden Küstenstädten gebildet hat.

      Die chinesische Regierung ist sich seit längerem des Problems bewußt und versucht, mit verschiedenen makroökonomischen Maßnahmen das Wirtschaftswachstum auf ein erträgliches Maß von sieben bis acht Prozent zu dämpfen. Unter anderem wurde ein Investitionsstopp für Stahl- und Betonwerke verhängt sowie die Banken angewiesen, deutlich zurückhaltender bei der Vergabe von Krediten zu sein.

      Allerdings kommen die privaten einheimischen Investoren sowieso meist ohne Bankkredite aus. Zudem finden sie trotz der aus Peking angeordneten Baustopps oft Verbündete in Bürgermeistern oder Gouverneuren, deren Karriere nicht selten von der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Region abhängt. Auch die ausländischen Anleger lassen sich kaum noch kontrollieren, wie das Internet-Fachmagazin China Economic Net dieser Tage berichtete. Dort ist zu lesen, daß die niederländische Bank ING, die ganz oben in der Liga der weltgrößten Finanzinstitute spielt, dieser Tage einen neuen Immobilienfonds für China aufgelegt hat. Weitere 250 Millionen Euro sollen demnächst allein aus dieser Quelle in den Immobilienmarkt fließen, der von der Regierung wegen der enormen Bautätigkeit und der schnellen Zunahme der Preise und Mieten zu den überhitzten Sektoren gezählt wird. In der Tat können Beobachter auf die abschreckenden Beispiele Japan und USA verweisen, wo in den 1980ern geplatzte Immobilienblasen schwere Bankenkrisen ausgelöst hatten. Japan hat noch 15 Jahre später mit den Folgen zu kämpfen.

      Bei ING läßt man sich allerdings von den amtlichen Warnungen nicht abschrecken. Andere große Fondsmanager wie die singapurische CapitaLand oder die US-amerikanische Morgan Stanley eifern dem niederländischen Beispiel nach. Peking wolle nur den raschen Preisanstieg bremsen, heißt es. Der Wohnungsbedarf sei noch lange nicht gedeckt. Ein gewagtes Spiel, aber wenn es schief geht – da können wir ganz sicher sein – wird man mal wieder nach dem Staat rufen, um sich seinen Einsatz aus dem Steuersäckel zurückzahlen zu lassen.


      http://www.jungewelt.de/2004/06-29/010.php
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      schrieb am 29.06.04 00:13:05
      Beitrag Nr. 1.739 ()
      Inland
      Hans-Gerd Öfinger

      Gesteuerte Demokratie

      Frankfurt am Main: ATTAC und Gewerkschaften diskutierten über neoliberale Medienoffensive


      In den letzten Monaten hat der Sozialabbau entscheidend an Substanz gewonnen, und in den Medien wird alles als scheinbar alternativlos dargestellt. Breite Schichten haben das Vertrauen in die Politik verloren, während neoliberale Think-Tanks auf dem Vormarsch sind«, stellte Dagmar Embsdorff von der Bewegungsakademie in Verden an der Aller zur Einleitung des Kongresses »Gesteuerte Demokratie« fest, der am vergangenen Wochenende in Frankfurt am Main stattfand. Über 150 Besucher waren angereist, um Ansätze und Methoden der politischen Einflußnahme dieser meistens im Verborgenen arbeitenden, dafür aber umso wirkungsvolleren neoliberalen Ideenwerkstätten offenzulegen und in Foren und Workshops Erfahrungen über Gegenstrategien auszutauschen. Zu den Unterstützern und Trägern der Veranstaltung gehörten neben ATTAC Deutschland und zahlreichen anderen Organisationen und Netzwerken auch die GEW Hessen und der DGB-Bezirk Frankfurt-Rhein-Main.

      Gleich zu Beginn der Veranstaltung räumte der Kölner Hochschullehrer Ralf Plak mit der Vorstellung auf, daß der Neoliberalismus eine Erfindung von Ronald Reagan und Margaret Thatcher sei. Plak definierte Neoliberalismus als ideologisches Projekt zur Durchsetzung des Primats der Ökonomie über die Politik und verwies auf die Diskussion um eine Modernisierung des wirtschaftlichen Liberalismus in den frühen 30er Jahren, die sich als Reaktion auf den Keynesianismus ausbreitete. Zu den Grundelementen des Neoliberalismus gehörten ein unerschütterlicher Optimismus im Hinblick auf sich selbst regulierende Marktmechanismen, der Glaube an das geschichtliche Monopol des Kapitalismus und den Wettbewerb als gesellschaftliche Zwangsveranstaltung. Seit den 40er Jahren seien die Verfechter des Neoliberalismus konsequent und voller »Sendungsbewußtsein« gegen alle Ansätze von Wohlfahrtsstaat, Planwirtschaft und Staatsinterventionismus aufgetreten und hätten sich insbesondere auch im Nachkriegs- Westdeutschland einen starken politischen Einfluß aufgebaut. All dem liege das materielle Interesse an einer Vermögensumverteilung zugunsten der Vermögenden und an einer Bekämpfung einer nivellierenden Einkommenspolitik zugrunde.

      Der Berliner Politikwissenschaftler Dieter Plehwe, Mitarbeiter des Forschungsprojekts »Buena Vista Neoliberal« ging auf die internationalen Vorbilder und Netzwerke deutscher Neoliberaler seit den 40er Jahren ein und skizzierte die Entwicklung von Ludwig Erhards »Sozialer Marktwirtschaft« bis zur aktuellen Initiative »Neue Soziale Marktwirtschaft«, einer mit 100 Millionen Euro ausgestatteten und von allen führenden Unternehmerverbänden und einigen Großkonzernen unterstützten Marketing- und Umerziehungsmaschine, die sich mit Politikern fast aller Parteien und allerlei Prominenten aus Sport, Kultur und Medien schmückt

      Der Publizist und Buchautor Werner Rügemer nahm eine Gruppe von Akteuren ins Visier, die sowohl in den zahlreichen »Reformkommissionen« vertreten , als auch direkt an der Realisierung von Privatisierungsprojekten beteiligt sind. Dazu zählen Unternehmensberater wie McKinsey, Roland Berger und Accenture, Wirtschaftsprüfer wie Price, Waterhouse, Coopers und KPMG sowie international operierende US-Anwaltskanzleien wie Allan & Overy, die etwa bei den Cross-Border-Leasing-Geschäften der vergangenen Jahre eine zentrale Rolle spielten. Rügemer bemängelte, daß im Zusammenhang mit der Bundesagentur für Arbeit zwar alle Welt über Florian Gerster und seine – relativ bescheidenen – Beraterbeauftragungen rede, während die globale Beratungsfirma Accenture im Rahmen eines 150-Millionen-Euro-Projekts von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt die Bundesagentur und damit den ganzen Staat grundlegend umgestalte: »Darum müßt ihr euch kümmern«, forderte er die Zuhörer auf.

      Christoph Butterwegge, Hochschullehrer für Politikwissenschaft an der Kölner Universität, setzte sich mit der aktuellen Demographiedebatte auseinander, die »demagogische« Züge angenommen habe. Die medial verbreitete Angst vor dem »Aussterben der Deutschen« – im Gegensatz zu den in Deutschland wohnenden Nicht-Deutschen – würde auch von liberalen Medien wie Stern, Der Spiegel und Die Zeit plakativ wiedergegeben und trage gefährliche nationalistische Untertöne. Eine solche von Neonazis geschürte Furcht dringe jetzt von rechts zunehmend in die Mitte der Gesellschaft vor und diene dazu, Stimmung für den Abbau des Sozialstaats, den Verzicht auf Rentenansprüche und die zunehmende Privatisierung der Sozialversicherung zu machen. Entgegen der landläufigen neoliberalen Propaganda gebe es Alternativen zu einer Politik, die den Werktätigen und/oder den Rentnern in die Tasche greift. In diesem Zusammenhang nannte Butterwegge eine allgemeine, übergreifende, integrative und solidarische Bürgerversicherung, wobei die Beitragsbemessungsgrenze für Besserverdienende unbedingt fallen müsse.

      Eine zunehmende Einflußnahme auf Medieninhalte durch branchenfremde Konzerne und Finanztrusts stand im Mittelpunkt des Vortrags der Berliner Politologin Christiane Leidinger. Der weltweite Konzentrationsprozeß im Medienbereich habe in den letzten 20 Jahren rasant zugenommen. Selbstzensur vieler Journalisten wie auch Gefälligkeitsreportagen in Mischkonzernen, die mit lukrativen Aufträgen für andere Konzernteile belohnt würden, seien zunehmend Normalität.

      Nach zwei Tagen mit intensiven und kompakten Vortragsveranstaltungen, wurden am Sonntag schwerpunktmäßig Ansatzpunkte und Initiativen für mehr Transparenz und Demokratie sowie Strategien, Kampagnen und Aktionen gegen die neoliberale Hegemonie diskutiert. Die Vorträge der Wochenendveranstaltung sollen bis Herbst in Buchform dokumentiert werden.

      * Infos: www.gesteuerte-demokratie.de

      http://www.jungewelt.de/2004/06-29/011.php
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      schrieb am 29.06.04 00:29:05
      Beitrag Nr. 1.740 ()
      Das Für und Wider der Mehrarbeit

      Macht das Beispiel von Siemens Schule? (Foto: dpa)
      Seitdem Siemens in der vergangenen Woche längere Arbeitszeiten für rund rund 4000 Beschäftigte vereinbart hat, ist die Diskussion um eine generelle Wiedereinführung der 40- Stunden-Woche neu entbrannt. Nach einem Bericht der Tageszeitung "Die Welt" verhandeln derzeit mehr als 100 deutsche Unternehmen über eine 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich und über Kürzungen bei Weihnachts- und Urlaubsgeld. 40 Unternehmen hätten bereits entsprechende Vereinbarungen getroffen. Und dies, obwohl die Expertenmeinungen geteilt sind. Die Pros und Contras werden heftig diskutiert. Wir haben für Sie die wichtigsten Argumente zusammengefaßt:


      Argumente im Überblick - Für längere Arbeitszeiten | Gegen längere Arbeiteszeiten
      Arbeitsrecht - Erkundigen Sie sich bei einem Experten


      Unternehmen wollen mehr Flexibilität
      Andere Unternehmen weisen einen solchen Vorstoß indes zurück und plädieren für mehr Flexibilität. Der Autohersteller BMW etwa ließ verlauten, die im Flächentarif möglichen Flexibilisierungen reichten aus, um einen Großteil der Kosten-Nachteile in Deutschland wieder auszugleichen. Der Maschinen- und Lkw-Hersteller MAN verhandelt für sein Augsburger Werk über eine Verlängerung der Arbeitszeit auf 38 Stunden pro Woche ohne Lohnausgleich, will aber einen "Renditeausgleich" bezahlen. Wie dieser aussehen soll, ist bislang unklar. Beim Konsumgüterhersteller Henkel hieß es, eine Verlängerung der Arbeitszeit sei kein Thema. Der mit der IG Bergbau-Chemi-Energie (BCE) geschlossene Tarifvertrag lasse aber Abweichungen von den geltenden 37,5 Stunden zu. Dabei sind sowohl längere als auch kürzere Arbeitszeiten im europäischen Vergleich mehr die Regel denn die Ausnahme, wie die folgende Übersicht zeigt:


      Fotoshow: EU-Arbeitszeiten - Wer arbeitet in Europa am längsten?
      Suchmaschine - Finden Sie den Job Ihres Lebens!



      Tarifliche Wochenarbeitszeiten - zum Vergrößern Bild klicken. (Grafik: ddp)
      Teil eines Gesamtpakets
      Ob längere Arbeitszeiten der Königsweg zu mehr Beschäftigung und mehr Wettbewerbsfähigkeit sind, ist auch bei Experten umstritten. Volkswirte betonen, dass Mehrarbeit ohne Lohnausgleich nur ein Teil eines Gesamtpakets sein könne: "Eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich wäre noch die am wenigsten schmerzhafte Maßnahme, um deutsche Arbeitsplätze wettbewerbsfähiger zu machen", sagte der Wirtschaftsweise und Arbeitsmarktexperte Wolfgang Franz. Alternativen könnten schließlich auch Einschnitte beim Urlaubs- oder Weihnachtsgeld oder niedrigere Löhne sein.


      Franz: Mehr Nachfrage und mehr Geschäftigung
      Wenn länger gearbeitet werde, könnten Firmen zwar kurzfristig Personal abbauen oder zumindest nicht zusätzlich einstellen, mittelfristig ziehe die höhere Wettbewerbsfähigkeit jedoch mehr Nachfrage an und sorge damit für mehr Beschäftigung, erklärt Franz. "Der Kuchen wird größer, wenn wir preisgünstiger produzieren können und im internationalen Wettbewerb besser bestehen", sagt Franz.


      Erfolgreich Bewerben - Der kompetente Ratgeber


      "Eine Arbeitszeitverlängerung wirkt wie eine Lohnkürzung"
      So sieht es auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger: "Eine Arbeitszeitverlängerung wirkt wie eine Lohnkürzung", sagte Bofinger dem Berliner "Tagesspiegel". Deutschland habe keine Probleme mit der Wettbewerbsfähigkeit, sondern mit der Binnennachfrage. "Eine Lohnkürzung verstärkt dieses Problem noch", kritisierte Bofinger. Reinhard Bispinck vom gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hält längere Arbeitszeiten weder für sinnvoll noch notwendig, da die zurückhaltende Lohnpolitik der vergangenen Jahre die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft bereits gestärkt habe. Der Wirtschaftsweise Bert Rürup will die Beschäftigungssituation im Zusammenspiel verschiedener Politikbereiche sehen. Neben der Arbeitszeit-, Lohn- und Arbeitsmarktpolitik gehörten dazu auch Steuer-, Bildungs- und Innovationspolitik.


      Exportstärke dank Stellenabbau und Jobverlagerung
      Während WSI-Ökonom Bispinck dabei auf die deutschen Rekordexporte verwies, erkennen andere Ökonomen darin keinen Beleg für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Arbeitsplätze. Die Analysten der Deutschen Bank sehen sogar einen Zusammenhang zwischen deutscher Exportstärke und Arbeitsmarktmisere. "Die deutschen Exporte sind trotz eines relativ unflexiblen Arbeitsmarkts und hoher Arbeitskosten im Vergleich zu Euroland weltweit konkurrenzfähiger geworden", heißt es in einer Studie der Bank. "Dies wurde aber großteils durch eine Reduzierung der Beschäftigung und Verlagerung von Teilen der Produktion ins Ausland erreicht." Andreas Rees von der HypoVereinsbank betonte, dass niedrigere Lohnnebenkosten ein weiterer Schlüssel für mehr Jobs seien.



      40-Stunden-Woche - zum Vergrößern Bild klicken. (Grafik: dpa)
      Mehr Flexibilität
      Die meisten Ökonomen plädierten für mehr Flexibilität an Stelle einer generellen Rückkehr zu höherer Arbeitszeit. So warnte der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Gebhard Flaig, Unternehmen davor, nun pauschal längere Arbeitszeiten durchsetzen zu wollen. "Mein Plädoyer ist, dass nun nicht mit der Brechstande für alle Unternehmen längere Arbeitszeiten erzwungen werden sollten", sagte er. Es gebe Unternehmen, bei denen längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich eine sinnvolle Lösung seien, um Arbeitsplätze zu sichern. Insgesamt komme Deutschland wohl nicht umhin, wieder etwas länger zu arbeiten.


      Längere Arbeitszeiten sind keine Konsumbremse
      Den schon schwachen deutschen Konsum dürften längere Arbeitszeiten insgesamt nach Ansicht vieler Ökonomen nicht weiter bremsen. Auch wenn mehr Arbeit ein Opfer sei, gehe unter dem Strich den Arbeitnehmern kein Geld verloren, sagte Rees. "Gleichzeitig werden die Arbeitsplätze aber sicherer. Dann sind die Verbraucher auch wieder eher bereit, Geld auszugeben."

      :confused: Sicher ist nur der Tod! wenn das die Lösung sein soll, arbeiten wir bis zum Umfallen und die Arbeitsplätze sind sicherer. Wo? in China ? in Indien ?Kappes !!!!
      :confused:
      http://onwirtschaft.t-online.de/c/21/17/26/2117266.html
      Mehr zum Thema:
      Avatar
      schrieb am 29.06.04 19:39:35
      Beitrag Nr. 1.741 ()
      sehr lesenswert
      Die 40-Stunden-Wöchnerin

      ein Kommentar zu Angela Merkels Bemühen,
      Deutschland zur 40-Stunden-Woche und noch weiter zurück zu führen


      Egon W. Kreutzer
      29. Juni 2004


      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14017Woechnerin.html

      Die Parteivorsitzende der CDU, Angela Merkel, freut sich ganz außerordentlich darüber, dass es Heinrich von Pierer gelungen ist, in Bocholt und Kamp-Lintfort Gewerkschaft und Arbeitnehmerschaft gleichermassen in die Knie zu zwingen.

      Angela Merkel geht schon lange mit der Idee schwanger, dass die Rückkehr zu längeren Wochenarbeitszeiten in Deutschland sinnvoll sei und hofft nun, nach den ersten verheißungsvollen Presswehen beim Vorreiter Siemens, auf den bundesweiten Dammbruch.

      Wie die schwere Haubitze der Feldartillerie schießt sie ihr Steilfeuer auf gut Glück über die vorgeschobenen Stellungen hinweg, wo sich SPD und Grüne mit ihrer Reformagenda eingegraben haben und - wild entschlossen, bis zum letzten Mann zu kämpfen - auf den großen Durchbruch warten.

      Dort, hinter dieser Frontlinie, gilt es, die letzten versprengten feindlichen Truppen, Widerstandsnester und Terroristen aufzuspüren und ihnen im Stile guter demokratischer Diskussionskultur ihre abweichende Meinung, ohne auch nur einmal hinzuhören, mit pausenlosem rhetorischem Granathagel in der Luft zu zerfetzen.



      Sie hat ja recht.
      Wer ihr nur gut genug zuhört, findet die Beispiele, die ihre Auffassungen stützen.


      Es macht doch Sinn, die Weinbergschnecke vor dem Verzehr zum Ausschleimen über trockene Semmelbrösel laufen zu lassen. Sonst ist sie völlig ungenießbar.

      Es macht doch Sinn, den Gänsen die Flügel zu stutzen, wenn man sicher gehen will, dass sie bis zum Schlachttag im Gatter bleiben. Sonst bleibt die Pfanne an Martini leer.

      Es macht doch Sinn, statt zwei nur einen Ochsen vor den Karren zu spannen. Bis der zusammenbricht, lässt sich viel Futter sparen.


      Also muss es doch auch sinnvoll sein, die vorhandene Belegschaft bei möglichst niedrigem Lohn möglichst lange arbeiten zu lassen.




      Aber:

      Herzugehen und den Schnecken zu erzählen, es sei nur zu ihrem eigenen Besten, wenn sie qualvoll austrocknen, denn, gäbe es keine Schneckenesser mehr, müsste die Zucht vollständig eingestellt werden, und das sei dann das Ende aller Schnecken -

      das ist zynisch, oder?

      Herzugehen und der Gans zu erzählen, es sei nur zu ihrem eigenen Besten, sie der großartigsten Fortbewegungsform zu berauben, die ihr die Evolution gegeben hat, weil sie sich sonst verfliegen könnte, bevor ihr eigentlicher Daseinszweck, das Aufgefressenwerden an der Kirchweih erfüllt ist,

      das ist der blanke Hohn, oder?

      Herzugehen und dem Ochsen zu erzählen, dass man ihn, wenn er sich weigern sollte, den schweren Karren alleine aus dem Dreck zu ziehen, am Straßenrand erschießen und durch einen Maulesel ersetzen werde, von denen es a) genug gäbe und die b) viel genügsamer seien,

      das ist mörderische Erpressung, oder?

      Den Menschen zu erzählen, dass "länger arbeiten" sinnvoll und nützlich, "länger arbeiten ohne Lohnausgleich" noch sinnvoller und noch nützlicher ist und dass es am sinnvollsten und nützlichsten ist, pro Woche fünf Stunden länger zu arbeiten und dafür auch noch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu verzichten, dass ist kein Zynismus, kein Hohn und keine Erpressung, das ist lediglich ein politischer Standpunkt.

      Die Menschen, denen das erzählt wird, sind ja schließlich weder schleimige Schnecken, noch dumme Gänse oder blöde Ochsen. Die Menschen können selbst denken und sich frei entscheiden, was sie sich anhören, wem sie glauben und wen sie wählen wollen.



      Wer also glauben will, die allgemeine Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich sei ein Segen für Deutschland, der kann bei der nächsten Wahl sein Kreuz bei der SPD machen. Die Beamten des Bundes bekommen die 40-Stunden-Woche nämlich. Das hat das Schröder-Fischer-Kabinett beschlossen.

      Die frappierend ehrliche Begründung: Es sollen 3,9 Prozent der Stellen eingespart, also rund 12.000 Jobs vernichtet werden.


      Wer glauben will, die allgemeine Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche könne nur ein erster Schritt sein, das eigentliche Ziel liege irgendwo zwischen 42 und 45 Wochenstunden, verbunden mit weiterem Rückbau des Kündigungsschutzes, mit weiterem Verzicht auf Feiertage und Weihnachtsgeld, auf Urlaubstage und Urlaubsgeld, der kann bei den nächsten Wahlen sein Kreuz getrost bei der CDU oder der CSU machen. Angela Merkel verspricht sich und uns viel davon, diesen Weg weiterzugehen.


      Wem auch das noch nicht genug ist, der kann sein Kreuz bei der FDP machen. Herr Westerwelle wird eine Möglichkeit finden, die Wahlversprechen der CDU/CSU noch irgendwie zu übertreffen.



      Aber ist es wirklich ein Segen für Deutschland, wenn immer weniger Menschen immer mehr arbeiten?

      NEIN. Nein, und nochmals nein.


      Es ist ein Segen für die Shareholder, für die Anteilseigner, für die Kapitalisten, für die Gobal Player und vaterlandslosen Gesellen. Es ist ein Segen für alle diejenigen, die ohne einen Finger dafür krumm machen zu müssen ein hohes Einkommen alleine auf Grund ihres Eigentums beziehen und nicht daran denken, die ihnen daraus erwachsenden, gesellschaftlichen und sozialen Verpflichtungen zu erkennen, geschweige denn zu akzeptieren.
      Wer, wie Herr Müller aus dem Allgäu, seinen Wohnsitz in die Schweiz verlagert, weil er keine Lust hat, zuzulassen, dass seine Erben in Deutschland Erbschaftssteuer bezahlen und gleichzeitig Millionen Euro Subventionen bezieht und diese so verwendet, dass er unter dem Strich Arbeitsplätze vernichtet, der hat etwas davon und der freut sich darauf, dass künftig auch seine Mitarbeiter länger arbeiten müssen und weniger Lohn dafür bekommen.


      Deutschland hat nichts davon.

      Nur weil ein paar skrupellose Geldgeber und die von ihnen bezahlten Vorstände und Geschäftsführer glauben, dass ihnen Deutschland gehört, ist es noch lange nicht wahr, dass alles was in deren Interesse liegt, auch im Interesse Deutschlands ist.



      Die Verlängerung der Wochenarbeitszeit ist für Deutschland in der jetzigen Situation nicht Segen, sondern Fluch.

      Das werden die nächsten Jahre auch dem letzten und verbohrtesten Zweifler beweisen. Wer seinen Verstand nicht täglich irgendwo beim Pförtner abzugeben hat, kann es allerdings durch einfaches Nachdenken auch heute schon begreifen und sich einen Weg durch den Wirrwarr der Merkelschen Argumentation schlagen.

      Wer ihre Reden verfolgt, bemerkt schnell, wie die Parteivorsitzende sehr schlau und gewitzt Wahrheiten und Halbwahrheiten aneinanderreiht und sie mit bestürzend kruder Logik zu einem süßen und berauschenden Cocktail der Illusion verrührt. Nie zuvor in der Geschichte dieser Republik hat jemand die Wahrheit so ungeniert benutzt, um die Menschen in die Irre zu leiten, wie Angela Merkel.


      Natürlich ist es wahr, dass mehr Arbeit mehr Produkte, mehr Dienstleistungen hervorbringt.

      Natürlich ist es wahr, dass mehr geleistete Arbeit auch mehr Umsatz, und oft auch höhere Gewinne hervorbringen kann

      Natürlich ist es wahr, dass jemand, der sich mehr leisten will (und nicht von Zinserträgen leben kann), erst einmal mehr erwirtschaften, also auch mehr arbeiten muss.


      Merkels Irreführung beginnt da, wo sie glauben machen will, genau darum ginge es.

      Aber genau dieser Effekt soll bei Siemens in Bocholt und Kamp-Lintfort doch gar nicht erreicht werden!

      Die Siemensianer sollen nicht mehr arbeiten, damit sie mehr Lohn bekommen, und sich mehr leisten können; sie sollen mehr arbeiten und weniger Lohn dafür bekommen und sich weniger leisten können.

      Aber nur so, und das hat Frau Merkel immer schon gesagt, können Arbeitsplätze erhalten, kann das Wachstum gestärkt, können die Sozialsysteme gerettet werden, kann der Aufschwung sich aufschwingen und Deutschland in Europa wieder nach vorne gebracht werden.

      Das ist alles Quatsch.

      Aus zwei Gründen:


      Erstens:

      Wachstum, Aufschwung, Arbeitsplätze sind keinesfalls "nur so" zu schaffen.
      Es gibt durchaus auch andere, bessere Ansätze.


      Zweitens:

      Merkels Patent-Rezept kann sowieso nicht funktionieren, weil die versprochenen Effekte mit den getroffenen Maßnahmen in keinerlei vernünftigem Zusammenhang stehen - ganz unabhängig davon, wie viele Wirtschaftswissenschaftler sich noch bereitfinden werden, diesen Quatsch vor- und nachzubeten.


      Unwiderlegbar ist:

      Wenn die erwerbstätige Bevölkerung in Deutschland bei niedrigeren Personalkosten mehr produziert, dann tut sie das nicht für den Binnenmarkt - dort verzichtet sie ja auf Kaufkraft - sondern ausschließlich für den Export.

      Im Endeffekt wird also länger gearbeitet, um sich weniger leisten zu können.

      Den gleichen Effekt könnte man allerdings mit "weniger arbeiten" genauso erreichen, wie mit "mehr arbeiten".


      Dass dem "mehr arbeiten" der Vorzug gegeben wird, hat wohl einen Grund, der außerhalb der lauthals vorgetragenen Argumente liegt:

      Warum also müssen die Deutschen mehr arbeiten, um sich weniger leisten zu können?

      Diese Forderung ist nur dann in sich schlüssig, wenn man annimmt, es ginge den Unternehmern und ihren Geldgeber vor allem darum, ihre Gewinne zu erhöhen. Dazu wollen sie diesmal sowohl die Ersparnis aus den sinkenden Löhnen als auch den zusätzlichen Ertrag aus der längeren Arbeitszeit abgreifen. Renditesteigerung im Doppelpack, sozusagen.



      Arbeitsplätze schafft unbezahlte Mehrarbeit nicht, im Gegenteil, es werden Arbeitsplätze vernichtet.

      Käme die 40-Stunden-Woche republikweit zum Tragen, entspräche das einer Mehrleistung von über 4 Millionen Beschäftigten und einer Steigerung des Brutto-Inlands-Produkts um mehr als 200 Milliarden Euro. Weil aber dieser Mehrleistung im Binnenmarkt keine zusätzliche, sondern stattdessen eine schrumpfende Kaufkraft gegenübersteht, muss der ganze Schotter zwangsläufig in den Export.

      Um also überhaupt daran denken zu können, auch nur einen einzigen Arbeitslosen wieder in Arbeit zu bringen, muss vorher die volle Leistung von zusätzlichen vier Millionen Menschen erst einmal verkauft werden.

      Aber wer im Ausland kann einen noch weiter wachsenden Exportüberschuss der Deutschen überhaupt noch aufnehmen? Und womit wollen unsere geschätzten ausländischen Handelspartner mit ihren chronischen Außenhandelsdefiziten die wachsende Deutsche Rechnung überhaupt bezahlen?

      Wir haben mit der real existierenden Sonderwirtschaftszone, jenem wirtschaftspolitischen wilden Osten der Republik, den Frau Merkel vorgibt, besser zu kennen, als der amtierende Kanzler, unter dem Strich keinen einzigen Arbeitslosen wieder in Beschäftigung bringen können obwohl dort - folgt man den Argumenten pro Arbeitszeitverlängerung und Lohnkürzung - bei staatlich verordneten Niedriglöhnen, einem nahezu tariffreien Arbeitsmarkt, reichlich sprudelnden Subventionsquellen und gigantischen Transferleistungen eigentlich die besten Voraussetzungen für Wachstum, Aufschwung und neue Arbeitsplätze gegeben sein müssten,



      Die Sozialkassen entlastet unbezahlte Mehrarbeit auch nicht, allenfalls auf eine perfide, menschenverachtende Weise.

      Sinkende Löhne bedeuten sinkende Beiträge für die Sozialversicherung, daran ändert letztlich auch die steuerfinanzierte Ausgleichszahlung beim Kopfgeldmodell der Union für die Krankenkassen nichts. Die Steuerlast tragen sowieso fast ausschließlich die Lohn- und Gehaltsempfänger. Es ist also völlig egal, wo man den Abzug macht und wie man ihn nennt. Für die Kassenlage sind sinkende Einkommen breiter Bevölkerungsschichten nicht gut, sondern schlecht.

      Wer allerdings darauf spekuliert, dass die Rückkehr zur frühkapitalistischen Gestalt der Arbeitswelt zügig dazu beitragen wird, dass sich die durchschnittliche Lebenserwartung wieder verkürzt und glaubt, auf diese Weise Renten- und Krankenkassen sanieren zu können, der sollte das auch sagen.



      Der Staatssäckel wird durch unbezahlte Mehrarbeit auch nicht entlastet.

      Weder auf der Einnahmenseite, noch auf der Ausgabenseite ergeben sich irgendwelche positiven Effekte (wie denn, wo denn, was denn - und vor allem: Wann denn?).

      Man muss das ganz genüsslich auf der Zunge zergehen lassen:

      Da fordert eine vernunftbegabte Politikerin einerseits, die Schwarzarbeit zu bekämpfen, weil dem Staat dadurch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge verloren gehen und fordert gleichzeitig dazu auf, in ungeheuerlichem Ausmass unbezahlte, folglich unbesteuerte und nicht sozialversicherungspflichtige Mehrarbeit zu leisten.

      Wo ist der Unterschied?

      Ist Arbeit dadurch, dass ein Unternehmer und ein Kapitalgeber sich daran bereichern können legal, während Arbeit, die ausschließlich demjenigen einen Verdienst bringt, der wirklich arbeitet, (alleine deshalb?) illegal sein muss?


      Auch die lächerliche Bierdeckelsteuer, die nur dazu dienen würde, den Staatshaushalt vollends zu ruinieren, um zum Schluß auch noch die letzten öffentllich wahrgenommenen Aufgaben mangels staatlicher Finanzmittel in die Hände der gewinnorientierten Privatwirtschaft legen zu können, bringt in diesem Zusammenhang ebensowenig weiter, wie in jedem anderen. Sie schafft einen ohnmächtigen Staat, der seinen Bürgern, deren Instrument er eigentlich sein sollte, nicht mehr von Nutzen sein kann, insbesondere dann nicht, wenn auf dem Weg dahin das letzte Volksvermögen verscherbelt worden ist. Aber sie schafft weder den Arbeitslosen, noch den Sozialhilfeempfängern noch den Beschäftigten in irgendeiner Form eine Entschädigung für unbezahlte Mehrarbeit.

      Unbezahlte Mehrarbeit, die - zu Verkaufspreisen betrachtet - knapp an das Volumen des Bundeshaushalts heranreicht.





      Das alles könnte Frau Merkel wissen.
      Sie könnte es auch mühelos begreifen.


      Aber wer sagt denn, dass sie es nicht weiß?



      Wer sich diese Frage beantworten will, muss damit rechnen, dabei zu erkennen, dass er aus übergeordneter Sicht eben nicht nur als Wähler, sondern zugleich auch als Schnecke, Gans und Ochse herhalten muss.

      Aber wer gesteht sich das schon gerne ein?


      Lieber sonnen wir uns in der Rolle des mündigen, verständigen und verantwortungsvollen Bürgers, als hartnäckig immer wieder die gleichen kritischen Fragen zu stellen.

      Lieber erklären wir in die hingehaltenen Mikrofone, dass wir natürlich bereit sind, mehr zu arbeiten, wenn dadurch die Arbeitsplätze gesichert werden könnten, statt zu erklären, dass es doch eigentlich nur um die Gewinne der Großkonzerne geht, dass man sich der Erpressung aber zähneknirschend beugen muss, weil es weit und breit keinen Ausweg gibt.

      Lieber beweisen wir immer wieder, wie toll wir mit unseren kleinen Köpfen die komplizierten Gedanken der Großen ganz prima nachvollziehen können, anstatt uns frech hinzustellen und auf die Fehler und auf die Falschheit ihrer Argumente hinzuweisen.

      Lieber fühlen wir uns so stark und so gescheit, dass wir uns zutrauen, unser Schicksal alleine und in betrieblichen Bündnissen bestimmen zu können, statt offen zuzugeben, dass wir gerade wieder eine Schlacht verloren haben.


      Gegen diesen blöden Dünkel kommt leider auch kein Bsirske mehr an.

      (Das weiß Frau Merkel übrigens auch.)




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      Avatar
      schrieb am 29.06.04 21:00:34
      Beitrag Nr. 1.742 ()
      Leserbrief
      An die Redaktion der Zeit-Fragen
      per E-Mail am 6.6.2004




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      Egon W. Kreutzer

      Die Sonnenseite des Kapitalismus
      eine Replik auf Siegmar Faust "Aldi und der Bauernkrieg in Franken"

      in Nr. 21 von 1. Juni 2004


      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/12805LBZeitfragen.ht…

      Am 1. Juni 2004 hatte Siegmar Faust die Gelegenheit, in den Zeit-Fragen über das segensreiche Wirken der Aldi-Brüder zu schreiben. Er verbrauchte dafür knapp ein Sechstel des bedruckbaren Raumes der gesamten Zeitung und was er zu Papier gebracht hat, kann und darf nicht unwidersprochen bleiben.

      "Was wären Sozialhilfeempfänger ohne Aldi?"

      Das ist die wohl provokanteste Frage, die Faust in seinem Artikel aufgeworfen und auf eine höchst merkwürdige Weise beantwortet hat. Für ihn sind die - wie er betont "katholischen" - Brüder Aldi so etwas wie der heilige Sankt Nikolaus. Es sind die Aldi Brüder, die den Armen überall in Deutschland milde Gaben in guter Qualität zukommen lassen. Wer diesen Segen nicht erkennen kann, wird flugs den linken Diskurs-Terroristen zugerechnet, die lieber in ihrer ideologischen Verblendung verharren und ihren marxistischen Kauderwelsch pflegen, anstatt an den prall gefüllten Regalen der Supermärkte rundum sorglos die Sonnenseite des Kapitalismus zu genießen.

      Siegmar Faust gibt sich keine große Mühe mit seiner Story. Ein überhebliches Lächeln über die armen irregeleiteten Bauern hier, eine devote Verneigung vor den gnädigen Herren der Supermärkte da und schon ist eine Moral herausdestilliert, die den klagenden Opfern einen Spiegel vorhält, in dem sie erkennen müssen, wie verbohrt, egoistisch und undankbar sie im Grunde sind.

      Der Blick auf das eigentliche Problem und seine Ursachen ist damit wieder einmal für eine Weile verstellt und die Geschäfte laufen weiter, besser denn je.

      Dass im reichen Europa immer breitere Bevölkerungsschichten immer rasanter in die Armut abgleiten, während auf der anderen Seite einige wenige Menschen immer hurtiger unvorstellbaren Reichtum auftürmen, irritiert Siegmar Faust nicht im Geringsten.

      Theo Albrecht ist alleiniger Eigentümer von 14,4 Milliarden Euro. Wer Woche für Woche Lotto spielt, und glaubt, nach einem Millionengewinn unermesslich reich zu sein, muss sich vor Scham verstecken, wenn ihm aufgeht, dass er 144 Jahre lang - Woche für Woche - zwei Millionen Euro im Lotto gewinnen müsste, um wenigstens so reich zu sein, wie der ärmere der Aldi-Brüder.

      Für Faust ist derartiger Reichtum der verdiente Lohn von Unternehmern, deren Wirken mit zunehmender Armut immer wichtiger und segensreicher wird.



      Genug!

      Mehr Aufmerksamkeit verdient Siegmar Fausts Aldi-Hymne nicht. Dass sie trotzdem gedruckt wurde, ist ein Zeichen dafür, dass eine kleine Auffrischung des Wissens über die wahren wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht schaden kann.


      Sprechen wir also über Preise und Löhne, über Kaufkraft und Gewinne. Sprechen wir über die Unternehmer und ihre Arbeiter, über den Markt, den Wettbewerb und über das Geld.



      Unternehmer und Gewinn

      Das Wirtschaften im Kapitalismus ist gekennzeichnet durch die strikte Gewinnorientierung des Unternehmers.

      Nur wenn Unternehmen Gewinne machen, können sie Arbeitsplätze schaffen, Löhne und Steuern zahlen und sich als Wohltäter und Mäzene der Künstler und der Armen inszenieren.
      Diese im Grunde vollkommen unhaltbare Aussage wird inzwischen weltweit kritiklos akzeptiert, denn sie wird uns durch beobachtbare Fakten tagtäglich tausendfach bestätigt. Genauso, wie uns die eigene Beobachtung Tag für Tag aufs Neue zu bestätigen scheint, dass sich die Sonne um die Erde bewegt.

      Man muss nur für einen kurzen Moment die Scheuklappen der kapitalistischen Konsumenteneinfalt ablegen und versuchen, in größeren Zusammenhängen zu denken, dann wird offenbar, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

      Dann wird plötzlich einsichtig, dass ein Unternehmen mühelos mehr Menschen beschäftigen, höhere Löhne bezahlen, bessere Arbeitsbedingungen schaffen, trotzdem ordentlich Steuern zahlen und seine soziale und gesellschaftliche Verantwortung in Mäzenatentum und Wohlfahrtspflege wahrnehmen könnte, wenn es - bei gleicher wirtschaftlicher Leistung - nicht gezwungen wäre, Jahr für Jahr ganz erhebliche Beträge als "Gewinne" auszuweisen und an die Anteilseigner auszuschütten.



      Die allgemein behauptete Notwendigkeit, Unternehmen müssten einen Gewinn erwirtschaften, hat eine andere, viel grundsätzlichere Ursache, nämlich den Kapitalismus als solchen.

      Das Wirtschaften im Kapitalismus ist zuallererst dadurch gekennzeichnet, dass das für eine Unternehmung erforderliche Kapital bevorzugt denjenigen zur Verfügung gestellt wird, deren Pläne erkennen lassen, dass sie bei vertretbarem Risiko den größtmöglichen Gewinn erwirtschaften werden, was letztlich die Gewähr dafür bietet, dass sie das geliehene Kapital pünktlich mit Zins und Zinseszins zurückzahlen werden.

      Ist dieses Faktum begriffen, zeigt sich, dass die so gerne zum konsumentenfreundlichen Motor des Fortschritts hochgelobten Elemente des kapitalistischen Wirtschaftens, nämlich der Markt und der freie Wettbewerb, nur die Mittel und Methoden einer Übergangsphase sind, aber keinesfalls zu den unverzichtbaren Grundvoraussetzungen des Kapitalismus gehören.

      Das Wirtschaften im Kapitalismus ist gekennzeichnet von einem unbarmherzigen Wettbewerb der Unternehmen untereinander.

      Aber das einzige Ziel dieses Wettbewerbs ist es, eine marktbeherrschende Stellung zu erreichen und damit den Markt und den Wettbewerb möglichst vollständig und dauerhaft außer Kraft zu setzen.

      Es ist die marktbeherrschende Stellung, die es ermöglicht, den größtmöglichen Gewinn zu erzielen und es ist Aussicht auf den größtmöglichen Gewinn, die das erforderliche Kapital in Bewegung setzt.

      Unternehmer, die sich am Gewinnstreben nicht oder nicht mit vollem Einsatz, oder auch nur weniger glücklich, als andere, beteiligen, verschwinden zwangsläufig vom Markt, weil ihnen das Kapital entzogen wird.



      Arbeiter und Lohn

      Dem guten Arbeiter ist eigenes Gewinnstreben fremd. Er ordnet bereitwillig die eigenen Interessen den Interessen seines Arbeitgebers unter und hofft darauf, dass seine Leistung anerkannt und mit gerechtem Lohn entgolten wird.

      Jede sinnvolle betriebliche Leistung des Arbeitnehmers dient somit den Gewinnzielen des Unternehmens. Doch gleichzeitig wird das Erreichen der Gewinnziele durch die Beschäftigung von Arbeitnehmern exakt in dem Maße beeinträchtigt, wie für die geleistete Arbeit Löhne und andere durch die Beschäftigung von Mitarbeitern entstehende Kosten aufgewendet werden müssen.

      Die Lösung dieses Widerspruches wird regelmäßig dadurch gefunden, dass die Summe der Löhne und Lohnnebenkosten eines Unternehmens kleiner gehalten wird, als die Summe der Umsatzerlöse.

      Weil dies auf alle Unternehmen zutrifft, ist es vollkommen unmöglich, dass die von den Unternehmen einer Volkswirtschaft erzeugten Güter und Leistungen von den innerhalb dieser Volkswirtschaft Beschäftigten gekauft und bezahlt werden können.
      Auch wenn Steuern und Staat als Nachfrager in die Betrachtung einbezogen werden, ändert sich daran nichts.

      Solange nach Steuern nennenswerte Gewinne verbleiben, ist es unmöglich, die Produktion an die Beschäftigten, die sie erzeugt haben, zu verkaufen.

      Theoretisch bestünde zwar die Möglichkeit, dass nicht nur die Löhne, sondern auch die von den Unternehmen erwirtschafteten Gewinne vollständig verwendet werden, um Produkte und Leistungen der Unternehmen zu kaufen und zu bezahlen. Praktisch scheitert dies aber daran, dass es den Empfängern größerer Gewinne - auch unter höchsten persönlichen Anstrengungen - gar nicht möglich ist, das Geld so schnell auszugeben, wie es hereinkommt.

      In einer Volkswirtschaft, deren Unternehmen auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind, ist also zwangsläufig der lohnfordernde Arbeiter der Anfang allen Übels.

      Man muss ihn einerseits möglichst schlecht bezahlen, damit die Gewinne stimmen, doch andererseits müsste man ihm auch genug geben, damit er von dem, was er erzeugt, so viel kaufen kann, wie es die Absatzplanung verlangt.

      Dieses Dilemma war in der Vergangenheit in Mitteleuropa kaum wahrzunehmen, weil es immer wieder gelungen ist, die unvermeidliche Differenz zwischen Kaufkraft und Produktion durch preiswerte Importe und rentable Exporte zu vertuschen. Doch mit der Herstellung globaler Märkte wird das zunehmend schwieriger und wenn einst, im Endstadium der Globalisierung, alle Handelsschranken gefallen sind, muss das Kartenhaus zwangsläufig in sich zusammenbrechen.





      Wettbewerb und Marktpreise


      Das Denken der meisten Menschen ist statisch in einen festen Bezugsrahmen eingebunden und daher leicht zu täuschen.

      Der Konsument, dessen Netto-Einkünfte sich in großen Zeiträumen langsam und unmerklich verändern, glaubt beinahe zwangsläufig, dass die Kosten der Erzeugung und der Distribution sich nur unwesentlich von den geforderten Preisen unterscheiden und dass Preisunterschiede bei den Anbietern in erster Linie auf die in den Preisen kalkulierten Gewinnmargen zurückzuführen sind. So misst er den Einzelhandel ausschließlich daran, wie viel Ware er beim Einkauf für sein Geld bekommt.

      Dort, wo es für hundert Euro den vollsten Einkaufswagen gibt, ist der preiswerteste, der günstigste, der beste Lieferant mit dem geringsten Gewinnstreben gefunden. Die anderen, die teureren Anbieter sind Abzocker und Betrüger, doch der Billige Jakob ist der Freund der Sparsamen und der Armen.

      Nach allem, was in diesem Aufsatz bisher über Unternehmer, Kapital, Gewinne und Wettbewerb gesagt wurde, müsste der Menschenfreund, der für hundert Euro die meiste Ware hergibt, eigentlich wegen unzureichender Gewinne in kurzer Zeit vom Markt verschwinden. Dass er das nicht tut, kann grundsätzlich zwei Ursachen haben: Entweder, er macht, obwohl er billigst anbietet, doch hohe und höchste Gewinne, oder, er hat genügend Reserven, um auch eine lange Durststrecke überstehen zu können.

      Hohe und höchste Gewinne bei niedrigsten Preisen?
      Das ist keine Hexerei.

      Der Einzelhandel in Deutschland weist in weiten Teilen oligopolistische Strukturen auf. Ein marktbeherrschendes Handelsunternehmen kann seinen Lieferanten die Einkaufspreise diktieren. Der Produzent hat ja sonst keinen Abnehmer. Wenn der Großabnehmer pokert, kann der Produzent entweder klein beigeben oder Insolvenz anmelden. Die Möglichkeit des Preisdiktates besteht aber nicht nur gegenüber den Lieferanten. Sie besteht ebenso gegenüber den Vermietern der Ladenlokale, gegenüber den Anzeigenverkäufern der Tageszeitungen und selbstverständlich in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit auch und gerade gegenüber den eigenen Mitarbeitern.

      Die Folge ist, dass Kalkulation und Preisbildung des marktbeherrschenden Unternehmens im festen Bezugsrahmen der Konsumenten den Eindruck erwecken, es läge ein besonders preiswertes und faires Angebot vor.

      Dabei kann das marktbeherrschende Unternehmen die niedrigen Preise nur deswegen anbieten, weil es gleichzeitig dem Markt in ganz erheblichem Maße Kaufkraft vorenthält.

      Zu Ende gedacht heißt das:

      Der Billige Jakob erzeugt die Sozialhilfeempfänger, die glauben, auf ihn als günstigste Einkaufsquelle angewiesen zu sein, durch seine Einkaufs- und Lohnpolitik selbst.

      ...und je rigoroser die Einkaufspreise gedrückt werden, je weiter die eigenen Beschäftigten und die Beschäftigten der Lieferanten zu Lohnverzicht gezwungen und in die Arbeitslosigkeit gedrängt werden, desto größer werden, trotz immer noch sinkender Verkaufspreise, die Gewinne.

      Wenn nun die Konkurrenz ihrerseits versuchen muss, die Preise zu senken, um den Umsatz und damit die Basis für den Gewinn nicht zu verlieren, muss auch sie die im Markt verfügbare Kaufkraft noch weiter beschneiden.

      Wundersamerweise ist es ausgerechnet der Billige Jakob, der von der schwindenden Kaufkraft erst ganz zuletzt getroffen wird. Zuerst spart der Konsument an Artikeln, die der Billige Jakob gar nicht führt. So zieht der Billige Jakob immer größere Anteile der insgesamt schwindenden Kaufkraft auf sich und kann auch dann noch Umsatz und Gewinn steigern, wenn der Großteil der kleineren Wettbewerber längst pleite ist.

      Das ist Kapitalismus.

      Kein bisschen anders als Monopoly.





      Geld und Kaufkraft



      Der Kapitalismus ist eine Wirtschaftsordnung, in der das Geld, das für den Tausch von Gütern und Leistungen unerlässlich ist, absichtlich knapp gehalten und überhaupt nur als zins- und tilgungspflichtiger Kredit in den Wirtschaftskreislauf eingebracht wird.

      Hauptsächlich die Erträge leistungsfreier Einkunftsquellen (Zinserträge, Miet- und Pachteinnahmen und Unternehmensgewinne), werden stetig dem Wirtschaftskreislauf entzogen, weil sie nicht in den Konsum gehen, sondern erneut verzinslich angelegt werden. Dies erzwingt das stetige Ansteigen der Gesamtverschuldung mit dem Effekt, dass (immer gleichen) Gläubigern Jahr für Jahr immer größerer Ansprüche auf Geld zuwachsen. Ansprüche, die nur befriedigt werden können, wenn das geforderte Geld zuvor erneut als Kredit in den Wirtschaftskreislauf gelangt.

      Die von den Banken - zwangslogisch - praktizierte Bevorzugung derjenigen Darlehensnehmer, die versprechen, mit dem eingesetzten Kapital die höchste Rendite zu erwirtschaften, erzwingt eine Negativ-Auswahl die eine desaströse Entwicklung zur Folge hat:

      Geld bekommen bevorzugt diejenigen, welche am skrupellosesten mit den natürlichen Ressourcen, mit den Menschen und den Gesetzen umgehen.

      Dass eben diese skrupellosen Geschäftemacher in der Folge wiederum leichter und schneller eine marktbeherrschende Stellung erreichen, als ihre weniger skrupellosen Konkurrenten ist nur die eine Hälfte des Desasters. Die andere Hälfte besteht darin, dass die skrupellos eingefahrenen und aufgehäuften Gewinne zu einem weiteren Kaufkraftschwund und zu einer steigenden gesamtwirtschaftlichen Zinsbelastung führen.

      So kommt es letztlich dazu, dass Millionen von arbeitsfähigen und arbeitswilligen Menschen auf der Strasse stehen, dass die Zahl der Insolvenzen stetig zunimmt und dass der Staatshaushalt bei sinkenden Steuereinnahmen und steigenden Soziallasten kollabiert.

      Gleichzeitig gibt es aber einen Berg dringender, notwendiger und nützlicher Aufgaben, die von den in die Arbeitslosigkeit entlassenen Menschen durchaus erledigt werden könnten, die aber trotzdem nicht getan werden können, weil schlicht das Geld fehlt.



      Alles nur, weil das Geld fehlt.

      Es wäre an der Zeit, dass die Regierung, wenn sie ihre Verantwortung für das Wohlergehen der Gesamtbevölkerung ernst nimmt, dafür Sorge trägt, dass der durch die Aufhäufung von Riesenvermögen entstandene Geldmangel behoben wird.

      Das kann zum Teil durch die rigorose Besteuerung solcher Riesenvermögen, wie auch der Erträge aus diesen Vermögen geschehen, muss aber auch durch die Bereitstellung frischen, unbelasteten Geldes ergänzt werden.



      Ein Staat, der das Gegenteil tut und selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit mithilft, durch eigene Sparsamkeit und vermehrte Tilgungsleistungen Geld zu vernichten, statt es seinen Bürgern im erforderlichen Maße bereitzustellen, macht sich schuldig.

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      Avatar
      schrieb am 29.06.04 21:02:32
      Beitrag Nr. 1.743 ()
      Bald höhere Umsatzsteuer auf »ungesunde« Lebensmittel?

      Unsere zur Verbraucherministerin mutierte Landwirtschaftsministerin Künast ist nie um kreative Vorschläge verlegen. Nachdem sie sich mit ihrer Forderung nach Festpreisen im Einzelhandel nicht durchsetzen konnte und auch die Forderung nach einem von der Wirtschaft durch eine Sondersteuer zwangsfinanzierten aber staatlich betriebenen Fond zur "Aufklärung" über ungesunde Lebensmittel gescheitert ist, geistert nunmehr offensichtlich schon wieder die Forderung nach einer höheren Mehrwertsteuer auf dickmachende Lebensmittel durch die Ministerien.

      Die Ministerin geht damit einen Weg, den wir erst im März dieses Jahres prognostiziert haben. Noch unbekannt ist dabei, ob es "nur" die großen Frittenbrater trifft, oder auch so süße Unternehmen wie Haribo oder die berühmte Lila Kuh. Gewiß sind all diese Güter gesundheitsschädlich, genießt man sie in übertriebenen Mengen, aber dann müßte man ja auch die Umsatzsteuer auf Wasser erhöhen, denn zu viel Wasser kann bekanntlich äußerst ungesund sein: und, richtig, gerade diese höhere Mehrwertsteuer auf Wasser wurde schon ernsthaft erwogen.

      Interessant ist in diesem Zusammenhang weniger die fast schon unfreiwillig komische Arroganz dieser absurden Ideen, sondern die dahintersteckende totalitäre Denkweise, der Staat habe ein Recht, jedem im Wege des Steuerrechts kund und zu wissen zu tun, was er essen dürfe und was nicht. Offensichtlich will Künast den Konsumenten bevormunden, was wir aber aus anderen Rechtsbereichen bereits gut kennen: Daß das gezielte Ruinieren energieintensiver Betriebe durch die "Ökosteuer" zulässig und kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes ist, haben wir ja schon bei der Ökosteuer vom Verfassungsgericht gesagt bekommen. Warum also nach der Landwirtschaft und der Gentechnik nicht auch die Süßwarenindustrie zerstören, mal so zur Abwechslung? Was Trittin mit der Energiewirtschaft und die Gesundheitsministerin mit dem Gesundheitswesen schaffen, das kann Künast mit der Genußmittelindustrie doch schon lange!

      Schade nur, daß auf die Leistungen der Politiker keine Umsatzsteuer erhöben wird. Hier wäre nämlich eine richtig heftige Strafsteuer angebracht, zu zahlen von der Beamtenpension plus vorschüssige Verzinsung auf das Erleben des Pensionsalters, so daß wir von solchem Unsinn in Zukunft verschont bleiben.


      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 29.06.04 21:19:36
      Beitrag Nr. 1.744 ()
      Streit über Arbeitszeit zieht Kreise

      Bahn und Bau verhandeln über Mehrarbeit und Beschäftigungssicherung / Union fordert die 40-Stunden-Woche

      Die Bau-Arbeitgeber wollen es Betrieben ermöglichen, die Arbeitszeit um drei Wochenstunden zu erhöhen. Im Gegenzug bieten sie ein ganzjähriges Einkommen an. Auch bei der Bahn wird über eine Flexibilisierung verhandelt.






      Saisongeschäft (ap)


      Frankfurt a. M. · 28. Juni · rb/rt /ap · Zum Auftakt der Tarifrunde für die 800 000 Bau-Beschäftigten in Berlin forderten die Arbeitgeber-Verbände gestern eine tarifliche Öffnungsklausel. Danach sollen Betriebe in Eigenregie beschließen können, die Arbeitszeit von 39 auf 42 Stunden zu erhöhen - mit oder ohne Lohnausgleich. Als Gegenleistung solle den Beschäftigten ein fester Monatslohn garantiert werden, den sie das ganze Jahr über erhalten, erläuterte die Sprecherin des Zentralverbands der Deutschen Bauindustrie, Ilona Klein. Um dies zu erreichen, soll während der Bausaison eine bestimmte Zahl geleisteter Arbeitsstunden auf ein Konto fließen. Im Winter würden diese Konten dann geleert, damit die Unternehmen ihre Arbeiter weiterbeschäftigen könnten und nicht für ein paar Monate entlassen müssten. Außerdem verlangen die Arbeitgeber, die Urlaubskosten zu senken; entweder soll es weniger freie Tage oder weniger Urlaubsgeld geben.

      Die Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG Bau) hält nichts von diesen Ideen. Die Forderung nach unbezahlter Mehrarbeit sei "kein geeigneter Vorschlag, um die Beschäftigungskrise zu lösen", sagte IG-Bau-Sprecher Michael Knoche der FR. Auch von der Kürzung des Urlaubsgelds seien "keine positiven Wirkungen" zu erwarten. Die IG Bau schlägt stattdessen einen Beschäftigungspakt vor: Eine fiktive Lohnerhöhung von 2,2 Prozent soll in einen Fonds fließen. Unternehmen, die ihre Arbeitnehmer zwölf Monate ohne Unterbrechung beschäftigten, sollen eine Prämie erhalten.




      Tariflich und effektiv

      Die durchschnittlichen tarifvertraglichen Arbeitszeiten in Deutschland liegen seit Mitte der 90er Jahre unverändert bei 37,6 Wochenstunden. Die betrieblich vereinbarten Arbeitszeiten von Vollzeit-Beschäftigten in Westdeutschland betragen im Schnitt 38,8 und in Ostdeutschland 39,6 Wochenstunden.

      Die tatsächliche Wochenarbeitszeit der Vollzeit-Arbeitnehmer liegt aber bei rund 40 Stunden. Die zunehmende Differenz zum Tarifniveau entsteht durch Überstunden oder nicht ausgeglichene Zeitkonten. rb




      Trotz der aufgeflammten Debatte um längere Arbeitszeiten ist bei deutschen Konzernen keine pauschale Forderung nach der Rückkehr zur 40-Stunden-Woche zu vernehmen. Großunternehmen wie Henkel oder Thyssen-Krupp erklärten, bei ihnen sei dies kein Thema. BMW ergänzte, die im Flächentarif möglichen Flexibilisierungen reichten aus, um einen Großteil der Kosten-Nachteile in Deutschland wieder auszugleichen. Der Chef der Telekom, Kai-Uwe Ricke, sagte, das Problem des Unternehmens sei eher, dass es zu wenig Arbeit für die Belegschaft habe. Manager von Luftfahrt- und der Touristikunternehmen wie Thomas Cook dringen dagegen mit Blick auf die Krise der Branche auf eine Öffnung der Arbeitszeit nach oben. Der Maschinen- und Lkw-Hersteller MAN verhandelt ebenfalls über eine Verlängerung der Arbeitszeit auf 38 Wochenstunden ohne Lohnausgleich.

      Der Siemens-Konzern hatte sich mit der IG Metall auf längere Arbeitszeiten für zwei Werke in Nordrhein-Westfalen verständigt, wo die Verlagerung von Jobs ins Ausland drohte, dafür aber den Flächentarif anerkannt. Die Union nahm dies zum Anlass, generell die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche zu fordern.

      In die festgefahrenen Tarifgespräche der Bahn ist wieder Bewegung gekommen. Die Verhandlungen für rund 150 000 Beschäftigte sollen unverzüglich wieder aufgenommen werden, teilten Arbeitgeber und Gewerkschaften nach einem Spitzengespräch in Frankfurt mit. Man habe sich auf eine Leitlinie geeinigt. Neben einem einheitlichen Flächentarif soll auch über einen Vertrag zur Beschäftigungssicherung verhandelt werden. Bahnchef Hartmut Mehdorn sagte, das Gespräch sei "für uns alle konstruktiv" verlaufen. "Das heißt nicht, dass wir schon Probleme lösen konnten", aber es sei ein erster Schritt. Die Gewerkschaftsvertreter betonten, man gehe ohne Vorbedingungen in die nächste Verhandlungsrunde. Transnet-Chef Norbert Hansen sagte, die Gespräche seien eine "gelungene Klimakonferenz", mehr aber auch nicht.

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 29.06.04 21:20:54
      Beitrag Nr. 1.745 ()
      KOMMENTAR

      Verlängerung


      VON ROLAND BUNZENTHAL



      Die Union möchte die 40-Stunden-Woche in Deutschland wieder einführen. Das, liebe Union, hat erstens etwas mit Tarifautonomie zu tun. Politiker sollten sich deshalb tunlichst raushalten. Und zweitens haben wir die 40-Stunden-Woche schon. Die so genannte Arbeitszeitdrift, also der Unterschied zwischen tariflich vereinbarter und effektiver Arbeitszeit, nimmt seit einigen Jahren zu. Besonders stark ausgeprägt ist die Lösung von der tariflichen Norm bei den Angestellten.

      Unter dem Stichwort Flexibilisierung etwa durch Arbeitszeitkonten verbirgt sich in Wirklichkeit allzu oft nur eine Verlängerung. Die angesammelten Zeitguthaben werden häufig nicht mehr ausgeglichen, sondern verfallen oder werden in bar abgegolten.

      Notwendig wäre aber eine Flexibilisierung, die den Beschäftigten individuelle Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Flexibilisierung kann sinnvoll sein, wenn wie am Bau und bei der Bahn die Tätigkeiten und Aufgaben im Zeitverlauf unterschiedlich stark anfallen. Notwendig ist jedoch eine eindeutige Rahmenvereinbarung, die den Betriebsräten und Beschäftigten einen weitgehenden Spielraum für die Umsetzung der Vorgaben bietet. Politisch und wissenschaftlich umstritten bleibt, ob eine Verlängerung der Arbeitszeit Jobs vernichtet oder neue schafft. In Zeiten der Unterauslastung der Kapazitäten ist ersteres wahrscheinlicher.

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 29.06.04 22:40:30
      Beitrag Nr. 1.746 ()
      Avatar
      schrieb am 06.07.04 18:33:44
      Beitrag Nr. 1.747 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      spatzseite.de


      "Freiheit, Freiheit hört man sie rufen..." 04.07.2004

      DIESE WOCHE
      Politik, Markt und Armut: Diese Woche überlegt der Spatz, wer einst und jetzt die Elite stellt, wer einst die Nationalstaaten regierte und wer das jetzt tut. Er überlegt, welche Folgen der Markt für die sozial Schwachen hat und welche Rolle der Terrorismus dabei spielt: ein Beitrag, den viele dem Spatz nicht zugetraut hatten. Aber lesen Sie selbst!


      Philosophie ist Scheiße



      "Zu philosophisch" klang es einigen, als der Spatz von der "transzendentale Einheit der gesellschaftlichen Apperzeption" piepste - und auch zu einseitig. "Symptome, Symptome" meckerte ein Intelleller beleidigt, weil der Spatz nicht die wahren Ursachen des Bösen in der falschen "Zins- oder Geldtheorie" anerkannte, über die dieser seine Diplomarbeit geschrieben hatte - und der nun meint, den Spatz deshalb bei anderen madig machen zu müssen. So bekämpfen sich die Vertreter dieser oder jener Theorie über die je einzige Ursache des Übels und stellen sicher, daß dieses ungestört seinen Lauf nehmen kann. Das böse Fremdwort bezog sich ja gerade auf das Vorverständnis, von dem alle wie selbstverständlich ausgehen, wenn sie sich auf einen "Not wendenden" Sachverhalt einigen wollen. In der Politik nennt man das gerne "Konsens" (auch ein Fremdwort). Konsens ist heute meist Wunschdenken, immer häufiger jedoch der Schlips, an dem man Gutgläubige über den Tisch zieht. Wo liegt der Konsens heutiger Politik? Die wenigsten wissen es.

      Besteht Konsens darüber, daß wir uns in einer weltweiten Hyperinflation befinden, die sich - ehe sie auf die Güter des täglichen Lebens überspringt - zunächst im sintflutartigen Überhandnehmen der Zahlungsmittel, die ja immer die Zahlungsverpflichtungen anderer sind, äußert. Man kann auch von Überverschuldung reden, gemeint ist das Gleiche. Besteht Konsens darüber, daß wir zur Zeit atemlos die größte Finanzblase aller Zeiten aufblasen, und ist man sich einig, daß wir auf den wüstesten Finanzkrach der Weltgeschichte zu eilen. Ich glaube, darauf könnte man sich theoretisch verständigen. Nur welchen Grad an Wirklichkeit hätte das, wie weit bestimmt das unser Handeln und Planen? Steht es damit nicht wie mit der laut herumposaunten Erkenntnis einer Stammtischrunde, daß das Fernsehen lügt. Kaum hat einer in einem anderen Zusammenhang etwas behauptet, widerlegen ihn alle anderen, denn sie hätten es am abend vorher mit eigenen Augen anders gesehen. Wo? Natürlich, im Fernsehen. Man ist sich einig: Es stinkt in Wirtschaft und Finanzen, aber welche Folgerungen zieht man daraus, welche Wirklichkeit hat so eine Annahme, was bewirkt sie?

      Im früheren Nationalstaat gab es eine alte, besitzende, politische Elite, die eifersüchtig ihre Führungsposition absicherte, ansonsten aber interessiert war, daß der Staat, das heißt die geordnete Gesellschaft einigermaßen in Ordnung und funktionstüchtig blieb oder es vermehrt wurde. Wir haben heute eine neue, transnationale Führungsklasse. Auch sie entstammt der Wirtschaftselite und hält sich ihre Politiker. Doch sie ist auf den Nationalstaat nicht angewiesen, ihre Basis ist der transnationale Konzern. Dieser Konzern gehört ihnen nicht. Sie sind dort angestellt, sie haften nicht, aber sie können mit seinen Möglichkeiten schalten und walten, solange sie das Konzernvermögen in Geld ausgedrückt vermehren. Der Konzern (die auswählenden Kollegen) läßt sie aufsteigen, macht sie persönlich über die Maßen reich, verhilft ihnen an die Schalthebel der Macht und hält sie dort, so lange sie spuren. Die politische Klasse lebt von und für die Machtübernahme der transnationalen Konzerne. Das modern und rational zu finden, ist ein Konsens.

      Die Vorgehensweise der Elite ist denkbar einfach. Es werden internationale Abkommen geschlossen. Dadurch werden nationale Entscheidungskompetenzen auf internationale Organisationen übertragen. Deren Vorgaben werden von den transnationalen Unternehmen bestimmt. Nehmen wir ein Beispiel. Wasser ist neben Luft das letzte, was Menschen entbehren können. Derzeit sind sechs transnationale Konzerne dabei, die weltweiten Trinkwasservorräte unter sich aufzuteilen. Es werden Vorbereitungen getroffen (Pipelines, Tankerflotten und Verteilungsnetze projektiert), um Wasser zur Handelsware zu machen. Das Wasserkartell dieser Firmen will in den nächsten 10 Jahren 70% des amerikanischen und europäischen Trinkwassers unter seine Kontrolle bringen. Das ist kein Witz: Im indischen Bundesstaat Kerala hat Coca-Cola die Recht über alle Wasservorräte für die nächsten 99 Jahre gepachtet. Man erklärte der Bevölkerung, daß ihr das Wasser nicht mehr zustehe, sondern daß es nun abgefüllt und auf dem indischen Markt verkauft würde. Natürlich kam es zu Aufständen. Frauen haben sich aus Protest öffentlich selbst verbrannt (die sozialverträglichere Form des Selbstmordattentats). Die Regierung, die das zuließ wurde abgewählt - was hat sich geändert? In Bolivien kam es wegen der Wasserprivatisierung zu Bürgerkriegszuständen. Der "Terrorismus" jagte das transnationale Unternehmen Bechtel, das auch im Irak aktiv ist, aus dem Land. Die Weltbank setzt die bolivianische Regierung aufgrund geltender Handelsabkommen unter Druck, den angerichteten Schaden zu bezahlen.

      Die Weltbank steht hinter dem Wasserkartell oder dieses hinter der Weltbank. Erst kürzlich hat die Weltbank die Zuschüsse an transnationale Unternehmen, wenn sie sich an der Privatisierung von Wasser in der Dritten Welt beteiligen, von 1,3 auf 4 Milliarden Dollar jährlich angehoben. Die Finanzierung der "Privatisierung" wird als Kampagne zur Versorgung der Menschen mit reinem Trinkwasser vermarktet und von den Medien humanitär propagiert. Erst läßt man aufgrund der Auflagen des Internationalen Währungsfonds das öffentliche Wassersystem verkommen, dann übergibt man es der Kontrolle durch transnationale Unternehmen. Nun entscheidet der Markt über die Wasserversorgung: Je größer der Durst, desto höher der Preis, desto mehr ist man, wenn man kann, bereit für einen Schluck Wasser zu geben, sagt der "freie Markt".

      Die bestimmenden Personen zwischen den Regierungen, internationalen Organisationen und in den Verständen transnationaler Unternehmen gehören der gleichen Clique an. Sie alle erlebten den gleichen Erwählungsvorgang ("Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe"), sie kennen einander, sprechen die gleiche Sprache, speisen miteinander, besuchen die gleichen Hochsicherheits-Freizeitsresorts, feiern in den gleichen Nobelabsteigen. Der frühere Kanadische Premierminister Brian Mulroney zum Beispiel (um nicht immer nur die USA als Beispiel zu nehmen) kam aus einfachen Verhältnissen, wurde in die Politik hineinprotegiert, setzte als Premier den "freien Handel" durch, d.h. sorgte für Deregulierung und Privatisierung. Nach seiner Abwahl verdiente er in Aufsichtsräten und Vorständen internationaler Unternehmen Millionen. Was kümmert ihn, daß seine Politik zum rasantesten Anstieg der Kinderarmut in Kanada geführt hat. Bei uns setzen Rot-Grün oder Schwarz-Gelb den "freien Markt" und "Reformen" durch und privatisieren das öffentliche Vermögen, das heißt: die Regierung beseitigt von Fall zu Fall das verbliebene "Soziale" am "rheinischen Kapitalismus", an der "sozialen Marktwirtschaft". Die Opposition ruft: "Mehr davon! Schneller!" Wer dagegen ist, ist unmodern, macht sich lächerlich oder ist - wenn es ihm ernst sein sollte - Terrorist.

      Der Jahresumsatz der 200 größten Konzerne übertrifft das Bruttoinlandsprodukt von 181 der insgesamt 191 Länder dieser Welt. Zu den 100 größten Wirtschaftseinheiten dieser Welt gehören nur 47 Staaten aber 57 private Firmen. Wie arbeiten diese Konzerne? Bleiben wir beim Beispiel Kanada. Alle Parteien hatten sich (zu Recht oder nicht) darauf geeinigt, den Kraftstoffzusatz MMT zu verbieten, weil er das Grundwasser belaste. Ein kanadischer Hersteller wäre damit aus dem Rennen gewesen. MMT stellt aber ein US-Konzern her. Dieser verklagte Kanada vor der Welthandelsorganisation wegen entgangener Gewinne auf Schadenersatz. Kanada nahm das Gesetz angeblich aus Furcht vor Sanktionen zurück und zahlte Millionen an Schadensersatz. Besagter Premier schrieb sogar einen Entschuldungsbrief an das Unternehmen, den die Firma nun in der Dritten Welt als Absatzempfehlung nutzt. Ob MMT die Umwelt belastet oder nicht stand nicht zur Diskussion - es ging der internationalen Institution um ihre Abkommen und dem Premier um seine Karriere.

      Die Abkommen der gleichen Welthandelsorganisation verbieten Regierungen (bisher noch vorwiegend in Entwicklungsländern), als Sicherheit für schlechte Erntejahre Nahrungsmittelreserven anzulegen, "zu horten". Die Folge ist, daß in nahrungsmittelexportierenden Ländern wie Ägypten oder Indien wieder (wie zu Zeiten, bevor nationale Regierungen diesen Mißstand überwinden konnten) Menschen verhungern. Das entsprechende Welthandelsabkommen wurde wenige Tage nach dem 11. September 2001 in Dohar, Qatar auf Druck der US-Delegation durchgesetzt. Die US-Delegation ließ verlauten, Amerika würde nur die Länder als Verbündete im Krieg gegen den Terrorismus anerkennen, die das neue Welthandelsabkommen unterzeichnen würden. Oder anders herum: Regierungen, die es wagen, sich zu widersetzen, werden husseinisiert - zu zeigen, was man darunter versteht, war einer der Gründe für den Irakkrieg.

      Im Namen des "freien Marktes" oder - wo der weniger gut klingt - eben als "Reformen", werden überall in der Welt Löhne gedrückt, Arbeitsschutzbestimmungen aufgehoben, Gesundheitssysteme abgebaut, Renten und Pensionen gekürzt, die öffentliche Wasser- und Energieversorgung und mehr und mehr auch noch das Bildungswesen privatisiert. Diese Politik macht nachweislich und offenkundig immer weniger Reiche immer reicher und immer mehr Menschen immer ärmer - und das nicht nur "fernab in der Türkei" sondern vor und schon in den Toren der Stadt. In Japan findet man immer mehr blaue Zelte am Stadtrand. In ihnen hausen Obdachlose. Viele Männer tragen noch immer inzwischen verdreckte Anzüge, ehemals weiße Hemden und noch immer eine Krawatte. Unter ihnen viele ehemalige Geschäftsleute. Für sie besteht auf dem Markt keine Nachfrage und so übernachten sie in Parks und U-Bahnstationen und ernähren sich marktgerecht vom Abfall.

      Wohl unterscheidet sich noch die Armut in den Industrienationen und Entwicklungsländern, dafür tut das die Elite kaum mehr. Es handelt sich um smarte junge Leute aus den führenden Familien mit hervorragenden Bildungsabschlüssen anerkannter internationaler Hochschulen, die fließend mehrere Sprachen sprechen. Sie haben mit der Bevölkerung ihrer Länder so viel zu schaffen, wie mit der in anderen Ländern, wenn sie nicht gerade in Medien Propagandastroh dreschen.

      Der herrschende Elite muß man nicht sagen, wie gefährlich sie vorgeht. Der Krieg gegen den internationalen Terrorismus wird mehr und mehr zur alles verbindenden Ideologie. Die USA gibt heute mehr für Rüstung aus als jemals während des Kalten Krieges. 5 Billionen US$ sollen in den kommenden 2 bis 3 Jahren allein für ein neues Raketenverteidigungssystem im erdnahen Weltraum aufgewandt werden. Dies sei nötig, schreiben die dafür zuständigen Militärs, weil die Globalisierung zu einer zweigeteilten Welt geführt habe, in der sich mehr und mehr Regionen mit den herkömmlichen Mitteln nicht mehr kontrollieren ließen.

      Liegt das nun alles am "Zins", oder daran, daß man nicht die richtige Geldtheorie des Herrn X anwenden will? Oder liegt es doch an der besonderen "transzendentalen Einheit der gesellschaftlichen Apperzeption" die in den meisten Köpfen, auch derer die dagegen sind, vorherrscht. Wie das ändern? Mit einer neuen Geldtheorie? Mit Maos verlogenem Quatsch: "Die Macht kommt aus den Gewehrläufen". Was ist das gemeinsame Vorverständnis, was sollte es sein? "Philosophisches Geschwätz!" Also weitermachen bei Stammtischopposition.
      Avatar
      schrieb am 06.07.04 21:09:08
      Beitrag Nr. 1.748 ()
      Avatar
      schrieb am 06.07.04 21:41:17
      Beitrag Nr. 1.749 ()
      50-Stunden-Woche:mad::confused:

      Leben Sie noch oder arbeiten Sie schon?

      Wirtschaftsexperten fordern: Als Mittel gegen die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland soll vorübergehend auch mal 50 Stunden pro Woche gearbeitet werden.




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      Der Wirtschaftsweise Bofinger warnt vor deflationären Tendenzen durch kostenlose Mehrarbeit. Foto: dpa



      "Um Jobs zu sichern, müssen auch mal 50 Stunden pro Woche gearbeitet werden", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, der Bild-Zeitung.

      Auch der Chefvolkswirt der Commerzbank, Ulrich Ramm, hält die 50-Stunden-Woche für sinnvoll, wenn dadurch Arbeitsplätze erhalten werden. Dann könne auch wieder weniger gearbeitet werden, wird Ramm zitiert.




      Flexibilisierung der Arbeitszeiten
      Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, forderte eine generelle Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Firmen sollten in diesem Rahmen die Möglichkeit erhalten, ihre Beschäftigten deutlich mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten zu lassen, zitiert die Zeitung Hüther.






      Gerhard Handke vom Bundesverband Deutscher Groß- und Außenhandel erneuerte im ZDF-Morgenmagazin die Forderung nach einem Verzicht auf eine Woche Urlaub pro Jahr. Es gehe um die bessere internationale Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsplätze in Deutschland.



      25 Urlaubstage
      Handke verwies auf Irland, wo es bei nur 20 Tagen Urlaub im Jahr derzeit das stärkste Wirtschaftswachstum gebe. Die meisten anderen Länder hätten 25 Tage Urlaub im Jahr, auf diesen Wert werde sich die Urlaubszeit wohl international einpendeln


      Es sei nun die Frage, "inwieweit die Bevölkerung erkennt, dass wir nicht auf der Insel der Glückseligkeit leben". Man könne nicht gleichzeitig den Wohlstand sichern und weniger arbeiten.

      Unterdessen warnte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger vor deflationären Tendenzen. Kostenlose Mehrarbeit sei zwar für einzelne Unternehmen eine gute Sache.



      Deflationäre Tendenzen
      Für die Volkswirtschaft bestehe aber die Gefahr, dass die Kaufkraft zurückgehe, und "wir deflationäre Tendenzen bekommen und dass man sich auf die Art und Weise den Ast absägt, auf dem man sitzt", sagte der Würzburger Professor dem ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus laut einer Vorabmitteilung.

      In Japan habe eine Politik der Lohnsenkung eine Deflation ausgelöst, aus der das Land bis heute nicht wieder herausgekommen sei.

      (sueddeutsche.de/AP)

      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/756/34722/1/
      Avatar
      schrieb am 06.07.04 21:44:20
      Beitrag Nr. 1.750 ()
      Rabatte beim Autokauf

      "Hart am Rande der guten Sitten"

      Die Flaute auf dem deutschen Automobilmarkt treibt Hersteller in immer heftigere Rabattschlachten. Prognosen zufolge drohen amerikanische Verhältnisse.







      "Die Hersteller kämpfen mit zunehmend härteren Bandagen um Kunden", erklärte Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobil-wirtschaft an der FH Gelsenkirchen.

      Derzeit liege das durchschnittliche Rabatt-Niveau bei 13 Prozent. Bei der
      Untersuchung im Februar seien es 10 Prozent gewesen.



      Rabattspirale
      Selbst die so genannten Premiummarken operierten inzwischen mit Offerten "hart am Rande der guten Sitten". Falls die Autokonjunktur 2005 nicht anspringe, sei mit einer weiteren Verschärfung der Rabatt-Aktionen zu rechnen.

      Dem deutschen Markt drohten amerikanische Verhältnisse. In den USA sind hohe Rabatte von mehreren tausend Dollar seit Jahren üblich. Der Spirale kann sich kaum ein Hersteller entziehen.

      Die Kunden profitieren zwar von den Nachlässen, allerdings können sie beim Verkauf ihrer Gebrauchtwagen niedrigere Erlöse erzielen.


      In Deutschland hatte in den vergangenen Monaten unter anderem Volkswagen für Aufsehen gesorgt. Die Wolfsburger kurbelten den Verkauf des neuen Golf unter anderem mit einer kostenlosen Klimaanlage an.



      Abfedern von Absatzrückgängen
      Bei BMW gebe es bei einigen Niederlassungen derzeit das 3er-Modell zu besonders günstigen Konditionen, das im nächsten Jahr ausläuft, berichtete Dudenhöffer.

      Zudem sei der Anteil von Tageszulassungen, Vorführwagen und Vermietfahrzeugen bei der 3er-Reihe deutlich gestiegen. Auf diesem Weg federe BMW die Absatzrückgänge ab.

      Auch bei den anderen Herstellern seien besonders günstige Finanzierungsangebote, günstige Sondermodelle und Nachlässe aber üblich. "Die Aktionen sind kaum mehr überschaubar."



      Kein wirklicher Aufschwung
      Dudenhöffers Prognoseinstitut B&D-Forecast rechnet damit, dass die Zahl der Auto-Neuzulassungen in Deutschland in diesem Jahr bei 3,24 Millionen Fahrzeugen stagnieren wird. "Damit bewegen wir uns auf dem sehr schlechten Niveau des Jahres 2003."

      Zwar rechnet der Experte im nächsten Jahr mit einem Anstieg auf 3,4 Millionen Verkäufe. Der Aufschwung sei aber noch keineswegs gesichert.

      (sueddeutsche.de/dpa)
      http://www.sueddeutsche.de/
      Avatar
      schrieb am 06.07.04 22:18:47
      Beitrag Nr. 1.751 ()
      Zwischen Baum und Borke

      Ulrich Berger und Christoph Stein 05.07.2004
      Vodafone schreibt Buchverluste aus der Mannesmann-Übernahme in Milliardenhöhe ab und die SPD protestiert - gegen ihre eigenen Gesetze :mad::mad::mad:

      Seit Wochen üben sich die Gazetten der Republik in Empörung. Vom 50-Milliarden-Coup spricht der Spiegel. Das ZDF berichtet von Empörung bei Regierung und Opposition. DIE ZEIT nennt es einen Steuercoup. Die SPD-Landtagsfraktion von Nordrheinwestfalen fordert Steuergerechtigkeit.







      Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß schimpft über die Heuchelei der Opposition. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Rainer Wend (SPD), sagte der "Bild am Sonntag", es sei ein "unglaublicher Skandal" dass die Mannesmann-Übernahme nach der "Abzocke" durch Millionenabfindungen für den damaligen Konzernchef Klaus Esser "jetzt auch noch auf Kosten aller Steuerzahler finanziert werden soll". Monitor filmt empörte Bürger und SPD-Bürgermeister, die ihre Mobilfunkverträge bei Vodafone kündigen und kommentiert den trockenen Hinweis von Vodafone auf die Rechtslage: "Unrechtsbewusstsein? Nein! Die Geschäfte sind nun mal so."

      Auch der Finanzminister Eichel zeigt sich irritiert und dringt "auf eine genaue Prüfung. Vor wenigen Jahren, als die gesetzlichen Grundlagen des heutigen "unglaublichen Skandals" gelegt wurden, klangen die Worte noch ganz anders. Auf der Webseite des Finanzministers konnte man damals lesen:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Durch die Unternehmenssteuerreform wird sowohl die Flexibilität im Unternehmungssektor im Ganzen als auch die Bildung effizienter Unternehmensstrukturen im Detail gefördert. Ausländische Investoren erhalten Gelegenheit, sich an deutschen Unternehmen zu beteiligen, weil Aktienpakete auf den Markt kommen, die zuvor aus steuerlichen Gründen nicht veräußert worden sind. Ordnungspolitischer Nebeneffekt ist die Chance einer Entzerrung des in Deutschland auf einige wenige Großkonzerne konzentrierten Beteiligungsgeflechts.





      Und der Bundeskanzler erklärte damals, im Januar 2000 anlässlich der Jahreseröffnung der Deutsche Börse AG:








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      Mir liegt daran, dass klar wird, dass diese von meinem Finanzminister ausgedachten steuerlichen Aktivitäten ein Stück aktive Arbeitsmarktpolitik darstellen und nicht etwa Steuergeschenke.






      Auflösung der Deutschland AG


      Mit der Steuerreform von 2000 der ersten rot-grünen Koalition landete der SPD-Finanzminister Eichel einen fiskalpolitischen Coup, den niemand von einem sozialdemokratischen Finanzminister erwartet hatte: Der Verkauf von Unternehmensbeteiligungen an Kapitalgesellschaften wurde für Kapitalgesellschaften steuerfrei gestellt. Die Regierung erhoffte sich wahre Wunderdinge von diesem Steuergeschenk, die Auflösung der "Deutschland AG" und damit eine grundsätzliche Modernisierung der deutschen Industrie.

      Die Börse und die Banken waren aus den Häuschen. Der DAX machte einen Hüpfer, nur einige Steuerexperten u.a. des DGB warnten vor den Folgen: massive Steuerausfälle, eine forcierte Umstrukturierung von Unternehmungen mit Massenentlassungen und die Förderung von Konzentration und Monopolisierung bei den Konzernen seien zu erwarten.

      Die "Auflösung der Deutschland AG" bedeutete nicht nur die Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen, sie beinhaltete noch ein weiteres Geschenk an die Kapitalgesellschaften: Aufwendungen für Beteiligungen (zunächst nur für ausländische Beteiligungen, ab 2004 auch für inländische Beteiligungen) können zu 100% von der Steuer abgezogen werden. Dies gilt im Jahr 2001 auch für Buchverluste aus Beteiligungen. Angeblich war diese Regelung aus "steuersystematischen Gründen" erforderlich.

      Das bekannte Prinzip: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren wurde damit von Rot-Grün radikalisiert: Die Konzerne können sich gegenüber der Steuer arm rechnen und gleichzeitig gegenüber ihren Aktionären steigende Gewinne ausweisen. Der Wiesbadener Ökonom Lorenz Jarass erläutert die Gestaltungsmöglichkeiten:




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      Derzeit verkaufen die Konzerne v.a. die mit weit unter Marktwert in ihren Büchern (z.B. mit 20) stehenden Beteiligungen (z.B. zu 100); der Veräußerungsgewinn (in diesem Beispiel 80) ist steuerfrei. Die Erwerber, häufig ein im Konzern mit dem Verkäufer verbundenes Unternehmen, hat diese Beteiligung dann zum Kaufpreis (in unserem Beispiel von 100) in den Büchern stehen und kann in Ruhe abwarten. (...) Sinkt der Marktwert ... unter den Kaufpreis (z.B. von 100 auf 40), so kann die Beteiligung (zu 40) verkauft und der Verlust (von 60) steuerlich geltend gemacht werden. Die Beteiligung mag im Konzern geblieben sein, durch den zweimaligen Verkauf konnte ein fiktiver Verlust (von 60) steuerlich geltend gemacht werden.





      Nicht nur Vodafone nutzt diese Chance, muss sie wohl auch nutzen, da sie zu diesem Zweck gesetzlich verankert wurde und macht seine Buchverluste geltend. So folgen viele deutsche Kapitalgesellschaften der rot-grünen Vorgabe und stapeln gewaltige Buchverluste, die dann gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht werden. Folge ist: der Konzern bezahlt keine Steuer, im Gegenteil, er bekommt vom Finanzamt Steuern rückerstattet. Jarass bietet eine Beispielrechnung:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Ein Beispiel zur Erläuterung:
      (1) Ein Unternehmen habe 100 Mio € Ertrag. Davon seien 30 Mio € aus Gewinnen aus Aktienverkäufen (Beteiligungen), 10 Mio € aus Dividenden von Beteiligungen, 40 Mio € aus laufendem Inlandsgeschäft Geschäft und 20 Mio € aus laufendem Auslandsgeschäft.
      (2) Nur die 40 Mio € aus laufendem Inlandsgeschäft sind in Deutschland steuerpflichtig, Veräußerungsgewinne und Dividenden sind steuerfrei, Erträge aus dem laufenden Auslandsgeschäft können, falls nicht ohnehin steuerfrei, häufig de facto steuerfrei gestellt werden.

      (3) Die gesamten Aufwendungen seien 55 Mio €. Sie können alle steuerlich in Deutschland geltend gemacht werden, obwohl ein wesentlicher Teil auf in Deutschland steuerfreie Erträge entfällt. (In fast allen anderen Ländern, z.B. Niederlande, wo Veräußerungsgewinne schon seit längerem steuerfrei sind, geht das nicht! Gerade auch deshalb werden systematisch viele derartige Aufwendungen in Deutschland geltend gemacht.)

      (4) Der Ertrag für die Aktionäre ist also 45 Mio € (100-55); der Ertrag für den Fiskus -15 Mio € (40-55).

      (5) Dieser Verlust kann unbegrenzt in die folgenden Jahre vorgetragen werden, über Organschaften kann dieser Verlust mit Gewinnen von anderen Konzerngesellschaften verrechnet werden.






      Nach geltenden Recht also müssen die Buchverluste bei den deutschen Aktiengesellschaften explodieren und die Steuereinnahmen einbrechen. Bei den 30 DAX Unternehmen schätzt Jarass diese Buchverluste alleine auf etwa 100 Milliarden. Diese Unternehmen werden über Jahre hinweg keine Steuern zahlen.


      Die SPD versucht sich in einer Art Doppelstrategie


      Diese Gesetzeslage ist das Werk der rot-grünen Koalition. Viele SPD-Politiker, die jetzt beim Fall Vodafone protestieren, haben das Gesetz, an das sich Vodafone hält, selbst beschlossen und die Architekten dieser Gesetzgebung, Bundeskanzler Schröder und Finanzminister Eichel, selbst aufs Schild gehoben.

      Die Steuereinnahmen werden also in den nächsten Jahren weiter einbrechen und die Kommunen werden noch tiefer im finanziellen Abgrund versinken. Diese Einnahmeverluste dienen der Regierung dann u. a. als Begründung für einen massiven Abbau des Sozialstaates.

      Die SPD versucht sich in einer Art Doppelstrategie: Gegenüber den Konzernen hält die Parteispitze an der Politik der Steuerbefreiungen und der Agenda 2010 fest, gegenüber der Bevölkerung spielt die Parteibasis die Protestpartei gegen die Folgen ebendieser Politik. Sehr erfolgreich ist diese Strategie jedoch nicht. Die Bürger durchschauen sie offenbar und ziehen ihre Konsequenz: Sie wählen die SPD nicht mehr:




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      SPD sinkt auf historisches Umfragetief
      Nach den Verlusten für die SPD bei den Wahlen zum thüringischen Landtag und zum Europäischen Parlament rutscht die Partei auf ein historisches Umfragetief ab: Wären am Sonntag Bundestagswahlen, würden nur noch 23 Prozent der Bundesbürger für die Sozialdemokraten stimmen, vier Prozentpunkte weniger als im Juni dieses Jahres. Das ist der niedrigste Wert, der im Rahmen des ARD-DeutschlandTrends je ermittelt wurde.





      Aber nicht nur weitere Wahldebakel drohen. Es erhebt sich das Gespenst einer neuen Linkspartei. Die Wahl einer neuen Linkspartei können sich 6 Prozent sicher vorstellen, das weitere Potenzial umfasst 37 Prozent, stellt die Tagesschau in einer aktuellen Umfrage im Rahmen des ARD-DeutschlandTrends fest.

      Die machtbewussten SPD-Funktionäre, die nur eine Angst kennen - die Angst um ihre Pöstchen -, trauten sich im Vorfeld der Agenda 2010 nicht, Schröder und Eichel zu stürzen, da sie Angst hatten, sie würden dann die Macht in Berlin verlieren. Jetzt müssen sie feststellen, dass die SPD mit der Politik von Schröder und Eichel nicht nur die Wahlen in den Ländern verliert und sehr wahrscheinlich auch die Bundestagswahl, sondern überdies auch noch ihre Vormachtstellung in der politischen Linken.

      Womit die SPD-Funktionäre ein Problem haben. Aber nicht nur die. Für die einen mag die Reue, für die anderen die neue Linkspartei zu spät kommen. Ökonomie ist keine Funktion politischer Entscheidungen, sondern folgt ihrer eigenen Zeit. Und diese kennt im Wesentlichen ein Gesetz: Zeit ist Geld. Das Geld wird langsam knapp und mit dem Geld schwinden auch die staatlichen Handlungsspielräume.


      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/17811/1.html
      Avatar
      schrieb am 06.07.04 23:28:59
      Beitrag Nr. 1.752 ()
      [Länger arbeiten ohne Bezahlung
      Die Rettung für den Standort Deutschland?


      Autor: Ingo Blank/Lars Ohlinger
      Foto: dpa

      Fünf Stunden umsonst – oder der Job ist weg. Das ist die Androhung, mit der immer mehr Unternehmen ihren Mitarbeitern gegenüber treten. Lässt sich so der Standort Deutschland retten? Und lassen sich so die Millionen Jobs schaffen, die in Deutschland fehlen? Eine spannende Frage.

      Beispiel ein: Richter Kammgarn
      Die Spinnerei von Richter Kammgarn im hessischen Stadtallendorf. Die Produktion sollte eingestellt, die Mitarbeiter entlassen werden. In Tschechien seien die Löhne um 88 Prozent niedriger, hieß es. In ihrer Not boten 130 Mitarbeiter selbst an, statt 37 künftig 42 Stunden in der Woche an den Maschinen zu stehen. Jeden Tag eine Stunde länger - für das gleiche Geld, auch wenn mancher Mitarbeiter dabei Bauchgrimmen hat:

      "Das ist schon eine Umstellung. Und die eine Stunde merkt man schon." - "Da kann man nichts machen. Eigentlich. Was kann man machen? Was? Wir kleinen Leute, was können wir machen?"

      Seit letztem Freitag ist der neue Haustarifvertrag unter Dach und Fach. Peter Vormbruck von der Geschäftsleitung von Richter Kammgarn ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden:

      "Das senkt die Lohnkosten pro Stunde. Das erhält dem Mitarbeiter den Nettomonatsverdienst und ist, glaube ich, so ein praktikable Lösung."

      Arbeitszeitverlängerung zur Arbeitsplatzsicherung
      Doch kann das, was für das einzelne Unternehmen funktioniert, auch für ganz Deutschland klappen? Kann man praktisch eine komplette Volkswirtschaft gesund schrumpfen? Leider nicht, sagt der Wirtschaftsweise Prof. Dr. Peter Bofinger:

      "Die Arbeitszeitverlängerung ist eigentlich nichts anderes als eine Form der Lohnkürzung. Lohnkürzung, die in der Form besteht, dass die Arbeit, die bisher von zehn Leuten gemacht worden ist, von neun Leuten gemacht wird. Der Zehnte wird nicht mehr benötigt und für den ist das sozusagen 100 Prozent Lohnkürzung."

      Beispiel zwei: Viessmann
      Bei Viessmann in Allendorf gab es schon 1996 ein Bündnis für Arbeit. Die Belegschaft war bereit, vier Jahre lang drei Extra-Stunden pro Woche ohne Bezahlung zu leisten - bis zum Jahr 2000. Seitdem wird wieder kürzer gearbeitet - und trotzdem läuft der Laden bestens. Das meiste Geld wird aber im Export verdient. Viele Unternehmen sind weltweit erfolgreich - trotz der angeblich zu hohen Löhne in Deutschland, weiß auch Prof. Dr. Peter Bofinger und sieht ganz andere Konsequenzen:

      "Wenn wir uns die Exportentwicklung der letzten 5 Jahre ansehen, sind unsere Exporte um 43 Prozent gestiegen. Das ist ganz beeindruckend. Unser Problem ist eigentlich, dass die Löhne zu niedrig sind. Und das sehen wir daran, dass unsere Binnendynamik sehr sehr schwach ist. Wir haben eine Stagnation seit 1999. Und diese Stagnation hat auch sehr viel damit zu tun, dass der private Verbrauch kaum noch zugenommen hat."

      Die Auswirkungen der Konsumzurückhaltung
      Wer immer weniger bekommt, muss immer mehr knapsen. Der Druck auf die Preise wächst. Die Menschen haben Sorgen um Arbeitsplatz, Gesundheitskosten und Rente. Das so genannte "Angstsparen" greift um sich. Und das heißt: Weniger Luxusartikel, weniger Ratenkäufe, weniger Autos, weniger Immobilien - mit Konsequenzen für die Volkswirtschaft. Prof. Dr. Peter Bofinger:

      "Für die Volkswirtschaft insgesamt besteht eben die Gefahr, dass die Kaufkraft zurückgeht, dass wir deflationäre Tendenzen bekommen, und dass auf die Art und Weise man sich den Ast absägt, auf dem man sitzt."

      Die Gewerkschaften wehren sich
      DGB-Chef Michael Sommer warnt vor einem Marsch in frühindustrielle Verhältnisse:

      "Wir wollen eine saubere Tariflandschaft. Wir wollen eine Wirtschaft, die atmet. Wir wollen auch die notwendige Flexibilität. Wir wollen vor allem, dass es mit der Wirtschaft wieder aufwärts geht. Aber diese Form von Lohnsenkung, die machen wir nicht mit."

      Was sagt Prognos dazu?
      Mit der Zukunft der Arbeit beschäftigt sich in Basel das renommierte Prognos-Institut. Die Experten haben die künftige Entwicklung verschiedener Branchen erforscht. Dabei zeigt sich: In einigen Bereichen ist in den nächsten 15 Jahren mit einem gewaltigen Umsatzwachstum zu rechnen. Das ist sehr erfreulich. Leider wird aber der Anstieg der Produktivität so stark sein, dass sich das kaum in neuen Jobs niederschlägt. Wenn dann die bereits vorhandene Belegschaft auch noch fünf Stunden länger arbeitet, würde auch diese geringe Beschäftigungszunahme vollkommen aufgefressen.

      Traurige Aussichten: Noch mehr Arbeitslose trotz Aufschwung, prophezeit Michael Schlesinger, der Chefökonom der Prognos AG:

      "Was aus meiner Sicht viel wichtiger ist, als die Arbeitszeitverlängerung und die damit verbundene Arbeitskostenentlastung auf Dauer, ist, dass Unternehmen innovativ sind. Denn nur so werden die letztlich den Wettbewerbsvorsprung halten können und international auch verkaufen können."

      Beispiel drei: Lufthansa
      Doch die Realität 2004 sieht anders aus. Aktueller Streitfall: Das Callcenter der Lufthansa in Kassel. Die 370 Mitarbeiter sollen auf einen Schlag 40 Prozent Kosten einsparen. Durch unbezahlte Mehrarbeit, Arbeitsverdichtung und sogar Gehaltskürzungen. Mehr Arbeit nicht nur für das Gleiche, sondern für weniger Geld, fordert die Unternehmensleitung. Entweder die Mitarbeiter stimmen zu oder das Callcenter wird nach Istanbul oder Südafrika verlegt, so die Drohung der Geschäftsleitung. Walter Gehl von der Lufthansa AG:

      "Natürlich habe ich Verständnis für die Mitarbeiter, die jetzt mit dieser Sanierung konfrontiert werden. Aber der Wettbewerb in der Airlinebranche wird immer härter, und wir müssen alle Unternehmensteile diesem Wettbewerb anpassen, der Wettbewerbsfähigkeit, und dazu gehört auch Kassel."

      Die Mitarbeiter fürchten indes: Auch wenn sie auf das Ultimatum eingehen - mit dem, was dann an Lohn übrig bleibt, kommt man in Deutschland nicht über die Runden:

      "Dann wird`s richtig knapp. Ich glaube nicht, dass ich dann meine Miete noch bezahlen kann, bzw. nur mit staatlicher Hilfe" - "Für mich heißt das auch den Gang zum Sozialamt, wenn jetzt hier noch weiter gekürzt würde - als Mutter eines Sohnes und allein erziehend" - "Das ich meine Rentenversicherungen nicht mehr zahlen kann und das, was die Gesellschaft von uns verlangt, dass man das einfach nicht mehr erfüllen kann, obwohl man arbeiten geht. Das ist bitter."




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      Dieser Text gibt den Inhalt des Beitrags der Sendung [plusminus vom 06.07.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      Saarländischer Rundfunk
      [plusminus
      66100 Saarbrücken
      E-mail: plusminus@sr-online.de
      http://www.sr-online.de/statisch/Programm/Fernsehen/ARD/Plus…
      Avatar
      schrieb am 06.07.04 23:35:23
      Beitrag Nr. 1.753 ()
      [Verarmung auf breiter Front
      Warum immer mehr Familien auf Lebensmittelspenden angewiesen sind

      (gute Politik wird von Politikern nur für Politiker gemacht):mad:[:mad:

      Autorin: Karin Lambert-Butenschön
      Foto: dpa

      Mit "Hartz IV" bzw. "Arbeitslosengeld II" befürchten Gewerkschaften und Sozialverbände im nächsten Jahr eine Verarmungswelle am unteren Rand der Gesellschaft. Doch schon heute sind viele Familien auf Lebensmittelspenden angewiesen, weil sie mit den angeblich so üppigen Sozialleistungen nicht mehr über die Runden kommen.

      Eine gute Idee hat Erfolg
      440 sogenannte "Tafeln" gibt es in Deutschland, die Lebensmittelspenden an Bedürftige verteilen - und sie haben immer mehr Zulauf. Inzwischen versorgt die private Hilfsorganisation über eine halbe Million Menschen täglich mit Waren, die Händler wegwerfen würden: Zum Beispiel Gebäck vom Vortag und Milchprodukte kurz vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums.

      [plusminus hat die "Tafel" in Saarbrücken besucht. Auch dort wird das Gedränge vor der Eingangstür von Tag zu Tag größer. Zu Beginn kamen 30 Besucher, meist Obdachlose. Inzwischen stehen hier 150 Sozialhilfeempfänger täglich an, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen: Familienväter, Alleinerziehende und Alleinstehende, auch viele Rentner. Jeder darf allerdings nur einmal pro Woche dort einkaufen.

      Armutsrisiko Arbeitslosigkeit
      Der Zugang ist streng reglementiert: Einlass bekommt nur, wer einen aktuellen Bescheid vom Sozialamt vorweisen kann. Die ehrenamtlichen Helfer befürchten nun, dass der Ansturm durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II ab 2005 noch größer wird. Tafel-Mitarbeiterin Heidi Franz:

      "Ich denke, dass es schlechter wird. Das Potenzial der Altersgruppen durch Arbeitslosenhilfe-Empfänger und Sozialhilfeempfänger wird größer – das sind nicht nur Obdachlose, sondern die sind aus ihrem ganz normalen Leben abgedriftet."

      Die Realität
      Familie Reinhard kauft erst seit kurzem bei der "Tafel" ein. Das Paar ist jung, qualifiziert – und trotzdem ohne Job. Noch leben der frühere kaufmännische Angestellte und seine Frau in einer großen Wohnung. Doch Ende Dezember 2004 läuft das Arbeitslosengeld ab. Dann droht der soziale Abstieg - ins Arbeitslosengeld II. Beim Sozialamt riet man dem Familienvater bereits, sich nach einer kleineren, "angemessenen" Wohnung umzusehen. Sollte er weiterhin keinen Job finden, rutscht er 2005 ab auf die neue "Grundsicherung für Arbeitssuchende". Sie beträgt jeweils 354 Euro für ihn und seine Frau. Niemals hätte sich das Paar vorstellen können, jemals auf Lebensmittelspenden angewiesen zu sein.

      Armut in Deutschland
      Und nicht nur Familien, auch Rentner sind zunehmend betroffen, hat Tafel-Sprecherin Ursula Ludwig-Ratjen festgestellt:

      "Die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander, und das ist ein bedenkliches Zeichen. Wenn heute Leute kommen, die sagen: ich bin froh, dass ich schon so alt bin, wer weiß, was noch kommt, dann halte ich das für keine gute Prognose."


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      Dieser Text gibt den Inhalt des Beitrags der Sendung [plusminus vom 06.07.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      Saarländischer Rundfunk
      [plusminus
      66100 Saarbrücken
      E-mail: plusminus@sr-online.de
      http://www.sr-online.de/statisch/Programm/Fernsehen/ARD/Plus…
      Avatar
      schrieb am 07.07.04 23:42:15
      Beitrag Nr. 1.754 ()
      Aktueller Pranger



      Alternativlos in den Abgrund?




      Wer nach den Vorstellungen des Bundesverbandes der Industrie die Regierung spielen darf, ist ohne Bedeutung. Begriffe wie "Sozial", "Christlich", "Demokratisch", "Mehrheiten", "Gewissen", "Gemeinwohl", "Gerechtigkeit" o.ä. sind bloße Etiketten und damit genauso bedeutungslos wie die Marionetten, die solche Begriffe auf der politischen Bühne schamlos missbrauchen. Die zur Zeit noch - durch ihren Kadavergehorsam gegenüber den Strippenziehern der deutschen, europäischen und internationalen Industrie geduldeten - Regierung spielenden "Sozialdemokraten" exekutieren die schmutzigen Phantasien aus den Giftküchen von "think tanks", die nur das eine Ziel verfolgen: Ihre eigene Bereicherung.
      Im Kanzleramt, in Parteizentralen, Ministerien, Wirtschaftsinstituten (???) und Medienkonzernen haben die "think tanks" Tonbandgeräte installiert. Sie dudeln ihre "Botschaft" als Endlosschleife ab: GLOBALISIERUNG - WIRTSCHAFTSTANDORT DEUTSCHLAND - ÜBERALTERUNG - UNBEZAHLBARER SOZIALSTAAT - ALLE (???) MÜSSEN VERZICHTEN - HARTZ VIER - AGENDA 2010,11,12,13... - ALTERNATIVLOS - BASTA...
      Alternativlos?
      Doch! Es gab Alternativen in Wahlprogrammen, auf Wahlveranstaltungen mit geheuchelten Wahlversprechungen!
      Es gab Bundeskongresse, wie den der Jusos 2000!
      Die konstruktiven, an SOZIAL und GERECHT orientierten Vorschläge haben allerdings vor der Zensur des BDI keine Gnade gefunden!
      Wer nicht der vorgeschriebenen Linie des BDI und seiner dienstbaren "Berater" folgt, sich weiterhin mit SOZIAL und GERECHT befasst, wird als "Abweichler" diffamiert und wegen parteischädigenden Verhaltens aus der Partei ausgeschlossen - die Partei wird gesäubert - BASTA!
      Das Halali auf regierungskritische Gewerkschaftsfunktionäre wird ebenfalls schon geblasen.
      Die Motive der Wahlbetrüger werden deutlich, wenn man überlegt, dass diejenigen, die die Vernichtung des "Sozialstaates" betreiben, von der "alternaivlosen" Existenzvernichtung der kleinen Leute für ihre eigene, lebenslange Versorgung - quer durch alle Parteien - nie und nimmer betroffen sein werden!
      Für wie blöde hält uns diese Marionettenclique eigentlich?
      Ist es alternativlos, dass dem Staat jährlich durch Umsatzsteuerbetrügereien über 500 Milliarden entzogen werden (siehe Bundesrechnungshof September 2003)?
      Ist es alternativlos, dass die jährlichen Berichte des Bundesrechnungshofes oder des Bundes der Steuerzahler Bände sprechen, wo und wie öffentliche Gelder veruntreut werden?
      Ist es alternativlos, dass aus Transferleistungen im Rahmen der Wiedervereinigung 60 Milliarden DM spurlos verschwunden sind?
      Ist es alternativlos, dass sich Industriekonzerne mit zweistelligen Gewinnzuwächsen zur Freude ihrer Aktionäre rühmen, keinen Cent Steuern zu zahlen?
      Ist es alternativlos, dass hochgeehrte steuerflüchtige Industrie-, Handels-, Motorsport-, Radfahr-, Fußball-, Tennismillionäre zwar den Bundespräsidenten mit wählen, aber in Deutschland keinen Cent Steuern zahlen?
      Ist es alternativlos, dass die Parteien sich aus den Steuertöpfen in Größenordnungen finanzieren, wovon sich ganze Kleinstädte voller Rentner ein sorgenfreies Leben machen könnten?
      Und so weiter und so weiter...
      Bestimmt nicht alternativlos sind die durch fehlenden (Sach-)Verstand nachgeplapperten Propaganda-Rechnungen:
      Wenn die Arbeitszeit verlängert wird (= weniger Arbeitsplätze für die gleiche Arbeit), entstehen neue Arbeitsplätze (???). Empfehlung: Dreisatz üben!
      Wenn Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet werden (= weniger Personalkosten), entstehen neue Arbeitsplätze (???). An den Börsen?
      Wenn die Gewinne der Unternehmen steigen (=Folge der Einsparungen), wird die Konsumlaune (der Arbeitslosen und Rentner nach den Rentenkürzungen?) gefördert und es entstehen neue Arbeitsplätze (???). Im Bestattungsgewerbe?
      Wenn vermehrt die produktive Arbeit von "Praktikanten" (mit mindestens zwei Jahren Berufserfahrung!) kostenlos erledigt wird, entstehen neue Arbeitsplätze (???). Natürlich entstehen dadurch Arbeitsplätze. Nur sagte man früher dazu Sklavenarbeit. Heute nennt man das Schwarzarbeit. Es werden weder Steuern noch Sozialbeiträge abgeführt. Da der ausgebeutete "Praktikant" daraus kein Einkommen erzielt, bleibt er sogar straffrei. An der Wertschöpfung aus der Schwarzarbeit bereichern sich ausschließlich die Unternehmen unter dem Beifall der BDI-Marionetten: "Sie sind auf dem richtigen Weg, Herr Bundeskanzler!"
      Herr Rogowski hat den Satz nicht beendet: "...auf dem Weg in den Abgrund..."
      ALTERNATIVLOS!
      http://www.beutestaat.de/aktuell.htm
      Avatar
      schrieb am 07.07.04 23:58:26
      Beitrag Nr. 1.755 ()
      Der doppelte Atta

      Mathias Bröckers 07.07.2004
      Entweder verfügte der Chefterrorist über die Gabe der Bilokation - oder die 9/11 Untersuchungskommission sagt die Unwahrheit


      "Atta war bis ganz zum Ende mit der Koordination der Teams beschäftigt. Am 7. September flog er von Fort Lauderdale nach Baltimore, vermutlich um sich mit dem Team des Flugs 77 in Laurel (Maryland) zu treffen. Am 9. September flog er von Baltimore nach Boston. Dort trafen zu diesem Zeitpunkt Marwan al Shehhi und sein Team für Flug 175 ein. Atta wurde mit Al Shehhi in seinem Hotel gesehen. Am nächsten Tag holte Atta Abdulaziz Al-Omari- einen der `Muskel-Hijacker` des Flugs 11 - in dessen Hotel in Boston ab und fuhr nach Portland (Maine). Aus unbekannt gebliebenen Gründen nahmen Atta und AlOmari am frühen Morgen des 11. September einen Anschlußflug nach Boston um den Flug 11 zu erreichen."




      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/wtc/17820/1.html
      Avatar
      schrieb am 08.07.04 00:08:09
      Beitrag Nr. 1.756 ()
      Bundeshaushalt

      Echte Verschwendung durch falsche Planung

      Zu groß dimensionierte Projekte oder auch zu späte Bereitschaft, Fehler einzugestehen — für den Steuerzahler können Planungsfehler der Regierung teuer werden.




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      Die Bundesministerien berücksichtigen bei ihren Planungen zunehmend die Erfahrungen der Rechnungs-prüfer. Foto: AP



      Es sind immer wieder vier Problembereiche, mit denen sich der Bundesrechnungshof konfrontiert sieht, sagt dessen Präsident Dieter Engels:

      Wenig sorgfältige Planung, falsche Einschätzung des Bedarfs, zu späte Bereitschaft, Fehler einzugestehen und Projekte dann zu stoppen sowie mangelnde Erfolgskontrolle. Deswegen werde auch aus Fehlern nicht für die Zukunft gelernt.



      Zwei Milliarden Euro 2002 eingespart
      Das Ergebnis ist eine Verschwendung von Steuergeldern. Doch ganz wirkungslos scheint die Arbeit der Bundeskassenprüfer nicht zu sein:

      Immerhin rund zwei Milliarden Euro habe die Berücksichtigung der "Bemerkungen" aus dem Jahr 2002 an echten Einsparungen
      gebracht, sagte Engels bei der Präsentation des Ergebnisberichts 2004.

      Etwa 1,1 Milliarden Euro davon seien einmalige Sparbeträge, eine weitere Milliarde Euro aber werde künftig jährlich nicht mehr ausgegeben.



      Anschaffung von Computern
      Für alle vier Bereiche lieferte Engels Beispiele. Vor allem wegen der Anschaffung von Computern gibt es demnach immer wieder Grund zur Beanstandung, weil Projekte zu groß dimensioniert würden.

      Beispielsweise kaufte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nur 5,1 Millionen Euro zu teuer ein, sondern beschaffte große Speichersysteme auch noch für acht Außenstellen, von denen bereits
      bekannt war, dass sie geschlossen würden.



      DM-Münzen kurz vor der Euro-Einführung
      Zu den Planungsfehlern zählt auch, dass das Bundesfinanzministerium vor der schon absehbaren Einführung des Euro noch große Mengen vor allem an Ein-, Zwei- und Fünf-D-Mark-Münzen hat prägen lassen.

      Die überzähligen Münzen mussten nach der Währungsumstellung noch prägefrisch vernichtet werden. Den Schaden bezifferte der Rechnungshof auf einen zweistelligen Millionenbetrag.



      Millionen-Ausgaben für veraltete Standards
      Ein anderes Beispiel für mangelnde Planung: Die Bundeswehr steckte 157 Millionen Euro in die Entwicklung von Panzerabwehrraketen. Das Projekt begann 1976 und war 1998 abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt habe es nicht mehr den militärischen Anforderungen entsprochen.

      Immerhin verzichtete das Verteidigungsministerium auf die 1998 bereits vom Bundestag genehmigte Beschaffung des veralteten Systems für 195 Millionen Euro.


      Für schlicht überflüssig hält der Rechnungshof, dass die Regulierungs-behörde für Telekommunikation und Post die Brieflaufzeiten selbst überwacht, obwohl die Post AG das bereits durch ein beauftragtes zertifiziertes Unternehmen erledigen lässt.



      Deutsche Schule in Genua trotz fehlenden Bedarfs
      Das koste 3,3 Millionen Euro pro Jahr. Die Regulierungsbehörde will die eigene Laufzeitmessung nun einstellen.

      Weitere kritische Beispiele sind nach Ansicht des Rechnungshofes der Kauf eines Grundstückes für eine deutsche Schule in Genua und die Förderung eines Berufsbildungszentrums in Bitburg, für das die Bundesanstalt für Arbeit und das Bundeswirtschaftsministerium zahlen, obwohl die Bundesanstalt selbst keinen Bedarf gesehen habe.



      Aus Pannen nichts gelernt
      Auch wenn Fehler noch erkannt werden, kann es für den Steuerzahler teuer werden, weil nach Einschätzung des Bundesrechnungshofes häufig nicht mutig genug auf die Ausgabenbremse getreten wird.

      Ein Beispiel ist der Europäische Transschall-Windkanal in Köln-Porz. Das für rund 330 Millionen Euro errichtete Forschungsinstrument (der Bund war mit über 100 Millionen Euro dabei) arbeitet nicht kostendeckend; Besserung sei nicht zu erwarten, meint der Rechnungshof.

      Bemühungen des Forschungsministeriums, die Kosten unter den europäischen Partnern anders zu verteilen, blieben bisher erfolglos. Der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags verlangt nun, die Förderung spätestens Ende 2006 einzustellen.

      Mangelnde Erfolgskontrolle schließlich sieht der Rechnungshof beispielsweise bei Hilfen des Bundesinnenministeriums für deutsche Minderheiten in Osteuropa.



      Immerhin die Hoffnung auf Besserung
      Das Ministerium habe nicht darlegen können, dass für 2,5 Millionen Euro jährlich das Ziel erreicht worden sei, diesen Menschen den Verbleib in ihren Herkunftsländern zu erleichtern.

      Auch aus Pannen bei der Materialbeschaffung für den Auslandseinsatz im ehemaligen Jugoslawien habe die Bundeswehr mangels Auswertung der Erfahrungen leider nichts gelernt.

      Trotz aller Beanstandungen sieht Engels jedoch auch Hoffnung auf Besserung. Die Arbeit des Rechnungshofes verschiebe sich zusehend hin zu einer Beratung der Bundesministerien. So würden zunehmend Erfahrungen der Rechnungsprüfer schon beim Entwurf von Gesetzen oder der Planung von Vorhaben berücksichtigt.

      (sueddeutsche.de/AP)
      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/
      Avatar
      schrieb am 08.07.04 00:10:41
      Beitrag Nr. 1.757 ()
      Avatar
      schrieb am 08.07.04 00:19:55
      Beitrag Nr. 1.758 ()
      Steigende Zinsen und der US-Immobilienmarkt

      Von Eric Fry

      Es gab ein riesiges Feuerwerk, das die Nacht erhellte – als die Amerikaner am 4. Juli ihren 228. Unabhängigkeitstag (den "Independence Day") feierten. Unabhängigkeit von der Tyrannei der britischen Herrschaft. Wir Amerikaner konnten nicht dazu gezwungen werden, niedrige, sich im einstelligen Prozentbereich bewegende Steuern zu bezahlen, an eine weit entfernte Autorität, neeeinnn! Wir kämpften lieber bis zum Tod, um unsere Freiheit zu verteidigen. Die Freiheit, uns selbst Steuern zu geben, die 10 Mal höher sind als die, die sich der britische König George III. vorgestellt hatte. Und wir kämpften für das Recht, uns mit massiven Kreditkartenschulden zu überhäufen, oder mit Hypotheken ...

      Die US-Zentralbank hat die Geldpolitik letzte Woche ein wenig verschärft, indem sie die Leitzinsen von 1 % auf 1,25 % erhöht hat. Unmittelbar danach haben die großen Banken der USA ihren Zinssatz für Kredite an "erste Adressen" (die sogenannte "prime lending rate") von 4,00 % auf 4,25 % erhöht.

      Zunächst versuchten die Investoren das zu mögen – weil jeder sagte, dass es gut für sie sei. Sie verhielten sich so, wie ein 5-jähriger die Broccoli auf seinem Teller betrachtet. Aber gegen Ende letzter Woche gaben dann die Kurse an der Wall Street doch deutlicher nach.

      Denn derzeit scheint der amerikanische Konsument etwas kürzer zu treten. Das zeigte sich in den jüngsten enttäuschenden Umsatzzahlen bzw. Umsatzprognosen von Wal-Mart, General Motors, Target und anderen. Könnte der amerikanische Immobilienmarkt als nächstes diese Zurückhaltung spüren?

      Die Anträge auf neue Hypotheken sind letzte Woche schon um 4 % gefallen. Wie lang wird es dauern, bis die US-Hypothekenbanken Schmerzen bekommen werden? Und wie lange wird es dauern, bis der Immobilienmarkt selbst die negativen Effekte der zurückgehenden Hypotheken-Anträge spüren wird?

      Nicht lange, so HSBC. Deren Chefvolkswirt USA, Ian Morris, schreibt in einer Analyse: "Eine Psychologie der Spekulationsblase hat sich in sehr hohen Bewertungen (am US-Immobilienmarkt) manifestiert."

      Aber keine Sorge, liebe(r) Leser(in). Eine neue 12-seitige Studie der Fed sagt, dass der rapide Zuwachs der Immobilienpreise kein Anzeichen für eine Spekulationsblase sei.

      Morris beobachtet hingegen, dass die Immobilienpreise in Relation zum Einkommen und zu den Mieten neue Hochs erreicht haben. "Die Erwartungen an zukünftige Immobilien-Preissteigerungen sind spektakulär und unrealistisch hoch", schreibt er. "Wir denken, dass die Party Mitte 2005 enden wird. Eine Serie von Zinserhöhungen wird zu einer Neubewertung der wahrscheinlichen zukünftigen Risiken der Hauspreise führen, und der damit zusammenhängenden Schulden, was einen Preisrückgang bei Häusern beginnen lassen wird."

      Ich könnte mir vorstellen, dass eine mögliche Inflation ein Fallen der Immobilienpreise verhindern könnte. Mit anderen Worten: Die Preise für amerikanische Häuser könnten "real" gesehen fallen, aber "nominal" gesehen weiter steigen. So ein Ergebnis würde für die Amerikaner angenehm sein, die – wie ich – langfristige Hypotheken mit festem Zinssatz für ihr Haus aufgenommen haben.

      Eins ist sicher – oder fast sicher. Spekulationsblase am Immobilienmarkt oder nicht. Steigende kurzfristige Zinsen werden die amerikanischen Familien treffen, die ihre Häuser mit Hypotheken mit flexiblen Zinssätzen finanziert haben.

      Die US-Hypothekenbank Fannie Mae prognostiziert, dass die monatlichen Kosten für eine typische Hypothek ohne Zinsbindung wegen der steigenden Zinsen bis Jahresende um 17 % steigen werden. Mit anderen Worten: Ein US-Hausbesitzer, der derzeit für eine 200.000 Dollar-Hypothek monatlich 926 Dollar zahlt, wird dann am Jahresende 1.086 Dollar zahlen müssen. Frohes Neues Jahr!


      Eric Fry schreibt als US-Korrespondent für den kostenlosen Newsletter "Investor`s Daily". Weitere Informationen finden sie hier.

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      Alles ein Riesenschwindel


      Von Bill Bonner
      Wieder einmal muss ich innehalten und nach Luft schnappen. Das ist doch alles ein Riesenschwindel, schreie ich wieder einmal. Der amerikanische Kapitalismus ist – genauso wie die amerikanische Demokratie – korrupt, degeneriert und schwach geworden. Aber ich bin ein einsamer Rufer in der weiten Wildnis von Realtime-Informationen und dummem Optimismus.

      Und dennoch gibt es Beweise – direkt auf den Titelseiten. "Die US-Löhne verlieren an Boden", sagen die Rocky Montain News. Die Story ist einfach – selbst Ökonomen könnten sie verstehen. Die Löhne sind in den USA in den 12 Monaten bis Mai um 2,2 % gestiegen. Die Inflation – die Konsumentenpreisinflation, also die, die die Dinge für die Leute, die Löhne erhalten, teurer macht – ist um 3,1 % gestiegen.

      Ich will nur bemerken, dass 2,2 % fast 1 Prozentpunkt unter 3,1 % liegen. Also hat der amerikanische Arbeiter – von dem die gesamte Weltwirtschaft abhängig – real gesehen weniger verdient.

      Findet das denn niemand ein bisschen merkwürdig? Ich meine, schließlich sollen sich die USA doch mitten in einem Aufschwung befinden. Und in jeder früheren Wirtschaftserholung sind die Löhne stark gestiegen. Diesmal sind sie gefallen.

      Die Schlussfolgerung ist natürlich offensichtlich: Dieser Aufschwung ist nicht wie die vorigen Aufschwünge. Er ist wie eine Ente, die nicht schwimmen kann ... eine Giraffe ohne langen Hals ... wie ein Steuerbeamter mit Herz. Kurz gesagt: Nicht das, was es vorgibt, zu sein. Es ist überhaupt kein Aufschwung.

      Was noch? Die US-Wirtschaft soll die dynamischste der Welt sein. Sie soll sowohl die Proletarier als auch die Kapitalisten reich machen. Aber keine von beiden Gruppen wird reich. In den letzten 6 Jahren haben die Investoren per saldo mit Aktien keine Gewinne erzielt. Und Dividenden? Bringen Sie mich nicht zum lachen.

      Und die große amerikanische Jobmaschine ist seit 3 Jahrzehnten außer Betrieb. Seitdem ist der Reallohn nicht gestiegen! Und während der Zeit der Bush-Administration sind 1,5 Millionen Arbeitsplätze abgebaut worden. Im produzierenden Gewerbe wurden sogar 2,9 Millionen Jobs vernichtet. Aber bei Wal-Mart wurden genug neue Hilfskräfte eingestellt, so dass diese größtenteils neue Jobs gefunden haben.

      William Niskanen – ein Volkswirt, dessen Namen man in den Reagan-Jahren oft hörte – schätzt, dass fallende Reallöhne für die Amerikaner in den nächsten 5 bis 10 Jahren zum Leben gehören werden. Was danach passieren wird, das sagte er nicht.


      Bill Bonner schreibt als US-Korrespondent für den kostenlosen Newsletter "Investor`s Daily". Weitere Informationen finden sie hier.
      [ Mittwoch, 07.07.2004, 18:24 ]
      http://www.instock.de/
      Avatar
      schrieb am 08.07.04 00:28:05
      Beitrag Nr. 1.759 ()
      Avatar
      schrieb am 08.07.04 00:32:24
      Beitrag Nr. 1.760 ()
      Kolumnen von Günter Hannich


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      3.7.04 Der Sozialabbau als Vorzeichen einer Krise?

      Der Abbau von Sozialleistungen wird heute als großer Fortschritt gewertet. Im Kernpunkt der meisten „Reformen“ geht es letztlich darum, vor allem die Gelder an Hilfsbedürftige, sowie die Löhne und Arbeitnehmerrechte zu beschränken. Dahinter steht die Logik, dass, wenn der Staat und die Unternehmen weniger Kosten haben, diese dann billiger und rentabler produzieren könnten, womit sich das Wirtschaftswachstum erhöhen würde.
      Doch wie sieht die Realität aus? In Wirklichkeit sieht es so aus, dass je weniger Geld in den Taschen der Bürger bleibt, die Kaufkraft umso mehr sinkt und damit wiederum die Möglichkeit, Produkte nachzufragen. Je weniger Waren gekauft werden und je weniger verdient wird, desto kleiner fällt am Ende der Gewinn für die Unternehmen aus und damit die Steuereinnahmen des Staates. Mit solchen „Reformen“ stellen sich die beteiligten Institutionen also selbst ein Bein.
      Wer ist denn eigentlich schuld an der Wirtschaftsmisere? Sind es die Arbeiter, die schon seit Jahren Lohnzuwächse (welche ohnehin durch die schnell steigenden Steuern aufgefressen werden) unterhalb des Produktivitätsanstieges verkraften müssen?
      Oder die Kapitalkosten der Unternehmen, welche um ein Vielfaches schneller wachsen als alle Lohnkosten, die Bremse für die Wirtschaft?
      Grundsätzlich sollte einmal hinterfragt werden, wer eigentlich einen Anspruch auf die Wertschöpfung hat: Der Arbeitnehmer und der Unternehmer, welche wirklich etwas leisten oder der Kapitalgeber, welcher außer seiner eher geringen Verwaltungsauslagen und seines im Zins bereits eingepreisten Risikos keine Lasten zu tragen hat?
      Der ganze Sozialabbau und alle Forderungen nach „mehr Arbeit mit weniger Lohn“ ist möglicherweise ein deutliches Indiz dafür, dass wir vor einer Krise stehen. Er macht deutlich, dass etwas Grundsätzliches in unserem Wirtschaftssystem in Unordnung geraten ist. Warum versperren sich die Wirtschaftsforschungsinstitute, der IWF, die OECD - überhaupt alle Institutionen diesen Fragen und kommen stattdessen mit den immer gleich lautenden angeblichen„Reformen“ und Forderungen, welche aber schon während der Depression der dreißiger Jahre in eine Krise geführt haben?
      http://www.geldcrash.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 08.07.04 15:36:32
      Beitrag Nr. 1.761 ()
      Restwertbörsen
      Wie Autoversicherer ihre Kunden mit fiktiven Angeboten austricksen


      Autor: Jörg Lefèvre
      Foto: dpa

      Wer einen Unfall mit Totalschaden erleidet und den Wagen zum Gutachter-Preis an einen Händler gibt, erlebt immer häufiger eine böse Überraschung: Die Versicherungen ziehen hohe Beträge von ihrer Leistung ab, weil man das Unfallauto angeblich auch teurer hätte verkaufen können – über Restwertbörsen. Doch sind deren Angebote überhaupt real? [plusminus deckt die Hintergründe auf und kommt zu dem Ergebnis: Die Kunden sollen ausgetrickst werden.

      Die Schadensregulierung
      Fast jeder Autofahrer kennt das: Sie haben einen unverschuldeten Unfall, der Wagen ist nur noch Schrott. Sie lassen ein Gutachten machen. Darin steht als "Restwert", was der Schrotthaufen noch wert ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zählt dabei nur, was Autohändler regional, also in Ihrer Umgebung noch dafür zahlen. Spezielle Auto-Aufkäufer irgendwo in Deutschland oder spezielle Märkte müssen nicht berücksichtigt werden. Den Restwert zieht die gegnerische Versicherung dann von der Schadensersatzzahlung ab. Je höher also der Restwert, um so besser für die Versicherung.

      Ist der Restwert also unseriös hoch angesetzt, zahlt der bei einem Unfall unverschuldet Geschädigte in jedem Fall drauf. Zum Beispiel, wenn er sein Auto in einer Markenwerkstatt reparieren lassen will. Doch trotz der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes scheint es für die Fantasie mancher Versicherungen keine Grenzen zu geben, wenn es darum geht, die "Restwerte" in den Gutachten und bei der Schadensregulierung hoch zu treiben.

      Ein Beispiel
      Gabriele Blank hatte gleich zweimal Pech: Erst fuhr ihr jemand in ihr zwei Wochen altes Auto, und dann gab es Ärger mit der Versicherung. 12.500 Euro sollte die Allianz laut Gutachten zur Schadensregulierung zahlen. Sie überwies aber nur 9.500 Euro. In einem Sachverständigen-Gutachten wurde der Restwert des Unfallwagens von Gabriele Blank mit 2.600 Euro beziffert. Doch das war der Versicherung zu wenig. Gabriele Blank:

      "Nach einem Monat kam Post von der Versicherung, und da stand dann drin, ich hätte das Auto für 5.400 Euro verkaufen sollen, und das wollten sie mir dann von dem ganzen Wert abziehen."

      Als der Brief kam, hatte sie das Unfallauto aber längst bei ihrem Händler für einen neuen Wagen in Zahlung gegeben. Für 2.600 Euro, wie vom Gutachter errechnet. Das war ihr gutes Recht. Wegen der Kürzung der Versicherung schaltete sie einen Rechtsanwalt ein. Danach zahlte die Allianz zwar, verklagte nun aber den Gutachter Axel Breitfelder, der als freier Kfz-Sachverständiger tätig ist, auf Schadensersatz.

      "Angeblich hätte ich den Restwert falsch respektive zu niedrig ermittelt, jetzt soll ich noch eine Dfferenzzahlung von 2.800 Euro an die Allianz zahlen." Auf unsere Frage, ob Breitfelder denn ein falsches Gutachten erstellt habe, lautet seine Antwort: "Ich habe selbstverständlich kein falsches Gutachten erstellt, sondern ich hab` den Restwert nach den Vorgaben oder den Empfehlungen des BGH ermittelt und den entsprechenden Mittelwert berücksichtigt."

      Die Geschäfte der Allianz
      Die Allianz ließ nicht locker, wollte beweisen, dass der Restwert in dem Gutachten zu niedrig war. Deshalb stellte sie das Schrottauto in eine so genannte Restwert-Börse im Internet ein - drei Monate nach dem Unfall. Und bot es auch dem Autoverwerter Nagel in Wiesbaden an. Mit Erfolg: 5.500 € lautete das schriftliche Angebot der Firma Nagel, die öfter Schrottautos von der Allianz kauft. Seltsam dabei war aber schon, dass Nagel genau dieses Auto schon längst gekauft hatte, und zwar kurz nach dem Unfall. Aber nicht für 5.500 Euro, sondern für 2.700, wie der Kauf-Vertrag belegt.

      Bleibt die Frage: Ist das neuerliche Angebot also nur ein nachträgliches Schwindelangebot, damit die Versicherung ihre Zahlung drücken konnte?

      Die Rechtsprechung ist eindeutig
      Ein Geschädigter darf sein Unfallauto laut Bundesgerichtshof sofort zu dem Restwert verkaufen, den ein seriöser Gutachter festgestellt hat. Auf spätere, angeblich höhere Angebote braucht er sich nicht mehr einzulassen. Deswegen wollen Versicherungen, dass bereits die Gutachter die oft viel höheren Angebote der Restwertbörsen berücksichtigen, berichtet der freie Kfz-Sachverständige Michael Gensert:

      "Wir haben das mittlerweile sogar schriftlich. Man hat uns angeboten, die Restwertbörse künftig zu verwenden, um Regressverfahren aus dem Weg zu gehen, und dann könnte man sich auch in konkreten Fällen einigen." Frage: Halten Sie das für ein lauteres, ein seriöses Verhalten von der Versicherung? Michael Gensert: "Das ist sicherlich ein Sache, die man in den Grenzbereich der Legalität beziehungsweise an der Grenze zur Strafrechtsnorm einstufen könnte."

      Wer steckt hinter den Restwertbörsen im Internet?
      Wir fahren nach Neuss. Dort soll die Firma "Auto-Online" ansässig sein. Nach [plusminus-Informationen wurde diese Restwertbörse mit massiver Unterstützung einzelner Versicherungen gegründet. Doch unter der angegebenen Adresse finden wir kein Firmenschild. Lediglich auf dem Parkplatz ein kleiner Hinweis. Von hier werden Restwerte von Schrottautos "hochgeschaukelt". Und das geht so: Ein Unfallauto wird ins Netz gestellt. Händler aus dem In- und Ausland können bieten - ohne das Auto überhaupt gesehen zu haben. Wie seriös diese Angebote sind, das kann keiner kontrollieren. Da erscheint es nur logisch, dass sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weder die Geschädigten noch die Gutachter darauf einzulassen brauchen.

      Kaum zu glauben
      Doch die Versicherungen präsentieren so im Nachhinein immer wieder Aufkäufer, sogar aus Litauen oder Polen, mit angeblich sehr hohen Angeboten. Manchmal soll ein Fahrzeug nach dem Unfall sogar mehr wert sein als vorher. Der freie Kfz-Sachverständige Helmut B. Faust erzählt aus der Praxis:

      "Vor dem Unfall wies das Fahrzeug noch einen Wert von 3.400 Euro auf, in meinem Gutachte wurde ein Restwert in Höhe von 1.200 Euro beziffert. Der Geschädigte erhielt Nachricht vom Versicherer, dass für das Fahrzeug ein Rest in Höhe von 3.660 Euro geboten wurde. Somit war das verunfallte Fahrzeug mehr wert als zuvor im nichtverunfalltem Zustand."

      Ein Schelm, der böses denkt
      Wir forschen weiter - und stoßen bei der Restwertbörse "Auto-Online" auf eine Überraschung: Hauptgesellschafter ist die DEKRA mit 38%. Weitere Teilhaber: Zwei Autoverwertungsgesellschaften. Mehr als eine Million Unfallgutachten erstellt die DEKRA jedes Jahr - überwiegend im Auftrag der Versicherungswirtschaft. Mehrere tausend Gutachter arbeiten für die DEKRA. Sie sollen unabhängig und ohne Weisung urteilen - weder zu Gunsten der Geschädigten noch der Versicherungen.

      Mit der Restwertbörse aber sollen die Preise hochgetrieben werden. Je höher der Restwert, desto geringer die Schadensersatzzahlung des Versicherers. Erklärungsversuche von Helmut Zeisberger von der DEKRA:

      "Der Sachverständige ist für sein Gutachten und die Gutachten-Inhalte voll verantwortlich. Er hat die Empfehlung, auch den kompletten Markt zu berücksichtigen, und damit auch die Restwertbörse. Die Empfehlung kommt von der DEKRA-Hauptverwaltung aus der Erkenntnis heraus, dass der Markt heute einfach vielfältig gesehen werden muss."

      Der Geschädigte - zwischen DEKRA und Versicherung
      Die DEKRA hat der Versicherungswirtschaft also zugesagt, dass sie bei ihren Gutachten die Einschaltung der Restwertbörse durchsetzen wird. Auch auf die Gefahr hin, dass dort reine Phantasiepreise geboten werden, die dann letztlich gar nicht gezahlt werden. Oder dass die Leistung der Versicherung nicht ausreicht, das Auto fachgerecht reparieren zu lassen. Für Hans-Jürgen Gebhardt, den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Verkehrsrechtsanwälte im Deutschen Anwaltsverein steht fest:

      "Hier ist eindeutig, da wird der Geschädigte und gegen die Rechtsprechung des BGH über den Tisch gezogen, er wird ungerechtfertigt benachteiligt. Im Endergebnis führt dieses System dazu, dass er nur noch polnische Preise kriegt und polnische Reparaturart."

      Wichtige Urteile:

      AG Frankfurt a.M., Urteil vom 16.3.2004 AZ: 30 C 2468/03)
      1. Ein Kfz-Unfallgeschädigter genügt seiner Verpflichtung zur Geringhaltung des ihm entstandenen Unfallschadens, wenn er seinen Sachverständigen beauftragt, auf dem allgemeinen regionalen Markt konkrete Restwertangebote einzuholen, und davon das höchste Angebot seiner Schadensersatzforderung zu Grunde legt.
      2. Ein Sachverständiger ist nicht verpflichtet, Restwertangebote des Auto-Online-Marktes in einem Bewertungsgutachten zu berücksichtigen.
      3. Aus der dem Geschädigten obliegenden Pflicht zur Geringhaltung des Schadens folgt keine generelle Verpflichtung des Geschädigten und infolgedessen des Gutachters, Angebote aus Restwertbörsen zu berücksichtigen.

      BGH, Urteil vom 30.11.1999 (AZ: VI ZR 219/98)
      1. Bei der Ersatzbeschaffung gem. § 249 S. 2 BGB genügt der Geschädigte im Allgemeinen dem Gebot der Wirtschaftkeit, wenn er im Totalschadensfall das Unfallfahrzeug zu dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen Restwert verkauft oder in Zahlung gibt.
      2. Weist der Schädiger ihm jedoch eine ohne weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit nach, kann der Geschädigte im Interesse der Geringhaltung des Schadens verpflichtet sein, davon Gebrauch zu machen.
      3. Der bloße Hinweis auf eine preisgünstigere Möglichkeit der Verwertung, um deren Realisierung sich der Geschädigte erst noch bemühen muss, genügt indessen nicht, um seine Obliegenheiten zur Schadensminderung auszulösen.

      BGH, Urteil vom 06.04.1993 (AZ: VI ZR 181/92)
      Der Geschädigte darf bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 S.2 BGB die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs grundsätzlich zu demjenigen Preis vornehmen, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen Markt ermittelt hat. Auf höhere Ankaufspreise spezieller Restwertkäufer braucht er sich in aller Regel nicht verweisen zu lassen. (Aus den Gründen: "Der Geschädigte darf sich bei der Überlegung, ob er nach einem Unfall sein Fahrzeug wieder instand setzen lassen oder sich ein Ersatzfahrzeug anschaffen soll, grundsätzlich auf das Gutachten eines Sachverständigen verlassen [...]").

      BGH, Urteil vom 21.01.1992 (AZ: VI ZR 142/91)
      1. Der Geschädigte, der ein Gutachten über den Restwert seines bei einem Unfall beschädigten Kfz eingeholt hat, ist bei einer Schadensabrechnung auf der Grundlage der Wiederbeschaffungskosten grundsätzlich berechtigt, den Wiederbeschaffungswert (lediglich) um den vom Sachverständigen ermittelten Restwert zu kürzen.
      2. Hat der Geschädigte allerdings bei der Veräußerung seines Unfallwagens ohne überobligationsmäßige Anstrengungen einen Erlös erzielt, der den vom Sachverständigen geschätzten Restwert übersteigt, so muss er sich einen Abzug in Höhe dieses Erlöses gefallen lassen. Die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit den Schädiger.

      OLG MÜNCHEN, Urteil vom 23.04.1999 (AZ: 10 U 4116/98)
      1. Der Geschädigte darf das Unfallfahrzeug grundsätzlich zu einem Preis veräußern, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen Markt ermittelt hat.
      2. Den Nachweis, dass der Geschädigte tatsächlich einen höheren Verkaufserlös erzielt hat, hat der Schädiger zu führen. (Aus den Gründen: "Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, vor Veräußerung des Unfallfahrzeugs das von ihm eingeholte Gutachten dem Schädiger zur Kenntnis zu bringen. Die Unterrichtung hätte nur den Zweck haben können, dem Schädiger die Möglichkeit zu geben, eine ihm günstigere Schadensberechnung aufzumachen. Hierzu ist der Geschädigte gemäss § 249 S.2 BGB nicht verpflichtet. Der Schädiger müsste gegebenenfalls beweisen, dass der Geschädigte `ohne überobligatorische Anstrengungen` einen höheren Preis als den vom Sachverständigen ermittelten erzielt hat [...]")

      Landgericht Köln, Urteil vom 19.11.2003 (AZ: 19 S 153/03)
      Im Ergebnis ebenso wie OLG München.

      LG FREIBURG, Urteil vom 18.05.1999 (AZ: 7 S 147/98)
      Kannte der Geschädigte bei Verkauf des Unfallfahrzeugs weder das Angebot des Versicherers noch die Schätzung des Sachverständigen und gab es für ihn keine Anhaltspunkte, dass der von ihm erzielte Verkaufspreis nicht dem entsprach, was für ein solches Unfallfahrzeug noch bezahlt werden könnte, dann ist der vom Geschädigten erzielte Restwert anzusetzen. Es spielt keine Rolle, dass der erzielte Kaufpreis hätte höher sein können, hätte sich der Geschädigte am Markt bewegt und orientiert. (Aus den Gründen: "Bei der Behebung des durch einen Unfall entstandenen Schadens steht es der Geschädigten grundsätzlich frei, welchen Weg der Wiederherstellung sie wählt. Sie kann das Unfallfahrzeug reparieren lassen oder aber sich ein Ersatzfahrzeug beschaffen. Auch für den Fall, dass sie das Fahrzeug nicht reparieren lässt, kann sie grundsätzlich den Ersatz der Reparaturkosten zuzüglich des verbleibenden Minderwerts verlangen" [...]).

      AG WEINHEIM, Urteil vom 20.06.1997 (AZ: 3 C 202/97)
      1. Der Geschädigte ist berechtigt, die Veräußerung des Fahrzeugs zu demjenigen Preis vorzunehmen, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen Markt ermittelt hat.
      2. Dem Geschädigten obliegt nicht die Verpflichtung, vor dem Verkauf eines beschädigten Kfz das von ihm bestellte Gutachten der Haftpflichtversicherung seines Unfallgegners zur Kenntnis zu bringen. (Aus den Gründen: "Nach der Rechtsprechung des BGH vom 06.04.1993, Az. VI ZR 181/92, ist der Geschädigte der Herr des Restitutionsgeschehens. Er darf auf die Angaben des Sachverständigen vertrauen und muss sich nicht auf mögliche Erlöse auf einem Sondermarkt verweisen lassen" [...]).

      LG Koblenz, Urteil vom 07.04.2003 (AZ: 6 S 432/01)
      Anderer Auffassung ist das LG Koblenz, das es als Pflichtverletzung des Gutachters ansieht, wenn dieser bei seiner Restwertbestimmung die Angebote der Restwertebörsen im Internet nicht berücksichtigt hat. In diesem Fall ist er dem Haftpflichtversicherer gegenüber schadensersatzpflichtig. Aus den Gründen: "Die Kenntnis von solchen Recherchemöglichkeiten ist vom Beklagten im Rahmen einer zeitgemäßen Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit ohne weiteres zu fordern. Selbst wenn der Beklagte in seinen Büroräumen nicht über einen Internet-Zugang verfügen sollte, wofür das Fehlen entsprechender Angaben im Kopf seines Gutachtens sprechen kann, so wären ihm doch Recherchen in sogenannten Internetcafés, öffentlich zugänglichen Gewerbebetrieben, die gegen Entgelt Zugang zum Internet gewähren, möglich gewesen.
      Die Kammer ist dabei der Auffassung, dass für den Beklagten die Notwendigkeit der Ausschöpfung solcher Informationsquellen schon daraus folgt, dass sich der Markt, oder die Märkte, die Gegenstand der sachverständigen Beurteilung des Beklagten bei der Schätzung des Restwertes waren, mittlerweile solcher Informationsquellen oder Kommunikationsmittel bedienen, was sich für das Gericht einerseits aus dem unstreitigen Streitstoff und andererseits aus Veröffentlichungen in der juristischen Fachliteratur (Speer, VersR 02, 17-23, Rischar, VersR99, 686) wie auch in allgemein zugänglichen Medien ergibt. Die sachgerechte Beobachtung des Marktes setzt daher auch die seiner Foren und Kommunikationsmittel voraus. Das der Beklagte unstreitig solche Recherchen unterlassen hat, begründet den Verschuldensvorwurf der Fahrlässigkeit und ist auch ursächlich für den Verlust eines höheren, erzielbaren Restwerterlöses des Geschädigten (§ 252 BGB) und damit für eine höhere Ersatzleistung der Klägerin geworden."




      --------------------------------------------------------------------------------

      Dieser Text gibt den Inhalt des Beitrags der Sendung [plusminus vom 06.07.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      Saarländischer Rundfunk
      [plusminus
      66100 Saarbrücken
      E-mail: plusminus@sr-online.de

      http://www.sr-online.de/statisch/Programm/Fernsehen/ARD/Plus…
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      schrieb am 09.07.04 15:25:39
      Beitrag Nr. 1.762 ()
      Hartz IV: Endlich ein Dammbruch bei überfälligen Reformen oder der Anfang vom Ende?

      Letzte Woche berichteten wir über die wichigsten Regelungen des Hartz IV Gesetzes, das diese Woche zwar noch durch den Bundesrat muß, mit dessen Annahme nach dem Kompromiß im Vermittlungsausschuß aber fest gerechnet wird. Aber noch ist der Hartzer Käse nicht im BGBl erschienen, scheint ein Damm immer neuer Reformvorschläge gebrochen. Was aber sagt uns das?

      Hatte schon vor einigen Wochen die IG Metall mit der wahrlich für eine Gewerkschaft nicht gerade typischen Zustimmung zur Arbeitszeitverlängerung von 35 auf 40 Stunden in einigen Siemens-Standorten von sich reden gemacht, so ist jetzt offensichtlich der Urlaub dran. Hier spielt Deutschland nämlich noch in der europäischen Spitzenliga mit. Das könnte sich aber ändern: so fordert Anton Börner, Vorsitzender des Bundesverbandes Groß- und Außenhandel (BGA) eine Woche weniger Urlaub, und der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs hält noch größere Einschnitte für erforderlich: "30 Tage Urlaub und bis zu 13 Feiertage" würden die Betriebe mit "Riesenkosten" belasten, sagte er. Und der Vorstandschef von Daimler-Chrysler, Jürgen Schrempp, sprach sich in dem Blatt für eine weitere Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit aus. Im Osten, der jedenfalls seit dem Ende der DDR nie im Sozialuterus gesteckt hat, ist das freilich längst Realität.

      Dabei hat das BVG gerade jene Flexibilisierung im Handel jüngst verhindert indem es urteilte, der Bund dürfe keine Fundamentalreform des Ladenschlusses mehr vornehmen - das sei Ländersache. Man muß kein Prophet sein um zu erraten, daß nunmehr bald jedes Land sein eigenes Ladenschlußgesetz hat, eines vermutlich restriktiver als das andere: wieder im Laufschritt einkaufen, Arbeitsverbot ab 18:30 Uhr: So schafft man keine Arbeitsplätze.

      Die Bundesagentur für Arbeit hat unterdessen angekündigt, Arbeitslose nötigenfalls per Hausbesuch zu kontrollieren. Das war bisher bei Sozialhilfeempfängern schon gängige Praxis um Mißbrauch von Leistungen zu verhindern - nur daß die Kontrollen bald auf viel mehr Menschen ausgeweitet werden könnten, die dann die Erniedrigung ertragen müssen, daß ihnen Behördenvertreter in die Wäscheschränke gucken.

      Die Sozialverbände haben dann auch vor einem drastischen Anstieg der Kinderarmut gewarnt. Durch Hartz IV würde die Zahl der Armen von derzeit 2,8 auf 4,5 Millionen ansteigen, immerhin über 5% der Bevölkerung, und das würde vor allem Kinder treffen. Dabei scheint noch gar nicht ins Blickfeld der öffentlichen Debatte geraten zu sein, daß die Bereitschaft, weitere Kinder in die Welt zu setzen, durch Hartz IV nicht gerade gefördert wird. Kämpft Deutschland also schon jetzt mit einem Bevölkerungsrückgang, der mittelfristig zur Entvölkerung einstmals dicht besiedelter Landstriche führen könnte, wird sich dieser Prozeß durch die derzeit durch das Land geisternde Existenzangst gewiß nicht gerade abbremsen. Aus einem Volk ohne Raum wird immer schneller ein Raum ohne Volk, was freilich die sozial- und umweltverträgliche "Endlösung des Deutschenproblemes" wäre, denn mangels Volk könnte sich die Natur ungehindert ausbreiten - wie sie es schon in den Industrieruinen im Osten tut, wohl die blühenden Landschaften, die uns einst von Helmut Kohl versprochen worden.

      Ob dies aber zu einer schleichenden Islamisierung durch gebärfreudige Türkenfrauen führt, wie es die Rechten als Schreckensszenario an die Wand malen, wagt der BWL-Bote zu bezweifeln, denn in dieses Land wollen viele Ausländer schon gar nicht mehr einwandern. Schon in den 80er Jahren sind tamilische Flüchtlinge aus Sri Lanka, die in Deutschlands Sozialhilfeasylen keine Zuflucht fanden, per Küstenmotorschiff nach Kanada abgehauen, sehr zur Beschämung der deutschen Behörden, die den Kapitän dieses Schiffes nichtmal ordentlich verknacken konnten, denn seine Passagiere sind freiwillig von der kanadischen Küste über Bord gesprungen. Inzwischen wollen viele "High Potentials" gar nicht mehr nach Deutschland rein: so wurde die vorgesehene Zahl deutscher "Green Cards" nie ausgegeben. Es mangelte an Bewerbern. Deutschland wird also nicht überfremdet, sondern entleert.

      Aber der wirkliche Hammer kommt erst noch, und da stecken alle den Kopf noch tief in den Sand: wenn ab 2005 die Energierationierung greift, können Unternehmen, denen das EU-Politbüro den Energiehahn um weitere 1,5% pro Jahr drosselt, ihre endgültige Strangulierung um einige Jahre hinauszögern, indem sie die Belegschaft entlassen, die Produktion in Länder verlagern, die Kyoto nicht beigetreten sind (Rußland) oder die von Kyoto verschont werden (Indien, China), und die "freigewordenen" Treibhausgaszertifikate verkaufen. Diese Exportprämie für Arbeitsplätze soll dem Vernehmen nach in einem halben bis einem Jahr zum völligen Verlust der deutschen Zementindustrie führen, mit Folgen, die sich jeder ausmalen kann.

      Die Natur steht über dem Menschen, der vor der wilden Natur zu weichen habe: das ist das wahre Leitmotiv des rot-grünen Gruselkabinetts, das dieses vielleicht im Unabomber Manifesto abgeschrieben hat, und das ist, was Hartz IV uns wirklich zu sagen hat: schaut zu, wie ihr von der Bildfläche verschwindet, arbeitet oder sterbt. Wir nehmen Euch die Arbeit, den Rest müßt ihr selber machen. Das ist die Botschaft, und das ist, weshalb der Ökologismus so gut zu Hartz paßt.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
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      schrieb am 09.07.04 15:33:52
      Beitrag Nr. 1.763 ()
      Cross Border Leasing: so schröpft der US-Fiskus deutsche Städte und Kommunen

      Das wäre doch so schön gewesen: deutsche Städte und Kommunen, in chronischer Finanznot wegen bekanntermaßen viel zu geringer Steuern, Gebühren und Kommunalabgaben, verkaufen ihre eigenen Vermögensgegenstände wie Schwimmbäder, Messehallen (Essen) oder gleich die ganze Kanalisation (Bochum) an einen großen US-Investor, der die Wirtschaftsgüter dann nach US-Recht abschreibt und den Deutschen zurückverleast - die ihrerseits Millionen sparen, weil der US-Investor einen Teil seines Steuervorteils durch günstige Leasingraten an die Deutschen weitergibt. Aber das könnte bald anders werden.

      Was seit Mitte der 90er Jahre Millionen in Deutsche Kommunalkassen gespült hat, scheitert nämlich vielleicht bald an einer US-Steuerreform, die den dortigen Investoren die Möglichkeit zu solch kreativen Gestaltungen nimmt: insbesondere soll die Möglichkeit wegfallen, Abschreibungen für im Ausland befindliche Immobilien in den USA geltend zu machen. Mit dem Vorteil für die US-Investoren fällt damit aber auch der für die deutschen Leasingnehmer.

      Und es könnte noch schlimmer kommen: US-Senat und Repräsentantenhaus haben nämlich einen Entwurf für diese Reform verabschiedet, der sogar eine rückwirkende Streichung der Steuervorteile vorsieht: Kein Wunder, daß bei deutschen Kommunen derzeit alle Alarmglocken läuten, denn das könnte Vertragsbrüche oder Zahlungsunfähigkeit amerikanischer Vertragspartner provozieren, was dann auch die deutschen Kommunen in Schieflage bringen könnte. Obwohl die US-Partner steuerliche Risiken vertraglich übernommen haben ist ungewiß, wie sie im Falle einer rückwirkenden Streichung reagieren werden - und ob die Verträge wirklich so wasserdicht sind. Das US-Recht ist je bekanntlich für so manche Überraschung gut...

      Hier greift der deutsche Regionalismus, denn wenn eine Kommune zahlungsunfähig wird, muß das Land eintreten, was am Ende nur verschleiert, daß eigentlich doch nur der deutsche Steuerzahler geschröpft wird, durch Gemeinde-, Landes oder gar durch Bundessteuern: wir zahlen die Blauäugigkeit deutscher Stadtkämmerer und Landräte nunmehr gleich doppelt, nämlich durch den Verkauf der für das Gemeinwohl unerläßlichen öffentlichen Einrichtungen an amerikanische Investoren und nunmehr durch die Streichung amerikanischer Steuervorteile mit den entsprechenden Folgen hier. Denn neue Cross-Border Leasinggeschäfte waren bereits in manchem Stadthaushalt fest eingeplant. Das war wohl nix.

      So ist klar, welche Wahl wir 2006 haben: Rot-Grün oder Schwarz-Gelb, Öko- oder Umsatzsteuer, was immer auch kommt, es geht uns wieder mal ans Portemonnaie - nur daß diesmal kein angebliches Waldsterben und kein sogenannter Treibhauseffekt herhalten muß, um uns ruhigzustellen, sondern die atlantische Solidarität mit dem großen Bruder, für dessen Steuerreform wir hier zahlen sollen. Wie bequem: da zahlen wir natürlich gerne, und wenn doch nicht, dann sagt man uns, daß wir doch alle Nazis sind. Dann zahlen die Deutschen nämlich immer...

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
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      schrieb am 09.07.04 15:46:45
      Beitrag Nr. 1.764 ()
      Wirtschaftsweiser Bofinger warnt vor Deflation




      Leipzig. Das Mitglied des Sachverständigenrates Peter Bofinger warnt im Streit um unbezahlte Mehrarbeit vor deflationären Tendenzen. Auch gehe die Reform Hartz IV in die falsche Richtung, weil sie zur Verunsicherung der Menschen führe und sich somit schädlich auf die Binnenkonjunktur auswirke, sagte er im Gespräch mit dieser Zeitung.


      Frage: Nach Einschätzung des Münchner Ifo-Instituts könne längeres Arbeiten die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen und zur Entspannung am Arbeitsmarkt beitragen.


      Peter Bofinger: Das halte ich für Unsinn. Unsere Wirtschaft ist enorm wettbewerbsfähig. Die Exporte sind in den letzten fünf Jahren real um über 40 Prozent gestiegen. 2003 und im Jahr davor hatten wir einen Rekordüberschuss im Außenhandel. Die Wettbewerbsfähigkeit ist überhaupt nicht unser Problem. Unsinn ist das Ganze auch aus einem anderen Grund: Eine unbezahlte Verlängerung der Arbeitszeit ist nichts anderes als eine Form der Lohnkürzung.
      (e K:und eine versteckte Subvention an die Unternehmen. Der Staat verzichtet freiwillig auf die Lohnsteuer und Sozialversichungsabgaben der kostenlosen Mehrarbeit und gejammert wird dann über eine schlechte Kassenlage ,die sie selbst herbeigeführt haben ,mit der sie wiederum die Re "v"formen begründen.):mad::mad:

      Und das passt nun gar nicht in unsere konjukturelle Landschaft.

      Aber das Beispiel Siemens zeigt doch, dass eine Ausdehnung der Wochenarbeitszeit Jobs sichern kann?


      Durchaus. Das einzelne Unternehmen kann dadurch seine Ertragslage verbessern. Für die Volkswirtschaft insgesamt besteht aber die Gefahr, dass die Kaufkraft zurückgeht. In Japan hat eine Politik der Lohnsenkung zu einer massiven Deflation geführt, aus der das Land bis heute nicht herausgekommen ist. Um die Wirtschaft über Wasser zu halten, musste die Staatsverschuldung auf 160 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausgeweitet werden. Eine weitere Schwächung der Binnennachfrage ist das Letzte, was wir in Deutschland brauchen.


      Die Wirtschaft beklagt zugleich die hohen Lohnkosten.


      Das Beispiel der Exporte zeigt, dass wir wettbewerbsfähig sind. Unser Problem mit den Löhnen ist doch, dass sie eher zu niedrig sind. Seit Jahren betreiben wir eine Wirtschaftspolitik zu Lasten der Nachfrage im Land, weil wir die Wettbewerbsfähigkeit verbessern wollen. Wenn wir so weitermachen, ist das der sichere Weg in die Deflation. Es sind viel mehr Arbeitsplätze auf Grund der schwächeren Binnennachfrage verloren gegangen, als auf Grund der Produktivitätsanstrengungen der Industrie. Der Sektor mit den meisten Arbeitsplatzverlusten ist das Handwerk - noch vor dem öffentlichen Sektor. Alles Folge der massiven Sparpolitik.


      Kann durch längere Arbeitszeiten das Abwandern von Unternehmen ins Ausland verhindert werden?


      Die Diskussion wird seit langem geführt und so ein völlig falscher Eindruck erweckt, nämlich dass Kapital aus Deutschland abfließt. Das war in den 90er Jahren so. Im Durchschnitt der letzten beiden Jahre gehörte Deutschland zu den Ländern, die per saldo einen Zufluss von ausländischen Investitionen zu verzeichnen hatten. Nach Irland den größten weltweit.


      Halten Sie Hartz IV für den richtigen Weg, Deutschland aus der Arbeitsmarktkrise zu führen?


      Nein, mit dieser Reform schwächen wir weiter die Binnennachfrage. Wobei es nicht nur darum geht, dass jetzt der eine oder andere weniger Hilfe bekommt. Das zentrale Problem ist doch, dass sich von dieser Regelung Millionen von Menschen bedroht fühlen. Die Verunsicherung wird wachsen, die Menschen werden noch weniger konsumieren.


      Interview: Andreas Dunte

      http://www.lvz.de/aktuell/content/129843.html
      Avatar
      schrieb am 11.07.04 23:27:10
      Beitrag Nr. 1.765 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de

      Noch einmal die alte Leier? 11.07.2004


      DIESE WOCHE
      Am Beispiel des Niederganges der SPD demonstriert der Spatz, wie morsch das System schon ist. Er zeigt, wie wenig das Regime den Menschen nützt und wie verbrecherisch unsere Eliten schon sind, hüben wie drüben. So zeigt der Spatz die schon von Spengler vor fast hundert Jahren vorhergesagte Ähnlichkeit mit dem alten Rom. Eine politische Nachtfahrt des Geistes, zu lesen nach Konsum der nächsten Nachrichtensendung.



      Und noch eine neue Partei




      Kann man einen Pudding spalten? Man kann etwas von ihm wegnaschen; das sehen Mütter ungern. Nun erfahren wir: Die SPD will sich spalten. Aber diese Partei ist nicht einmal ein Pudding, sie gleicht höchstens einem Gas, schlechter Luft. Die läßt sich nicht spalten, nur absondern ließe sich etwas und auch das nur mit Mühe. Alle, die in Medien "anerkannt" zu Wort kommen, sind sich einig: Die Spaltung ist ein totgeborenes Kind, allenfalls eine Wahlkampfhilfe für die Opposition, die keine ist. Träumer halten die SPD für eine Partei mit Tradition, mit einer politischen Mission, mit einem Gestaltungswillen, eine Partei, die vorgibt, eine gerechtere Welt zustande bringen zu wollen. Wollen das die anderen etwa nicht? Auch Herr Bush in Washington würde so etwas von sich behaupten "a better world? Shure!". Er ist, wie fast jeder Amerikaner, fest überzeugt, voll hinter der Unabhängigkeitserklärung von siebzehnhundertsowieso zu stehen, - und wenn man das hochgelobte Papier im richtigen Sinne "richtig" versteht, hat er sogar Recht. Gilt das Dokument doch nur für "all men", nicht für Unmenschen, Sklaven zum Beispiel, Arme, Nichtdemokraten und im eigentlichen Sinne nicht für Nichtamerikaner.

      Übrigens sollte man sie wieder mal lesen, diese Unabhängigkeitserklärung. Irakis könnten sich auf das Dokument in ihrem Verständnis sehr wohl als Rechtfertigung ihres Aufstands gegen brutale Einbrecher, Zerstörer und Plünderer mit fremden Hoheitszeichen beziehen. Lesen Sie es einmal mit Irakischen Augen. Wie harmlos war doch ein King Georg im Vergleich zum Präsident Georg. Doch wen der auserwählten Übermenschen schert das. Recht ist gottgegebene Macht, denkt die westliche Wertegemeinschaft, und die fehlt Irakis und Palästinensern.

      Wenn die Banken der Wall Street und die mit ihnen verbundenen Banken im Ausland beschließen, die in China oder Thailand übliche Bezahlung für Hilfsarbeiter sei die angemessene Bezahlung für alle Arbeitskräfte dieser Welt, dann stellt sich ihren "demokratischen" Politikern nur noch die Frage: "Wer von uns kann das in kürzester Zeit in seiner Satrapie am besten durchsetzen?" Wer sich das zutraut, weil er schon immer "da hinein wollte", wird, weil die anderen die Drecksarbeit scheuen, auch gewählt. Das Ganze scheint dann nur eine Frage der Werbemittel zu sein, die Berater gegen gute Bezahlung allemal liefern. Zu diesem Zweck hat man voraussehend genug "Vorbilder" für kleine Leute aufgebaut: Sportler, Schlagersänger, Filmsternchen, sogenannte Künstler, alles was in den Medien Rang und Namen hat. Ein paar Engagements von denen und ein paar spinnerte Alternativen zur Ablenkung oder Abschreckung, und schon geht`s in kleinen Schritten (wegen der Gewöhnungszeit) vorwärts von Fall zu Fall. Dabei ist Schimpfen als Zeichen der Demokratie erlaubt und erwünscht. Wenn beim Protest nicht mehr herauskommt als das impotente "Nicht von uns, nehmt`s von den anderen!" dann bleibt die Parteigründung ein totgeborenes Kind. Die Linken, die alte SPD, sie alle hatten sich bisher immer nur ums "Umverteilen" gekümmert. Wenn man ihnen nichts zum Umverteilen bleibt, schauen sie so alt aus wie eine neue Partei.

      Und trotzdem, an einer politischen Partei, die sagt, was getan, wie produziert werden könnte, damit es wieder etwas zum Verteilen gibt, wird man auf Dauer nicht vorbeikommen. Nur solange die Ideologie der Herrschenden: "Sich mit möglichst geringem Auffand ein Maximum von anderen aneignen" die herrschende Ideologie ist, wird eine solche Partei nicht hochkommen. Denn Umverteilen ist alle mal "wirtschaftlicher" als Herstellen. Um am Trog zu bleiben, werden genug parteiliche Protestnebelkerzen geworfen, damit keiner mehr einen Ausweg sieht. Wer auf die "Anerkannten" hofft, wer sich in den Medien orientiert, darf sich nicht wundern, wenn er dort ankommt, wo ihn die Geldgeber haben wollen.

      Sind denn die "Anerkannten" und diejenigen, die sie anerkannt machen, vertrauenswürdig? Natürlich nicht - aber was bleibt einem anderes übrig? Doch kommt Hoffnung auf. Bundesbürger wollen, daß es bleibt wie es ist, nur nicht wahr haben, daß es bergabgeht. Wenn sie aber unten sind, was wollen sie dann noch wegleugnen? Als die Anerkannten im Irak ihre Macht so richtig ordentlich zeigen wollten, stellten sie nur ihre Ohnmacht zur Schau. Was Protestler nicht konnten, haben sie selbst geschafft. Sie selbst haben ihre glorreichen Ziele, ihre Sprüche von Demokratie, Freiheit und Happiness als Werbemittel der Kleineleutefängerei entlarvt. Revolutionäre Zeiten kündigen sich an, sagte Lenin, wenn die Herrschenden nicht mehr können und die Beherrschten nicht mehr wollen.

      In den USA hat der "anerkannte" Psychiater Justin A. Frank am 16. Juni sein Buch "Bush on the Couch" auf den Markt gebracht. Es ist bei Amazon jetzt schon auf Platz 304 der meist verkauften Bücher hochgeklettert und wird noch höher steigen. Frank hat die Methoden, nach denen der CIA die Psychoprofile ausländischer Staatsmänner erstellt, auf den US Präsident angewandt und festgestellt, der arme, von den Traumata durch die Mutter und seine Sauftouren geplagte Mann, ist für sein Amt völlig ungeeignet, er ist "insane". Dem Mann neben ihm, der die Richtlinien der Politik vorgibt, Herrn Cheney, stehen die Betrugs-, Bestechungs- und Übervorteilungsskandalen bis an die Unterlippe. Aus Nervosität beschimpft er seine Senatsgenossen unflätig und sogar der Mob im Yankee-Stadion der New Yorker Bronx hat ihn ausgepfiffen. Und selbst dumme Leute fragen sich, wenn man Schürzenjäger Clinton wegen seiner Seitensprünge aus dem Amt jagen wollte (was allenfalls Sache seiner ehrgeizigen Frau gewesen wäre), warum findet sich kein Republikaner und kein Demokrat, der das mit diesem privatisierenden Politgauner und Geisteskranken tut oder wenigstens versucht? Sind massenwerbewichtige Bettgeschichten in der Demokratie tatsächlich wichtiger als der Vorwurf, den Ruf der USA in der Welt nachhaltig in den Dreck gestampft zu haben - Geschäft ist Geschäft, who in the world cares?

      Oder findet sich keiner für die Drecksarbeit? Die Wahlalternative Kerry kommt über ein lautes "I A, I A, Ich Auch" nicht hinaus. Er tut alles (ähnlich wie unser Herr Kohl am Ende seiner Kanzlertage), um die Wahl nicht zu gewinnen. Warum ließ er sich werbekostenträchtig aufstellen? Nun, man ist schließlich eine Demokratie und die zeichnet sich dadurch aus, daß das Volk wählen kann (zwischen der gleichen Zahnpasta in einer roten oder schwarzen Tube - Stilfragen). Wenn es, das Volk auf die Wahl verzichtet, denken demokratische Parteiführer in Deutschland sogar laut über "Wahlpflicht" nach - oder geht es ihnen nur um die Wahlkrampf-Kostenerstattung aus Steuergeldern, die die Wahlenthaltungen schmälern?

      Das Vertrauen in die "Anerkannten" ist weg: Das Rote Kreuz ließ Berichte durchsickern, wonach zuständige US-Soldaten mit ausdrücklicher Genehmigung höchster Dienststellen im Weißen Haus und unter Anleitung israelischer Folterspezialisten (mit jahrzehntelanger praktischer Erfahrung) nicht nur Kriegsgefangene (also Nazis, wer könnte sonst etwas gegen Demokratie und Freiheit haben) viehisch gefoltert haben, sondern sogar Kinder und Jugendliche. Der Bericht weist darauf hin, daß bei 19 Inspektionen 107 "Kinder" gezählt wurden (NZZ 06.07.2004). Die, die man nicht gesehen hat, konnte man nicht zählen. Wie war das mit der "westlichen Wertegemeinschaft"?

      General Warner klagte in der Washington Post am 6.7.: "Nach meiner Ansicht ist die Armee in einem furchtbaren Zustand. Ich denke die Leute sind ausgelaugt, die Ausrüstung verbraucht und wir haben unsere Reserven überfordert. Uns fehlt es dramatisch an Infanterie und Militärpolizei". Ein Kapitän John Byron sagt an der gleichen Stelle: "Der Krieg im Irak ruiniert die Armee und das Marine Corps" Und Oberst John Antat: "Daß wir unsere besten Ausbilder in die Kampfzone bringen, beweist Ihnen, wie überspannt die Armee ist".

      Ein Londoner Investmentmanager, der nicht genannt sein will, meinte kürzlich: "Wir nähern uns einem bösen Erwachen. Es wird bald sehr große Veränderungen in den Ansichten über das, wie die US Wirtschaft läuft, geben. Und das wird vermutlich noch vor den Novemberwahlen eintreten, es ist unwahrscheinlich, daß man die Situation noch so lange zusammenhalten kann". Er führte den "Rückgang der Kredite zu einer Zeit, wo alle Mittel zur Anregung der Wirtschaft aufgebraucht sind und die Zinsen wieder steigen" an; und daß "das frühere Kreditwachstum nicht zu Investitionen geführt sondern dazu gedient (habe), die Wertpapierblase aufzupumpen... das läßt sich nicht mehr verbergen und kann die Blase jederzeit zum Platzen bringen. Wie ich sagte, Jederzeit..."

      Selbst bei gekonnter Statistikmassage läßt sich nicht mehr verheimlichen, daß mehr Leute die Arbeit verlieren als neue Arbeitsplätze (meist auf dem Papier) erfunden werden. Der einzelne Arbeitslose begreift allmählich, daß er kein Versager sondern ein Betrogener ist.

      Die Ölpreise steigen wieder und nicht nur, weil Irakis kürzlich wieder eine geheimgehaltene Ölpipeline nach Basra sprengen konnten, Total seine Ölförderung in Nigeria wegen der dort aufgebrochenen Aufstände einstellen mußte und die Raubfirma Yukos Oil (nur) wegen Steuerhinterziehung von jährlich rund 3 Mrd. Dollar seit 2000 (endlich) beschlagnahmt wird.

      Der Hunger in der Welt nimmt laufend zu, die Getreidevorräte ab und die Welthandelsorganisation erklärt das Anlegen nationaler Nahrungsmittelreserven zum zu bekämpfenden "Handelshindernis". Im Jahr 2000 gab es trotz Stillegungen und Reformen a la Künast weltweit noch 598,5 Millionen Tonnen Getreidereserve. Inzwischen sind es nur noch 362,7 Millionen (FAO Outlook Report vom Juni). Regierungen, die sich um ihre Bevölkerung sorgen - wie die indische - unternehmen alles Erdenkliche, um die Landwirtschaft wieder in Gang zu bringen, nachdem sie auch dort wie bei uns demontiert worden war.

      Die Weltgesundheitsorganisation meldet, daß 38 Millionen Menschen inzwischen an AIDS erkrankt sind und sich diese Verelendungsseuche weiter ausbreitet und zwar am rasantesten im erst kürzlich erfolgreich ausgeplünderten (mit Hilfe von Yukos und anderen derartigen Unternehmen) Osteuropa.


      In China Daily ließ der Vizehandelsminister Gao Hucheng verlauten, daß es die Verpflichtung der Regierungen auf allen Ebenen sei, die Wirtschaft zu schützen. In Japan sieht der US Satrap Junichiro Koizumi, der den (sozialen) japanischen Kapitalismus durch den amerikanischen ersetzen sollte, schweren Zeiten entgegen, wenn die Japaner am 11.7. die neu gegründete Demokratische Partei Japans (DPJ) statt der seit 50 Jahren unwidersprochen herrschenden LDP ins Parlament wählen sollte, wie es Meinungsforscher vorhersagen. Grund sind neben den japanischen Truppen im Irak die "Reformen", vor allem der Renten. Die neue Partei hält dagegen viel von der Mitarbeit an der Eurasischen Landbrücke, die zur Zusammenarbeit zwischen China, Indien, den beiden Koreas, des Irans und anderer südasiatischer Staaten und m.E. auch Rußlands geführt hat. Diese Staaten wollen aufbauen, statt an der Umverteilung des immer Knapperen ihren Reibach zu machen.

      Über den eigenen traditionellen Schatten zu springen und da mitzumachen, würde viele Probleme der SPD und ihres Herrn Schröders lösen. Dazu bedarf es mehr als einer Reise nach Moskau und einiger Techtelmechtel unter dem Verhandlungstisch. Doch mehr wagt diese Regierung nicht. Da stehen der Große Bruder und die Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik seit den sechziger Jahren davor. Nibelungentreue und dem die linke Backe hinhalten, der einem kräftig auf die Rechte schlägt, prägt die Deutsche Geschichte zunehmend seit dem 30jährigen Krieg. Auf ihrem jetzigen Höhepunkt das ändern? - nicht mit einer Traditionspartei die vom Umverteilen lebte, statt zu versuchen, die Produktion dringend benötigter Güter in Gang zu bringen. Aller Anfang wird schwer, aber erträglich, wenn nur einer in Sicht wäre.
      Avatar
      schrieb am 11.07.04 23:33:35
      Beitrag Nr. 1.766 ()
      Avatar
      schrieb am 12.07.04 00:00:50
      Beitrag Nr. 1.767 ()
      Mannheimer Jobcenter - ein Vorgeschmack auf Arbeitslosengeld (ALG) II?


      Mannheimer Sozialverwaltung drängt über 50 % der bis 25 Jährigen aus der Sozialhilfe


      Die Mannheimer „Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung durch Verbesserung der Sozialhilfe” zeigen erste Ergebnisse: Über 50 Prozent der Sozialhilfeempfänger im Alter bis zu 25 Jahren wurden aus den Leistungsbezug herausgedrängt. Hierzu wurden Leistungen drastisch gekürzt und der Personenkreis verkleinert.

      Die Mannheimer Sozialverwaltung setzte die Vorschläge des Sozialamtsleiters Hermann Genz um. Genz war zuvor durch seine viel kritisierten Modellprojekte von „Job Center” und „Bedarfsermittlungsdiensten” in Köln bekannt geworden. Besonders Pikant: Das Mannheimer Modell ist seit kurzem Modellprojekt zum exemplarischen Ausbau des Sonderprogramms Jump Plus, quasi im Vorgriff auf das ALG II. Sollten die Betroffenen hier schon einen bitteren Vorgeschmack auf die Arbeitsmarktreform Hartz IV bekommen haben? Dies würde bedeuten, dass ab Januar 2005 unzählige Leistungsberechtigte aus den ALG II - Bezug gedrängt werden. Dahingehende CDU - Verlautbahrungen, das ALG II - Empfänger zum „Laternenputzen” oder zur „Hundekotentsorgung” eingesetzt werden sollen, sind eindeutig.

      Diesen Verdacht erhärtetet auch eine Information des Deutschen Gewerkschaft Bundes. Demnach wird über eine bundesweite Ausdehnung des „Kölner Modells” (jetzt „Mannheimer Modells”) für unter 25-jährige nachgedacht.

      Was bisher geschah:
      Hermann Genz ließ seine Repressalien beschließen, als die Bundespolitiker über die anstehenden Arbeitsmarktreformen berieten. In einer Drucksache der Mannheimer Verwaltung heißt es: „Es sollen Anreize für einen Verbleib in der Sozialhilfe reduziert werden oder gar gänzlich gestrichen werden.” (Drucksache 583/2003 vom 11.11.03)

      Insgesamt sollten durch diese drastischen Kürzungen 21,89 Mio. € eingespart werden — auf den Rücken der Einkommensschwachen.

      Die Mannheimer Kürzungen, die einen Verbleib in der Sozialhilfe reduzieren sollen, umfassen:

      als „Herzstück” das Projekt „Job Center Junges Mannheim” Ziel dieses Projektes ist es, den Zugang junger Menschen in der Sozialhilfe zu verhindern oder ihren Verbleib in der Sozialhilfe zu beenden.
      massive Kürzungen von einmaligen Leistungen Hausratsgegenstände und Elektrogroßgeräte werden nur noch als Gebrauchtwaren und mit halbierten Preisen erstattet, die Bekleidungspauschale wird von jährlich 260 auf 240 € gekürzt.
      Senkung der angemessenen Unterkunftskosten von max. 6,00 auf 4,60 € pro Quadratmeter, Reduzierung der angemessenen Quadratmeter bei Alleinstehenden von 45 auf 41 Quadratmeter.
      Abschaffung von Sonderregelungen wie der Höhe des Erwerbstätigenfreibetrages, keine Anrechnung von Geldern für Haushaltshilfen, Weiterzahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen
      Einrichtung einer Sonderarbeitsgruppe von besonders erfahrenen Sachbearbeitern zur Senkung der „teuersten Zahlfälle”
      Aus- und Aufbau eines Prüf- und Kontrolldienstes (Bedarfsfeststellungsdienst) mit der Maßgabe bis zu 40.000 Hausbesuche im Jahr durchzuführen und eine geschätzte Gesamteinsparung von 3 – 6 Prozent der Sozialhilfekosten zu erwirtschaften (Drucksache 583/2003 vom 11.11.03)
      Diese Repressalien und Leistungseinschränkungen gehen auf Hermann Genz zurück. Im Spätsommer 2003 wurde Herr Genz als Sozialamtsleiter der Stadt Mannheim von Köln exportiert. Herr Genz ist in der bundespolitischen Fachöffentlichkeit bekannt für seinen rigiden Kurs gegen einkommensschwache Leistungsberechtigte. Nach zehn Monaten liegen nun die ersten Ergebnisse zum Job Center vor. Dieses Mannheimer Modell offenbart sich zu einen sozialpolitischen Skandal erster Güte.

      Die „Bilanz des Sonderprogramms Jump Plus” (Drucksache 343/2004 vom 25.06.2004) offenbart, dass von 1100 jungen Erwachsenen, die durch das Job Center zu Arbeitsgelegenheiten herangezogen wurden, 658 aus der Sozialhilfe herausgedrängt wurden.

      Bei einer Zwischenbilanz im April 04 propagierte die Mannheimer „Stabsstelle Sozialhilfe”: „Das Sonderprogramm zeigt Wirkung. Die Zielgruppe für das Programm Jump Plus hat sich halbiert. Ziel ist es, den Zugang junger Menschen in die Sozialhilfe zu verhindern oder ihren Verbleib in der Sozialhilfe zu beenden”, so die in der Vorlage 210/2004 vom 16.04.2004.

      Im am 25. Juni 04 war die nächste schön verpackte Bilanz fällig:

      1100 Personen von 18 – 24 Jahren wurden zum Mannheimer Sonderprogramm Jump Plus herangezogen
      275 Personen / 25,0 % sind nicht zum ersten Vorstellungstermin gekommen
      101 Personen / 9,1 % haben eine vermittelte Beschäftigung nicht angetreten
      176 Personen / 16,0 % haben eine Beschäftigung wieder abgebrochen
      552 Personen / 50,1 % wurden mit dem Sonderprogramm aus der Sozialhilfe gedrängt

      Kein Wort sagt die Bilanz über die konkrete Heranziehung zum Sonderprogramm Jump Plus. Ob z. B. bei Neuantragstellern zunächst eine Deckung des Lebensunterhaltsbedarfes vorgenommen wurde oder ob gleich ein Arbeitsantritt verlangt wurde, bleibt unklar. Es wird auch nicht ausgeführt, ob und in wie vielen Fällen Sanktionen ausgesprochen wurden. Obwohl hier das noch gültige BSHG eindeutig ist: Wer sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten oder zumutbare Maßnahmen nachzukommen, dem ist in einer ersten Stufe der Regelsatz um mind. 25 % zu kürzen (§ 25 I BSHG). Es sagt aber auch aus, dass zuvor eine Belehrung zu erfolgen hat.

      Die Mannheimer Bilanz sagt nichts darüber aus, ob und inwieweit vor der „Hilfeversagung” die Sozialhilfe gekürzt wurde. Eine „Erfolgsbilanz” von 50 % Rausdrängung aus der Sozialhilfe lässt sich nur realisieren, wenn es gleich zur rechtswidrigen Hilfeeinstellung kommt.

      Der Widerstand gegen die Pläne des Mannheimer Sozialamtsleiters Hermann Genz waren ohnehin nur gering. Genauso wurde das Job Center propagandistisch durch die Tageszeitung Mannheimer Morgen vom 23.9.03 begleitet: „Eines wird bei Jump Plus nicht geduldet: „Ich will nicht. Wer sich weigert oder nach einem kurzem Gastspiel nicht mehr erscheint, der bekommt sein Geld gestrichen”.

      Fazit
      Ausweislich der Bilanz der Sozialverwaltung Mannheim, wurden in zehn Monaten 552 Personen die Sozialhilfe komplett verweigert, bzw. der Sozialhilfebezug „verhindert” und „beendet”.

      Es ist anzunehmen, das dies in einem Großteil der jeweiligen Fälle rechtswidrig erfolgte. Anders ist die Erfolgsstatistik nicht zu interpretieren.

      Die Damen und Herren aus der Stabsstelle Sozialhilfe machen sich keinen Gedanken zu dem „Verbleib” der 552 Personen und der jungen Erwachsenen die trotz Not und Bedürftigkeit aufgrund der rigiden Praxis gar nicht erst Sozialhilfe beantragt haben.

      Über den Verbleib der jungen Einkommensschwachen kann man nur spekulieren.

      Thesen zum Verbleib:

      sie werden von den Eltern irgendwie ‚mit durchgezogen’
      sie schlagen sich mit ‚Schwarzarbeit’ durch
      sie sind prekär und ohne Sozialversicherung beschäftigt
      sie leben von Ladendiebstahl und Einbrüchen
      sie prostituieren sich
      Im Fazit bedeutet die Mannheimer Sozialhilfeverweigerungspraxis eine Verelendung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen und erhöhte Suchtproblematiken sowie steigende Kriminalität und Obdachlosigkeit für diesen Personenkreis.

      Mannheimer Zustände bald bundesweit?
      Erschreckend sind die Parallelen zum ALG II, besonders das Mannheim jetzt sogar zum Modellprojekt ernannt wird. Dieses sieht speziell für die unter 25-jährigen vor, dass diese unverzüglich nach Antragstellung in Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit zu vermitteln sind (§ 3 II SGB II). Wenn diese sich weigern, dann ist ihnen sofort für drei Monate die Regelleistungen zu streichen, allerdings sind ihnen noch ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen (Lebensmittelgutscheine) zu erbringen.

      Es besteht die Gefahr, das mit den Hartz IV Instrumenten bundesweit hunderttausende Erwerbslose aus den letzten sozialen Sicherungssystemen rausgedrängt werden und das Mannheim dafür ein Modellprojekt ist.

      Schlimm ist es, wenn Figuren wie Herr Genz diese bedenkenlose Existenzvernichtung ohne Kritik der Öffentlichkeit betreiben können.

      Tacheles Online Redaktion
      Harald Thomé

      http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2004/Mannheimer…
      Avatar
      schrieb am 12.07.04 00:05:11
      Beitrag Nr. 1.768 ()
      Hartz IV verstößt gegen internationale Menschenrechtsvereinbarung
      Erstellt: Freitag, 09.07. 09:02
      Hartz IV gegen internationale Menschenrechte


      Die Habitat International Coalition (HIC) hat gegenüber Minister Clement ihre Besorgnis wegen der Hartz IV Reform ausgedrückt.
      Wie weltweite Organisation befürchtet eine Zunahme von Obdachlosigkeit als Folge der Reform.
      Sie sieht in der Reform eine Verletzung des Rechts auf Wohnen, wie es im Internationalen Pakt über soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte vereinbart wurde.
      Diese internationale Menschenrechtsvereinbarung wurde von der Bundesrepublik 1973 unterzeichnet.
      HIC bittet die Bundesregierung die Reformen zu überprüfen.
      Grüße Knut Unger, MieterInnenverein Witten, 02302-276171

      S unten:

      > ----- Original Message -----
      > From: HIC-AL <mailto:hic-al@hic-al.org>
      > To: unger <mailto:unger@mvwit.de>
      > Sent: Wednesday, July 07, 2004 9:51 PM
      > Subject: Fw: Hartz IV reform
      >
      > Hello,
      >
      > Today we send this mail and a fax to Federal Minister Wolfgang
      > Clement.
      >
      > Best,
      > Maria Silvia
      > ----- Original Message -----
      > From: HIC-AL <mailto:hic-al@hic-al.org>
      > To: info@bmwa.bund.de <mailto:info@bmwa.bund.de>
      > Sent: Wednesday, July 07, 2004 3:49 PM
      > Subject: Hartz IV reform
      >
      >
      >
      > Federal Minister
      >
      > Wolfgang Clement
      >
      > (Federal Ministry of Economics and Labour)
      >
      > E-mail: info@bmwa.bund.de <mailto:info@bmwa.bund.de>
      >
      >
      >
      >
      > Mexico City, 7 of July 2004
      >
      >
      >
      >
      >
      > Excellency,
      >
      >
      >
      > Having received from social organizations based in Germany, fellow members of Habitat International Coalition (HIC), some alarming news about the recent reform of labour market, we would like to take the opportunity to underline some aspects of the newly implemented Hartz IV reform which can turn out to be a thread to the fulfilment of fundamental housing rights.

      With the future housing costs support cut, a large number of the 5 million unemployed people in your country may be unable to cope with their rents, especially in urban areas where houses and flat prices are far too expensive. As a consequence, soon many of these citizens will fall in debt regarding their rent obligations and they may face eviction if the dept is over two months rent. Thus there is a real risk for homelessness to increase as a consequence of this process or, at least, of developing a new type of segregation with the concentration of the unemployed population in the cheapest suburbs. This critical situation deserves our greatest concern.

      Our Coalition, which is made up by nearly 500 organisations from 80 countries and counts with a consultative status at the United Nations, works for the recognition, the defence and the fulfilment of housing rights. Basing our opinion on the international legal sources of human rights, we consider the Hartz IV reform as a violation of the human right to an adequate housing recognised on article 11 of e International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR) ratified by Germany in 1973. The ICESCR also obliges States not to take regressive measures (article 2) as the Hartz IV reform is in terms of housing rights.

      In this perspective and with all respect, we send you this
      letter to bring to your consideration the need to revise the
      Hartz IV reform on the perspective of international housing
      rights and to preserve the high quality of the German social
      welfare.

      Respectfully,

      Enrique Ortiz Flores
      President of Habitat International Coalition
      Coalición Internacional para el Hábitat
      Oficina Regional para América Latina (HIC-AL)
      Habitat International Coalition
      Latin America Regional Office (HIC-AL)
      Tacuba # 53, 1er piso, Col. Centro
      06000 Mexico D.F.
      MEXICO
      Tel: +52 55 55 12 15 86
      Tel: + 52 55 55 12 67 26
      Fax: +52 55 55 12 38 42
      E-mail: chm@laneta.apc.org <mailto:chm@laneta.apc.org>
      Web: www.hic-al.org <http://www.hic-al.org>;
      Avatar
      schrieb am 12.07.04 00:08:59
      Beitrag Nr. 1.769 ()
      Hartz-IV-Gesetz
      Reform verfassungswidrig?
      Sozialrechtlerin Prof. Dr. Ursula Rust kritisiert Hartz-IV-Gesetz



      Foto: Uni Bremen

      Prof. Dr. Ursula Rust (Jg. 1955) lehrt an der Universität Bremen auf den Gebieten Gender Law, Arbeits- und Sozialrecht. Sie ist seit Mai 2002 Sprecherin des bigas (Bremer Institut für deutsches, europäisches und internationales Gender-, Arbeits- und Sozialrecht).

      ND: Weil Hartz IV vorerst politisch nicht zu stoppen ist, richten sich deshalb die Hoffnungen, um die schlimmsten sozialen Grausamkeiten zu verhindern, auf das Grundgesetz mit seinem Sozialstaatsgebot. Wie bewerten Sie das?
      Rust: Häufig werden heutzutage Probleme ans Bundesverfassungsgericht weitergegeben mit dem Wunsch, dass diese in Karlsruhe gelöst werden. Damit ist das Gericht aber überfordert. Dies gilt auch für die Hartz-IV-Reform. Aus dem Sozialstaatsgebot folgt eben nicht das Gebot, dass bestimmte Vorschriften so oder so sein müssen.

      Dennoch schrieb Karlsruhe dem Gesetzgeber zuletzt in sozialer Hinsicht – so bei der Pflegeversicherung – einiges ins Stammbuch.
      Das Verfassungsgericht übte in den letzten Jahren immer dann Kritik am Gesetzgeber, wenn Artikel 3, Absatz 1 des Grundgesetzes – also das Gleichheitsgebot zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen – verletzt wurde. Das betraf zum Beispiel Regelungen, die sich über die Ungleichbehandlung von Gruppen nachteilig für Familien oder für Frauen auswirkten. In einem solchen Kontext kann das Verfassungsgericht in der Tat dem Gesetzgeber Grenzen setzen.

      Das berücksichtigend – wo wird bei Hartz IV möglicherweise Verfassungsrecht verletzt?
      Mit Hartz IV werden der Gemeinschaft Opfer abverlangt – ob der Ansatz richtig ist, ist eine Frage der Politik, weniger des Rechts. Das greift dort, wo Einkommen oder Vermögen aufs Arbeitslosengeld II angerechnet werden und sich dies unterschiedlich auf gesellschaftliche Gruppen auswirkt. Hartz IV wird dazu führen, dass vor allem Frauen keine Ansprüche auf Leistungen haben. Zudem ist die Wiedereingliederung mit den Ansprüchen von Verfügbarkeit und Mobilität so zugeschnitten, dass sie für Frauen oft nicht mehr zugänglich ist. Trifft all das ein, haben wir ein verfassungsrechtliches Problem.

      Das Bundesverfassungsgericht billigte erworbenen Rentenansprüchen eigentumsähnlichen Charakter zu. Der Gesetzgeber kann an der Rente nicht beliebig herumschneiden. Trifft Ähnliches nicht für den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu, der mit Hartz IV auf ein Jahr begrenzt wird?
      Eine Grenze, die beim Kürzen nicht überschritten werden darf, könnte es geben. Wenn sich beispielsweise bei der Rente nicht mehr die eigenen Beiträge realisieren lassen, ist diese Grenze überschritten. Ob das mit Hartz IV beim Arbeitslosengeld auch passiert, ist jetzt noch nicht zu sagen. Die Logik der Reform besteht ja darin erreichen zu wollen, dass Langzeitarbeitslosigkeit gar nicht mehr eintritt oder endet, weil die Leute schnell in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Tritt das ein, ist eine verfassungsrechtliche Kritik, dass der Eigentumsschutz verletzt ist, schwierig. Außerdem gibt es keine klaren rechtlichen Aussagen, welche Leistungen des Sozialgesetzbuches III überhaupt dem Eigentumsschutz unterliegen.

      Beim Arbeitslosengeld II wird viel stärker aufs Einkommen von Lebenspartnern zurückgegriffen. Ist das rechtlich in Ordnung?
      Auch hier ist besonders kritikwürdig, dass die Anrechnung der Einkommen innerhalb der neuen »Bedarfsgemeinschaft« zu Lasten der Frauen geht. Dazu kommt: Die Mitglieder der »Bedarfsgemeinschaft« sollen sich, so meine letzte Information zum Gesetz, durch eine Eingliederungsvereinbarung mit dem JobCenter zu einer Beteiligung am Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt verpflichten.

      ...per Vertrag.
      Ja – und genau dieser Vertrag kann auch für Dritte geschlossen werden. Das heißt: Künftig könnte der Ehemann oder der Lebenspartner für die Frau eine Eingliederungsvereinbarung abschließen. Der meist männliche Haushaltsvorstand soll entscheiden, wie die Eingliederung seiner Frau aussieht. Das ist ein Punkt, den ich mit Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes (»Männer und Frauen sind gleichberechtigt« – d. R.) für nicht vereinbar halte.

      Dieser Rückschritt in eine Zeit, wo der Ehemann noch über Berufstätigkeit der Frau entscheiden konnte, ist kaum glaubhaft.
      Die Kritik an der Eingliederungsvereinbarung steht schon in der Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes zur Hartz-Reform. Dieses alte Modell geht einfach nicht.

      Wie steht es bei Hartz IV um die Zumutbarkeit von Arbeit. Inwieweit ist das rechtens?
      Dahinter steckt das Problem, ob es einen Berufsschutz gibt oder kann auf jede Tätigkeit verwiesen werden, die mir hinsichtlich der Arbeitszeit möglich, körperlich zumutbar ist, wo ein Entgelt nach Tarif gezahlt oder Sittenwidrigkeit nicht erreicht wird. Schon vor Hartz ist der Berufsschutz im Rentenrecht für den Fall der Erwerbsminderung begrenzt worden. Insofern sind die Hartz-Reformen nur ein weiterer Fall der Begrenzung des Berufsschutzes.

      Wie sieht es mit der bei Hartz IV geforderten Verwertung großer Teile des Privatvermögens aus?
      Rechtswidrig ist, wenn verlangt wird, dass Vermögen so verwertet werden muss, dass es sich in einem übermäßigen Ausmaß entwertet. Das könnte bei erzwungener Veräußerung von Rentenvorsorgeverträgen durchaus eintreten, hängt aber von den Gesetzesregelungen im Detail ab.

      Fragen: Jörg Staude

      (ND 02.07.04)
      http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=55681&
      Avatar
      schrieb am 12.07.04 16:59:54
      Beitrag Nr. 1.770 ()
      8,6 Millionen Arbeitslose - schon vor Beginn der Energierationierung

      Schon vor knapp einem Jahr berichteten wir über eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, nach der schon damals ca. 7,2 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos waren. Glaubt man neuen Zahlen, die die Wirtschaftswoche in ihrer 29. Ausgabe vom 8. Juli vorgelegt hat, sind inzwischen 8,6 Millionen Menschen ohne Job. Die Politiker dieses Landes haben in ihrem Amtseid geschworen, Schaden vom Deutschen Volk abzuwenden. Was unternehmen sie in dieser Richtung?

      Grundproblem ist, was wir als Arbeitslosigkeit definieren wollen. Hier scheint die herrschende Kaste den alten Ausspruch von Winston Churchill, man solle keiner Statistik glauben, die man nicht selbst gefälscht habe, zur Kunst der statistischen Massage weiterentwickelt zu haben. Dies wird deutlich, wenn man sich die folgende Übersicht aus der Wirtschaftswoche anschaut:

      Offiziell als arbeitslos gemeldet 4.233.000
      Offizielle Erwerbslosenquote 10,2%
      Arbeitslose in Maßnahmen der BA 868.000
      Arbeitslose in Maßnahmen der Kommunen 390.000
      Arbeitslose im Vorruhestand 1.077.000
      Kurzarbeiter 75.000
      Stille Reserve 2.000.000
      Wahre Arbeitslosigkeit 8.643.000
      Tatsächliche Arbeitslosenquote 18,8%
      Quelle: "Wirtschaftswoche" Nr. 29 vom 08.07.2004, S. 24; "Vorruhestand" und "Stille Reserve" geschätzt. Quelle der Daten: BA, Sachverständigenrat, Deutscher Städtetag, Stiftung Marktwirtschaft.



      Mit 8,64 Millionen oder fast 20% Arbeitslosen sieht die Lage wesentlich dramatischer aus als unmittelbar vor der Machtergreifung Adolf Hitlers im Januar 1933. Und damals wie jetzt beginnen Millionen Menschen zu begreifen, daß sie nicht versagt haben, sondern betrogen wurden.

      Dennoch wird mit unglaublichem Starrsinn mit der am Freitag beschlossenen Einführung des zwangsweisen Zertifikatehandels ab 2005 das größte Verknappungs- und Rationierungsprojekt der deutschen Geschichte vorbereitet. Das wie eine Exportprämie für Arbeitsplätze wirkende pseudo-marktwirtschaftliche Verteuerungsinstrument wird Millionen weitere Jobs ins Ausland verlagern, zuerst vermutlich in den Betrieben, die die in dieser Liste aufgeführten Anlagen betreiben.

      Es ist nicht schwer zu erraten, daß diese neue Maßnahme zur Einführung des Ökosozialismus nicht gerade im Interesse des deutschen Volkes liegt. Die Politiker, die weiter entgegen aller wissenschaftlicher Vernunft die Mär vom Treibhauseffekt verbreiten, um zum eigenen Machterhalt noch weitere Verteuerungs- und Verknappungsmaßnahmen durchsetzen zu können, brechen ganz offensichtlich ihren Amtseid. Sie führen einen Krieg gegen das eigene Volk, wenngleich mit nichtmilitärischen Mitteln so doch einen verheerenden Feldzug. Sie zerstören eine ganze Generation. Im Unterschied zu anderen Diktaturen richtet sich die Aggression des Berliner Regimes aber nicht nach außen, gegen andere Völker, sondern gegen die eigene Bevölkerung, ihre wirtschaftliche Grundlage und Energieversorgung. Ein Verbrechen ist es aber dennoch.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 12.07.04 17:00:47
      Beitrag Nr. 1.771 ()
      Avatar
      schrieb am 12.07.04 17:08:47
      Beitrag Nr. 1.772 ()
      Arbeitsplatzabbau wegen Emissionshandels angekündigt

      Der BWL-Bote hat prognostiziert, daß durch die zwangsweise Einführung des Emissionshandels Arbeitsplätze verloren gehen werden. Insbesondere haben wir vorhergesagt, daß Unternehmen die materielle Produktion in Länder verlegen werden, die dem Protokoll von Kyoto nicht beigetreten sind (Rußland, USA), oder in solche, die von Kyoto ausdrücklich ausgenommen sind (Indien, China), um in Europa besser mit nicht mehr "benötigten" Emissionszertifikaten handeln zu können.




      Diese Prognose bewahrheitet sich offenbar noch schneller als erwartet. So hat der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp, Ekkehard Schulz, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt, man werde eher Arbeitsplätze ins Ausland verlagern als Emissionsrechte hinzukaufen zu müssen. Die Stahlindustrie befindet sich besonders im Visir der Gutmenschen, die unter dem Vorwand des "Klimaschutzes" die materielle Produktion drosseln wollen.

      Wir haben jedoch auch darauf hingewiesen, daß das Exportieren von Jobs durchaus im Interesse der Unternehmen liegt, denn sie können bald mit Klimascheinen mehr Gewinn erzielen als mit dem Verkauf ihrer Produkte: Emissionszertifikate können nicht, wie die Marktpreise für Produkte, Aktien und andere Wertpapiere, ins Bodenlose abstürzen, weil die erlaubte Maximalmenge von sogenannten "Treibhausgasen" von jedes Jahr Brüssel reduziert werden soll, was einen Wertanstieg der "Klimascheine" garantiert. Dieser Hintergrund läßt die Drohung von ThyssenKrupp um so glaubwürdiger erscheinen.

      Die Sache hat natürlich ihr Gutes, denn obwohl Deutschland durch die Demontage der DDR-Industrie ihr "Klimaziel" bereits erreicht hat, soll weiter demontiert werden. Es ist zu erwarten, daß sobald wirklich "Klimascheine" nachgekauft werden müssen, eine geradezu fluchtartige Entwicklung in der Industrie einsetzt. Die absurde Klimaideologie fördert damit Schwellenländer und richtet Deutschland zugrunde wie keine frühere politische Ideologie seit dem zweiten Weltkrieg einschließlich des DDR-Sozialismus. Dies ist aber nicht nur ein Verstoß gegen das immer noch bindende Stabilitätsgesetz, das eine keynesianische antizyklische Wirtschaftspolitik (und keine prozyklische Verstärkung des Absturzes) verbindlich vorschreibt, sondern es erhöht auch den Leidensdruck der Bevölkerung durch beschleunigte Verarmung, so daß mit einem baldigen grundsätzlichen Politikwechsel zu rechnen ist.


      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 12.07.04 17:11:59
      Beitrag Nr. 1.773 ()
      Avatar
      schrieb am 12.07.04 17:26:21
      Beitrag Nr. 1.774 ()
      Kommentar
      Rainer Balcerowiak

      Neuhardenberg reloaded

      Bundesregierung übt sich in Durchhalteparolen


      Politik als Film: Ein mittelmäßiger Plot wird als Fortsetzung erneut vermarktet, wobei diese Remakes selten die Qualität des Erstlings erreichen. Ein »Signal für Stabilität und Wachstum in Deutschland« vermeldete Bundeskanzler Gerhard Schröder Ende Juni 2003 nach der Klausurtagung des Kabinetts und der Parteispitzen von SPD und Grünen im brandenburgischen Neuhardenberg. Ein »echter Konsolidierungshaushalt« wurde vom Kanzler ebenso angekündigt wie ein »deutliches Signal an Konsumenten und Investoren« durch »eine Steuerreform, die die Binnennachfrage stärkt«. Dadurch verbessere man auch »die Wettbewerbssituation des Mittelstands«. Das alles sei ein Signal, daß »Reformen sich auch auszahlen«.

      Die Show funktionierte seinerzeit relativ gut, und die Regierung konnte die geplanten Gesetze nach Verhandlungen mit der konservativen Opposition und Neutralisierung der Gewerkschaften relativ glatt durchsetzen. Doch viel ist von diesem Gedöns nicht übriggeblieben. Die Binnenkonjunktur verzeichnet trotz immer neuer Exportrekorde der deutschen Wirtschaft immer neue Minusrekorde. Das Steueraufkommen sank umgekehrt proportional zum Steigen der Erwerbslosigkeit. Die »Sozial- und Arbeitsmarktreformen« verursachen inzwischen deutlich sichtbar immer mehr Armut. Die ökonomische Talfahrt des vielbeschworenen »Mittelstands« hat sich, besonders im Einzelhandel, im Baugewerbe und bei personenbezogenen Dienstleistungen, beschleunigt.

      Von »Aufbruch« wollte deshalb nach der diesjährigen Kabinettsklausur auch keiner mehr reden. Neben Durchhalteproganda gab es ein bißchen Schelte für die Ost-Sozialdemokraten, die verlogenerweise erst lange nach den eigentlichen Entscheidungen aus Angst vor Wählerabstrafung gegen »Hartz IV« ihr Stimmchen erhoben, und ein zynisches Statement von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, der das materielle Desaster für Millionen Menschen in Folge der »Arbeitsmarktreformen« schlicht ins Reich der Fabel verwies.

      Die Koalition setze weiter »auf Sieg«, hieß es nach der Klausur. Damit liegen sie nicht ganz falsch, denn der Vormarsch des Großkapitals scheint kaum zu stoppen zu sein. Und die CDU kann sich in spätestens zwei Jahren freuen, daß ihr die SPD einen Großteil der Drecksarbeit, von der Kriegsführungsfähigkeit bis zur Zerschlagung der Sozialsysteme, bereits abgenommen hat.

      http://www.jungewelt.de/2004/07-12/003.php
      Avatar
      schrieb am 12.07.04 17:28:59
      Beitrag Nr. 1.775 ()
      Kommentar


      Wunderheiler des Tages

      Bert Rürup



      Das Füllhorn der Sozial»reformen« hat das Volk mürrisch gemacht. Es ist undankbar, geht manchmal auf die Straße, aber nicht zum Einkaufen und nicht zur Wahl, und wenn, gibt es Keile für die SPD, Verluste bei der der Union. Das schmerzt, zumal das deutsche Kapital auf den nächsten »Reform«aufträgen besteht: Den Leuten erstens nichts übrig lassen, sie zweitens schneller unter die Erde und drittens zugleich dazu bringen, nicht nur die Beerdigungsindustrie durch reichlich »Konsum« florieren zu lassen. Da helfen nur die Märchenfee, der Sirtaki-Mann oder Bert Rürup, der ingeniöse sozialdemokratische Professor aus Darmstadt. Wie die SPD den Imperialismus durch Handauflegen heilt, befördert er das deutsche Gesundheitswesen durch Besprechen. Am Donnerstag, so meldet Der Spiegel, will Rürup ein »Jahrhundertwerk« vorstellen – eine reduzierte Kopfpauschale in Höhe von 170 Euro. Für Kinder beträgt sie 75 Euro, die aus einer steuerlich finanzierten Familienkasse bezahlt werden; der »Arbeitgeber«anteil zur Krankenkasse wird ausbezahlt und muß versteuert werden. 70 Euro bleiben steuerfrei. Geringverdienende erhalten einen Zuschuß. Der könnte entweder finanziert werden, indem die Krankenkassen ein Prozent des Lohns einbehalten, oder indem der Staat »eine Art Solidarzuschlag« zwischen drei und fünf Prozent erhebt – das gälte dann auch für Privatversicherte. Höchstgrenze für die Kopfpauschale sollen 13 Prozent des Bruttolohns sein.

      Die Industrie zahlt nix, die Gutverdienenden fast nichts, die Wenigverdienenden fast alles – mit Rürups Hilfe wird sich ihre Zahl erfreulich vermehren. Merkel und Stoiber zeigten sich am Wochenende sehr angetan.(asc)
      http://www.jungewelt.de/2004/07-12/004.php
      Avatar
      schrieb am 12.07.04 17:34:13
      !
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      Avatar
      schrieb am 12.07.04 17:37:10
      Beitrag Nr. 1.777 ()
      Inland
      Peter Finkenstein*

      Hinhaltetaktik

      Warten auf den Aufschwung? Wachstum führt nicht zwangsläufig zu Arbeitsplätzen


      In zahllosen Diskussionen weisen die von Berufs wegen mit dem Thema Arbeitslosigkeit und Wirtschaft befaßten Verantwortungsträger in Politik und Wirtschaft, vor allem aber in den Medien, geradezu gebetsmühlenhaft auf das anhaltend geringe Wirtschaftswachstum in Deutschland hin. Das sei die angeblich entscheidende Ursache für die anhaltende Massenarbeitslosigkeit, bekommen wir zu hören.

      In der monatlichen Pressekonferenz der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg am 7. Juli zu den aktuellen Arbeitsmarktzahlen des Vormonats war diese Feststellung, eher beiläufig, auch den Worten von Heinrich Alt, seines Zeichens Mitglied der Geschäftsleitung der BA, zu entnehmen. Hält diese scheinbar eingängige Erklärung der aktuellen Wirtschafts-u. Arbeitsmarktlage, einer kritischen Hinterfragung, unter Einbeziehung weiterer makroökonomischer Indikatoren, wie etwa der Produktivitätsentwicklung oder der Entwicklung der aktuellen Erwerbstätigenzahlen, insbesondere der versicherungspflichtigen Beschäftigten, wirklich stand?

      Nein. Die einseitige Betrachtung des Wirtschaftswachstums, sprich der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP), als einzigem und entscheidenden Indikator für die Schaffung neuer Stellen auf dem Arbeitsmarkt, ist unzureichend. Wörtlich sagte Alt zurecht: »Das (gesamtwirtschaftliche) Wachstum ist zu gering, um den Abbau von Arbeitsplätzen zu stoppen«. Im Umkehrschluß bedeutet das also, bei einem höheren Wachstum würde der Abbau von Arbeitsplätzen zwangsläufig zurückgehen.

      Die nächste Frage wäre dann, ab wieviel Wachstum könnte diese Situation eintreten? Einige Wirtschaftsforschungsinstitute sprechen zur Zeit schon euphorisch von zu erwartenden Wachstumsraten bis zu zwei Prozent und darüber hinaus. Falls eine solche Entwicklung eintreten sollte, wie würde sich das auf den Arbeitsmarkt auswirken? Wäre dann ernsthaft mit einem realen Abbau der Sockellangzeitarbeitslosigkeit zu rechnen?

      Dazu schaut man sich am besten die Erwerbstätigenzahlen an. Hier müßte es doch einen Zusammenhang geben. Alt nannte vergangene Woche selbst die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, das eine anhaltend rückläufige Tendenz der Erwerbstätigenzahlen in Deutschland registriert hat. So ist die Gesamtzahl der versicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um allein 585 000 zurückgegangen. Aktuell belaufe sich die verbleibende Gesamtbeschäftigtenzahl auf ca. 26,4 Millionen Personen. Das bedeutet einen prozentualen Rückgang von etwa 2,2 Prozentpunkten.

      Damit kommt man dem eigentlichen Problem ein Stück näher. Der massenhafte Austritt von versicherungspflichtig Beschäftigten aus dem Erwerbsleben hat vielerlei Gründe. Beispielsweise das Erreichen des Rentenalters oder ein vorgezogener Ruhestand. Vor allem aber der, arbeitslos geworden zu sein. Ökonomisch betrachtet können daraus Rückschlüsse auf die Produktivitätsentwicklung im Lande gezogen werden.

      Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Abbau von Arbeitsplätzen und dem gleichzeitigen Anstieg an Produktivität. Durch den Abbau von Arbeitsplätzen, ob durch Investitionen im In-oder Ausland oder aus anderen Gründen, steigt die Arbeitsproduktivität bei einer gegebenen und sogar geringfügig wachsenden Auftragslage, so wie es sich zur Zeit darstellt. Selbst die optimistischen Prognosen, die für 2004/2005 Wachstumsraten bis zu zwei Prozentpunkten und darüber hinaus, mit Blick auf den Export, vorhersagen, trotz weiter schwacher Inlandsnachfrage, erreichen damit den Arbeitsmarkt nur marginal. Grund ist, daß neue Arbeitsplätze erst dann entstehen, wenn das Wachstum deutlich über jenen zwei Prozent läge. Die Produktivität wächst jedoch nach wie vor schneller als das Bruttoinlandsprodukt. Und solange das passiert, ist es völlig unerheblich, wie schnell oder langsam die Wirtschaft wächst, weil dieses Wachstum allein betrachtet nicht zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führt. Alt hatte das sehr richtig festgestellt, wenn er sagte, »das wirtschaftliche Wachstum ist zu gering, um den Abbau von Arbeitsplätzen zu stoppen«. Man braucht eigentlich nur die zahlenmäßige Entwicklung, insbesondere der versicherungspflichtig Beschäftigten im gegebenen Vergleichzeitraum zu betrachten, um zu sehen, welches Wachstum nötig wäre, um auf dem Arbeitsmarkt überhaupt etwas zu bewirken.

      Hinzu kommt nun, daß die aktuell zunehmende Praxis in den Betrieben, längere Arbeitszeiten bei gleichen Löhnen einzuführen, genauso wie die Inanspruchnahme von Überstunden, die Schaffung neuer Arbeitsplätze blockiert. Wenn im Ausnahmefall Einstellungen dennoch unvermeidlich sein sollten, stehen potente Zeitarbeitsfirmen bereit, jeglichen Arbeitskräftebedarf der Unternehmen kostengünstig und unbürokratisch, unter weitgehender Ausschaltung des noch geltenden Arbeitsrechtes, zu befriedigen. Von der Schaffung neuer Dauerarbeitsplätze in Deutschland dürften wir vor diesem Hintergrund noch weit entfernt sein.

      * Unser Autor ist Mitarbeiter einer großen öffentlichen Institution und schreibt daher in der jW unter Pseudonym

      http://www.jungewelt.de/2004/07-12/017.php
      Avatar
      schrieb am 13.07.04 17:26:20
      Beitrag Nr. 1.778 ()
      Avatar
      schrieb am 15.07.04 15:52:12
      Beitrag Nr. 1.779 ()
      bluemoons
      #1775

      vielen Dank für den Beitrag zu "VW"
      um jedoch die Automobilbranche genauer zu beobachten
      versuche interne Auftragseingänge bei
      der Firma "Fichtel&Sachs" in Schweinfurt auszuwerten.

      Fichtel&Sachs in Schweinfurt baut
      Stossdämpfer und Drehmomentwandler
      über diese Firma könnte man sehr gut den
      Rezessionseinbruch in der Automobilbranche
      mitbekommen.

      Fichtel&Sachs ist kein selbstständiger Betrieb
      sondern wurde von der Firma "ZF" aufgekauft.
      Avatar
      schrieb am 15.07.04 21:35:12
      Beitrag Nr. 1.780 ()
      Die Paten des Dialer-Betrugs
      - [plusminus zeigt, wer die Großen in der Dialer-Branche sind


      Autor: Nicolas Peerenboom

      Die Zahl der Geschädigten so genannter Dialer-Software wird trotz vielfacher Warnungen der Verbraucherschützer und Internetdienste nicht geringer. Das liegt vor allem daran, dass die Dialer-Betreiber sich immer neue Tricks einfallen lassen, wie sie arglose Internetnutzer abkassieren können.

      Bereits vor vier Monaten berichtete [plusminus über einen neuen Dialer-Trick: Um den inzwischen strengen Verbraucherschutzbestimmungen zu Mehrwertdienste-Nummern und Sperren gegen 0190—Nummern zu umgehen, späht der Dialer nur die Telefonnummer des Opfers aus. Mit der Rufnummer lässt sich leicht die Adresse ermitteln. Kassiert wird dann per Rechnung.

      Millionen-Geschäft für Dialer-Betreiber
      Mehr als 170.000 Bundesbürger erhielten von der Hamburger Firma „Hanseatische Abrechnungssysteme GmbH“ (HAS) in den vergangenen Monaten eine Rechnung. Mal stand als Absender die HAS, mal die englische Firma DWM (Digital Web Media Ltd) im Briefkopf.

      Für die Nutzung eines Erotikdienstes im Internet sollten sie jeweils 69,95 Euro zahlen. Der Haken: Die Rechnungsempfänger hatten dieses Erotikangebot gar nicht in Anspruch genommen. Das Kalkül: Die Dialeropfer zahlen trotzdem. Sei es, weil ihnen die Rechnung für einen Erotikservice peinlich ist, sei es, weil sie mit perfiden Methoden unter Druck gesetzt werden.

      Verunsicherung durch falsche Beweise
      Der Dialer späht nämlich nicht nur die Rufnummern seiner Opfer aus, er produziert auch falsche Beweise. So legt er die angeblich genutzte Erotikseite und eine scheinbar legale Dialer-Version mit Angabe von Geschäftsbedingungen und Preis auf dem Opfer-PC ab. Wer Betrugsanzeige erstatten oder nur die Rechnung nicht zahlen will, sieht erst einmal ziemlich unglaubwürdig aus. Wer trotzdem nicht zahlen will, bekommt Mahnungen: Die zweite Mahnung enthält dann eine so genannte „Inkasso-Warnung“. Spätestens jetzt sind viele Dialer-Opfer „weich gekocht“ und überweisen die geforderten rund 70 EURO. Nach Erkenntnissen der Hamburger Staatsanwaltschaft haben in dem erwähnten Fall mehr als 30.000 Dialer-Opfer gezahlt. Das macht eine erschwindelte Einnahme von mindestens 2,1 Millionen EURO. Nur mit einem Dialer!

      Zwar hatte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post bereits Anfang März der HAS verboten, derartige Rechnungen zu verschicken. Dennoch machte diese Firma weiter. Das einzige, was sich änderte, war der Rechnungssteller: Plötzlich bekamen die Dialer-Opfer die Rechnungen von einer „DWM Zahlungssysteme“ oder von einer „Digital Web Media“ aus England.

      Staatsanwälte schlafen nicht
      Die Ermittlungsbehörden in Hamburg schauten sich das Treiben der HAS nicht lange an. Mit ein Grund: Die explodierende Zahl von empörten Opfern, die Anzeige wegen Betruges stellten. Allein bei der Staatsanwaltschaft in Hamburg gingen in nur vier Monaten mehr als 1.500 Anzeigen ein. Nur vier Monate nach der ersten Berichterstattung in [plusminus über diese neuartige Dialermasche bekam die HAS schließlich Besuch: Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamtes in Hamburg beschlagnahmen am 28.6.2004 Geschäftsunterlagen und mehr als 80 Computer. Der HAS-Geschäftsführer wird kurzfristig festgenommen und verhört. Doch schon zu diesem Zeitpunkt ist den Ermittlern klar: Der Geschäftsführer der HAS ist nicht der einzige Akteur im Dialer-Business. Es gibt ein Geflecht von Personen und Firmen, das international aufgespannt ist. Die Staatsanwaltschaft Hamburg sieht in dem vorliegenden Fall organisierte Kriminalität.

      Das Dialer-Netzwerk - Dänen dick im Geschäft
      Unsere Recherchen ergeben folgende Zusammenhänge: Die Hamburger Firma Hanseatische Abrechnungssysteme GmbH gehört laut Gesellschafterliste zwei Firmen: Der dänischen Firma Euro-Telegroup Holding ApS mit Sitz in Greve und der spanischen Firma Sabisand Holdings S.L. mit Sitz in Palma de Mallorca.

      Bei der Sabisand Holdings S.L. hat der Däne Morten Sondergaard das Sagen. Die Sabisand ist außerdem beteiligt an der Firma Sun Telecom S.L. Diese Firma sitzt ebenfalls in Palma de Mallorca und bietet auch im Internet ganz offiziell ihre Dienstleistungen an. Darunter auch „Internet-Dialer“. Chef der Sun Telecom: Morten Sondergaard. Der Dialer, dem die Internetsurfer zum Opfer fielen, ist ein kleines Programm mit dem Namen st-olb00XX.exe. Die Buchstaben könnten als Kürzel stehen, z. B. für „Sun Telecom-Off-Line-Billing“.

      In den später verschickten Rechnungen trat die Digital Web Media Ltd. als Rechnungssteller auf. Auch diese Firma, die ihren Sitz in England hat, wird von Morten Sondergaard kontrolliert.

      Dieses Firmengeflecht macht aus Sicht der Dialer-Profiteure Sinn: Die HAS, an der Morten Sondergaard mittelbar beteiligt ist, verdient Geld damit, Rechnungen zu verschicken. Und zwar angeblich im Auftrag der DWM, die angeblich ein Kunde der HAS ist. Die DWM hat die kostenlosen Erotikseiten produziert und tritt als Anbieter auf. Die Sun Telecom wiederum offeriert ganz offiziell „Internet-Dialer“ und überlässt diese gegen Entgelt an Firmen wie DWM oder HAS.

      Morten Sondergaard könnte also von mehreren Teilleistungen im Dialer-Geschäft profitieren.

      Und Morten Sondergaard ist übrigens nicht der einzige aktive Däne im Dialergeschäft. Eine ähnliche Masche betreiben drei weitere Dänen, einer davon der Geschäftsführer der „Hamburger Forderungsmanagement GmbH“. Diese Firma gab sich bescheidener und wollte für angeblich genutzte Erotikdienste im Internet „nur“ 49 Euro von den Dialeropfern kassieren.

      Zwei Fragen, die viele bewegen: Woher haben die meine Adresse? Wieso kommen die an meine Telefonnummer?
      Der Trick bestand darin, nur die Telefonnummer der Opfer auszuspähen, um damit die dazugehörige Adresse herauszufinden. Das ist mit einer Telefon-CD und einem kleinen Zusatzprogramm sogar automatisiert möglich.

      Doch was ist mit den Dialer-Opfern, die eine Rufnummer-Unterdrückung eingeschaltet haben? Antwort: Auch deren Nummern kann „ermittelt“ werden.

      Der eingesetzte Dialer hatte nur die Aufgabe, eine Verbindung zu einer Frankfurter Festnetznummer herzustellen. Bei jedem Verbindungsaufbau zwischen zwei Telefonanschlüssen entstehen Verbindungsdaten, die von den Netzbetreibern für Abrechnungszwecke gespeichert werden. Die Festnetznummer 069-42... wurde von der Frankfurter Firma PG Media betrieben. Die hatte die Telefonnummer vom Netzbetreiber Colt Telekom angemietet. Die Colt Telekom bestätigte auf Anfrage, dass sie die Verbindungsdaten der bei der Nummer 060-42 eingehenden Dialer-Anrufe an die PG Media weitergegeben hat. Die PG Media reichte die Telefonnummern der Dialeropfer an die HAS bzw. Digital Web Media weiter, die damit Adressen ermitteln konnten.

      Fragen der Zuschauer
      Viele Zuschauer wollten wissen, über welche Telekommunikationswege der Dialer die Frankfurter Festnetznummer anwählen kann. Antwort: Alle Analog-und ISDN-Anschlüsse sind betroffen. Über reine DSL-Leitungen kann der Dialer die Frankfurter Nummer nicht anwählen. Doch aufgepasst: Oft besteht neben der DSL-Verbindung auch noch ein ISDN-Zugang zum Telefonnetz. Dann wird man auch als DSL-Nutzer zum Dialeropfer.

      Viele Zuschauer wollten wissen, ob und wenn ja wie man sein Geld zurück bekommt, wenn die HAS-Rechnung bezahlt wurde. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, sein Geld auf zivilrechtlichem Wege zurück zu fordern. Jedoch muss man dabei den Aufwand (Rechtsanwaltskosten usw.) immer ins Verhältnis zum ungewissen Ergebniss setzen.
      Auch bei dem zweiten Weg, nämlich per Strafanzeige an sein Geld zu kommen, sind die Erfolgaussichten oftmals gering und mit eigenen Kosten verbunden. Meistens haben die Täter die ergaunerten Gelder bereits in Sicherheit gebracht, so daß dieErmittlungsbehörden nichts oder nur geringe Mengen des erschwindelten Geldes sicher stellen können.




      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 13.07.04 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt. Der MDR ist nicht für den Inhalt externer Internetseiten verantwortlich!


      http://www3.mdr.de/plusminus/130704/dialer.html
      Avatar
      schrieb am 15.07.04 21:39:44
      Beitrag Nr. 1.781 ()
      Steuernachlass beim Rentenbeitrag - Warum viele Arbeitnehmer dennoch nichts davon haben

      Autor: Holger Balodis

      Mit dem im April verabschiedeten Alterseinkünftegesetz wurde die schrittweise Einführung der nachgelagerten Besteuerung von Renten vom Jahr 2005 an beschlossen. Das bedeutet: Renten werden - nicht wie bisher - gar nicht oder nur zu einem sehr geringen so genannten Ertragsteil versteuert, sondern unterliegen grundsätzlich in der gesamten Höhe der Einkommenssteuer. Allerdings geschieht dies in einem gleitenden Übergang: 2005 sind zunächst 50 Prozent der Alterseinkünfte steuerpflichtig, schrittweise steigt dieser Prozentsatz für Neurentner, bis im Jahr 2040 die 100-prozentige Steuerpflicht erreicht ist.

      Im Gegenzug sollen die Arbeitnehmer ihre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erheblich stärker als bisher von der Steuer absetzen dürfen. Auch dies geschieht schrittweise: 2005 sollen 60 Prozent der Rentenbeiträge steuerfrei bleiben. Im Jahr 2025 wird eine 100-prozentige Steuerfreistellung erreicht.

      Die Bundesregierung verkauft diese schrittweise steuerliche Freistellung der Rentenbeiträge und Altersvorsorgeaufwendungen als gewaltiges Steuersenkungsprogramm. Bereits für 2005 verspricht der Bundesfinanzminister eine steuerliche Entlastung der Arbeitsnehmer in Höhe von knapp zwei Milliarden Euro. [plusminus wollte in diesem Zusammenhang wissen, wie viel mehr in der "Lohntüte" beim einzelnen Arbeitnehmer bleibt.

      Das Ergebnis ist ernüchternd: Steuerlich zusammen veranlagte Ehepaare kommen 2005 erst ins Plus, wenn sie ein Jahreseinkommen von 51.415 Euro oder mehr erzielen. Und auch dann ist der Steuervorteil eher kümmerlich. Bei einem Jahreseinkommen von 60.000 sind es rund 55 Euro mehr - wohlgemerkt im Jahr!
      Etwas besser schneiden gutverdienende ledige Arbeitnehmer ab. Sie können bei einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro im Jahr 2005 immerhin mit einem Plus in Höhe von 296 Euro rechnen. Ledige Durchschnittsverdiener haben jedoch kaum etwas von Eichels "Steuersenkungsprogramm": Bei einem Jahreseinkommen von 30.000 Euro haben Alleinstehende im Jahre 2005 gerade mal 26 Euro mehr in der "Lohntüte".

      Dr. Axel Reimann vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) bestätigte gegenüber [plusminus: Normal- und Durchschnittsverdiener haben in den ersten Jahren kaum oder gar nichts von der Reform. Vielfach stehen sie sich durch das neue Gesetz sogar schlechter als noch dem alten Recht. Nur durch eine Feuerwehrmaßnahme, die so genannte "Günstigerprüfung", konnte verhindert werden, dass Millionen von Arbeitnehmern trotz "Steuersenkungsprogramm" sogar mehr Steuern zahlen müssen als zuvor! Im Ergebnis heisst das: Für sehr viele Arbeitnehmer wird sich jahrelang durch die neue steuerliche Freistellung der Rentenbeiträge überhaupt nichts ändern.

      Der Grund: Wenn der Finanzminister für 2005 eine steuerliche Freistellung der Beiträge von 60 Prozent verspricht, so beziehen sich diese 60 Prozent nicht auf die eigenen Einzahlungen der Arbeitnehmer, sondern auf den Gesamtbeitrag (also inklusive Arbeitgeberbeitrag). Nun rechnet der Finanzminister so:

      Von den 60 Prozent des Gesamtbeitrages wird der volle Arbeitgeberbeitrag (50 Prozent) abgezogen. Für den Arbeitnehmer bleiben damit nur 10 % des Gesamtbeitrages als steuerfreie Anrechnung übrig. Bezogen auf den eigenen Arbeitnehmerbeitrag sind also im kommenden Jahr nicht 60 Prozent sondern tatsächlich nur 20 Prozent steuerfrei.

      Besserverdienende haben mehr vom neuen Gesetz
      Bleibt die Frage: Wer profitiert überhaupt und bereits in den ersten Jahren von dem neuen Gesetz?

      Für Prof. Johanna Hey (Universität Düsseldorf) sind nicht die Klein- und Durchschnittsverdiener die Gewinner des Alterseinkünftegesetzes (AltEinG), sondern vor allem Besserverdiener, die sehr viel in ihre Altersversorgung einzahlen können. Also zunächst Arbeitnehmer mit sehr hohen Einkommen, die künftig neben ihren Rentenbeiträgen noch zusätzlich vorsorgen (und dabei mit ihren Anlageformen bestimmte Kriterien erfüllen) und vor allem Selbständige. Besonders gute Voraussetzungen haben dabei die Selbständigen in den verkammerten Berufen, die in der Regel in berufsständische Versorgungswerke einzahlen. Einzahlungen in solche Versorgungswerke (z.B. für Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte oder Steuerberater) können problemlos ab 2005 steuerlich geltend gemacht werden. Laut Bundesfinanzministerium (BMF) kann ein lediger Selbständiger (mit einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro) durch seine Einzahlungen in sein Versorgungswerk in 2005 einen Steuervorteil in Höhe von 3.736 Euro erzielen. Für Verheiratete ermäßigt sich dieser Steuervorteil laut BMF auf 2.154 Euro.

      Doppelbesteuerung droht
      Ganz gleich wie hoch oder gering aber die Entlastung ausfällt: Im Alter müssen sowohl Durchschnitts- wie Spitzenverdiener mit einer Besteuerung ihrer Alterseinkünfte rechnen. Schon im Jahre 2030 greift die Steuer zu 90 Prozent und im Jahre 2040 sind 100% der Alterseinkünfte steuerpflichtig. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) bekräftigt in diesem Zusammenhang seine Kritik an einer drohenden Doppelbesteuerung. Die in 2005 einsetzende steuerliche Freistellung laufe zu schleppend an und sorge erst im Jahre 2025 zu einer 100-prozentigen Freistellung der Altersvorsorgebeiträge. Schon 15 Jahre später komme es aber zu einer 100-prozentigen Besteuerung der Renten. Der Zeitraum zwischen vollständiger Freistellung der Beiträge und vollständiger Besteuerung der Renten müsse aber 40 bis 45 Jahre betragen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.


      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 13.07.04 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt. Der MDR ist nicht für den Inhalt externer Internetseiten verantwortlich!
      http://www3.mdr.de/plusminus/130704/rente.html
      Avatar
      schrieb am 15.07.04 21:55:50
      Beitrag Nr. 1.782 ()
      Globalisierung

      Wenige haben viel zuviel, und viele haben gar nichts
      Während die Sozialleistungen in allen Bereichen gekürzt werden, die Reallöhne sinken, die Wochenarbeitszeit erhöht wird und in allen Bereichen Einrichtungen der Daseinsvorsorge und des Service public wie Wasserwerke, Spitäler oder auch Schwimmbäder und Bibliotheken geschlossen oder an Private verkauft werden, steigt für einige wenige das Vermögen ins Unermessliche.

      thk./rt. Gemäss dem jüngsten von Merill Lynch und Capegemini vorgestellten «World Wealth Report» stieg das Vermögen der 7,7 Millionen weltweit erfassten Millionäre um satte 7,9% auf 28800 Milliarden US-Dollar («Neue Zürcher Zeitung» vom 16. Juni). Zum Vergleich: Auf unserer Erde lebten Mitte 2003 etwa 6,3 Milliarden Menschen. Davon lebt ein sehr grosser Teil in bitterster Armut - und diese Armut nimmt zu.

      Es gibt sie also - die «Gewinner der Globalisierung». Sie haben ihren Wohnsitz mehrheitlich in Nordamerika (2,5 Millionen Millionäre) und Europa (2,6 Millionen). Laut einer Prognose der obengenannten Studie werden die Millionäre ihr Vermögen bis zum Jahre 2008 auf 41000 Milliarden US-Dollar erhöht haben.

      Untersucht man diese 7,7 Millionen Millionäre, stellt man fest, dass unter ihnen auch nur eine Minderheit den allergrössten Anteil an Vermögen hält.

      ***

      Manches Kind und nicht nur manches Kind, fragt sich, wie ein Mensch mit seinen Händen soviel erarbeiten kann. Die Antwort wird schwierig ausfallen - je nachdem, was man unter «erarbeiten» versteht.

      Ein anderes Kind überlegt sich vielleicht, ob es angemessen ist, wenn viele Menschen zwei Jobs übernehmen und ihr Geld auch zusammen mit dem Geld der Ehefrau immer noch nicht ausreicht, um die Familie zu ernähren.

      Angeblich sollten sich diese Zustände durch die Globalisierung ändern. Man hatte der dritten Welt versprochen, sie würde durch die Globalisierung ihre Armut lindern können. Die, die das behaupten, lügen. Genau das Gegenteil ist passiert.

      Nicht nur die Menschen in der dritten Welt werden immer ärmer, sondern auch in den wohlhabenderen Ländern. Lohnabbau, Abbau der Sozialleistungen, Verlust öffent-licher Einrichtungen usw. All diese Entwicklungen finden ihren Zusammenhang in einer weltweiten Umverteilung. Anstatt Waren dort zu produzieren, wo auch Altersvorsorge und Krankenversicherungen bezahlt werden müssen, weichen die transnationalen Konzerne in Länder aus, in denen sie eben diese Abgaben nicht leisten müssen. Die logische Konsequenz ist eine weltweite Verarmung.

      Tatsache ist, dass durch die Globalisierung fast alle ärmer werden und nur ein verschwindend kleiner Bruchteil reicher wird. Und zwar unverschämt reich. Es darf nicht sein, dass sich der Reichtum der Welt bei einigen wenigen sammelt, während die anderen hungern.





      Artikel 5: Zeit-Fragen Nr.27 vom 12.7.2004, letzte Änderung am 14.7.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 15.07.04 21:58:04
      Beitrag Nr. 1.783 ()
      Avatar
      schrieb am 15.07.04 22:00:20
      Beitrag Nr. 1.784 ()
      EU-Verfassung im Deutschen Bundestag


      von Karl Müller, Deutschland
      Am 2. Juli gab der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder im Bundestag eine Regierungserklärung zur Einigung der Staats- und Regierungschefs über den Text eines Vertrages für eine EU-Verfassung ab. Daran schloss sich eine rund zweistündige Aussprache an. Doch weder in der Regierungserklärung noch in den wenigsten Redebeiträgen findet sich eine das Pro und Kontra ernsthaft abwägende Beschäftigung mit dem Vertragsentwurf. Lediglich eine Abgeordnete der PDS und ein Abgeordneter der CSU äusserten auch Kritik, die in den deutschen Medien allerdings keine Erwähnung fand.

      Statt dessen war davon die Rede, das Vertragswerk sei «vorbehaltlos» mit «Lobeshymnen» überschüttet und «einhellig» als «historischer Meilenstein» gewürdigt worden. Lediglich diese Einigkeit wurde unterschiedlich bewertet. So schrieben die einen: «Euro-Skeptiker sucht man zum Glück vergeblich unter den deutschen Abgeordneten» («Neue Osnabrücker Zeitung») oder: «Es zeichnet Deutschland aus, dass sich hier keine Partei ernsthaft in Opposition zum Europäischen Haus profilieren will.» («Mitteldeutsche Zeitung») Die anderen meinten: «Bei so viel Eintracht muss man sich fragen: Welche Wahl hat der Wähler?» («Badische Neueste Nachrichten») Die «Hannoversche Allgemeine Zeitung» kommentierte so, wie es auch die meisten Redner im Bundestag taten: «Die übrigen 24 EU-Mitgliedstaaten erwarten vor allem eines: dass der Bundestag und Bundesrat möglichst zügig - und positiv über die Verfassung entscheiden. [...] Ein Ja beider Kammern zum Verfassungsvertrag wird Signalwirkung haben.»

      Es soll also wenig Zeit bleiben, den Verfassungsvertrag genau zu studieren und mit den Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren. Möglichst schon im Herbst sollen Bundestag und Bundesrat ihre Zustimmung geben, mit Zweidrittel-Mehrheit, damit dann auch die folgenden Grundgesetzänderungen durchgezogen werden können.

      Dabei gibt auch die Bundestagssitzung vom 2. Juli genügend Anlass, sich mit der Verabschiedung Zeit und die kritischen Stimmen ernst zu nehmen.

      Zum Beispiel die Stellungnahme der Abgeordneten Gesine Lötzsch (PDS): «Aus der Sicht der PDS gibt es drei Ablehnungsgründe: Erstens. Die Verfassung wurde mit jeder neuen Verhandlungsrunde undemokratischer. Zweitens. Die Verfassung wurde mit jeder neuen Verhandlungsrunde unsozialer. Drittens. Die Verfassung wurde mit jeder neuen Verhandlungsrunde militärischer.»

      Oder die Stellungnahme des Abgeordneten Gerd Müller (CSU): «Lediglich hier im deutschen Parlament gibt es eine relativ selektive Wahrnehmung. Man hört die Argumente, die man gern hören will, und verstärkt so seine eigene Position. Aber auch in Deutschland ist das Meinungsspektrum wesentlich grösser.» Und: «Die Bürgerinnen und Bürger haben überhaupt keine Chance, das europäische Rechtsetzungssystem jemals zu durchschauen.» Und, die «Welt» vom 21. Juni zitierend: «Interessanterweise hat der Versuch, die byzantinischen Strukturen der Union zu vereinfachen, das wohl paragraphenreichste Gesetzeswerk der abendländischen Rechtsgeschichte hervorgebracht.» Und: «Der Kurs bleibt zentralistisch.» Und: «Dies ist also ein typisch europäisches Dokument, was bedeutet, dass vermutlich kaum ein Normaleuropäer es je lesen oder sonderlich schätzen wird.» Und: «Mit diesem Vertrag bewegen wir uns in die Richtung, dass in Zukunft immer mehr die Exekutive, das heisst die Regierungen, und damit die Bürokratien in Europa gestärkt werden.» Und: «Die Rechte des Deutschen Bundestages werden in ihrer Substanz angegriffen.» Und, den Rechtsprofessor und ehemaligen Direktor des Hamburger Max-Planck-Instituts Ernst-Joachim Mestmäcker zitierend: «Manches an der [Grundrechte-]Charta erinnert an die Rechtstechnik der sozialistischen Staaten: Jeder hat Anspruch auf alles. Und letztlich bekommt niemand etwas.»

      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 15.07.04 22:18:53
      Beitrag Nr. 1.785 ()
      Avatar
      schrieb am 15.07.04 22:22:41
      Beitrag Nr. 1.786 ()
      Die alte Inflation/Deflation-Frage
      Von Tom Dyson


      Gerade bin ich in London, meiner Heimatstadt. London hat sich in den letzten vier Monaten nicht sehr verändert. Ich hingegen schon.

      Denn ich bin in die USA, nach Baltimore, umgezogen. Deshalb kann ich es nicht länger genießen, jeden Morgen in Pendlerzügen zu fahren, die so alt aussehen, als ob sie schon in den 1960ern "out" gewesen wären. Und ich kann nicht mehr den Zynismus der Londoner genießen. Und ich kann es nicht länger genießen, ein Vermögen dafür zu bezahlen, nur um über die Runden zu kommen. In London ist alles ein Kampf.

      Vielleicht haben ich deshalb eine neue Liebe gefunden, die Liebe zum Gestank von frischen Müll, von alten Fabriken ... eine Liebe, die man nur in Baltimore und vielleicht Pittsburgh findet. Aber Spaß beiseite: Baltimore ist eine großartige Stadt, in einem großartigen Land. Und ich in den nächsten 3 Wochen werde ich sie vermissen.

      Aber genug Sentimentalitäten. Aber es geht ja auch an der Börse um Stimmungen. Und aktuell um die Angst vor einer Inflation. Das ist keine neue Debatte; die Inflation/Deflation-Debatte gibt es ja schon länger.

      Das US-Finanzsystem ist akut verwundbar gegenüber einem Anstieg der kurzfristigen Zinsen. Das ist meine Ansicht. Steve Saville hingegen sieht auch Chancen für den Dollar. Er schreibt dazu im "Spekulative Investor": "Sobald der Dollar eine Rally beginnt, dann sollte dadurch ein sich selbst verstärkender Trend in Bewegung gesetzt werden. Denn ein stärkerer Dollar führt zu reduzierten Inflationserwartungen (weil die Importe günstiger werden) und deshalb zu höheren REALEN Renditen am Anleihenmarkt und zu einer Verringerung des Spreads zwischen riskanten und sicheren Anleihen. Die steigenden realen Renditen und die schrumpfenden Spreads helfen mit, den Dollar weiter steigen zu lassen."

      Nun, ich würde mir irgendwie komisch vorkommen, wenn ich jetzt wirklich mit einem steigenden Dollar rechnen würde. Denn wenn Sie den Investor`s Daily länger lesen, dann wissen Sie, dass wir alle bearish für den Dollar gestimmt sind. Aber das gilt langfristig. Und diese Einschätzung ändere ich auch nicht.

      Aber ich möchte daran erinnern, dass auch Stimmungen kurzfristige Trends machen können. Die dauern zwar nicht länger als 3 Monate, aber sie können zu zwischenzeitlichen Gegenbewegungen innerhalb eines übergeordneten Trends führen.

      Sie haben das ja sehen können, als der Dollar im Mai und im Juni gegenüber dem Euro stieg. Naja, aber das könnte ja auch schon wieder vorüber sein – denn die enttäuschenden Zahlen vom US-Arbeitsmarkt für Juni haben die bullishe Stimmung für den Dollar ja größtenteils schon wieder verschwinden lassen.


      Tom Dyson schreibt als US-Korrespondent für den kostenlosen Newsletter "Investor`s Daily". Weitere Informationen finden sie hier.

      [ Donnerstag, 15.07.2004, 18:13 ]
      http://www.instock.de/Nachrichten/10143925.html
      Avatar
      schrieb am 15.07.04 22:37:24
      Beitrag Nr. 1.787 ()
      Titel
      Daniel Behruzi

      Daimler im Ausstand

      Bundesweit Proteste gegen »Horrorkatalog« beim Stuttgarter Autobauer. Erpressung zurückgewiesen


      »Jetzt haben sie den Bogen überspannt.« Dies war die Stimmung der weit über 60 000 Daimler-Beschäftigten, die am Donnerstag in allen bundesdeutschen Werken des Autokonzerns während der Arbeitszeit gegen das vom Management vorgelegte Kürzungsprogramm protestierten.

      Allein im baden-württembergischen Sindelfingen machten 20 000 Metaller ihrem Unmut Luft. Nahezu die gesamte Belegschaft des Werks, der mit der Verlagerung der C-Klasse-Fertigung nach Bremen und Südafrika gedroht wird, beteiligte sich an der Aktion. Auf der Kundgebung verwahrte sich der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erich Klemm gegen »diesen Versuch einer knallharten Erpressung«. »Nicht mit uns – diese Belegschaft kann sich wehren«, rief er. Daß dies keine leere Drohung ist, zeigten auch die Daimler-Arbeiter aus Mettingen. 2 000 von ihnen machten die vierspurige B 10 nach Untertürkheim dicht, wo sie an einer zentralen Kundgebung mit insgesamt 10 000 Kollegen teilnahmen. Der Platz vor dem Untertürkheimer Werk war »so brechend voll wie noch nie in der Geschichte«, erzählte die Betriebsrätin Christa Hourani aus der Stuttgarter Zentrale des Konzerns im Gespräch mit junge Welt. Neben Solidaritätsdelegationen anderer Metallbetriebe beteiligten sich auch Gewerkschafter aus dem öffentlichen Dienst, Erwerbsloseninitiativen und Aktionsgruppen prekär Beschäftigter an dem Protest. Nach Kundgebungsende sei »niemand mehr ans Band gegangen«, berichtete Betriebsrat Tom Adler gegenüber jW. »Die Fabrik vibriert«, freute sich der Gewerkschafter. »Viele Leute sagen: Gehen wir doch gleich eine ganze Woche raus – dann ist endlich Ruhe«, beschrieb er die Stimmung unter seinen Kollegen.

      Diese Wut erklärt sich aus dem »Horrorkatalog«, mit dem die Autobauer in Untertürkheim und anderswo konfrontiert sind: Unbezahlte Verlängerung der Arbeitszeit, Kürzung des Weihnachtsgeldes, zuschlagsfreie Mehrarbeit bis zu 100 Stunden jährlich, Ausweitung der Leiharbeit, kürzere Taktzeiten in der Montage, Samstag als Regelarbeitstag, Streichung von Pausen – das sind nur einige der Maßnahmen, mit denen die Konzernleitung eine halbe Milliarde Euro auf Kosten der Beschäftigten einfahren will. »Das ist ja wie in Südafrika«, empörte sich ein Arbeiter auf der Kundgebung vor dem Berliner Werk, an der sich etwa 1 000 Beschäftigte beteiligten. Der dortige IG-Metall-Vertrauenskörperleiter Willi König zeigte sich gegenüber jW sicher, »daß die Daimler-Kollegen bundes- und auch weltweit zusammenhalten werden«. Schließlich kenne man »das Spiel mit der Standorterpressung« schon seit Jahren. »Wir lassen uns nicht spalten«, war dann auch allenthalben zu hören. Daß das auch für die Bremer Belegschaft gilt, zeigte diese durch eine Arbeitsunterbrechung während der Frühschicht, bei der sich 5 000 Arbeiter beim Betriebsrat über den Stand der Verhandlungen »erkundigten«.

      Neben den genannten Kürzungen will der Konzern laut Ute Hass, Betriebsratsvorsitzende in Berlin, das 2003 vereinbarte Entgelt-Rahmenabkommen (ERA) zur Vereinheitlichung der Entlohung von Arbeitern und Angestellten »zur Kostensenkung mißbrauchen«. Obwohl IG Metall und Unternehmerverband bei der Umsetzung von ERA Kostenneutralität vereinbart hatten, will der Konzernvorstand einem Gewerkschaftsflugblatt zufolge nun »das Entgeltniveau über alle Beschäftigtengruppen hinweg deutlich absenken«. Für die heutige Belegschaft könnten die Löhne in den kommenden Jahren um bis zu zehn, für zukünftige Beschäftigte um bis zu 20 Prozent sinken, rechnet die IG Metall vor.

      Die Arbeiter bei Daimler sind offenbar fest entschlossen, diesen »Generalangriff« ihrer Konzernspitze zurückzuschlagen. Immer wieder verweisen sie auf den Kampf um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall 1996, der durch spontane Massenstreiks der Daimler-Belegschaften im Südwesten gewonnen werden konnte. »Solche Aktionen sind anscheinend die einzige Sprache, die der Vorstand versteht«, meinte König. Der großen Bedeutung ihres Kampfes sind sich die Aktivisten bei Daimler jedenfalls bewußt. »Siemens hat den Anfang gemacht. Wenn der Damm jetzt auch bei Daimler bricht, werden Zulieferer und alle anderen Branchen in dieses Fahrwasser geraten«, prophezeite König. Entsprechend groß war die Solidarität anderer Belegschaften und Gewerkschafter. »Ihr seid das Zünglein an der Waage«, heißt es denn auch in einem Schreiben der Beschäftigtenvertreter bei MTU Friedrichshafen. Selbst aus dem brasilianischen DaimlerChrysler-Werk in São Paulo kam eine Solidaritätsbekundung. »Wir müssen uns wehren gegen diese Logik, nach der irgendwer immer noch billiger sein wird«, ließen die Metallgewerkschafter Brasiliens wissen, die ebenfalls am Donnerstag eine Solidaritätskundgebung durchführten.

      gegen globalen Angriff hilft nur globale Abwehr !!
      http://www.jungewelt.de/2004/07-16/001.php
      Avatar
      schrieb am 15.07.04 22:42:04
      Beitrag Nr. 1.788 ()
      Kommentar
      Arnold Schölzel

      Rückwärtsgang

      Streit in der Union über Gesundheitspolitik


      Zwischen CDU und CSU werden wieder starke Worte gewechselt: Es geht um Kopfpauschale (CDU) gegen einkommensabhängige Zahlung in der Krankenversicherung (CSU). Die Kopfpauschale wurde bereits als Igitt-Wort identifiziert und heißt jetzt »Gesundheitsprämie«. Hauptgefechte werden bislang in der zweiten Reihe ausgetragen, z. B. zwischen Merz (»Zwischen beiden Positionen kann es keinen Kompromiß geben.«) und Seehofer (Merz soll »endlich einen Finanzierungsvorschlag auf den Tisch legen«.) Ähnliche Kontroversen zwischen Marktradikalität und Sicherung des Grundbestands sozialstaatlicher Prinzipien schlummern in der Steuer- und Rentenpolitik.

      Es geht ums Eingemachte, jedenfalls um einen der beiden Hauptartikel im Angebotskatalog der Union. Der eine, Schutz vor Kommunismen aller Art einschließlich SPD, kam 1990 mit der DDR und endgültig 1998 mit der Schröder-SPD abhanden, die sich in neoliberaler Spinnerei und marktradikalem Fundamentalismus von niemandem übertreffen läßt. Das wichtigste Angebot der Union lautete demgegenüber von Ludwig Erhard bis Helmut Kohl und Norbert Blüm: Wir fördern das Kapital und lassen alle am Ertrag teilhaben.

      Die Erträge des Kapitalismus geben dafür seit geraumer Zeit nicht mehr genug her. Schröders Mannschaft zog daraus die Konsequenz: Beschränken wir die staatlichen Wohltaten aufs obere Drittel der Gesellschaft. Wolfgang Clement erklärte gerade dem Stern: Seine Generation werde »noch wunderbar so leben können wie bisher, für die nächste wird es nicht mehr reichen«. Das ist keine Feststellung, sondern Programm, das an die Stelle von »eine Million Arbeitslose weniger« und »wir werden uns daran messen lassen« trat.

      Die Union war bis in die 90er Jahr für Spaß am Kapitalismus und seiner prächtigen Entwicklung zuständig, die SPD fürs sanfte Nörgeln. Die Arbeitsteilung hat sich verändert. Die Schröder-SPD entschied sich für die »Neue Mitte«, also »Augen zu und durch«, für ein umfassendes Zerstörungsprogramm – von völkerrechtlichen Positionen bis zum gnadenlosen Draufhauen auf soziale Rechte und die sozial Schwächsten. Anhängern des rheinischen Kapitalismus auf seiten des Kapitals wie der Arbeit kann diese Va-banque-Mentalität nur suspekt sein. Schröder, das ist der Parvenü als sozialpolitischer Abenteurer. Fest steht allerdings: Um die herausragende Weltmarktposition der Bundesrepublik zu halten und in Weltmacht umzumünzen, muß der soziale Rückwärtsgang eingelegt werden. Mehr ist im zeitgenössischen Kapitalismus nicht drin. Auch die Sozialstaatsfraktion der Union wird dem folgen müssen.

      http://www.jungewelt.de/2004/07-16/003.php
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      schrieb am 15.07.04 22:48:33
      Beitrag Nr. 1.789 ()
      Ausland
      Wolfgang Pomrehn

      Krise vorbei?

      Fusionspläne für die Bildung der weltgrößten Bank wecken in Japan Hoffnungen


      In Japan bahnt sich eine Elefantenhochzeit an. Die viertgrößte Bank des Landes, die UFJ-Holding, hat beim Branchenzweiten, der Mitsubishi Tokyo Financial Group (MTFG), angeklopft und um Übernahme gebeten. Offiziell wird von Fusion gesprochen, aber angesichts der Größenunterschiede und vor allem wegen der dominierenden Stellung, die die informelle Familie der Mitsubishi-Unternehmen in Nippons Wirtschaft einnimmt, dürfte an der Machtverteilung kein Zweifel bestehen. 190 Billionen Yen (rund 1,4 Billionen Euro) Vermögen würde das neue Unternehmen auf sich vereinen, etwa ein Drittel der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes der aufgehenden Sonne. Damit wäre es noch vor der US-amerikanischen Citigroup die weltgrößte Bank. Von deren Profitabilität ist man in Tokio allerdings noch Lichtjahre entfernt.

      Schuld daran sind vor allem die Riesenberge sogenannter fauler Kredite, die Japans Banken seit mehr als einem Jahrzehnt vor sich herschieben. Die belasten die Bilanzen und drücken die Profitmargen im Firmenkundengeschäft auf ein Minimum. Das gilt zwar weniger für die von Beobachtern als gesund eingestufte MTFG, dafür um so mehr für die UFJ, die rund 30 Milliarden Euro Kredite in ihren Bücher stehen hat, von denen nicht einmal die Zinsen bedient werden. In den letzten Wochen war die Bank wiederholt vom Finanzminister unter Druck gesetzt worden, ihre Rücklagen zu erhöhen, um sich besser gegen Ausfälle abzusichern. Die Aussichten dafür und für einen Abbau der faulen Kredite durch Abschreibungen, Umschuldungen und andere Maßnahmen würden durch das Zusammengehen mit der MTFG deutlich verbessert werden. Beim größeren Partner ist man unterdessen vor allem am Filialnetz der UFJ interessiert, das für das Privatkundengeschäft wichtig ist. Dieses ist in Japan und insbesondere bei der Mitsubishi-Bank traditionell unterentwickelt, gilt aber seit dem Zerplatzen der globalen Börsenträume 2001 im Bankgewerbe der Industrieländer als der große Rettungsanker.

      Die Tokioter Börse reagierte auf die angekündigte Megafusion positiv. Bankenwerte zogen den Nikkei-Index mit nach oben und spiegelten damit die optimistische Bewertung vieler Beobachter wider. Die Lösung des japanischen Kreditproblems trete mit der Übernahme in eine entscheidende Phase, zitiert die englischsprachige Ausgabe von Asahi Shimbun einen anonym bleibenden Anleger. Von dem Umbau im Bankensektor werde Japans gesamte Wirtschaft profitieren. Für die beteiligten Konzerne trifft das sicherlich zu, Arbeiter und Angestellte dürften allerdings langfristig angesichts der weitere Konzentration wirtschaftlicher Macht eher den kürzeren ziehen.

      Unmittelbare Auswirkungen würde die Übernahme vor allem auf einige große Handelshäuser und Baugesellschaften haben, die bei der UFJ bis zum Hals in der Kreide stehen. Die geballte Finanzmacht der neuen Megabank könnte helfen, die Unternehmen zu sanieren. Die betroffenen Firmen hatten sich bei den letzten Monaten in einer sich belebenden Konjunktur etwas erholt, und solide Entschuldungsprogramme könnten daher der japanischen Wirtschaft einen zusätzlichen Impuls geben. Zeichen für die Belebung der seit Anfang der 1990er Jahre im deflationären (sinkende Preise, sinkende Löhne, sinkende Profite) Tiefschlaf verharrenden japanischen Volkswirtschaft ist unter anderem auch ein starker Rückgang der Firmenpleiten. Um rund 20 Prozent sind die Insolvenzen in der ersten Jahreshälfte 2004 zurückgegangen berichtet am Mittwoch die Japan Times.

      Motor der Reanimation ist vor allem China. Die rasante Industrialisierung der Volksrepublik hat in den letzten Jahren zu einem sprunghaften Anstieg der japanischen Ausfuhren geführt. Vor allem japanische Investitionsgüter, das heißt Maschinen und ähnliches, sowie IT-Produkte sind im Reich der Mitte gefragt. Auch Nippons Autos finden jenseits des Ostchinesischen Meeres reißenden Absatz. Hatte China 1997 noch fünf Prozent der japanischen Exporte abgenommen, so waren es 2003 bereits rund 13 Prozent. Die chinesische Nachfrage ist inzwischen so groß, daß 2003 die japanische Wirtschaft zum ersten Mal seit 1990 wieder in nennenswertem Umfang gewachsen ist.

      Die Bankenfusion könnte also durch die mit ihr verbundene finanzielle Sanierung der Schlußstrich unter Japans Dauerkrise sein, die 1990 mit dem Platzen einer Immobilienblase ausgebrochen war. Schnelles Wirtschaftswachstum und explodierende Börsenkurse hatten seinerzeit in Japans Ballungszentren Grundstückspreise und Mieten in schwindelerregende Höhen getrieben. Unrealistisch hoch bewertete Immobilien wurden von den Banken massenweise als Kreditsicherheit anerkannt. Schließlich fiel das Konstrukt wie ein Kartenhaus zusammen und riß die gesamte Volkswirtschaft mit in den Strudel. Die Banken saßen mit einem Mal auf Krediten in Höhe von mehreren hundert Milliarden Euro, die nicht mehr bedient wurden. Entsprechend knauserig waren sie in der Folge bei der Vergabe neuer Darlehen. Das wiederum strangulierte Handel und produzierendes Gewerbe, die ohne Kredit kaum auskommen. Nicht einmal die boomenden Nachbarn konnten Japan in den 1990ern aus diesem Teufelskreislauf befreien.

      http://www.jungewelt.de/2004/07-16/012.php
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      schrieb am 15.07.04 22:51:54
      Beitrag Nr. 1.790 ()
      Inland


      Auf Kosten der Armen

      Regierungsberater Rürup stellte in Berlin neues »Kopfpauschalen«-Modell vor


      Die gesetzliche Krankenversicherung soll nach einem neuen »Kopfpauschalen«-Modell von Regierungsberater Bert Rürup 169 Euro im Monat für Erwachsene und 78 Euro für Kinder kosten. Die Kinderpauschale würde aber komplett vom Staat aus Steuermitteln bezahlt, und sozial Schwache würden einen Zuschuß bekommen. Dies sieht Rürup in einem am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Gutachten zur künftigen Finanzierung der Krankenversicherung vor (Details siehe unten). Rürups Modell gilt auch als möglicher Kompromißvorschlag im Konflikt über die Gesundheitsreform zwischen CDU und CSU. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Annette Widmann-Mauz, ging allerdings in einer ersten Reaktion auf Distanz zu Rürups Gutachten. Sie erklärte, Rürups Konzept enthalte zwar »interessante Erkenntnisse«, doch gehe die CDU von anderen Voraussetzungen aus, nämlich von einer Umgestaltung des Steuersystems auch zugunsten kleiner Einkommen. Dementsprechend sei das Volumen für die Zuschüsse für sozial Schwache nicht so groß wie bei Rürup, sagte Widmann-Mauz.

      Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat die Rürup-Vorschläge dagegen in einer Stellungnahme abgelehnt. »Sie bedeuten weniger Solidarität und mehr Bürokratie«, sagte der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Werner Hesse. Der Verband plädiert für eine Bürgerversicherung, die sämtliche Einkunftsarten einbezieht. Dadurch könnten die Beiträge zur Krankenversicherung kurzfristig um 1,6 Prozent gesenkt werden. Nicht nur arme Bürgerinnen und Bürger, sondern auch viele Durchschnittsverdiener seien nicht in der Lage, monatlich für jedes erwachsene Familienmitglied 169 Euro und darüber hinaus noch weitere einkommensabhängige Beiträge zu leisten. »Die Rürup-Pläne führen zu einer Umverteilung von unten nach oben, die durch einen sozialen Ausgleich teilweise wieder zurückgenommen werden soll. Das ist Unsinn«, so Hesse. »Es bedeutet nichts anderes, als daß ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung künftig dauerhaft auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen sein wird«, begründete er seine Kritik. Das Rürup-Modell erzeuge zudem neue Bürokratie, da die Ansprüche auf einen sozialen Ausgleich geprüft werden müßten. Es bringe auch keine Senkung der Lohnnebenkosten, sondern führe zu deren Erhöhung: Da nach Rürups Vorstellungen der bisherige »Arbeitgeberanteil« zur Krankenversicherung künftig mit dem Lohn ausgezahlt werden soll, müßten mit dem höheren Nettoeinkommen auch höhere Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung gezahlt werden. Daran müßten sich die »Arbeitgeber« beteiligen.

      CDU und CSU stritten unterdessen weiter über ihre Konzepte für eine grundlegende Gesundheitsreform. Nach dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Friedrich Merz warnte auch der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union, Peter Rauen (CDU), die Schwesterpartei CSU via Bild-Zeitung (Donnerstagausgabe) davor, die geplante Gesundheitsprämie mit einem einkommensbezogenen Zuschlag zu verwässern. Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Horst Seehofer (CSU) hingegen forderte in der Financial Times Deutschland (Donnerstagausgabe), Merz solle »endlich einen Finanzierungsvorschlag für die Gesundheitsprämien vorlegen, statt immer neue Gräben aufzureißen«.

      (AP/jW)


      Die Details des Rürup-Konzeptes


      Beitragshöhe: Jeder Versicherte in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) soll formal den gleichen Beitrag zahlen. Legt man die voraussichtlichen Ausgaben an Pflichtleistungen zugrunde und teilt dies durch die Zahl der Versicherten, so ergeben sich für Erwachsene ein Beitrag von 169 Euro und für Kinder von 78 Euro. Durch die Konkurrenz der Kassen können die Pauschbeträge je Kasse aber voneinander abweichen.

      Beitragseinzug: Die Beiträge werden wie bisher von den »Arbeitgebern«, den Rentenversicherungsträgern oder der Bundesagentur für Arbeit (BA) abgeführt.

      Krankengeld: Das Krankengeld ist nicht im Beitrag enthalten und muß eigenständig versichert werden.

      »Arbeitgeber«beitrag: Die »Arbeitgeber«beiträge werden für abhängig Beschäftigte in reguläre Bestandteile des Bruttolohns umgewandelt und damit besteuert und sozialversicherungspflichtig. Aus Gründen der Gleichbehandlung wird der steuerfreie »Arbeitgeber«zuschuß an privat Versicherte ebenfalls versteuert und für Beamte und Pensionäre ein fiktiver Zuschuß zugrunde gelegt.

      Versicherungspflichtgrenze: Entsprechend des durch die Umstellung steigenden Bruttolohns erhöht sich die Versicherungspflichtgrenze von 3 863 Euro auf 4 105 Euro.

      Sozialversicherungsbeiträge: Durch den erhöhten Bruttolohn steigen die Einnahmen bei der gesetzlichen Sozialversicherung. Um Aufkommensneutralität zu gewährleisten und die Mehreinnahmen unter dem Strich den Versicherten zurückzugeben, werden die Beiträge gesenkt. Bei der Rentenversicherung könnte der Satz um 1,07 Prozentpunkte sinken, bei der Arbeitslosenversicherung um 0,36 Prozentpunkte und bei der Pflegeversicherung um 0,09 Beitragssatzpunkte.

      Sozialausgleich: Die Beiträge für Kinder sollen komplett von der Familienkasse bezahlt werden. Die Kosten von 15,8 Milliarden Euro könnten nahezu gedeckt werden durch die Mehreinnahmen bei der Besteuerung der erhöhten Bruttoeinkommen (15,6 Milliarden Euro). Bei Erwachsenen wären für den Sozialausgleich zwischen Gering- und Gutverdienern rund 22,5 Milliarden Euro erforderlich. Hierfür schlägt Rürup drei Möglichkeiten vor: Die Erhöhung des Solidarzuschlags um 11,9 Prozentpunkte, die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2,5 Prozentpunkte oder einen Zuschlag für die gesetzlich Krankenversicherten von 2,9 Prozent auf das beitragspflichtige Einkommen.

      (ddp/jW)
      http://www.jungewelt.de/2004/07-16/017.php
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      schrieb am 19.07.04 21:34:20
      Beitrag Nr. 1.791 ()
      Was die Bundesagentur für Arbeit alles wissen will


      Die Fragebögen zum Arbeitslosengeld 2 (Foto: dpa)
      Die ersten Antragsformulare für das neue Arbeitslosengeld II werden am Mittwoch bei den Empfängern im Briefkasten liegen. Schon heute war aber die Aufregung groß: Das Verfahren sei zu kompliziert; viele Leistungsempfänger würden in Armut gestürzt. Denn vom "röhrenden Hirsch" bis zur Lebensversicherung stehen alle "Vermögenswerte" der Langzeitarbeitslosen zur Disposition. Nach Ansicht des DGB Bremen-Bremerhaven müssen die Befragten finanziell "die Hosen runterlassen". Der Fragebogen zwinge die Betroffenen quasi zum Offenbarungseid, sagte die Bremer Bezirksvorsitzende des DGB, Helga Ziegert, dem Spiegel. Ihren Worten zufolge ist eine Steuererklärung ein "Klacks gegen diesen umfangreichen und komplizierten Antrag".



      16 Seiten Auskunft
      Zudem müssen die betroffenen Arbeitslosen nicht nur weitreichende Auskünfte über ihre persönlichen Vermögenswerte und Lebensumstände abgeben - auch die Familie und "Mitbewohner" sind betroffen. Wir haben in der folgenden Klick-Show einige der weitreichensten Fragen zusammengestellt.



      "Haben Sie Gemälde?" - Fragenkatalog: Arbeitslosengeld II
      "Immer nur die Kleinen" - Artikelshow: Kritische Stimmen zum ALG II



      2,2 Millionen Formulare
      Bis Mitte September sollen 2,2 Millionen Menschen die Papiere erhalten, mit denen sie die neue Leistung beantragen können.




      Agentur rechnet mit problemlosem Start
      Der stellvertretende Vorsitzende der Bundesagentur, Heinrich Alt, rechnet mit einem problemlosen Start des Arbeitslosengeldes II, mit dem Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammengelegt werden. "Wir gehen davon aus, dass wir den Auszahlungstermin 1. Januar halten aus heutiger Sicht", sagte Alt im RBB-Inforadio. Die bis dahin notwendige Dateneingabe sei zu schaffen.



      Die Fragebögen zum Arbeitslosengeld 2 (Foto: dpa)
      "Bürokratiemonster wird losgelassen"
      Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD, Klaus Brandner, sicherte im ZDF-"Morgenmagazin" zu, dass die Leistungen rechtzeitig ausbezahlt werden. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Johannes Singhammer, sagte dagegen: "Ein Bürokratiemonster wird auf die betroffenen Langzeitarbeitslosen losgelassen."



      Fotoshow: EU-Arbeitszeiten - Wer arbeitet in Europa am längsten?
      Suchmaschine - Neuen Job finden


      "Unverantwortliche Angstmache"
      Grünen-Chef Reinhard Bütikofer wandte sich unterdessen scharf gegen Behauptungen, wegen der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe könne es sein, dass einige Arbeitsagenturen künftig unter Polizeischutz arbeiten müssen. Dies hatte der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Konrad Freiberg, vergangene Woche geäußert. Bütikofer sprach in Berlin von "unverantwortlicher Angstmache" und "äußerst gefährlicher Stimmungsmache". Er warne davor, "schlimme Zustände herbeizureden".



      Die Fragebögen zum Arbeitslosengeld 2 (Foto: ddp)
      Große organisatorische Herausforderung
      Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II ist die derzeit größte organisatorische Herausforderung für die Bundesagentur. Die Nürnberger Behörde wies darauf hin, dass die ausgefüllten Papiere frühzeitig an die jeweils zuständige Arbeitsagentur zurückgesandt werden sollten. Nur dann könne das neue Arbeitslosengeld nahtlos von Januar 2005 an ausgezahlt werden.


      Service per Telefon und Internet
      Für Bürger, die beim Ausfüllen des 16-seitigen Antrags Unterstützung benötigen, ist nach BA-Angaben seit Montag die Service- Nummer 01801-012-012 geschaltet. Dort können zum Ortstarif montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr Fragen geklärt werden.



      http://onwirtschaft.t-online.de/c/22/06/90/2206902.html
      Avatar
      schrieb am 20.07.04 19:05:27
      Beitrag Nr. 1.792 ()
      Nicolás Gómez Dávila (1913-1994)

      Die sterbenden Gesellschaften häufen Gesetze an wie die Sterbenden Heilmittel.

      (Aus: Einsamkeiten. Glossen und Text in einem, Wien 1987, S. 132)
      Avatar
      schrieb am 20.07.04 19:11:12
      Beitrag Nr. 1.793 ()
      Georg Fechter
      Auszug aus

      Ehrensold rollt

      Was sich der Schuldenstaat BRD bei der Versorgung ehemaliger Bundespräsidenten leistet






      Doch kommen wir zur Sache. Kein Rechnungshof prüft es, keinen Steuerzahlerbund erregt es, kein Journalist weiß oder recherchiert es: der Schuldenstaat BRD* wird ab 1. Juli einen neuen Bundespräsidenten haben, bezahlt aber mindestens fünf.

      Wie geht das?

      Die BRD verabschiedete 1953 ein "Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten" (vom 17.6.1953, BGBl. I S. 406), das seit Heuss` Zeiten (1949-1959) i.d.F. vom 24.7.1959 (BGBl. I. S. 525) gilt. Mit dem Gesetz werden ehemaligen Bundespräsidenten bis an ihr Lebensende volle Amtsbezüge garantiert, die im Gesetz die verniedlichende Bezeichnung "Ehrensold" tragen. Zahlen enthält das Gesetz nicht, die Bezüge des Bundespräsidenten werden jährlich im Bundeshaushalt ausgewiesen.

      Der amtierende Bundespräsident erhält im Jahr 2004 ausweislich des Bundeshaushalts Amtsbezüge in Höhe von 219 000 EUR, dazu 78 000 EUR sog. Aufwandsgeld. Nur auf letzteres muß ein Bundespräsident a. D. verzichten, ihm werden aber auch noch nach dem Ende der Dienstzeit weitere staatliche Leistungen gewährt (z. B. Büro).

      Nimmt man einmal an, daß die früheren Präsidenten Scheel und Carstens 20% und Bundespräsident v. Weizsäcker 10% geringere Bezüge als Rau hatten, mußte der Steuerzahler einschließlich des Witwen-Ehrensolds für Frau Carstens seit 1979 überschlägig folgende Beträge (in EUR) aufbringen:


      Ehem. Bundespräsident im Ruhestand seit Ehrensold jährlich EUR Erhaltene Bezüge in EUR bis zum Stichtag 30.6.2004
      Walter Scheel 1.7.1979 171 200 4 280 000
      Karl Carstens
      (gest. 30.5.1992) 1.7.1984 171 200 1 355 333 (bis 31.5.1992)
      Veronika Carstens (Witwe) 102 720
      (60 v. H.) 1 241 200 (seit 1.6.1992)
      Richard v. Weizsäcker 1.7.1994 192 600 1 926 000
      Roman Herzog 1.7.1999 214 000 1 070 000
      Summe 9 872 533
      Neu ehrensoldberechtigt:
      Johannes Rau 1.7.2004 219 000


      Ab dem Jahr 2005 betragen die Bezüge für die in der Tabelle aufgeführten fünf Personen, also ohne den dann amtierenden Bundespräsidenten Köhler, jährlich 894 520 EUR. Für die fünfjährige Amtszeit erhält damit allein der ehemalige Bundespräsident Rau eine Versorgung, für die ein Durchschnittsverdiener 700 Jahre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müßte.

      Vielleicht wirft dies ein zusätzliches Licht auf den Umstand, warum der als Diener amerikanischer Finanzhegemonie über die Welt tätige Herr Köhler (Chef des IWF) seinen Job an den Nagel hing und nun neuer Bundespräsident wird. Von ihm werden wir sicher wie schon von seinen direkten Vorgängern zu hören bekommen, "wir" hätten zu lange über unsere Verhältnisse gelebt, es bedürfe jetzt auch schmerzlicher Einschnitte usw. usf.

      -----

      *Schuldenstaat I: Zur Zeit beläuft sich die Schuld von Bund, Ländern und Gemeinden auf 1,36 Billionen EUR (vgl. Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler unter www.steuerzahler.de). Auf den Bund entfallen etwa 56,5%, so daß jährlich allein hierfür 41,2 Mrd. EUR für die Zinsen aufzubringen sind, kein Cent wird getilgt. Nach Zeitungsberichten vom 28.6.2004 schlägt der Präsident des Bundesrechnungshofs, Engels, nun vor, in das Grundgesetz ein Verbot der (weiteren) Staatsverschuldung aufzunehmen. Ein Anliegen, das in Anbetracht des staatlichen und Finanzhandelns der BRD so realistisch ist wie der Wunsch eines Kindes, daß die Menschen nicht mehr böse sein sollen... Jedoch: wie tief muß der Blick und wie groß die Verzweiflung sein, wenn sich ein Spitzenbeamter mit einer solchen "Idee" an die Öffentlichkeit wendet!

      *Schuldenstaat II: Die Pensionsansprüche der Regierung, die diese Zahlen derzeit zu verantworten hat, haben sich nach einem Bericht von FOCUS-Online vom 12.6.2004 seit Schröders Wahl um bis zu 22 Prozent erhöht. Seit seiner Wiederwahl erhöhten sich die Ansprüche von Schröder um fast acht Prozent auf 8937 Euro im Monat, Fischer kommt jetzt auf 9520 Euro – ein Plus von 14,7 Prozent. "Das persönliche Pensionsplus von Rentenministerin Ulla Schmidt (SPD) beträgt den Berechnungen zufolge sogar 22,5 Prozent", heißt es in dem Bericht.
      ____________________________________________
      http://www.staatsbriefe.de/1994/2004/ehrensold_rollt.htm
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      schrieb am 20.07.04 19:19:39
      Beitrag Nr. 1.794 ()
      Verhandlungen am Scheideweg

      Daimler-Vorstand bleibt stur

      Die Verhandlungen im Arbeitskosten-Konflikt bei DaimlerChrysler zwischen Vorstand und Betriebsrat haben sich zugespitzt.





      mehr zum Thema

      Arbeitskosten-Konflikt
      "Eine Verabredung, die nicht nur zwei Jahre hält"

      Diskussion um Gehaltsverzicht
      "Irgendwie ist das ein unsauberes Spiel"





      Nach Angaben aus Verhandlungskreisen in Stuttgart beharrte der Vorstand des
      deutsch-amerikanischen Autobauers weiter auf Kostensenkungen in Höhe von 500 Millionen Euro.

      Er habe die Forderung nach Kürzung der Schichtzuschläge und von Pausen für die Beschäftigten in Sindelfingen bekräftigt.



      Proteste gehen weiter
      "Die Verhandlungen sind am Scheideweg", sagte ein beteiligter Arbeitnehmervertreter der dpa.

      Der Protest gegen die Senkung der Arbeitskosten ging derweil weiter. Es hagelte erneut Kritik an der Daimler-Forderung von Seiten der SPD.

      Über den Stand der Verhandlungen wurde Stillschweigen vereinbart. Möglicherweise werde bei den Gesprächen ein Gesamtpaket aus verschiedenen Themen geschnürt, über die bereits seit Monaten verhandelt werde, verlautete aus Verhandlungskreisen.



      "Ein ernster Kampf"
      Die Standortauseinandersetzung zwischen dem Vorstand und der IG Metall ist nach Worten des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Ludwig Stiegler, ein "ernster Kampf".

      Stiegler warnte im ZDF-Morgenmagazin: "Wir müssen aufpassen, dass sich nicht ein reines Shareholder Value durchsetzt und die Arbeitnehmer total untergebuttert werden."

      Das Angebot eines Gehaltsverzichts von zehn Prozent auf der Vorstandsseite sei nur eine symbolische Geste angesichts der Tatsache, dass man sich vorher das Gehalt um 100 Prozent erhöht habe.



      Nicht auf Sindelfingen beschränkt
      Der zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, sagte der Berliner Zeitung: "Wir werden die geforderten 500 Millionen Euro nicht schlucken. Das ist ganz klar."

      Die Gewerkschaft strebt offenbar eine Lösung mit dem Vorstand an, die nicht nur die Arbeitsplätze am Standort Sindelfingen, sondern an allen deutschen Mercedes-Werken weit über die Einführung der neuen C-Klasse hinaus sichert.


      Wir wollen eine Verabredung, die nicht nur zwei Jahre hält, sondern sämtliche mittelfristigen Produkteinführungen abdeckt. Eine Laufzeit von bis zu zehn Jahren ist denkbar", wurde Huber zitiert.



      Zehn Jahre Laufzeit
      Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall ging davon aus, dass sich Betriebsrat und Unternehmensführung auf einen Kompromiss einigen: "Beide Seiten sind gewillt, zu einer Einigung zu kommen, und ich gehe davon aus, dass es gelingt, wurde Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Hans Werner Busch in der
      Netzeitung zitiert.

      Aus Protest gegen die Sparpläne legte die Nachtschicht im Werk Sindelfingen mit 1.500 Mitarbeitern die Arbeit nieder. Der Vorstand droht mit dem Wegfall von 6.000 Stellen im Werk Sindelfingen, falls die Einsparungen in Höhe von 500 Millionen Euro nicht erbracht werden.

      Wenn keine Lösung gefunden wird, soll die neue C-Klasse nach Willen der Konzernleitung ab 2007 zum größten Teil in Bremen gebaut werden. Auch die Produktion in Südafrika soll dann ausgeweitet werden.



      Bundesweite Proteste angedroht
      Der Gesamtbetriebsrat drohte für kommenden Freitag mit weiteren bundesweiten Protesten, sollten sich Vorstand und Gesamtbetriebsrat diese Woche nicht einigen.

      Die umstrittenen Gehaltskürzungen für Manager sind Siemens bereits Realität: Das Unternehmen korrigierte schon zu Beginn des laufenden Geschäftsjahrs im Oktober 2003 die Vorstandsbezüge nach unten, wie ein Siemens-Sprecher sagte.

      Dazu seien erfolgsabhängige Sonderboni gekürzt worden. Unterm Strich verringerten sich die Vorstandsbezüge um rund zehn Prozent, sagte der Sprecher.

      (sueddeutsche.de/AP/dpa)

      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/642/35607/1/
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      schrieb am 22.07.04 19:16:41
      Beitrag Nr. 1.795 ()
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      Hartz IV

      Arbeitslose im freien Fall






      Von Achim Pollmeier

      Die letzte aller Hartz-Reformen ist für viele Betroffene auch die härteste: Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II. Das neue Arbeitslosengeld II ist nämlich nicht mehr wie die Arbeitslosenhilfe an die Höhe des früheren Einkommens gekoppelt, sondern besteht aus so genannten „pauschalierten Regelleistungen“, die sich etwa auf dem Niveau der früheren Sozialhilfe bewegen. All jene, die bisher Anspruch auf eine relativ hohe Arbeitslosenhilfe haben, weil sie früher gut verdient haben, müssen sich daher auf eine drastische Kürzung ihrer Leistung einstellen.

      Anrechenbares Einkommen

      Zudem ist die Anrechnung von Partnereinkommen und Vermögen deutlich verschärft worden. Als Einkommen gelten dabei nahezu alle Einnahmen des Leistungsempfängers oder seines Partners. Ausgenommen davon sind nur einige wenige Leistungen wie Erziehungsgeld sowie Renten und Beihilfen bis zur Höhe einer Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

      Vom anrechenbaren Einkommen abziehbar sind


      die darauf entrichteten Steuern

      die Beiträge zur Sozialversicherung

      Versicherungsbeiträge

      geförderte Beiträge für die Altersvorsorge (z.B. Riester-Rente)

      alle mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (Fahrtkosten, Werbungskosten)

      ein spezieller Freibetrag für Erwerbstätige

      Vermögensanrechnung beachten

      Für viele Erwerbslose bedeutet dies, dass sie demnächst überhaupt keine Leistungen vom Arbeitsamt mehr bekommen, bis sie ihr Vermögen bis zu den gesetzlich festgelegten Freigrenzen aufgebraucht haben. Der Freibetrag für Vermögen liegt bei 200 Euro pro Lebensjahr – bis zu einer Obergrenze von 13.000 Euro. Für Personen, die vor dem 1. Januar 1948 geboren sind, liegt dieser Freibetrag bei 520 Euro pro Lebensjahr – bis zu einer Obergrenze von 33.800 Euro. Unter diesen Freibetrag fällt alles Bar- und Anlagevermögen, also auch Lebensversicherungen, Bausparverträge und Fondsanlagen - mit Ausnahme bestimmter Altersvorsorge-Produkte (siehe unten). Hinzu kommt ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von insgesamt 750 Euro für jeden in der „Bedarfsgemeinschaft“ (also in der Familie) lebenden Hilfebedürftigen.

      Wer also demnächst Arbeitslosengeld II bezieht und noch etwas auf der hohen Kante hat, sollte sich die Regeln für die Vermögensanrechnung ganz genau anschauen. Denn mit der richtigen Anlage und durchdachten Investitionen lässt sich das Geld sinnvoll verwenden, ohne es für den alltäglichen Bedarf verbrauchen zu müssen.

      Wohnung und Auto

      Ein selbst genutztes Haus oder eine selbst genutzte Wohnung werden nicht als Vermögen berücksichtigt, solange sie eine angemessene Größe haben. Bei einer vierköpfigen Familie gilt zum Beispiel eine Wohnung von bis zu 120 Quadratmetern als angemessen, ein Haus darf bis zu 130 Quadratmeter groß sein. Zudem darf jeder erwerbsfähige Hilfebedürftige ein angemessenes Auto besitzen – wenn er es mit dem Arbeitslosengeld II noch finanzieren kann.

      Altersvorsorge

      Neu ist ein zweiter Freibetrag von 200 Euro pro Lebensjahr (max. 13.000 Euro) für die Altersvorsorge – womit jedoch etwas anderes gemeint ist, als eine beliebige Rücklage für die späten Jahre. Einen Sonderstatus haben alle Anlagen für die Altersvorsorge, die nach Bundesrecht gefördert werden. Dies sind bisher Riester-Renten sowie Betriebsrenten, im kommenden Jahr kommt noch die so genannte Rürup-Rente hinzu. Für diese Vermögen gilt die genannte Freigrenze nicht – gleichwohl werden sie auf den Freibetrag angerechnet. Wenn also zum Beispiel das „Riester-Vermögen“ den Freibetrag überschreitet, muss man es zwar nicht auflösen, darf daneben aber keine andere Altersvorsorge behalten.

      Streitig ist die Rechtslage dagegen noch bei Renten- und Lebensversicherungen. Nach dem Gesetz darf eine private Altersvorsorge nur dann auf den zweiten Freibetrag angerechnet werden, „soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann“ (SGB II, §12, Abs. 3). Einige Experten wie auch die Gewerkschaften fürchten, dass somit überhaupt keine der gängigen privaten Rentenversicherungen oder Lebensversicherungen unter diesen Freibetrag fallen, da diese kündbar sind und somit auch vor Eintritt in den Ruhestand verwertet werden können. Sowohl das Bundeswirtschaftsministerium wie auch die Bundesagentur für Arbeit haben gegenüber [plusminus jedoch versichert, dass diese Anlagen bis zur Freigrenze geschützt sind, sofern sie laut Vertrag im Ruhestand zur Auszahlung kommen.

      Anreiz zu Konsum statt Vorsorge?

      Viele Verbände und Experten kritisieren diese Kriterien für die Vermögensanrechnung als zu rigide und die Freigrenzen als zu niedrig. „Man kann nicht auf der einen Seite Appelle absondern, die Leute sollten fürs Alter vorsorgen und ihnen diese Vorsorge dann später wieder wegnehmen“, so Thomas Dambier von der Zeitschrift FINANZtest gegenüber [plusminus. Viele Leute, denen jetzt die private Vorsorge genommen werde, würden dann später zu kostspieligen Sozialfällen, weil sie von der gesetzlichen Rente nicht leben könnten. Der Eindruck, Vorsorge lohne sich nicht, sei ein verheerendes Signal an die jüngere Generation, so der Experte, der gleichwohl eine Investition in die geschützten Anlageformen wie die Riester-Rente oder eine Betriebsrente empfiehlt.

      Tipps: Vermögen anrechnungsfrei investieren

      Wer arbeitslos ist oder von Arbeitslosigkeit bedroht und wegen der Vermögensanrechnung fürchten muss, demnächst keine Leistungen zu beziehen, der sollte sein Vermögen frühzeitig so anlegen, dass er möglichst viel davon behalten kann und es für den alltäglichen Bedarf aufbrauchen muss. Dazu hier die wichtigsten Tipps:

      Auto kaufen
      Verkaufen Sie ihren alten Spritschlucker und kaufen Sie sich einen angemessenen Neuwagen, denn der ist vor der Vermögensanrechnung sicher. So haben Sie später weniger Reparatur- und Unterhaltskosten und außerdem einen Sachwert, den ihnen keiner nehmen kann.


      Altersvorsorge abschließen
      Nutzen Sie den zweiten Freibetrag für die Altersvorsorge, zum Beispiel indem Sie Barvermögen oberhalb der Freigrenze in einer Rentenversicherung anlegen. Wichtig: Die Auszahlung der Versicherung darf laut Vertrag erst im Ruhestand erfolgen, ansonsten zählt sie bei der Vermögensanrechnung nicht als Altersvorsorge.


      In Arbeitsmarktchancen investieren
      Kaufen Sie sich alles, was ihre Chance verbessert, einen neuen Job zu finden, zum Beispiel Anzüge oder Kleider fürs Bewerbungsgespräch, Literatur oder einen Computer. Doch Vorsicht: Auch diese Investitionen müssen angemessen sein. Wer noch schnell eine Kreuzfahrt macht oder ansonsten unwirtschaftlich sein Geld verschleudert, dem drohen später Sanktionen und Abzüge seitens des Arbeitsamtes.


      Anlagen beleihen
      Wenn ihr Vermögen oberhalb der Freigrenze liegt und sie sonst gezwungen wären, zum Beispiel ihre Lebensversicherung oder ihren Bausparvertrag aufzulösen, dann sollten Sie zunächst versuchen, diese Anlagen zur Absicherung laufender Kredite zu beleihen. So können Sie zum Beispiel den Rückkaufwert ihrer Lebensversicherung für das Baudarlehen beleihen, anstatt sie mit Verlust aufzulösen.


      Auf Verlustgrenzen pochen
      Mehrere Sozialgerichtsurteile haben in jüngster Zeit bestätigt, dass eine Auflösung bzw. ein Rückkauf bestehender Lebensversicherungen zumutbar ist, ehe man Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (später Arbeitslosengeld II) hat. Doch es gibt Grenzen: Je jünger der Vertrag, desto größer ist nämlich in der Regel der Verlust beim Rückkauf - das heißt: Man bekommt weniger heraus, als man eingezahlt hat. Verschiedene Sozialgerichtsurteile besagen: Ein Verlust von mehr als zehn Prozent ist unwirtschaftlich und daher unzumutbar.


      Wohneigentum kaufen
      Auf dem Arbeitsmarkt wird Mobilität groß geschrieben, im Hartz IV–Gesetz dagegen nicht. Wer aus beruflichen Gründen aus seinem Wohneigentum auszieht, um einen Job in einer anderen Stadt anzufangen, der hat Pech: Anrechnungsfrei ist nur angemessenes Wohneigentum, das selbst genutzt wird. Wer also arbeitslos wird und noch Wohneigentum in einer anderen Stadt hat, sollte sich früh überlegen, dies zu verkaufen und dafür am Wohnort eine Immobilie zur Selbstnutzung zu erstehen. Damit sollte man nicht zu lange warten, denn bis der Verkauf und der Neukauf über die Bühne sind, kann viel Zeit vergehen. Das gleiche gilt für Kapitalanlagen. Lieber frühzeitig umschichten und Wohneigentum erwerben, als sie später für den Lebensunterhalt verbrauchen zu müssen.


      Selbständig machen
      Wer sich als Arbeitsloser selbständig macht, bekommt Unterstützung vom Arbeitsamt – zum Beispiel in Form von Zuschüssen zu einer Ich-AG oder als Überbrückungsgeld. Das Überbrückungsgeld sollte man unbedingt noch beantragen, so lange man noch Arbeitslosengeld bezieht – dann ist es nämlich deutlich höher. Beide Zahlungen bekommt man auch noch, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld schon ausgelaufen wäre. Zudem sind sie von der Vermögensanrechnung nicht betroffen. Wer also ohnehin überlegt, sich selbständig zu machen, sollte sich das Timing gut überlegen.

      Weitere Informationen:

      Für Fragen rund um Hartz IV hat die Bundesagentur für Arbeit eine Hotline eingerichtet. Montag bis Freitag, 8.00 bis 18.00 Uhr: (0 18 01) 012012
      (4,6 Cent je angef. Minute aus dem dt. Festnetz)
      Links:

      „Arbeitslosengeld II – Mehr Peitsche als Zuckerbrot“
      Was sich ab 2005 für Langzeitarbeitslose ändert
      WDR-Wirtschaftsmagazin markt (05.07.2004)


      Infos & Tipps zum Arbeitslosengeld II
      Förderverein gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit e.V.


      Informationen zum Thema Arbeitslosen- und Sozialhilfe
      Verein Tachele e.V.


      Gesetzestext und Informationsblatt
      Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
      Literatur:

      Ich-AG und Überbrückungsgeld
      Andreas Lutz
      Verlag Linde International, Wien 2004
      ISBN: 3709300274
      Preis: 14,90 Euro


      111 Tipps für Arbeitslose
      Rolf Winkel, Hans Nakielski
      Bund Verlag, Köln 2004
      ISBN: 3766335286
      Preis: 9,90 Euro


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      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 20.07.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.


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      schrieb am 22.07.04 19:21:55
      Beitrag Nr. 1.796 ()
      Urlaubsverkehr

      Baustellen-Staus in der Ferienzeit müssen nicht sein






      Von Ellen Kaufmann

      Der ganz normale Wahnsinn. Jeden Tag stecken die Deutschen im Stau. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern vor allem teuer: 100 Milliarden Euro im Jahr kosten die Staus auf deutschen Strassen insgesamt. Fast ein Drittel aller Staus wird durch Baustellen verursacht. Schuld an den vielen Baustellen ist häufig der schlechte Zustand der Strassen. Und die Suche nach einem langlebigen Asphalt gestaltet sich in Deutschland schwierig. Die Mühlen deutscher Bürokratie mahlen langsam und vom Labor bis auf die Strasse ist es ein langer Weg.

      Der Staat spart am Straßenbau. Und das, obwohl er von den Autofahrern viel Geld kassiert: Mineralöl-, Mehrwert-, KFZ- oder Ökosteuer - von den über 50 Milliarden Euro Einnahmen fließen nicht einmal zehn Prozent in den Straßenverkehr zurück. So wundert es wenig, dass andere europäische Länder inzwischen ein besseres Straßennetz haben.

      Eine Frage der Oberfläche

      In Frankreich, wo die Autobahnen privatwirtschaftlich betrieben werden, funktioniert das System besser. Die Franzosen haben eher als die Deutschen angefangen, einen langlebigen Asphalt zu entwickeln. Mit Erfolg. Dort gibt es weniger Baustellen und folglich weniger Staus.

      Auch in Deutschland setzt man mittlerweile auf den elastischeren Asphalt, den mit Polymeren modifizierten Bitumen. Doch noch nicht flächendeckend. Nur langsam kommt Bewegung in die Straßenbauentwicklung. In Bergisch-Gladbach unterhält die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) seit neustem eine weltweit einmalige Teststrecke für Asphaltdecken. 38 Meter Innovation. Bislang werden Straßenkonstruktionen nicht berechnet, sondern auf Grund von bautechnischen Erfahrungswerten bemessen. Ziel des Großversuchs ist es hier, unter realen Bedingungen verlässlichere Aussagen über den Straßenbau zu gewinnen. Getestet wird „handelsübliches“ Material, ein Querschnitt deutscher Autobahnen und Landstraßen.

      Die Strecke kann gefrostet werden, bei Bedarf sogar geflutet. Und täglich fahren Test-LKW über die Modellstrasse. Zudem ist es möglich, in einer Art Zeitraffer mit Hilfe von mächtigen Impulsgebern ein ganzes Straßenleben innerhalb von nur vier Wochen zu simulieren. Doch bis in Deutschland Test- und Forschungsergebnisse in Richtlinien umgewandelt werden, kann es dauern.

      Das weiß auch der Asphaltforscher Professor Hartmut Beckedahl von der Universität Wuppertal. Er sucht seit Jahren nach einem deutschen Spitzenasphalt. Über 10.000 Asphaltmischungen hat er in seinem Labor bereits getestet. Viel versprechend scheint ein Bindemittel zu sein, dass er derzeit für eine niederländische Firma testet. Die bisherigen Ergebnisse überraschen selbst den intimen Kenner des Asphalts. Es scheint sich um eine Art Wundermittel zu handeln. Normalerweise hat jede Verbesserung, so Beckedahl, immer auch einen Nachteil. Bei diesem Produkt konnte er jedoch bisher nichts Negatives entdecken. Im Vergleich zu herkömmlichem Asphalt bildet dieses Produkt wesentlich weniger Spurrinnen und auch die Kälterissbildung ist deutlich reduziert. Aber noch gehört das neu-entwickelte Bindemittel nicht zu den Standardbaustoffen, die von der so genannten Vergabeverordnung Bau vorgeschrieben sind. Daher ist damit zu rechnen, dass auch dieses Mittel nur sehr zögerlich im deutschen Straßenbau zum Einsatz kommen wird.

      Lange Bauzeiten

      Doch nicht nur die langatmige Asphaltforschung ärgert Kritiker, sondern auch das deutsche Baustellenmanagement. Kürzere Bauzeiten werden von vielen Experten bereits seit Jahren gefordert. Doch davon sind die Deutschen noch weit entfernt. Wieder einmal lässt die deutsche Bürokratie vieles nicht zu.

      24-Stunden-Betrieb und Arbeit an den Wochenenden - das wünschen sich mittlerweile selbst Verantwortliche in den zuständigen Behörden. Doch komplizierte oder überalterte gesetzliche Vorschriften verhindern dies regelmäßig. In den Niederlanden sind die Vorschriften wesentlich lockerer. Dort werden schon jetzt alle Tagesbaustellen nachts durchgeführt. Und auch in Frankreich gilt die eiserne Regel: Erst der Verkehr dann die Baustelle: 24-Stunden-Betrieb an Großbaustellen ist dort kein Problem. In Nachbarländern bereits Realität, in Deutschland gerade mal Vision!

      Links:

      Bundesanstalt für Straßenwesen


      Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen


      Lehrstuhl für Straßenentwurf und Straßenbau
      Prof. Hartmut Beckedahl


      Stauprognosen für Autofahrer



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      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 20.07.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=182
      Avatar
      schrieb am 22.07.04 19:31:43
      Beitrag Nr. 1.797 ()
      Murks unter der Motorhaube

      Rückrufaktionen auf Rekordniveau






      Von Michael Lang

      Die letzten Rückrufzahlen lassen es erahnen: Der Rekord des vergangenen Jahres könnte in diesem Jahr eingestellt werden. Vor allem die deutschen Premiumhersteller kämpfen mit Qualitätsproblemen. In der aktuellen Rückrufliste der Zeitschrift „auto motor und sport“ finden sich neun Mal Modelle des VW-Konzerns. Mercedes musste in 2004 schon sieben Mal nachbessern, BMW sechs und Porsche zwei Mal.

      Imageverlust

      Prominente Ratingagenturen und Forschungsstellen warnen vor einem Imageverlust für „Made in Germany“. Anfang April meldete EurotaxSchwacke: „Den deutlichsten Abstieg in der Zufriedenheit haben die deutschen Premiumhersteller zu verzeichnen.“ Die Forschungsstelle der Automobilwirtschaft in Bamberg kommt nach einer aktuellen Händlerumfrage zum gleichen Ergebnis. Die Entwicklungen bei Mercedes hält man sogar für „bedenklich“.

      Das international anerkannte Marktforschungsunternehmen J.D. Power untersuchte in 2004 zum dritten Mal die Zufriedenheit der deutschen Autobesitzer mit ihren Fahrzeugen. Die Modelle von Toyota stehen im Gesamtergebnis erneut ganz oben auf der Liste. Erst auf Platz elf findet sich das erste deutsche Fabrikat: der 7er BMW. Auch Porsche schneidet verhältnismäßig gut ab. Die Spitzenmodelle von Mercedes werden jedoch von Hyundai abgehängt. Die Standardmodelle von Audi, Opel und VW verteilen sich im Mittelfeld. Wobei der VW-Golf von den Befragten nicht besser als ein Citroen-Saxo bewertet wird. Ganz unten in der Liste, muss sich die M-Klasse von Mercedes sogar mit einem Fiat vergleichen lassen.

      Probleme mit den Zulieferern

      Solche Umfrageergebnisse sind auch auf die stark gestiegenen Rückrufaktionen zurückzuführen. Im Februar musste Porsche zum Beispiel mehr als 22.000 „Cayenne“ zurückrufen. Es gab Probleme an der Feststellbremse. Porsche-Chef Wiedeking zeigte sich richtig wütend über die Zulieferfirmen, die aus Spargründen ihre Produktionsprozesse änderten, ohne dies vorher mit dem Autohersteller abzustimmen. „Das führt dazu, dass Fehler erst erkannt werden, wenn sie leider schon in die Produkte eingeflossen sind.“

      Bis zu 80 Prozent eines Autos werden heute von Zulieferern mitentwickelt und -produziert. Die Art der Zusammenarbeit mit externen Firmen entscheidet daher auch über die Qualität des Automobils.

      In den Statistiken sticht der Toyota-Konzern immer wieder hervor. Markus Schrick, Geschäftsführer der Toyota Deutschland GmbH, wundert das nicht: „Wir integrieren die Zulieferer wesentlich mehr und viel früher in die Entwicklungsprozesse. Darum sind die Qualitätsmängel oder die Ausschüsse, die bei uns entstehen, bis zu 50 Prozent geringer, als wenn die Zulieferer mit den Wettbewerbern zusammenarbeiten.“

      Die großen deutschen Automarken haben ein Zuliefererproblem, meint der Bamberger Automobilforscher Professor Wolfgang Meinig: „Im Regelfall kommen aus allen Himmelsrichtungen Teile, Module und Systeme und es entsteht eine Gemengelage, die in sich manchmal gar nicht stimmig und verträglich ist. Und dadurch entstehen Qualitätsprobleme. Es ist wie beim Arzt, der verschreibt mehrere Pillen und eingenommen vertragen sie sich im Magen nicht mehr.“

      Der ADAC bemängelt vor allem die immer kürzeren Entwicklungszeiten der Autohersteller. Für ausreichende Tests sei oft keine Zeit, meint der Experte Heinz-Gerd Lehmann: „Letztendlich ist derjenige, der das Auto kauft, als Testfahrer für die Autoindustrie unterwegs.“

      Die deutschen Premiumhersteller wollten [plusminus kein Interview geben. VW verweigerte jeden Kommentar. BMW will die Zusammenarbeit mit Zulieferern weiter intensivieren. Interne Umfragen belegen, dass schon jetzt die Zulieferer am liebsten mit BMW zusammenarbeiten. Bei DaimlerChrysler wird in einer so genannten „Lieferanten-Performance-Vereinbarung“ von früher üblichen rückwirkenden Preissenkungen bei Zulieferern abgesehen. Man hofft so auf eine Qualitätsverbesserung. Beim Hersteller Porsche, der zum Beispiel beim „Cayenne“ nur eine Fertigungstiefe von zehn Prozent hat, will man nach dem Ärger in der Vergangenheit jedoch nicht ausschließen, Fertigungsumfänge wieder ins Unternehmen zurückzuholen.

      Einen Trend zum „Insourcing“ wird es aber nirgendwo geben. Wahrscheinlicher ist es, „dass noch mehr outgesourct wird“, so Professor Meinig von der Forschungsstelle der Automobilwirtschaft.



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      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 20.07.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      ttp://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?
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      Avatar
      schrieb am 22.07.04 19:35:40
      Beitrag Nr. 1.798 ()
      Brennpunkt

      Gaspreiserhöhung macht Verbrauchern zu schaffen






      Von Michael Houben

      Während die Republik in den letzten Monaten aufgeregt die negativen Folgen der Benzinpreiserhöhung diskutierte, ging eine andere Meldung weitgehend unter: Die Ruhrgas AG, seit kurzem ein Tochterunternehmen der EON Energie AG, verkündete auf ihrer letzten Hauptversammlung einen Rekordgewinn von mehr als einer Milliarde Euro. Gleichzeitig wurde für den kommenden Herbst eine Preiserhöhung von rund sieben Prozent in Aussicht gestellt - die Meldung ging im Alltagsgeschehen fast unter.

      Kaufkraftverlust und Belastung für die Konjunktur

      Was bedeutet solch eine Preiserhöhung eigentlich in der Praxis? Zunächst einmal beliefert die Ruhrgas kaum einen Haushalt direkt, das erledigen in den meisten Fällen Stadtwerke. Und für die vergangenen Jahrzehnte lässt sich lückenlos nachweisen, dass die Stadtwerke eine Verteuerung ihres Einkaufspreises - gelegentlich mit etwas Auf- oder Abschlag und verzögert um einige Monate - ziemlich notgedrungen an Ihre Kunden weitergegeben haben. Allerdings sind wir für unsere Beispielrechnung ganz bewusst davon ausgegangen, dass die Stadtwerke nur den Verbrauchspreis erhöhen und die Grundgebühr nicht anheben.

      Wir rechnen es am Beispiel einer Familie mit fünf Kindern, Reihenhaus und VW-Bus durch. Bei gleicher Fahrleistung von rund 14.000 Kilometern im Jahr muss die Familie heute etwa 170 Euro mehr ausgeben als vor fünf Jahren. Während der Verbrauch des Familienwagens ebenso wie die Kilometerleistung sogar über dem Durchschnitt liegt, ist der Gasverbrauch der Familie eher moderat. Das Reihenhaus nach modernster Energiesparverordnung sowie eine Solaranlage für Warmwasser senken die Heizkosten auf rund 800 Euro pro Jahr. Doch nach der angekündigten Preiserhöhung wären es schon 50 Euro mehr - und insgesamt 150 Euro mehr als noch vor fünf Jahren. Damit raubt die Gaspreiserhöhung der Familie auf lange Sicht genau so viel Kaufkraft wie die viel diskutierten Benzinpreiserhöhungen.

      Warum überhaupt eine Preiserhöhung?

      Gegen Preiserhöhungen scheint man erst einmal machtlos. Der Preis des Erdgases ist - man hört es seit Jahrzehnten - an den Ölpreis gebunden. Und dass Öl im Zuge der Irakkrise und allgemeiner Knappheit immer teurer geworden ist, weiß heutzutage jeder. Aber bedeutet das nun wirklich, dass die Ruhrgas AG einfach nur steigende Einkaufspreise an ihre Kundschaft weitergibt, dass diese Preiserhöhung schlicht unvermeidbar ist?

      [plusminus hakt nach und besorgt sich über das Statistische Bundesamt die vom Bundesamt für Wirtschaft und Außenhandel ermittelten Importpreise für Erdgas. Und siehe da: Nach einer eindeutigen Preisspitze im Jahr 2001 ist der Importpreis für Erdgas mit kleinen Schwankungen eindeutig gesunken. Noch im vergangenen April, dem letzten veröffentlichten Monat, lag der Einkaufspreis ab Landesgrenze 14 Prozent unter dem Preis des Vorjahres. Nur der Verkaufspreis für Endkunden stiegt ungebrochen weiter uns soll weiter steigen.

      Die Grafik basiert auf offiziellen Daten und wurde im Vorfeld mit der Ruhrgas AG abgestimmt. Dabei muss man sie zum kompletten Verständnis wohl etwas genauer betrachten: Alle Werte wurden von den Behörden auf das Bezugsjahr 2000 berechnet (= 100%), so dass die Kurven an dieser Stelle gleich hoch sind. Die Kurven zeigen also nur, wie die Preise sich relativ im Lauf der Zeit verändert haben. Der Importpreis, der dabei einen kurzen Moment lang über dem Exportpreis zu liegen scheint, liegt absolut gesehen bei rund einem Drittel der Endkundenpreise.

      Aus der Grafik ist eindeutig zu ersehen, dass der Einkaufspreis der Gasimporteure seit einer Spitze im Jahr 2001 sinkt. Der Verkaufspreis dagegen ist durchgehend gestiegen - und soll weiter steigen. Zusammen mit der Gewinnspanne der Importeure.



      Was sagt die Ruhrgas AG?

      Ein Interview vor der Kamera wollte der Energiekonzern [plusminus zu diesem Thema nicht geben. Wir stellten unsere Fragen daher schriftlich.

      Etwas widersprüchlich war schon die Einschätzung der Einkaufspreise durch die Ruhrgas AG: „Wir können die von Ihnen angesprochene Entwicklung des Einkaufspreises („tendenziell sinkende Preise in den letzten drei Jahren“) so nicht erkennen.“ Die Grafik spricht eine andere Sprache, und schon eine Seite später schreibt Ruhrgas: „Ihre Aussage ‚die Tendenz ist bislang ungebrochen fallend’ ist daher nur bis April richtig.“ Also doch richtig. Die Preise sind gefallen. Aber warum nur bis April? Der Grund ist einfach: Spätere Preise sind bislang nicht veröffentlicht. Eine Erhöhung der Einkaufspreise seit April wäre also durchaus möglich. Doch selbst wenn die Preise in der zweiten Jahreshälfte so stark steigen, wie sie in den vergangenen zwölf Monaten gefallen sind, lägen sie am Ende des Jahres nur wieder auf dem Niveau des Vorjahres und böten damit eigentlich noch immer keinen Grund, den Verkaufspreis anzuheben. Und ganz egal, wie sich die Einkaufspreise für Erdgas nun künftig entwickeln, bleibt eine zweite Tatsache unbestreitbar: Die Endkundenpreise wurden in den vergangenen Jahren schon mehrfach angehoben, während die Einkaufspreise gleichzeitig fielen.

      Tatsächlich findet sich im langen Text der Ruhrgas an vielen Stellen immer wieder der offensichtlich wirklich tiefere Grund der angekündigten Preiserhöhung: „Der Grund für die Anhebung der Gaspreise ist ihre Kopplung an die stark gestiegenen Ölpreise.“ Etwas später dann: „Maßgebend ist aber der Wettbewerb zum Öl. Aktuell gilt, die Ölpreise und damit auch die für die Entwicklung der Gaspreise verantwortlichen Preise für leichtes Heizöl sind stark gestiegen, so dass die Gaspreise diese Aufwärtsentwicklung mit einer Zeitverzögerung von etwa einem halben Jahr nun nachvollziehen werden.“ Da stellt sich natürlich die Frage, warum ist der Gaspreis eigentlich an den Ölpreis gekoppelt?

      Ölpreisbindung, ein Naturgesetz?

      Im Gesetzbuch wird man die Ölpreisbindung nicht finden. Der Gesetzgeber hat damit gar nichts zu tun. Die Ölpreisbindung ist eine Erfindung der Ruhrgas AG selbst. Genau genommen ist es eine Erfindung der Ölkonzerne. Ursprünglich gründeten nämlich alle Ölkonzerne gemeinsam die Ruhrgas AG, bei der allerdings keiner von Ihnen eine entscheidende Mehrheit haben durfte. Und damit ihnen der neu gegründete Konkurrent nicht wirklich Konkurrenz macht, galt die selbst verordnete Regel: Die Entwicklung des Gaspreises muss dem Ölpreis folgen. Heute gehört die Ruhrgas AG längst nicht mehr den Ölgesellschaften, sondern der EON AG, dem Zusammenschluss der beiden früheren Stromkonzerne Veba/Preussen-Elektra und Bayernwerk. Doch die alte, historisch gewachsene Regel hat man weitgehend beibehalten.

      Ob die viel beschworene Ölpreisbindung auch für die Importpreise gilt, die die Ruhrgas AG zahlen muss, ist schlichtweg unbekannt: Die Vereinbarungen sind streng geheim. Allerdings zeigen die staatlichen Statistiken, dass die Importpreise für Erdgas zumindest in den vergangenen Jahren mit den realen Ölpreisen nicht mehr allzuviel gemeinsam hatten. Und es ist allgemein bekannt, dass die ersten großen Lieferverträge in den sechziger und siebziger Jahren für 30 Jahre geschlossen wurden - also rund um die Jahrtausendwende ausgelaufen sind.

      In den vergangenen Jahren setzte sich jedoch weitgehend die Erkenntnis durch, dass die Erdölreserven allmählich doch im Abnehmen begriffen sind, und die Erdölpreise auf absehbare Zeit weiter steigen werden. Das Gas wird sehr viel länger reichen. Warum sollte man den Verkaufspreis auf immer und ewig an den des vermutlich immer teureren Erdöls koppeln?

      Auch darauf geht die Ruhrgas AG in ihrem Antwortschreiben ein, doch mit zweifelhaften Zahlen. Sie beruft sich auf Exxon Mobil und BP, nach deren Angaben die förderbaren Erdölvorräte immer noch steigen. Doch die Ölkonzerne rechnen in ihren Prognosen die Reserven trickreich in die Höhe. Der Trick ist einfach: Mit steigendem Preis lohnt es sich natürlich, auch zunehmend schwerer abbaubare Quellen anzubohren - aber eben erst mit steigendem Preis, der eine Folge der Verknappung ist. Die dann wirklich allerletzten Reserven bremsen die Entwicklung aber nur, der Preis des Erdöls steigt trotzdem. Außerdem hat die offizielle Statistik der bekannten Erdölreserven einen entscheidenden Haken: Ein großer Teil der Erdöl fördernden Länder hat zwar seit Jahrzehnten keine neuen Reserven mehr entdeckt, meldet aber heute noch die gleichen Vorratszahlen wie zu Beginn der Förderung.

      Erdgas dagegen kann aus heute erreichbaren Quellen noch ein rundes Jahrhundert ohne Zusatzaufwand weiter gefördert werden. Wer den Verkaufspreis unter diesen Voraussetzungen an den des Erdöls koppelt, kann sich über fast zwangsläufig steigende Gewinne freuen. Während die eigentlichen Gestehungskosten „ab Quelle“ für Erdgas noch lange weitgehend stabil bleiben, kann der Verkaufspreis mit dem Ölpreis immer weiter steigern. Dabei ist die Ruhrgas AG - gerade wenn es um russisches Erdgas geht - schon lange nicht mehr reiner Importeur. Sie ist an ihrem russischen Lieferanten Gazprom längst beteiligt, hat just in der vorvergangenen Woche noch neue Verträge angeschoben, mit denen sie direkt in die Erschließung neuer Quellen investiert. In gewissem Maß gehören damit die Quellen selbst schon der Ruhrgas, vom Anstieg des Gaspreises wie beschrieben profitieren kann.

      Ein lohnendes Geschäft

      Schon im vergangenen Jahr hatte die Ruhrgas AG bei rund 12 Milliarden Euro Umsatz einen Gewinn von einer Milliarde Euro ausgewiesen. Seitdem sind die Erdgas-Importpreise um 14 Prozent gesunken. Selbst wenn sich im Jahresdurchschnitt nur eine Preissenkung um zehn Prozent ergibt, würde der Gewinn der Ruhrgas AG bei ansonsten unveränderten Kennzahlen um weitere 600 Millionen Euro steigen.

      [plusminus kann natürlich nicht vorhersagen, wie der Einkaufspreis für Erdgas künftig aussehen wird. Doch würde er schlicht bei zehn Prozent unter Vorjahreswert stagnieren, würde die angekündigte Preiserhöhung der Ruhrgas AG den Gewinn pro Jahr um weitere 800 Millionen steigern.

      Zu Recht verweist Ruhrgas in ihrem Antwortschreiben darauf, dass ein künftig wieder steigender Einkaufspreis den Gewinn insgesamt doch auch schmälern könnte... Um den von uns errechneten „Zusatzgewinn“ komplett auszugleichen, müssten die Einkaufspreise aber doch sehr schnell sehr viel höher steigen, als sie in den vergangenen Jahren jemals waren. (Immerhin hat die Ruhrgas AG während langjährig sinkender Einkaufspreise die Verkaufspreise nicht verringert.) Deshalb nennt die Ruhrgas AG in Ihrer Antwort wohl auch ein zweites Argument: „Auch
      berücksichtigen Sie nicht, dass der letztjährige Winter extrem kalt war und deshalb aufgrund der Absatzsteigerung in erheblichem Maße zu dem guten Betriebsergebnis beigetragen hat.“ Allerdings sieht es durchaus so aus, als ob der kalte Sommer 2004 den Erdgasverbrauch in diesem Jahr ähnlich hoch halten kann, wie im Vorjahr. Während im Jahr 2003 eine monatelange Hitzewelle herrschte, muss in diesem Sommer selbst im Julie fast bundesweit geheizt werden.




      Und der Reiz des „freien Marktes“

      Zu guter Letzt bestreitet Ruhrgas in seinem Schreiben auch noch unsere Feststellung, dass die von der Preiserhöhung betroffenen Kunden sich ihren Lieferanten nicht frei Aussuchen können: „Ihre Annahme, dass die Haushalte ihren Lieferanten nicht frei wählen können, ist nicht richtig. In die Liberalisierung des deutschen Erdgasmarktes sind alle Marktteilnehmer eingeschlossen, auch die Haushalte. Von den Wechselmöglichkeiten machen Haushalte jedoch keinen Gebrauch, weil sie mit ihren Lieferanten, den Stadtwerken und regionalen Versorgen, und den von diesen angebotenen Dienstleistungen zufrieden sind.“ Auch wenn die Gesetzeslage tatsächlich so aussieht, dass ein Wechsel des Versorgers theoretisch möglich ist: Selbst eine intensive Recherche förderte bislang keinen einzigen Fall zu Tage, in dem ein Haushaltskunde zu einem anderen Versorger wechseln konnte.

      Anders als bei Strom oder Telefon existiert bislang kein Angebot eines Versorgers, der Privatkunden außerhalb seines Leitungsnetzes versorgt. Gerade weil Politik, Verbraucherverbände und Medien bis heute das Fehlen eines funktionierenden Wettbewerbs beklagen, befindet sich nach jahrelangem Tauziehen eine Regulierungsbehörde für den Erdgasmarkt in Gründung.

      Was machen die anderen Gas-Importeure?

      Auch darauf wies die Ruhrgas AG in ihrem Antwortschreiben hin: Das Unternehmen vertreibe zwar 60 Prozent des nach Deutschland importierten Erdgases, es gebe aber natürlich auch andere Importeure. Im Wesentlichen sind das Thyssengas und die Wingas AG. Auch deren Einkaufspreise sind natürlich in den vergangenen Jahren gefallen. Auch sie haben laut Ruhrgas AG für diesen Herbst eine Preiserhöhung angekündigt.

      Die Rolle des Staates

      Dort wo der Kunde von einer Leitung abhängt, ob bei Strom oder Telefon, überprüft der Staat, ob die verlangten Preise gerechtfertigt sind. Eine Preisaufsicht ist hier selbstverständlich. Tatsächlich prüfen die Landeskartellbehörden, ob die Endkundenpreise für Gas gerechtfertigt sind - und können bei überzogenen Gewinnspannen auch ein Veto einlegen. Aber das gilt nur für die letzte Ebene des Verteilungsnetzes: für die Stadtwerke und Regionalversorger, die Ihr Gas bei den Importeuren kaufen und dann eben nicht zu viel Gewinnspanne aufschlagen dürfen. Wie der Importeur und Großhändler seine Preise kalkuliert, wird vom Staat in keiner Weise kontrolliert. Eine Gesetzeslücke.

      Links:

      Ruhrgas AG


      Bund der Energieverbraucher


      Preisstatistiken des Bundesamtes für Wirtschaft und Außenhandel
      (Excel-Tabelle)


      Beitrag über die Entwicklung der Ölvorräte
      WDR-Sendung „Dschungel“



      WDR
      [plusminus
      Appellhofplatz 1
      50667 Köln
      E-Mail: plusminus@wdr.de


      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 20.07.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=184
      Avatar
      schrieb am 22.07.04 19:39:03
      Beitrag Nr. 1.799 ()
      Avatar
      schrieb am 22.07.04 19:55:37
      Beitrag Nr. 1.800 ()
      23.07.2004

      Titel
      jW-Bericht

      Gier ist geil – und legal

      Düsseldorf: Freisprüche für alle Angeklagten im Mannesmann-Prozeß


      Mit der Begründung, daß ein Gericht keine Moral- und Werturteile zu fällen habe, wurden am Donnerstag in Düsseldorf die Freisprüche für alle sechs Angeklagten im Mannesmann-Prozeß verkündet. Wegen Untreue beziehungsweise Beihilfe dazu waren Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der frühere Mannesmann-Chef Klaus Esser, der ehemalige Aufsichtsratschef des Konzerns Joachim Funk, der Ex-IG-Metall-Chef Klaus Zwickel und zwei weitere leitende Mannesmann-Mitarbeiter angeklagt. Nach sechsmonatiger Verhandlungsdauer sah das Gericht keine Belege für ein strafbares Handeln der Angeklagten und folgte mit den Freisprüchen den Anträgen der Verteidiger. Die Staatsanwaltschaft hatte Haftstrafen bis zu drei Jahren beantragt. Sie warf den Angeklagten vor, die 180 Milliarden Euro teure Übernahme von Mannesmann durch den Mobilfunkriesen Vodafone Anfang 2000 genutzt zu haben, um Topmanagern des Unternehmens ungerechtfertigte Abfindungen in Höhe von fast 60 Millionen Euro zuzuschieben, davon gingen alleine 16,4 Millionen Euro an Esser.

      Vor dem Urteil gab die Vorsitzende Richterin der 14. Großen Strafkammer, Brigitte Koppenhöfer, eine persönliche Erklärung ab. Noch nie in ihren 25 Dienstjahren sei derart versucht worden, auf ein Urteil Einfluß zu nehmen. »Das reichte von Telefonterror bis zu offenen Drohungen«, sagte sie und weiter: »Daß sich sämtliche Stammtische melden, war nicht überraschend. Zu den Stammtischrechtsexperten gehörten auch Politiker, die Straftatbestände wie Sauerei, Schweinerei und Perversion erfunden haben.« Verteidigung und Angeklagte hätten versucht, die Presse zu instrumentalisieren. Das Gericht habe ausschließlich die strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe zu prüfen gehabt. Dabei konnten massive Zweifel an der strafrechtlichen Schuld der Angeklagten nicht ausgeräumt werden, »und Zweifel werden im deutschen Strafrecht zugunsten der Angeklagten ausgelegt«, so Koppenhöfer: »Wir sind kein Scherbengericht für die Wirtschaft. Wir bewerten nicht die deutsche Unternehmenskultur, selbst wenn die Beweisaufnahme Anlaß zu Verwunderung gab.«

      »Verwunderung« hatte nicht nur die Riesenprämie für Esser, sondern auch der Fall des ehemaligen Mannesmann-Arbeitsdirektors Josef Murawski ausgelöst. Der sollte zunächst mit 3,9 Millionen Mark abgefunden werden und beschwerte sich daraufhin unter Verweis auf die Lebensstandardsicherung seiner 20 Jahre jüngeren Ehefrau beim Aufsichtsrat über dessen »Knickrigkeit«. Ackermann, Zwickel und Co gewährten Murawski daraufhin einen Nachschlag von 770 000 Mark.

      Koppenhöfer betonte, daß die Gewährung der Millionenprämien einen gravierenden Verstoß gegen das Aktienrecht darstellten. Dies sei aber eine zivil- und keine strafrechtliche Angelegenheit.

      Die nicht nur im Mannesmannprozeß zutage getretene unverhohlene Gier vieler Topmanager und die anhaltende Diskussion über massive flächendeckende Lohnsenkungen haben die Debatte um die Bezüge von Topmanagern in Deutschland erneut entfacht. Nach Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und Ex-Daimler-Chef Edzard Reuter forderte am Donnerstag auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) Grenzen für die Vergütung der Wirtschaftsbosse. Diese müßten gerade in Zeiten, wo der Bevölkerung viele Opfer abverlangt würden, ihre »Vorbildfunktion« wahrnehmen, sagte Steinbrück im Deutschlandfunk. Auf schroffe Ablehnung stießen bei vielen Wirtschaftsvertretern und Politikern Gedankenspiele über eine mögliche gesetzliche Vergütungsobergrenze. Dies sei »eine Schnapsidee« (BDI-Chef Rogowski), »Humbug« (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz) oder »wenig hilfreich« (Bundeswirtschaftsminister (Wolfgang Clement). Mehrere Sozial-, Christ- und Freidemokraten, sowie Grüne garnierten ihre Ablehnung gesetzlicher Regelungen mit Appellen an den »Anstand« der Wirtschaftselite.

      Davon wollen die Bosse allerdings nichts hören. Rüdiger von Rosen, Vorstand des Deutschen Aktieninstituts, einer Vereinigung der in Deutschland an der Börse notierten Unternehmen, forderte am Donnerstag in Frankfurt am Main ein Ende der »überbordende Diskussion« um Managergehälter und Bonuszahlungen. Besonders die Debatte über eine gesetzliche Deckelung von Vorstandsgehältern habe dem Wirtschafts- und Finanzplatz Deutschland bereits schwer geschadet. Das Mannesmann-Urteil begrüßte von Rosen dagegen als »Freispruch erster Güte« und »Ausdruck unseres Rechtsstaats«.

      http://www.jungewelt.de/2004/07-23/001.php
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      schrieb am 22.07.04 19:58:06
      Beitrag Nr. 1.801 ()
      Kommentar
      Jürgen Elsässer

      Alle Schleusen offen

      Ein Überwachungsvideo, ein Buch und weiter offene Fragen zum 11. September 2001


      Bereits bevor die 9-11-Untersuchungskommission des US-Kongresses am gestrigen Donnerstag ihren Abschlußbericht vorlegen konnte, servierten die großen Fernsehkanäle das – vermeintliche – Highlight. Zum ersten Mal sahen Millionen US-Amerikaner die Aufnahmen der Überwachungskameras auf dem Dulles-Flughafen in Washington vom 11. September 2001, die die Hijacker der Maschine AA77 beim Passieren der Sicherheitsschleuse zeigen. Tatsächlich, bei vier der fünf Flugzeugentführer wurde Alarm ausgelöst, und sie mußten sich anschließend mit Metalldetektoren absuchen lassen. Trotzdem durften alle die Maschine besteigen, die sich später – so die offizielle Version – ins Pentagon bohren sollte.

      Warum wurden die Teppichmesser nicht entdeckt? Hätten die Terroranschläge nicht verhindert werden können, wenn der Security Check gründlicher gewesen wäre? Diese Fragen werden nun allenthalben gestellt – und sie führen sämtlich in die falsche Richtung. Denn die Aufregung um die Sicherheitsschleuse lenkt nur vom Wesentlichen ab – ob nämlich die Entführer unter ihrem eigenen Namen gebucht waren. Just das behaupten die Buchautoren Oliver Schröm und Dirk
      Laabs in ihrem Buch »Tödliche Fehler«, für das sie sich brav von den Geheimdiensten füttern ließen. Überprüfen läßt es sich nicht, denn die US-Behörden haben bis dato – man glaubt es kaum – von keiner einzigen Maschine die komplette Passagierliste vorgelegt, und auch nicht die Bordkarten, die die Stewardeß an der Gangway abreißt. Auch darauf steht der (gebuchte) Name des jeweiligen Passagiers.

      Verwunderlich wäre es nicht, wenn die Entführer von AA77 unter Klarnamen eingecheckt hätten. Zumindest ihre Anführer Al Hamzi und Al Midhar hatten nie Pseudonyme verwendet, als sie vor dem 11. 9. über 20 Monate lang in den USA lebten. Sie mieteten Appartements und Autos unter ihren echten Namen, ließen diese auf Kreditkarten und in Führerscheine eintragen und gaben sie bei Polizeikontrollen an. Dies ist deswegen so bemerkenswert, weil die CIA wußte, daß Al Hamzi und Al Midhar bei einem Treffen des engsten Führungskreises der Al Qaida im Januar 2000 im malaysischen Kuala Lumpur anwesend waren – die Behörde hatte seither ihre Namen und ihre Fotos. Trotzdem ließ man sie im weiteren ungehindert schalten und walten. Ein besonderer Clou: Mehrere Monate lang wohnten die beiden in San Diego bei einem FBI-Spitzel.

      Die neuen Videoclips lenken ab. Nicht die Teppichmesser, sondern die Namen der Entführer hätten auffallen müssen. Aber irgend jemand hat das verhindert.
      http://www.jungewelt.de/2004/07-23/004.php
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      schrieb am 22.07.04 20:09:33
      Beitrag Nr. 1.802 ()
      Thema
      Theo Wentzke

      Für weniger Geld länger arbeiten

      »Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland«: Wie Siemens die selbst hergestellte Notlage seiner Belegschaft ausnutzt und warum die Betroffenen sich erpressen lassen


      * Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich, Rückkehr zur 40-Stunden-Woche – das ist schon lange üblich in deutschen Unternehmen, meistens im Osten, immer öfter auch im Westen. Vielerorts wird es mehr oder minder informell – an allen Tarifverträgen und Regeln der innerbetrieblichen Mitbestimmung vorbei – angeordnet. Erhalt des Arbeitsplatzes durch kostenlose Mehrarbeit, so lautet die erpresserische Forderung der Unternehmer, die ihren »Notstand« erklären. Und die Erpressung wirkt.


      Der Fall Siemens-Bocholt unterscheidet sich von diesen längst zum Alltag gewordenen Fällen grundlegend. Nicht aus einer »Notlage« sollten die zweitausend in Bocholt dem Weltkonzern mit einer nach Hunderttausenden zählenden Belegschaft heraushelfen. Siemens bekannte sich dazu, daß ihm die Stundenlöhne in Bocholt deshalb zu hoch sind, weil der Konzern in seinen Werken in den Beitrittsländern in Europas Osten für dieselben Arbeitsstunden nur einen Bruchteil zu bezahlen hat. Er gab sich konstruktiv: Die Bocholter Noch-Siemensianer hätten es in ihrer Hand, die »Übereignung« ihrer Arbeitsplätze an ungarische Möchtegern-Siemensianer zu verhindern, wenn sie durch die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche dem Weltkonzern mit dem zwölfstelligen Milliardenumsatz drei bis fünf Stunden pro Woche schenken würden. Mit diesem von der IG Metall akzeptierten Ansinnen befreite Siemens die längst geübte Praxis der kostenlosen Arbeitszeitverlängerung von der heuchlerischen Umständlichkeit, dies immer mit einer Notlage des Unternehmens begründen zu müssen. So machte Siemens den Vorreiter, die deutschen Unternehmen von den formalen Schranken tarifvertraglich vereinbarter Arbeitszeitregelungen zu befreien, die sie in der Praxis längst unterlaufen haben. Ganz nebenbei offenbarte die Weltfirma: Wenn kostenlose Verlängerung der Arbeitszeit den Gewinn steigert, woraus stammt dann der Gewinn? Ein gewisser Karl Marx sagte dazu vor 150 Jahren: aus unbezahlter (Mehr-)Arbeit.

      Siemens drohte mit einer Verlagerung von ein paar tausend Arbeitsplätzen aus seinem Werk in Bocholt im Ruhrgebiet nach Ungarn. Die betroffenen Arbeitnehmer müßten bloß für weniger Geld länger arbeiten, dann überlege es sich Siemens noch einmal. Die IG Metall hat – wie immer ausnahmsweise – der Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich zugestimmt. Ein Mitarbeiter des Werks in Bocholt erzählte der Süddeutschen Zeitung, was das für ihn bedeutet: Er arbeitet jetzt fünf Stunden mehr fürs gleiche Geld, bekommt künftig kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr, statt dessen eine Erfolgsbeteiligung, die den Abzug vielleicht sogar mehr als ersetzt. Aber der Mann ist realistisch: »Ich gehe davon aus, daß von dem Urlaubs- und Weihnachtsgeld die Hälfte weg ist.« (SZ, 30.6.) Und was den Monatslohn angeht: »Jeder von uns bekommt im Schnitt etwa 15 Prozent brutto weniger.«

      Die SZ hakt nach: »Das heißt, der Urlaub wird unter Umständen gestrichen?« Antwort: »Ja«. Immerhin: Der Arbeitsplatz ist gerettet. Doch auch da ist der Mann – wie man so schön sagt – realistisch, d. h. er gibt jetzt schon bekannt, daß er und seine Kollegen sich auch der nächsten Erpressung von Siemens beugen werden: Er rechnet mit »weiteren finanziellen Einschnitten«, und er hat auch mitgekriegt, daß die Beschäftigtenzahl in seinem Werk während der letzten Jahre halbiert worden ist. Da macht er sich nichts vor: »In zwei Jahren wird man anfangen, einige Abmachungen nachzuverhandeln. Sein Fazit: »Wir werden auch in Zukunft keine ruhigen Zeiten erleben.« Der Mann wird sicherlich privat auch mal über Siemens schimpfen. Aber Widerstand gegen diese Zumutungen der Firma, davon scheint er überzeugt, geht nicht: Schließlich »muß« Siemens tun, was es tut – die »unruhigen Zeiten«, die die Firma ihren »Mitarbeitern« aufhalst, rühren daher, daß Siemens selbst ein Opfer ist. Der Siemensianer drückt das so aus: »Alle Firmen, die Massenware produzieren, unterliegen einem globalen Kostendruck. Und der wird anhalten.« Mit diesem Verständnis dafür, daß Siemens ihn und seine Kollegen erpressen müsse, erklärt er sein Einverständnis damit, daß sein Lohninteresse hinter dem Gewinninteresse von Siemens zurückzustehen hat.

      Es ist schon so, daß die Unternehmen mit ihren Kosten gegeneinander konkurrieren. Das heißt aber nichts anderes, als daß jedes Unternehmen sich nach Kräften darum bemüht, seine Kosten zu senken, um seinen Konkurrenten Marktanteile wegzunehmen. Der »Kostendruck«, dem sie »unterliegen«, ist also einer, den sie selbst gegeneinander produzieren: Sie sind Täter und nicht Opfer. Gerade der Fall »Drohung mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland« macht das so deutlich.


      Ausbeutung in Neuland Ost

      Wenn Siemens »deutsche Wertarbeit« für billiges Geld auch von Slowaken oder Ungarn erledigen lassen kann, dann nutzt es Bedingungen aus, die ihm der Weltmarkt bereitstellt. Die Staaten des ehemaligen Ostblocks haben unter dem Stichwort »Öffnung« für Investoren besondere Bedingungen geschaffen: Sie haben ihre früher im realen Sozialismus beschäftigten Werktätigen mit dem Systemwechsel um ihre lebenslange Anstellung und damit in die Notlage gebracht, daß die für ihren Lebensunterhalt unter allen Umständen und zu jeder Bedingung Arbeitsplätze brauchen. Sie können es sich daher gar nicht leisten zu fragen, wie lange sie arbeiten müssen und welchen Lohn sie dafür bekommen. Weil die osteuropäischen Staaten für den Systemwechsel zum Kapitalismus über keine einheimischen Kapitaleigentümer verfügen, machen sie denen im Westen Sonderangebote, damit sie das brachgelegte Ostproletariat gewinnbringender ausbeuten können als das an ihren angestammten Standorten im Westen.

      Die Kapitale, die in der Rentabilitätskonkurrenz vorneweg segeln, also auch große Kapitalmasse und -mobilität aufweisen, benutzen diese »Öffnung« dafür, an den neuen Standorten im Osten möglichst dieselben Produktions- und Ausbeutungsbedingungen wie im Westen herzustellen. Sie machen die verschiedenen Standorte vergleichbar, indem sie im Neuland Ost die Kapitalproduktivität, die sie sich als weltmarktführende Unternehmen in vielen Investitions- und Rationalisierungsrunden zugelegt haben, implantieren. Sie ziehen jedoch im Osten nicht einfach zusätzliche hochproduktive Werke hoch, um mit den neuen Lohnarbeitern neue Märkte zu beliefern. Sie investieren vielmehr im Osten nur unter der Bedingung, daß die dortigen frischgebackenen Lohnarbeiter für einen Lohn arbeiten, der deutlich unter den Löhnen an den alten Standorten liegt. Sollen sie doch froh darüber sein, überhaupt einen Kapitalisten gefunden zu haben, der sich dazu hergibt, ihre Ausbeutung als lohnend genug anzusehen. Wenn man zu niedrigerem Lohn aus diesen Leuten dieselbe oder mehr Arbeitsleistung herauspressen kann wie aus denen »daheim«, dann hat das natürlich Konsequenzen, u.a. für die »daheim«.

      Wenn Siemens droht, »deutsche Wertarbeit« für billiges Geld von Slowaken oder Ungarn erledigen zu lassen, dann ist der Konzern nicht damit zufrieden, von Slowaken und Ungarn billigere Arbeit eingeheimst zu haben. Vielmehr führt er das den eigenen »heimischen« Arbeitern so vor Augen, daß sie damit ab sofort zu teuer sind. Eine tatsächliche Verlagerung der Produktion muß nicht einmal stattfinden – daß Siemens das machen könnte, reicht als »Argument« schon völlig aus: Den Vorteil, den sich Siemens mit der Indienstnahme von billigeren Ungarn verschafft hat – bei gleicher Produktivität wie in Bocholt mehr Profit wegen der niedrigeren Ostlöhne – lastet die Weltfirma ihren westdeutschen Arbeitern als deren Nachteil an: Sie müssen sich sagen und praktisch gefallen lassen, daß ihr Lohn zu hoch und ihre Arbeitszeit zu kurz sei. Sie übt also den »Kostendruck« auf ihre angeblich viel zu teuren Arbeiter aus, indem sie auf die kostengünstigeren im Osten hinweist. Die Firma erpreßt erstere zu einer Lohnsenkung mit dem Hinweis auf »internationale Gepflogenheiten«, die sie als einer der Sieger in der internationalen Konkurrenz selbst mit eingeführt hat. So organisiert ein Weltkonzern wie Siemens die internationale Konkurrenz der Lohnarbeiter, und das kriegen die deutschen »Mitarbeiter« von Siemens gerade ganz direkt zu spüren.

      Daß Unternehmen einen solchen Vergleich der nationalen Arbeiterklassen vornehmen können, daß sie überhaupt in andere Länder hineingehen, ihre Werke aufbauen und Arbeitskraft einkaufen können, setzt voraus: Ihr Staat muß ihnen den Weg gebahnt haben. Die Leistung des Staates für seine Kapitalisten nach außen besteht darin, ihnen fremde Staaten und damit das für den kapitalistischen Zugriff brauchbare Arsenal an Menschen und Sachen aufzuschließen. Dazu müssen ihnen die fremden Herrschaften die Sicherheit des Eigentumsrechts garantieren, die sie von zu Hause gewohnt sind. Andere Staaten haben »Rechtssicherheit« zu gewährleisten, d. h. sie sollen dem überlegenen Kapital alle Freiheiten zugestehen, die es für die Verwertung seiner Investitionen für notwendig befindet. Zum anderen haben diese Staaten zuzusichern, daß die Erträge aus diesen Investitionen immer in erster Linie dem zugute kommen, der sie mit seinen Investitionen beglückt hat.

      Im Falle der Osterweiterung sind etliche neue Staaten, die die »Werte und Ideale« der EU teilen, also deren kapitalistischen Rechenweisen und deren demokratischer Herrschaftsform nacheifern wollen, dem politischen Anspruch der EU und damit auch der von dort ausgehenden kapitalistischen Benutzung unterworfen worden. Dazu hatten sie ihr Innenleben für eben diese Benutzung vom Recht auf Entlassungen übers Konkursrecht bis hin zur Infrastruktur herzurichten. Diese Herrichtung stand und steht unter Anleitung und Aufsicht der »alten« EU-Staaten, und sie hat für den Erfolg der von hier ausgehenden Kapitalinvestitionen das »optimale Umfeld« abzugeben. Mit dem endgültigen Beitritt dieser Länder zur EU wird ihre kapitalistische Benutzung insofern optimiert, als für die Kapitalisten der »alten« Länder auch noch das Hindernis weggeräumt wird, daß sie sich bei ihrem Zugriff auf fremden Reichtum immerhin noch auf eine abweichende nationale Gesetzgebung einlassen müssen: Mit der Ausdehnung der einheitlichen EU-Gesetzgebung nach Osten wird das »Heimatland« für die Kapitalisten nun ein ganzes Stück größer. Zu ihm gehören jetzt Gebiete mit ehemaligen Werktätigen, die auf Gedeih und Verderb auf Geld, also auf Arbeitsplätze angewiesen sind.


      Profitmaximierung

      Für die Erpressung der Bocholter Arbeiter ist es gleichgültig, ob Siemens nun nach Kalkulation mit allen Standortfaktorkosten fest dazu entschlossen war, eine Verweigerung der geforderten Arbeitszeitverlängerung mit Verlagerung zu beantworten oder ob die Firma nur geblufft hat. Selbst wenn Siemens bloß geblufft haben sollte und sowieso nie nach Ungarn verlagern, sondern mit der Drohung nur die Senkung der Arbeitskosten in Bocholt erpressen wollte, reicht der Hinweis auf Ungarn völlig aus. Die Erpressung mit der osteuropäischen Reservearmee war für die Siemensarbeiter, selbst wenn es sich um eine bloße Drohung gehandelt haben sollte, die »Realität«, der sie sich beugten und gegen die sie – auf sich gestellt – kein Gegendruckmittel hätten auffahren können, selbst wenn sie das gewollt hätten; denn Siemens hat am Standort in Ungarn für den eigenen Profitzweck wirklich eine Alternative zum Standort Bocholt und hat sich damit von der mehrwertschaffenden Potenz der Bocholter unabhängig gemacht. Selbst wenn die Bocholter sich der alten Drohung entsännen: »Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!«, stünden sie im Hemd da, wenn Siemens die Räder in Bocholt jederzeit selbst anhalten könnte. Mit Arbeitsverweigerung eine Gegenerpressung aufmachen, das können nur Arbeiter, auf deren Arbeit das Unternehmen angewiesen ist. Solche gibt es, zwar nicht im mit Schließung bedrohten Werk in Bocholt, aber im übrigen Siemens-Konzern.

      Das weiß auch die IG Metall; die zog es jedoch vor lauter Verantwortung für die Rentabilität am Standort Deutschland vor, nicht diesen Druck zu organisieren, sondern mit einem Siemens-Aktionstag nur eine Klagedemonstration. In ihr drohten 250 000 Siemens-Beschäftigte nicht die Einstellung ihrer Dienste an, sondern klagten Siemens mit der Parole »Jeder Arbeitsplatz hat ein Gesicht« an, der Konzern habe sich von der »netten Siemens-Familie« mit »fürsorglichen Managern« in einen »Global Player« verwandelt, der nur noch der »Erhöhung des Shareholder Values« (Zitate aus dem IGM-Magazin metall 7/8-2004) verpflichtet sei. Als ob ein kapitalistisches Unternehmen, also auch Siemens, jemals einem andern Zweck gehorcht hätte als eben dem, den man früher schlicht Profitmaximierung nannte.

      Eine deutsche und ungarische Lohnarbeiter umfassende Koalition hätte schon Mittel dagegen gehabt, daß Siemens die Löhne der einen mit der Not der anderen zu drücken versucht, aber an so etwas haben weder die Bocholter gedacht noch die IG Metall. Denn die war ja bereit, den Tarifvertrag angesichts der Erpressung von Siemens zu suspendieren, um die Bocholter »Arbeitsplätze zu retten«. Damit hat sie einerseits an der Vermittlung des Drucks der (osteuropäischen) Reservearmee auf die Bocholter mitgewirkt, andererseits hat sie in der Konkurrenz, die Siemens zwischen den deutschen und den ungarischen Arbeitern inszeniert hat, die Konkurrenzposition der deutschen durch die Verschlechterung des Lohn/Leistungsverhältnisses auf Kosten der ungarischen gestärkt und sich damit – als Gewerkschaft! – zum Mitsubjekt der von Siemens praktizierten Konkurrenz deutsches gegen ungarisches Proletariat gemacht.


      Weisheiten der Gewerkschaften

      Das Argument der IG Metall war dasselbe wie immer in solchen Fällen: »Der Arbeitsplatz muß ›gerettet‹ werden – von dem ist der Arbeiter abhängig, und ein anderes Mittel gibt es für ihn nun mal nicht.« So sieht es die Gewerkschaft, und diese tiefe Weisheit, um die ihr ganzes Denken und Handeln kreist, paukt sie mal wieder in aller Konsequenz durch. Je mehr ihr die Absurdität dieser »Weisheit« praktisch vor Augen geführt wird; je klarer ist, daß der Arbeiter für den Erhalt dieses angeblichen Mittels immer mehr von dem opfern muß, wofür der Arbeitsplatz Mittel sein soll, desto zäher klammert sie sich daran fest.

      Die Kapitalisten führen indes in schonungsloser Offenherzigkeit vor, daß der Arbeitsplatz nur ihr Mittel ist: Sie spielen Belegschaften über alle Grenzen hinweg gegeneinander aus, sie drücken gnadenlos deren Lohn nach unten und ihre Rentabilität nach oben, sie lassen im Zuge ihrer Rentabilitätssteigerung das angeblich »knappe Gut« Arbeitsplatz immer knapper werden – und sie bekommen von den Betroffenen die erwünschte Antwort: Dann müssen wir eben an uns die Bedingungen herstellen lassen, damit das Kapital Gefallen an unserer Benutzung findet, dann lassen wir uns mit der ständigen Verschlechterung unserer Arbeitsbedingungen und des Lohns gegen andere ausspielen. Dann lassen wir es eben mit uns geschehen – daß nämlich einen Arbeitsplatz zu haben immer unverträglicher wird damit, von der Arbeit an diesem Platz leben zu können.

      Um aus dieser Passivität ein Angebot zu machen, dafür brauchen die Siemensianer dann ihre Gewerkschaft: Die diversen Regelungen, von denen am Anfang berichtet wurde, sind nicht auf ihrem Mist gewachsen – aber sie lassen sich auf diesen Mist setzen. Es leuchtet ihnen ein, daß die Gewerkschaft mal wieder ihren Arbeitsplatz »gerettet« hat, indem sie der Erpressung des Kapitals recht gibt und immer neue Lohnabschläge, Arbeitszeitverlängerungen usw. unterschreibt. Daß damit mal wieder nur Arbeitsplätze auf Kosten von Arbeitsplätzen anderswo »gerettet« wurden, daß das ein andermal genauso gegen sie ausschlagen kann und wird, daran denken sie jetzt mal lieber nicht. Und solange der zitierte Siemensianer sagt: »Ich glaube, die IG Metall hat alles herausgeholt, was möglich war«, so lange gilt eben weiter die verrückte Logik: Die jetzt »herausgeholte« Verschlechterung ist sicherlich besser als die nächste, die garantiert kommt.

      * Theo Wentzke gehört zur Redaktion der politischen Vierteljahreszeitschrift GegenStandpunkt

      http://www.jungewelt.de/2004/07-23/005.php
      Avatar
      schrieb am 22.07.04 20:19:49
      Beitrag Nr. 1.803 ()
      Titel


      Der Antrag auf Armut

      »Hartz IV« – schwarze Post für Millionen Arbeitslose und Sozialhilfebezieher


      Die heutige Ausgabe der jungen Welt ist vielleicht die ungewöhnlichste, seit es diese Zeitung gibt. Sie finden in ihr ausschließlich den sechzehnseitigen Fragebogen, den die Bundesagentur für Arbeit in Umsetzung der »Hartz-IV«-Gesetze seit dieser Woche an rund 2,2 Millionen Bezieher von Arbeitslosenhilfe verschickt. Später werden ihn auch die als arbeitsfähig eingestuften Sozialhilfeempfänger erhalten. Vielleicht gehören Sie zu den Glücklichen, die in den nächsten Wochen nicht Adressaten dieser schwarzen Post sind. Viele Millionen sind jedoch von der verordneten Verarmung in den kommenden Monaten und Jahren bedroht. Das Dokument ist Ausdruck einer sozialpolitischen Zäsur, die noch vor wenigen Jahren als unvorstellbar galt.

      Die Betroffenen müssen sich mit detaillierten Angaben über Einkommen, Vermögen, Wohn- und Familienverhältnisse faktisch vor der Behörde ausziehen. Wer mehr als zweihundert Euro pro Lebensjahr gespart hat, wird vom Bezug des Arbeitslosengeldes II ausgeschlossen. Einkommen von Ehepartnern, Lebensgefährten, Partnern in Wohngemeinschaften und im Haushalt lebenden Verwandten werden angerechnet. Nach Schätzungen der Gewerkschaften werden dadurch eine halbe Million bisherige Arbeitslosenhilfebezieher von jedweder staatlichen Unterstützung ausgeschlossen. Einige Arbeitsloseninitiativen rechnen gar damit, daß jeder zweite von ihnen mit dieser Konsequenz rechnen muß.

      Wer die Stütze bekommt, bleibt selbstverständlich ebenfalls arm. 345 Euro im Westen, 331 im Osten reichen nicht zum Leben und nicht zum Sterben. Die Bezieher sind verpflichtet, jede Arbeit anzunehmen. Arbeitsagenturen und Gemeinden sollten die Empfänger von Arbeitslosengeld II auch für Dienstleistungen bei Privatleuten anbieten, etwa für Arbeiten im Garten oder im Haushalt, sagte CSU-Chef Edmund Stoiber dazu. Dieser gigantische Demokratieabbau, der mit der staatlichen Etablierung von Zwangsarbeit verbunden ist, hat in der öffentlichen Darstellung bisher so gut wie keine Rolle gespielt.

      Begründet wird »Hartz IV« in der Hochzeit der Massenentlassungen zynisch mit dem dringend notwendigen Abbau der Massenarbeitslosigkeit. Gleichzeitig sagt Wirtschaftsminister Wolfgang Clement: »In vier bis fünf Jahren werden wir die Arbeitslosigkeit auf ein halbwegs erträgliches Niveau gedrückt haben, ein weiteres wirtschaftliches Wachstum vorausgesetzt«. Abgesehen davon, daß dieses wirtschaftliche Wachstum eine blanke Spekulation ist, scheinen vier bis fünf Jahre der Regierung ein hinlänglich großer Zeitraum zu sein, die öffentliche Erinnerung an ihre Prophezeiungen zu tilgen.

      Natürlich geht es der Regierung mit den »Hartz-IV«-Gesetzen, durch die kein einziger Job geschaffen werden kann, um etwas ganz anderes. Es geht darum, den Banken und den Großkonzernen die Macht, den Einfluß und die Profite von morgen zu sichern. Die Bedingungen dafür zu schaffen ist durch die Globalisierung und das Wirken der unveränderbaren ökonomischen Gesetze des Kapitalismus schwieriger geworden. Wer den Reichtum für wenige mehren will, muß Armut für viele schaffen. Nach außen galt das immer, zunehmend gilt es nun auch wieder nach innen.

      Der entwürdigende und zynische Fragebogen, den die heutige jW-Ausgabe dokumentiert, ist Mittel zu diesem Zweck.

      Die Redaktion
      http://www.jungewelt.de/2004/07-22/001.php
      Avatar
      schrieb am 22.07.04 21:29:39
      Beitrag Nr. 1.804 ()
      Hallo,

      Schade, dass es zu den interessanten Artikeln kaum eine Diskussion gibt.
      Monologe, in threads, die eine gewisse intellektuelle Grenze überschreiten, sind in diesem board langsam der Standart.

      OK- hier eine provokante These.
      Hartz IV ist notwendig und gut.. Der Sozialstaat bisheriger Form lässt sich nicht mehr finanzieren. Die Versorgungsmentalität Deutschlands ist nicht mehr tragbar und die Auswüchse unseres Sozialstaates werden abgebaut. Bravo!!
      Ein paar Verlierer wird es geben. Derjenige, der über viele Jahre seine Beiträge in die Arbeitslosenkasse eingezahlt hat, nun über 50 Jahre ist, wegrationalisiert wird und keine Chance auf einen neuen Arbeitsplatz hat. Der wird auch noch seine Ersparnisse für einen Lebensabend weitgehend verlieren.
      Die vielen aber, die sich mit Sozialhilfe, Wohn-, Kindergeld und Schwarzarbeit ein recht nettes Leben eingerichtet haben, werden dies nicht mehr können.

      Was wäre eine Alternative?? – Jetzt aber bitte nicht die altbekannte These vom Neid und nehmt es von den Reichen... das wäre zu billig

      Gruß,

      C.
      Avatar
      schrieb am 23.07.04 00:00:16
      Beitrag Nr. 1.805 ()
      Lohn-Preis-Spirale
      Modelljahr 2004


      Lehrstück in einem Aufzug

      Egon W. Kreutzer

      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14018LohnPreisSpiral…

      Die emsige Wirksamkeit von Wirtschaftsweisen, Talkshowgästen, sprechwütigen Politikern und Verbandspräsidenten hat dazu geführt, dass sich an deutschen Stammtischen eine neue Diskussionskultur herausgebildet hat. Wir haben hier einen Disput belauscht, in dem das geballte Halbwissen eines Mediengläubigen auf die naive Wißbegier eines unabhängigen Selbstdenkers trifft. Lange sieht es so aus, als müßte der Laie unterliegen...



      Mercedes spart eine halbe Milliarde Personalkosten.
      Damit die C-Klasse billiger hergestellt werden kann.

      ...ja und?

      Nun fehlt diese halbe Milliarde natürlich.
      170 Millionen fehlen bei den Sozialkassen, 130 Millionen fehlen in der Lohnsteuerkasse, 200 Millionen fehlen in den Lohntüten der Mitarbeiter - ungefähr.

      Macht aber nichts, oder?

      Macht gar nichts! Die C-Klasse ist jetzt schließlich um eine halbe Milliarde billiger. Alle können sich - obwohl soviel Geld gespart worden ist - immer noch genausoviele C-Klasse-Autos kaufen wie vorher.

      Hm. Aber warum regt sich die Gewerkschaft dann so darüber auf?

      Gute Frage. Warum eigentlich?
      Hängt wohl damit zusammen, dass ein paar andere Unternehmen noch nicht so erfolgreich sparen, wie Mercedes. Die können dann natürlich auch ihre Preise nicht so rigoros senken. Da haben dann die Mercedes-Arbeiter ein Problem, einerseits kriegen sie weniger Lohn für billigere Autos, andererseits bleibt die Miete hoch. Das Brot kostet auch nicht weniger.
      Ich meine, im Auto wohnen, das ginge schon, aber Autos essen? Nee.

      Dann müssen also die anderen auch die Personalkosten senken und mit den Preisen runter, damit die Mercedes-Arbeiter ihren Lebensstandard halten können?

      Klar. Da müssen wir hin.

      Aber die Gewerkschaften sind dagegen?

      Die sind strikt dagegen.

      Wollen die denn nicht, dass die Mercedes Arbeiter ihren Lebensstandard halten können?

      Das wollen die schon, aber sie haben ein Problem damit, weil die Idee von den Arbeitgebern stammt. Da muss die Gewerkschaft schon aus Prinzip dagegen sein.

      Hm. Dann haben die Gewerkschaften also seit jeher mit ihren Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung und Lohnerhöhung auf das falsche Pferd gesetzt?

      Klar. Das sagen auch alle Sachverständigen.

      Und die Unternehmer haben die Preise zwangsläufig immer weiter in die Höhe treiben müssen, um die Löhne und die Lohnnebenkosten bezahlen zu können?

      Ja. Das ist die Lohn-Preis-Spirale. Da führt kein Weg dran vorbei. Steigende Kosten führen zu steigenden Preisen. Oder in die Pleite.

      Und umgekehrt?
      Ich meine, wenn die Arbeiter immer weniger verdienen, bis sie vielleicht zuletzt sogar ganz umsonst arbeiten: Gibt`s die C-Klasse dann auch umsonst?

      Natürlich nicht. Die Personalkosten sind doch nicht die einzigen Kosten. Was allein die Grundstücke kosten, die Hallen drauf, die Maschinen drin. Und dann das Material. Das muss doch irgendwie bezahlt werden.

      Wie?

      Wie, wie?

      Na ja, wenn alle umsonst arbeiten, dann kann doch auch die Halle nichts mehr kosten, und die Maschinen auch nicht. Auch das Material ist umsonst. Da müsste man die C-Klasse doch eigentlich auch umsonst abgeben können.

      Ach so! Ich verstehe. Du vergisst anscheinend, dass das Investment Zinsen tragen muss. Es muss sich doch lohnen, Autos zu bauen.

      Wie? Wenn alle umsonst arbeiten, kostet das Auto immer noch Geld? Da müssen ja irgendwo Leute sitzen, die nicht arbeiten und trotzdem Geld dafür bekommen. Wie geht das denn?

      Mein Gott bist du blöd!
      Die haben doch das Geld.
      Dafür wollen die Zinsen, Dividende, Profit, Gewinn, was du willst. Gibst du ihnen nichts, dann kriegst du kein Geld. Und ohne Geld kann niemand investieren, niemand kann etwas unternehmen, keiner kann ein Auto bauen, ohne Geld.

      Du spinnst doch!
      Du kannst mir doch nicht erzählen, dass das ganze Werk in Sindelfingen, mit allen Leuten die dort arbeiten, nicht in der Lage wäre, ein Auto zu bauen, wenn Mercedes keine Zinsen und keine Dividende zahlen würde? Die können Autos bauen, dazu brauchen die weder einen Aktionär noch eine Bank.

      Ja, schon. Aber wenn die Aktionäre keine Dividende kriegen, dann fallen die Kurse und alle verkaufen ihre Aktien. Das ist dann eine Krise und eine Katastrophe.

      Deswegen können wir aber immer noch Autos bauen.

      Bauen schon, aber wer soll die kaufen? Wenn keiner mehr Geld hat?

      Die Mitarbeiter. Die haben Sie ja schließlich gebaut.

      Die kriegen doch aber keinen Lohn mehr. Hast du das vergessen? Die machen doch alles umsonst.

      Ist doch aber auch Quatsch, umsonst zu arbeiten. Dann kriegen sie eben wieder Lohn. Wer mehr kann und mehr leistet kriegt ein bißchen mehr, aber jeder genug, dass er sich ein Auto kaufen und gut leben kann. Was soll`s?

      Und woher nimmst du das Geld?

      Wie? Woher? Wir verkaufen doch haufenweise Autos.

      Aber erst hinterher.

      Wie hinterher?

      Na, wenn sie fertig sind.
      Aber du brauchst vorher schon Geld. Für die Grundstücke, die Hallen, die Maschinen, das Material, für die Gehälter der Entwickler und Konstrukteure..., Scheiße, gell?

      Schade. Geht wohl doch nicht ohne Geld. Aber man könnte vielleicht welches drucken...

      Vergiß es. Ist verboten.

      Hm.

      Aber wenn das so ist, dann verstehe ich jetzt überhaupt nicht mehr, warum Mercedes unbedingt eine halbe Milliarde Personalkosten sparen will.

      Das muss doch über kurz oder lang voll in die Hose gehen.




      Ja. Über kurz oder lang schon.

      Aber bis es soweit ist,
      wird noch ordentlich Reibach gemacht!


      --------------------------------------------------------------------------------




      Kapiert?

      Lesen Sie den Dialog im Zweifelsfall einfach noch einmal.

      Weder längere Arbeitszeiten - ob mit oder ohne Lohnausgleich - , noch Lohnverzicht, noch die radikalen Verwüstungen in den sozialen Sicherungssystemen, die mit Hartz IV derzeit einen traurigen Höhepunkt erreichen, helfen den Menschen, die arbeiten können und arbeiten wollen irgendwie weiter. Solange das für die freie Entfaltung der menschlichen Leistungskraft benötigte Tauschmittel Geld nicht frei in der realen Wirtschaft umläuft, sondern von wenigen Superreichen gehortet und nur gegen Zinszahlung zur Verfügung gestellt wird, solange noch immer geduldet wird, dass inländische Arbeitsleistung gegen großen Gewinn und geringen Lohn im Export verschleudert wird, solange werden wir mit jedem Tag einen Schritt weiter auf die Zustände der Sklaverei zugetrieben.

      Das gilt nicht nur für Deutschland. Das gilt für alle Staaten dieser Welt, die im sinnlosen Wettbewerb um den günstigsten Standort lieber den sozialen Frieden opfern, als den immer unverschämteren Forderungen des Kapitals entgegenzutreten, das immer größere Anteile des von den Menschen geschaffenen Reichtums ohne jegliche Gegenleistung für sich beansprucht.




      Mehr dazu in "Wolf`s wahnwitzige Wirtschaftslehrer Band II"
      (Link dahin im Kasten unten)
      Avatar
      schrieb am 23.07.04 00:03:04
      Beitrag Nr. 1.806 ()
      Avatar
      schrieb am 23.07.04 00:08:35
      Beitrag Nr. 1.807 ()
      Avatar
      schrieb am 23.07.04 17:08:48
      Beitrag Nr. 1.808 ()
      Avatar
      schrieb am 23.07.04 18:06:10
      Beitrag Nr. 1.809 ()
      Der deutsche Traum: vom Millionär zum Tellerwäscher

      CSU-Chef Edmund Stoiber hat gefordert, Empfänger von Arbeitslosengeld II zur Zwangsarbeit heranzuziehen. Es sei, so sagte Stoiber der "Bild am Sonntag" auch Managern zuzumuten, als Tellerwäscher zu arbeiten. Kann es sein, daß die Deutschen den amerikanischen Traum, in dem bekanntlich auch ein Millionär und ein Tellerwäscher vorkommen, wiedermal etwas falsch verstanden haben?

      "Konsequentes Fordern und Fördern" ist das Motto der Hartz IV Reformen, bei denen die bisherige Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe als "Arbeitslosengeld II" zusammengelegt und erheblich gekürzt wird. Daß selbst ehemalige Manager als Tellerwäscher gehen, ist offensichtlich Stoibers Auffassung vom Fordern. Wie freilich die Führungskräfte, oder auch die von ihnen zuvor entlassenen Mitarbeiter, wieder an lukrative Positionen kommen sollen, hat Stoiber nicht verraten - ebensowenig wie seiner Meinung nach Zwangsarbeit mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

      Dafür hat die gegenwärtig noch herrschende Regierung kürzlich eine Exportprämie für Arbeitsplätze beschlossen. Sie belohnt im Wege des "Emissionshandels" Unternehmen, ihre Produktion zu schließen, um mit dem Verkauf von Emissionsrechten Geld zu verdienen. Und das gegenwärtige Regime verschweigt uns ebenso wie das vermutlich Folgende, daß es schon jetzt, also vor Beginn der Energierationierung, ca. 8,6 Millionen Arbeitslose in Deutschland gibt, mehr als zu Hitlers Machtergreifung. Wie lange das noch gutgehen soll, weiß freilich auch der BWL-Bote nicht.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm

      Keine Bange , Manager werden die Hilfe bei so üppigen Bezahlungen nicht nötig haben. Siehe Esser und Co.
      Avatar
      schrieb am 23.07.04 19:46:36
      Beitrag Nr. 1.810 ()
      Hans-Werner Sinn: Ist Deutschland noch zu retten?

      Der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung hat ein fast 500 Seiten starkes Buch geschrieben. Beinhaltet es gute Ratschläge für eine kränkelnde Wirtschaft oder macht sich Sinn eher der sozialen Brandstiftung schuldig? Eine Rezension aus der Juni-Ausgabe der Zeitschrift für Sozialökonomie (erhältlich ab 22.6.).

      Zeitschrift für Sozialökonomie
      Ausgabe Juni 2004


      Hans-Werner Sinn:
      Ist Deutschland noch zu retten?
      Econ Verlag, München 2004
      5., korrigierte Auflage, 499 Seiten

      Ist Deutschland noch zu retten? Wer weiß. Wer aber wissen will, wo es demnächst langgeht, der kann sich bei Sinn schon mal vorab informieren: Für ihn ist der Arbeitsmarkt im Würge-griff der....hemmungslosen Kartellpolitik der Gewerkschaften, die .... herausgeholt haben, was nur eben ging. .... Es geht auch nicht an, dass sich der Staat noch länger zum Komplizen der Gewerkschaften macht und ihre Hochlohnpolitik durch den Kündigungsschutz ermöglicht. .... Das kann so nicht bleiben, das stehen wir nicht durch.

      Für völlig unzureichend hält Sinn die läppischen ....Vorschläge der Hartz-Kommission, die wenig bewirken und niemandem wehtun. Nein, wir brauchen viel stärkeren Tobak: Weniger Staat und weniger Steuern. .... Eine wirklich radikale Steuerreform. Steuern auf Kapitalerträge (z.B. Zinsen) verletzen für ihn das Postulat der Gerechtigkeit, weil sie diejenigen, die ihr Vermögen sparen, statt es sofort zu konsumieren, bestrafen und sind deshalb allenfalls mit 20% anzusetzen. Und weiter: Zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit müssen die Stundenlöhne fallen. Damit das besser durchgesetzt werden kann: Der gesetzliche Kündi-gungsschutz muss fallen und .... sollte nicht nur für Kleinbetriebe, sondern für alle Betriebe abgeschafft werden, denn .... auf einem sich selbst überlassenen Arbeitsmarkt, der unter Kon-kurrenzbedingungen arbeitet, bedarf es keines besonderen Kündigungsschutzes, um Arbeits-platzsicherheit herzustellen, denn auf einem solchen Markt herrscht Vollbeschäftigung.

      Unterstützt werden soll die Absenkung der .... künstlich hoch gehaltenen Löhne .... außerdem durch die Reduzierung der staatlichen Lohnersatzleistungen. Die für 2005 vorgesehene Ab-schaffung der Arbeitslosenhilfe .... reicht aber bei weitem nicht, denn die Sozialhilfe ist viel zu hoch .... Also runter damit um 33%. Allerdings darf man sich jetzt - so möglich - was dazu-verdienen, was ja nicht so schwer sein kann, weil ja jetzt wieder alles boomt. Jedenfalls kommt es auf die Nachfrage ausdrücklich nicht an. Dies festzustellen, ist Sinn besonders wichtig und er widmet deshalb der Frage der Nachfrage ein extra Unterkapitel, in dem u.a. steht: Nein, mehr gesamtwirtschaftliche Nachfrage und mehr Kaufkraft ist es wirklich nicht, was Deutschland braucht. Alle, die das anders sehen, sind ökonomische Laien und heißen Dr. Fritzchen Müller.

      Sinn bezeichnet sich selbst als Arzt der "ökonomischen Schulmedizin", der in Abgrenzung zu Homöopathen und Heilpraktikern .... das Skalpell und harte Medikamente verordnet, will für seine Kinder, denen er sein Buch auch widmet, ein besseres, ein wirklich zukunftsfähiges Deutschland und beruft sich u.a. auf Willy Brandt, der ihm doch sicher Recht geben, wenn er noch leben würde, meint er. Fairerweise sei zugestanden, dass die umfangreiche Schrift durchaus vielgestaltig ist und dass Sinn mit gar Manchem tatsächlich Recht hat: So ist ihm vollumfänglich zuzustimmen, wenn er konstatiert, dass ganz offensichtlich aufgrund eines Kunstfehlers die Körperschaftssteuer seit 2001 fast komplett weggebrochen ist und seitdem Deutschland alleine deshalb mit jährlich 20-25 Mrd. Euro weniger auskommen muss, dass Subventionen der industriellen Vergangenheit (Kohle) idiotisch sind, dass im Rahmen der Neugestaltung der Rente Kinderaufzucht bzw. Kinderlosigkeit mit zu berücksichtigen ist, dass sich die Gewerkschaften in den 60ern und 70ern wohl besser um die Mitbeteiligung ("Spar-lohn" statt "Barlohn") als um die Mitbestimmung gekümmert hätten.

      Sehr recht hat er auch, wenn er feststellt, ....dass man die wirtschaftliche Vereinigung der bei-den Landesteile als gescheitert ansehen kann. Denn: ....die Regierung Kohl hat die wirtschaft-liche Vereinigung mit absurden Versprechungen und irrealen Politikprogrammen vergeigt. Die Bürger der neuen Länder sind bettelarm in die Marktwirtschaft gekommen, weil versäumt wurde, das diffuse Volkseigentum des kommunistischen Staates in privatrechtliche Anspruchs-titel umzuwandeln. Es ist der ökonomische Grundfehler der Vereinigungspolitik, ....dass den neuen Bundesbürgern kein Eigentum am ehemals volkseigenen Vermögen zuerkannt, doch ein viel zu hoher Lohn versprochen wurde. Per deutsch-deutscher Währungsunion wurden die ostdeutschen Löhne zunächst vervier- bzw. verfünffacht und anschließend in merkwürdiger Eintracht zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern nochmals verdreifacht. Damit war man dann die ostdeutsche Konkurrenz nachhaltig los: Der historische Grund für das offenkundige Misslingen der deutschen Vereinigung liegt im Vorauseilen der Löhne vor der Produktivität.... Das Ergebnis ist eine Zuschussökonomie, die um fast 50% mehr verbraucht als sie selbst er-zeugt und vom Westen alimentiert werden muss; ein Zustand, der weltweit einmalig und auch historisch ohne Beispiel ist.

      Vor dem Hintergrund seiner Einsicht in die ostdeutsche Misere ist es absolut unverständlich, dass Sinn nun meint, auch für Gesamt- bzw. für Westdeutschland zu hohe Löhne erkennen zu müssen. Denn hier liegen die ökonomischen Fakten nicht nur anders, sondern genau anders herum! Alleine seit dem Fall der Mauer hat sich die Produktivität in Gesamtdeutschland - also das Verhältnis der erzeugten Güter und Dienstleistungen zur dafür eingesetzten Arbeits-zeit - verdoppelt. Bekanntermaßen kann man das von den Löhnen nicht gerade sagen: Nach-dem die (inflationsbereinigten) Reallöhne seit Kriegsende zwar zunehmend schwächer, aber eben doch immer angestiegen sind, ist seit Mitte bis Ende der 90-er Jahre eine Tendenz zur Stagnation zu beobachten; Ergebnis der immer wieder angemahnten "Lohnzurückhaltung", jeweils begründet mit der deutschen Wettbewerbsfähigkeit respektive der Standortfrage. Die Fähigkeit der Deutschen, das von ihnen Erzeugte auch wirklich selber nachzufragen und zu verbrauchen, wird also immer schwächer, diese Nachfragelücke und die solcherart induzierte Arbeitslosigkeit also immer größer. Was nimmt es da Wunder, dass das Wachstum zurück-geht und ebenfalls stagniert? Die deutsche Wachstumsschwäche ist eine Binnenschwäche. Das bestreitet übrigens auch niemand ernsthaft. Denn über die Erfolge im Exportbereich kön-nen wir uns nicht beklagen: Deutschland ist Weltmeister im Exportieren! Auch preisbereinigt ist der deutsche Export - u.a. als Ergebnis der "Lohnzurückhaltung" - in den letzten 5 Jahren nochmals um fast 50% gestiegen. Kein Land auf der Welt - auch flächen- wie bevölkerungs-mäßig viel größere nicht - exportiert mehr als unseres: Allein ein Zehntel des gesamten Welt-handels bestreitet Deutschland ganz alleine. Doch damit nicht genug: Deutschland ist gleich noch mal Weltmeister; und zwar beim Exportüberschuss! Kein Land auf der Welt liefert an den Rest der Welt so viel mehr als es vom Rest dieser Welt einkauft. Besonders atemberau-bend wirkt dieses Faktum vor dem Hintergrund der Tatsache, dass mit der ehemaligen DDR mitten in Deutschland ein Gebiet sitzt, das für sich genommen gewissermaßen Weltmeister im Importüberschuss (s.o.) ist, was den gesamtdeutschen Exportüberschuss logischerweise redu-ziert, der gesamtdeutschen Weltmeisterschaft im Exportüberschuss aber ganz offensichtlich gar keinen Abbruch tut. Der deutsche Exportüberschuss ist nun auch die Erklärung dafür, dass die durch die Nachfragelücke im Binnenbereich induzierte deutsche Arbeitslosigkeit nicht noch viel größer ist. Auch Sinn würde nicht bestreiten können, dass unsere Arbeitslosigkeit ohne die dramatischen Exportüberschüsse noch dramatisch höher wäre als ohnehin.

      Was nun angesichts dieser Ausgangssituation Sinn will - und alle, die Sinn-gemäß argumen-tieren, wollen - ist Folgendes: Löhne und staatliche Lohnersatzleistungen werden gesenkt; bei Sinn also um bis zu 30%, und zwar dergestalt, dass die Absenkung bei den unteren Einkom-men größer ausfällt als bei den höheren. "Stärkere Lohnspreizung" heißt das. Dabei soll übri-gens der Sinn der Absenkung der Sozialhilfe ausdrücklich darin bestehen, insbesondere auf die untersten Lohngruppen auszustrahlen; will meinen, den Druck auf sie zu erhöhen. Aller-dings würden die Kapitaleinkommen dadurch zunehmen. Das müsse man in Kauf nehmen, weil Deutschland als Gesamtganzes dadurch gewinnt, stärker wächst als vorher. Wie das? Ist nicht die Konsumquote um so niedriger, je höher die Einkommen sind und andersrum und deshalb die aggregierte Gesamtnachfrage einer Volkswirtschaft um so niedriger, je stärker die Ungleichverteilung ist? Auch Sinn würde wohl kaum bestreiten, dass durch die von ihm vor-geschlagenen Lohnsenkungen die Binnennachfrage weiter geschwächt wird. Aber das macht ja nichts, weil wir jetzt unsere "Wettbewerbsfähigkeit" wiedergewonnen haben. Will heißen: Die ja nun noch größere Nachfragelücke im Binnenbereich wird nunmehr komplett durch Ex-porte kompensiert; so lange, bis auf diese Art und Weise auch der letzte deutsche Arbeitslose in Lohn und Brot gekommen ist.

      Der Sinn-Plan funktioniert. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Rest der Welt es einfach so hinnimmt, dass wir dem Rest der Welt dann doppelt und dreifach so viele Export-produkte um die Ohren hauen wie bislang schon der Fall, dass wir unseren Außenhandels-überschuss immer weiter ausweiten und deshalb das Außenhandelsdefizit andernorts immer weiter zunimmt, dass wir unsere binnen-bedingte Arbeitslosigkeit bis zum letzten Mann ex-portieren und sie deshalb entsprechend andernorts ebenfalls zunimmt, und dass das Ganze andernorts nicht als pure Aggression empfunden wird. Dann, aber nur dann, funktioniert der Sinn-Plan. Wenn es aber andernorts ebenfalls Experten gibt, die für ihre eigenen Volkswirt-schaften ähnlich glorreiche Vorschläge machen wie Sinn für die unsere, wovon wir getrost ausgehen dürfen, dann funktioniert der Sinn-Plan natürlich nicht. Dann wäre auch andernorts außer einer stärkeren Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen und einer entspre-chenden Ausweitung deflationärer Tendenzen nichts gewonnen und die deutsche Wettbe-werbsfähigkeit in Relation zum Rest der Welt wäre völlig unverändert. Sinn müsste dann - konsequenterweise - erneut die verlorengegangene bzw. noch immer nicht wiederhergestellte Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft anmahnen. Und dreimal dürfen wir raten, welchen Lösungsvorschlag er uns dann unterbreiten würde. Ist Sinn noch zu retten?

      Wer weiß. Was wir aber wissen, ist: So kann es nicht gehen. Ein John Maynard Keynes hätte im Rahmen des nach ihm benannten Planes einem Deutschland wie dem heutigen ganz ein-deutig und unmissverständlich nicht etwa eine Absenkung, sondern im Gegenteil ein Anheben der Löhne empfohlen. Ja, ist der denn verrückt? Nein, keineswegs. Keynes wusste noch: So wie ein Land, das Importüberschüsse zeitigt, über seinen Verhältnissen lebt, so lebt ein Land mit Exportüberschüssen unter seinen Verhältnissen; und im Falle Deutschlands eben in dra-matischer Größenordnung. Wenn dieser Situation nicht durch Lohnanhebung im Binnenbe-reich begegnet wird, dann bringt man die Menschen in diesem Land, die nämlich übrigens diese Exportüberschüsse erarbeitet haben, nicht nur um die vollständigen Früchte ihrer Arbeit, sondern man nimmt den Volkswirtschaften andernorts auch die Luft zum Atmen: Denn der solcherart andernorts erzwungene permanente Importüberschuss verhindert den Aufbau einer gesunden Binnenwirtschaft und zwingt in die Verschuldung und ihre Konsequenzen, weil dieser Importüberschuss nur finanziert werden kann mit geliehenem Kapital, welches aus den Überschussländern stammt.

      Aber jetzt ist ja Globalisierung und entsprechend steht die Drohung der Abwanderung von Arbeitsplätzen im Raum. Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass Deutschland ganz of-fensichtlich ein sehr guter Standort ist; und zwar auch und gerade für Investoren, die hierzu-lande, auch und gerade im internationalen Vergleich, sehr gute Gewinne erwirtschaften kön-nen, u.a. weil sie eben nicht (mehr) befürchten müssen, dass die Gewerkschaften bis zur Schmerzgrenze gehen. Aber es ist verständlicherweise noch verlockender, den VW in der Slowakei zum dortigen Lohnniveau zu schrauben, um ihn anschließend hierzulande zu deut-schen Preisen zu verkaufen, auch wenn klar sein muss, dass das nicht sehr lange gut gehen kann. Es kann aber vor allem auch nicht angehen, dass - u.a. mit dem weinerlichen Argument, die Menschheit gehöre doch zusammen - sämtliche Dämme für Kapital und Güter eingerissen werden, um anschließend - nunmehr wieder hübsch in nationalstaatlicher Konkurrenz argu-mentierend - zu fordern, Steuern und Löhne zu senken, um "internationale Konkurrenzfähig-keit wiederherzustellen". Und um spätestens dann, wenn man andernorts ebenfalls auf den Trichter gekommen ist, diese Forderung - mit derselben wohlfeilen Begründung - zu wieder-holen. Dieser Trick ist schon mal probiert worden; nicht nur aufgrund der Lobby der Industrie, sondern auch und gerade auf Ratschlag der "Experten". Es ging gründlich daneben. Man nannte das Weltwirtschaftskrise. Die Konsequenzen sind bekannt.

      Eine der Konsequenzen war die Etablierung eines theoretischen Gegenentwurfes - Keynesia-nismus genannt - zur herrschenden Lehre, die nach dem Desaster eine Zeit lang auch recht kleinlaut war, weil ihre Gleichgewichts-Phantasmagorien mit der Realität ganz offensichtlich nichts zu tun haben. Weil aber die Borniertheit nicht ausstirbt, geht das jetzt alles wieder von vorne los. Wenn Bertolt Brecht recht hatte mit seiner Feststellung, Geschichte wiederhole sich nicht, es sei denn als Farce, dann ist das ja jetzt wohl die Farce. Nein: Die Suppe, die global eingebrockt wurde, muss jetzt auch global wieder ausgelöffelt werden. Das demokratische Korrektiv des ökonomischen Systems, das alleine in der Lage ist, der permanenten Neigung zur Nachfragelücke dieses Systems entgegenzuwirken und es somit letztlich auch vor sich selbst zu schützen, ist durch den Globalisierungsprozess auf nationalstaatlicher Ebene verlo-rengegangen. Wenn jetzt schon die Überschussländer anfangen, ihre Löhne zu senken, dann gnade uns Gott. Wenn es uns aber gelingt, das demokratische Korrektiv des ökonomischen Systems ebenfalls zu globalisieren, dann sind wir noch zu retten, und Deutschland auch, und Sinn auch.

      von Redaktion - 19. Jun 2004

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      http://www.inwo.de/modules.php?op=modload&name=News&file=art…
      Avatar
      schrieb am 23.07.04 23:51:33
      Beitrag Nr. 1.811 ()
      Aus der FTD vom 23.7.2004
      Experten warnen vor Preisverfall durch längere Arbeitszeiten
      Von Sebastian Dullien, Berlin

      Der Trend zur unbezahlten Mehrarbeit in Deutschland könnte nach Einschätzung führender Ökonomen zu einem allgemeinen Preisverfall führen. DIW-Konjunkturchef Gustav Horn warnt bereits vor einer Deflation.






      Gustav Horn


      "Eigentlich müsste die Europäische Zentralbank auf die Arbeitszeitverlängerung mit einer Zinssenkung reagieren. Tut sie das nicht, kann das Deutschland an den Rand der Deflation bringen", sagt Gustav Horn, Konjunkturchef am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Auch der Präsident des Münchener Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, und Michael Hüther, Direktor des arbeitnehmernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), wollen nicht ausschließen, dass eine generelle Erhöhung der Wochenarbeitszeit zu sinkenden Preisen führen könnte.

      Erst vor einem Jahr hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) gewarnt, dass Deutschland ähnlich wie Japan in den 90er Jahren in eine deflationäre Abwärtsspirale aus fallenden Preisen, sinkenden Löhnen und schwacher Nachfrage geraten könnte. Erst durch den kräftigen Aufschwung in den USA und der folgenden Erholung der Exportnachfrage waren die Ängste zerstreut worden.


      Zu dem Preisverfall durch die unbezahlte Mehrarbeit könnte es laut den Ökonomen kommen, weil eine längere Arbeitszeit bei gleichem Lohn de facto eine Senkung der Stundenlöhne bedeutet. Die Unternehmen würden diesen Kostenvorteil zumindest zum Teil über niedrigere Preise an ihre Kunden weitergeben.



      Gefährliche Strategie


      Umstritten ist allerdings unter den Volkswirten, ob ein durch niedrigere Stundenlöhne ausgelöster Preisverfall gefährlich ist. Laut Ifo-Präsident Sinn ist ein solcher Rückgang der deutschen Preise Voraussetzung, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Rest der Euro-Zone verbessert. "Das ist im Grunde nur eine reale Abwertung."


      Ähnlich sieht das IW-Direktor Hüther. "Eine Deflation ist nur gefährlich, wenn sie durch Nachfragemangel entsteht." Dies sei bei einer Arbeitszeitverlängerung nicht der Fall. "Wenn wir die Arbeitskosten nachhaltig reduzieren, steigt auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage." Zudem würden sich die Einkommensaussichten der Menschen verbessern, weil diese bei sinkenden Stundenlöhnen eine Wende am Arbeitsmarkt erwarteten. Dies führe zu steigendem Konsum.


      DIW-Konjunkturchef Horn hält von diesen Argumenten wenig. "Die Kollegen vernachlässigen die Folgen für die Inlandsnachfrage." Die Entwicklung in Japan in den vergangenen zehn Jahren habe gezeigt, welche fatalen Folgen Deflation auf die Binnennachfrage habe.


      Laut Horn verschwindet mit fallenden Preisen der Anreiz der Unternehmen, sich für die Anschaffung neuer Anlagen zu verschulden, weil die Schulden mit fallenden Preisen drückender würden. Das wiederum bedeute insgesamt weniger Investitionen und berge die Gefahr einer weiter fallenden Nachfrage. "Zu versuchen, über sinkende Stundenlöhne aus der Krise zu kommen, ist eine extrem gefährliche Strategie", so Horns Fazit.
      http://www.ftd.de/pw/de/1090515889704.html?nv=hpm
      Avatar
      schrieb am 25.07.04 15:06:53
      Beitrag Nr. 1.812 ()
      Zu Sinn`s Werk gibt es auch kritische Stimmen:

      Sinn und Unsinn
      Kapitalisten hätscheln, statt vergraulen!
      Der Volkswirtschaftsprofessor und Chef des Münchener Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn hat im Herbst 2003 ein knapp fünfhundert Seiten starkes Buch veröffentlicht mit dem Titel: Ist Deutschland noch zu retten? (Econ, München, 25 Euro, 499 Seiten). An diesem Buch sind weniger die Hauptforderungen interessant, weil sie bereits seit vielen Jahren aufgestellt werden und auch teilweise verwirklicht werden: Sozialabbau, radikale Lohnsenkungen, entfesselter, freier Markt, auch und gerade bei der Lohnfindung, Entmachtung der Gewerkschaften, radikale Steuervereinfachung und Steuersenkung etc.
      Wichtiger an dem Buch ist das, worüber nicht gesprochen wurde. Und noch wichtiger sind oft geleugneten Tatsachen, die sich nur in vereinzelten Sätzen finden oder gar in Anmerkungen versteckt sind. So wird gerade Sinn zum Kronzeugen eines nicht funktionierenden Geld- und Finanzsystems. Eine Rolle, die er nicht angestrebt hat und die ihn sicherlich selbst überraschen wird.




      Fangen wir mit der den Lesern dieser Webseiten wohl bekannten Zins-/Wachstumsfalle an, die ja in den Medien und Fachpublikationen konsequent geleugnet bzw. tot geschwiegen wird. Hans-Werner Sinn ist der Fehler unterlaufen, dass sich doch ein Sätzchen zur Existenz der Zins-/Wachstumsfalle eingeschlichen hat, zwar versteckt in einer Anmerkung auf Seite 331, so dass den meisten Lesern diese Nachricht entgehen wird. Im Zusammenhang mit der Staatsverschuldung heißt es:
      "Nur dann, wenn die Zinslasten vollständig durch eine Nettoneuverschul­dung gedeckt werden, kommt es nie zur Besteuerung ... Doch in diesem Fall wächst, da der Zins einer Volkswirtschaft deren Wachstumsrate langfristig übersteigt, die Schuldenlast prozentual schneller als das Sozial­produkt. Die Folge ist der sichere Staatsbankrott. "
      Diese kurze Aussage hat es in sich. Zunächst ist da von dem Verhältnis von Zins und Wachstumsrate die Rede. In der Bundesrepublik weiß praktisch niemand, dass es sich hierbei um eine wichtige, vielleicht sogar die entscheidende Kenngröße unseres Wirtschaftssystems handelt. Dann wird festgestellt, dass in einer Volkswirtschaft (praktisch in jeder entwickelten Volkswirtschaft!) der Zins die Wachstumsrate übersteigt. Das ist das Krisenelement Nr. 1 unseres Wirtschaftssystems. Auch bei Sinn kommt das zum Ausdruck. Denn diese Tatsache hat nicht weniger zu bedeuten, dass es bei dieser Konstellation im Bereich Staatsschulden zum Staatsbankrott kommt. Also eine dramatische Entwicklung, die hier durch einen Zins, der die Wachstumsrate übersteigt, verursacht wird. Aber so schlimm das auch ist, diese Entwicklung gilt nicht nur für die Schulden des Staates. Die Schuldenlast steigt schneller als die Wirtschaftsleistung bei einem Zins höher als die Wachstumsrate. Das gilt nicht nur für die Staatsschulden, sondern für alle Schulden in der Wirtschaft. Die Schuldenlast und damit die Zinslasten steigen schneller als die Wirtschaftsleistung, aus der sie bezahlt werden können. Das bedeutet eine Krisenwirtschaft, die auf ihr Ende (Bankrott) zusteuert. Wenn die Einkommen der Kapitalisten systembedingt schneller steigen als die Wirtschaftsleistung und die Wirtschaftsleistung nur einmal verteilt werden kann, müssen zwangsläufig die Einkommen der Arbeitnehmer sinken. Dies ist unabhängigen Fachleuten wie Helmut Creutz, Paul C. Martin und anderen seit langem klar, findet aber aus verständlichen Gründen keinen Eingang in die politische Diskussion. Allerdings finden sich auch bei Sinn einige Aussagen zu dieser Problematik.
      "Diese Vorteile (der Globalisierung) werden sich vornehmlich in einem Anstieg der Kapitaleinkommen zeigen. Die Kapitaleinkommen werden durch den Prozess stärker ansteigen, als die Löhne zurückfallen. Insofern steigt das deutsche Sozialprodukt, der Wohlstand der Deutschen in seiner Gesamtheit nimmt schneller zu, als es sonst der Fall gewesen wäre." Sinn führt den Anstieg der Kapitaleinkommen hier ganz allgemein auf die Globalisierung zurück, ohne näher ins Detail zu gehen. Da alles vereinfachend am Anstieg des Sozialprodukts gemessen wird, kommt es scheinbar zu einem Vorteil, wenn die Kapitaleinkommen stärker wachsen als die Löhne sinken. Da von den steigenden Kapitaleinkommen jedoch nur ca. 10% der Bundesbürger profitieren, sind zwangsläufig ca. 90% der Bundesbürger die Verlierer bei sinkenden oder relativ zur Wirtschaftsleistung sinkenden Löhnen. Auch das bedeutet das Ende unseres Wirtschaftssystems. Selbst wenn man die soziale Gerechtigkeit als unerheblich einstuft, bricht die Wirtschaft trotzdem zusammen. Denn bei (relativ) sinkenden Löhnen sinkt auch die Nachfrage. Die Wirtschaft schrumpft. Denn im Gegensatz zu den Einkommen, können und wollen die wenigen Gewinner steigender Kapitaleinkommen den Nachfrageausfall von ca. 90% der Bevölkerung nicht wettmachen. Die Nachfrage sinkt und bricht in absehbarer Zeit zusammen, trotz zeitweise noch steigenden Sozialprodukts.
      Leider findet man diese Erklärungen bei Sinn nicht. Wohl aber hat Sinn die Konsequenzen der Zins-/Wachstumsfalle im Hinterkopf. Er weiß, dass, wenn die Kapitaleinkommen stärker steigen (und das ist im jetzigen fehlerhaften Geld- und Finanzsystem nicht zu verhindern) die Lohneinkommen (relativ) sinken müssen. Und Sinn ist da nicht zimperlich. Er spricht von Lohnsenkungen von 10 bis 15 Prozent und bei den einfachen Tätigkeiten gar von Lohnkürzungen bis zu einem Drittel (bei gleichzeitigen Staatssubventionen bei diesen working poor). Sie können sehen, dass die Zins-/Wachstumsfalle das alles beherrschende Thema in einem fehlerhaft konstruierten Wirtschaftssystem ist und dass es dramatische Konsequenzen hat. Es mit Lohnkürzungen à la Sinn bekämpfen zu wollen, ist schäbig und unehrlich und ohnehin keine langfristige Lösung.



      Siehe auch das Buch zum Thema

      Wer sich bei einem Buch über die Wirtschaft nur mit den Lohnkosten befasst und dabei die Kapitalkosten "vergisst", dem kann man nicht folgen, der ist nicht glaubwürdig. In der Tat finden Sie auf den 500 Seiten von Sinn keine einzige Seite über die Kapitalkosten und die explodierenden Zinslasten der deutschen Wirtschaft. Die Zinslasten sind dabei fast doppelt so hoch wie die Rentenzahlungen, also nicht wirklich trivial. Außerdem steigen sie wegen der oben dargestellten Zins-/Wachstumsfalle und des Zinseszinssystems erheblich schneller als die Wirtschaftssleistung. Sie sind damit ebenso das Krisenelement Nr. 1 wie die Staatsschulden. Wem bei den Kapitalkosten nur einfällt, die Kapitalisten zu hätscheln, statt zu vergraulen, den kann man nicht ernst nehmen. Wenn die einzigen Seiten zum Kapital darin bestehen, zu versuchen nachzuweisen, dass man Kapital nicht besteuern kann und deshalb davon Abstand nehmen sollte, verliert seine Glaubwürdigkeit. Wer die Tatsache verschweigt, dass wir mit jedem Euro Wachstum etwa vier Euro neue Schulden machen müssen, der verschweigt auch, dass wir beim Geld- und Zinssystem ein aus den Fugen geratenes System haben. Wenn wir die Systemfehler in diesem Bereich nicht beseitigen, dann ist das alleinige Setzen auf die von allen Fesseln befreiten Märkte Harakiri. Märkte können keine Systemfehler beseitigen.
      Sinn schlägt sich auch bei der Staatsverschuldung in die Büsche. Die harten Fakten werden nicht genannt, nämlich, dass die Staatsschulden wertlos sind, dass es sich hier um ein Schneeballsystem handelt, dass die Nettoneuverschuldung meist noch nicht einmal für die Zinszahlungen reicht usw. Über den falschen Weg Haushaltsausgleich und die Unmöglichkeit die Staatsschulden je zurückzahlen zu können, schweigt Sinn. Der einzige Ausweg, nämlich die Staatsschulden als wertlos zu deklarieren und zu streichen, wird nicht genannt. Obwohl Sinn bei der von ihm vorgeschlagenen beträchtlichen Senkung der Löhne und Sozialleistungen immer den tröstlichen Spruch bereit hält, dass das zwar grausam sei, aber sich in zwanzig Jahren auszahlen würde. Auch das Streichen der Staatsschulden ist grausam für die, die dem Staatsschuldenschwindel wider besseres Wissen gern aufgesessen sind. Nur anders als bei der Senkung der Löhne werden sich die Wohltaten der Streichung der Staatsschulden unmittelbar und sofort positiv bemerkbar machen. Trauen wir uns doch eine Position zu bereinigen, die nicht mehr gehalten werden kann. Das traut sich Sinn nicht vorzuschlagen. Sinn macht zur Lösung der Staatsverschuldung überhaupt keine Vorschläge.
      In einem Punkt ist Sinn überraschend ehrlich, nämlich, dass der Euro für uns erhebliche Nachteile gebracht hat. Da uns vor der Einführung des Euro das Blaue vom Himmel versprochen wurde, ist es kein Wunder, dass die Glaubwürdigkeit der sogenannten Experten bei der Bevölkerung auf Null gesunken ist. Wenn wir die Nachteile des Euro durch erhebliche Lohnsenkungen ausgleichen sollen, dann darf sich Sinn nicht wundern, dass hierzu keine Bereitschaft besteht. Wer ohnehin das gesamte Wirtschaftsgeschehen auf die Höhe der Löhne konzentriert, muss zu schiefen Lösungen kommen.
      So wird Professor Sinn seinem im Vorwort gestellten Auftrag nicht gerecht, Deutschland aus der Krise führen zu wollen. Sorry, zu kurz gesprungen, Herr Professor! Sinn und seine Armada von Helfern sind fast alle gut dotiert im (halb-) öffentlichen Dienst beschäftigt. Da hätte sich der Steuerzahler sicherlich über etwas mehr Ausgewogenheit und Substanz gefreut.

      http://www.kapitalismusfehler.de/
      Avatar
      schrieb am 27.07.04 16:09:25
      Beitrag Nr. 1.813 ()
      Avatar
      schrieb am 28.07.04 14:41:00
      Beitrag Nr. 1.814 ()
      Avatar
      schrieb am 28.07.04 15:01:06
      Beitrag Nr. 1.815 ()
      Wie weit tragen die Aktienkurse noch? drucken
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      23.7.04
      Geschrieben von Klaus Singer

      Das Finanzportal wallstreet-online meldet am Dienstag, 20. Juli, 23:11: „Microsoft will in den kommenden vier Jahren bis zu 75 Mrd. Dollar an seine Aktionäre zurückgeben. Erreicht werden soll dies vor allem durch Sonderdividenden sowie Aktienrückkäufe. Steve Ballmer, CEO des Unternehmens, begründete diese (...) Entscheidung damit, dass Microsoft einen Großteil der Rechtsstreite beigelegt habe und sich außerdem alle sieben Geschäftsbereiche im Wachstum befinden, womit das aus den vergangenen Jahren angesparte Kapital nicht mehr für das operative Geschäft benötigt werde.“

      Es gab viele Stimmen zu diesem „Golden-Noses“-Programm. Einige werten den Schritt positiv und hoffen auf einen Impuls für die Aktienmärkte insgesamt. Andere nennen es schlichtweg ein Armutszeugnis. Sie argumentieren zu recht, dass es um den weltgrößten Software-Konzern schlecht bestellt sei, wenn ihm nichts anderes einfällt, als das akkumulierte Kapital an die Anteilseigner auszuschütten.

      Ich gehe noch weiter: Es ist ein schlechtes Zeichen für die Informationstechnologie insgesamt. Anscheinend sind lukrative Betätigungsfelder für Kapital hier mittlerweile Mangelware. Kondratieff lässt grüßen! Der russische Nationalökonom hat die nach ihm benannten langen Wirtschaftszyklen gefunden, wonach eine Basis-Innovation die Wirtschaft jeweils rund 60 Jahre prägt. Kondratieff hat in umfangreichen Untersuchungen charakteristische Merkmale der insgesamt vier Phasen einer großen Bewegung herausgearbeitet, wobei er Erscheinungen auf wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Ebene ganzheitlich betrachtet hat. Der aktuelle, auf Elektronik und Halbleiter zentrierte Kondratieff-Zyklus startete um das Jahr 1950. Im letzten Viertel eines jeden solchen Zyklus, zeichnet sich immer klarer ab, dass die darauf gegründete Technologie, an die Grenzen ihrer Entfaltung stößt. Die Wirtschaft wächst nicht mehr, allmählich erlahmt die gesamte Wirtschaftstätigkeit, Krisen auf wirtschaftlicher, finanzieller und politischer Ebene nehmen ihren Lauf.

      Wir befinden uns aktuell in der vierten Phase des aktuellen Kondratieff-Zyklus. Das lässt sich an vielen Punkten ablesen, die Maßnahme von Microsoft ist in diesem Zusammenhang jedoch eine besonders deutliche Botschaft: Die herrschende Technologie hat ihre besten Zeiten hinter sich, es lohnt sich nicht mehr, hier zu investieren. Das ist der fundamentale Rahmen für den Bärenmarkt, in den die Börsen dieser Welt pünktlich zum Anbruch des 21sten Jahrhundert eingetreten sind.

      Die aktuelle Bärenmarkt-Rallye begann im Herbst 2002, bzw. im März 2003. Sie lief einer von den USA angeführten konjunkturellen Erholung voraus und sie wird zu Ende gehen, wenn das Wirtschaftswachstum seinen Zenith durchschreitet. Selbst wenn sich die Börsen, insbesondere die, an denen Aktien gehandelt werden, über weite Strecken von den fundamentalen Gegebenheiten abkoppeln können, so sehr hängt ihre langfristige Entwicklung dennoch an makroökonomischen Fakten.

      Anfang Juli sprachen noch alle von der Sommer-Rallye, der Präsidentschafts-Rallye oder irgendeiner anderen Rallye. Je mehr an diese Idee glaubten, je mehr Luft entwich aus den Kursen. Heiße Luft? Oder war es das Ausatmen vor dem Sprung nach vorne? Und: Was kommt nach einem solchen Sprung? Um diese Fragen zu klären, lohnt ein Blick auf einige makroökonomische Entwicklungen.

      Die US-Frühindikatoren sind zuletzt um 0,2 Prozent gefallen. Im Vormonat war noch eine Steigerung von 0,4 Prozent zu sehen. Die Entwicklung einer einzigen Periode ist statistisch wenig relevant. Üblicherweise benötigt man drei gleich gerichtete Periodenergebnisse in Folge, um vom Beginn eines Trends sprechen zu können. Aber dies ist ein Warnsignal.

      Das Economic Cycle Research Institute (ECRI) hat kürzlich den Trend der hauseigenen Weekly Leading Indicators (WLI) untersucht. Deren geglättete jährliche Wachstumsrate lag zwischen August 2003 und März 2004 auf einem Niveau von rund 12 Prozent gehalten. Mitte April lag sie immer noch bei neun Prozent. Von da an fielen sie kontinuierlich bis Anfang Juli auf 2,2 Prozent. Research-Direktor Anirvan Banerij sagt dazu: „Die Wachstumsrate weist sehr klar auf eine Verlangsamung hin."

      Die WLI laufen Wendepunkten in der Wirtschaft ungefähr acht Monate voraus. Sie setzen sich aus zahlreichen Einzelindikatoren zusammen. Der aktuell zu beobachtende Trend basiert auf einem breit angelegten Rückzug nahezu aller Komponenten, angefangen vom Arbeitsmarkt über die Entwicklung der Renditen bis hin zu den Rohstoffpreisen. Die WLI hatten unter anderem die Rezession 2000/2001 zuverlässig und frühzeitig angezeigt.

      Wenn der Niedergang dieses Indikators Bestand hat, weist das klar und eindeutig darauf hin, dass die Luft für die Entwicklung der Aktienkurse dünn wird. Bisher sagen sie nur, dass die Wirtschaft langsamer wächst. Aber auch damit scheint das Potenzial für die weitere Erholung der US-Wirtschaft nur noch sehr begrenzt. Das macht die Aktienmärkte anfällig für (weitere) schlechte oder auch nur durchwachsene Makrodaten. Das wiederum trifft sie in einer Zeit, in der sie sich - gemessen etwa am VIX (Volatilität), aber auch an anderen Sentimentindikationen - scheinbar vor gar nichts fürchten und voll sind von bullischen Erwartungen für eine (noch) bessere Zukunft.

      Auf einen besonders wichtigen Punkt weist Bill Gross hin. Der Managing Director der weltgrößten Kapitalanlagegesellschaft Pimco vertritt in seinem jüngsten Investment-Outlook einmal mehr die Ansicht, dass das Ungleichgewicht der globalen Wirtschaft in den vergangenen 25 bis 30 Jahren niemals größer war. Der Fall von Bretton Woods, der Aufstieg der OPEC und die Halbierung des amerikanischen Aktienmarktes seien nur die Vorboten einer solchen Entwicklung gewesen.

      Wie das - angesichts eines ordentlichen Wirtschaftswachstums, hoher Produktivität, geringer Inflation und eines sich erholenden Arbeitsmarkt? Grundsätzlich, so meint Gross, kann jede noch so gesunde Volkswirtschaft destabilisiert werden, sei es durch finanzpolitische Fehler, sei es durch äußere Einflüsse. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass solche Faktoren auf fruchtbaren Boden fallen und furchtbaren Schaden anrichten, ist bei einer instabilen - er gebraucht die Metapher „unaufgeräumten" - Nationalökonomie einfach potenziert.

      Gross spielt damit auf den Schuldenberg in den USA an, der mit insgesamt 35 Bill. Dollar aktuell gut drei mal so groß ist wie das amerikanische Bruttoinlandsprodukt. Dabei betont er besonders den Umstand, dass über die Hälfte der Schulden der öffentlichen Hand in ausländischem Besitz ist, und weist auf folgenden Sachverhalt hin: Das Handelsbilanzdefizit in Höhe von 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts führt zu einer Dollar-Abwertung. Ab einer bestimmten Größenordnung und Nachhaltigkeit wollen die Kreditgeber über höhere Zinsen einen monetären Ausgleich für entstandene Währungsverluste. Das reißt eine Kluft auf zu den künstlich niedrigen Leitzinsen, mit denen die gegenwärtige wirtschaftliche Erholung fast schon erzwungen wurde.

      Nahezu alle wichtigen Notenbanken dieser Welt - die EZB ausgenommen - haben begonnen, in einem mit Schulden überladenen Umfeld ihre Geldpolitik aus der Expansion herauszuführen. Tut man hier zu schnell zu viel oder zu lange zu wenig, induziert man enorme Instabilität in die Realwirtschaft. Wirtschaftliches Ungleichgewicht kann schnell zu Schieflagen globalen Ausmaßes führen, warnt Gross.

      Vorreiter der finanzpolitischen Umorientierung ist die Bank von England, die im März 2004 begann, die Leitzinsen anzuheben, um Luft aus der Immobilienblase zu lassen. In Japan wird eine Abkehr von der Null-Zins-Politik versucht, die den gesamten Finanzsektor des Landes pleite gehen lassen kann, wenn die Anleihepreise durch steigende Zinsen zu stark unter Druck geraten. Zudem ist das Land finanziell stark in China engagiert. Dieses aufstrebende Land hat sehr vielschichtige Probleme. Gross weist u. a. auf die Fülle von Krediten geringer Qualität hin.

      Mit dem jüngsten Zinsschritt der Fed begann auch in den USA eine neue Ära. Nicht nur der Immobiliensektor, sondern auch die Profite des Finanzsektors, die mittlerweile 40 Prozent der gesamten Unternehmensgewinne in den USA ausmachen, stehen im Risiko. Aktienmarkt, Kurs-Gewinn-Verhältnisse und Papier-basiertes Wohlergehen hängen auf Gedeih und Verderb von dauerhaft niedrigen Kosten der exzessiven Schuldenmacherei der vergangenen Jahre ab.

      Das Gebräu aus historisch höchstem Schuldenstand und künstlich niedrig gehaltenen Zinsen ist laut Gross der Hauptgrund dafür, dass die Weltwirtschaft heute verletzlicher ist als in den gesamten 25 bis 30 Jahren zuvor. Zu niedrig gehaltene kurzfristige Realzinsen führen zu Inflation auf den Asset-Märkten und ziehen beschleunigte Preissteigerungen auf den Gütermärkten nach sich. Werden die Realzinsen zu schnell erhöht, platzen die Vermögensblasen und eine Rezession folgt. Der goldene Mittelweg bewahrt zwar relative Stabilität, aber eventuelle Fehler werden vom ökonomischen System in viel geringerem Maße toleriert als in früheren Jahrzehnten. Was die gerade richtige Zinsdosis ist, verbirgt sich im Nebel. Das müssten selbst die Notenbankchefs zugeben, schließt Gross seinen „Outlook".

      Der dritte Aspekt im Hintergrund-Szenario für die Entwicklung der Aktienbörsen betrifft die Globalisierung.Sie wird für die Industrieländer zu einem ernsthaften Problem. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre hat sie neue, inzwischen leistungsfähige Wettbewerber hervorgebracht. Dies gilt besonders für die Elektronik, wo Know-how verhältnismäßig einfach transportierbar ist. So ist die Volksrepublik China heute in der Lage, fast alle Produkte des Westens mit ähnlicher Qualität, aber mindestens um ein Drittel billiger zu produzieren. Indien wiederum wird auf dem Softwaresektor stark.

      Daraus folgt ein beständiger Druck auf Preise und Gewinnmargen. Hieraus ergeben sich tendenziell sinkende Unternehmensgewinne in den Industrieländern. Das schwächt die Quelle anhaltender wirtschaftlicher Expansion nicht nur konjunkturell, sondern strukturell. Dieser Prozess und das daraus resultierende Problem ist deflationärer Natur. Es besteht wenig Aussicht, dass er nur eine vorrübergehende Erscheinung ist. Dem entspricht im übrigen die über Massenarbeitslosigkeit und Marktsättigung sinkende kaufkräftige Nachfrage, was deflationären Tendenzen weiteren Vorschub leistet.

      Hinzu kommt, wie wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den USA seit Jahren, ja seit Jahrzehnten begegnet wird. Die Fed greift dann stets zur "Wunderwaffe" einer großzügigen Geldversorgung, ob mit oder ohne Senkung der Zinssätze. Kein Wunder, dass die übrigen bedeutenden Notenbanken auf der Welt dem gleich tun. Die akuten Probleme ließen sich zwar bisher damit meistens in den Griff bekommen, aber zugrundeliegende Ungleichgewichte wurden nur überdeckt, Selbstregulierungsprozesse in der Wirtschaft hingegen praktisch außer Kraft gesetzt. Weniger leistungsfähige Anbieter können in einer solchen Situation überleben, sorgen für Überangebot, was ebenfalls auf die Preise drückt.

      Europa hat sich mit der Einführung des Euro und damit einer einheitlichen Finanzpolitik im ungünstigsten Moment eine deflationäre Zwangsjacke verordnet. Die Maastrichter Verträge lassen für die EU-Mitgliedstaaten Defizite von mehr als drei Prozent des BIP nicht zu. Damit wird der Einsatz einer aktiv gestaltenden staatlichen Wirtschaftspolitik stark erschwert.

      Die Europäische Zentralbank muss ihre Geldpolitik nach den Zahlen der Mitgliedsländer ausrichten. Die nationalen Verhältnisse sind aber völlig unterschiedlich, so dass im Ergebnis der Leitzins für die einen zu hoch, für die anderen zu niedrig ist. Während die einen Nationalwirtschaften boomen, wachsen die der Kernländer nominal noch lediglich mit 1,5 Prozent oder weniger. Der aktuelle Leitzins der EZB bleibt damit für diese Länder weiter zu hoch, die Geldpolitik deflationär.

      Wir haben bisher über makroökonomische Frühindikatoren, über die dramatische Verschuldungssituation, sowie über deflationäre Tendenzen auf den Gütermärkten gesprochen. Jetzt kommen wir zum vierten Stein in unserem Puzzle.

      Seit dem zweiten Weltkrieg wuchsen die Unternehmensgewinne in den entwickelten Industrienationen bis in die späten 1980er von Jahr zu Jahr deutlich, und zwar in der Regel synchron zum (nominalen) Bruttoinlandprodukt. Waren es in diesem Zeitraum auf diese Art und Weise jährlich rund sieben Prozent, so ist in der heutigen, weitgehend inflationsarmen Phase nur mit einem bis höchstens zwei Prozent Gewinnwachstum pro Jahr zu rechnen.

      Marktbeobachter erwarten aber immer noch deutlich höhere Raten. In den USA werden auf Sicht der kommenden fünf Jahre über 10 Prozent pro Jahr angesetzt, in Europa sind es immerhin noch über 6 Prozent. Wenn aber das Wachstum deutlich niedriger ausfällt als erwartet, stellt sich insbesondere nach den ansehnlichen Steigerungen der vergangenen Monate die Frage, ob die aktuellen Aktienkurse diesen Erwartungen entsprechen. Die Antwort ist ganz klar: Die Kurse sind schon in der relativen Betrachtung Kurs zu Gewinnentwicklung zu hoch. Das gilt aber erst recht, wenn man auch noch einbezieht, dass sich die Weltwirtschaft gemäß der Kondratieff-Zyklik kontrahiert.

      Die überreichlich vorhandene Liquidität führt zu Übertreibungen auf den Asset-Märkten. Als im Jahr 2000 die Technologie- und Telekomblase platzte, entstand alsbald eine neue, die Immobilienblase, die insbesondere in den USA und Großbritannien mittlerweile ein gefährliches Ausmaß erreicht hat. Darüber hinaus sind hierdurch in den zurückliegenden Monaten auch die Preise fast aller anderen Asset-Klassen, wie Anleihen, Aktien, Gold, Rohstoffe oder Euro, kräftig gestiegen.

      Das ist ungewöhnlich, normalerweise verhalten sich einige dieser Anlageformen eher konträr zueinander. Aber durch die ungeheure Liquidität wurden normale und logische Preisbildungsprozesse geradezu überschwemmt, die Flut riss alles mit sich. Diese Mechanismen dürften allerdings nicht mehr lange ausgeschaltet bleiben. Sobald die Zinsen steigen, wird die Liquidität eingeschränkt. Die Flut ebbt ab, die Asset-Preise werden wieder stärker den normalen Bildungsprozessen unterliegen. Die Trends beginnen, sich zu teilen. Liquiditätsgetriebene werden auslaufen, fundamental begründete gewinnen an Dynamik.

      Die Entwicklung der Kapitalmarktrenditen in den USA muss jetzt besonders sorgfältig beobachtet werden. Z. B. über den von Gross hervorgehobenen Zusammenhang mit den ausländischen Kreditoren der amerikanischen Staatsschulden könnte vor allem der Immobilienmarkt unter Druck kommen. Das wiederum hätte über nachlassende Konsumbereitschaft erhebliche Auswirkungen auf den Verlauf der wirtschaftlichen Erholung in den USA. Hiervon könnten sich die anderen Volkswirtschaften der Welt aufgrund der engen Verflechtungen und der Pacemaker-Funktion der amerikanischen Wirtschaft kaum nennenswert abkoppeln.

      Damit erscheint die Antwort auf Frage, ob den Aktienmärkten gegenwärtig heiße Luft entweicht, klar. Jawohl, es entweicht heiße Luft, aber gleichzeitig dürften die Märkte noch einmal zum Sprung auf die zuletzt markierten Hochpunkte ansetzen. Dies legt u. a. die Prognosemethode der TimePatternAnalysis (www.timepatternanalysis.de) nahe. Auffallend ist dabei, dass die Technologie dabei eher nachläuft – ein eindeutiges Warnzeichen, das auch sich in der vergleichsweise schwachen Entwicklung des Halbleiterindexes SOX schon früh gezeigt hatte.

      Wie weit ein Aufwärtsschub die Aktienmärkte noch tragen könnte, wird wesentlich davon abhängen, wie sich das Rendite-Niveau in den USA entwickelt.

      Vom reinen, langfristigen „Kondratieff-Standpunkt“ aus sollte man den Aktienmärkten insgesamt noch auf einige weitere Jahre mit äußerster Skepsis begegnen.

      Klaus Singer

      Die angerissenen Gedankengänge und noch viel mehr sind Gegenstand eines neuen Buches. „Weltsichten – Weitsichten“ von Robert Rethfeld und Klaus Singer erscheint Ende Juli im FinanzBuch Verlag. Informationen gibt es unter www.timepatternanalysis.de. Bestellen kann man gleich unter:

      "Weltsichten-Weitsichten"
      http://www.zeitenwende.ch/page/index.cfm?SelNavID=478&NewsIn…
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      schrieb am 28.07.04 15:15:58
      Beitrag Nr. 1.816 ()
      Warum das heutige Geldsystem sich nicht neutral verhält
      Norbert am Tuesday, 27. July 2004, 19:52


      http://www.feldpolitik.de/feldblog/item.php?i=198
      (Als Reaktion auf den in der Frankfurter Rundschau erschienen Artikel "Eine rein angebotsorientierte Wirtschaftspolitik führt in die Irre")

      In der heutigen Mainstream-Wirtschaftswissenschaft herrscht der Glaube, Geld sei „neutral“. Es soll damit gesagt werden, Geld bevorzuge oder benachteilige niemanden der Wirtschaftsteilnehmer. In erster Linie bezieht sich dies auf den Marktmechanismus, also den Mechanismus, welcher Angebot und Nachfrage mit Hilfe eines in Geld bemessenen Preises ins Gleichgewicht bringt.

      Stellt man diesen Mechanismus als ein System dar, so sieht dies etwa so aus:



      Die senkrechten Pfeile zeigen dabei an, ob Nachfrage bzw. Preis für eine beliebige Ware sinken oder steigen. Die waagerechten bzw. schrägen Pfeile sind dabei die Anzeige dafür, wie das System auf eine Änderung von Nachfrage oder Preis reagiert. Bei steigender Nachfrage nach einer Ware steigt also der Preis selbiger. Wenn viele Leute eine Ware kaufen wollen, aber das Angebot (über das bisher noch keine Aussage gemacht wurde) konstant bleibt, so können die Verkäufer einen höheren Preis verlangen. Steigt jedoch der Preis, so sinkt die Nachfrage – denn steigende Preise schrecken natürlich jene Nachfrager ab, denen die Ware dann doch zu teuer ist. Die Nachfrage ist also an den Preis gekoppelt und zwar so, dass eine steigende Nachfrage zu höheren Preisen und dadurch wieder zu sinkender Nachfrage führt. Dieser Mechanismus korrigiert sich also selbst, indem er antizyklisch wirkt.
      Bei sinkender Nachfrage wirkt dies genauso, denn sie führt bei weiterhin konstantem Angebot zu sinkenden Preisen. Schließlich sind Waren nicht ewig haltbar, der Anbieter steht unter einem gewissen Angebotsdruck und geht deshalb bei sinkender Nachfrage mit den Preisen herunter. Der sinkende Preis allerdings zieht wiederum neue Nachfrager an. Nachfrage und Preis stellen hier also ein negativ rückgekoppeltes System dar.

      Ergänzt man diesen „halben“ Marktmechanismus um das Angebot, wird aus dem einfach rückgekoppelten Mechanismus ein doppelt rückgekoppelter.



      Angebot und Nachfrage sind jetzt über den in Geld gemessenen Preis miteinander gekoppelt. Steigt die Nachfrage, steigt der Preis. Diese Preissteigerung löst jedoch 2 Gegenreaktionen aus. Zum einen wird die Nachfrage gedämpft und zum anderen wird der Anreiz, mehr Angebote zu machen, verstärkt. Weil die Nachfrage steigt wird also das Angebot erhöht – der Marktmechanismus ist ein sich selbst organisierendes System mit dem Ziel, die Bedürfnisse der Marktteilnehmer möglichst effizient zu erfüllen.

      Der Irrtum der Wirtschaftswissenschaft liegt darin, dass sie diesen idealisierten Mechanismus als real annimmt. Das ist er nicht. Einfluß auf den Preis hat nämlich nicht nur Angebot und Nachfrage, sondern beispielsweise auch die Menge des vorhandenen Geldes. Haben 2 Marktteilnehmer nur 10 Euro dabei, so können sie gar keine Preise verlangen, die höher als 10 Euro sind. Die Menge des Geldes hat also ebenfalls Einfluß auf den Preis. Stellt man sich vor, dass die Marktteilnehmer aber bestimmte Mindestvorstellungen von den zu erzielenden Preisen haben, beispielsweise 11 Euro, so findet ein Handel nur deshalb nicht statt, weil nicht genug Geld vorhanden ist. Selbst wenn also zwei Marktteilnehmer wirklich die Dinge haben, die der jeweils andere benötigt, so findet kein Handel statt, wenn die Nutzung von Geld verpflichtend ist (in unserer arbeitsteilig organisierten Wirtschaft geht dies kaum anders) aber nicht genug Geld da ist.

      Der andere Punkt der Nicht-Neutralität des heutigen Geldes besteht darin, dass ein Anbieter von Waren immer unter Angebotsdruck steht. Jede Ware wird im Laufe der Zeit schlecht oder veraltet technisch. Jede Sekunde in der ein Lohnarbeiter seine Arbeitskraft nicht anbieten kann ist aus seiner Sicht ein Nicht-Absetzen seiner Arbeitskraft. Geldbesitzer dagegen unterliegen keinem Angebotsdruck. Geld wird ja nicht schlecht, jeder Geldbesitzer kann warten, bis dem Lohnarbeiter der sprichwörtliche Arsch auf Grundeis geht um die Preise zu drücken. Essen müssen wir alle – wir sind alle abhängig! Und hier spricht die Mainstream-Wirtschaftswissenschaft (noch) von Geld-Neutralität, als wäre der Geldbesitzer dem Warenbesitzer gleichgestellt. Ganz offensichtlich ist dies nicht der Fall, der Geldbesitzer besitzt Macht, der Warenbesitzer ist von dieser Macht abhängig. Das heutige Geldsystem ist nicht neutral, Norbert Olah hat diesbezüglich von dem größten Selbstbetrug der Volkswirtschaftler (oder so ähnlich) gesprochen.

      Diese Nicht-Neutralität des Geldes hat verheerende Auswirkungen. Sie torpediert nämlich den gesamten Marktmechanismus. Wenn Geld nicht neutral arbeitet, aber im Marktmechanismus Geld zwingend nötig ist, so kann der Marktmechanismus nicht optimal arbeiten. Da aber auf allen Märkten Geld vertreten ist, kommt es somit nicht zu einem singulären Marktversagen, sondern zu einem totalen Marktversagen: Bei der Nutzung des heutigen Nicht-Neutralen Geldsystems versagen ALLE MÄRKTE. Es versagen Warenmärkte ebenso wie Arbeitsmärkte. Der Kapitalismus ist keine Marktwirtschaft, er ist eine Machtwirtschaft – eben unter anderem aufgrund der Nicht-Neutralität des Geldes, welche dem einen Macht gibt und sie zugleich dem anderen nimmt.

      Die Nicht-Neutralität des Geldes hat entsprechend weitere Auswirkungen, speziell auf dem Geldmarkt selbst. Dort vollzieht sich eine sonderbare Sache, die die meisten Menschen derzeit noch für normal halten: Wer Geld hat, bekommt noch mehr Geld. Die Nicht-Neutralität des Geldes führt zum Zins und damit zur Sklaverei im Kapitalismus. Das Wort Sklaverei gebrauche ich um deutlich zu machen, dass immer nur dann eine Person etwas ohne Arbeit erhalten kann („der Herr“), wenn ein anderer arbeitet, ohne dafür etwas zu erhalten („der Sklave“). Jede Zinszahlung, die aus der Nicht-Neutralität des Geldes resultiert, lässt Geld und damit Leistungsansprüche zu jenen fließen, die bereits Geld übrig haben – und erarbeiten müssen dieses Geld und damit die Leistungserfüllung jene, die es sich borgen mussten. Da jegliche Kosten, also auch Zins- und Kapitalkosten, in der Wirtschaft auf die Endverbraucherpreise umgelegt werden, zahlt zum Schluß jeder Wirtschaftsteilnehmer Zinsen und ist somit Sklave. Willkommen in der Sklaverei!

      Die Annahme der Neutralität von Geld ist somit die Aufrechterhaltung der Sklaverei. Nur ein neutrales Geld kann aus Sklaven freie Bürger machen. Freigeld für alle...!

      (Aber das ist natürlich nur meine fehlgeleitete Meinung, längst nicht Die Wahrheit (tm))

      Seminare zu dem Thema gibts die kommenden Tage von Samstag bis Mittwoch aber nicht Dienstag jeweils 9:30 Uhr im Rahmen der Attac Sommerakademie in Dresden. Ich werde Samstag was über die Zusammenhänge zwischen Geldkritik und Kapitalismuskritik und am Mittwoch über die Vision und den Nutzen regionaler Währungen erzählen.
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      schrieb am 29.07.04 01:09:54
      Beitrag Nr. 1.817 ()
      Studie

      Arbeit macht krank

      Der Stress nimmt zu, die Arbeit wird mehr, und die Zeit, sie zu erledigen, kürzer. Ist doch fast überall das Gleiche? Genau, und jetzt haben wir`s schriftlich.

      Von Michael Kläsgen




      Die Studie kommt zwar von einem gewerkschaftsnahen Institut, repräsentativ ist sie aber dennoch. Insgesamt 2200 Betriebe und 1400 Personalräte hat das Düsseldorfer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) befragt und kam anschließend zu dem Ergebnis: Seit fast zehn Jahren wird das Arbeiten in Deutschland ungesünder. Der Stress nimmt zu, die Arbeit wird mehr, und die Zeit, sie zu erledigen, kürzer. In neun von zehn Betrieben ist das so, ergab die Umfrage.

      Den meisten Arbeitnehmern dürfte das aus dem Herzen sprechen. Aber die Forscher der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichten die Daten nicht aus diesem Grund. Die Umfrage platzt vielmehr in eine Zeit, da über längere Arbeitszeiten diskutiert wird, um Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. "Dabei hat noch vor etwa sechs Jahren eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey ergeben, dass die Produktivität umso höher ist, je kürzer die Arbeitszeit ist", sagt Claus Schäfer, der beim WSI für die Erhebung verantwortlich ist. Das Ziel der Forscher ist es, diese Debatte mit ihrer Studie zu konterkarieren. Zumindest ist das ein gewünschter Nebeneffekt.

      Kein Interesse

      In erster Linie wollen die Wissenschaftler aber darauf hinweisen, dass sich gerade einmal die Hälfte aller Betriebe überhaupt um die Gesundheit ihrer Arbeitnehmer kümmert. Je kleiner die Firma, desto geringer das Interesse daran. Der Bundesverband Deutscher Arbeitgeber bestätigt dies indirekt. Der Verband hat noch nie eine Studie darüber angefertigt, ob die jeweiligen körperlichen oder psychischen Belastungen in einem Unternehmen die Mitarbeiter schädigen könnten.

      Dabei fordert das Arbeitsschutzgesetz die Firmenchefs seit 1996 dazu auf, regelmäßig zu prüfen, wie stark die Beschäftigten gesundheitlich an ihrem Arbeitsplatz beansprucht werden. Dass solche "Gefährdungsbeurteilungen" selten erstellt werden, führt das WSI darauf zurück, dass Gesundheitsvorsorge in den meisten Betrieben überhaupt kein Thema ist.

      Ganz abgesehen davon, dass sich Stress schlecht messen lässt, und das Interesse daran, ihn festzustellen, auf Arbeitgeberseite nicht außerordentlich groß sein dürfte. Kein Wunder, dass nur 14 Prozent aller befragten Firmen Betriebsvereinbarungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz haben.

      Kostenfrage

      Dass die Umfrage des WSI eine so große Wirkung hat, überrascht. Denn streng genommen ist es nur auf eine Kampagne aufgesprungen, die die Bundesregierung und die Industriegewerkschaft Metall getrennt voneinander seit längerem führen – allerdings ohne sichtbaren Erfolg.

      Weil sich die Düsseldorfer Forscher damit nicht zufrieden geben, werfen sie nun die Frage auf, ob das Arbeitsschutzgesetz denn tatsächlich seinen Zweck erfüllt, solange es auf der Freiwilligkeit der Unternehmen basiert und diese nicht zu einer innerbetrieblichen Gesundheitspolitik verpflichtet.

      Denn die Studie ergab: Nur jede achte Firma hat von sich aus vorbeugende Maßnahmen gegen die Überlastung ihrer Mitarbeiter ergriffen. Kurzum: Im Prinzip steckt hinter der Erhebung des Instituts die Forderung nach einer Reform des Arbeitsschutzgesetzes. Dass es bald dazu kommen wird, bezweifeln die Forscher. Denn in Anbetracht der Wirtschaftslage scheuten die Arbeitgeber wohl die Kosten.

      (SZ vom 28.7.2004)

      http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/erfolggeld/artikel/88…
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      schrieb am 29.07.04 01:15:23
      Beitrag Nr. 1.818 ()
      Viele Arbeitslose müssen Krankenkasse künftig selbst zahlen

      Berlin (dpa) - Viele Langzeitarbeitslose werden sich nach Einführung des Arbeitslosengeldes II ab 2005 aus eigener Tasche krankenversichern müssen. Zudem müssen sich Bezieher von Arbeitslosenhilfe darauf einstellen, dass sie wegen der Umstellung auf das neue Arbeitslosengeld (ALG) II im Januar kein Geld erhalten.




      Beide Sachverhalte bestätigte Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) in Berlin. «Wer nicht bedürftig ist, bekommt auch keine öffentliche Unterstützung», sagte Clement. Es sei «schwer zu schätzen», wie viele Langzeitarbeitslose ihre Krankenversicherung selber bezahlen müssten. Seine Sprecherin Andrea Weinert ergänzte: Wenn nach Prüfung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse fest stehe, dass keine Bedürftigkeit vorliege, «dann ist auch sicher gestellt, dass das Einkommen reicht, um auch die Krankenkassenbeiträge zu zahlen».


      Die «WAZ» hatte berichtet, zehntausende Arbeitslose müssten sich von Januar an selbst krankenversichern, weil sie nicht als bedürftig gälten und deshalb auch nicht das neue Arbeitslosengeld II erhielten. Als Mindestbeitrag nannte das Blatt monatlich 115 Euro. Nur jene Arbeitslosen müssen keinen Eigenbeitrag bezahlen, deren Ehepartner beitragspflichtig beschäftigt sind. In diesen Fällen gilt die kostenlose Familienmitversicherung.


      Beim umstrittenen Zahlungstermin für das ALG II kann Clement keine durch die Umstellung verursachte Zahlungslücke erkennen. Eine Änderung stellte er deswegen nicht in Aussicht. Dies stieß bei den Grünen auf Widerspruch, die das «nicht durchgehen lassen wollen». Sie wollen Ende August bei einem Gespräch der Koalitionsspitzen auf eine Änderung dringen.


      Bei der Kabinettsklausur in Neuhardenberg vor knapp drei Wochen hatte Clement eine Überprüfung der Regelung angekündigt. Arbeitslose, die bisher schon Arbeitslosenhilfe beziehen, erhalten danach im Januar 2005 keine Unterstützung.


      Das liegt daran, dass die Arbeitslosenhilfe zum Monatsende ausgezahlt wird, also letztmalig Ende Dezember 2004. Mit diesem Geld müssen Betroffene ihre Ausgaben im Januar bestreiten. Das neue ALG II wird wie auch die bisherige Sozialhilfe zu Beginn des Monats gezahlt, für den betroffenen Personenkreis dann also erst Anfang Februar.


      Clement sagte, die Zahlungsumstellung sei notwendig, um eine «einheitliche Handhabung» zu erreichen. Dies sei «auch gerecht». Es sei sichergestellt, dass jeder sein Auskommen habe. «Es wird niemand abstürzen», sagte der Minister. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) wies Befürchtungen zurück, ALG II führe zu neuer Armut.


      BA-Vorstand Heinrich Alt sagte, unter dem Strich verdiene ein Langzeitarbeitsloser in einer subventionierten Beschäftigung netto mehr als manche fest angestellte Verkäuferin in Ostdeutschland brutto. Die Grundsicherung in Höhe von 345 Euro werde durch den Zuverdienst von bis zu zwei Euro pro Stunde nahezu verdoppelt. Zusätzlich erhalte jeder Betroffene bis zu 400 Euro Zuschuss für Miete und Heizkosten.


      Die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen durch die Kommunen gefährdet nach Ansicht des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger die Existenz von Kleinunternehmen. «Besonders in Ostdeutschland würden kommunale Beschäftigungsagenturen mit ihren subventionierten Sonderkonditionen die ganze Struktur an kleinen Unternehmen kaputtmachen», sagte das Mitglied des Sachverständigenrats zur Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung dem Unternehmermagazin «ProFirma» (August-Ausgabe).

      http://www.sueddeutsche.de/ticker/iptc-bdt-20040728-418-dpa_…
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      schrieb am 29.07.04 01:23:49
      Beitrag Nr. 1.819 ()
      Inland
      Till Meyer

      Ausgebeutet zum Nulltarif

      Arbeitsagenturen vermitteln Arbeitslose zu Trainingsmaßnahmen, die niemand bezahlt


      Seit über einem Jahr ist der 53jährige Berliner Tischlermeister Harald K.* arbeitslos. Obwohl der Handwerksmeister in seinem Berufsleben über 30 Jahre lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, bekommt er weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe. Der Grund dafür: 1997 hatte Harald K. versucht, sich mit einer kleinen Holzbaufirma selbständig zu machen. »Meine Finanzdecke war aber zu dünn, ich konnte nur bis 2003 durchhalten und habe in der Zeit als Selbständiger auch keine Arbeitslosenversicherung bezahlt«, erzählt er.

      Wer aber über 30 Monate aus der Arbeitslosenversicherung ausgeschieden ist, hat keinen Anspruch mehr auf Leistungen der Agentur für Arbeit. So geht Harald K. nicht nur mehrmals im Monat zu seiner zuständigen Arbeitsagentur Berlin-Südwest, um nach Arbeit zu fragen, sondern genauso oft auch zum zuständigen Sozialamt. Denn er ist jetzt Sozialhilfeempfänger. Das Sozialamt verlangt von ihm »den Nachweis von mindestens 20 Arbeitsbemühungen monatlich«, wie es in einem Schreiben des Sozialamtes heißt. Kann Harald K. diesen »Nachweis« nicht erbringen, so das Sozialamt weiter, »führt das nach § 25 Abs.1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zum Verlust des Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt«. »An die 30 Bewerbungen schreibe ich monatlich und verschicke sie durch die ganze Bundesrepublik, aber bisher ohne Erfolg.« Dabei hat Harald K. beste Referenzen: Fast 15 Jahre war er im öffentlichen Dienst als Fachlehrer in der Berufsvorbereitung für Sonderschüler oder solche Jugendlichen tätig, die keine Lehrstelle gefunden haben.

      Im Februar dieses Jahres setzte sich Harald K. wie so oft an den Computer in seinem Arbeitsamt und ging die dort angebotenen Stellen durch. Eine Offerte interessierte ihn: Gesucht wurde da ein Tischlermeister, der im Umgang und in der Ausbildung mit Jugendlichen über Erfahrung verfügt. Ausgeschrieben hatte die Stelle die Arbeitsagentur Berlin-Mitte. Welche Firma den Tischlermeister aber suchte, war aus dem Stellenangebot nicht zu erfahren. Die Bewerbungsunterlagen mußten direkt an die Agentur für Arbeit Berlin Mitte geschickt werden. Harald K. bewarb sich mit allen Unterlagen, Zeugnissen und Referenzen: »...hiermit bewerbe ich mich als Tischlermeister und Ausbilder. In meiner beruflichen Tätigkeit habe ich Kenntnisse und Erfahrungen in der Ausbildung mit Jugendlichen ...« Damit hatte er Erfolg. Die zuständige Sachbearbeiterin in Mitte legte dem Tischler mehrere Fragebögen vor, ohne aber zu sagen, wer denn der neue Arbeitgeber sein würde. Statt dessen erklärte sie ihm, daß er 14 Tage in der noch unbekannten Firma in »einer Maßnahme zur Eignungsfeststellung« arbeiten sollte. Das sei eine Voraussetzung dafür, daß er diese Stelle bekommen könne.

      »Das kam mir zwar komisch vor, aber ich hatte ja keine Wahl, schließlich wollte ich die Arbeit. Außerdem verlangte das Sozialamt, daß ich diese Maßnahme mitmache«, erinnert sich Harald K. So unterschrieb er die Fragebögen zur Eignungsfeststellung. Kurz darauf erhielt Harald K. den Anruf der Firma »Pro Maxx« aus dem Berliner Wedding. Ja, erklärte ein Herr Specht, er könne von 22. März 2004 an für zunächst zwei Wochen bei ihnen die Arbeit aufnehmen. »Pro Maxx« ist ein Unternehmen, das unter anderem im sozialpädagogischen Bereich tätig ist, kommerzielle Schulungen und Seminare durchführt, aber auch sogenannte randständige Jugendliche betreut. Harald K. sollte als Ausbilder mit solchen Jugendlichen eine kleine Möbeltischlerei aufbauen. Er fühlte sich in seinem Element: Was wird gebraucht, wie wird eingerichtet, was wird gebaut? Harald K. entwickelte alles: »Ich habe da zwei Wochen gute Arbeit geleistet, und es hat mir auch Spaß gemacht.«

      Dennoch teilte ihm Pro Maxx am 27. April brieflich mit: »Leider haben wir uns für einen anderen Bewerber entschieden.« Für die vierzehn Tage Arbeit hat Harald K. nicht einen Pfennig Aufwandsentschädigung erhalten und nicht einmal das volle Fahrgeld ersetzt bekommen. Die Jugendlichen erzählten ihm, daß es vor ihm bereits einem Zimmermannsmeister genauso ergangen war. Wenn er daran denkt, wird er noch heute wütend: »Wieso dürfen von der Bundesagentur vermittelte Facharbeiter von kommerziellen Unternehmen umsonst ausgenutzt werden«? Für den Gewerkschafter ist das ein unerhörter Vorgang: »Seit kurzem wollen die Arbeitgeberverbände und Konzerne, daß Probezeiten und Einarbeitungszeiten niedriger oder gar nicht mehr bezahlt werden. Das Arbeitsamt praktiziert das schon. So geht das doch nicht.«

      Das sieht offenbar auch die Rechtsabteilung seiner Gewerkschaft, der GEW, so. In einer harschen Beschwerde der GEW-Landesrechtschutzstelle an die Agentur für Arbeit Südwest heißt es: » (...) Sicherlich steht es dem Arbeitgeber frei, aus der Vielzahl von Bewerbern auszuwählen, doch können wir uns hier nicht des Eindrucks erwehren, daß ein Betrieb die Gelegenheit nutzt, kostenfrei Dienstleistungen zu erhalten (...) Wir erwarten die Bewilligung des von unserem Mitglied beantragten Fahrgeldes und der Aufwandsentschädigung.«

      Bei den Gewerkschaften kennt man das Problem. »Wir bekommen immer wieder Beschwerden von Kollegen, die zumeist vierzehn Tage, manchmal auch länger von den Arbeitsagenturen über sogenannte Trainingsmaßnahmen in die Betrieb geschickt werden, wo sie dann normale Arbeit machen«, heißt es z. B. bei ver.di. Wie viele so ausgenutzte Arbeitsuchende tatsächlich nach der Fronarbeit den Job bekommen haben, konnte auch bei ver.di niemand beantworten. Die Agentur für Arbeit in Berlin-Mitte wollte keinen Einzelfall kommentieren.

      * Name von der Redaktion geändert
      http://www.jungewelt.de/2004/07-29/014.php
      Avatar
      schrieb am 29.07.04 01:27:26
      !
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      Avatar
      schrieb am 29.07.04 01:30:00
      Beitrag Nr. 1.821 ()
      Kommentar
      Rainer Balcerowiak

      Hundt setzt auf SPD

      Unternehmerverbände in der Offensive


      Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, gab sich am Mittwoch bei seiner Pressekonferenz zur Bilanz der Tarifrunden in 2004 wenig Mühe, seine Zufriedenheit und Siegeszuversicht zu verbergen. In der Tat haben die Unternehmerverbände seit Bestehen der Bundesrepublik keine besseren politischen Rahmenbedingungen für die Durchsetzung ihrer ökonomischen und gesellschaftlichen Ziele vorgefunden als unter der amtierenden SPD-Grünen-Regierung. Die Erfolgsbilanz kann sich dementsprechend sehen lassen. Handzahme Gewerkschaften haben die Zerschlagung der Flächentarifverträge und die Einschränkung der Tarifautonomie faktisch widerstandslos hingenommen. Ähnlich verhält es sich bei der aktuellen Offensive für massive Lohnsenkungen mittels Arbeitszeitverlängerung.

      Die Regierung hat sowohl durch ihre Steuer- wie auch durch ihre Sozialpolitik die Umverteilung von unten nach oben beschleunigt und das Kapital bei der Beteiligung an der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme und der öffentlichen Infrastruktur bereits deutlich entlastet. Durch die Zwangsarbeitsbestimmungen in den Hartz-IV-Gesetzen wird Lohndumping mittels staatlicher Repression durchgesetzt.

      Hundt und seine Kollegen wissen also ganz genau, was sie an ihrer SPD haben, und die gebetsmühlenartigen Warnungen der SPD-nahen Gewerkschaftsführungen vor einer »noch schlimmeren« CDU-Regierung taugen vielleicht für die Mobilisierung emotionaler Reflexe gegen die vermeintlich »noch unternehmerfreundlicheren« Unionsparteien, halten einer nüchternen Betrachtung aber nicht stand. Nicht nur mögliches Anwachsen des sozialen Widerstandes, sondern auch das zu erwartende heftige Aufbrechen innerkapitalistischer Widersprüche könnten besonders für das von der Schröder-Regierung gehätschelte global agierende Großkapital einiges Ungemach mit sich bringen. Die jetzt praktizierte demonstrative Ignoranz gegenüber der desolaten Binnenkonjunktur trifft nämlich besonders die klassische CDU-Mittelstandsklientel ins Mark und wäre von einer unionsgeführten Regierung kaum durchzuhalten. Schließlich dürfte so langsam auch dem konservativsten Handwerksmeister oder Einzelhändler aufgegangen sein, daß die – in dieser Schicht in der Regel durchaus begrüßten – »Sozialreformen« zu einem existenzbedrohenden Verlust an Massenkaufkraft führen. Das heißt natürlich nicht, daß eine CDU-Regierung auch nur einen Deut sozialer als Schröders turboliberale Truppe eingestellt wäre. Aber sie könnte mehr Probleme bekommen.

      http://www.jungewelt.de/2004/07-29/002.php
      Avatar
      schrieb am 29.07.04 01:34:35
      Beitrag Nr. 1.822 ()
      »Es wird niemand verarmen, niemand abstürzen, sondern die Menschen werden besser vermittelt«.


      Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement

      Es gibt also nur ein Vermittlungsproblem,
      Arbeitsplätze sind wie Sand am Meer vorhanden!
      Avatar
      schrieb am 29.07.04 01:50:53
      Beitrag Nr. 1.823 ()
      Inland
      Rainer Balcerowiak

      Feierlaune bei der BDA

      Arbeitgeberpräsident Hundt zeigt sich zufrieden mit der »Flexibilität« der Gewerkschaften


      Sichtlich zufrieden präsentierte sich der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Berlin. Ausgehend von einer Zwischenbilanz zu den Tarifabschlüssen im laufenden Jahr, legte der BDA-Präsident seine Vorstellungen einer »neuen Tarifautonomie« dar. Die Tariflandschaft habe sich 2004 »bemerkenswert positiv« entwickelt, so Hundt. In vielen Abschlüssen seien mehr betriebliche Gestaltungsspielräume unter Ausschaltung der Tarifparteien und erweiterte Öffnungsklauseln enthalten. Die Entgeltanhebungen hätten sich mit durchschnittlich 1,5 Prozent in einem »vertretbaren Rahmen« bewegt. Nullrunden wie in der Bauwirtschaft seien ein »Sieg der Vernunft« gewesen. Lediglich der Abschluß der Metall- und Elektroindustrie stelle mit einer Erhöhung um 2,7 Prozent eine »schwer verkraftbare Kostenbelastung« dar. Niemand solle sich wundern, daß deshalb »gerade in dieser Branche der Bedarf für abweichende Regelungen noch größer geworden ist«, erklärte der BDA-Chef unter Hinweis auf die aktuellen Vereinbarungen bei Siemens und DaimlerChrysler. Es sei auf dem »Weg in eine neue Kultur der Tarifpartnerschaft« allerdings kontraproduktiv, wenn bei derartigen Verhandlungen »öffentliche Begleitmusik bestellt wird«. Betriebliche Verhandlungen wie bei den genannten Betrieben gehörten jedenfalls nicht »auf die Titelseiten der Zeitungen«. Die Gewerkschaften hätten da noch einen »Prozeß der Umstellung« vor sich. Die BDA registriere immer noch »teilweise ideologische und radikale überbetriebliche Blockaden«.

      Hundt stellte klar, daß es bei Abweichungen von Tarifverträgen keineswegs nur um »wirtschaftliche Härtefälle« ginge, sondern um eine »neue, tarifpolitisch gewollte Beweglichkeit zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit«. Mehrarbeit ohne Lohnausgleich, wie jüngst in zwei Siemens-Werken vereinbart, sei dabei eine wichtige Option.

      Hundt betonte, daß ihm »pauschale Gewerkschaftsschelte« fern liege. In den meisten Betrieben registriere man eine »konstruktive Mitwirkung und eine pragmatische Haltung« der Gewerkschaften. Er wolle den »sozialen Grundkonsens« in Deutschland erhalten, in dem auch Gewerkschaften ihren Platz hätten.

      Auf Nachfragen äußerte sich Hundt auch zu anderen arbeitsmarktpolitischen Themen. Der aktuellen Debatte über den Kündigungsschutz habe er wenig hinzuzufügen, denn es sei eine »Uraltposition der BDA«, für dessen Lockerung einzutreten. Konkret fordere der Verband die Erhöhung der Betriebsgrößengrenze, ab der der Kündigungsschutz greift, auf 20 Mitarbeiter sowie seine Aussetzung in den ersten 36 Monaten eines Arbeitsverhältnisses und seine Abschaffung für ältere Beschäftigte. Umfragen in seinem Verband hätten eindeutig ergeben, daß der Kündigungsschutz in seiner jetzigen Form »eine der wichtigsten Beschäftigungshürden« darstelle.

      Die Diskussionen über ein mögliches Scheitern des »Ausbildungspaktes« zur Schaffung von Lehrstellen halte er für wenig hilfreich. Er könne versichern, daß die Wirtschaft alle erdenklichen Anstrengungen unternehme, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Allerdings sei nicht auszuschließen, daß es trotzdem auch in diesem Herbst »unversorgte Bewerber gibt«.

      Viel Lob hatte Hundt für die Bundesregierung übrig. Die »Agenda 2010« sei ein wichtiges und richtiges Vorhaben auf dem Weg in eine Gesellschaft, die von »mehr Eigenverantwortung und weniger staatlicher Rundumversorgung« geprägt sei. BDA-Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner hob besonders die Verpflichtung für Empfänger des Arbeitslosengeldes II hervor, auch für Stundenlöhne von einem Euro arbeiten zu müssen. Dies sei unerläßlich, um deren Arbeitswilligkeit zu testen, so Göhner.

      Unverschämtheit hoch 3, Für 1 € kann er seine Arbeitswilligkeit testen. Menschenwürde und UN Menschrechtkonvention ist für Ihn ein Fremdwort.
      Soll er doch direkt die Sklavenarbeit fordern, um die Arbeitswilligkeit zu testen. Ja, Arbeit macht frei?
      Die Qualität der 1€ Arbeit kann sich bestimmt sehen lassen.:mad::mad:


      http://www.jungewelt.de/2004/07-29/012.php
      Avatar
      schrieb am 29.07.04 19:31:14
      Beitrag Nr. 1.824 ()
      Praxisgebühr
      Patientinnen zu Unrecht abkassiert


      SWR | 27.07.2004 | 21.55







      Eintrittsgeld beim Arzt ist für die Versicherten mittlerweile zur Routine geworden. Die Praxis-Gebühr sollte sie vom Doktor-Hopping und angeblichen Facharztwahn kurieren. Seit ihrer Einführung ist die die Zahl der Arztbesuche bereits um 8 Prozent gesunken. Doch häufig wird die Praxis-Gebühr von 10,- € zu Unrecht kassiert. Das zeigt zumindest ein [plusminus-Test bei 30 Frauenärzten im Rhein-Main Gebiet.

      Bei einer Krebsvorsorgeuntersuchung, bei der eigentlich die Gebühr entfällt, gibt es auf Nachfrage immer wieder eine ähnliche Auskunft. Eine reine Vorsorge gebe es so gut wie gar nicht, oder man müsse sich auf eine äußerst kurze Begegnung mit dem Arzt gefasst machen. Doch das stimmt nicht mit den gesetzlichen Regelungen überein. Was zur Vorsorge gehört, ist nicht nur bereits seit Jahren festgelegt, sondern im Umfang sogar erweitert worden. Doch einige Praxen behaupten, die Leistung sei nicht mehr die gleiche wie früher und kassieren munter Praxisgebühr. Eine Sprechstundenhilfe gibt sogar unumwunden zu, dass man sich dabei mit anderen niedergelassenen Ärzten abgesprochen habe. Und tatsächlich, nur in drei Praxen steht nach langer Diskussion ein Termin ohne Gebühr zur Verfügung. Alle anderen 27 wollen dagegen kassieren. Zwölf davon sind besonders dreist und behaupten, es ginge gar nicht ohne. Die übrigen versuchen es mit fadenscheinigen Begründungen.

      Vorsorgeleistungen festgelegt

      Fehlinformation gibt es nicht nur bei der Voranmeldung, sondern auch vom Arzt selbst. In der Stichprobe von [plusminus griffen die Mediziner größtenteils zu Ausflüchten und teilweise sogar krassen Falschaussagen. So behauptete ein Arzt, er dürfe ohne Gebühr nicht einmal mit der Patientin reden: Abstrich nehmen und Anziehen, so sähe der Service dann aus.
      Unverständlich, denn eigentlich müsste der Arzt wissen, dass neben dem Abstrich sowohl ein Gespräch als auch eine Untersuchung zur vorgeschriebenen Vorsorge gehört. Andere Kollegen versuchen eine rechtliche Grauzone zu ihren Gunsten auszulegen. Weitergehende Fragen, etwa zur Verhütung, seien bei der Vorsorge nicht abgedeckt. In diesem Fall wäre die Praxisgebühr ohnehin zu zahlen, "klärt" man auf. Das entspricht zwar der Sachlage, im Test hat der Patient jedoch weder Fragen noch gesundheitliche Probleme. Die gewünschte Vorsorge wäre also möglich gewesen, dennoch wurde die zu Unrecht kassierte Praxisgebühr in keinem einzigen Fall zurückgezahlt. Nach mehreren Arztbesuchen ist es genug - [plusminus macht sich auf die Suche nach dem Grund für dieses unrechtmäßige Verhalten.

      Informieren statt Kontrollieren?

      Die Praxisgebühr bringt den Ärzten nichts ein, da sie die 10,- € ohnehin abführen müssen. Beim näherer Betrachtung macht die Sache finanziell aber doch Sinn: Rechnet ein Arzt eine übliche Vorsorge bei einer 30-jährigen Frau ab, erhält er nicht mehr als rund 15,- €. Wurde allerdings die Praxisgebühr gezahlt, darf er weitere Untersuchungsposten abrechnen wie zusätzliche Beratungsleistungen. Experten gehen davon aus, dass ihm dies im Vergleich zu einer reinen Vorsorgeuntersuchung mindestens das Doppelte einbringt.

      Die Kontrollinstanz der Ärzte ist in dieser Angelegenheit die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). [plusminus konfrontiert deren Geschäftsführer, Andreas Köhler, mit dem Testergebnis. Er erwidert darauf, dass die KBV die Vertragsärzte über die jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen ausreichend informiert habe, beispielsweise über Broschüren, Fallbeispiele und andere Medien.
      Doch reicht das Informieren der Ärzte allein aus? Von einem Aufsichtsorgan sollte man mehr erwarten können, nämlich Kontrolle. Auch Zahlen darüber, wie oft für Vorsorgeuntersuchungen Praxisgebühr genommen wurde, kann die KBV angeblich nicht vorlegen.
      Nachdenklich stimmt auch das Verhalten der Kassenärztlichen Vereinigung für Hessen. Dort ist man vom Testergebnis offenbar nicht überrascht und versucht sogar, das Verhalten der Ärzte herunterzuspielen. In diesem Licht erscheint äußerst fraglich, ob die Kontrollgremien das Abkassieren künftig verhindern werden.

      Für Patienten, die zu Unrecht die Praxisgebühr entrichtet haben und diese nicht vom Arzt zurückerhalten, ist ihre Krankenkasse ein erster Ansprechpartner.

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 27. Juli 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion.
      Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.



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      Literatur

      BAGP-Info Nr. 3: Was ändert sich 2004 für PatientInnen und Versicherte?
      2004 (ständig aktualisiert)
      1,- € zuzüglich Versandkosten
      zu bestellen bei:
      Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen
      Gesundheitsladen München e.V.
      Auenstraße 31
      80469 München
      Tel: 0 89 / 77 25 65
      Fax: 0 89 / 7 25 04 74
      Die Broschüre ist auch in allen PatientInnnenstellen erhältlich.
      E-Mail: mail@patientenstellen.de
      Internet: www.patientenstellen.de
      Broschüren finden Sie dort unter
      => Materialien

      ABC der gesetzlichen Krankenversicherung
      1. Auflage 2004
      168 Seiten
      Bestell-Nummer: 551
      9,80 € zuzüglich Versandkosten
      Patiententipps für den Arztbesuch
      1. Auflage 2004
      152 Seiten
      Bestell-Nummer: 651
      7,80 € zuzüglich Versandkosten
      zu bestellen bei:
      Versandservice Verbraucherzentrale Bundesverband
      Postfach 1116
      59930 Olsberg
      Tel: 0 29 62 / 90 86 47
      Fax: 0 29 62 / 90 86 49
      (Versand gegen Rechnung)
      Auch in Verbraucherberatungsstellen erhältlich.
      E-Mail: versandservice@vzbv.de
      Internet: www.vzbv.de

      Faxabrufe

      Faxabrufservice Verbraucherzentralen Bayern und Sachsen

      Gesundheitsreform: Änderungen bei Zuzahlungen und Leistungen
      0 90 01 / 14 63 46 01 31
      (7 Seiten / 0,62 € pro Minute)
      Faxabrufservice Verbraucherzentrale Brandenburg

      Zuzahlungen der Krankenkassen nach der Gesundheitsreform incl. Musterbrief
      0 19 05 / 55 31 11-2 96
      (3 Seite / 0,62 € pro Minute)
      Adressen

      Bürgertelefon des Bundesministeriums fürr Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS)
      Fragen zur Krankenversicherung:
      Tel: 08 00 / 15 15 15-9 (kostenfrei)

      Links

      Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung informiert über die Gesundheitsreform:
      www.die-gesundheitsreform.de

      Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
      www.kbv.de

      VdaK / AEV (Verband der Angestellten-Ersatzkassen / Arbeiter-Ersatzkassen-Verband)
      www.vdak.de

      Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten e. V.
      www.dgvp.de

      Patientenprojekt
      www.patientenprojekt.de



      --------------------------------------------------------------------------------

      (Stand: 27. Juli 2004)

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      Avatar
      schrieb am 29.07.04 19:34:59
      Beitrag Nr. 1.825 ()
      [8b]Pflegeversicherung
      Keine Reserven mehr fürs Alter[/b]

      SWR | 27.07.2004 | 21.55








      Kinderlose sollen vom 1. Januar 2005 an höhere Beiträge zur Pflegeversicherung zahlen. Das wird jedoch bei weitem nicht ausreichen, um die ständig steigenden Pflegekosten in Deutschland abzudecken.

      Altenpflegerin ist Heike Di Berardos Traumberuf - obwohl sie am Alltag ihrer Arbeit manchmal verzweifeln könnte. Im Maximilianstift im pfälzischen Maxdorf möchte sie sich intensiv um die alten Menschen kümmern, es genügt ihr nicht, dass sie "satt und sauber" sind. Doch nur dafür zahlt die Pflegeversicherung. Und so arbeiten gerade die Engagiertesten oft am Limit. Die Pflegerin stimmt es traurig, dass sie deswegen den betreuten Menschen nicht das geben könne, was diese eigentlich erwarten dürften und sollten.
      Auch die Bürokratie stellt eine tägliche Belastung dar. Da die Pflegeversicherung genau vorschreibt, welche Leistungen in welcher Zeitspanne zu erbringen sind, fällt für Heike Di Berardo eine Menge Schreibarbeit an. Nahezu jeder Handgriff muss dokumentiert werden. Etwa 20 Prozent ihrer Arbeitszeit wendet sie nach eigener Schätzung dafür auf. Stunden, die sie lieber den Heimbewohnern widmen würde.

      Weg in die Sozialhilfe

      Im gleichen Heim besucht Helene B. ihre an Alzheimer erkrankte Mutter. Der Heimplatz kostet 2.393,- € im Monat, davon zahlt die Pflegekasse gerade einmal 1.023,- €. Bleibt ein Anteil von 1.370,- €, den die Heimbewohnerin selbst zahlen muss. Ihre schmale Rente reicht dafür längst nicht aus, und die Tochter, die eine Ausbildung absolviert, verdient lediglich 500,- € monatlich. Daher blieb nur der Gang zum Sozialamt, um die Kosten zu decken. So wurde die alte Frau trotz Pflegeversicherung zum Sozialfall - etwas, das sie nie gewollt hätte, auch wenn sie es nun aufgrund ihrer Krankheit nicht mehr wahrnimmt.

      Dabei war ein zentrales Anliegen der Pflegeversicherung, alte Menschen aus der Abhängigkeit von der Sozialhilfe zu befreien. Doch die Bilanz sieht anders aus: Im Maximilianstift Maxdorf sind etwa ein Drittel der Bewohner trotz Zuzahlung aus der Pflegeversicherung nicht in der Lage, die anfallenden Pflegekosten aus eigener Kraft zu tragen. Ein Trend, der sich nach Einschätzung des Stiftleiters noch dramatisch fortsetzen wird, sollten die angedachten Reformen tatsächlich umgesetzt werden.

      Trickreiche Urteil-Auslegung

      Nach den Plänen der Bundesregierung würden die Pflegesätze in den Heimen drastisch gesenkt. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist vorerst in der Schublade verschwunden. Doch die Mitarbeiter in den Heimen fürchten, dass er bei nächster Gelegenheit wieder ans Tageslicht kommt - um die Löcher in den Pflegekassen zu stopfen. Das dicke Polster der Anfangsjahre schmilzt nämlich dahin.
      Die Pflegeversicherung rutscht immer tiefer in die roten Zahlen, für Ende 2004 wird ein Fehlbetrag von fast einer Milliarde Euro erwartet. So droht der Kollaps, doch ein grundlegendes Umsteuern wagt Gesundheitsministerin Ulla Schmidt nicht. Sie beschränkt sich stattdessen auf die schlitzohrige Umsetzung eines Bundesverfassungsgerichts-Urteils. Darin verlangten die Richter, Familien mit Kindern sollten geringere Pflegebeiträge zahlen als Kinderlose. Das hätte viel Geld gekostet. Doch nun wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Wenn Kinderlose stattdessen mehr zahlen, bringt das Geld in die Kasse. Um 0,25 Prozentpunkte soll ihr Beitrag steigen, das macht bis zu 104,- € im Jahr.

      Kosmetische Korrekturen

      Eine gerechte Strafe für Menschen, die sich weigern, künftige Beitragszahler in die Welt zu setzen? Die Meinungen darüber gehen in der Bevölkerung auseinander. Und ohnehin sind sich Experten wie der Freiburger Finanzwissenschaftler Professor Bernd Raffelhüschen sicher, dass sich das ganze System der Pflegeversicherung mit solchen kosmetischen Korrekturen nicht retten lässt. Denn während der Geburtenrückgang die Zahl der Beitragszahler sinken lässt, wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten Jahrzehnten mehr als verdoppeln.
      In den Augen von Raffelhüschen ist die Versicherung weder kurz-, noch langfristig finanzierbar. Mit Glück würde sie bei Beitragssätzen von 6 oder 7 Prozent enden. Beträge, die zukünftigen Generationen nicht zumutbar sind, die zusätzlich noch Rente und Krankenversicherung finanzieren müssen.

      Und dabei müsste die Pflegeversicherung ihre Leistungen eigentlich noch ausweiten. Für Demenzkranke sind Beschäftigung und Zuwendung besonders wichtig. Doch dazu bleibt viel zu wenig Zeit. Von einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung, wie sie vielfach nötig wäre, ist man weit entfernt. Den Bedürftigen steht meist nur eine Einfachversorgung nach Pflegestufe I zu. Bei der Pflegeversicherung stehen derzeit psychische Befunde hinter körperlichen Gebrechen weit zurück. Eine Besserstellung der Demenzkranken wird auf die lange Bank geschoben.

      Die Bundesregierung setzt offenbar auf ein Herumwerkeln am bestehenden System anstatt auf einen grundlegenden Umbau der Pflegeversicherung. Mit den Zusatzbeiträgen der Kinderlosen werden nur kurzfristig Löcher gestopft; bessere Leistungen könnte es frühestens 2006 geben - falls die Finanzlage dies zulässt. Doch daran glauben nur ausgesprochene Optimisten.

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 27. Juli 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion.
      Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.



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      Literatur

      Pflegende Angehörige
      1. Auflage 2002
      158 Seiten
      Bestell-Nummer: 687
      7,80 € zuzüglich Versandkosten
      Pflegefall - was tun?
      4. Auflage 2003
      280 Seiten
      Bestell-Nummer: 541
      9,80 € zuzüglich Versandkosten
      Pflegegutachten
      (mit Pflegetagebuch)
      3. Auflage 2002
      72 und 32 Seiten
      Bestell-Nummer: 550
      4,80 € zuzüglich Versandkosten
      zu bestellen bei:
      Versandservice Verbraucherzentrale Bundesverband
      Postfach 1116
      59930 Olsberg
      Tel: 0 29 62 / 90 86 47
      Fax: 0 29 62 / 90 86 49
      (Versand gegen Rechnung)
      Auch in Verbraucherberatungsstellen erhältlich.
      E-Mail: versandservice@vzbv.de
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      Faxabrufe

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      Einstufung in die Pflegestufe
      0 19 05 / 55 31 11-2 92
      (3 Seiten / 0,62 € pro Minute)
      Adressen

      Bürgertelefon des Bundesgesundheitsministeriums
      Fragen zur Pflegeversicherung:
      Tel: 08 00 / 15 15 15-8 (kostenlos)

      Links

      Sozialverband VdK Deutschland
      www.vdk.de



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      (Stand: 27. Juli 2004)

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      http://www.swr.de/plusminus/beitrag/04_07_27/beitrag2.html
      Avatar
      schrieb am 29.07.04 19:42:14
      Beitrag Nr. 1.826 ()
      [b ]Strommarkt
      Aufsichtsbehörde startet später [/b]

      SWR | 27.07.2004 | 21.55










      Elektrischer Strom ist heute so teuer wie nie - und in Deutschland teurer als in jedem anderen EU-Land. Die großen Anbieter haben allen Grund zur Freude, denn vorerst können sie noch nach Lust und Laune die Preise erhöhen.

      Dabei sollte zum 1. Juli 2004 eine Regulierungsbehörde die Macht der großen vier Konzerne endlich begrenzen. Doch das Wirtschaftsministerium verzögert den Start. Frühestens zum Jahresende wird die Behörde ihre Arbeit aufnehmen. Für das bremsende Wirtschaftsministerium gibt es dafür ein klares Minus.

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 27. Juli 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion.
      Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.



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      (Stand: 27. Juli 2004)

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      http://www.swr.de/plusminus/beitrag/04_07_27/beitrag7.html
      Avatar
      schrieb am 29.07.04 23:54:32
      Beitrag Nr. 1.827 ()
      156 Millionen US-Dollar Jahreseinkommen

      Florian Rötzer 29.07.2004
      Verdienst der deutschen Unternehmenschefs liegt unter dem europäischen Durchschnitt; in den USA sind die Einkommen der Topmanager 2003 um 22 Prozent gestiegen


      Nicht nur in Deutschland stehen die Einkommen der Spitzenmanager zur Diskussion. Tatsächlich hat sich die Schere zwischen diesen und den normalen Angestellten in den letzten Jahren weiter vergrößert. Besonders auf Kritik stoßen wie im Fall von Mannesmann auch manche millionenschwere Abfindungen für Manager, die viele ungerechtfertigt finden. Die Einkommen wachsen meist auch dann, wenn die Unternehmensleitung von den Arbeitnehmern Opfer an Einkommen verlangen. Natürlich gibt es aber dann, wenn die Gewinne stiegen, normalerweise keine Beteiligung. Längerfristig drohen wohl auch in Deutschland erst noch wirklich amerikanische Zustände. In den USA schießen die Einkommen der Topmanager weiter in die Höhe, während der Anteil der Armen wächst und die Gehälter der Normalverdiener in keiner Weise Schritt halten können.






      In Deutschland fällt es allerdings schwer, das tatsächliche Einkommen der Unternehmenschefs zu ermitteln, da dies nur von wenigen Unternehmen ausgewiesen wird. Durchschnittlich sollen die Chefs der 30 DAX-Unternehmen im letzten Jahr nach einer Untersuchung des manager magazins 2,5 Millionen Euro verdient haben. Nicht einbezogen sind hier allerdings Aktienoptionen und andere Sonderzahlungen. An der Spitze liegt der Deutsche Bank Chef Josef Ackermann mit 7,721 Millionen Euro, gefolgt von DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp mit 5,22 Millionen und dem Vorstandsvorsitzenden von E.ON, Wulf Bernotat, mit 5,16 Millionen Euro. Bei der Gesamtvergütung des Vorstands liegt DaimlerChrysler mit 40 Millionen an der Spitze.

      Durchschnittlich liegen die deutschen Topmananger gegenüber den europäischen insgesamt zurück. Hier kam das manager magazin auf ein Durchschnittseinkommen von knapp über 3 Millionen Euro. An der Spitze befinden sich die beiden Chefs des Schweizer Finanzkonzerns Credit Suisse Chart, Oswald Grübel und John Mack, die ein Gesamtgehalt (inklusive Aktienrechten und Optionen) von 15,54 Millionen Euro einnahmen. Josef Ackermann rangiert hier mit einem Gesamtgehalt von "nur" 11,07 Millionen an 5. Stelle. Vermutlich sind die Einkommen der Topmanager von DaimlerChrysler und der Deutschen Bank auch den Fusionen mit US-Unternehmen geschuldet. Zusätzlich fallen zum Jahreseinkommen aber auch noch die nicht unerheblichen Ruhestandsgehälter an.

      Gerade hat Corporate Library die Einkommen der Chefs von großen US-Unternehmen unter die Lupe genommen. An der Spitze steht hier Barry Diller von InterActiveCorp, der letztes Jahr sage und schreibe 156 Millionen verdient hat, davon 151 Millionen an Gewinnen durch Aktienoptionen. Bei den untersuchten 1.794 Topmanager lag das Durchschnittseinkommen allerdings bei 1.85 Millionen. Interessant ist, dass das Einkommen im letzten Jahr stark zugenommen hat, nämlich durchschnittlich um 22 Prozent. 2002 war das Einkommen hingegen "nur" um 9,5 Prozent gestiegen.





      Besonders zugeschlagen haben die Chefs von Oracle, Apple Computer, Yahoo und Colgate-Palmolive. Deren Einkommen wuchs 2003 gleich um mehr als 1.000 Prozent. Steve Jobs liegt mit 74.8 Millionen immerhin an fünfter Stelle. Corporate Library kommentiert, die zweistellige Vermehrung der Bezüge mache deutlich, dass bei den Topmanagern die auch in den USA nach dem Enron-Skandal laut gewordenen Forderungen nach Zurückhaltung ungehört verhallt sind. Geiz mag geil sein, Bereicherung ist es aber offenbar auch.


      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/17988/1.html
      Avatar
      schrieb am 30.07.04 00:16:49
      Beitrag Nr. 1.828 ()
      Titel
      Rainer Balcerowiak

      Bürgerstreiks statt lahmer Proteste

      Widerstand gegen »Hartz IV«: Aufruf zu zivilem Ungehorsam und Amtsbesetzungen veröffentlicht


      Mit einem Aufruf zu »Protesten neuen Typs« und zivilem Ungehorsam gegen die bevorstehende Umsetzung der »Hartz IV«-Gesetze ist der Berliner Politologieprofessor Peter Grottian, der auch zu den Initiatoren des Volksbegehrens zum Berliner Bankenskandal gehört, am Donnerstag an die Öffentlichkeit gegangen. Der Aufruf trägt den Titel: »Für einen heißen Herbst 2004: Die »Agenda-2010-Politik zu Fall bringen« und formuliert »16 Hebelpunkte zum zivilgesellschaftlichen Ungehorsam«.

      Ihm gehe es besonders darum, die »blöden Eitelkeiten« innerhalb der äußerst heterogenen Protestbewegung in Berlin zu überwinden, so Grottian am Donnerstag gegenüber jW. Die verschiedenen Gruppen wie Wahlalternative, Initiative für ein Volksbegehren zum Sturz des Senats oder Sozialforum müßten ihre Kräfte im Widerstand gegen »Hartz IV« bündeln. Die Protestbewegung dürfe »nicht zum Papiertiger degenerieren«. Selbst die großen Demonstrationen in Berlin hätten bei den Herrschenden nur ein müdes Achselzucken hervorgerufen. Wenn er jetzt zu einem »Bürgerstreik« aufrufe, dann verstehe er das durchaus als Gegenpart zu zahnlosen Gewerkschaftsprotesten. »Es muß jetzt etwas härter zur Sache gehen«, und das schließe durchaus »bewußte Regelverletzungen« ein. Im Inforadio Berlin-Brandenburg nannte er als Beispiele die zeitweise Lahmlegung der städtischen Infrastruktur und die Besetzung von Arbeitsagenturen. Die Schließung letzterer sei eine »logische Forderung«, so Grottian, da sie ihre eigentliche Aufgabe, nämlich die Vermittlung von Arbeitsstellen, schon lange nicht mehr wahrnähmen.

      Im Aufruf heißt es: »Alle bisherigen Mobilisierungskampagnen zeichneten sich durch eine Kreuzbravheit ihrer Protestformen aus, die etablierte Institutionen nicht herausforderten. Der hilflose Ruf von DGB-Chef Michael Sommer, die rot-grüne Politik solle sich gefälligst mit der Demonstration der 500 000 am 3. April 2004 auseinandersetzen, zeigt die Ohnmacht eigener Protestinstrumente und die Stärke etablierter Institutionen. Zivilgesellschaftliche Widerstände neuen Typs müssen dringend angegangen werden.« Unter anderem will Grottian, der »couragierte Ungehorsamsprojekte« für »überfällig« hält, für den Vorabend der bundesweiten Anti-Hartz-Demonstration am 6. November in Nürnberg zu einer Belagerung der Bundesagentur für Arbeit mobilisieren, um gegen die »Engelen-Keferisierung« der Arbeitsbürokratie zu demonstrieren.

      Außer den oben genannten Protestformen wolle man auch die wachsende Armut in der Stadt sichtbar machen. Im Aufruf werden Lumpendemonstrationen anläßlich festlicher Ereignisse wie Pressebällen und Staatsbesuchen, vermehrte Schwarzfahraktionen, Betteldemonstrationen in den wohlhabenden Wohnvierteln und regelmäßige »fürsorgliche Belagerungen« von Politikern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vorgeschlagen. Dabei müsse es gelingen, so Grottian, auch diejenigen zur Verweigerung anzuhalten, die für den Staat die reibungslose Durchsetzung von Hartz IV und anderen unsozialen Maßnahmen garantieren sollen, wie beispielsweise Sachbearbeiter in Sozialämtern und Arbeitsagenturen. Ferner wolle man gemeinsam mit Rechtsexperten Möglichkeiten der Auskunftsverweigerung bei der Antragstellung auf

      das Arbeitslosengeld II und juristische Schritte gegen einzelne Bestimmungen der »Hartz IV«-Gesetze prüfen.

      Außer massiven Protestaktionen soll auch die Erarbeitung konkreter Alternativen zur herrschenden Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik vorangetrieben werden. »Ein Grundeinkommen, das seinen Namen verdient, und zwei Millionen gesellschaftlich sinnvoller Arbeitsplätze sind eine konkrete Utopie zur Abschaffung der Arbeitslosigkeit«, so Grottian.

      Für den 15. August ist ein Koordinierungstreffen aller Gruppen und Organisationen, die sich in Berlin am Widerstand gegen »Hartz IV« beteiligen wollen, geplant. Ort und Zeit werden noch bekanntgegeben.
      http://www.jungewelt.de/2004/07-30/001.php
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      schrieb am 30.07.04 00:20:43
      Beitrag Nr. 1.829 ()
      Inland
      Till Meyer

      Winterschuhe? Zu teuer!

      Paritätischer Wohlfahrtsverband: Mit »Hartz IV« steigt die Kinderarmut. Grundsicherung gefordert


      Wenn ab dem 1. 1. 2005 die »Hartz-IV«-Gesetze in Kraft treten, wird auch die Kinderarmut in Deutschland in die Höhe schnellen. Nach Erkenntnissen des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes leben bereits heute in Deutschland 1,5 Millionen Kinder an der Armutsgrenze. Mit »Hartz IV«, so schätzt der Verband, werden weitere 500000 Kinder hinzu- kommen. Alleinerziehende Mütter und Väter mit Kindern, die unterhaltsberechtigt sind, wird die Arbeitsmarktreform besonders hart treffen.

      Schuld daran ist das sogenannte Arbeitslosengeld II. Unterhaltspflichtige Väter oder Mütter, die heute noch Arbeitslosenhilfe beziehen, bekommen ab dem 1. Januar nur noch 345 Euro im Westen und 331 Euro im Osten monatlich. Zu wenig, um den Unterhaltsverpflichtungen für ihre minderjährigen Kinder nachkommen zu können. Für eine nicht erwerbstätige Person gilt ein Freibetrag von 730 Euro, den sie für sich behalten darf. Mit dem Arbeitslosengeld II wird dieser Betrag aber nicht erreicht. Den fälligen Unterhalt zahlt deshalb der Staat. Das Geld wird aus der sogenannten »Unterhaltsvorschußkasse« der kommunalen Jugendämter genommen und an die Unterhaltsberechtigten weitergeleitet. Die Höhe dieser Zahlungen orientiert sich an der Summe, die unterhaltsberechtigte Kinder auch vorher bekommen haben. Allerdings zahlen die Jugendämter nur maximal bis zum 12. Lebensjahr eines Kindes, anschließend können Bedürftige nur noch beim Sozialamt Sozialgeld für das Kind beantragen.

      Um besondere Härtefälle zu vermeiden, gibt es einen sogenannten »Kinderzuschlag« von bis zu 140 Euro monatlich pro Kind für gering verdienende Eltern, die zwar mit ihrem Einkommen ihren eigenen Bedarf abdecken, jedoch ohne diesen Zuschlag wegen des Bedarfs der Kinder Anspruch auf ALG II hätten. Dieser Zuschlag ist allerdings auf drei Jahre begrenzt.

      Als besonders infam empfindet der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, den Umstand, daß es beim Arbeitslosengeld II keine einmaligen Beihilfen mehr gibt, wie das noch bei der Sozialhilfe der Fall war. »So manche alleinerziehende Mutter wird nicht einmal mehr richtige Winterschuhe für ihr Kind kaufen können.« Hilgers fordert wie der Paritätische Wohlfahrtsverband vom Gesetzgeber eine eigene Grundsicherung für Kinder.
      http://www.jungewelt.de/2004/07-30/011.php
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      schrieb am 30.07.04 00:36:20
      Beitrag Nr. 1.830 ()
      Inland
      Hans-Gerd Öfinger

      Ausgepreßt und weggeworfen

      Frankfurt/Main: Postler kritisieren geplante Abschaffung von Vollzeitarbeitsplätzen in der Briefzustellung


      Die Folgen der Privatisierung und Zerschlagung der alten Deutschen Bundespost gestalten sich für die Beschäftigten immer mehr zu einem Schrecken ohne Ende. Wo Menschen früher ein Auskommen und einen einigermaßen sicheren Job fürs Leben hatten, werden heute zunehmend befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit und Teilzeitjobs eingeführt. Kurzum: prekäre Arbeitsverhältnisse, die kein Mensch ein Leben lang aushält, und Einkommen, von denen kein Mensch eine Familie ernähren kann. Zunehmend setzen die Postmanager seit dem Börsengang alles daran, die Beamten (bis Mitte der 90er Jahre wurde im Westen noch viele Postler verbeamtet) und für sie als »Kostenfaktor« zu teuren »alten« Tarifkräfte mit allerlei Schikanen wie etwa Zwangsversetzungen in entlegene Gebiete hinauszuekeln und durch jüngere und billigere Arbeitskräfte zu ersetzen. Ebenso setzt das Management darauf, ältere Beamte in die »Dienstuntauglichkeit« abzuschieben, damit dann der Bund für die Pensionskosten aufkommt.

      Auch routinierte Postbeschäftigte beklagen die zunehmende Arbeitsverdichtung im Alltag. In ländlichen Zustellbezirken ist die Belastung für die Briefträger durch Wiedereinführung der Verbundzustellung von Brief- und Paketsendungen deutlich gewachsen. In vielen Bereichen sind durch Personaleinsparungen so wenig »Vertreter« vorhanden, die bei Krankheit oder Urlaub kurzfristig einspringen können, daß ein Abbau der großen Überstundenberge durch zusätzliche freie Tage immer weniger möglich wird.

      Jetzt kommt von den Beschäftigten der Deutschen Post AG im Zustellstützpunkt am Hauptbahnhof Frankfurt/Main (Poststraße) ein Aufschrei der Empörung über neue Pläne des Managements. Die bisherigen Vollzeitarbeitsplätze der dort eingesetzten Briefzusteller sollen durch Trennung von Vorbereitung und Zustellung (im Fachjargon »TVZ«) in Teilzeitarbeitsplätze mit 30 Wochenarbeitsstunden umgewandelt werden.

      Mit diesem modellhaften Vorstoß droht den bundesweit rund 60 000 Briefzustellern eine ungewisse Zukunft. Denn anders als bisher wären sie mit dem Einkommen aus einer 30-Stunden-Woche nicht mehr in der Lage, eine Familie einigermaßen über Wasser zu halten.

      »So bedanken sich unsere Postmanager, die im Monat über 100 000 Euro an Lohn erhalten, bei den Zustellern für die jahrelange erbrachte Qualität und den flexiblen Einsatz bei personellem Notstand«, erklärte der Frankfurter Postler und Gewerkschafter Bernd Mann von ver.di-Fachbereich 10 (Postdienste) auf jW-Anfrage: »Nur durch die vielfältige Bereitschaft zu Überzeitleistungen der Zusteller ist in unserem Unternehmen der Betrieb und die Qualität oftmals noch aufrechtzuerhalten«.

      Allein in der Niederlassung Frankfurt/M. habe sich in der Zustellung ein »Berg von über 70 000 Überstunden« aufgetürmt. Durch Rationalisierungsmaßnahmen sei aus den Zustellern in den letzten Jahren alles herausgepreßt worden. Jetzt sollten über eine veränderte Zustellorganisation weitere Kosten eingespart werden: Einsparungen von Wegezeiten, Wegfall von Monatskarten, Gebäudemieten und anderes. Die Postmanager hätten errechnet, daß somit rund 2,4 Prozent der Grundarbeitszeiten, das seien rund 50 Minuten in der Woche je Zustellbezirk, eingespart werden könnten.

      Nach dem Realisierungskonzept für die Post-Niederlassung Brief Frankfurt sollen alle 15 Zustellbezirke in den Postleitzahlenbereich 60 323 und 60 325 in neun sogenannte TVZ-Bezirke mit einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden umgewandelt werden. Die Gangfolgesortierung der Briefsendungen für diese TVZ-Bezirke würden dann ebenfalls Teilkräfte – rund 20 Stunden pro Woche – im Zustellstützpunkt erledigen. Die Briefsendungen würden danach zu den Übergabepunkten gebracht. Die Zustelltätigkeit der neun TVZ-Bezirke soll von den dreizehn frisch Ausgebildeten, denen Arbeitsverträge – zum Teil auch nur befristet – mit nur 30 Stunden pro Woche angeboten wurden, direkt an den Übergabepunkten begonnen und beendet werden.

      Für die Postkunden befürchten die Gewerkschafter von ver.di eine schlechtere Qualität und einen mangelhaften Service. Kunden müßten darauf gefaßt sein, daß ihre Post schlimmstenfalls erst um 17 Uhr oder später zugestellt werden kann.

      »Es ist ein Skandal, daß der Konzern Deutsche Post AG, der mehrheitlich dem Staat gehört und über drei Milliarden Euro Gewinn im Jahr 2003 gemacht hat, Vollarbeitsplätze ohne Not in Teilzeitarbeitsplätze umwandelt und Auszubildende nur mit 30 Stunden in der Woche beschäftigt«, so Bernd Mann: »Teilzeitarbeitsplätze sichern keine Existenzen«.



      http://www.jungewelt.de/2004/07-30/013.php
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      schrieb am 30.07.04 00:39:48
      Beitrag Nr. 1.831 ()
      HINTERGRUND

      Mehrarbeit kostet Jobs


      VON ROLAND BUNZENTHAL



      "Theoretische Erwägungen und empirische Fakten sprechen dafür, dass in der momentanen wirtschaftlichen Situation generelle Arbeitszeitverlängerungen am Arbeitsmarkt nicht weiter helfen, zumindest auf kurze Sicht."

      Selten äußert sich das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bei politisch brisanten Themen so eindeutig. Im aktuellen IAB Kurzbericht (Autoren: Eugen Spitznagel, Susanne Wanger) werden die Wachstums- und Beschäftigungseffekte einer längeren Arbeitszeit untersucht.

      Nach der jüngsten IAB-Firmenbefragung würden drei Viertel der Betriebe bei einer Arbeitszeitverlängerung um fünf Prozent (rund zwei Wochenstunden) ohne Lohnausgleich etwa gleich viel Personal beschäftigen wie zuvor. Positive Beschäftigungseffekte erwarten nur drei Prozent der Unternehmen (mit fünf Prozent der Arbeitnehmer). Dagegen rechnen sechs Prozent der Betriebe (mit zwölf Prozent aller Beschäftigten) mit weniger Personal. Der Saldo zwischen erwarteten Zu - und Abnahmen ist also negativ. Vor allem Großbetriebe würden auf eine Arbeitszeitverlängerung mit weniger Beschäftigung reagieren. Entstehende Personalüberhänge können hier wohl am ehesten durch Zusammenlegung von Arbeitsplätzen abgebaut werden.

      Die Diskussion über Arbeitszeitverlängerung leide unter Defiziten, meinen die Forscher: "Oft wird sie aus einzelwirtschaftlicher Perspektive geführt. Gesamtwirtschaftliche Aspekte werden vernachlässigt. So wird die Nachfrageseite ausgeblendet.


      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
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      schrieb am 30.07.04 00:40:20
      Beitrag Nr. 1.832 ()
      Avatar
      schrieb am 30.07.04 00:43:11
      Beitrag Nr. 1.833 ()
      Faule Vergleiche

      These 1: Die Deutschen arbeiten zu wenig


      VON EVA ROTH




      "Die Arbeitnehmer genießen hier zu Lande die kürzesten Arbeitzeiten rund um den Globus", befand das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft schon vor einem Jahr, und Siemens-Chef Heinrich von Pierer bekräftigte kürzlich: "Fast auf der ganzen Welt wird länger gearbeitet als bei uns."

      Um die These von den faulen Deutschen zu stützen, wird oft auf eine Statistik der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung verwiesen: Die OECD berechnete, wie lange abhängig Beschäftigte in zwölf EU-Staaten im Schnitt pro Jahr arbeiten. Deutschland liegt dabei auf dem vorletzten Platz. Nur die Niederländer haben danach noch mehr Freizeit.

      Die Statistik hat allerdings zwei große Schwächen: Die OECD selbst betont, dass man die Angaben für die verschiedenen Länder nicht miteinander vergleichen kann, weil sie auf unterschiedlichen Quellen beruhen. Was noch wichtiger ist: In der Statistik sind nicht nur Vollzeit-Beschäftigte berücksichtigt, sondern auch Teilzeit-Kräfte. Das heißt: Ein Land mit hoher Teilzeit-Quote rutscht automatisch auf einen hinteren Rang. Deshalb kann man die Zahlen für die aktuelle Debatte über längere Arbeitszeiten getrost vergessen. Denn derzeit geht es nicht darum, ob es in unserer Republik zu viele Teilzeit-Jobs gibt, sondern um die Frage, ob Vollzeit-Beschäftigte im Vergleich zu wenig schaffen.

      Das Institut Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen hat im Mai eigene Berechnungen angestellt, um seriöse Vergleichszahlen zu erhalten. Dafür wurden die Arbeitszeiten in 16 europäischen Ländern mit einer einheitlichen Methode ermittelt. Zudem wurden nur Vollzeit-Beschäftigte berücksichtigt. Bei diesem Ranking liegt Deutschland im Mittelfeld. In sechs Ländern wird kürzer und in acht länger gearbeitet.

      Was kaum jemand überraschen dürfte: In aller Regel arbeiten die Menschen mehr als der Tarifvertrag vorsieht. Das IAT, das vom Land Nordrhein-Westfalen finanziert wird, legte Ende 2003 eine Studie über die wöchentlichen Arbeitszeiten vor. Danach liegt die tarifliche Arbeitszeit in Deutschland bei 37,7 Stunden - und die tatsächliche bei etwa 40 Stunden. Verglichen mit den 15 alten EU-Ländern ist das ein mittlerer Wert. Nach einer am Dienstag veröffentlichen repräsentativen Umfrage des Instituts zur Erforschung sozialer Chancen arbeiten Deutsche mit Vollzeit-Job im Schnitt sogar 42 Stunden. Für die Studie wurden mehr als 4000 Beschäftigte befragt.

      Bleibt festzuhalten: Zwar liefert keine Statistik die reine Wahrheit. Allerdings gibt es für die These, dass die Arbeitszeiten in Deutschland mittelmäßig sind, bessere Belege als für die Behauptung, die Deutschen seien Freizeit-Weltmeister.

      Zudem betont das IAT, dass "längere Arbeitszeiten nicht per Se als Standortvorteil gewertet werden können". Die Experten erinnern etwa daran, dass die Briten zwar lange arbeiten. Pro Stunde wird auf der Insel aber weniger produziert als in Deutschland.

      Jahresarbeitszeit (FR-Infografik)




      http://www.fr-aktuell.de/uebersicht/alle_dossiers/wirtschaft…
      Avatar
      schrieb am 30.07.04 00:45:17
      Beitrag Nr. 1.834 ()
      Avatar
      schrieb am 30.07.04 01:00:27
      Beitrag Nr. 1.835 ()



      http://www.fr-aktuell.de/uebersicht/alle_dossiers/wirtschaft…





      http://www.fr-aktuell.de/uebersicht/alle_dossiers/wirtschaft…



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      Bispinck erinnert an einen Satz, den Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt vor vier Jahren formulierte: "Wir sind heute bei der Arbeitszeit so flexibel, dass jede Behauptung, die Tarifverträge behinderten passgenaue betriebliche Lösungen, entweder bösartig ist oder in Unkenntnis der Tarifverträge erfolgt."
      ( Und heute ist aufeinmal alles anders.Nach dem Motto :Was interessiert mich der Schnee von gestern.)


      auszug

      Dehnbare Regeln

      These 5: Gewerkschaften und Tarifverträge sind zu unflexibel

      http://www.fr-aktuell.de/uebersicht/alle_dossiers/wirtschaft…
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      http://www.fr-aktuell.de/uebersicht/alle_dossiers/wirtschaft…
      Avatar
      schrieb am 30.07.04 01:04:33
      Beitrag Nr. 1.836 ()
      GASTBEITRAG

      Ein Investitionsprogramm kann 500 000 Stellen bringen

      Der Autor fordert, dass der Staat Bildung und Infrastruktur massiv stärkt und damit Jobs schafft. Die Verlagerungen von Arbeitsplätzen ins Ausland würde dann an Brisanz verlieren.


      MICHAEL SCHLECHT




      Michael Schlecht (Verdi)


      Regierung und Opposition sind sich einig: Die Globalisierung erzwingt den Abbau des Sozialstaates. Die Wettbewerbsfähigkeit müsse weiter gesteigert werden. Die alltägliche Erfahrung scheint diese bittere Schlussfolgerung nahe zu legen. Unternehmen suchen sich weltweit die günstigsten Bedingungen aus. Die Drohungen mit Produktionsverlagerungen nehmen zu. Folglich steigt der Druck auf die Löhne und die Arbeitsbedingungen.

      So ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass viele Beschäftigte und auch Gewerkschaftsfunktionäre verunsichert sind. Viele neigen dazu, den politischen Ansatz von Rot-Grün zähneknirschend zu verteidigen. Man dürfe nicht immer nur Nein sagen, sondern müsse um die soziale Ausgewogenheit der angeblich notwendigen Verschlechterungen ringen.

      Der Alltagserfahrung steht der Tatbestand gegenüber, dass Deutschland Exportweltmeister ist. Ein Zehntel aller weltweit exportierten Güter kommt aus Deutschland. Wir liegen damit noch vor den USA, obwohl dort dreieinhalb mal so viele Erwerbstätige arbeiten. 2004 wird der Export voraussichtlich einen neuen Rekorde aufstellen.

      2002 und 2003 betrug der Exportüberschuss bereits jeweils über 90 Milliarden Euro. Nebenbei: Dieser Exportüberschuss sichert allein in der Metallverarbeitung 700 000 Arbeitsplätze.


      Laufen die Arbeitsplätze weg?

      Verlagerung von Produktionsstätten als Form der internationalen Arbeitsteilung ist keine neue Entwicklung. Man erinnere sich nur an die Textilindustrie und die Produktion von Radio- und Fernsehgeräten in den 70er Jahren. Die Verlagerung von Arbeitsplätzen ist zum Problem geworden, weil nicht gleichzeitig durch Wachstum und Strukturwandel neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Kein Wunder. Die Binnennachfrage ist durch zu niedrige Lohnerhöhungen in den vergangenen Jahren zu schwach. Auch der Staat hat durch immer tiefere Schnitte bei den Ausgaben die Nachfrage stranguliert.


      Achillesferse Binnennachfrage




      Gastbeitrag

      Gewerkschafter sind längst bereit, den Abbau des Sozialstaates und Lohnsenkungen zu akzeptieren, um Produktionsverlagerungen zu verhindern.

      Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi), plädiert hingegen für einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel. Er schlägt ein 40 Milliarden Euro starkes Investitionsprogramm vor, das auch die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland stärken kann. "Reiche und Superreiche" sollen es finanzieren.




      Wäre die binnenwirtschaftliche Dynamik nicht am Boden, wäre die Arbeitslosigkeit nicht so hoch, würden hinreichend Ersatzarbeitsplätze entstehen, dann wäre die Drohung des Arbeitsplatzverlustes nicht so brisant. Dann wäre es zum Beispiel im Fall Siemens nicht möglich gewesen, eine Kostensenkung um 30 Prozent durchzu-setzen. Mit der Existenzangst von 2000 Beschäftigten und ihrer Familien.

      Durch Produktionsverlagerung werden jährlich bis zu 50 000 Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet. Zur Einordnung: Das sind 0,1 Prozent aller Arbeitsplätze in Deutschland. Die verbesserte wirtschaftliche Entwicklung im Jahr 2000 hat ein Plus von 700 000 Erwerbstätigen gebracht. Mit einer starken Binnennachfrage auf Grund höherer Löhne und offensiver Zukunftsinvestitionen des Staates könnte ein ähnlicher Schub ausgelöst werden. Jobverlagerungen verlören bei einem Aufschwung ihre soziale Brisanz.


      EU Osterweiterung

      Eine besondere Drohkulisse ist die EU-Osterweiterung. Wie sollen wir mithalten bei den viel niedrigeren Lohnkosten im Osten? Doch statt "nackte" Lohnkosten zu vergleichen, müssen die unterschiedlichen Produktivitäten berücksichtigt werden. In Deutschland wird im Schnitt fast das Vierfache wie in Polen verdient, gut 33 000 Euro im Jahr. Viel zu viel? Nein, denn dafür wird auch ein höherer Wert produziert. Der liegt mit knapp 56 000 Euro jährlich sogar mehr als vier Mal höher als in Polen. Ursache ist die höhere Produktivität. Je 100 Euro Arbeitnehmereinkommen werden in Polen Güter und Dienstleistungen im Wert von 145 Euro produziert. In Deutschland sind es 168 Euro. Damit liegt Deutschland noch vor Großbritannien, Frankreich und den USA.


      Wirtschaftspolitischer Kurswechsel

      Es macht wenig Sinn sich auf einen Dumpingwettbewerb einzulassen. Am Ende können wir den nur verlieren. Die Verteidigung der 50 000 bedrohten Arbeitsplätze ist notwendig. Die Durchsetzung einer Wirtschaftspolitik, die wieder 700 000 Arbeitsplätze neu schafft, ist viel wichtiger. Die Politik der Agenda 2010, Arbeitszeitverlängerung und Lohnsenkungen führen in die Irre. Die Binnennachfrage muss deutlich gestärkt werden. Löhne und Gehälter müssen wieder mindestens so stark steigen wie die Preise plus Produktivität. Der Staat muss unter anderem mehr investieren in die Bildung, in Energieeinsparung und eine bessere Umwelt. Mehr als eine halbe Million zusätzliche Arbeitsplätze können so geschaffen werden. Mit einem 40-Milliarden-Euro-Zukunftsinvestitionsprogramm! Als Einstieg brauchen wir ein 20-Milliarden-Sofortprogramm. Finanziert werden muss dies, indem Reiche und Superreiche wieder einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten.

      Mit Investitionen in Bildung und Infrastruktur werden Arbeitsplätze geschaffen und die hohe Wettbewerbsfähigkeit gesichert. Mit einer halben Million neuer Arbeitsplätze schwindet die Brisanz von 50 000 Arbeitsplätzen, die im Zuge der internationalen Arbeitsteilung jedes Jahr aus Deutschland verlagert werden. Die Beschäftigten hätten nämlich gute Chancen schnell wieder einen neuen Job zu finden.


      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
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      schrieb am 30.07.04 01:06:16
      Beitrag Nr. 1.837 ()
      KOMMENTAR

      Zynisch


      VON CHRISTINE SKOWRONOWSKI



      Viele Beschäftigte "beim Daimler" dürften heute überrascht die Zeitung lesen. Steht da doch, dass der Vorstand des Unternehmens die Geschäftsentwicklung in diesem Jahr wesentlich optimistischer beurteilt als zuvor. Das Management rechnet nun nicht mehr nur mit einem Anstieg, sondern mit einem "deutlichen" Zuwachs des Profits. Dies dürfte manchen Arbeitnehmern in Sindelfingen die Zornesröte ins Gesicht treiben. Denn noch vor kurzem hatte der Vorstand auf eine massive Kostensenkung gepocht, den Beschäftigten zahlreiche Opfer abverlangt, sie mit angedrohter Produktionsverlagerung erpresst - und sich durchgesetzt. der Verzicht wird erst vom nächsten Jahr an Wirkung zeigen.

      Und jetzt plötzlich, der Daimler-Chrysler-Beschäftigte reibt sich die Augen, hält das Management bereits für dieses Jahr einen deutlichen Gewinnanstieg für realistisch. Warum soll der Arbeiter dann Opefr bringen?

      Ganz einfach: um den Wert für den Aktionär zu mehren. Einen Wert, den der Vorstand mit Jürgen Schrempp an der Spitze durch Missmanagement sukzessive minimiert hat. Der umstrittene Einstieg beim US-Autobauer Chrysler, das gescheiterte Engagement beim japanischen Unternehmen Mitsubishi Motors, die Pleite mit dem Maut-Erfassungssystem Toll Collect - das sind die Großbaustellen im Konzern, die Milliarden verschlungen haben und die das Personal nicht zu verantworten hat.

      Dass der Vorstand im Rahmen des kürzlich geschnürten Sparpakets künftig auf zehn Prozent seines Gehalts verzichten wird, klingt eher zynisch. Denn bei Einkünften von mehreren Millionen im Jahr können die Manager dies leichter verschmerzen, als die Arbeiter in der Werkshalle, bei denen gerade mal 3000 Euro im Monat auf dem Lohnzettel stehen.

      Mit dem Sparpaket wurde zwar auch eine Standort- und Stellengarantie bis 2012 vereinbart. Aber ob der Vorstand diese Übereinkunft einhält, ist keineswegs sicher. Schließlich haben die Manager auch an dem erst im Februar vereinbarten Tarifvertrag wenige Monate später bereits gerüttelt.

      Das alles steigert nicht gerade die Motivation der Beschäftigten. Die ist jedoch auf Dauer nötig, um die verlangten Höchstleistungen erbringen zu können.

      Dies scheint vielen Vorständen bislang nicht aufgegangen zu sein. Hauptsache, der Aktionär ist zufrieden.


      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
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      schrieb am 30.07.04 15:23:30
      Beitrag Nr. 1.838 ()
      Privatverschuldung
      Jeder Vierte zahlt nicht pünktlich



      Leere Taschen (Foto: dpa)
      Jeder vierte Bürger in Deutschland kann seine Rechnungen nicht pünktlich bezahlen. Zu den meist genannten Gründen für die finanziellen Schwierigkeiten gehören der Verlust des Arbeitsplatzes, Scheidung, die Einführung des Euro sowie hohe Kreditkosten. Insgesamt erhält jeder Deutsche durchschnittlich sieben Mahnschreiben pro Jahr. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Darmstädter Inkasso-Unternehmens "Intrum Justitia".


      Rettungsanker - Was bei der privaten Insolvenz zu beachten ist
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      Überblick - Was die SCHUFA alles von Ihnen weiß


      Alleinerziehende häufig betroffen
      In finanziellen Schwierigkeiten befinden sich laut Umfrage Personen mit niedrigem Einkommen und Alleinerziehende. Von ihnen klagt jeder Dritte über Geldprobleme. Die Umfrage ergab auch, dass Kinder häufig zu viel Geld ausgeben. In fast der Hälfte aller Familien springen die Eltern regelmäßig ein, um diese Schulden zu bezahlen.


      Freunde als Kreditgeber
      Jeder dritte Verbraucher leiht sich ab und zu Geld, um den Forderungen nachkommen zu können. Auch hier stehen die Alleinerziehenden mit 42 Prozent an der Spitze. Das Schlusslicht bilden die Rentner mit 24 Prozent. Neben der Familie und Freunden gilt die Bank als bevorzugter Geldgeber. Acht Prozent der Befragten gaben an, im Kreditbüro zu leihen, da alle anderen Quellen versiegt seien.


      Wirtschaftswissen testen und 1000 Euro gewinnen
      Und so geht`s: Beantworten Sie fünf Fragen aus dem Bereich Wirtschaft und Finanzen, indem Sie aus den vorgegebenen Lösungsvorschlägen auswählen. Unter allen Teilnehmern verlost T-Online 5 x 1000 Euro in bar.







      Strafzettel bleiben liegen
      Bei Mieten und Nebenkosten sei die Zahlungsmoral sehr hoch. Dagegen bleiben Strafzettel und Rechnungen für Arztbesuche oder Handys oft weit über den Zahlungstermin hinaus liegen. Das lange Liegenlassen von Rechnungen hat zur Folge, dass 14 Prozent der Befragten bereits Erfahrung mit einem Mahnschreiben des Gerichtsvollziehers oder eines Inkassounternehmens gemacht haben. Der durchschnittliche Deutsche erhält, so die Einschätzung der Befragten, jährlich rund sieben Mahnschreiben. Und diese zeigen Wirkung: Über 90 Prozent der Rechnungen werden dann kurzfristig bezahlt oder es wird versucht, sich mit dem vom Gläubiger beauftragten Inkassounternehmen auf Zahlungsmodalitäten zu verständigen. Deshalb haben bereits 14 Prozent der Befragten Erfahrungen mit Gerichtsvollziehern oder Inkasso-Unternehmen gemacht. Im Schnitt erhält jeder Deutsche rund sieben Mahnschreiben im Jahr. Davon werden etwa 90 Prozent sofort beglichen oder eine Ratenzahlung vereinbart.


      Klicken Sie sich durch - Wie man sich gegen hohe Gebühren wehrt


      Private Insolvenz als letzter Ausweg
      Rund 2,6 Millionen Verbraucher sind in Deutschland überschuldet. Viele müssen sich für zahlungsunfähig erklären lassen. Selbst dafür braucht man erst einmal viel Geld. Gerichts- und Anwaltskosten sind nicht gerade niedrig. Deshalb wurde der so genannte Verbraucherinsolvenz für Privatleute verbessert.


      Insolvenz - Hilfe für überschuldete Bürger


      Staat schießt Prozesskosten vor
      Seit diesem Jahr gibt es ein neues Gesetz. Personen mit einem großen Schuldenberg, die nicht die 2500 Euro Verfahrenskosten aufbringen können, bekommen Hilfe vom Staat. Allerdings muss der Schuldner den Betrag sobald er wieder aus den Miesen gekommen ist, zurückzahlen. Zudem wurde der steinige Weg heraus aus der Schuldenfalle von bislang sieben auf sechs Jahre erleichtert.
      dpa, 30.07.04


      .
      http://onwirtschaft.t-online.de/c/22/51/32/2251320.html
      Avatar
      schrieb am 30.07.04 15:29:24
      !
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      Avatar
      schrieb am 30.07.04 15:42:30
      Beitrag Nr. 1.840 ()
      Avatar
      schrieb am 30.07.04 16:05:32
      Beitrag Nr. 1.841 ()
      Aus der FTD vom 30.7.2004
      Arbeitsagentur fordert mehr 2-Euro-Jobs
      Von Maike Rademaker, Berlin

      Die Bundesagentur für Arbeit (BA) geht davon aus, dass öffentlich geförderte Jobs für Arbeitslose mit 1 bis 2 Euro pro Stunde bezahlt werden. 750.000 Stellen sollen geschaffen werden.






      Heinrich Alt


      "Man kann für einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitslosenjob fünf bis sechs Stellen dieser Art schaffen", sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt der FTD. Er bezog sich auf die so genannte Mehraufwandsvariante. "Da sollten sich die Beschäftigungsgesellschaften umorientieren."

      Die Bundesregierung plant im nächsten Jahr die massive Ausweitung der öffentlich geförderten Beschäftigung für Arbeitslose auf rund 750.000 Stellen. Derzeit sind zwischen 300.000 und 400.000 Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger bei Tausenden Trägern wie Vereinen oder Beschäftigungsgesellschaften eingesetzt. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung war bisher bei den Trägern beliebt, weil damit die Teilnehmer nach der Maßnahme wieder Arbeitslosengeld bekamen - und die Kommune finanziell entlastet wurde.


      Diese Drehtür soll nun versperrt werden. "Ich erwarte von den Beschäftigungsgesellschaften und den Kommunen eine große Kreativität beim Auffinden von Arbeit", sagte Alt. So sei vorstellbar, dass Arbeitslose als Hausmeister in sozialen Brennpunkten arbeiteten oder in Parks. Einsatzmöglichkeiten sieht Alt auch in der Kinderbetreuung und bei der Pflege. "Da wird es schon aus demografischen Gründen einen wachsenden Bedarf geben." Ein riesiger zweiter Arbeitsmarkt entstehe dadurch nicht, sondern eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt. "Schließlich gibt es einen Pflege- und Personalschlüssel." Letztlich müssten aber die Arbeitsgemeinschaften entscheiden, wie viele Jobs sie mit ihrem Budget schaffen. Viele Arbeitsagenturen verhandeln bereits mit den Gesellschaften, die Kostenstrukturen der Träger stehen unter Druck. "Wir müssen über die Kosten für die Organisation der Stellen diskutieren", sagte Alt. Diese sind derzeit je nach Maßnahme und Kommune unterschiedlich. Was bezahlt werden soll, werde sich im Wettbewerb herausstellen. "Über Geld kann man reden, wenn der Integrationserfolg in Arbeit gut ist."



      Zwei Kriterien


      Für die Jobs gelten laut Alt zwei Kriterien: Sie müssen integrationsfördernd sein und sollen nicht zur Verdrängung regulärer Jobs führen. Vor allem das Handwerk fürchtet, dass mit der geplanten Strategie Betriebe Aufträge verlieren - ein Problem, das es bereits bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gab. Alt fordert für die Arbeitsgemeinschaften einen Beirat, in dem Arbeitgebervertreter, Arbeitnehmervertreter und Wohlfahrtsverbände sitzen und die Integrationsprogramme diskutieren. "Wenn wir es nicht schaffen, dass es hier einen gesellschaftlichen Konsens gibt, dann haben wir verloren."


      Falsch wäre es auch, wenn Kommunen mit diesen Jobs bei der regulären Beschäftigung Geld und Stellen sparten, so Alt. Gleichzeitig räumte er aber ein, dass der Einsatz der Arbeitslosen über die Mehraufwandsvariante den chronisch klammen Kommunen hilft: So könnte an Schulen Ganztagsbetreuung mit Hilfe der Arbeitslosen eingeführt werden. "Einen Lehrer dort einzusetzen ist nicht zu finanzieren", sagte Alt. Die Arbeitslosenjobs seien "sinnstiftend, dienen der Gesellschaft, und die Arbeit wird sonst nicht gemacht". Insgesamt soll es 750.000 Angebote geben. Dazu zählen auch Trainingsmaßnahmen und Sprachkurse. In der Arbeitslosenstatistik würden die Teilnehmer nicht mehr gezählt. "Das kann aber jeder addieren, die Zahlen werden veröffentlicht."


      Kommunen, die die Arbeitslosen selbst betreuen, bot Alt an, das IT-System der BA zu übernehmen. "Wir stellen es kostenlos zur Verfügung."


      Allerdings gebe es noch ein datenschutzrechtliches Problem: "Damit hätte die Kommune bundesweit Zugriff auf alle Daten aller Hilfeempfänger." Das sei nicht erwünscht. Vor dem 1. Januar sei eine Lösung technisch aber nicht möglich. Alt: "Der Datenschutz muss prüfen, ob ein solch umfassender Zugriff auf Zeit zu tolerieren ist."


      http://www.ftd.de/pw/de/1090650104631.html?nv=hpm
      Verhältnisse wie in Afrika sind erwünscht.
      Willkommen im Mittelalter. Früher nannte man sowas Sklaverei. Arbeitslosigkeit kann man nicht bekämpfen, indem man die Arbeitslosen bekämpft.
      Schuften um nicht zu verhungern,aber auch nicht zum leben.
      Das ganze Bürokratieapparat "Arbeitsamt"agentur" (Name"sklavenpool" wäre eine realistische Bezeichnung) gewesen.)ist überflüssig und verschlingt unnötige Milliarden.
      Avatar
      schrieb am 30.07.04 16:18:08
      Beitrag Nr. 1.842 ()
      Kolumnen von Günter Hannich


      -------------------------------------------------------------3.7.04-------------------

      Der Sozialabbau als Vorzeichen einer Krise?

      Der Abbau von Sozialleistungen wird heute als großer Fortschritt gewertet. Im Kernpunkt der meisten „Reformen“ geht es letztlich darum, vor allem die Gelder an Hilfsbedürftige, sowie die Löhne und Arbeitnehmerrechte zu beschränken. Dahinter steht die Logik, dass, wenn der Staat und die Unternehmen weniger Kosten haben, diese dann billiger und rentabler produzieren könnten, womit sich das Wirtschaftswachstum erhöhen würde.
      Doch wie sieht die Realität aus? In Wirklichkeit sieht es so aus, dass je weniger Geld in den Taschen der Bürger bleibt, die Kaufkraft umso mehr sinkt und damit wiederum die Möglichkeit, Produkte nachzufragen. Je weniger Waren gekauft werden und je weniger verdient wird, desto kleiner fällt am Ende der Gewinn für die Unternehmen aus und damit die Steuereinnahmen des Staates. Mit solchen „Reformen“ stellen sich die beteiligten Institutionen also selbst ein Bein.
      Wer ist denn eigentlich schuld an der Wirtschaftsmisere? Sind es die Arbeiter, die schon seit Jahren Lohnzuwächse (welche ohnehin durch die schnell steigenden Steuern aufgefressen werden) unterhalb des Produktivitätsanstieges verkraften müssen?
      Oder die Kapitalkosten der Unternehmen, welche um ein Vielfaches schneller wachsen als alle Lohnkosten, die Bremse für die Wirtschaft?
      Grundsätzlich sollte einmal hinterfragt werden, wer eigentlich einen Anspruch auf die Wertschöpfung hat: Der Arbeitnehmer und der Unternehmer, welche wirklich etwas leisten oder der Kapitalgeber, welcher außer seiner eher geringen Verwaltungsauslagen und seines im Zins bereits eingepreisten Risikos keine Lasten zu tragen hat?
      Der ganze Sozialabbau und alle Forderungen nach „mehr Arbeit mit weniger Lohn“ ist möglicherweise ein deutliches Indiz dafür, dass wir vor einer Krise stehen. Er macht deutlich, dass etwas Grundsätzliches in unserem Wirtschaftssystem in Unordnung geraten ist. Warum versperren sich die Wirtschaftsforschungsinstitute, der IWF, die OECD - überhaupt alle Institutionen diesen Fragen und kommen stattdessen mit den immer gleich lautenden angeblichen„Reformen“ und Forderungen, welche aber schon während der Depression der dreißiger Jahre in eine Krise geführt haben?

      http://www.geldcrash.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 30.07.04 23:27:28
      Beitrag Nr. 1.843 ()
      Hallo,
      #1841
      Der Sozialabbau als Vorzeichen einer Krise?

      vor einiger Zeit habe ich mal hier versucht eine Diskussion zu führen mit null Resonanz - ok.

      Ich frage mich nur, was diese Artikel, wie posting #1841 sollen.
      Diese Kolumne ist so schlecht und mit so vielen alten Meinungen gespickt, daß sie nicht ohne Widerspruch bleiben kann.
      Leider vergißt Herr Hannich, daß seit Karl Marx und ´68 sich einiges geändert hat. Der Abbau von Sozialleistungen geschieht heute, im Gegensatz zu einer Welt, die wir bisher kannten, unter dem Stichwort der Globalisierung. Es interessiert nur noch marginal, ob der Bundesbürger mehr oder weniger Geld in den Taschen hat, wenn global agierende Konzerne ihre Gewinne durch Exporte generieren. Eine lahmende Binnennachfrage frißt den Mittelstand, das Bekleidungsgeschäft um die Ecke, den Fachhändler, nicht aber H&M, C&A oder Daimler.
      Der ganze Sozialabbau und alle Forderungen nach „mehr Arbeit mit weniger Lohn“ ist möglicherweise ein deutliches Indiz dafür, dass wir vor einer Krise stehen..
      Diese Krise betrifft aber nur ein kleines Land, -Deutschland, und interessiert somit kaum jemanden. Die Krise ist lokal. Die Globalisierung frißt somit, pathetisch gesagt,ihre Kinder.
      Der Lebensstandart der Billiglohnländer steigt, neue Absatzmärkte werden generiert und dies geschieht auf Kosten von Ländern wie Deutschland. So what - ein bischen Umverteilung - wir werden damit leben müssen.

      Gruß,

      C.
      Avatar
      schrieb am 31.07.04 00:27:13
      Beitrag Nr. 1.844 ()
      @cornelius

      Das zur Klarstellung.
      Günter Hannich hat nichts mit KarlMarx oder den 68 zu tun.



      Wenn die Industrienationen eine Krise bekommen, werden auch die Globalplayer nicht durch Exporte in Entwickllungs-Schwellenländer ihre Gewinne halten können. Eine Weltwirtschaftskrise tifft fast alle Länder. Die größten Gewinne werden in den Industrienationen erwirtschaftet.
      Die Krise ist systembedingt und betrifft nicht nur einzelne Länder, sondern die Weltwirtschaft
      und Globalplayer sind davon nicht ausgeschlossen.
      Avatar
      schrieb am 31.07.04 00:28:21
      Beitrag Nr. 1.845 ()
      Avatar
      schrieb am 31.07.04 00:28:37
      Beitrag Nr. 1.846 ()
      Avatar
      schrieb am 02.08.04 16:11:27
      Beitrag Nr. 1.847 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de


      Aus aktuellem Anlaß: 01.08.2004


      DIESE WOCHE
      Diese Woche denkt der Spatz darüber nach, wie Privatisierungen dem Gemeinwohl schaden. Er überlegt, wie die künstliche Schaffung von Verteuerung und Verknappung mit scheinbar marktwirtschaftlichen Mitteln zum Machterhalt einer kleinen politischen Elite beiträgt und zeigt, wie wir permanent belogen und betrogen werden - gut zu lesen vor Ihre nächsten Wasser- oder Stromrechnung!



      Wollen Sie in Zukunft Ihre Wasserrechnung noch bezahlen können?





      Der Spatz hatte es angekündigt und jetzt wird es Wirklichkeit: Von der Allgemeinheit fast unbemerkt wird derzeit in Brüssel durch die EU-Kommission mit Hilfe der großen Weltkonzerne (z.B. EnBW, RWE, Coca Cola, Suez, Veolia, E-ON, u.a.) die Privatisierung der öffentlichen Wasserversorgung für ganz Europa betrieben. Das hat, wie in England und Wales bereits geschehen, für die Bürger schlimme Folgen. Dort sind die Wasserpreise nach der Privatisierung stark angestiegen, die Anlagen wurden heruntergewirtschaftet, die Wasserqualität hat sich verschlechtert und der Gewässerschutz ist auf der Strecke geblieben. Es geht nicht ums Wasser. Es geht nur noch darum, den anstrengenden Verkauf durch den mitlaufenden Zähler zu ersetzen. Verkaufen wird schwierig, wenn den Leuten das Geld knapp wird. Also alles Überflüssige abspecken und Konzentration auf das Kerngeschäft, die "unelastische Nachfrage". Die "Cola" läßt sich einsparen, aber nicht das Wasser. Die Cola muß man sich im Geschäft oder in der Kneipe eigens kaufen, beim Wasser läuft der Zähler mit. Und wird nicht schon nach dem CO2-Klimabetrug der Wasserknappheitsbetrug in medienwirksamen "wissenschaftlichen" Konferenzen angeleiert. Über zwei Drittel der Erde ist durchschnittlich 3.000 m tief mit Wasser bedeckt, aber Wasser ist knapp, weil und solange man - nicht zu letzt dank der Grünen Ideologie - Energie knapp halten kann. Wasser, Strom, Heizung und Gesundheitsdienst: hier brummt das Geschäft und es ist nur konsequent, daß viele (Schein)Firmen der Nahrungsmittelindustrie schon längst in zentraler Hand sind (Nestle, Unilever).

      Die EU-Kommission hat ihre Pläne als ein sog. "Grünbuch" herausgegeben. Nachzulesen auf http://europa.eu.int/comm/internal_market/publicprocurement/… Es fordert die generelle marktwirtschaftliche Privatisierung der Grundversorgung, so daß künftig private Konzerne die Wasserversorgung einer Stadt, einer Gemeinde, eines Zweckverbands oder einer ganzen Region betreiben sollen. Durch sog. Gebietskonzessionen wäre dann die Wasserversorgung für lange Zeit (20 bis 25 Jahre) unwiderruflich in die Hand derer gegeben, die laut Anstellungsvertrag mit dem geringsten Aufwand den größten Geldgewinn für Aktionäre beitreiben sollen. Die auf Medienempfehlung gewählten "Demokraten" dürfen als Gegenleistung ihre bevorzugte Wählergruppen in Überwachungsbehörden unterbringen, wo sie nach BAT Wasser predigen und Wein trinken können.

      Noch können Bürger als demokratisches Zugeständnis ihren Unwillen darüber unter folgender Anschrift kund tun: Europäische Kommission, Konsultation "Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften", C 100 2/005, B-1049 Bruxelles, und unter folgendem Betreff "Grünbuch (PPP) zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften vom 30.04.2004 und Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse". Gemäßigt könnte das so klingen:

      "zu o.a. Grünbuch der EU-Kommission gebe ich folgende Anregungen

      Das Europäische Parlament hat ausdrücklich bekräftigt, Wasser sei keine übliche Handelsware. Deshalb sollte die Kommission davon ablassen, Wasser zum Wirtschaftsgut zu machen und privatwirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Wasserversorgung auf europäischer Ebene zu schaffen.
      Das vorhandene Ausschreibungsrecht ist völlig ausreichend. Die neuen Vorgaben im Ausschreibungsrecht beschleunigen die marktbeherrschende Stellung großer Konzerne und gefährden die Existenz öffentlicher Unternehmen unter demokratischer Kontrolle.
      Die bestehenden Gesetze und Verordnungen reichen völlig aus. Sie ermöglichen einen sinnvollen Querverbund, und sind Grundlage für sichere, nachhaltige und preisgünstige Leistungen auf dem Wassersektor.
      Die Privatisierung bzw. Liberalisierung der Wasserversorgung bringt den davon abhängigen Bürgern keine Vorteile. Die Einführung von Ausschreibungspflichten dürfte sich wie Beispiele in Großbritannien belegen eher nachteilig darauf auswirken.
      Auch die Liberalisierung des Energiesektors in Europa war kein gelungenes Beispiel für Wettbewerbsverbesserungen. In Deutschland teilen sich nur vier Stromkonzerne fast den gesamten Markt und treiben Strompreise ärgerniserregend nach oben, versagen aber bei den anstehenden Investitionen zugunsten des shareholder value.
      Bislang gibt es kein Beispiel dafür, daß die Privatisierung zentraler Versorgungsleistungen, die großen Kapitaleinsatz zur Voraussetzung haben, die Versorgung wirksamer und günstiger gemacht hätte. Die angeblichen Erfolgsbeispiele sind erwiesenermaßen mißlungen, zum Beispiel die Wasserversorgung in England und Wales oder der Energiesektor in den USA. Eine österreichische Studie zum internationalen Vergleich der Wasserwirtschaft vom 15.10.2003 kommt zum Ergebnis, daß privatwirtschaftlich geführte Großunternehmen nicht effizienter arbeiten als öffentliche.
      Die kommunale Selbstverwaltung hat sich in Deutschland bewährt und entspricht dem in der EU geltenden Subsidiaritätsprinzips. Sie sollte durch die vorgesehenen Ausschreibungspflichten nicht ausgehebelt werden.
      Die Beteiligung eines privaten Kapitalgebers oder eine Vollprivatisierung hat nicht zwangsläufig eine positive Auswirkung auf die Qualität der Dienstleistungen. Sie trägen dazu bei, die dringend nötige Reform der erwiesenermaßen unzulänglichen Finanzordnung auf Kosten der Nichtkapitaleigner hinauszuzögern. Städten und Gemeinden, bzw. den öffentlichen Unternehmen sollte es auch ohne Ausschreibungspflicht freigestellt bleiben, die horizontale Kooperation mit anderen öffentlichen Unternehmen oder durch Bildung von Zweckverbänden oder Anstalten des öffentlichen Rechts frei zu wählen. Hier dürfen die Zuständigkeiten nicht von der lokalen bzw. nationalen Ebene auf die europäische Ebene verlagert werden. Jedenfalls ist die in Deutschland verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung zu respektieren.
      Ich darf mich für die Gelegenheit zur Stellungnahme bedanken und hoffe, daß Sie meine Anregungen und Bedenken bei der endgültigen Beschlußfassung berücksichtigen. Ich bin mir sicher, daß der größte Teil der betroffenen Bevölkerung, wenn er nur etwas über die Konsequenzen nachdenkt, die Wasserversorgung (und auch Abwasserentsorgung) nicht privatisieren lassen will."


      Ein solcher Brief muß wegen ablaufender Fristen umgehend mit Absender und Unterschrift versehen bei der angegebenen Adresse in Brüssel eintreffen. Auch ein e-mail-Versand (zusätzlich zum Brief) ist möglich unter der Adresse: MARKT-D1-PPP@cec.eu.int. So viel zum Sommerloch, in dem gerne unauffällig Weichen gestellt werden.

      Als Ergänzung hier noch ein Hinweis darauf, wozu sich demnächst Klimaschutz sonst noch eigenen könnte: "Der menschliche Körper strahlt pro Person etwa 100 Watt Wärme aus". Man kann also leicht den Beitrag des lebenden menschlichen Organismus zur "Klimaerwärmung" ausrechnen. Zwischen 1900 und 2000 hat sich Weltbevölkerung auf 6 Mrd. nahezu vervierfacht. Sie können sich leicht vorstellen, wie man die "Klimakatastrophe" besser als durch das unwirksame Kyoto-Protokoll "abwenden" könnte, wenn man das wollte. Und man will: Klagen nicht alle, die die Beseitigung der Armut für schwieriger halten als die Beseitigung der Armen, über die Überbevölkerung?

      Warum werden die Lügen über die Klimaerwärmung durch das CO2, das - wenn überhaupt - nur eine ganz geringfügige Klimawirkung hat, aufrecht erhalten, obwohl in der wissenschaftlichen Literatur immer deutlicher wird, wie verkehrt die Grundannahmen der Klimakatastrophalen sind? Das wurde erst kürzlich, am 7. und 8. Juli wieder auf der Sitzung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau bestätigt. Die Akademie hatte die im Westen "anerkanntesten" Verfechter der Klimakatastrophe, darunter Sir David King, den wissenschaftlichen Chefberater der britischen Regierung, und Sir Crispin Tickell, den eigentlichen Initiator der Klimapolitik im Jahr 1974, zu einem Streitgespräch mit wissenschaftlichen Kritikern ihrer Thesen geladen. Die regierungsamtlichen Vertreter der Klimalinie versuchten durch unverschämte Verzögerungen ihres Auftretens (mehrere Stunden) und Überziehungen ihrer Redezeit (um das Doppelte) zu verhindern, daß die Kritiker überhaupt noch zu Gehör kamen. Als das doch geschah, zeigte sich sehr schnell, daß sie auf die wissenschaftlichen Einwände gegen ihre Thesen entweder die Antwort schuldig blieben oder ausweichende Zugeständnisse machen mußten.

      Sir David mußte schließlich zugeben, daß es für das Kyoto Protokoll "keine wissenschaftliche Grundlage gäbe" und konnte Andrei Illarionow nichts entgegen halten, als er Großbritannien und anderen reichen "imperialistischen" Nationen vorwarf, das Protokoll zu benutzen, um die Industrialisierung in armen Entwicklungsländern zu verhindern. Diese Länder wollen, stellte Illarionow (Putins Wirtschaftsberater) fest, das Protokoll benutzen, weil sie über die Emissionsquoten in einer bisher ungeahnten Art und Weise die Produktionswirtschaft der armen Länder kontrollieren können.

      Auf dem Treffen wurde u. a. festgestellt:

      Die Durchschnittstemperatur folgt nicht der Entwicklung des CO2-Anteils in der Erdatmosphäre. (William Kininmonth Australian Climate Research, Piers Corbyn Weather Action London)
      Sonnenteilchen (Sonnenwind) beeinflussen entscheidend die Temperaturentwicklung der Erde. (Piers Corbyn, Weather Action, London)
      Es gibt keinen deutlichen Anstieg der Meeresoberfläche insbesondere nicht bei den Maldiven. (Prof Nils-Axel Morner, Universität Stockholm)
      Es gibt keine Zunahme gefährlicher tropischer Krankheiten aufgrund einer möglichen Klimaerwärmung (insbesondere nicht von Malaria, die gar keine tropische Krankheit ist). (Paul Reiter, Pasteur Institut Paris)
      Eine mögliche Klimaerwärmung würde nicht zu vermehrten extremen Wetterereignissen führen, (das wollte die britische Regierungsdelegation auch nie behauptet haben) (Madhav L Khandekar, Ontario Canada)

      Warum also die Fehlinformation der westlichen Medien und Dienststellen in der Klimafrage wie in früheren Umweltkampagnen wie DDT, Ozonbloch, Waldsterben? Eine Antwort finden sie in der Schrift "Die Grüne Bewegung" DIN A4, 14 Seiten, die die Geschichte der Grünen im Rahmen westlicher Krisen und Gesellschaftsplanung und ihre eigentlichen Auftraggeber belegt darstellt. Zu bestellen gegen 2 Euro + Porto bei boettigerdrh@web.de
      Avatar
      schrieb am 03.08.04 15:57:09
      Beitrag Nr. 1.848 ()
      Avatar
      schrieb am 03.08.04 16:18:03
      Beitrag Nr. 1.849 ()
      Titel
      Wolfgang Pomrehn

      Nötigung in Genf

      Industriestaaten peitschten auf WTO-Tagung ihre Interessen gegenüber dem Süden durch


      Nach langem Hin und Her haben sich die Industriestaaten in der Welthandelsorganisation (WTO) behauptet. In der Nacht zum Sonntag drückten sie bei den Verhandlungen in Genf ihre Interessen gegenüber den Entwicklungsländern durch. Die Gespräche waren wegen erheblicher Meinungsverschiedenheiten über den Abbau von Subventionen und Zöllen um insgesamt fast zwei Tage verlängert worden. Mit der nun vorliegenden Erklärung, auf die sich die 147 WTO-Mitglieder wie üblich im Konsens geeinigt haben, ist die Verhandlungsblockade überwunden, die auf der letzten WTO-Ministerkonferenz im September 2003 im mexikanischen Cancún entstanden war. Seinerzeit hatte sich eine Front von Entwicklungs- und Schwellenländern gegen die Erpressungsversuche der Europäischen Union formiert und die Gespräche letztlich platzen lassen.

      In Genf einigte man sich nun auf einen Verhandlungsplan für die Weiterentwicklung der WTO-Verträge, der auf weitere »Liberalisierung« des Welthandels zielt. Die Industriestaaten versprachen den Abbau ihrer Exportsubventionen für Agrarprodukte, Entwicklungsländer müssen hingegen Zölle für Industriewaren und Beschränkungen im Dienstleistungssektor schrittweise aufgeben, mit denen sie bislang ihre einheimischen Produzenten schützten. Auf die damit nun formell eröffnete Verhandlungsrunde hatte man sich bereits Ende 2001 in der Hauptstadt des Golfstaates Katar, in Doha, geeinigt. Ursprünglich hätte sie bereits Ende dieses Jahres abgeschlossen sein sollen. Jetzt verlängerte man diese Frist, ohne daß jedoch ein Zieldatum genannt wurde.

      Die Bundesregierung scheint äußerst zufrieden mit dem Genfer Ergebnis. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement meinte, die Fortschritte seien für »Wachstum und Beschäftigung in Deutschland wichtig«, das als exportorientiertes Land besonders auf den freien Welthandel angewiesen sei. Daß Deutschlands exorbitanter Handelsüberschuß andernorts zu Arbeitslosigkeit führt, blieb wie immer unerwähnt. Einige Nachrichtenagenturen glaubten gar, das Ende der Meinungsverschiedenheiten zwischen armen und reichen Ländern sei gekommen. Brasiliens Außenminister Celso Amorim sah gar den »Anfang vom Ende der (Agrar-)Subventionen. Als erstes werden die Exportsubventionen fallen«.

      »Leere Versprechen«, meinen hingegen viele Beobachter aus dem Lager der Nichtregierungsorgansiationen. Pia Eberhardt von der deutschen Gruppe WEED (World Economy, Environment, Development; Weltwirtschaft, Umwelt, Entwicklung) weist darauf hin, daß die Frage von Exportkrediten für Agrarprodukte vollkommen ungeklärt sei. Selbst bei den nun gemachten Zugeständnissen der Industriestaaten sei unklar, wann sie umgesetzt würden. Noch schlechter sieht es für die Entwicklungsländer bei denjenigen Agrarsubventionen aus, die nicht direkt den Export fördern. In der WTO-Sprache wurden für diese verschiedene »Schachteln« (Boxen) eingeführt und zwischen den verschiedenen Arten von Zuschüssen unterschieden, z. B. solchen, die dem Umweltschutz dienen (grüne Box), die den Anbau stimulieren (gelbe Box) oder solchen, die ihn drosseln, wie Flächenstilllegungsprämien (blaue Box). Nur die gelbe Box soll ganz gestrichen werden, ohne daß dafür bisher ein Datum genannt wurde.

      Aileen Kwa vom Bangkoker Institut »Focus on the Global South«, die die Verhandlungen seit der WTO-Gründung 1995 beobachtet, sieht in der Einigung vor allem ein Umsortieren von »Schachtel« zu »Schachtel«. Die Industriestaaten würden auch weiterhin ihre Landwirtschaft massiv subventionieren und damit die Weltmarktpreise verderben. Die USA, Japan und die EU-Staaten subventionieren ihre Produkte von Baumwolle über Milch und Fleisch bis Getreide jedes Jahr mit mehr als 300 Milliarden US-Dollar. Ihre Bauern können damit auf dem Weltmarkt billig anbieten, die Entwicklungsländer können nicht konkurrieren und bleiben auf ihren Erzeugnissen sitzen. Den armen Ländern entgehen nach Berechnungen des in Washington ansässigen Internationalen Instituts für Lebensmittelforschung (IFPRI) jährlich 40 Milliarden Dollar durch die Subventionspolitik des Nordens.

      Die Länder des Südens wurden hingegen zu massiven Zugeständnissen bei den Zöllen für Industriewaren genötigt. Der Erklärung wurde ein Text angehängt, der bereits in Cancún auf heftigen Protest gestoßen war. Nun wurde er von der EU und den USA – verändert lediglich um einen kleinen Satz, daß man sich über einige Details noch nicht einig sei – durchgedrückt. Auch der seit langem als äußerst undemokratisch kritisierte Prozeß der Entscheidungsfindung ist nach dem Bericht von Aileen Kwa diesmal noch auf die Spitze getrieben worden. Eine kleine Gruppe von fünf Verhandlungspartnern (EU, USA, Brasilien, Indien und Australien) habe die wesentliche Einigung herbeigeführt. Die sei in einer Marathonsitzung von Freitagnacht bis Samstagabend in einer größeren Gruppe von 20 Staaten verfeinert und festgeklopft worden. Anschließend wurden die restlichen Mitglieder – die überwiegende Mehrheit – so lange bearbeitet, bis keiner mehr wagte zu widersprechen. Schließlich herrscht ja das Konsensprinzip. EU-Handelskommissar Pascal Lamy, Verhandlungsführer der Gemeinschaft, hatte bereits 1999 auf der WTO-Ministertagung in Seattle süffisant angemerkt, daß Demokratie und Effizienz mitunter im Widerspruch zueinander stünden.

      http://www.jungewelt.de/2004/08-02/001.php
      Avatar
      schrieb am 03.08.04 16:22:54
      Beitrag Nr. 1.850 ()
      Inland


      Schuhkartons voller Belege

      Anträge auf Zuzahlungsbefreiung bringen Krankenkassen in Not. Änderungen gefordert


      Die gesetzlichen Krankenkassen werden sieben Monate nach dem Start der Gesundheitsreform von Anträgen auf Zuzahlungsbefreiung überschwemmt. Die Bearbeitung dieser Schreiben sei ein »großes Problem«, kritisierte der Vorstandsvorsitzende der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), Ingo Kailuweit. Täglich kämen bundesweit Hunderte Mitglieder mit Quittungen und Einkommensbescheiden in die Kundencenter, um sich von Zuzahlungen befreien zu lassen.

      Auch DAK-Sprecher Jörg Bodanowitz sprach von einer »Mehrbelastung« bei den Kassen. Diese wirke sich negativ auf die Verwaltungskosten aus. Barmer-Chef Eckart Fiedler sagte, seine Kasse denke bereits über Lösungen nach, wie das Verfahren für chronisch Kranke mit einem gleichmäßigen niedrigen Einkommen vereinfacht werden könne. Die AOK sieht ebenfalls dringenden Änderungsbedarf.

      Versicherte müssen maximal zwei Prozent ihres Brutto-Jahreseinkommens für Praxisgebühr, Krankenhaus- und Medikamentenzuzahlungen aufwenden. Für chronisch Kranke liegt die Grenze bei einem Prozent. Die Betroffenen müssen die Belege sammeln und diese bei Erreichen der Belastungsgrenze ihrer Kasse vorlegen.

      Wie KKH-Chef Kailuweit sagte, müssen die Mitarbeiter alle eingereichten Belege durchschauen und entscheiden, ob sie anerkannt werden. Er forderte die Politik auf, entsprechende Regelungen zu treffen, damit sich dieses Antragsproblem nicht alle Jahre wiederhole. Ein solcher Aufwand koste Millionen, die ansonsten als Beitragsminderung an die Mitglieder weitergegeben werden könnten.

      Rainer Eikel vom AOK-Bundesverband sieht wegen der »verwaltungsmäßigen Belastung« ebenfalls die Notwendigkeit von Korrekturen. Es könne nicht angehen, daß die Versicherten zur Jahresmitte »mit Schuhkartons« voller Belege vor den Kassen stünden. Der Sprecher des BKK-Bundesverbands, Florian Lanz, bestätigte, daß auch die Betriebskrankenkassen massiv über den »immensen Arbeitsaufwand« stöhnten. Es handele sich um ein »echtes Problem«.

      (ddp/jW)
      http://www.jungewelt.de/2004/08-02/013.php
      Avatar
      schrieb am 03.08.04 16:26:57
      Beitrag Nr. 1.851 ()
      02.08.2004

      Inland
      Correl Wex

      »Es wird Zeit, wieder richtig rot zu werden«

      ATTAC schreddert öffentlich Vodafone-Verträge, um gegen »Steuerklau« zu protestieren


      Ein ganz gewöhnlicher Gartenschredder vor der Vodafone-Zentrale in Düsseldorf verrichtet ungewohnte Arbeit: Dutzende von Handy-Verträgen mit Vodafone werden kleingehäckselt. Auf einem großen Transparent steht: »Keine Verträge mit Steuerklauern«. Seit Anfang Juli betreibt Attac eine Kampagne gegen die Pläne des multinationalen Konzerns, der sich 20 Milliarden Euro durch Buchverluste von der Steuer zurückholen will. Mittlerweile sind Tausende von Protestpostkarten verschickt worden und über 25 000 Mails an die deutsche Zentrale des Unternehmens gegangen. Immer mehr Vodafone-Kunden gehen weiter und kündigen. Die Front wird breiter: »Vodafone will sich trotz Milliardengewinnen ums Steuerzahlen drücken. Mit so einem Unternehmen will ich nichts mehr zu tun haben«, sagte der Bremer Unternehmer Klaus Rainer Rupp, der seine Firmenverträge gekündigt hat. »Bisher finden diese Kündigungen im Verborgenen statt«, sagte Detlev von Larcher, Mitglied der Attac-AG Steuern und selbst ehemaliger Vodafone-Kunde. »Das wollen wir mit dieser Aktion ändern und damit andere zur Nachahmung animieren.«

      Auch der Konzern reagiert. Ein Rechtsanwalt rief vor einigen Tagen bei ATTAC an und wollte die Organisation in freundlichem Ton dazu bewegen, den Protest von ihrer Webseite zu nehmen. Außerdem verlangte er, daß ATTAC weder das verfremdete Logo noch die rote Farbe weiter auf Postkarten und Plakaten verwenden. Begründung: die Verwechslungsgefahr sei zu groß. Der Konzern hat allerdings schlechte Karten gegen die Protestkampagne vorzugehen, denn solche verfremdeten Firmenembleme sind durch die Meinungsfreiheit gedeckt. ATTAC selbst läßt es notfalls auch auf einen Prozeß ankommen, sagte Sprecher Malte Kreutzfeldt. Inzwischen holt Vodafone bei den örtlichen Protestaktionen vor Konzernfilialen auch schon die Polizei zur Hilfe; in Göttingen wurden Platzverweise ausgesprochen. In München wurden Protest-Postkarten, Flugblätter und anderes Informationsmaterial von der Polizei beschlagnahmt.

      »Getroffene Hunde bellen«, kommentiert Lars Niggemeyer von der Attac-AG Steuern. »Vodafone zeigt durch den Rückgriff auf die Hilfe von Polizei und Anwälten, daß der Imageverlust der Milliardenabschreibung anfängt, wehzutun.« Unternehmenssprecherin Ute Schack reagiert auf die Nachfragen von jW verschnupft. Wie viele Postkarten jeden Tag kämen, wüßte sie nicht. Eine kleine Kündigungswelle gebe es schon. ATTAC hofft, daß daraus bald eine große Kündigungswelle wird.

      Damit das gelingt, sind an 50 Orten in Deutschland Aktionen vor Filialen geplant oder zum Teil schon gelaufen. »Die Kampagne wird von der Bevölkerung sehr positiv aufgenommen. Die Menschen sind froh, daß etwas gegen diese Steuertrickserei unternommen wird«, so Stephanie Handtmann, Zuständige für die Aktionsunterstützung bei ATTAC. So zum Beispiel auch in Nürnberg. Ein Passant kommentierte: »Das ist eine Sauerei, was die Konzerne machen. Es wird Zeit, daß man wieder richtig rot wird.«

      http://www.jungewelt.de/2004/08-02/015.php
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      schrieb am 04.08.04 23:12:21
      Beitrag Nr. 1.852 ()
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      schrieb am 05.08.04 19:11:59
      Beitrag Nr. 1.853 ()
      Nappo führt 60-Stunden-Woche ein


      Nappo Werbe-Postkarte (Foto: Nappo)
      Siemens, DaimlerChrysler - mit der Drohung Arbeitsplätze in Billiglohnländer zu verlegen, erpressten die Groß-Unternehmen von ihren Mitarbeitern unbezahlte Mehrarbeit. Die 40-Stunden-Woche wurde wieder eingeführt. Auch der Krefelder Süßwarenhersteller Nappo hat für seine 150 Mitarbeiter die 40-Stunden-Woche eingeführt, gleichzeitig aber die Beschäftigten dazu verpflichtet 20 Überstunden pro Woche zu machen - ohne Lohnausgleich. Das berichten "Rheinische Post" (RP) und "Bild" übereinstimmend.


      Arbeitszeiten - Welche Firmen schon länger arbeiten
      Suchmaschine - Neuen Job finden
      Fotoshow: EU-Arbeitszeiten - Wer arbeitet in Europa am längsten?


      12-Stunden-Tage
      Die für Nappo zuständige Sekretärin der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG), Brigitte Bresser, bestätigte der RP, dass die Angestellten in dem Krefelder Werk seit anderthalb Wochen zwölf Stunden am Tag arbeiten müssten, von sechs bis 18 Uhr - zum Tariflohn einer 38-Stunden-Woche. Die verlängerte Arbeitszeit ist allerdings auf drei Monate begrenzt. Angeblich hätten die Besitzer, die Gebrüder Bleser, den Mitarbeitern gedroht, entweder sie würden die Mehrarbeit akzeptieren, oder die Firma müsse geschlossen werden.


      Dem Gesetz ein Schnippchen schlagen
      Wie Brigitte Bresser RP gegenüber erklärte, soll es am Mittwochabend ein Treffen von Betriebsrat und Unternehmen gegeben haben. Dabei soll vereinbart worden sein, dass die Verlängerung so ausgestaltet wird, dass sie weder gegen den Tarifvertrag noch gegen bestehende Arbeitszeitgesetze verstoße. Nach diesem Treffen bestehe für die Gewerkschaft zunächst kein weiterer Handlungsbedarf, so Bresser weiter. Das zuständige Amt für Arbeitsschutz in Mönchengladbach, das die Gewerkschaft NGG eingeschaltet hatte, will sich zunächst die Arbeitszeitnachweise von Nappo schicken lassen und diese prüfen.


      Mehr zum Them
      http://onwirtschaft.t-online.de/c/22/73/46/2273466.htmla:
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      schrieb am 05.08.04 19:15:07
      Beitrag Nr. 1.854 ()
      Hartz IV: Verfassungsrechtler sehen Probleme


      Warten auf dem Arbeitsamt (Foto: dpa)
      Gegen die Arbeitsmarkt- und Sozialreformen der Bundesregierung regt sich nun auch Kritik bei obersten Bundesrichtern. Wenn zunehmend Leistungen gekürzt würden, könne das System der Zwangsversicherungen nicht mehr aufrecht erhalten werden.


      Beiträge zu hoch
      Die Arbeitsmarktreformen könnten Rechtsexperten zufolge dazu führen, dass die deutschen Sozialgesetze teilweise nicht mehr verfassungskonform sind. Wolfgang Spellbrink, Richter am Bundessozialgericht, sagte der Chemnitzer "Freien Presse", nach den Leistungskürzungen in der Arbeitslosenversicherung sei es verfassungsrechtlich nicht mehr zu rechtfertigen, Beiträge in Höhe von 6,5 Prozent des Bruttolohnes für diese Versicherung zu erheben.


      Individuelle Handlungsfreiheit verletzt
      Leiste ein soziales Zwangs-Sicherungssytem deutlich weniger, als der Bürger bei privater Vorsorge erzielen könnte, nehme sich dieses System unter dem Gesichtspunkt der im Grundgesetz festgeschriebenen Persönlichkeitsrechte die rechtliche Grundlage. Die allgemeine Handlungsfreiheit werde verletzt, ohne dass dies mit einer adäquaten Gegenleistung begründet werden könnte, wurde Spellbrink zitiert.


      Erworbene Ansprüche gestrichen
      Der Kölner Verfassungsrechtler Heinrich Lang vertrat ebenfalls in der "Freien Presse" die Ansicht eines erhöhten Eingriffs in die Grundrechte. Zur Begründung sagte Lang, erworbene Ansprüche seien nicht nur bei der Arbeitslosenversicherung, sondern auch bei der Kranken- und Rentenversicherung per Gesetz gestrichen worden.


      Arbeitslosigkeit - Deutlicher Anstieg im Juli
      Suchmaschine - Neuen Job finden
      Fotoshow: EU-Arbeitszeiten - Wer arbeitet in Europa am längsten?

      Montagsdemonstrationen in Ostdeutschland
      Gegen die unter dem Stichwort "Hartz IV" bekannten Sozialreformen regt sich auch zunehmend Widerstand in der Bevölkerung. In immer mehr Städten sind Demonstrationen geplant. Am 30. August wird es auch in der Leipziger Nikolaikirche ein Friedensgebet mit anschließender Demonstration geben, wie die "Berliner Zeitung" berichtet. Die Nikolaikirche war 1989 das Zentrum des friedlichen Protests gegen die DDR-Regierung. "Die Menschen fühlen sich ohnmächtig gegenüber dem drastischen Sozialabbau", sagte Christian Führer, Pfarrer in der Nikolaikirche, dem Blatt.

      Proteste in Berlin geplant
      Am Montag hatten in Magdeburg und Dessau Tausende Menschen gegen die Arbeitsmarktreform demonstriert. Auch in Berlin laufen die Planungen für Protestaktionen in den kommenden Wochen, wie der Berliner Vertreter des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac, Werner Halbauer, der "Berliner Zeitung" sagte.


      "Bedrohliche Unruhe"
      Pfarrer Führer sagte, es herrsche heute "eine bedrohliche Unruhe", eine politische Alternative sei nicht in Sicht. "Das macht die Situation für die Menschen so trostlos und scheinbar ausweglos". Die Proteste könnten nach Ansicht des Leipziger Pfarrers zu einer Bewegung werden. Im Herbst 1989 sei der SED-Unrechtsstaat auf friedliche Weise hinweggefegt worden. "Eine genauso große Bewegung brauchen wir für den zweiten Teil der friedlichen Revolution, der noch aussteht - nämlich den inneren Frieden in Deutschland herzustellen", sagte Führer. Der könne nur erreicht werden, indem der Abbau des Sozialstaates gestoppt wird.

      http://onwirtschaft.t-online.de/c/22/73/86/2273864.html
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      schrieb am 05.08.04 19:17:17
      Beitrag Nr. 1.855 ()
      Schallmauer für Diesel ist durchbrochen


      Die Schallmauer bei den Dieselpreisen ist durchbrochen (Foto: dpa)



      Autofahrer in Deutschland müssen zur Zeit starke Nerven haben. Jetzt ist bei den Spritkosten eine weitere Schallmauer durchbrochen worden: PKW-Fahrer in Deutschland müssen erstmals einen Euro für einen Liter Dieselkraftstoff bezahlen. Der bundesweite Durchschnittspreis übertraf damit heute die bisherige Rekordmarke von 99 Cent aus dem März 2003, teilten Sprecher der Mineralölwirtschaft in Hamburg mit. Der Liter Superbenzin kostet im Durchschnitt 1,20 Euro. Der Automobilclub ACE forderte die Mineralölfirmen auf, die Benzinpreise zu senken. Ähnliche Forderungen hatten bereits der ADAC und der AvD erhoben. Marktexperten erwarten aber auch nach dem Signal der OPEC, kurzfristige Förderreserven mobilisieren zu können, keine nachhaltige Entspannung der Ölpreise.



      Hohe Einkaufskosten in Rotterdam
      Die Unternehmen begründeten die Erhöhung der Dieselpreise mit den hohen Einkaufskosten am europäischen Ölmarkt in Rotterdam. Der Preisrückgang für Rohöl von rund drei Prozent vom Mittwochabend hat sich bei den Tankstellenpreisen bislang nicht ausgewirkt. Heute zogen die Ölpreise im Tagesverlauf bereits wieder an. Die Nachricht von freien Förderreserven der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) hatte die Ölpreise am Mittwochabend stark ins Rutschen gebracht. Für eine Fördererhöhung könne man kurzfristig auf Kapazitäten von 1,5 Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Tag zurückgreifen, hieß es von der OPEC. Noch am Vortag hatte OPEC-Präsident Purnomo Yusgiantoro erklärt, dass die OPEC an den Grenzen ihrer Förderkapazität angelangt sei.




      Mehr Geld in die Staatskassen
      Der ADAC widerspricht Äußerungen aus dem Finanzministerium, wonach durch höhere Kraftstoffpreise nicht mehr Geld in die Staatskassen fließt. Die deutlich gestiegenen Preise für Benzin und Diesel würden sehr wohl mehr Geld für den Fiskus bringen. Es sei zwar richtig, dass bei Preiserhöhungen der Mineralölsteuersatz pro Liter konstant bleibt, dafür aber wird mehr Mehrwertsteuer fällig. So erhöhe sich die zu entrichtende Mehrwertsteuer um rund einen Cent pro Liter, wenn der Kraftstoff um sieben Cent teurer wird. Pro Jahr würden dann dem Staat mehr als 600 Millionen Euro Steuern zusätzlich zufließen. Allein die Preiserhöhungen der letzten Woche hätten dem Finanzminister Zusatzeinnahmen in zweistelliger Millionenhöhe beschert, so der ADAC. Trotz immer höherer Benzinpreise machen die Deutschen weiter regen Gebrauch von dem flüssigen Antriebsstoff: In den ersten fünf Monaten des Jahres wurde sogar mehr Kraftstoff abgesetzt als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.


      http://auto.t-online.de/c/22/74/16/2274162.html
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      schrieb am 05.08.04 19:20:21
      Beitrag Nr. 1.856 ()
      Windkraft:
      Die Kosten steigen weiter

      BR | 03.08.2004 | 21.55 Uhr

      Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz soll die Windkraft ein wenig effizienter werden. Doch im Streit um die Windkraft hat sich Wirtschaftsminister Clement nur sehr bedingt gegen den Grünen-Umweltminister Trittin durchgesetzt: auch in Zukunft wird jedes Windkraftwerk gefördert, egal wie unwirtschaftlich es auch sein sollte. Wir haben versucht, einmal die wirklichen Kosten der Windkraft zu berechnen.
      Windkraft als Kapitalanlage
      Unser Beispiel: der Windpark Eilsleben bei Magdeburg. Der Betreiber PROKON wirbt dafür im Internet: Windkraft, das sei eine gute Investition. Und er verspricht Kapital-Anlegern gute Renditen.

      Zweifellos: Wer hier oder in anderen Windparks investiert, profitiert von Subventionen für die Windenergie: denn Energiekonzerne müssen Windstrom zu Festpreisen abnehmen, ob sie ihn brauchen oder nicht.

      Strompreise steigen
      Die Energiekonzerne ihrerseits wälzen diese Kosten auf die Verbraucher ab. Das ist einer der Gründe, warum Strom hierzulande so teuer ist.

      Der Windpark Eilsleben ist typisch für Wind-Anlagen neuerer Art: Leistung 16,9 Megawatt, durchschnittliche Windgeschwindigkeit 6,5 Meter in der Sekunde und 1.660 nutzbare Windstunden, also rechnerisch zwei Monate Dauerbetrieb im Jahr.
      Gekostet hat die Anlage in unserem Beispiel 18,6 Millionen Euro. Dazu kommen noch die laufenden Betriebskosten.

      Der entscheidende Kosten-Faktor bei der Stromerzeugung allerdings ist die Finanzierung. Je nach Zinsentwicklung kann sie stark schwanken. Grobe Regel: zwei Prozent mehr Zins und die Stromerzeugung wird pro Kilowattstunde einen Cent teurer.

      Trotz garantierter Stromabnahmepreise rechnen sich Windparks für viele Investoren nur dann, wenn das Zinsniveau so niedrig wie zur Zeit bleibt, sonst könnte die Rechnung schnell durcheinander geraten.

      Volkswirtschaftlich sinnvoll sind Windkraftanlagen ohnehin nicht, denn Strom lässt sich billiger auf dem freien Markt zukaufen. Ohne Folgekosten.

      Zusatzkosten durch Windenergie
      Gerade die sind bei der Windenergie erheblich und sie müssen von Stromkunden beziehungsweise Steuerzahlern und nicht von den Investoren getragen werden. Energiekonzerne müssen zum Beispiel ihre Stromnetze ausbauen, um bei starkem Wind die Erzeugungsspitzen aufnehmen zu können und das trotz insgesamt niedriger Auslastung der Leitungen.

      Das führt zu Folgekosten im Netz, die nach Berechnung des Energiekonzerns EON 2,5 Cent je Kilowattstunde Windstrom ausmachen.

      Windstrom kostet im Einkauf daher nach Berechnung der Energiewirtschaft zwischen 11 und 12 Cent je Kilowattstunde. Das ist dreimal so teuer wie der Strom, der auf dem freien Markt zu kaufen ist.

      Teurer Windstrom
      Obwohl Windstrom so gesehen unwirtschaftlich ist, betreiben auch Energiekonzerne wie EON oder RWE Windkraftanlagen, denn die staatlichen Zuschüsse sind verlockend hoch.
      Und davon machen die Unternehmen Gebrauch, sagt Prof. Rainer Frank Elsässer, Vorstand der EON Energie AG: "Wir haben in sehr begrenztem Umfang Windkraftanlagen, weil wir damit die eingegangene Selbstverpflichtung zur CO-2-Minderung durch Subvention billiger erfüllen können, als wenn wir die Wirkungsgrade unserer laufenden Kraftwerke erhöhen würden. Das wäre volkswirtschaftlich zwar billiger, betriebswirtschaftlich aber schlechter als subventionierte Windenergie".

      So denken viele in der Branche und dank staatlicher Unterstützung sind Windparks längst begehrte Abschreibungsobjekte, so wie einst Schiffsbeteiligungen und Werften. Folge davon: die Landschaft wird weiter verspargelt.

      Steuerausfälle
      Windenergie kostet viel Geld: Experten rechnen, dass allein durch die Steueranreize für Windenergie dem Fiskus jedes Jahr rund 200 Millionen Euro Steuern entgehen. Und die Verbraucher müssen mit weiter steigenden Strompreisen rechnen:
      Zusatzkosten von jährlich mehr als 12 Euro kommen auf den durchschnittlichen Stromkunden zu.

      Und es kommt noch dicker: Nach einer Untersuchung des Rheinisch-Westfälischen Institutes für Wirtschaftsforschung steigt die Windkraft-Förderung bis 2010 auf mehr als 23,5 Milliarden Euro. Das heisst: Ökologischer Nutzen und Kosten stünden dann noch weniger in einem sinnvollen Verhältnis zueinander.

      Bericht: Rolf Bovier
      Stand: Anfang August ’04

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      BR | 03.08.2004 | 21.55 Uhr


      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 03.08.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=188
      Avatar
      schrieb am 05.08.04 19:23:49
      Beitrag Nr. 1.857 ()
      Kfz-Steuer:
      Deutliche Erhöhungen für Autofahrer

      BR | 03.08.2004 | 21.55

      Versicherungssteuer, Tabaksteuer, Mehrwertsteuer – einen erheblichen Teil seiner bescheidenen Rente muss der 73jährige Albert Vollstedt aus Hamburg bereits heute an den deutschen Fiskus abführen. Damit hat er sich abgefunden, was ihn aber wirklich verärgert, ist die Entscheidung, ab Januar 2005 auch noch die Steuer für seinen 15 Jahre alten Pkw massiv anzuheben. Statt wie bisher 280 Euro, kostet der Wagen dann fast 400 Euro pro Jahr. Albert Vollstedt: "Ich halte das für eine Unverschämtheit, dass man trotz der hohen Benzinpreise auch noch die Kfz-Steuer so rigoros erhöht, so dass sich ein Mensch das Auto kaum noch leisten kann. Ich zum Beispiel bin auf das Auto angewiesen. Ich wüsste sonst gar nicht, wie ich meine Einkäufe erledigen kann."
      Eine Kraftfahrzeug-Steuererhöhung um rund 40 Prozent – Zigtausende von Autofahrern in Deutschland teilen das Schicksal von Albert Vollstedt. Ab kommenden Jahr müssen alle Besitzer von älteren Modellen, die unter die so genannte Emissionsgruppe Euro 1 oder vergleichbare Emissionsgruppen fallen, richtig tief in die Tasche greifen. Bei Ottomotoren steigen die Kosten pro 100 Kubikzentimeter Hubraum von 10,84 Euro auf 15,13 Euro. Die Steuern für Dieselfahrzeuge erhöhen sich von 23,06 Euro auf 27,35 Euro pro 100 Kubikzentimeter. Dazu Klaus Grieshaber vom Bund der Steuerzahler Bayern:
      "Die Autofahrer sind die Melkkühe der Nation und sie merken es oft gar nicht, dass sie mehr belastet werden. Niemand spricht darüber, niemand hört etwas davon – aber die Kraftfahrzeug-Steuer wird zum Januar 2005 für die älteren Autos erhöht. Für die neueren Autos ist das bereits 2004 geschehen. Die Autofahrer merken das erst in dem Augenblick, in dem sie ihren Steuerbescheid bekommen, dass die Steuererhöhung nach erhoben wird."
      Tatsächlich scheint noch kaum jemand in Deutschland über die geplante Kfz-Steuererhöhung informiert zu sein. Die von uns zufällig ausgewählten Steuerzahler zumindest zeigten sich durchwegs von dieser Neuigkeit überrascht:
      "Ne, das ist mir nicht bekannt. Finde ich auch nicht ganz so schön."
      "Finde ich ganz schön frech, das muss ich ehrlich sagen. Wenn ich kein Auto fahren würde, würde es mich nicht interessieren. Aber was wollen wir machen? Nichts, gar nichts".
      "Es ist im Moment so, dass an das Gefühl hat, dass alle Steuern erhöht werden und dass man ausgebeutet wird. Das macht nicht so viel Spaß, wenn man arbeitet und arbeitet – und 50 Prozent sind weg davon."
      "Man ist ja langsam Kummer gewöhnt. Der Staat nimmt immer mehr Geld von uns. Bleibt Ihnen nur auszuwandern, wenn Ihnen das nicht passt."
      Auswandern will Albert Vollstedt trotz der Mehrbelastung nicht - aber wann immer es geht, lässt er jetzt seinen Wagen stehen, um zumindest Benzin zu sparen. Den immer neuen Steuerbeschlüssen des deutschen Fiskus wird er damit aber trotzdem nicht entkommen.

      Bericht: Lisa Wurscher
      Stand: Anfang August ’04

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      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 03.08.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=186
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      schrieb am 05.08.04 19:26:35
      Beitrag Nr. 1.858 ()
      Garantie bei Neuwagen fällt weg

      BR | 03.08.2004 | 21.55 Uhr

      Amerikanische Autofahrer haben es besser: Wer zum Beispiel beim VW-Händler in Washington einen neuen Wagen erwirbt, hat selbstverständlich Anspruch auf Garantie. Die gewährt hier der Hersteller. Und das vier Jahre lang. Tritt während dieser Zeit ein Garantieschaden auf, springt Volkswagen ein.
      Ganz anders in Deutschland. Hierzulande will VW nicht mehr für die Qualität von Neuwagen bürgen. Was die meisten Kunden noch nicht wissen: Statt des Herstellers haftet bei Volkswagen nur noch der Händler bei Mängeln eines neuen Autos. Und VW ist kein Einzelfall. Klammheimlich haben die deutschen Autokonzerne mit Ausnahme von Opel für Marken unter ihrem Dach die Garantie einfach abgeschafft. Statt dessen bekommen die Käufer jetzt nur noch eine Gewährleistung. Das klingt zwar gut. Ist aber keine Garantie.

      Denn: Was passiert, wenn an einem neu erworbenen Auto ein Mangel auftritt? Bei der Gewährleistung gilt jetzt: In den ersten sechs Monaten muss der Händler beweisen, dass das Fahrzeug bei Übergabe in Ordnung war. In dieser Zeit hat der Käufer daher gute Karten. Doch nach sechs Monaten wendet sich das Blatt. Tritt dann ein Mangel auf, ist der Kunde im Nachteil, so Ulrich May vom ADAC: "In diesem Fall muss ich beweisen, dass der Mangel bereits bei der Übergabe vorgelegen hat. Das läßt sich für den Verbraucher im Normalfall nicht sehr einfach beweisen. Das heißt, ich bin darauf angewiesen, dass der Händler oder der Hersteller auf den Beweis verzichtet, also auf eine freiwillige Leistung. Und das ist sicherlich eine schlechtere Rechtsposition als bei der Garantie, bei es nur darauf ankommt, dass der Mangel während des Garantiezeitraums irgendwann aufgetreten ist."

      Wird der Kunde wenigstens über die neue Situation aufgeklärt? Mit der Juristin Susanne Sabielny vom ADAC machen wir Stichproben bei verschiedenen Autohäusern. Vom Resultat ist selbst die Expertin überrascht: "Ich finde, es ist ein erstaunliches Ergebnis und zwar nachteilig für die Kunden, weil der Kunde durch die Bank nicht richtig aufgeklärt wird. Wir erhielten überall die Auskunft, es gibt nach wie vor noch die Herstellergarantie."

      In der Praxis gibt es bisher nur wenige Beschwerden. Auf unsere Anfrage sagen die Hersteller, sie würden sich bei Mängeln weiterhin kulant zeigen. Doch das könnte sich jetzt jederzeit ändern, fürchtet Helmut Blümer vom Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe: "Wir haben Erfahrungen, dass gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wenn Kosten eingespart werden müssen auf allen Seiten, der Hersteller natürliche seine Machtposition gerne ausnutzt. Und das ist die Sorge, die wir im Moment haben, dass unsere Händler im Regen stehen bleiben mit allen Verpflichtungen, auch finanzieller Art, gegenüber den Kunden."

      Doch es geht auch anders. Als einziger deutscher Autobauer versucht Opel im Kampf um Kunden mit einer zweijährigen Garantie zu punkten. Auch die französischen und asiatischen Hersteller glänzen mit zwei oder drei Jahren Garantie. Sogar volle 5 Jahre lang garantiert der koreanische Konzern Kia für ein bestimmtes Modell.

      Und ganz seltsam: Im Ausland können auch deutsche Hersteller kundenfreundlich sein. Das beweist der Gang zu einem EU-Importeur. Der Händler Herbert Köneke führt zum Beispiel Wagen der Marke Seat aus Holland ein. Serviceheft und Rechnung belegen: Seat-Holland bietet eine Werksgarantie – auch für deutsche Käufer. Der Händler zeigt uns ein weitere Beispiele, dass die deutschen Konzerne die Garantie nicht etwa europaweit gestrichen haben: In den Niederlanden etwa wirbt Volkswagen mit einer "Fabriksgarantie". Und: Wer in Österreich einen Mercedes erwirbt, bekommt vom Stuttgarter Konzern Garantie – anders als in Deutschland. Mit der Einlösung der Garantieansprüche in Deutschland hat Herbert Köneke bislang keine Schwierigkeiten: "Bisher gab es keine Probleme mit der Garantie, da wir ja Fabrieksgarantie haben und die Fahrzeuge bei Seat registrieren lassen, so dass sie die Garantie bei jedem Seat-Händler einlösen können."

      Wer das Auto dagegen in Deutschland kauft, hat diese Garantierechte nicht. Womit Ausländer umworben werden, wird deutschen Kunden vorenthalten. Dabei klagen deutsche Autobauer seit Jahren, dass der Absatz auf dem Heimatmarkt stockt. Vielleicht könnten mehr Service und Kundenfreundlichkeit ja für bessere Verkaufszahlen sorgen.

      Bericht: Josef Streule
      Stand: Anfang August ’04

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      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 03.08.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=187
      Avatar
      schrieb am 05.08.04 19:29:13
      Beitrag Nr. 1.859 ()
      Berufs- genossenschaften:
      Warum die Beiträge so stark steigen

      BR | 03.08.2004 | 21.55

      Morgens um halb zehn auf einer deutschen Baustelle: Ein Einsatz der neu geschaffenen "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" des deutschen Zolls. Wenn diese Truppe ausrückt, findet sie fast immer etwas!
      Auch diesmal werden die Zollbeamten schnell fündig: Die Arbeiter – in diesem Fall aus Rumänien – arbeiten weit unter dem vorgeschriebenen Mindestlohn. Angeworben in ihren Heimatländern werden sie mit Scheinwerkverträgen ohne Sozialversicherung in Deutschland eingesetzt – ein Klassiker auf deutschen Baustellen! Während die Arbeiter 3 oder 4 Euro die Stunde bekommen, kassieren die Drahtzieher wesentlich höhere Beträge!

      Schwarz gearbeitet – gut versichert

      Was kaum einer weiß: Obwohl für Schwarzarbeiter, egal ob in Unternehmen oder privat beschäftigt, in der Regel keinerlei Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, stehen sie im Falle eines Unfalles nicht ohne Hilfe da! Wenn in Unfallkliniken, wie zum Beispiel in Murnau, immer wieder Schwarzarbeiter mit erheblichen Verletzungen eingeliefert werden, müssen in der Regel dann die anderen zahlen: Denn verunglückt ein Schwarzarbeiter, leistet die gesetzliche Unfallversicherung, getragen von den Berufsgenossenschaften. Zwar können die Auftraggeber bei Schwarzarbeit seit kurzem – zumindest theoretisch – in Regress genommen werden, doch zu holen ist bei diesen meistens wenig. Und die Unfallrate bei illegaler Beschäftigung ist besonders hoch. Denn auf Arbeitssicherheit wird in der Schattenwirtschaft kaum Wert gelegt.

      Im Klartext: Die Ehrlichen sind die Dummen. Denn getragen wird die gesetzliche Unfallversicherung ausschließlich von den Unternehmen. Die zahlen – abhängig vom Bruttolohn der Arbeitnehmer - Beiträge an die Berufsgenossenschaften, die Träger der gewerblichen Unfallversicherung. Und so haben ehrliche Firmen nicht nur den Schaden durch entgangene Aufträge – sie sind auch noch gesetzlich verpflichtet, die Versicherung für die illegale Konkurrenz mitzubezahlen!

      Steigende Belastungen

      Kein Wunder, wenn die Pflichtbeiträge zu den Berufsgenossenschaften ständig steigen! Beispiel: Straßenbau: Musste ein Arbeitgeber im Jahr 1998 noch 33 Euro pro 1.000 Euro Bruttolohn an die Berufsgenossenschaften abführen, waren es 2003 schon 44,50 Euro. Eine Steigerung von nahezu 35 Prozent in nur fünf Jahren!
      Und je gefährlicher der Job, umso höher die Beiträge. Gerade in der Baubranche zahlen deshalb Unternehmen oft mehr Geld an die Berufsgenossenschaften als an die Krankenversicherung der Arbeitnehmer – ein erheblicher Kostenfaktor! Doch während zur Zeit viel von der Senkung der Lohnnebenkosten gesprochen wird, scheinen die steigenden Beiträge zur Berufsgenossenschaft kaum einen zu interessieren.

      Hohe Beiträge – weniger Arbeitsplätze

      Die Folge: Immer mehr mittelständische Firmen können im harten Wettbewerb nicht mehr mithalten und geben auf. So auch Peter Rauen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Bauunternehmer musste reagieren, als seine Firma in die roten Zahlen rutschte. Die Lohnnebenkosten für deutsche Arbeitnehmer wurden einfach zu hoch. Er zog die Notbremse und schloss die Firma, bevor es zu spät war. Ein wichtiger Grund auch bei ihm: Die ständig steigenden Beiträge an die Berufsgenossenschaft wurden mehr und mehr zum Kalkulationsrisiko!
      Das Resultat: 100 Arbeitsplätze weniger! Insgesamt sank die Zahl der Beschäftigten im deutschen Baugewerbe allein in den vergangenen fünf Jahren von rund 1,5 Millionen auf gerade noch 750.000. Die Folge: Auf den Altlasten wie etwa Unfallrenten bleibt der Rest sitzen. Und so steigt die Belastung noch einmal!

      Ungleicher Wettbewerb

      Dem gegenüber profitiert die ausländische Konkurrenz! Denn auch wenn ausländische Firmen ganz legal Mitarbeiter nach Deutschland entsenden, müssen in der Regel keine Beiträge an deutsche Berufsgenossenschaften gezahlt werden. Und so können diese Firmen deutlich günstiger anbieten als die heimischen Konkurrenten. Zwischen 5 und 8 Prozent liegt dieser Wettbewerbsvorteil.

      Kaum verwunderlich, wenn nur noch wenige Unternehmen mit deutschen Arbeitnehmern bauen lassen. Stattdessen übernehmen ausländische Subunternehmer die Aufträge. Die können deutlich billiger anbieten, da im Ausland die Beiträge zur Unfallversicherung oft wesentlich günstiger sind.

      Reformen überfällig

      So werden hierzulande Jobs vernichtet – mit Unterstützung deutscher Gesetze. Branchenverbände fordern deswegen seit Jahren eine Reform der Sozialgesetzgebung. Bisher allerdings mit wenig Erfolg. Denn obwohl sich der Bundestag bereits im Jahr 2003 mit dem Thema beschäftigte, ist bisher kaum etwas passiert.

      Fazit: Was zu Zeiten Bismarcks zum Schutz des Arbeitnehmers gedacht war, wandelt sich mehr und mehr zum Jobkiller! Solange die Beiträge zu den Berufsgenossenschaften nicht gesenkt oder europaweit vereinheitlicht werden, wird der Abbau deutscher Arbeitsplätze weitergehen. Freilich: Es wird weiterhin gearbeitet – allerdings immer seltener von deutschen Arbeitnehmern. Die gehen jetzt zum Arbeitsamt! Oder sie arbeiten ganz einfach schwarz. So haben wenigstens die neuen Einsatzgruppen vom Zoll weiterhin genügend Arbeit!

      Bericht: Johannes Thürmer
      Stand: Anfang August ‘04

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      schrieb am 05.08.04 19:32:32
      Beitrag Nr. 1.860 ()
      Aufschwung geht am Arbeitsmarkt vorbei

      Erwerbslosigkeit steigt auch saisonbereinigt / 400-Euro-Jobs verdrängen reguläre Stellen


      Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist unerwartet deutlich auf 4,36 Millionen und damit auf den höchsten Juli-Wert seit der Wiedervereinigung gestiegen.

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
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      schrieb am 05.08.04 19:34:00
      Beitrag Nr. 1.861 ()
      INSOLVENZEN

      Weniger Firmen und mehr Verbraucher pleite




      Wiesbaden · 4. August · wid/dpa · Die deutschen Insolvenzgerichte verzeichneten im Mai insgesamt 3131 Unternehmenspleiten. Das waren 6,9 Prozent weniger als vor einem Jahr. Dagegen haben die Insolvenzen der übrigen Schuldner um 21 Prozent auf 5943 zugenommen. Besonders drastisch war der Anstieg der Verbraucherinsolvenzen; sie stiegen im Mai binnen Jahresfrist um 35,4 Prozent auf 3559 Fälle. Damit geraten immer mehr private Verbraucher in die Schuldenfalle. Dies teilte das Statistische Bundesamt mit. Experten erklären den starken Zuwachs aber auch damit, dass das Instrument der Verbraucherinsolvenz erst allmählich stärker eingesetzt wird.

      In den Monaten Januar bis Mai 2004 registrierte das Statistische Bundesamt insgesamt 46 766 Pleiten, 12,9 Prozent mehr im als Vorjahreszeitraum. Dabei nahmen die Unternehmenszusammenbrüche um 1,3 Prozent auf 16 494 Fälle ab, während die Insolvenzen der übrigen Schuldner um 22,6 Prozent auf 30 272 stiegen. Die offenen Forderungen der Gläubiger betrugen in diesem Zeitraum insgesamt knapp 17 Milliarden Euro (Vorjahr: 19 Milliarden Euro).
      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
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      schrieb am 05.08.04 19:50:32
      Beitrag Nr. 1.862 ()
      Ein ganzes Dorf für einen Millionär

      Thomas Pany 04.08.2004
      Ein amerikanischer Bericht zum Reichtum der Reichen will dem Mythos des "Self-Made-Man" den Garaus machen


      Hinter solchen Zahlen stecken immer kluge Köpfe, so will es der kapitalistische Mythos: Auf geschätzte 6,7 Millionen Euro (inklusive Aktien-Optionen) summierte sich der durchschnittliche Pro-Kopf-Verdienst der Deutsche-Bank-Manager im Jahr 2003, verriet die Bild-Zeitung gestern, um den "Schweigepakt" (FAZ) der Top-Bosse zu unterlaufen und die deutsche Neiddebatte weiter anzuschüren.







      Die Haltung vieler Beneideter brachte der "V-Mann" und Boss der Deutschen Bank, Jürgen Ackermann, zu Beginn des Mannesmann-Prozesses auf den Punkt:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Deutschland ist das einzige Land, in dem diejenigen, die Werte schaffen, vor Gericht stehen.





      Die zig-Millionen Mehreinnahmen, weswegen Ackermann, Esser und andere vors Gericht zitiert wurden, machten schließlich nur einen Bruchteil dessen aus, was dem Konzern durch das erfolgreiche Geschäftsgebaren der Angeklagten an Werten zugeflossen seien, so das Argument zur selbstherrlichen Siegerpose. Dass der Aktienwert eines Unternehmens aber nicht hauptsächlich dem Finassieren des Managements und dessen "herausragender Führungspersönlichkeiten" geschuldet ist, sondern auch und vor allem der Wertschöpfung der Tausenden von Arbeitern und Angestellten, kommt in den Erfolgsgeschichten der Manager so gut wie nie vor.






      Während Manager hierzulande - mit etwas neidischen Blick - auf die hohen Managergehälter in den USA verweisen, scheint man dort, zumindest außerhalb der Regierung, in der Debatte schon etwas weiter, wenn man dem diesjährigen Bericht der responsiblewealth - Organisation einigen Kredit einräumen will.

      Demnach sei es an der Zeit, mit dem modernen Mythos des großen Mannes, der sein Vermögen ganz allein aus eigener Kraft aufgebaut hat - "The Great Man Theory of Wealth Creation" aufzuräumen. Der Glaube, dass man es ganz alleine geschafft hätte, sei tief in der amerikanischen Psyche verankert, heißt es in dem Bericht. Gründen würde sich dieser Glaube auf Erfolgsgeschichten aus dem 19.Jahrhundert, in denen dem (ausschließlich) weißen Mann der Aufstieg vom Arbeiter zum Boss aufgrund seiner Charakterstärke und persönliche Anstrengungen schaffte; Vorteile, die ihm durch äußere Bedingungen oder Möglichkeiten, die er seiner Familie verdankte, zukamen, wurden in diesen success-stories nicht erwähnt.


      Die Doktrin, Vermögen werde kraft der persönlichen Tugenden erworben, sei zwar durch die Depression der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts ziemlich beschädigt worden, würde aber seit einiger Zeit in modifizierter Form wieder aufleben. Der Technologieboom der beiden letzten Dekaden habe der Geschichtsschreibung, derzufolge Reichtum auf individuellen Qualitäten beruhe, ein neues Kapitel hinzugefügt. Die verstärkte Neigung, die Rolle der Gesellschaft unterzubelichten und dagegen das Individuum ins Scheinwerferlicht zu stellen, würde sich in allen möglichen "Große Männer-Folklore"-Geschichten in den Wirtschaftsmagazinen nur allzu deutlich zeigen.

      Diese Art der Geschichtserzählung ist nach Auffassung der Verfasser des Berichts falsch und unehrlich; es brauche nämlich ein "ganzes Dorf, um einen Millionär hervorzubringen", so lautet die griffige These des Berichts, der ein neues Narrativ an Stelle des alten Mythos setzen will, um die Rolle der sozialen und individuellen Faktoren gegenseitig deutlicher "auszubalancieren."




      --------------------------------------------------------------------------------

      Die Möglichkeiten, Reichtum zu schaffen, liegen allesamt darin, die Vorteile der öffentlichen Infrastruktur und der öffentlichen Investitionen zu nutzen. Keiner von uns kann behaupten, dass dies allein einer persönlichen Initiative zu verdanken ist
      Jim Sherbloom, Präsident von Seaflower Ventures





      Neu sind die vom Bericht angeführten Faktoren für den finanziellen Erfolg nicht: angefangen vom finanziellen und kulturellen Vorsprung, mit dem viele Millionäre schon vom Elternhaus ausgestattet werden, über die Steuergesetzgebung, welche die ohnehin Reichen gerade unter der Bush-Regierung noch zusätzlich begünstigt, den öffentlichen Investitionen in Forschung und Innovation, bis hin zum Eigentums-und Patentrecht listet der Bericht eine Reihe von sozialen und rechtlichen Bedingungen auf, die ebenso sehr zum Erfolg von Geschäften- und Geschäftsideen beitragen wie der persönliche Anteil der Erfolgreichen, die ihren Erfolg nicht selten auch einer Portion Glück zu verdanken haben.




      --------------------------------------------------------------------------------

      Eine Menge Leute, die smart sind und hart arbeiten und sich an die Regeln halten, haben nur einen Bruchteil dessen, was ich besitze. Ich bin mir bewusst, dass ich meinen Reichtum nicht verdiene, weil ich so brillant bin. Glück hat eine Menge damit zu tun
      Eric Schmidt, Google




      Das Eingeständnis, dass Glück, öffentliche Investitionen und andere Vorteile - wie bei Google etwa staatliche geförderte Forschung im Bereich der Internettechnologie, eine Infrastruktur, die eine engen Zusammenarbeit der Stanford Universität und Unternehmen des Silicon Valley fördert - sei, so der Bericht, ein erster Schritt, um eine "realistische" Diskussion über die wahren Quellen des Reichtums und der Möglichkeiten in der amerikanischen Wirtschaft zu führen.


      Handfeste Kapitalismuskritiker wird der Bericht der responsiblewealth - Organisation kaum zufrieden stellen. Dafür ist der Grad an analytischer Durchdringung zur Erklärung der großen Kluft zwischen Reich und Arm in Amerika (vgl. Es war einmal in Amerika) zu gering angesetzt. Aber der Versuch, die Erfolgsgeschichten von 16 reichen Unternehmern - darunter der zweitreichste Mann der Welt, Warren Buffet - aus einer anderen Perspektive zu erzählen, rückt manches wieder ins Licht, was "Victory man"-Ackermann et al. gerne unter den Tisch wischen.

      Bleibt die Frage, die nicht nur an amerikanische Unternehmer gerichtet werden kann: Wenn Reiche soviel mehr als andere vom System profitieren, wie viel sollten sie dann zurückgeben?

      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/18020/1.html
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      schrieb am 05.08.04 21:17:34
      Beitrag Nr. 1.863 ()
      Avatar
      schrieb am 09.08.04 15:52:12
      Beitrag Nr. 1.864 ()
      Avatar
      schrieb am 09.08.04 16:19:50
      Beitrag Nr. 1.865 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de




      Von entgangenen Werten: 08.08.2004


      DIESE WOCHE
      Diese Woche vergleicht der Spatz die Politik des IMF und zahlreicher Regierungen mit dem Kaufmann in Asuncion in Paraguay, der die Türen seines brennenden Kaufhauses verriegelte, um Plünderungen zu vermeiden. Der heftige Vergleich illustriert, wie wenig die Verknappung und Verkürzung der Umwelt oder der Demokratie dienen, und weshalb uns der Feuertod einiger hundert nahegeht, der ebenso qualvolle Tod von Millionen Menschen aber offenbar kalt läßt. Ein aufrüttelnder Beitrag!


      "Ohne, daß die Bühne brennt, gibt`s kein Happyend"



      In Asuncion in Paraguay brannte kürzlich ein Kaufhaus. Über 350 Menschen erstickten im Qualm, weil der Geschäftsführer des Kaufhauses aus Furcht, die Kunden könnten wegen der Gasexplosion in der Restaurantküche ohne zu bezahlen verschwinden, die Türen verriegeln ließ. Der Mann und seine Schließer sitzen inzwischen wegen Mordes im Gefängnis. Die Empörung in aller Welt schlug nur für kurze Zeit Wellen.

      War die Empörung ehrlich gemeint? Vermutlich schon. Doch was unterscheidet das Verhalten des Mannes von dem, was in unserer westlichen Zivilisation höchst anerkannt und gefordert ist? Der Geschäftsmann ist Geldgebern verpflichtet. Drücken sich die Kunden vor dem Bezahlen, kann er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Er verletzt damit den höchsten Wert, den unsere Zivilisation noch als einen solchen anerkennt. Worin unterscheidet sich das Verhalten des Mannes von dem, was die Spitzen unserer Gesellschaft vom Internationalem Währungsfonds (IWF), der Spitze der Internationalen Finanzmafia bis zu den als demokratisch anerkannten Führern der meisten Länder über 30 Jahren mit den gleichen Folgen weltweit tun?

      Um ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, demontierten nationale Regierungen im Auftrag und unter Anleitung des IWF die Volkswirtschaften ihrer Länder, treiben Millionen Menschen in den vorzeitigen Tod durch Verarmung, unbehandelte Krankheiten und - am schlimmsten - durch Hunger. Ist der Erstickungstod schlimmer als der langsame, qualvolle Hungertod, wenn gleichzeitig Nahrungsmittel vernichtet, Ackerland stillgelegt oder in Wildparks, Golfplätze oder Naturschutzreservate für verwöhnte, überreiche Nichtsnutze umgewandelt werden?

      Das sei nicht mit einander zu vergleichen, meinen Sie, weil man im einen Fall das Schreien der Erstickenden zu hören bekommt, im anderen das Gesäusel hochbezahlter Schönredner. In Bangladesh erkranken Tausende von Menschen, nachdem sie sich auf Hausdächer und Anhöhen vor Überschwemmungsfluten retten konnten. Die "menschliche Katastrophe" kam nicht unerwartet: ungewöhnlich war eher, daß sie solange ausgeblieben war. Seit über zwanzig Jahren gibt es Pläne, wie man durch Erdarbeiten und Dämme der Flut hätte wirksam wehren können. Für ihre Umsetzung fehlt das Geld. Lieber macht man Leute arbeitslos und steckt das Geld statt dessen in absurde Finanzschnäppchen.

      Im Sudan gibt es ausgedehnte Sumpfgebiete, "El Sud" genannt: Fruchtbares Land, Wasser und günstiges Wachstumsklima. Die möglichen landwirtschaftlichen Erträge könnten die hungernde Bevölkerung ganz Afrika ernähren. Dazu wäre schweres Gerät für den Kanalbau, zur geregelten Be- und Entwässerung nötig. An ausgearbeiteten Plänen, wie der Sud ohne nachteilige Klimaschäden nutzbar gemacht werden könnte, fehlt es nicht. Sie liegen in Tresoren vieler Unternehmen und Regierungsstellen. Es fehlt am Geld. Lieber macht man Leute arbeitslos und steckt das Geld statt dessen in die Kasinowirtschaft.

      Aber es floß Geld in den Sudan, viel Geld sogar. Genauer gesagt in Randgebiete des Sudan und zwar in Form von Waffen. Nachbarländer wie Eritrea und Uganda, die später auch als erste bei der "Coalition of the willing" die Hand aufgehalten hatten, bekamen Geld, um Rebellen für den Sudan auszubilden und mit der entsprechenden Hardware zu versorgen. Denn im Sudan, erst im Süden und nun auch im Westen wurden große, gewaltige Erdölvorkommen entdeckt. Die Öl-Gesellschaften hatten das der Regierung zunächst verschwiegen. Als diese davon Wind bekam, wollte sie statt weiter mit diesen Gesellschaften lieber mit den Chinesen zusammenzuarbeiten.

      Die armen, hungernden Aufständischen bezahlten ihre Ernährung, Ausbildung und Ausrüstung wie seit 1945 in solchen Fällen üblich mit Schürfrechten. Nun erst erkennt der Westen bereitwillig auf Menschenrechtsverletzungen (zu denen Verhungern nicht zählt). Dazu mag es im Zuge bewaffneter Aufstände aufgrund lukrativer Versprechungen an die Aufständischen (wie man sie den Kurden im Irak oder selbst Saddam bei seinem Angriff auf den Iran gemacht hatte), sicher auch gekommen sein. In ihnen sieht "der Westen" wegen der Verstöße gegen die Menschlichkeit allen Grund für die militärische Intervention gegeben, es sei denn, die Regierung des Sudan zeige sich in letzter Minute in Sachen Irak und Öl wieder kooperativ. Das alles ist nicht neu. Man konnte es nach 1945 in zahlreichen Fällen beobachten und mit seiner Stimmabgabe demokratisch gebilligt.

      Das klassische Beispiel dafür ist DDT - das "Umweltgift Nummer 1"! Im Jahr 2000 erlebte Südafrika die schlimmste Malariaseuche seiner Geschichte. In ihrer Not griff die Regierung wieder auf DDT zurück. DDT war seit 1995 auch dort verboten, als die Stockholm Konvention das DDT-Verbot auch in zuvor davon ausgenommenen Sonderbereichen durchsetzte. Die Malaria verschwand nach der Maßnahme Südafrikas so schnell, wie sie sich nach dem DDT Verbot ausgebreitet hatte. Natürlich wollen nun andere von Malaria geplagte Länder dem Beispiel Südafrikas folgen. Dagegen kämpfen nicht etwa nur die Grünen sondern das gesamte westliche Establishment.

      Hier glaubt "jeder" dank entsprechender Propaganda, DDT sei ein übles Umweltgift. Tatsächlich konnten aber zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen nach dem DDT Verbot der Industriestaaten im Jahr 1972 keinen der grünen Vorwürfe gegen dieses kostengünstige und wirksame Insektizid bestätigen. Selbst die Weltgesundheitsorganisation der UNO erklärt, DDT sei bei korrekter Anwendung unbedenklich.

      Das einzig noch gültige Argument gegen DDT stammt u.a. von Alexander Klein, der als Wissenschaftsdirektor der OECD und in Führungsstäben der NATO Entscheidendes zum DDT-Verbot und zur Entstehung der "grünen" Bewegung beigetragen hatte. Er sagte (in dem biographischen Interview, das Groen, Smit, Eijsvoogel als "Discipline of Curiosity, Amsterdam 1990 herausgegeben haben, folgendes S. 42f): "Es [DDT, d.Red.] stellte sich als das beste Insektizid heraus, das es je gab... Zu Kriegsende erhielt ich einen Brief von Lord Mountbatten, in dem er mir bestätigte, daß diese Chemikalie ihm mindestens eine Dreiviertelmillion Ausfälle erspart habe... Bei mir meldeten sich erst Zweifel, als man DDT auch im zivilen Leben einzusetzen begann. In Guayana gelang es damit, in fast nur zwei Jahren die Malaria restlos auszumerzen. In der gleichen Zeit verdoppelte sich dort die Geburtenzahl. Rückblickend werfe ich hauptsächlich DDT vor, einen großen Beitrag zum Überbevölkerungsproblem beigesteuert zu haben". Ähnlich äußerte sich Malcolm Donald, der frühere Bevölkerungsstratege im US-Außenministerium: "Mit DDT haben wir eine der größten Dummheiten angerichtet. Malaria, eine der schlimmsten Krankheiten, wurde praktisch ausgerottet. Das war falsch. Damit haben wir das natürliche Gleichgewicht erschüttert. Zu viele Menschen blieben am Leben. Vielleicht haben wir Glück und es tritt ein anderer großer Killer auf". (Nach R. Schauerhammer, "Sackgasse Ökostaat", Wiesbaden 1990, S. 84). Was unterscheidet diese und ähnliche Leute von dem Kaufmann in Asuncion? Dem Kaufmann fehlte möglicherweise die Tötungsabsicht.

      Trotz und wegen der vielen Opfer der Finanzordnung fallen die Aktienkurse weiter, zeigen Firmen unbefriedigende Umsätze und Gewinne. Sinkt das durchschnittliche Prokopfeinkommen selbst in den USA (nach dem neuesten Internal Revenue Service über die Jahre 2000 bis 2002 fielen sie in dem Zeitraum um 5,7%, nimmt man die Geldentwertung hinzu, bekam der Durchschnittsbürger nach dieser Erhebung allein in den 2 Jahren in den USA 9,2% weniger Einkommen). Da aber die oberen 20% der Bevölkerung deutliche Einkommenszuwächse erhielten, traf es die unteren 80% entsprechend härter. Seit 2002 hat sich dieser Trend nicht umgekehrt, allenfalls verschärft. Der Öl- und Energiepreis steigt in den letzten Wochen gewaltig an und verteuert die Güterproduktion. Natürlich liegt es nicht an den Förderkosten oder den Zahlungen an "Scheichs", denn da hat sich wegen der langfristigen Verträge nichts geändert. Aber irgendwoher muß das Geld für die Kriegskosten im Irak ja kommen.

      Die vielgerühmte Freiheit des Westens, für die all diese Opfer erbracht werden, ist die Zahlungsfähigkeit seiner Bürger. Kürzlich gab die Bank of England einen Bericht heraus, wie es um die Freiheit des freiesten Volks, der Engländer tatsächlich bestellt ist. Die private Verschuldung steigt trotz erster Zinserhöhung zunehmend weiter und hat die Grenze von einer Billion ("trillion") Pfund überschritten. 827 Milliarden Pfund sind Hypothekenschulden, 122 Mrd. Bankschulden und Kontoüberziehungen, 55 Mrd. Pfund Kreditkartenschulden. Die Schulden britischer Haushalte haben sich in den letzten 7 Jahren verdoppelt und gleichen sich fast zu 100% dem britischen Bruttoinlandsprodukt an. In weniger "freien" Ländern des Westens sieht es kaum besser aus.

      Nach Morgan Stanley`s neuestem Bericht sind 25% der Weltwirtschaft von der Finanzblase, die mit Hypotheken aufgeblasen wurde, abhängig. Und 40% der Weltwirtschaft ist unmittelbar vom Platzen der Wertpapierspekulationsblase bedroht. Die wegen der versiegenden Zahlungsfähigkeit der Privaten sinkende Volatilität an den Finanzmärkten (nur die virtuelle Gelddruckerei der FED sorgt zur Zeit dafür, daß die Kurse wenigstens bis zur nächsten US-Wahl nicht in den Keller rutschen) setzen den Hedge-Fonds zu (ohne Auf und Ab keine Abzocke, somit auch keine Rendite!). Die Funds haben mit dem Kapital ihrer Klienten (z.B. Renten- und Lebensversicherungen) als Sicherheit überhöhte Bankkredite für ihre höchst risikoreichen Spekulationsgeschäfte aufgenommen. Platzen diese Geschäfte, sind entsprechende Lebensversicherungen futsch - wie das für die Kinder angesparte Kindergeld der Arbeitslosen. Diese Hedge-Fonds in Deutschland zuzulassen, war Hans Eichels (SPD) großer Beitrag zum Wirtschaftsaufschwung.

      Wann hört man endlich auf, den von den Medien zurechtfrisierten Rattenfängern nachzulaufen? Solange keine glaubhafte Alternative sich zeigt! Was macht die Alternative glaubhaft? Wenn Fernsehen und Anerkannte sich dafür einsetzen. Mit Leuten, die nicht mal ihre Stimme riskieren, kann man alles auch Hartz VI machen; kein Wunder daß das auch geschieht. Demokratie: Glaube keiner Partei und wähle keine, in der Du nicht aktiv, inhaltlich mitbestimmst, beziehungsweise deren Funktionären Du persönlich gehörig auf die Finger guckst! Wo haben wir Demokratie, etwa im Westen?
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      schrieb am 10.08.04 15:34:39
      Beitrag Nr. 1.866 ()
      Avatar
      schrieb am 10.08.04 23:08:16
      Beitrag Nr. 1.867 ()
      Avatar
      schrieb am 10.08.04 23:36:17
      Beitrag Nr. 1.868 ()
      Hartz IV:
      Zwischen ABM, Mehraufwandsentschädigung und Minijob

      | Di 10.08.04|21:55






      Durch die Hartz-IV-Reform werden die bisherige Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe für Erwerbsfähige zum Arbeitslosengeld II zusammengelegt. Ledige erhalten im Westen einen Grundbetrag von 345 Euro und im Osten 331 Euro monatlich - Wohngeld, Heizung und sonstige Zulagen nicht eingeschlossen. Ehepaare erhalten zwei Mal 90 Prozent des genannten Grundbetrags. Für Kinder und andere Mitglieder der so genannten Bedarfsfamilie gibt es noch einmal zwischen 60 und 80 Prozent des Grundbetrags.

      Reformziel: Mehr Jobs im Niedriglohnbereich

      Mit dieser Reform sollen Jobs im Niedriglohnbereich massiv ausgebaut werden. Erwerbsfähige Langzeitarbeitslose werden verpflichtet, jeden zumutbaren Job anzunehmen, sonst drohen Kürzungen des Arbeitslosengeldes II von 30 Prozent. Die Jobs dürfen jedoch nicht deutlich unter dem Niveau der alten Beschäftigung liegen. Welche Jobs angenommen werden müssen, entscheidet der jeweilige Berater in der Arbeitsagentur, der künftige "Fallmanager". Für Langzeitarbeitslose, die voraussichtlich in absehbarer Zeit keinen Job finden, gibt es mehrere Möglichkeiten, im Niedriglohnbereich zu arbeiten:

      Mehraufwandsentschädigung

      Hier handelt es sich um so genannte Ein-Euro-Jobs und Zwei-Euro-Jobs, die es bereits jetzt für Sozialhilfeempfänger gibt. Die gemeinnützigen Tätigkeiten können im sozialen Bereich liegen, oder die Arbeitslosen müssen zum Beispiel Grünanlagen säubern. Diese Jobs werden nicht auf das neue Arbeitslosengeld angerechnet.

      Minijobs

      Minijobs gibt es überwiegend im Dienstleistungsbereich und in Privathaushalten, etwa für Putzhilfen. Die Hilfskraft zahlt keine Sozialabgaben und erhält ihr Gehalt ohne Steuerabzug. Dabei können mehrere Jobs bis insgesamt 400 Euro kombiniert werden. Der Job wird jedoch fast komplett auf das Arbeitslosengeld II angerechnet.

      ABM

      Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind vom Arbeitsamt geförderte Vorhaben, die – per Definition – "im öffentlichen Interesse liegen und sonst nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgeführt würden und deren Förderung zweckmäßig erscheint". Träger der ABM sind unter anderem Wohlfahrtsverbände. Sie erhalten vom Arbeitsamt förderungsbedürftige Arbeitnehmer zugewiesen. Der Verdienst liegt bei rund 900 Euro monatlich, die versteuert werden müssen und komplett auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden. Die AB-Maßnahmen wurden in den vergangenen Jahren stark eingeschränkt.

      Kommunale Beschäftigungsprojekte

      Finanziert werden diese Beschäftigungsprojekte in Städten und Gemeinden mit Unterstützung der Bundesregierung. Sie hat ein Sonderprogramm für 100.000 Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger ab 25 Jahren aufgelegt und dafür rund 860 Millionen Euro bereit gestellt. Damit soll "marktnahe" Beschäftigung mit Qualifizierung verbunden werden, zum Beispiel in der Alten- und Krankenpflege. Durch diese geförderten Jobs erhofft sich die Regierung, Brücken in den ersten Arbeitsmarkt zu bauen. Der Verdienst liegt bei rund 900 Euro, die versteuert werden müssen und vollständig auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden.

      Autor: Veith Hornig

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 10. August 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes

      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040810_8.html
      Avatar
      schrieb am 10.08.04 23:39:10
      Beitrag Nr. 1.869 ()
      Benzin-Wut:
      Die sparsamen Autos kommen!
      | Di 10.08.04|21:55

      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040810_2.html
      Avatar
      schrieb am 10.08.04 23:44:45
      Beitrag Nr. 1.870 ()
      Die Rentenlüge:
      Wie private Versicherer ihre Angebote schönen

      | Di 10.08.04|21:55





      Wir Deutschen leben immer länger, das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Wer schon Geld aus einer privaten Rentenversicherung bekommt, muss mit einer Kürzung seiner Überschuss-Rente rechnen. Und wer als Jüngerer jetzt eine private Rentenversicherung abschließen will, sollte sich darauf einstellen, dass die Prognosen im Angebot geschönt sind. Warum?

      Neue Sterbetafeln

      Für die Lebens- und Rentenversicherer ist es wichtig zu wissen, wie alt die Menschen im Durchschnitt werden. Danach richten sich die Berechnung der Angebote, zum Beispiel für private Rentenversicherung. Grundlage für diese Berechnungen sind die sogenannten Sterbetafeln. Im Juni 2004 brachten die Statistik-Spezialisten der Versicherungswirtschaft nach zehn Jahren die neuen Sterbetafeln heraus.

      Ein heute 65-jähriger Mann lebt drei Jahre länger als noch vor zehn Jahren. Seine Lebenserwartung stieg von 86 auf 89 Jahre. Eine heute 65-jährige Frau lebt im Schnitt zwei Jahre länger als vor zehn Jahren angenommen. Sie wird 92 Jahre alt, statt bisher 90.

      Plusminus hat nachgefragt:

      Wird die höhere Lebenserwartung bereits in den Angeboten für eine private Rentenversicherung von den Versicherungsgesellschaften berücksichtigt?
      Wie gut sind private Rentenversicherungen eigentlich für Menschen, die jetzt fürs Alter vorsorgen wollten?
      Um dies herauszufinden, haben wir bei mehr als 40 Versicherungen um Angebote gebeten. 35 Gesellschaften haben ein Angebot geschickt. Davon konnten wir 30 Angebote vergleichen.

      Unsere Standardanfrage lautet: Ein Mann, 45 Jahre, will fürs Alter 100 Euro monatlich sparen und das 20 Jahre lang. Mit 65 soll das gesparte Kapital entweder ausgezahlt oder in ein monatliche Rente umgewandelt werden. Zusatzleistungen wie eine Berufsunfähigkeitsklausel wurden ausgeklammert.

      Ergebnis: Der Teufel steckt im Kleingedruckten!

      Fast alle Versicherungen kalkulieren ihre Angebote noch auf Basis der alten Sterbetafeln von 1994. Aber: Im Kleingedruckten weisen die meisten darauf hin, das es neue Sterbetafeln gibt und dass deshalb "die Überschuss-Beteiligungen geringer ausfallen oder ganz entfallen". Erst Anfang 2005 sollen die neuen Sterbetafeln in die Tarife der Versicherer Eingang finden. Für die Angebote heute heißt das: Alle Angaben zu den Überschuss-Beteiligungen sind zu optimistisch.

      Für den Ombudsmann der Versicherungen, Prof. Wolfgang Römer, ist es "nicht in Ordnung", wenn die Angebote auf Basis von alten Zahlen gemacht werden, obwohl die Versicherer wissen, dass es bereits neue Sterbetafeln gibt.

      Und wie steht es mit der Rendite?

      Plusminus interessierte natürlich auch die Rendite, die eine private Rentenversicherung abwirft. Weil auf die Überschuss-Beteiligungen kein Verlass ist, haben wir verglichen, was die Versicherer in ihren Angeboten verbindlich zusagen. Das ist die garantierte Rente oder die garantierte Kapitalabfindung, wenn man sich das Geld am Ende der Sparphase in einem Betrag auszahlen lässt.

      Bei der Renditeberechnung haben wir gefragt: Was bekommt jemand nach 20 Jahren ausbezahlt, der monatlich 100 Euro spart? Dabei haben wir die Kosten der Versicherung (für Provisionen und Verwaltung) nicht berücksichtigt.

      Die Versicherer rechnen anders: Ihre Zinsangaben, in der Regel der Garantiezins von derzeit 2,75 Prozent, beziehen sich nur auf den Sparanteil. Das ist der Sparbetrag, der nach Abzug der Kosten übrig bleibt. Leider erfährt der Kunde nicht, wie hoch die Kosten sind und wie groß der Sparanteil ist.

      Ergebnis unserer Berechnungen: Die Renditen sind für einen derart langen Zeitraum gering. Die Rendite-Spanne der 30 Angebote liegt zwischen 0,91 und 2,34 Prozent. In Euro ausgedrückt bewegt sich die Spanne zwischen 30.219 Euro garantierter Kapitalabfindung bei der Continentalen und 26.339 Euro bei der Gerling-Versicherung: Immerhin ein Unterschied von etwa 3.900 Euro.

      Andere Vorsorgemöglichkeiten – manchmal besser!

      Die Versicherer werben gegenwärtig sehr stark für ihre Kapitallebens- und Rentenversicherungen mit dem Hinweis, dass es diese Produkte bis zum Jahresende noch steuerfrei gibt. Ab 1.1.2005 fällt das Steuerprivileg für diese Anlagenformen weg. Dennoch sollte man genau hingucken, welche Anlage sich besser rechnet. Wer beispielsweise einen langfristigen Sparplan bei einer Bank oder Sparkasse abschließt, und diesen dann später in einen Auszahlungsplan mit monatlichen "Renten" umwandelt, fährt unter Umständen besser. Beispiel: Unter dem Stichwort "Vorsorgesparen" gibt es bei der DiBa-Bank für 20 Jahre fest vier Prozent Zinsen. Das macht nach 20 Jahren ein Gesamtkapital von 36.507 Euro, etwa 6.300 Euro mehr als beim besten Rentenversicherer. Jedoch müssen die Erträge des Sparplans versteuert werden, und zwar alles, was über dem Freibetrag auf Kapitaleinkünfte in Höhe von zur Zeit 1.442 Euro (Ledige) liegt. Wer den schon ausgeschöpft hat, muss die Erträge voll versteuern.

      Faustregel: Wer bereits ein kleines Vermögen von 45.000 Euro und mehr aufgebaut hat, für den sind auch weniger renditestarke, dafür aber steuerfreie Produkte eventuell interessant. Wer noch kein Vermögen aufgebaut hat, kann die Freibeträge auf Kapitaleinkünfte voll nutzen und sich deshalb auch für solche Geldanlagen interessieren, deren Erträge versteuert werden müssen.

      Private Rentenversicherung – die Ergebnisse im Überblick:




      Anbieter (private Rentenversicherung)
      Produktname
      Garantierte Rente in Euro
      Garant. Kapital-Abfindung in Euro
      Garant. Rendite

      Allianz
      Zukunftsrente R2
      133,65
      27.391,00
      1,293

      Aspecta
      Tarif ADE09320000
      130
      26.542,00
      0,99

      Axa
      Tarif R2m-4
      124,39
      27.290,00
      1,257

      Barmenia
      Tarif 520G
      130,42
      26.680,49
      1,04

      Basler
      Tarif RAG
      139,8
      28.635,00
      1,72

      Bayerische Beamtenvers.
      Tarif 5767M
      131,37
      27.529,01
      1,342

      Concordia
      Tarif RA
      134,3
      27.481,00
      1,325

      Continentale
      Tarif R1
      152,47
      30.219,00
      2,234

      Cosmos
      Tarif R1 (M)
      146
      29.260,00
      1,929

      DBV Winterthur
      Tarif MR3+
      127,71
      27.156,00
      1,209

      DeBeKa
      DA1M(5)A
      143,52
      28.764,00
      1,763

      Deutscher Ring
      Tarif RRAM
      130,9
      27.794,00
      1,436

      DEVK
      Tarif NR1M10
      127,67
      27.662,03
      1,389

      Europa Versicherung
      Noname
      141
      29.086,00
      1,871

      Gerling
      nicht lesbar
      126,34
      26.338,98
      0,914

      Hamburg Mannheimer
      Tarif RXPM
      125,6
      27.293,00
      1,258

      Hannoversche Leben
      R2 M
      144,32
      29.591,00
      2,037

      Helvetia
      Tarif RA GB2X
      136,08
      27.268,00
      1,249

      Huk Coburg
      Tarif RAGT
      140,23
      28.636,70
      1,721

      Ideal Versicherung
      Tarif R105
      124,52
      26.635,58
      1,024

      Inter Versicherungen
      ME 03S071
      140,53
      29.447,00
      1,991

      Karlsruher Versicherungen
      Tarif LFRV3M
      128,66
      27.231,84
      1,236

      Karstadt Quelle
      "Renten-Garantie Plus"
      130,9
      27.815,00
      1,443

      Landeslebenhilfe
      Tarif CM
      134,65
      27.359,59
      1,282

      LVM Versicherungen
      Tarif R1BG/M
      131,75
      27.109,00
      1,192

      Neue Leben
      Tarif R1M
      137,88
      28.017,00
      1,514

      Provinzial
      Tarif ARG Mann
      132,64
      27.208,00
      1,228

      Universa
      Tarif 1321
      124,58
      26.748,00
      1,064

      Württembergische
      Tarif AR
      117,81
      26.920,00
      1,125

      WWK Lebensversicherungs a.G.
      Tarif RA13M
      134,93
      27.376,99
      1,288






      Die Angebote wurden abgegeben für einen Mann, 45 Jahre, Beruf PR/Medien. Monatliche Sparrate 100 Euro, Ansparphase 20 Jahre; danach Verrentung. Fondsgebundene Rentenangebote wurden ausgeklammert, denn es handelt sich in unserem Fall um Angebote für eine konservative, klassische Rentenversicherung. Bei diesen Angeboten gilt außerdem: Für den Fall, dass der Versicherte stirbt, gibt es von Vertrag zu Vertrag abweichende Regelungen. So zahlen manche Anbieter dem Angehörigen noch für 5 Jahre weiter Rente, andere für 10 Jahre. Wenn die Rendite also nicht so sehr im Vordergrund steht, sollte man sich auch genau anschauen, wie die Angehörigen abgesichert sind.





      Autor: Nicolas Peerenboom

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 10. August 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040810_4.html
      Avatar
      schrieb am 10.08.04 23:52:35
      Beitrag Nr. 1.871 ()
      [b ]Verräterische Nummer:
      Neuer Service nennt Adresse [/b]
      | Di 10.08.04|21:55






      "Inverssuche" heißt ein neuer Service der Telefonauskunft – und an ihm scheiden sich die Geister. Zunächst die Fakten: Spätestens ab September lässt sich anhand einer Telefonnummer der Name und die Anschrift eines Teilnehmers ermitteln. Das geht auf Basis von Paragraf 105 im neuen Telekommunikationsgesetz, das seit Ende Juni in Kraft ist. Die Inverssuche ist in vielen europäischen Ländern erlaubt.

      Welche Vorteile hat die Inverssuche?

      Telefonkunden können auf diese Weise herausfinden, wer hinter einer Rufnummer auf ihrem Display steckt. Durch die Inverssuche haben Anbieter von unseriösen 0190er- oder 0900er-Nummern nicht mehr so leichtes Spiel. Eine Anfrage bei der Auskunft - schon sind die Abzocker enttarnt.

      Welche Nachteile hat die Suche?

      Verbraucherschützer befürchten, dass mit dieser Suche Adress-Spionage immer leichter wird. Zum Beispiel hätten Versandhäuser, Versicherungen und andere Werbetreibende nun ganz legal die Möglichkeit, Kundengruppen gezielt anzuschreiben. Verbraucherschützer raten deshalb, die rückwärtige Suche abzulehnen. Persönliche Daten wie die Adresse sollten nicht so einfach für Dritte zugänglich sein. Zudem befürchten Verbraucherschützer einen weiteren Schritt hin zum gläsernen Kunden.

      Wen betrifft die Inverssuche?

      Nur wer im Telefonbuch oder in einem anderen, elektronischen Verzeichnis eingetragen ist, kann für die Inverssuche registriert werden. Wer sowieso bei der Telekom oder einem anderen Telefonanbieter nicht mit Namen und Adresse gelistet ist, wird auch nicht für die Suche freigeschaltet.

      Wie kann man seine Adresse sperren lassen?

      Augen auf bei der nächsten Telefonrechnung! Im Kleingedruckten informiert die Deutsche Telekom ihre Kunden über die Inverssuche. Wer seine Daten nicht für die Rückwärtssuche freigeben möchte, kann widersprechen. Und das geht so: Mit einem Anruf unter der 01375-10 33 00 (zwölf Cent je Verbindung aus dem deutschen Festnetz) wird Ihre Nummer automatisch für die rückwärtige Suche gesperrt. Oder Sie schicken ein Fax an 0800-3305544 und widersprechen darin der Freischaltung Ihrer Daten für die Inverssuche.

      Wer das nicht tut, dessen Nummer ist innerhalb der nächsten vier Wochen für die Adress- und Namenssuche freigeschaltet. Telefonkunden können aber auch später noch jederzeit widersprechen. Das gilt auch für Kunden, die mit ihrem Anschluss zu einem anderen Anbieter gewechselt.

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 10. August 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes


      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040810_6.html
      Avatar
      schrieb am 10.08.04 23:53:52
      Beitrag Nr. 1.872 ()
      Deutschland ärgert sich:
      Briefmarken nur noch im Zehnerpack

      | Di 10.08.04|21:55








      "Deutschland freut sich" heißt eine neue Aktion der Post. Bunte Briefaufkleber sollen weiße oder braune Umschläge verschönern. Dazu noch ein Gewinnspiel – da lacht das Herz des Postkunden. Oder auch nicht. Denn am Schalter wartet schon das neueste Ärgernis: Briefmarken gibt’s nicht mehr – wie bisher – einzeln, sondern nur noch im Zehnerpack. Wer nur eine Marke für 55 Cent will, der wird an den Automaten im Eingangsbereich verwiesen. Eine Maßnahme, um lange Schlangen zu verhindern, heißt es bei der Post. "Automatenwahn" nennt es die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Darauf ausgelegt, immer mehr Personal überflüssig zu machen. Für die Kunden heißt es künftig also: "Deutschland ärgert sich!"

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 10. August 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      Avatar
      schrieb am 12.08.04 16:23:51
      Beitrag Nr. 1.873 ()
      Neues Kapital im Inflations-/Deflationskampf: US Wirtschaft steuert auf Rezession zu




      Der Arbeitsmarkt in den USA ist zum Stillstand gekommen, Firmeninventare steigen alarmierend. Firmenchefs sagen, es sei nur ein "soft patch" in der Writschaft; Greenspan meint, die Schwäche sei auf Grund "transitorischer Wirkungen" des höheren Ölpreises.

      Wir sind anderer Meinung. Vor nur ein paar Wochen hat Greenspan vorhergesagt, Arbeitsplätze müssen geschaffen werden, es sei nur eine Frage der Zeit. Er lag falsch. Die Wirkung der enormen Stimulierung der US Wirtschaft durch Bush und Greenspan der letzten Jahre klingt aus, die Wirtschaft flaut ab. Das nächste Wirtschaftsförderungsprogramm wir nicht kommen bevor die nächste Regierung eingeschworen ist. Bis dahin bekommt der US Verbraucher nur noch eine Cash-Infusion durch Microsoft`s ausserodentliche Multi-Milliarden Ausschüttung, die zur Weihnachtszeit nach Schätzungen mancher das US Bruttoinlandsprodukt um 0.2%-0.3% erhöhen wird.

      Greenspan hat diese Woche die Zinsen weiter erhöht. Er hatte wenig Wahl, denn er muss die Zinsen auf ein höheres Niveau bringen, um sie später wieder - zur Stimulierung der Wirtschaft - senken zu können. Auch das derzeitige Zinsniveau ist noch inflationär. Greenspan muss positiv über die Wirtschaft sprechen, da die Wahrnehmung seiner Aktionen eine immer grössere Rolle spielt.

      Der Inflations-/Deflationskampf schreibt ein neues Kapital, ein etwas anderes als wir als das wahrscheinlichste angesehen hatten. Während des letzten Jahres haben langfristige Zinsen nur auf Wirtschaftswachstumszahlen reagiert, nicht auf inflationäre Einflüsse. Dieses Frühjahr sind langfristige Anleihen zusammengebrochen und wir nahmen an, dass sich die Inflation in den langristigen Zinsen nun widerspiegeln würde. Letzte Woche wurde es klar, dass sowohl das Ansteigen, wie auch - seit ein paar Wochen -, der Fall der langfristigen Zinsen ausschliesslich auf Wirtschaftswachstum (oder dessen Fehlen) zurückzuführen sind. Als letzte Woche bestätigt wurde, die Wirtschaft werde langsamer, sind langfristige Zinsen gefallen, die Börse fiel, der Dollar fiel, Gold stieg.

      Während Inflation in jeder Ecke der Wirtschaft bemerkbar wird, so ist diese nicht in den langfristigen Zinsen zu erkennen. Deflationäre Kräfte sind einfach zu stark.

      Wir sind mit Greenspan nicht einverstanden, dass die Wirtschaftsschwäche auf "transitorische" Einflüsse zurückzuführen ist. Greenspan und Bush haben enorme globale Ungleichgewichte gefördert - die hohen Ölpreise sind hiervon lediglich ein Symptom. Wir haben eine globale Wirtschaft, die überhitzt ist, gleichzeitig ist die US Wirtschaft auf dem Weg in die Rezession. Künstlich tiefe Wechselkurse in Asien bewirken für dortige Regierungen besorgniserregende Fehlallokationen von Kapital, sowie Inflation. Die dort produzierten Güter überschwemmen den US Markt mit Billigprodukten, eine grosse Herausforderung für US Firmen, die mit Investitionen im Ausland und allgemeiner Zurückhaltung reagieren. Der US Verbraucher ist ausgelaugt und überlebt nur durch tiefe Zinsen. All dies ergibt keinen Spielraum, Verbraucherpreise zu erhöhen, während ein tieferer Dollar weiter Druck auf Rohstoffpreise ausübt. Die beste Analogie, die uns einfällt, ist die von Autoreifen, die auf einem Feldweg den Griff verlieren und durchdrehen. Während man das Fuss vom Gaspedal nehmen sollte, geben Bush & Greenspan Vollgas. Tatsächlich kommt das Auto vorwärts, nur sehr ineffizient, ausserdem wird viel Dreck aufgewühlt, und irgendwann wird das Auto ins schleudern und schilesslich zum Stillstand kommen.

      Dies erklärt auch die Verschiedenen Signale, die wir aus der US Wirtschaft bekommen. Einige Geschäfte florieren und stellen Leute ein, während andere leiden. Dies ist mehr als die übliche Re-allokation von Kapital auf Grund eines neuen Umfeldes.

      Greenspan war immer spät mit dem Wechsel seiner Zinspolitik. Dieses Mal wird es nicht ander sein, er wird Zinsen erhöhen, bis die Wirtschaft zum Stillstand gekommen ist. Während wir weiterhin glauben, dass langfristige Zinsen steigen werden, wenn Inflation zur Sorge in der Öffentlichkeit wird, so sagt uns der Markt zur zeit, dass langfristige Zinsen fallen werden, so dass die Zinskurve weiter ausflachen wird (rezessiv für die Wirtschaft). Wir werden ein Niedrigzins-/Niedrigwachstumsumfeld haben. Der klare Verlierer ist der US Dollar, der zu alle dem noch das Unahltbare Leistungsbilanzdefizit tragen muss.

      Vor einem Jahr dachten wir, dass das optimistischste Szenario eines mit hohen Wachstum und hoher Inflation sein wird. Dies ist nicht der Fall, denn der nächste Stimulus kommt frühestens in 6-9 Monaten, während kurzfristige Zinsen steigen.

      Der US Häusermarkt scheint seinen Höhepunkt erreicht zu haben. In Südkalifornien, einem der am meisten überhitzten Märkte, steigen Inventare, während weniger Interessenten im Markt sind. Derzeit halten Preise noch. Ein Zusammenbruch dieser Blase wäre der Todesstoss für den US Verbraucher, der durch diverse Stimulierungen über die letzten 10 Jahre bei Laune gehalten wurde.

      Jeder Wirtschaftszyklus etnwickelt sich anders. Gerade wenn unsere Zentralbankchefs dachten, sie hätten schon alles gesehen, gibt es neue Herausforderungen. Dieser Zyklus wird anders als die Stagflation der 70`er Jahre aussehen, aber wir beneiden den Gewinner der kommenden US Präsidentschaftswahl nicht.


      http://www.merkinvestments.com/archive-by-date/2004/2004-08-…
      Avatar
      schrieb am 13.08.04 16:57:48
      Beitrag Nr. 1.874 ()
      Zurück in keine Zukunft

      Thomas Pany 12.08.2004
      Weltweit sind 88 Millionen Jugendliche arbeitslos


      Die Zahlen von Menschen, die weltweit unter der Geißel des "Jugendwahns" leiden und entsprechend in alle möglichen medizinischen und mentalen Hilfsmaßnahmen investieren, liegen noch nicht vor. Dafür liefert uns das Statistische Bundesamt aus Wiesbaden neuere demographische Hochrechnungen zum heutigen "Tag der Internationalen Jugend".






      Demnach nimmt die Zahl der unter 18-Jährigen in Deutschland stetig ab. Bis zum Jahr 2020 werden es wahrscheinlich nur mehr 13 Millionen sein. In diesem Jahr sind es 15,1 Millionen. Die bedrückendsten Chiffren zum vermutlich kaum beachteten Feiertag der Jugend meldet ein Bericht der UN-Organisation International Labour Office: Weltweit waren im Jahr 2003 beinahe die Hälfte (47%) aller Arbeitslosen unter 24, insgesamt 88 Millionen Jugendliche. Tendenz: steigend.


      Da die Jugendlichen nur ein Viertel der arbeitsfähigen Bevölkerung stellen würden, sei die Tatsache, dass sie beinahe die Hälfte der weltweit Arbeitslosen (186 Millionen) ausmache, besonders "beunruhigend", so die Verfasser der Studie. Sollte das einzigartige Potential der Jugend nicht produktiv genutzt werden, mahnen sie, werde man keiner "hellen Zukunft" entgegen schreiten. Der Schritt von Arbeitslosigkeit zu illegalen Beschäftigungen sei vor allem in Entwicklungsländern sehr klein. Dort leben 85% der Jugendlichen weltweit, ein Anteil, der gemäß den derzeitigen demographischen Trends (siehe oben) aller Wahrscheinlichkeit nach noch steigen wird.

      Und genau dort findet man erwartungsgemäß den höchsten Anteil von Jugendlichen innerhalb der arbeitenden Bevölkerung und entsprechend die höchsten Arbeitslosenraten: Spitzenreiter ist der Mittlere Osten und Nordafrika mit 25,6 %, gefolgt vom subsaharischen Afrika mit 21%. Einzig in den Industrienationen ging die Jugendarbeitslosigkeit leicht zurück (von 15,4% im Jahr 1993 auf 13,4% 2003).






      Die wachsende weltweite Arbeitslosigkeit betreffe die Jugend besonders: die Wahrscheinlichkeit, dass heutzutage Jugendliche arbeitslos werden, sei global gesehen drei Mal so hoch wie bei Erwachsenen. Da es eine evidente Verbindung gebe zwischen Jugendarbeitslosigkeit und dem Gefühl, sozial ausgeschlossen und somit "wertlos" zu sein, sei das Risiko groß, dass sich diese Jugendlichen von "illegalen Aktivitäten" stärker angezogen fühlen würden; zumal ihre Erwerbslosigkeit ihre ohnehin meist armen Familien weiter belaste, was die Chancen der Jugendlichen und ihrer jüngeren Geschwister auf eine bessere Ausbildung oft zunichte mache. Selbst wenn Jugendliche in Entwicklungsländern eine Arbeit gefunden hätten, sei diese oft sehr schlecht bezahlt, unsicher, jederzeit kündbar, meist Teilzeitarbeit unter härtesten Bedingungen. Allzu bekannte Folge: die armen Familien bleiben arm. Der Bericht zitiert in diesem Zusammenhang eine Studie über Jugendarbeitslosigkeit in den USA von 1999, wonach 31% der Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien arbeitslos waren - gegenüber 12% aus Familien mit besserem Einkommen.

      Entsprechend düster ist die Zukunft, welche die Verfasser des Berichts den armen Familien, deren Einkommen unter einem Dollar pro Tag liegt, bei einer Fortschreibung des diagnostizierten Trends prophezeien:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Dieser Zusammenhang zwischen Armut und Generationenfolge gilt als bewiesen: Menschen, die in chronischer Armut leben, werden für den Großteil ihres Lebens oder ihr ganzes Leben lang arm bleiben und wahrscheinlich ihre Armut an ihre Kinder weitergeben.





      Daran wird sich wohl so schnell nichts ändern. Wie der Bericht zeigt, wächst die Zahl von Nachkommen in der Welt in einem derartigen Maß, dass es den Ökonomien nicht mehr möglich ist, sie mit nötigen Arbeitsplätzen zu versorgen: Während die junge Bevölkerungsschicht in den letzten zehn Jahren um 10,5 % auf über 1,1 Milliarden angewachsen ist, hat sich die Zahl der beschäftigten Jugendlichen in diesem Zeitraum nur um 0,2 Prozent auf etwa 526 Millionen erhöht.
      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/18095/1.html
      Avatar
      schrieb am 13.08.04 17:13:52
      Beitrag Nr. 1.875 ()
      Greenspans Gefangenendilemma

      Artur P. Schmidt 11.08.2004
      Dollar-Bubble: Der Dollar ist löchrig wie Schweizer Käse


      Betrachtet man die heutige wirtschaftliche Ausgangsposition, so gibt es fünf entscheidende Megatrends für die Entwicklung des US-Dollar, der Leitwährung der westlichen Welt: der angehäufte öffentliche und private Schuldenberg, die Kaufkraftparität, die hohen Immobilienpreise, der demographisch bedingte Rückgang der Kaufkraft der Babyboomer-Generation sowie das zunehmende Outsourcing von High- und Lowtech-Arbeitsplätzen nach Indien und China. Durch diese Megatrends haben sich mittlerweile starke Verwerfungen in der US-Ökonomie herausgebildet. Alan Greenspan fehlen heute scheinbar die Mittel, um eine sanfte Landung der US-Ökonomie herbeizuführen. Der Ökonom Steve Roach von Morgan Stanley spricht sogar von einem regelrechten Dollar-Bubble.






      Das durch die oben beschriebenen Megatrends bestehende Währungsrisiko könnte zu einem deutlichen Rückgang in den ausländischen Investitionen in Amerika führen und so den Dollar relativ zu anderen Währungen weiter entwerten. Eine Währungskrise im US-Dollar wäre zwar für die Amerikaner eine Möglichkeit sich über höhere Inflationsraten zu entschulden, nicht jedoch für die Gläubiger Amerikas, die herbe Verluste hinnehmen müssten.


      Verstärkung der Ungleichgewichte


      In den 90er Jahren hat vor allem Japan massive Bestände an Dollar und amerikanischen Obligationen aufgekauft. In den jüngsten Jahren ist China diesem Beispiel gefolgt. Während jedoch die japanische Währung keine feste Kopplung zum Dollar besitzt, wird der chinesische Yuan künstlich auf einem viel zu tiefem Niveau gehalten. Doch trotz dieses Umstandes dürfte eine Aufwertung der chinesischen Währung gegenüber dem US-Dollar diesem kaum Entlastung geben. Man kann heute kaum ein Niedrigpreisprodukt in Amerika kaufen, das nicht in China produziert wurde. Verteuern sich diese Billigwaren in den USA, könnte die Inflation weiter anziehen und im Einklang mit den steigenden Rohstoffpreisen den Zinsanstieg weiter beschleunigen.





      Abgefedert werden diese inflationären Tendenzen heute durch die Deflation in den IT-Märkten. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Teuerungsrate in den USA bald stärker als erwartet ansteigen könnte. Ob dieser Effekt von der US-Regierung gewollt ist, um die US-Ökonomie über eine hohe Inflationsrate zu entschulden, liegt nicht im Ermessen des Autors. Fest steht jedoch, dass sich die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft in den letzten Jahren erheblich verstärkt haben.


      Abbau der Terror- und Kriegsprämie


      Der Abbau der Terror- und Kriegsprämie, die der Dollar nach den Ereignissen des 11. September und den Einsätzen der amerikanischen Armee in Afghanistan und dem Irak aufgebaut hatte, kann nicht allein für den starken Kursverfall der letzten Monate verantwortlich gemacht werden. Seit dem 11. September ist der Dollar in der Spitze um über 40 % gegenüber dem Euro gefallen. Allein die Hälfte dieses Abfalls ist seit dem 02. Mai 2003 geschehen, nachdem die Kampfhandlungen zur Befreiung des Iraks beendet wurden.

      Da eigentlich das europäische Wirtschaftswachstum keinen starken Euro favorisieren würde, müssen versteckte Kräfte am Werk sein, die den Dollar immer mehr in die Knie zwingen. Kaum eine Währung ist gegenüber dem Dollar nicht gestiegen, der afrikanische Rand hat sich sogar mehr als verdoppelt. Gold ist im Vergleich zum US-Dollar seit dem 11. September um 60 % gestiegen. Der 20-jährige Desinvestitionszyklus in Gold seit den Rekordmarken von 1984 ist bei den Privatanlegern längst beendet und hat zu einer Trendumkehr geführt. Zu den jüngsten Käufern in Gold zählen hierbei auch immer mehr Chinesen, die im Vergleich zu den amerikanischen Konsumenten eine wesentlich höhere Sparquote haben.


      Kaufkraft versus Handelsbilanzdefizit


      Die amerikanische Notenbank musste, um die Kriege seit 1945 zu finanzieren, immer mehr Dollar drucken. Dies hat jedoch die Kaufkraft des US-Dollar in den letzten Jahrzehnten immer weiter ausgehöhlt. Es ist vor allem die Kaufkraftparität und nicht das Handelsbilanzdefizit, das die Umtauschverhältnisse zwischen Währungen determiniert. Wie bei den Preisen für Güter bestimmen Angebot und Nachfrage nach Geld dessen Preis. Wird das Angebot an Geld für eine bestimmte Gütermenge erhöht, so fällt die Kaufkraft des Geldes, da es weniger Güter pro Dollar gibt. Umgekehrt steigt bei einer Erhöhung der Produktionsrate die Nachfrage nach Geld.

      Betrachtet man die jüngsten Steigerungsraten der Geldmenge in den USA, Europa und Japan, so lässt sich hieraus ersehen, dass dieser Trend seit geraumer Zeit eher eine Erholung des US-Dollar nahe legt. Würde jedoch die amerikanische Regierung die Erhöhung der Geldmenge wieder nachhaltig erhöhen, so könnte der US-Dollar in den nächsten Monaten weiter stark fallen. Übersteigen sowohl in Europa als auch in Japan die Geldmengenwachstumsraten diejenigen von den USA, so dürfte sich der Dollar in den nächsten Monaten eher deutlich erholen. Heute drucken die Europäer wie auch die Japaner Geld mit einer höheren Wachstumsrate als die Amerikaner.


      Greenspans Gefangendilemma


      Schon seit über einem Jahr hat sich ein Abwärtstrend des Dollar gegenüber dem Euro, dem Yen sowie dem Gold etabliert. Die einzige Möglichkeit, in diesem Umfeld den Verfall des Dollar zu stoppen, wäre eine starke Anhebung der US-Zinsen, was wiederum zu einer Krise im amerikanischen Immobilienmarkt führen könnte.

      Greenspan befindet sich deshalb in einem Gefangenendilemma. Was immer er auch tut, er muss das System destabilisieren, wenn er die von ihm erzeugten Bubbles wieder auflösen will. Steigende Zinsen allein sind nicht der entscheidende Motor, der dem Dollarkurs neue Flügel verleihen könnte. Damit wieder Vertrauen in den Greenback zurückkommt, muss Amerika sein Zwillingsdefizit, d.h. die Verschuldung gegenüber dem Ausland und das hohe Handelsbilanzdefizit, deutlich zurückführen. Gelingt dies nicht, werden die Erholungsphasen des US-Dollar nur von kurzer Dauer sein.

      Die Fragen, inwieweit die Zinsen zu lange zu niedrig gehalten wurden und ob es besser gewesen wäre, einer Überhitzung der amerikanischen Ökonomie frühzeitig entgegen zu wirken, sind in ökonomischen Kommentaren beliebt. In den Finanzmärkten ist jedoch nicht entscheidend, was Notenbankchefs, Analysten oder Ökonomen denken, sondern lediglich, wie der Markt sich letztendlich entwickelt. Nur das Verhalten der Marktteilnehmer entscheidet über Gewinn oder Verlust und wird den Weg weisen, ob uns ein erneut ein heißer Börsenherbst an den Finanzmärkten bevorsteht.


      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/18076/1.html
      Avatar
      schrieb am 13.08.04 17:22:35
      Beitrag Nr. 1.876 ()
      Alternativen zur Globalisierung
      Genossenschaftsprinzip und Komplementärwährung

      von Dr. rer. publ. W. Wüthrich

      Am 16. Oktober 1934 ist eine Genossenschaft gegründet worden, die heute in ihrer Art und Entwicklung in der Schweiz und weltweit etwas Besonderes ist: Die WIR Wirtschaftsring-Genossenschaft, die vor kurzem ihren Namen in WIR-Bank geändert hat.
      Wir lesen in ihren Statuten: «Die WIR-Genossenschaft ist eine Selbsthilfe-Organisation von Handels-, Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben. Sie bezweckt die angeschlossenen Teilnehmer zu fördern, ihre Kaufkraft durch das WIR-System einander dienstbar zu machen und in den eigenen Reihen zu halten, um damit den Teilnehmern zusätzlichen Umsatz zu verschaffen».1

      Grundidee
      Die WIR-Genossenschaft ist eine Gemeinschaft mit einem Komplementärwährungssystem. Sie schafft – ähnlich wie die Nationalbank – selber Geld, das unter den Mitgliedern als Zahlungsmittel dient und mit dem sie Kredite gewährt. Der Wert des WIR ist an den Schweizer Franken gebunden (1 WIR = 1 CHF). Ein Hauptmerkmal ist die Zinsfreiheit. Die Guthaben auf den Konten werden nicht verzinst. Dies ist ein Anreiz, das Geld schnell wieder auszugeben und unter den Teilnehmern für Umsatz zu sorgen. In den Anfangszeiten wurde auf den Guthaben nicht nur kein Zins bezahlt, sondern eine Rückhaltegebühr verlangt. Diese sollte den Anreiz noch zusätzlich verstärken, das Geld schnell wieder in Umlauf zu bringen.

      Ein Beispiel
      Die Kreditkommission der WIR-Genossenschaft gewährt einen Hypothekarkredit von 100000 WIR-Franken gegen bankübliche Sicherheiten. Sie leiht jedoch nicht Kundengeld aus – wie andere Banken –, sondern sie schafft das Geld selber – heute elektronisch mit einem «Mouse-Click» am Computer. Im Unterschied zur Nationalbank entsteht das Geld nicht kraft staatlicher Autorität, sondern aus einem Vertrag und der Bereitschaft einer Gemeinschaft, das Geld zu akzeptieren: Der Kreditnehmer verwendet das neue Geld zum Beispiel für den Bau eines Hauses. Er bezahlt Bauhandwerker, die er als Mitglieder der Genossenschaft kennt. Diese begleichen damit Rechnungen für Materiallieferungen bei andern Mitgliedern usw. Die Rechnungen werden in der Regel zu etwa dreissig bis vierzig Prozent in WIR bezahlt – der Rest in Schweizer Franken – weil die Firmen ihren Mitarbeitern den Lohn in Franken bezahlen und noch viele andere Kosten anfallen, die nicht in WIR bezahlt werden können, wie zum Beispiel die Steuern. – Der Hypothekarkredit aus neugeschaffenem Geld schafft so Umsatz über viele Jahre unter den Mitgliedern, bis der Kredit wieder zurückbezahlt wird.
      Die «Zinsgebühr» beträgt heute nur 1 Prozent. Sie entspricht ungefähr der Zinsmarge2 der Geschäftsbanken und ist im langjährigen Durchschnitt etwa ein Drittel so hoch wie normale Bankzinsen. Sie genügt, um die Unkosten zu decken und genügend Reserven zu bilden. Die Genossenschaft bietet ihren Mitgliedern zusätzlich Möglichkeiten an, ihre Waren und Dienstleistungen anzubieten. Dazu gehören neben dem Verzeichnis der Teilnehmer Veröffentlichungen, Broschüren, Messen, spezielle Zustelldienste und vieles mehr. Daneben organisieren regionale WIR-Gruppen Treffen auch zu politischen und kulturellen Fragen.
      Das System verlangt, dass die Teilnehmer ihren Bedarf an WIR-Franken planen. Schweizer Franken können jederzeit in WIR gewechselt werden. WIR-Franken dagegen können nur bei andern Teilnehmern gegen Waren oder Dienstleistungen ausgegeben oder zur Rückzahlung eines Kredites verwendet werden. Ein Rückumtausch in Schweizer Franken ist nicht möglich.

      Komplementärwährungssystem
      In der Geldtheorie ist WIR eine Komplementärwährung. Darunter versteht man eine Abmachung innerhalb einer Gemeinschaft, eine Währung, die keine Landeswährung ist, als Tauschmittel zu akzeptieren. Sie ersetzt die Landeswährung nicht, sondern übt eine soziale Funktion aus, für die die Landeswährung nicht geschaffen wurde. Im Fall des WIR unterstützen sich die Mitglieder gegenseitig, indem sie beieinander einkaufen und in der Zentrale so günstig wie nirgends Kredite aufnehmen können. Dies ist insbesondere in wirtschaftlich schlechten Zeiten oder bei steigenden Zinsen von grosser Bedeutung. Wohlstand soll geschaffen und Arbeitslosigkeit verhindert werden.
      Die WIR-Genossenschaft hat seit 1936 den Status einer Bank und unterliegt der Kontrolle der eidgenössischen Bankenkommission. Das Bankengesetz schreibt vor, dass zwischen den Aktiven und dem Eigenkapital ein bestimmtes Verhältnis bestehen muss. Das Kreditvolumen ist damit nicht unbegrenzt. Das WIR-Geld ist gütergedeckt, das heisst, hinter jeder Zahlung mit WIR steht ein Austausch von Gütern und Dienstleistungen.

      Gründung der WIR-Genossenschaft und ähnlicher Organisationen
      Die WIR-Genossenschaft wurde 1934 als Selbsthilfeorganisation von Werner Zimmermann und Paul Enz gegründet – beide Anhänger der Freigeldtheorie von Silvio Gesell. Insbesondere Klein- und Mittelbetriebe wurden damals von der Wirtschaftsdepression hart getroffen, die nach dem Börsencrash von 1929 eingesetzt hatte. Die Umsätze waren massiv zurückgegangen, und viele Mitarbeiter hatten ihre Stelle verloren. Anzeichen einer Besserung gab es nicht. Aus der Sicht der Freiwirtschaftslehre lag die Ursache dieses Desasters in der unzureichenden Geldversorgung durch die zuständigen Behörden sowie im gestörten Geldumlauf zufolge Geldhortung. Diese war ausgelöst worden durch zahlreiche Bankenzusammenbrüche. Allein in Europa waren weit über tausend Banken zusammengebrochen – darunter auch die grösste Bank Österreichs. Viele Leute hatten das Vertrauen in die Geldinstitute verloren und bewahrten ihr Geld lieber zu Hause auf. In der Schweiz wird geschätzt, dass etwa 20 Prozent der im Umlauf befindlichen Banknoten ausserhalb des Bankensystems gehortet und so dem Wirtschaftskreislauf entzogen wurden. In andern Ländern dürfte dieser Prozentsatz noch deutlich höher gewesen sein.
      Die neue Selbsthilfeorganisation sollte Abhilfe schaffen. Sie startete mit 16 Mitgliedern und einem Anfangskapital von 42000 Franken. Der Name WIR ist nicht nur eine Abkürzung für Wirtschaftsring-Genossenschaft, sondern wurde von Werner Zimmermann als Gegenpol zu «ICH» definiert. In einer Gemeinschaft könne man die Interessen des Einzelnen besser schützen. Die WIR-Gründer waren damals nicht allein. Es gab weltweit viele ähnliche Organisationen. Ganze Dörfer und Vereinigungen von Menschen verschiedenster Art versuchten mit bargeldlosen Tauschringen und mit selbstgeschaffenem Geld, aktiv etwas gegen die lähmende Stimmung der Grossen Depression zu unternehmen. Ihnen war folgendes Vorgehen gemeinsam:
      1. Sie schufen als Ausgleich zur knappen Landeswährung in einem überblickbaren Rahmen eine Komplementärwährung.
      2. Sie versahen das neue Tauschmittel mit einem Anreiz, das Geld nicht zu behalten, sondern schnell wieder auszugeben. So wurde auf den Guthaben in der Regel nicht nur kein Zins bezahlt, sondern eine Rückhaltegebühr – eine Art Negativzins – verlangt. Dies sollte der Tendenz entgegen wirken, dass das Geld aus Angst vor der Zukunft nicht ausgegeben wird. Die Denk- und Handlungsblockade – die auch im Krankheitsbild der Depression in der Psychiatrie bekannt ist – sollte in den Köpfen der Leute durchbrochen und der Geldumlauf gesichert werden.
      Ähnliche Organisationen im Ausland
      Besonders verbreitet waren Selbsthilfeorganisationen in den USA, wo die Arbeitslosenquote zeitweise 25 Prozent erreichte (in der Schweiz 10 Prozent). Sie waren eine Antwort der Zivilgesellschaft auf die drückenden Probleme des Alltags. In den USA hatten Komplementärwährungen zudem eine lange Tradition.
      In Deutschland schufen in der grossen Inflation der 20er Jahre viele Gemeinden ihr eigenes Währungssystem. 1929 – etwa zur gleichen Zeit, als die grosse Weltwirtschaftskrise begann – wurde in Erfurt die Wära-Tauschgesellschaft gegründet. Sie verstand sich als private Vereinigung zur Bekämpfung von Absatzstockung und Arbeitslosigkeit. In Österreich zog Wörgl, eine Gemeinde mit etwa 5000 Einwohnern bei Innsbruck, die Aufmerksamkeit auf sich. In der kleinen Stadt und in ihrer unmittelbaren Umgebung gab es 1500 Arbeitslose. Der Bürgermeister bezahlte dringende Gemeindeaufgaben mit Arbeitswertscheinen. Dieses Gemeindegeld war zu 100 Prozent gedeckt durch Landeswährung. Es konnte im Dorf zum Kauf von Waren und Dienstleistungen verwendet werden. Etwas Besonderes war damit verbunden: Ende Monat musste jeder, der im Besitz solcher Scheine war, dafür eine Gebühr von 1 Prozent bezahlen. Dies liess sich nur vermeiden, wenn man das neue Geld vor Monatsende wieder ausgab. Er «besteuerte» damit nicht wie üblich den Warenverkehr, sondern das «Nichtausgeben» von Geld. Ein Umtausch in Landeswährung war möglich, aber nur gegen eine Gebühr von 2 Prozent. Die Teilnahme an diesem Experiment war für die Bevölkerung grundsätzlich freiwillig. Diese war jedoch von der Richtigkeit dieser Massnahmen überzeugt und akzeptierte das neue Zahlungsmittel. Der Geldumlauf nahm unweigerlich zu, die Arbeitslosigkeit sank innerhalb eines Jahres um einen Viertel, und die finanzielle Situation der Gemeinde verbesserte sich markant. Die zusätzlichen Einnahmen konnten für dringende Sozialausgaben verwendet werden.
      Die Erkenntnis verbreitete sich schnell: Ein ergänzendes, überblickbares Zahlungssystem innerhalb einer lokalen oder regionalen Gemeinschaft sichert den Geldumlauf, senkt die Arbeitslosigkeit und festigt den Zusammenhalt. Andere Gemeinden, vor allem in Österreich, aber zum Beispiel auch in Triesen (Liechtenstein), folgten dem Beispiel. Das genau dokumentierte Experiment fand Beachtung in Politik und Wissenschaft sowohl im In- und wie auch im Ausland. Der damals einflussreichste Wirtschaftswissenschafter, der Engländer John Maynard Keynes, äusserte sich positiv dazu. Der französische Premierminister Daladier war einer von zahlreichen Politiker, die Wörgl besuchten.3

      Abgewürgte Selbsthilfe
      Die Behörden standen der Selbsthilfeorganisation mit ihren Notwährungen an vielen Orten jedoch misstrauisch gegenüber. In Deutschland und in Österreich wurden sie noch vor der Machtübernahme von Hitler mit der Begründung verboten, nur die Nationalbank habe das Recht zur Ausgabe von Geldzeichen. In der politischen Auseinandersetzung wurde das Experiment von Wörgl zunächst als «Unfug» gebrandmarkt, dann als kommunistische Idee und nach dem Krieg als faschistische Massnahme.
      Ähnliches ist auch aus den Vereinigten Staaten zu berichten, wo Komplementärwährungen die grösste Verbreitung gefunden und die längste Tradition haben. 1933 wurde J. D. Roosevelt als amerikanischer Präsident gewählt. In seiner Antrittsrede kündigte er ein Programm an, das als New Deal in die Geschichte eingehen sollte. Die Wirtschaftsdepression und die hohe Arbeitslosigkeit sollten mit staatlichen Massnahmen bekämpft werden. Unterstützungsmassnahmen für die Banken und zahlreiche grossangelegte, von der Bundesregierung zentral geleitete Arbeitsbeschaffungsprogramme sollten die Beschäftigung verbessern. Dafür sollte sich der Staat verschulden. Gleichzeitig kündigte Roosevelt an, per Regierungserlass all die unzähligen «Notwährungen» der Selbsthilfeorganisationen zu verbieten.4
      Hat Roosevelt mit seinem New Deal Erfolg gehabt? Die Beschäftigungsprogramme waren zweifellos besser als nichts. Zahlreiche fleissige Personen leisteten in den Programmen nützliche Arbeit. Doch die Mehrheit der Wirtschaftshistoriker stimmt darin überein, dass das Gespenst der Depression in den USA wie in Deutschland erst durch die Umstellung auf die Kriegswirtschaft verschwand. Es stellt sich rückblickend die Frage, ob die in der Grossen Depression von der Zivilgesellschaft eingeschlagenen Wege die Wirkung der staatlichen Massnahmen nicht nachhaltig hätten verbessern können? Auch heute drängen sich solche Überlegungen auf, wenn teure staatliche Massnahmen kaum Wirkung zeigen.
      In der Schweiz wurde zwischen privat- und öffentlichrechtlichen Organisationen unterschieden. Die WIR-Genossenschaft als private Organisation wurde zugelassen. Sie wurde 1936 dem Bankengesetz unterstellt. Gesuche von Gemeinden dagegen, zum Beispiel der Städte Biel und Brienz, ein ähnliches Experiment wie in Wörgl durchzuführen, wurden mit dem Hinweis auf das Banknotenmonopol der Schweizerischen Nationalbank abgelehnt.

      WIR – einzig überlebendes Komplementärwährungssystem
      In den skandinavischen Ländern konnten sich zahlreiche Selbsthilfeorganisationen mit ihren Komplementärwährungen bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges halten. Sie lösten sich aber alle wieder auf. Die Gründe lagen teils in internen Schwierigkeiten und teils in den Wirren des Krieges. – Auch die WIR-Genossenschaft in der Schweiz kam in Schwierigkeiten. Sie nahm jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg einen neuen Anlauf, und ihre Mitgliederzahl stieg in der Hochkonjunktur schnell an. Dies zeigt, dass die Grundidee der Komplementärwährung nicht nur in Wirtschaftskrisen Vorteile hat. Der Mechanismus, die Guthaben auf den WIR-Konten mit einer Rückhaltegebühr zu belasten, wurde wieder abgeschafft. Ein so massiver Anreiz, das Geld schnell wieder auszugeben, hätte auch schlecht in die Hochkonjunktur hineingepasst. An der Zinsfreiheit wurde jedoch festgehalten. Die WIR-Guthaben werden bis heute nicht verzinst.

      Wechselvolle Geschichte
      Heute hat die WIR-Genossenschaft eine lange Entwicklung hinter sich. In der Mitte der sechziger bis in die siebziger Jahre erlebte sie eine schwere Krise. Etliche Teilnehmer sahen im WIR-System eine willkommene Gelegenheit, Waren von minderer Qualität zu überhöhten Preisen abzusetzen. Oder WIR-Geld wurde in Zeitungsinseraten mit einem Einschlag von 30 Prozent angeboten. Die Genossenschaft drohte in Verruf zu geraten und zu scheitern. Rigoroses Vorgehen gegen die Missbräuche war notwendig. Der Handel mit WIR-Guthaben wurde von der Genossenschaft verboten. So werden auch heute noch jedes Jahr konsequent Mitglieder ausgeschlossen, die gegen die Statuten verstossen. Die Rückbesinnung auf den Selbsthilfegedanken und die Solidarität führten die Genossenschaft wieder auf den Pfad des Erfolges zurück.
      Die WIR-Genossenschaft hat heute über 62000 Mitglieder, die untereinander Zahlungen im Umfang von etwa 1,65 Milliarden WIR-Franken pro Jahr abwickeln. Wenn man berücksichtigt, dass eine Zahlung im Durchschnitt nur zu 30 bis 40 Prozent in WIR abgewickelt und der Rest in Schweizer Franken bezahlt wird, dann ist die Summe der in der Genossenschaft umgesetzten Güter und Dienstleistungen mehr als doppelt so hoch. Die in WIR-Franken gewährten Geschäfts- und Hypothekarkredite betragen etwa 800 Millionen.
      Die WIR-Genossenschaft zeigt heute die Möglichkeiten und den Spielraum eines voll ausgereiften Komplementärwährungssystems auf. Beim 50-Jahr-Jubiläum vor zwanzig Jahren stellte der Direktor des Schweizerischen Bankvereins Basel fest: «WIR ist von einer krisenbedingten Selbsthilfeorganisation zu einer finanziell gesunden, straff organisierten und ausgezeichnet geführten Institution des gewerblichen Mittelstandes herangewachsen. Sie ergänzt die Tätigkeit der Banken und ist keine Konkurrenz.» – Das hat sich seit einigen Jahren geändert. 1998 änderte die Genossenschaft ihren Namen in WIR-Bank. Sie bot ihren Mitgliedern attraktiv verzinste Anlagekonten in Schweizer Franken an – ohne die WIR-Tätigkeit aufzugeben. Im Jahr 2000 öffnete sich die WIR-Bank der Allgemeinheit und führte das «Electronic Banking» ein.

      WIR-Bank
      Heute können Mitglieder und Nicht-Mitglieder ihre Bankgeschäfte bei der WIR-Bank in Schweizer Franken tätigen. Wer heute die Zentrale in Basel betritt, kommt in ein modernes Gebäude aus Glas, Stahl und Beton, das den üblichen Bankgebäuden in nichts nachsteht. Spar-, Geschäfts- und Anlagekonten in Schweizer Franken gehören zum Angebot – im Aktivgeschäft Hypothekar- und Geschäftskredite in Schweizer Franken, in WIR oder kombiniert. Das Kreditvolumen in CHF und in WIR ist heute ungefähr gleich gross. Die WIR-Bank ist in der Welt der KMU verankert und hat ihren Platz im vielfältigen Netz von Selbsthilfemassnahmen des kleinen und mittleren Gewerbes. Mit dazu gehören weitere ganz verschiedenartige Genossenschaften und zahlreiche Fach- und Berufsverbände.

      Beeindruckende Entwicklung
      Die WIR-Bank als kleiner «Nischen-Player» auf dem Bankenplatz Schweiz hat sich in den letzten Jahren gut behauptet. Die Kundengelder in Schweizer Franken haben sich im letzten Jahr verdoppelt und die Milliardengrenze überschritten. Die Zahl der Kunden, die nicht am WIR-System teilnehmen, beträgt heute ungefähr 15000. Konsumentenorganisationen vergleichen die Konditionen mit denen anderer Banken. Die WIR-Bank schneidet regelmässig am besten ab. Sie bietet zum Beispiel für private Vorsorgekonten einen Zins von 2,75 Prozent an – fast doppelt soviel wie andere Banken (vgl. K-Tipp vom 14. Januar). Dies verwundert nicht – verfügt doch die WIR-Bank über sehr schlanke Strukturen. Als gesamtschweizerisch tätige Bank mit einer Bilanzsumme von 2,38 Milliarden Franken hat sie neben dem Hauptsitz in Basel lediglich 7 Filialen mit insgesamt etwa 200 Mitarbeitern. So kann sie konkurrenzlos attraktive Bedingungen anbieten. Die kleine Bank ist auf das 21. Jahrhundert, in dem die Bankgeschäfte mehr und mehr auf elektronische Art abgewickelt werden, gut vorbereitet. Die Beziehung zu ihren neuen Kunden, die sich im letzten Jahr verdreifacht haben, gestaltet die Bank «genossenschaftlich», das heisst, sie organisiert in erster Linie Workshops: In diesen Arbeitszusammenkünften in kleineren Gruppen geht es nicht nur um Information und Beratung, sondern auch um Erfahrungsaustausch und um die gemeinsame Erarbeitung von Gesamtlösungen.

      Ausblick
      Die Generalversammlung der WIR-Bank hat am 25. Mai ihr Kapital von 10 auf 14,4 Millionen Franken erhöht und ihre Kapitalgeberbasis verbreitert. Neu sollen nun nicht mehr nur WIR-Teilnehmer, sondern alle Kundengruppen Genossenschaftsanteile erwerben und am Erfolg teilhaben können. Damit ist die Integration eines Komplementärwährungssystems in eine normale Bank abgeschlossen. Aus der Nothilfeorganisation von 1934 ist nach siebzig Jahren eine Geschäftsbank geworden, die auf genossenschaftlicher Basis steht und die Teil der WIR-Kultur ist. Sie hat das ambitiöse Ziel, eine gesamtschweizerische Bank für den Mittelstand zu werden. Die WIR-Bank will jedoch keine Universalbank5 werden, sondern ihr Angebot «mit Bedacht» ausweiten, so ihr Direktor Karl Baumgartner. Ihre Hauptstärke sind zinsgünstige Kredite in WIR, in CHF oder gemischt. Der WIR-Umsatz hat im ersten Quartal 2004 wieder zugenommen, nachdem er in den letzten Jahren wegen der angespannten Wirtschaftslage leicht rückläufig war. Das Freigeldexperiment, das in der Vergangenheit schon oft als gescheitert erklärt wurde, scheint Zukunft zu haben.
      In der Finanzwelt dürfte die WIR-Bank heute weltweit die einzige Geschäftsbank sein, die ähnlich wie eine Notenbank eigenes Geld schafft, damit Kredite gewährt und Zahlungen abwickelt. Den WIR-Pionieren ist weiterhin viel Erfolg zu wünschen!

      1 Die folgenden Ausführungen basieren auf den Geschäftsberichten der WIR-Bank, der Schrift zum 50-Jahr-Jubiläum der WIR-Genossenschaft von 1984 und auf weiteren historischen Quellen.
      2 Zinsmarge = Differenz zwischen den Zinsen, die eine Bank für Guthaben bezahlt, und den Zinsen, die sie für Kredite verlangt.
      3 vgl. Fritz Schwarz, Das Experiment von Wörgl. Bern 1983
      4 B. Lietaer, Das Geld der Zukunft. Riemann 2002, S. 274
      5 Eine Universalbank bietet sämtliche Bankdienstleistungen an.


      Artikel 1: Zeit-Fragen Nr.30 vom 9.8.2004, letzte Änderung am 10.8.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 13.08.04 17:28:22
      Beitrag Nr. 1.877 ()
      WTO-Rahmenabkommen bedeutet Katastrophe
      Protektionismus heisst Schutz

      SPD-Abgeordneter Scheer kritisiert WTO



      km. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk vom 3. August äusserte sich der SPD-Bundestagsabgeordnete und Träger des alternativen Nobelpreises, Hermann Scheer, kritisch zur WTO. Der Versuch der «institutionellen Verankerung, und zwar vertragsrechtlichen Verankerung der Liberalisierung aller Wirtschaftsprozesse, der Versuch, dieses auch auf die Landwirtschaft zu übertragen und dieses unter entwicklungspolitischen Vorzeichen zu begründen», sei «äusserst fragwürdig.»
      Die Idee eines freien Marktes setze «die Möglichkeit gleicher Produktionsbedingungen voraus». Das sei, so Scheer, bei landwirtschaftlichen Produkten nicht gegeben, und insofern sei hier «das Freimarktprinzip im Kern absurd».
      Es könne «in niemanden Interesse sein, vor allem nicht der vielen, vielen Millionen, Hunderten von Millionen Kleinbauern in der Dritten Welt, dass eine Weltmarktorientierung der Landwirtschaft stattfindet, das dient dann nur den Interessen der Agrarkonzerne, ob solche des Nordens oder des Südens».
      Scheer äusserte sich auch grundsätzlich zur Globalisierung. Diese habe der Dritten Welt «bisher eindeutig geschadet.» Die Grundidee, «dass es keine eigenen wirtschaftlich geschützten Räume in der Welt mehr geben soll», sei fatal, denn das bedeute, «dass nirgendwo auf der Welt es letztlich mehr möglich wäre, soziale und ökologische Fortschritte in der Art und Weise des Wirtschaften zu erzielen, wenn es nicht gleichzeitig die ganze Welt macht. Weil es nie die ganze Welt gleichzeitig macht, ist die Grundidee falsch.»
      Scheer wertete den Begriff Protektionismus deshalb eher positiv: «Protektionismus ist doch kein schlechtes Wort! Protektionismus heisst Schutz, dahinter steckt ein Grundanliegen allen politischen Handelns, das muss man mal ganz klar sehen, nämlich, dass Menschen in ihren Grundbedürfnissen gesichert, in der Realisierung ihrer Grundbedürfnisse, ihrer Grundanliegen gesichert werden sollen. Das gilt für äusseren Schutz gegenüber Aggressionen, das gilt für den Schutz des privaten Hauses gegenüber staatlicher Willkür, das gilt natürlich auch für Wirtschaftsräume. Die Diskreditierung dieses Begriffs ist hochideologisch, es kommt nur auf die Frage an, ist die einzelne Protektion jetzt sinnvoll, kostet sie zuviel, ist sie unüberlegt, aber nicht darum, dass das von vornherein etwas Schlechtes ist.»
      Scheer begründete nochmals, warum er 1995 als einer von wenigen Bundestagsabgeordneten gegen das WTO-Vertragswerk gestimmt hatte: «Ich halte die Grundidee für falsch. Alle Länder, die in der südlichen Hemisphäre oder in Asien sich aus der Entwicklungskrise irgendwie herausgearbeitet haben, haben das nicht unter Globalisierungsvorzeichen gemacht, unter Freimarktvorzeichen getan, sie haben das unter Vorzeichen eines überlegten, geschützten Marktes gemacht. Das deutsche Wirtschaftswunder der fünfziger Jahre wäre unter Globalisierungsvorzeichen von heute niemals möglich gewesen. Ich glaube, dass nicht die Alternative ein Wirtschaftskrieg jeder gegen jeden ist, es muss natürlich internationale Regeln geben, aber die Frage ist, welche Regeln sind es, und die Totalfixierung auf den Freihandel, die halte ich für mehr als problematisch.»


      «Das waren keine Verhandlungen. Das war ein rücksichtsloses Diktat …»
      Auszüge aus einem Interview in der «Basler Zeitung» vom 3. August mit dem Genfer FDP-Nationalrat und Vizepräsident des Schweizer Bauernverbandes, John Dupraz.

      BaZ: Herr Nationalrat Dupraz, die Schweiz zählt zu den Verlierern der jüngsten WTO-Verhandlungsrunde. Wieso?
      John Dupraz: Das waren gar keine Verhandlungen. Das war ein rücksichtsloses Diktat der fünf Agrarexporteure USA, EU, Australien, Indien und Brasilien. Diese fünf haben das Dokument über die Landwirtschaft geschrieben. Die andern konnten nur noch ja und amen sagen. […]
      Was heisst das jetzt für die Schweiz?
      Es heisst, dass vor allem die Gemüse-, die Milch- und die Fleischbauern in der Schweiz unter massiven Druck der fünf Grossexporteure kommen. Wie soll denn ein Schweizer Alp-Käser mit seinem Familienbetrieb gegen eine holländische Grosskäserei konkurrenzieren können? Wie kann ein ökologisch nachhaltig wirtschaftender Schweizer Fleischproduzent gegen die argentinischen Riesenbetriebe mit zehntausend Rindern aufkommen, die ihren Angestellten nicht einmal 200 Franken im Monat zahlen?
      Und die Folgen für die Bauern?
      Es wird zu einem rasanten Bauernsterben führen – vorab in den Hügel- und Berggebieten. Die Landwirtschaft würde sich bei uns bald nur noch im Flachland in Grossbetrieben behaupten können – mit allen Folgen für die Umwelt und den Tourismus. Mit der oft zitierten Multifunktionalität der Schweizer Landwirtschaft wäre es vorbei. Im nun verabschiedeten WTO-Rahmenabkommen ist alles drin, um die nachhaltige Schweizer Landwirtschaft langfristig zu vernichten.
      Aber es gibt doch nicht kommerzielle Punkte, wie Umwelt- und Tierschutz, welche die Schweiz eingebracht hat.
      Davon ist fast nichts geblieben. Umweltauflagen und nachhaltige Produktion interessieren die fünf Grossen nicht. Die foutieren sich total darum. Das einzige, was die interessiert, ist ihr Business. Und die Ideologie der Liberalisierung und Deregulierung. Nichts von sozialen Mindeststandards, nichts von Umweltschutz oder gar von Tierschutz. […]
      Warum war denn die Schweiz mit einem solchen Rahmenabkommen dennoch einverstanden?
      Weil sie allein gegen die Mächtigen nichts ausrichten kann – nicht einmal im Rahmen der zehn Agrarimporteure. Und niemand hatte den Mut, die Verhandlungen scheitern zu lassen.
      Wie geht es nun weiter?
      Jetzt wird es ab September um die konkreten Inhalte, um die genauen Zahlen im Rahmenabkommen gehen. Und da werden wir noch einmal kämpfen müssen. Wenn sich die fünf Grossen jedoch erneut so arrogant verhalten wie jetzt, sehe ich schwarz.


      Macht und Geld
      Die Art und Weise, wie die G5 (USA, EU, Australien, Indien und Brasilien) – die fünf «grossen» Agrarexporteure – die Eckwerte des Rahmenabkommens unter sich ausmachten, hat bei den ausgeschlossenen Delegationen Unmut und Frustration ausgelöst. Insbesondere ist es bedauerlich, dass die G5 sich ohne die G10 – die Gruppe der zehn Agrarimportländer (Schweiz, Japan, Taiwan, Südkorea, Israel, Mauritius, Bulgarien, Norwegen, Island und Liechtenstein) – gefunden haben. In einer solchen Konstellation ist es nur logisch, dass die «Kleinen» sich übergangen fühlen. Solange die WTO so funktioniert, wird es schwierig bleiben, bei der Konkretisierung des Rahmenabkommens in konstruktiver Atmosphäre Fortschritte zu erzielen.
      Die Schweizer Bauern sehen sich mit dem neuen Abkommen einem noch einmal verstärkten Druck auf den Märkten und in der Politik ausgesetzt. Zusammen mit den Entlastungsprogrammen bei den Bundesfinanzen und dem Landwirtschaftsabkommen mit der EU kommt eine enorme Herausforderung auf den gesamten Sektor zu. Die schwierige Ausgangslage der Landwirtschaft ist in die künftigen Diskussionen um die Bundesfinanzen und den Zahlungsrahmen für die Landwirtschaft mit einzubeziehen. Gleichzeitig haben die Konsumenten hierzulande hohe Erwartungen, was die ökologische, ethische und soziale Dimension der Landwirtschaft betrifft.
      Die Schweizer Landwirtschaft ist auf Rahmenbedingungen angewiesen, die ein Weiterführen ihrer kompromisslosen Qualitätsstrategie ermöglichen. Sonst ersetzen immer mehr Importe sukzessive die inländische Produktion.

      Quelle: Pressemitteilung des Schweizerischen Bauernverbandes, des Verbandes schweizerischer Gemüseproduzenten, der Schweizer Milchproduzenten und von Bio Suisse vom 1.8.2004


      Fakten zum WTO-Rahmenabkommen
      Die Ergebnisse
      Die 147 Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) einigten sich in der Nacht zum Sonntag in Genf auf ein Rahmenabkommen, das den Abbau der Agrarsubventionen und die Reduzierung von Importzöllen auf Industrieprodukte und Dienstleistungen vorsieht.

      Die Folgen
      Dem Rahmenabkommen zufolge sollen die Agrarsubventionen sofort um 20 Prozent gesenkt werden. Die Reduktion von Einfuhrzöllen auf landwirtschaftliche Produkte soll um so höher ausfallen, je grösser die Ausgangsbasis ist, auch wenn noch keine konkreten Zahlen festgelegt wurden. Generell wird den WTO-Staaten aber das Recht zugestanden, auf für sie besonders wichtige Agrargüter etwas höhere Zölle beizubehalten. Exportsubventionen sollen dagegen fallen.

      Die Fortsetzung
      Detailverhandlungen sollen im September begonnen werden. Die nächste Ministerkonferenz ist im Dezember 2005 in Hongkong geplant. Weiter sollen Verhandlungen über einen Abbau von Zollformalitäten (Handelserleichterungen) aufgenommen werden.

      Quelle: Basler Zeitung vom 2.8.2004


      Butterknappheit in der Slowakei
      Welche Folgen ein Abbau schützender Handelsgrenzen hat, sei es durch die EU oder durch die WTO, wird meist nicht laut ausgesprochen. Die «Nürnberger Zeitung» berichtet in einer Meldung vom 23. Juli, dass insbesondere Fleisch, Milchprodukte und Eier aus den neuen Mitgliedsstaaten in westliche EU-Länder exportiert werden. In der Slowakei sind daraufhin offensichtlich Engpässe in der Versorgung mit Butter aufgetreten.
      Mehrere grosse Handelsketten im Land hätten aus Mangel an Nachschub den Butterverkauf völlig eingestellt und böten nur noch Margarine an. In anderen Geschäften seien Butter und Milchprodukte schon am Vormittag ausverkauft gewesen. Händler berichten, dass der Wegfall der Handelsbeschränkungen mit der EU die Engpässe ausgelöst habe. So würden slowakische Milchproduzenten fast ihre gesamte Produktion in die Nachbarländer exportieren, weil sie dort höhere Preise erzielen könnten.
      Derzeit kosteten 250 Gramm Butter in slowakischen Geschäften weniger als einen Euro. Eine Wiederherstellung der Butterversorgung halten Lebensmittelhändler erst dann für realistisch, wenn die Preise auch im Inland entsprechend nach oben gehen.
      Bei Fleisch sieht die Sitation nicht viel anders aus. Polnische Bauern berichten von deutlich besseren Preisen für ihre Schlachttiere im Westen.
      Die polnischen Verbraucher müssen die Zeche bezahlen: Ebenso wie die slowakischen Konsumenten stehen sie plötzlichen drastischen Preiserhöhungen gegenüber. Nach Angaben der polnischen Nationalbank sind in den zwei Monaten die Preise für Geflügel und Rindfleisch um 22 Prozent gestiegen. Auch Schweinefleisch hat im Preis angezogen.
      Laut Nationalbank sei die Verteuerung von Fleisch «mit hoher Nachfrage nach polnischen Produkten in den anderen EU-Ländern zu erklären».
      Gleichzeitig geraten die Milcherzeuger, zum Beispiel in Bayern, immer mehr unter Druck, weil sie vom einheimischen Markt zunehmend verdrängt werden durch die billigeren Produkte aus dem Osten.

      Quelle: Nürnberger Zeitung vom 23.7.2004

      Artikel 3: Zeit-Fragen Nr.30 vom 9.8.2004, letzte Änderung am 10.8.2004

      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 18.08.04 14:36:05
      Beitrag Nr. 1.878 ()
      Avatar
      schrieb am 18.08.04 14:43:40
      Beitrag Nr. 1.879 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de/



      Die neuen Montagsdemonstrationen: 15.08.2004
      DIESE WOCHE
      Diese Woche dreht sich hier alles um das Gemeinwohl: der Spatz überlegt, weshalb es wieder Montagsdemos gibt und um was es da in Wirklichkeit geht. Hartz IV ist nur der Aufhänger aber nicht die wirkliche Ursache - aber lesen Sie selbst!

      Prinzip Hoffnung -
      Aber worauf hoffen wir?



      Das Volk steht auf. Aber steht es? Vor fünf Wochen begannen die Montagsdemonstrationen mit einem Flugblatt "In Sachsen muß die Wirtschaft wachsen" und dem ersten Häuflein der 7 Aufrechten. Dann verdoppelte sich ihre Zahl jede Woche. Nun sollen in Leipzig und Magdeburg laut Polizei 10.000 demonstriert haben, im Städtchen Dessau waren es 3.000. Selbst im Westen z.B. in Fürth in Bayern folgten 1.000 den Aufrufen. Von 34 deutschen Städten wird in deutschen, europäischen sogar in Thailand, Argentinien und anderen Zeitungen berichtet. Auch in Pittsburgh (USA) demonstrierten mehrere hundert Polizisten, natürlich nicht gegen Hartz IV sondern gegen Act 47 mit ähnlichen Einsparplänen. Es handelt sich um ein nicht nur deutsches Problem.

      Wer war das Häuflein der 7 Aufrechten? Deutsche Zeitungen geben ihre Wunschinitiatoren an. Eine Schweizer Fotofirma erwähnt auf ihrer Website die eigentlichen Initiatoren unter ihrem "Foto der Woche": "Bisher sind sie nicht sehr prominent, doch daß kann sich recht schnell ändern! Die Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) rührte an den Nerv der Nation. Sie steht für einen neuen Geist der Solidarität in der Tradition des Gemeinwohls". Niemand sonst kann/darf das zugeben. Wer sorgt für die Einmütigkeit des Medien-Urteils? Sicher hat die Partei, wie alles Menschliche, ihre Mängel, doch ihr Hauptmangel scheint zu sein, zwischen allen Stühlen zusitzen. Den einen ist sie zu amerikanisch, den anderen zu antiamerikanisch, die einen beschimpfen sie als links-, die anderen als rechtsextrem, von Sekten- und Geheimdienstunwesen wird gerüchteweise gemunkelt. Alle haben ihre Gründe, die keiner kennt. Sollte man sich nicht selbst ein Bild zu machen? Offensichtlich nicht, denn der Große Bruder im Gehirn verbietet das: "Die sind mir zu..." - "dubios", im Zweifelsfalle.

      Sollten Anreger wie die BüSo traurig sein, daß man ihnen die Sache aus der Hand nimmt? Der Spatz glaubt nicht: Es regt sich etwas im Gebälk. Leute fangen an nachzudenken, das ist wichtiger als jeder Prioritätsanspruch. Hartz IV war zu viel. Der Griff nach dem angesparten Kindergeld und der Ausbildungsversicherung war der Strohhalm, der dem Kamel den Rücken bricht. Die Empörung richtet sich dagegen, daß Politiker so etwas überhaupt in Betracht ziehen und planen konnten. Das Volk hat, jedenfalls in früheren Zeiten, als die Bildungs- und Kulturreform noch nicht gegriffen hatte, Opfer hingenommen, wenn sich Besserung glaubhaft machen ließ. Doch was die Politiker in Berlin und Washington zeigen, läßt nur zynische Verarschung (siehe Klimakatastrophe oder Irakkrieg) aber keinerlei Besserungsabsicht erkennen.

      Die Hoffnung auf den Aufschwung sind leere Worte, tun sie doch nicht dafür. Sie meinen, etwas gegen die Arbeitslosigkeit zu tun, wenn man Arbeitgebervorbehalten gegen Neueinstellungen entgegenkommt, räumt aber erkämpfte Schutzvorkehrungen gegen Arbeitgeberwillkür weg. Den Politikos fiel nicht auf, daß derlei "Hindernisse" in früheren Zeiten die Beschäftigung kaum verhindert hatten. Sie verursachten die Arbeitslosigkeit also auch nicht.

      Unternehmen stellen nicht ein, wenn sich die Produktion nicht rentiert. Sie rentiert sich trotz wachsender Not nicht, weil der Nachfrage die Zahlungsfähigkeit fehlt. Was davon noch erreichbar ist, schöpfen Unternehmen mit dem ab, was die billigsten Kulis der Welt herstellen. Daß es dazu kommen würde, haben "Spinner", wie der Spatz, seit Jahren geschrieben. Man wollte es nicht glauben. Es zu sagen, war kein Anzeichen von rechter oder linker Böswilligkeit, und daß es dazu kam, kein Kennzeichen bösartiger kapitalistischer Unternehmer. Es folgt aus der Logik der Sache, die sich über alle kurzfristigen Wunschvorstellungen der Möchte-auch-gern-Regierer hinwegsetzt. Diese konnten den Trend mit viel Steuergeld und Kreditmanipulation ein wenig glätten, ihn beschleunigen oder abbremsen, aber nicht umkehren. Diese Möglichkeiten sind nun wegen Überschuldung ausgeschöpft. Früher gab es für jede Mark Spareinlage einen Investitionskredit von ebenfalls einer Mark. Inzwischen hat man sich auf 38 Mark Kredit (oder Dollar, oder Euro, oder Teuro) pro gesparter Mark hochgehangelt. Man hat damit die Wirtschaft aber nicht "angekurbelt" sondern erstickt, weil diese "Ankurbelung" die Asset-Preise, die Wertpapiere und nicht die nützliche Produktion hochgejubelt hat.

      Warum ist Produzieren nicht mehr rentabel? Man hat Marx (jedenfalls bei uns in den Industrienationen) widerlegt, in dem man zunächst nicht die Löhne (und damit die zahlungsfähige Nachfrage nach Endprodukten) revolutionsgefährlich gesenkt, sondern die Preise wegen überhöhter Kapitalkosten angehoben hat. Man hielt sich für superschlau und erzielte auf etwas längere Sicht den gleichen Effekt. Die Verzögerung gelang, weil man alle Winkel und Ecken der Wirtschaft mit Zahlungsverpflichtungen, dem aus Fast-Nichts geschaffenen Kredit (Geld) vollstopfte. Der "Kredit" verschwand nicht, weil er nicht durch benötigte Güter sondern durch neue Kredite abgegolten wurde. Zahlungsverpflichtungen werden durch Zinszahlungen am Leben, d.h. glaubhaft erhalten. Dementsprechende Kapitalkosten und nicht die Arbeitskosten treiben die Preise hoch oder schmälern die Rendite. Um auf dem Markt die erforderlichen Preise erlösen zu können, mußte das Güterangebot entsprechend verknappt werden. Andernfalls platzen die Kredite (was immer geschieht, wenn der Kredit zur Steigerung der Produktivität investiert und dem dadurch erlösten Mehrertrag wieder beglichen wird). Wenn die Assets der Großgeldbesitzer nicht platzen sollen, dann muß man zuvor eben die Ersparnisse anderer platzen oder besser implodieren lassen. So einfach ist das, wenn man auf den Schnickschnack sich teuer vermarktender Wirtschaftsexperten verzichtet.

      Zunächst zögerte man, sich am Eingemachten der kleinen Leute zu vergreifen und senkte die Zinsen. Das schuf etwas Luft aber keine Werte, nur neue Wertpapiere - noch mehr Zahlungsverpflichtungen und Unrentabilität. Wenn es am Rand des Abgrunds eng wird, fragt man, wer tut den ersten Schritt. Keiner wird gezwungen. Wer als erster den Arm hebt, ist der Terrorist und wird gestoßen - man ist schließlich sozial, fair undsoweiter. Daß die vorne am Rande allmählich merken, daß sie am Rande stehen, läßt sich auf Dauer nicht vermeiden. Das scheinen die Montagsdemonstrationen zu zeigen. Daß man sie beschimpft, ist das Vorspiel zum Gerangel, das darüber entscheidet, wer über den Rand fällt und wer nicht.

      Läßt sich der dämmernde Gedanke, den man sich bisher verboten hatte, wieder zurück in die Flasche locken? Läßt sich verspieltes Vertrauen wieder herstellen? Im Grunde ja. Aber gibt es dafür heute Grund, wo das kaum mehr in der Ehe zwischen zwei Menschen gelingt, die glaubten, sich geliebt zu haben? Unser Kanzler und Vizekanzler machen uns vor, wie man als moderner Mensch mit gestörtem Vertrauen umgeht: Scheidung und wieder Scheidung. In der Politik wechselt man die Parteien, bis man sie durch hat. Das scheint jetzt der Fall zu sein.

      Die Arbeitsmarktexpertin der Grünen, Thea Dückert, will nach Aussagen der Hannoverschen Allgemeinen, den Spielraum von Hartz IV unbedingt nutzen und das Gesetz nicht wieder aufschnüren. Inzwischen einigte man sich, darauf zu verzichten die Ausbildungsversicherung der Arbeitslosen für ihre Kinder zu beschlagnahmen und will den Freibetrag für die Altersvorsorge älterer Arbeitslosen anheben. Auch der Streit um die Auszahlungslücke des durch Verfahrensfragen gerechtfertigten Betrugs um eine Monatszahlung wird zurückgenommen. Das schafft keine Arbeitsplätze und keine bessere Versorgung. SPD Präsidiumsmitglied Andrea Nahles meint, man habe "nicht begriffen, daß die einmonatige Nichtauszahlung des Arbeitslosengeldes II eine Größe ist, die sich für die SPD politisch nicht rechnet" und ihr Fraktionsvize nannte laut Tagesspiegel die Vermittlung der Reform eine "kommunikative Katastrophe".

      Kommt es nur auf die richtige Werbung an, weil "die Regierung keine Arbeitsplätze schaffen kann", wie die FAZ predigt? Regierungen konnten das früher z.B. durch Eisenbahnbau, Autobahnbau, Wohnungsbau für Arbeiter und nach dem Krieg durch den Wiederaufbau. Daß alles gelang durch gekonnte staatliche Regelung - entsprach aber nicht dem Begriff des eigentlichen, des freiheitlichen Kapitalismus und mußte deshalb weg. Hinhalten bis zum möglichen Aufschwung, zur nächsten Wahl, bis zur Rente, zum nächsten Urlaub, bis einen der Schlaf übermannt - bis die Beseitigung der Armen, ist Regierungspolitik.

      Krisen sind die Stunde der Wahrheit. In Krisen fragt man aber nicht nach Wahrheit, sondern "was ist zu tun?". Herrschende sind am Ende, Weisungen bleiben aus. Wehe, wenn es am Konzept fehlt. "Mehr Geld, Arbeitsplätze!" läßt sich gebrüllt leicht fordern. Gefragt ist, wer die Wirtschaft so in Gang bringt, daß die verfügbare hohe Produktivität der Versorgung den Menschen, allen Menschen zugute kommt und nicht im kurzfristigen Interesse der Geldanlegern in Wertpapiere "virtualisiert" wird (zu deutsch "zum Fenster hinausfliegt").

      Früher haben Herrschende sich auf Krisen vorbereitet. Sie hatten gegebenenfalls neue Gesichter mit Medien-Charisma im Ärmel, die ihre Sache mit revolutionärer Rigorosität vorantreiben sollten. Deshalb sind bisher die meisten "Revolutionen" im alten Dreck stecken geblieben. Im Angebot gab es Hitler, Saddam oder heute - lassen wir Verdächtigungen. Heute muß der zerstörerische Wirtschaftsautomatismus, hinter dem man die aufgeblasene Inkompetenz wie früher hinter dem "Gott steh mir bei" verstecken kann, aufgegeben werden. Man muß wissen, oder darüber streiten, was wir "am besten" mit unserer ungeheuren Produktivkraft anstellen, ob wir uns neben all dem anderen, was Menschen brauchen, Windmühlen, Panzer oder den Transrapid leisten wollen und wie wir das geregelt kriegen. Dazu bedarf es der Wahl unter gediegenen Konzepten und nicht zwischen zurechtretuschierten Gesichtern. Auf den Tisch damit!

      Und die Bildzeitung der kleinen Leute berichtet am Dienstag nach der Montagsdemo auf den beiden ersten Seiten über die Abtreibung der Rechtschreibreform. Das sollte selbst diejenigen, die sich gegebenenfalls nicht zu den Kleinen rechnen - die Mehrheit also - nachdenken lassen.
      Avatar
      schrieb am 23.08.04 23:53:05
      Beitrag Nr. 1.880 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://spatzseite.de


      Aufgrund eines Umzuges erscheint der nächste Spatz voraussichtlich erst am 12. September.


      Wollt Ihr den totalen Krieg? 22.08.2004

      DIESE WOCHE
      Anläßlich der Hartz-Reformen untersucht der Spatz, wer die treibende Kraft hinter der Verknappung und Kürzung sein könnte. Er untersucht den Unterschied zwischen den Montagsdemos am Ende der DDR und den derzeit unter gleichem Namen stattfindenden Demonstrationen und findet, daß wir in Europa eigentlich gar keine Parteien haben, sondern nur ausgezeichnet funktionierende Werbeagenturen. Aber natürlich sind wir demokratisch und frei!


      Wenn anders nicht geht...



      Am Montag waren es wieder mehr Leute. Die Zahlen? Ich habe nicht gezählt - schauen Sie in der Zeitung nach! Der Kanzler kam frisch aufgepäppelt mit einem Töchterchen, das ihm andere Eltern gemacht hatten aus dem Urlaub zurück und beschloß: Hartz IV geht durch und zwar "ohne jede Änderung". Ob es dabei bleibt, wird davon abhängen, ob sich die Demonstranten spalten oder verführen lassen, ob sie auf der Straße bleiben, mehr werden und glaubhafter ausdrücken, wie das, was sie wollen, gemacht werden kann. Daß ein Auseinanderdividieren droht, wird in Leipzig deutlich, da gibt es Pastor Führer, die Ikone der Friedensgebete, eine Linke Wahlalternative, die Lafontaine ins Spiel bringen will, die PDS und andere Antiparteiendiktatur-Kräfte. Hahnenkämpfe der Demonstrationsgewinnler könnten die entstehende Massenbewegung im Ekel ersticken.

      Ein noch ekelhafteres Auseinanderdividieren deutet die Süddeutsche Zeitung im Editorial ihrer Lokalausgabe am 13.8. an: Hier warnt ein hysterischer Schickimicki vor einer "Montagsdemonstration" in München am "morgigen" Samstag. Der Verfasser wettert rassistisch gegen die Ostdeutschen, die sich mit Bürgerrechtsbart und Gurken im Maul nach Öffnung der Mauer in das schöne München eingeschlichen und den braven Bayern Arbeitsplätze weggeschnappt hätten. Nun wollen sie noch für Unruhe sorgen. Ironisch ruft er zu einer Gegendemonstration unter der Forderung "Mehr Kaviar und mehr Prosecco" auf.

      Andererseits schüttet der Wirtschaftsminister wie schon sein Kanzler, der den Deutschen im Osten allenfalls ein bißchen Sorge zugesteht, zusätzlich Benzin ins Feuer, wenn er 600.000 neue Jobs für Hartz Geschädigte Sozialhilfeempfänger ankündigt, in denen man für 1 (in Worten "einen") Euro die Stunde arbeiten darf. Witzbolde fragen, "ob mit Eisenkette oder ohne". Die "Montagsdemonstrationen", warnte der Kanzler hätten sich gegen ein "diktatorisches" Regime gerichtet. Jetzt haben wir ein frei gewähltes, da wären sie unangemessen. Weiß er, was er sagt?

      Wo ist der Unterschied? Alle 4 Jahre irgendwo ein Kreuzchen machen zu dürfen, ist wirklich eine tolle "Freiheit". Hatte man die nicht auch in der DDR? Ja, aber da hatte man keine Wahl, weil alle Parteien Blockparteien waren! Und sind die hiesigen etwa keine Blockparteien? Einhellig erklären alle: Wir sind nicht befugt Arbeitsplätze zu schaffen (es sei denn Ein-Euro-Jobs), unsere Aufgabe ist dafür zu sorgen, daß die "Freiheit" gewahrt bleibt. "Freiheit", so heißt das Kasperletheater "Marktautomatismus", in dem einige Superspekulanten "frei" und politisch unbehelligt die Fäden ziehen dürfen. Das Spekulationssystem braucht, um sich weiter drehen zu können, aber immer mehr frisches Geld. Was man nicht frei drucken kann, um den Bürgern auf diese Weise indirekt das Vermögen zu verwässern, muß man eben direkt "einsparen".

      Die Financial Times vom 18.8. macht die lockere Geldvermehrung der Zentralbanken für die Preisinflation bei Rohstoffen wie Öl, Nickel, Stahl etc. verantwortlich. Sie zitiert den Chef der Bank of England, Mervyn King "Ich meine, es gab überall eine Expansion von Geld und Liquidität, die im allgemeinen zu einer Anhebung der Wertpapier und Rohstoffpreise geführt hat." Das Gelddrucken hat seine Grenzen, jetzt geht`s direkt zur Sache.

      Zusätzlich: Der Sozialabbau (zumindest im Gesundheitswesen) - schrieb mir ein Freund - wird zur Zeit in einer großflächigen Plakataktion der Bundesregierung damit beworben, daß sich dadurch die Beiträge senken ließen. Das ist ungefähr so, wie wenn einem eine Versicherung im Schadenfalls, gegen den sie abgeschlossen wurde, freudestrahlend mitteilt, daß man nur noch die Hälfte der vereinbarten Versicherungssumme erstattet bekäme, dafür aber der Beitrag um 0,9% gesenkt würde. Würden sie bei dem Versicherungsunternehmen wieder eine Police erwerben? Aber Wiederwählen, das kostet ja nichts - hatten Sie bisher gedacht.

      Das Ganze ist nicht nur ein deutsches Problem: In der New York Times war am 19.8. von Eduardo Porter zu lesen. Steigende Kosten der Sozialversicherung (sogenannte "Lohnnebenkosten") wären der Grund für den Verlust von Arbeitsplätzen. Er belegt mit viel "Fakten", daß Firmen wegen der Kosten der Sozialversicherung zögern, Leute einstellen.

      Generell heißt es, daß Löhne (und die Lohnnebenkosten) zu hoch seien. Firmenchefs erzählen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, daß die Löhne in Osteuropa nur halb so hoch sind oder noch weniger kosten, in China sogar nur einen Bruchteil der hiesigen Lohnkosten. Wenn man das ernst nimmt, dann bedeutet Hartz IV (V, VI.. usw.), daß alle Verhandlungen über Lohnkostensenkungen letztlich nutzlos sind, weil die Lohndrückerei erst zur Ruhe kommt, wenn die Löhne in China (und anderswo) unterboten werden. Und dann würden die Löhne noch weiter sinken, so lange es Leute gibt, die sich mit noch Weniger zufrieden geben könnten. So "frei" ist eben der Arbeitsmarkt.

      Weil der übrige Markt weniger frei ist, entstehen natürlich wenig neue Arbeitsplätze. Wie ja auch Clements großzügige Ein-Euro-Jobs nur höherbezahlte Arbeitsplätze durch "Billigere" ersetzen dürften. Die fehlende zahlungsfähige Nachfrage garantiert keinen Absatz und damit für neue, vielleicht nötige Investitionen auch keine Rendite. Deshalb sucht das reichlich vorhandene konzentrierte Geld verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten und findet sie immer nur in immer ausgebuffteren Spekulationsmanövern. Kann man nichts machen, sagt die politische Klasse, die Verhältnisse sind eben so, und bemüht sich um zusätzliche Wahlkampf- und Propagandahilfen.

      Die Probleme sind nicht neu. Die Regierung müßte mit ihnen nicht überfordert sein. Schon 1931 wurden sie in der List-Gesellschaft ausgiebig diskutiert und erfolgreiche Gegenmaßnahmen entwickelt, die allerdings dann mit hinterhaltiger Gewalt abgetrieben wurden. Sie stünden einer demokratischen Regierung - wenn sie handlungsfrei wäre - gut an. Doch unsere Regierung steht in der Pflicht des internationalen Finanzkapitals als höchster politischer Instanz "des Marktes".

      Und was sagt diese Instanz zur Zeit? In der Times vom 17.8. sagt Andrew Bosomworth, Vizechef von Pimco, dem weltgrößten Bondhändler, neuerdings im Besitz der Allianz-Versicherung: Alle Probleme der deutschen Wirtschaft ergäben sich aus dem "unerträglichen sozialen Versorgungssystem in Deutschland" und dem Versagen der politischen Klasse mit dem "Reformstau" fertig zu werden. Dieses Sozialsystem sei nämlich nicht die Erfindung Bismarcks gewesen, sondern der Alliierten, die dadurch zusammen mit Adenauer Deutschland nach 1950 zum Bollwerk gegen den Kommunismus ausgebaut hätten. Jetzt wo der Kommunismus weg ist, müssen die Deutschen "sich den Herausforderungen der Globalisierung stellen" (wird das Sozialklimbim als Ballast abgeworfen) und zwar nicht nur in Deutschland, auch in Japan, Tschechei und anderswo. Ohne das, würde man Deutschlands Wirtschaft wie "Junk-Bonds" behandeln.

      Damit das keine leere Drohung blieb, wurde bereits am 2. August um 10:28 Uhr Londoner Zeit von anderer Ecke zugeschlagen: Die weltgrößte Bank Citigroup zeigte den Europäern kurz mal, wo die Harke hängt. Dazu schrieb der Daily Telegraph am 19.8.: In zwei Minuten verkaufte Citigroup über 100 verschiedene Finanzinstrumente und 13 Handelssysteme europäische Regierungsanleihen im Wert von 11 Mrd. Euros und "zündete eine Panik". Später am Tag kaufte die Bank einen Teil der Anlagen zurück. Dabei machte die Bank einen "eher geringfügigen" Gewinn von 25 Millionen, um den es ihr bei dem "unerhörten Finanzangriff" sicher nicht gegangen war. Jetzt wissen Sie was Schröder mehr zwickt als dies (bisher noch) die Demonstranten können.

      Am gleichen 19.8. verwies Le Canard Enchaine, eine Zeitschrift über die die Französische Regierung gezielt Geheimdiensterkenntnisse ausstreut, auf zwei vertrauliche Berichte, nach denen der neue EU Kommissar Barroso gezielt vorsortierte Vertreter des angloamerikanischen Neoliberalismus auf die für die Wirtschaftspolitik in Europa entscheidenden Posten gesetzt hat, um den Einfluß Deutschlands und Frankreichs (den engen Maastrichter Schuldenrahmen auszuweiten) zurückzudämmen. Das Blatt berichtet hierbei auch über Barrosos politische Karriere. Sie begann in der Maoistengruppe (MRPP), mit der Aufgabe, Alvaro Cunhals Revolution gegen die frühere portugiesische Militärdiktatur von Links auszuhebeln. Nach dem er dann an der Georgetown Universität in Washington umerzogen und mit dem PhD versehen nach Portugal zurückkehrte, holte ihn der Sozialist Cavalco Silva, (von dem der Historiker Antunes sagt, er sei die "erste politische Figur in Portugal gewesen, die in England ausgebildet mit der kontinentalen politischen Kultur zu Gunsten der angloamerikanischen Atlantischen Perspektive gebrochen" habe) in seine Regierung. Im März 2003 hatte er sich auf den Azoren mit Bush, Blair und Aznar über die Frage getroffen, wie man Europa wieder auf amerikanische Linie bringen könne. Warum erfährt man das erst nach der Wahl dieses EU-Führers?

      Es gibt immer mehr Leute, die mit gutem Recht gegen Parteien wettern. Diese Leute übersehen, daß es in Europa noch gar keine politischen Parteien gibt, sondern nur straff geführte Werbeagenturen, um handhabbare Leute in politische Führungsämter zu setzen. In der Demokratie bekommen politisch faule Leute eine faule Regierung. Zur konzentrierten politischen Willensbildung bedarf es politischer Bürger und politischer Parteien. Fehlen die, regieren die gewählten Politiker nach dem Grundsatz: "Wer mich ins Amt bringt, für den regiere ich - also für die Meinungsbildner nicht die Wähler". Überzeugungen kosten Zeit, Kraft und Geld, wer das scheut, der bekommt bequem eine Meinung verpaßt. "Wollt ihr den totalen Krieg?", fragte Göbbels einst, als wir ihn in Deutschland längst hatten. Aber man schuldet nur genauer hinzusehen, um aus Fehlern zu lernen; alles Andere ist bösartige geistige Verkrüppelung.
      Avatar
      schrieb am 23.08.04 23:55:52
      Beitrag Nr. 1.881 ()
      Avatar
      schrieb am 24.08.04 00:08:09
      Beitrag Nr. 1.882 ()
      Wer ist das Volk?

      Ein Kommentar von Egon W. Kreutzer
      Montag, 16. August 2004



      Wer ist das Volk? [/b ]

      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14019WeristdasVolk.h…




      Diese Frage wird sich möglicherweise nie widerspruchsfrei beantworten lassen. Zu unterschiedlich sind die Vorstellungen von "Volk" und zu gefestigt das Vorurteil, Volk sei grundsätzlich gemein, machtlos, hilflos, arm, blöde, faul und verfressen.

      Wer so viel Wissen übers Volk besitzt, der weiß gewisslich auch, dass das Volk ohne seine natürlichen Gegenspieler, ohne die Reichen und Mächtigen, ohne die Verschlagenen und Skrupellosen und ohne jene, die sich seit der Abschaffung der Adelsprivilegien bescheiden als Elite bezeichnen, nicht zurechtkommen kann. Volk braucht immer Führung und Anleitung. Ist es störrisch, muss das Führungspersonal in der Lage sein, mit dem erforderlichen Maß fürsorglicher Bevormundung und abschreckend statuierter Strafexempel die Ordnung wiederherzustellen.

      So weit, so einfach, so gut.



      Leider haben sich Komplikationen ergeben. Insbesondere die Notwendigkeit, zwischen "Volk" einerseits und "Pöbel" andererseits begrifflich zu unterscheiden, die mit der Ausbreitung demokratischer Staatsformen einherging, stört die einstige "göttliche" Ordnung. Der in den demokratischen Verfassungen verankerte Grundsatz: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus", hat die Eliten gezwungen, sich wider alle Tradition, aus purem Selbsterhaltungstrieb auch selbst dem Volke zuzurechnen. Ein Zugehörigkeitsgefühl hat diese opportunistische Verbeugung vor dem Stimm- und Wahlrecht einstiger Untertanen nicht hervorgerufen. Wie denn auch! So kann und darf der weltgewandte Manager eines Global-Player-Unternehmens, der in Deutschland Arbeitsplätze vernichtet und dafür in China neue schafft, weil sich dadurch die Rendite des Anteilseigners in den USA erhöhen lässt, keinen Augenblick zögern, sich als ein Teil des Deutschen Volkes zu verstehen. Selbst die Regierenden - welch ein Widersinn - rechnen sich heutzutage dem Volke zu und geben wie Krethi und Plethi alle vier Jahre ihre Stimme ab, doch während Krethi und Plethi dann vier lange Jahre schweigen müssen, halten sie sich für legitimiert - egal, was vor der Wahl versprochen wurde - zu schalten und walten, wie sie es für richtig, für machbar oder auch nur - im eigenen Unvermögen verhaftet - für unabänderlich halten.

      Es ist dieses neue Verständnis von "Volk", das es es bodenständigen Bauern, türkischstämmigen Schichtarbeitern, Arbeitslosen, Langzeitkranken, Sozialhilfeempfängern und anderen Menschen "am Rande der Gesellschaft" (welch feiner Doppelsinn!) immer schwerer macht, ihren Platz "im Volk", ihr eigenes "Volk-Sein", noch zu erkennen.

      Der Ruf: "Wir sind das Volk!", war schon 1989 weit mehr, als nur ein beliebig austauschbarer Schlachtruf, er war mehr als ein Motto, mehr als nur das verbale Logo der Bürgerbewegung.

      Der Ruf: "Wir sind das Volk!", war schon 1989 der auf den Punkt gebrachte, unbeherrschte Wutschrei der Beherrschten, über die von Partzeibonzen und Politaktivisten errichtete Scheindemokratie. Menschen, die damals glaubten, sie hätten nichts mehr zu verlieren, wollten ihre Machtlosigkeit, ihr Ausgeliefert- und Abgeschobensein nicht länger hinnehmen, sondern sich - endlich - ihre demokratischen Grundrechte erkämpfen.

      Nun wird dieser Ruf wieder laut. Es ist das gleiche Volk, aus dessen Mitte er kommt, es sind die gleichen, nichtblühenden Landschaften, in denen er erschallt und wieder ist es die eigene Regierung, die sich von diesem Ruf bedroht sieht.

      Wolfgang Clement hat im verzweiftelten Abwehrkampf gegen die neuerlich aufgeflammte Demokratieforderung eine fragwürdige Unterscheidung eingeführt. Als sei er selbst dabei gewesen und kompetent, sich dieses Urteil zu erlauben, spricht er auf der einen Seite von dem gerechtfertigten Protest der Helden des Volkes gegen die frühere DDR-Regierung, während er in diesen Tagen nur einen nicht gerechtfertigten, vergleichsweise lächerlichen Protest gegen die Regierung der Gegenwart sieht. Folgerichtig schimpft er dann, die Montagsdemonstrationen des Jahres 2004 würden das Andenken derjenigen beschädigen, die 1989 gegen Honnecker auf die Straße gingen.

      Doch Clements Rhetorik fruchtete nichts. Der Widerstand wuchs und auch der Versuch, die Aufmerksamkeit (des Volkes) mit einer Neuauflage der Rechtschreib-Querelen von den Hartz-Reformen abzulenken, brachte nicht die erhoffte Entlastung.

      Dann kam letzte Woche der närrische Donnerstag. Clement und Eichel wurden zum Rapport aus dem Urlaub geholt, und - ratz-fatz- hat der Richtlinienkompetenzinhaber jenen blödsinnigen Streit um Nebensächlichkeiten, der vorher mit großem propagandistischen Aufwand öffentlich geschürt worden war, nach ein paar spannungssteigernden Stunden hinter verschlossenen Türen mit dem üblichen "Basta!" beendet.

      Gut gemacht, Regierung.

      Diesem machiavellistischen Glanzstück ist es zu verdanken, dass bis auf Weiteres jegliche Kritik am sozialpolitischen Amoklauf, der sich in der Agenda 2010 und den damit verbundenen Hartz-Gesetzen ausdrückt, als pure Polemik, als Schwachsinn oder, in gönnerhafter Überlegenheit, als wirtschafts- und sozialpolitischer Unverstand abgetan werden kann.

      Der Kaiser hat schon wieder neue Kleider.

      Ohne den geringsten Hauch von Schamesröte wird klargestellt und verkündet:

      Niemand wird abstürzen! Niemand muss sich Sorgen machen.

      Das soziale Netz wird weiterhin zuverlässig jeden auffangen. Dass es nun tiefer hängt und hart ist, wie Beton, das muss nicht jeder wissen, es reicht doch, wenn sich diejenigen, die sich in Zukunft leichtfertig hineinstürzen, die Knochen brechen und den Hals. Es muss doch keiner springen! Die "Arbeitsgelegenheit" erlaubt doch jedem, sich in voller Selbstverantwortung einen Euro dazu zu verdienen. Wer das nicht annnimmt, dem geht`s doch wohl zu gut!

      Das Ende des Streits um die Auszahlungstermine, ein rein haushaltstechnisches Thema, das keinem Bedürftigen auch nur einen Cent mehr bringt, wird dem Volk als soziale Großtat verkauft, und selbst die Mäßigung bei der Plünderung der Sparbücher der Kinder muss vom so verwöhnten Volk als unverdiente, letzte Gnade angesehen werden.

      Wer da nicht dankbar ist und weiter zweifelt, der wird zu Recht den Zorn des Herrn erleiden müssen.



      Wer unter einer solchen Regierung immer noch gegen Globalisierung denkt, wird als Wahrer nationaler Interessen ohne Zögern dem "braunen Sumpf" zugerechnet; wer es wagt, sozialer zu denken, als Schröder, Clement, Rogowski und Hundt, wird als Rattenfänger, Aufrührer und Verführer gebrandmarkt. Es ist Abscheu erregend, mit welcher beinahe sadistischen Freude auf die PDS eingedroschen wird, deren Ablehnung der Regierungspolitik als Beweis für eine längst nicht überwundene, erzkommunistischen Grundhaltung herhalten muss, was hoffentlich jeden Wähler abschrecken wird, nochmals aus Protest sein Kreuzchen auf Lothar Biskis Liste zu machen. Der Volksfront-Vorwurf vom Wochenende, mit dem CDU und PDS in einen Topf geworfen wurden, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein hochinteressanter Fehlgriff mit hohem Eigentorpotential, denn schließlich war die Volksfront ein Zusammenschluss linker Kräfte im Kampf gegen den Faschismus...

      Die Gewerkschaften haben sich, nach dem großen Sieg ihres Protestes, abgewandt und wollen die Reformen nicht weiter behindern. Fürchten sich Ihre Führer vielleicht, nachdem sie lange Jahre bei Sabine Christiansen und auch andernorts, auf gleicher Augenhöhe mit den Eliten sitzen und gelegentlich auch schwätzen durften, bei weiterem Zeichen unbelehrbaren Ungehorsams wieder zurück ins "Volk" zu müssen?





      Nun, man nennt das, was derzeit geschieht, einen Paradigmenwechsel. Alte, unbequeme Wahrheiten werden pensioniert, neue unverbrauchte und vom Zweifel fortschreitender Erkenntnis noch kaum angefressene Wahrheiten werden konstruiert und aufgetischt.

      Der Paradigmenwechsel, von dem wir hier reden wollen, nahm seinen Anfang - für jedermann erkennbar, aber vollkommen unbeachtet - damit, dass schon kurz nach der Wiedervereinigung der 17. Juni als nationaler Gedenktag aus dem Kalender getilgt wurde.

      Sie erinnern sich: Am 17. Juni 1953 wurde in der DDR ein Aufstand der Arbeiter niedergeschlagen. Ein Aufstand, der sich gegen die Erhöhung der Normen wandte. In den Normen war festgelegt, wie viel Arbeit für den Lohn zu erbringen war. Normerhöhung hieß, für den gleichen Lohn länger und mehr arbeiten zu müssen.

      Die in vielen Betrieben heute durchgeführte Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich ist nichts anderes, als einst die Normerhöhung in der DDR.


      Klar, dass die Erinnerung an den 17. Juni nach dem Niedergang der DDR schnellstens ausgelöscht werden musste. So kam es, dass im nationalen Gedächtnis stattdessen der 3. Oktober 1990 eingegraben wurde, jener Tag, an dem - nach den Bestimmungen der 2+4 Verträge - die Wiedervereinigung vollendet wurde; als Krönung einer einjährigen Vereinigungseuphorie, deren "Wahnsinn! Wahnsinn!"-Rufe im Rückblick immer öfter - und von immer mehr ernüchterten Menschen - im wörtlichen Sinne interpretiert werden.

      Der 17. Juni 1953, der über 46 lange Jahre herhalten musste, um nationale Einheit zu beschwören und den westdeutschen Arbeitern ihren Glauben daran zu bewahren, dass ein gravierender Unterschied zwischen der Ausbeutung der Arbeiter im Sozialismus und der Freiheit der Arbeiter im Kapitalismus bestünde, war plötzlich zur tickenden Zeitbombe geworden. Solange das Kuratorium unteilbares Deutschland an jedem 17. Juni den in Berlin regierenden Vasallen Moskaus ihr martialisches


      "Deutschland dreigeteilt? Niemals!"

      entgegenschleudern konnte, waren die Menschen hinter Stacheldraht und Mauer unsere bemitleidenswerten Brüder und Schwestern. Doch kaum war die Mauer gefallen, war es vorbei mit Brüdern und Schwestern. Auch in den neuen Ländern lebt seitdem Bevölkerung. Bevölkerung, die über Nacht ihren Wert als antikommunistischer Propagandapopanz verloren hatte und ohne jede Vorwarnung gleich nach Erhalt des Begrüßungsgeldes auf dem Seziertisch betriebs- und volkswirtschaftlicher Nutzenüberlegungen gelandet war. Dort stellte man bei näherer Betrachtung fest, dass die gesamte, im Handstreich dazu gewonnene Bevölkerung, für die Entwicklung der Einkünfte aus Kapitalvermögen im Grunde vollkommen überflüssig war.

      Die Märkte im Osten - die vom einstigen Exportweltmeister des Ostblocks, das waren die Brüder und Schwestern hinter Stacheldraht und Mauer nämlich, bisher beliefert wurden - waren weggebrochen. Die Kapazitäten im Westen reichten locker aus, um die 17 Millionen Neubürger zu versorgen, ohne deswegen den Export einschränken zu müssen. Im Gegenteil, höhere Auslastung brachte höhere Gewinne.

      Das alles funktionierte leider nur so lange, wie es dauerte, bis die Begrüßungsgelder und die 1 : 1 umgetauschten Sparguthaben aufgezehrt waren. Zu diesem Zeitpunkt war - die Treuhand lassen wir in dieser Betrachtung außen vor - geholt, was in der DDR zu holen war.

      Mehr Geld in der DDR verdienen zu können, setzte voraus, dass zunächst mehr Geld in die DDR gebracht wurde. Dies bescherte uns nicht nur den Solidaritätszuschlag, sondern auch die Übernahme der DDR-Renter in die Rentenkassen der ehemaligen BRD, die Übernahme aller DDR-Bürger in die Krankenkassen, die Übernahme der DDR Arbeiterinnen und Arbeiter in die Arbeitslosenversicherung, wodurch sichergestellt wurde, dass aus Renten, Krankheitskosten, Arbeitslosengeld und den aus dem Solidaritätstopf finanzierten öffentlichen Investitionen stetig genug Geld in die neunen Bundesländer transferiert wurde, um das Überleben der Bevölkerung und die Gewinne der in der DDR tätigen Konzerne zu sichern.

      Im Grunde war die Transformation der DDR in "die neuen Bundesländer" so angelegt worden, dass auf dem Umweg über Sozialkassen und Solidaritätszuschlag ein Volk von rund 17 Millionen Menschen dauerhaft in Abhängigkeit von der Alimentation durch die "alten Bundesländer" gehalten werden konnte. Der staatlich verordnete und inzwischen exzessiv ausgebaute Niedriglohnsektor Ost sorgte ganz automatisch auch dafür, dass der regionalen Wirtschaft Ost weniger Kaufkraft zur Verfügung stand, als der Wirtschaft West. Also blieben Investitionen aus eigener Kraft weitgehend aus. Investiert (und abgerahmt) haben westdeutsche und ausländische Investoren. Als durchaus nicht unerwünschter Nebeneffekt gerieten auch in den "alten Bundesländern" die durch die Vereinigungslasten aus der Balance geworfenen Sozialsysteme an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Willkommene Gelegenheit, endlich auch im Wessiland mit rigorosen Einschnitten in die Arbeits- und Sozialgesetzgebung die Personalkosten zu senken.

      Den Prozess vollständig abzubilden ist müßig.



      Nach einer beispiellosen, 50-jährigen Phase andauernden Wirtschaftswachstums, die immer auch mit beispiellosen Steigerungen der Produktivität verbunden war, muss das deutsche Volk, das gesamte deutsche Volk, die gesamte deutsche Bevölkerung feststellen, dass das Land zwar auf dem Höhepunkt einer glanzvollen wirtschaftlichen Entwicklung angekommen ist, dass der Wohlstand des Volkes aber nicht erhalten werden kann.

      Das ist absurd!

      Dabei ist es aber nicht nur so, dass der Wohlstand nicht mehr weiter wächst. Im Gegenteil! Der Wohlstand des Volkes schwindet seit Jahren massiv und alle in jüngster Zeit beschlossenen Reform-Gesetze tragen nur dazu bei, den Wohlstand des Volkes zügig weiter zu mindern. Die Infrastruktur, die sich das Volk geschaffen hat, wird verkauft und in die Hände privater Unternehmen gegeben; die sozialen Sicherungssysteme werden abgebrochen und ihre Überreste privatisiert. Sogar das Grundgesetz wird aufgegeben und durch eine europäische Verfassung ersetzt, die in vielen wichtigen Belangen vorrangig dem Wohl des Kapitals verpflichtet ist. Die Abstimmung darüber wird dem Volk - in fürsorglicher Bevormundung - verweigert.



      Wenn also heute erneut der Ruf: "Wir sind das Volk", laut wird, dann ist das keineswegs, wie Wolfgang Clement glauben machen will, eine Verunglimpfung derjenigen, die vor fünfzehn Jahren in Montagsgebet und Montagsdemonstration für ihre demokratischen Rechte eingetreten sind.

      Es ist, so meine ich, vielmehr die Fortsetzung der noch jungen Tradition selbstbewusster Demokraten, die sich nicht im Handstreich in eine Situation zurückwerfen lassen wollen, die sie 1989 zu überwinden gehofft hatten.

      Die Perspektive, die das Volk heute hat - in den neuen, und in den alten Bundesländern - lässt sich in Kurzform so darstellen:

      Wer Arbeit hat, muss solange Mehrarbeit ohne Lohnausgleich leisten, bis durch eben diese Mehrarbeit und den Produktivitätsfortschritt auch sein Job überflüssig wird.

      Wer arbeitslos ist und wer arbeitslos wird, muss nach längstens zwölf Monaten Arbeitslosengeldbezug jedwede Arbeitsgelegenheit (alles was nicht strafbar ist) zu jedem angebotenen Lohn, auch als Tagelöhner annehmen.

      Wer Arbeitsgelegenheiten nicht annimmt (und an denen wird kein Mangel bestehen), verliert jegliches Anrecht auf Unterstützung. Er kann jetzt entweder unter der Brücke verhungern, in die Kriminalität abgleiten, oder sich eben doch in letzter Sekunde besinnen und mit dem nächstbesten 1-Euro-Job dazu beitragen, den schwarzarbeitenden Volksschädlingen endgültig das Wasser abzugraben.

      Das ist aber nur die eine, in der öffentlichen Diskussion absolut überbewertete Seite der Medaille. Was die Demonstranten und Randalierer schlicht ignorieren, ist die Tatsache, dass das Volk auf der anderen Seite auch großzügig entlastet wurde.

      Die Unternehmensbesteuerung ist auf dem niedrigsten Stand aller Zeiten.

      Viele ertragsstarke Großunternehmen haben in den letzten Jahren überhaupt keine Steuern gezahlt.

      Zinseinkünfte, soweit sie denn bekannt werden, unterliegen lediglich einer geringen Pauschalbesteuerung.

      Die Vermögenssteuer wird seit Jahren nicht mehr erhoben, und

      um das Volk noch weiter zu entlasten, verzichtet der Staat ab ersten Januar 2005 mit der weiteren Absenkung des Spitzensteuersatzes nochmals auf jährlich 6 Milliarden Euro.



      Wer dies berücksichtigt, wird einsehen, dass es eine grob einseitige und vollkommen unzulässige Betrachtung ist, wenn gegen die gleichzeitig zur Haushaltssanierung erforderlichen Einsparungen im Sozialbereich in unerträglicher Weise polemisiert wird. Man kann nicht immer nur Reformen wollen, aber selbst jeglichen Beitrag verweigern, wenn es ernst wird. Wer nach dem Sankt-Florians-Prinzip immer nur fordert, die anderen, in diesem Falle also die starken Schultern, mehr zu belasten, der übersieht in seiner vom Sozialneid diktierten Argumentation doch vollkommen, dass die starken Schultern schon am eigenen Reichtum weit mehr zu tragen haben, als sie verkraften können. Wer will das Risiko eingehen, ausgerechnet diese Leistungsträger mit der Androhung immer neuer Belastungen zu vergrämen?





      Diese Argumentation, die zwar polemisch überspitzt klingt, aber im Grunde nur die komprimierte Darstellung des neuen wirtschafts- und sozialpolitischen Paradigmas ist, bestimmt längst die Entscheidungen und Maßnahmen der Politik, prägt die Vorstellungen und Ziele von Regierung und Opposition gleichermaßen.

      Gegen diese Politik auf die Straße zu gehen, ist Bürgerpflicht. Eine Bürgerpflicht, die im Grundgesetz verankert ist. Denn bevor vom Widerstandsrecht Gebrauch gemacht werden darf, muss versucht werden, anders Abhilfe zu schaffen.

      Montagsdemonstrationen sind derzeit das Mittel der Wahl, diese anderweitige Abhilfe einzufordern. Andere Mittel stehen dem Volk nicht zur Verfügung.

      Wer glaubt, mit den freien, gleichen und geheimen Wahlen zum Deutschen Bundestag ließe sich die erhoffte Abhilfe schaffen, möge sich daran erinnern, dass die letzte Wahl zum Deutschen Bundestag, trotz bester Absichten der Wähler und der erreichten Mehrheit für eine soziale, demokratische und ökologische Politik, die Agenda 2010 nicht verhindert, sondern wider alle Erwartung erst hervorgebracht hat. Und wer glaubt, bei der nächsten Wahl im Jahre 2006 die Agenda 2010, die Hartzgesetze und die bis dahin eingetretenen Folgen des Sozialabbaus wieder rückgängig machen zu können, der wird sich, wie Archimedes, schwer tun, den festen Punkt zu finden, an dem der Hebel anzusetzen wäre.



      Alle Mitglieder des Deutschen Bundestages und insbesondere die Mitglieder der amtierenden Bundesregierung werden den Ruf: "Wir sind das Volk", deshalb so lange hören und ertragen müssen, bis Artikel 20, Abs. 1:


      "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.",

      auch im vereinigten Deutschland nicht mehr länger nur Anspruch ist, sondern wieder Wirklichkeit geworden sein wird.



      Anhang 1, Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

      Artikel 20 [Verfassungsgrundsätze - Widerstandsrecht]

      (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
      (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
      (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
      (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
      Avatar
      schrieb am 24.08.04 00:13:48
      Beitrag Nr. 1.883 ()
      Avatar
      schrieb am 24.08.04 00:22:02
      Beitrag Nr. 1.884 ()
      Wirtschaftssicherstellungsverordnung: Rot-Grün bereitet die Kommandowirtschaft vor



      Deutsche Gesetzeslyrik ist immer für Überraschungen gut, besonders in der Sommerpause. Da die halbe Nation im Urlaub ist, erließ der Gesetzgeber gestern klammheimlich die "Wirtschaftssicherstellungsverordnung", die faktisch eine totalitäre Kommandowirtschaft ermöglicht. Warum aber werden Notstandsgesetze für die Wirtschaft eingeführt?

      Das Wirtschaftssicherstellungsgesetz, das Verkehrssicherstellungsgesetz, das Ernährungssicherstellungsgesetz und das Wassersicherstellungsgesetz kennen wohl nur die Wenigsten, stammen diese Uraltgesetze doch noch aus den 60er und 70er Jahren und waren einst für die staatliche Lenkung der Wirtschaft im Kriegsfalle bestimmt. Da wundert es schon, daß 15 Jahre nach dem Ende des kalten Krieges gestern aufgrund des Wirtschaftssicherstellungsgesetz die Wirtschaftssicherstellungsverordnung (WiSiV) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Noch viel verwunderlicher aber ist der Inhalt des Verordnungswerkes.

      So müssen Unternehmer der gewerblichen Wirtschaft (§1 Abs. 1 WiSiV) Verträge vorrangig erfüllen (§2 WiSiV), für die Ihnen eine "Vorrangerklärung" vorgelegt wird. Diese Vorrangerklärung kann nur vom Bund, den Ländern, Gemeinden und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechtes beantragt werden (§3 Abs. 1 und 2 WiSiV). Faktisch haben diese Körperschaften damit ein Vorrecht bei der Wirtschaft.

      Aber es kommt noch besser: Auch ohne "Vorrangerklärung" kann einem Unternehmer eine bestimmte Erfüllungszeit befohlen werden - und die Erfüllung anderer Verträge durch den Unternehmer darf verboten werden (§6 WiSiV). Schließlich ordnet §7 WiSiV Möglichkeiten zur umfassenden Warenbewirtschaftung an. Hierzu dürfen auch "Bezugsscheine" und "Zuteilungsnachweise" erteilt werden (§9 WiSiV) - die Wiedereinführung der Lebensmittelkarten!

      Was wie ein schlechter Sommerlochscherz aussieht, ist leider bitterer Ernst, denn das Bundesgesetzblatt ist kein Witzblatt. Wir müssen uns also überlegen, was Rot-Grün motivieren könnte, solche kommandowirtschaftlichen Instrumente einzuführen.

      Vor einem Jahr hat die EU-Kommissarin Loyola de Palacio Energierationierung ab 2007 angekündigt. Ab 2005 wurde der Emissionshandel beschlossen, selbst eine drastische Rationierungsmaßnahme wo doch schon gegenwärtig ca. 8,6 Millionen Menschen arbeitslos sind. Es ist also nicht schwer sich auszumalen, wofür wir bald Bezugsscheine und Zuteilungsnachweise benötigen.

      Wir alle wissen außerdem, daß die gesamte Güterproduktion mit einer zuverlässigen Energieversorgung steht und fällt. Wenn also, wie uns angekündigt wurde, der elektrische Strom bald nur noch auf Bezugsschein kommt, ist unschwer zu erraten, daß auch praktisch alle anderen Güter schlagartig knapp werden. Genug Beispiele dafür, wie das ist, gibt es ja schon. Nur daß Deutschland die Rationierung eben auch auf typisch deutsche Art vorbereitet, nämlich per Verwaltungsakt.

      Der Weg über die totale Ökologie führt in die totale Kriegswirtschaft. Wer das nicht glauben mag, der lese den Bundesanzeiger, der ja nicht gerade im Ruf steht, ein antigrünes Kampfblatt zu sein. Und da wir schon dabei sind, nehmen wir auch gleich das Gesetz zur Sicherung von Verkehrsleistungen (Verkehrsleistungsgesetz - VerkLG) zur Kenntnis, das nämlich ganz ähnliche Vorschriften für Verkehrsträger enthält, die nämlich ebenfalls zur Zwangsleistungen verpflichtet werden können.

      In den 60er Jahren wurde gegen die damaligen Notstandsgesetze protestiert. Die jetzt vorliegenden Gesetzeswerke ähneln wirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzen. Das scheint aber niemanden mehr zu interessieren da die Nation damit beschäftigt ist, Hartz IV abzutreiben. So dient der Volkszorn den Mächtigen, noch weitaus schlimmere Einschränkungen ins Werk zu setzen. Erich hätte seine Freude an diesem Regime gehabt!

      http://www.bwl-bote.de/20040818.htm
      Avatar
      schrieb am 24.08.04 00:23:55
      Beitrag Nr. 1.885 ()
      Kriegsvorbereitungen
      18.08.2004



      Inmitten der Proteste über die durch "Hartz IV" zu erwartenden Folgen für die Menschen ist eine andere Verordnung der Bundesregierung bisher praktisch völlig unbeachtet geblieben, die "Wirtschaftssicherstellungsverordnung" (WiSiV) (Adobe Acrobat-Datei).

      Im Rahmen der WiSiV können Unternehmer dazu verpflichtet werden, "Vorrangverträge" zu erfüllen. Wird einem Unternehmen eine entsprechende "Vorrangerklärung", deren Ausstellung durch die "zuständige Behörde" nur vom Bund, den Ländern, Gemeindeverbänden, Gemeinden und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, aber auch privatrechtliche Personen, die mit "öffentlichen Ver- oder Entsorgungsaufgaben" oder mit "lebens- oder verteidigungswichtigen Aufgaben" betraut sind, beantragt werden kann, vorgelegt, so ist er dazu verpflichtet, die darin genannten Lieferungen und Leistungen bevorrechtigt gegenüber allen anderen Verpflichtungen zu erbringen.

      Die Verpflichtung kann allerdings auch den Bezug von Waren, die Instandhaltung von Produktionsmitteln oder auch "das Unterlassen von rechtsgeschäftlichen Verfügungen und Handlungen" bedeuten.

      Ausgenommen von der Verordnung sind nur "Waren, Werkleistungen und Produktionsmittel, die einer gesonderten Regelung nach der Mineralölbewirtschaftungs-Verordnung, der Elektrizitätslastverteilungs-Verordnung oder der GaslastVerteilungs-Verordnung" unterliegen, also jene Unternehmen, die direkt mit der Energieversorgung im Zusammenhang stehen.

      Die WiSiV regelt auch, daß eine zuständige Behörde "Bezugsscheine" ausstellen kann - die Rückkehr der "Lebensmittelmarken".

      Zwar gab es auch schon in der Vergangenheit entsprechende Verordnungen, beispielsweise die "Vordringliche Warenbewirtschaftungsverordnung", diese stammten allerdings aus dem Jahr 1976. Änderungen im Jahr 2001 betrafen nur die Änderung der Bezeichnung "Bundesminister für Wirtschaft" zu "Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie". Das zugrundeliegende "Wirtschaftssicherstellungsgesetz" selbst stammt aus dem Jahr 1965 und ist Teil der damals heftig kritisierten "Notstandsgesetze".

      Als Bedingung für die Anwendung dieser WiSiV wird auf den Artikel 80a des Grundgesetzes verwiesen. Neben dem "Verteidigungsfall" - also einem Angriff eines anderen Landes auf die Bundesrepublik - sieht dieser Artikel auch den "Spannungsfall" - der nicht näher definiert wird und dementsprechend möglicherweise auch für "innere Unruhen" angewandt werden könnte - und einen Beschluß eines "internationalen Organs im Rahmen eines Bündnisvertrages" - also beispielsweise den "Bündnisfall" der NATO - als Grundlage für die Anwendung derartiger Vorschriften vor.

      In Anbetracht des neusten Entwurfs der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV), die Vorkehrungen für das vollständige Abhören jeglicher Telekommunikation vorsieht als auch wiederholter Diskussionen über den Einsatz der Bundeswehr "im Innern" drängt sich hier einmal mehr der Gedanke auf, daß die Regierung sich insgeheim bereits auf schwerwiegende Auseinandersetzungen mit der Bevölkerung vorbereitet.

      http://www.freace.de/artikel/200408/180804a.html
      Avatar
      schrieb am 24.08.04 17:25:54
      Beitrag Nr. 1.886 ()
      Titel
      jW-Bericht

      Aus für »Hartz IV«

      Versprechen für den Osten blühen. Sprachreform für »Reformen am Arbeitsmarkt«


      In mehr als 140 Städten der Bundesrepublik wurden am Montag abend Demonstrationen gegen »Hartz IV« erwartet. Das offizielle Berlin tummelte sich vorab in Realsatire und Wahlkampf. Am Vormittag teilten SPD und Bundesregierung über Bild und den Regierungssprecher mit, daß sie den Begriff »Hartz IV« nur noch in Ausnahmen verwenden will. Er sei »lautmalerisch hart«, verbinde sich nur mit Einschnitten und »gebe inhaltlich nichts wieder«, erläuterte Regierungssprecher Bela Anda in Berlin. »Reformen am Arbeitsmarkt« sei deshalb »in der Tat ein besserer Begriff«. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hatte Bild erklärt, es sei »kein Zufall, sondern Absicht«, daß der Name Hartz in öffentlichen Reden nicht mehr erwähnt werde. Bei einer Pressekonferenz am Montag in Berlin sprach er konsequent vom »Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt«.

      Außerdem, so war am Montag aus dem Regierungslager zu erfahren, sei die Lage speziell in Ostdeutschland nicht aussichtslos. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung und Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) erklärte in Potsdam: »Wenn wir uns das mal genauer betrachten, ist die Uckermark immer noch dichter besiedelt als Nordschweden.« Neben Stolpe erhellten drei weitere Bundesminister die Zukunft. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) erklärte z. B.: »Auch hier haben Jugendliche bis 25 Jahren doch ab Januar 2005 einen Rechtsanspruch auf Vermittlung bei den Arbeitsagenturen.« Die Zeiten spektakulärer Maßnahmen für die neuen Länder seien jedenfalls vorbei. Die Infrastruktur im Osten sei auf dem besten Stand. Wissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn assistierte ihrem Kollegen mit dem Hinweis auf die gewachsene ostdeutsche Hochschullandschaft und visionierte von Innovationen. Agrarministerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) stand dem nicht nach und stellte fest: »Viele ländliche Räume sind heute längst zu Orten innovativer Multifunktionalität geworden«, was ihr Lacher im Publikum einbrachte. Am Rande der Tagung erklärte Clement, weitere Zugeständnisse bei »Hartz IV«lehne er ab, sie würden zu einer Verwässerung des Konzepts führen. Er wandte sich gegen die Einführung von Mindestlöhnen und staatlichen Zuschüssen für Niedriglöhne. Eine erneute Diskussion über die Wiedereinführung von Vermögens- oder über Erbschaftssteuer sei »Gift für den Aufschwung«.

      Auch die CDU wartete am Montag mit einer scharfen Attacke für den Aufschwung Ost auf und verabschiedete auf einer Vorstandssitzung in Brandenburg an der Havel ein Elf-Punkte-Programm als Sofortinitiative für das Anschlußgebiet. CDU-Chefin Angela Merkel betonte, daß sich der Vorstand klar zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe als richtigen Schritt bekenne, aber den Aspekt des Förderns noch nicht für ausreichend halte. Kernpunkt des Elf-Punkte-Plans sind u. a. die Forderung, die im Solidarpakt zugesagten Mittel den ostdeutschen Ländern in voller Höhe auszuzahlen und die im Haushalt 2004 gesperrten Mittel für die regionale Wirtschaftsförderung freizugeben. Die Verkehrsinfrastruktur soll durch ein »Projekt europäische Einheit« vorangetrieben und durch mehr Öffnungs- und Experimentierklauseln mehr »Gestaltungsfreiheit« erreicht werden.

      Die tatsächlichen Folgen von »Hartz IV« für die Betroffenen spielten auch am Montag in der Politik keine Rolle. Bekannt wurden Berechnungen von DGB-Arbeitsmarktexperten, wonach ältere Arbeitslose, die die sogenannte 58er Regelung unterzeichnet haben, durchweg ab Januar 500 bis 600 Euro weniger erhalten werden als bisher. Der DGB forderte eine Übergangsregelung. Ebenfalls am Montag wurde der »Datenreport 2004« des Statistischen Bundesamtes, des Wissenschaftszentrums Berlin und des Zentrums für Umfragen, Methoden und Analysen Mannheim vorgelegt. Danach zeichnet sich bei Einkommen und Armut in Deutschland eine Trendwende ab: Für 2002 zeigen alle Indikatoren eine Zunahme der Armut, nachdem der Anteil der Bevölkerung, der unter der Armutsgrenze lebt, in Westdeutschland zehn Jahre lang stabil geblieben war. 2002 lebten demnach 13,1 Prozent der Bundesdeutschen in Armut, 2001 waren es 12,5 Prozent. Gleichzeitig wird die Einkommensverteilung immer ungleicher: Die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung erhielten 2001 nur noch 9,3 Prozent des gesamten Einkommens gegenüber 9,7 Prozent im Vorjahr. Zudem sind in Ostdeutschland elf Prozent und im Westen sieben Prozent der Haushalte von Überschuldung bedroht. Die Institute betonten, daß die eingeleiteten »Reform«maßnahmen die Tendenzen zu Ungleichheit und Armut noch verstärken.

      http://www.jungewelt.de/2004/08-24/001.php
      Avatar
      schrieb am 24.08.04 17:27:54
      Beitrag Nr. 1.887 ()
      Inland
      Daniel Behruzi

      Ring frei bei Volkswagen

      Nach Siemens und DaimlerCrysler will der nächste Konzern die Tarife senken


      »Wir müssen gemeinsam und mit Mut auch an unbequeme Lösungen herangehen«, formulierte VW-Personalvorstand Peter Hartz bei der Vorstellung eines »7-Punkte-Nachhaltigkeitsvertrags« zur in dem Konzern anstehenden Tarifrunde. Für wen die geforderten Lösungen »unbequem« sein werden, machte der Manager am Montag vor der Presse in Wolfsburg umgehend deutlich: Die Personalkosten müßten bis 2011 um 30 Prozent reduziert werden, »damit wir die 176544 Konzern-Arbeitsplätze in Deutschland halten können«, sagte er.

      Hartz, Symbolfigur und Namenspate der verhaßten »Arbeitsmarktreformen«, erklärte, es gebe »null Spielraum für Einkommenserhöhungen« und erteilte damit der IG-Metall-Forderung nach einer Entgeltanhebung um vier Prozent eine Absage. Statt dessen will er die im November fällige Sonderzahlung – und längerfristig rund ein Drittel des Gesamteinkommens – vom »Unternehmenserfolg« abhängig machen. Auch die Arbeitszeiten sollen sich noch stärker als bislang nach den Schwankungen der Konjunktur richten. So fordert Hartz die Ausweitung der Arbeitszeitkonten auf eine Schwankungsbreite von plus bzw. minus 400 Stunden. So könnten »Atmungsperioden von 800 Stunden überbrückt werden«. Mehrarbeitszuschläge will der VW-Manager nur noch bei durchschnittlich mehr als 40 Wochenstunden zahlen.

      Ähnlich wie kürzlich beim Konkurrenten DaimlerChrysler vereinbart, sollen Neueingestellte auch bei VW zukünftig schlechter gestellt werden als die bisherigen Beschäftigten. Vorbild und Einfallstor: das im Jahr 2002 noch unter dem jetzigen IG-Metall-Vorsitzenden und damaligen Bezirksleiter Jürgen Peters vereinbarte »Auto-5000-Modell«, bei dem der VW-Van Touran in einer konzerneigenen Tochterfirma zu gegenüber dem Haustarifvertrag abgesenkter Bezahlung gefertigt wird. Nach Vorstellung des Managements soll dieses Vergütungssystem auf alle ab 2005 Neueingestellten angewendet werden. Der Haustarifvertrag würde dann nur noch für die bisherige Stammbelegschaft gelten. Auch die Ausbildungsvergütungen sollen um ein Fünftel sinken.

      Des weiteren will Hartz »eine 100 Prozent wertschöpfende Arbeitszeit definieren«. Kommunikations-, Qualifizierungs- und Pausenzeiten sollen »anders bewertet« – sprich: schlechter oder nicht mehr bezahlt – werden. Krankheitskosten sollen von der Belegschaft »pauschal durch zusätzliche Arbeit oder Verrechnung von Tarifleistungen« ausgeglichen werden. Weiterer zentraler Punkt der Hartz-Pläne für VW ist das sogenannte »Co-Investment«. Dabei sollen einzelne VW-Standorte um den Zuschlag zum Bau neuer Modelle konkurrieren – und sich bei den Bedingungen gegenseitig unterbieten.

      In einer ersten Reaktion bezeichnete die IG Metall die Hartz-Forderungen als »überzogen, unrealistisch und unausgewogen«. Verhandlungsführer und IGM-Bezirksleiter Hartmut Meine erklärte, bei einer Reihe dieser Vorschläge seien Konflikte mit der IG Metall vorprogrammiert.
      http://www.jungewelt.de/2004/08-24/011.php
      Avatar
      schrieb am 24.08.04 17:29:39
      Beitrag Nr. 1.888 ()
      Kommentar
      Daniel Behruzi

      Auf zu »Hartz V«?

      VW-Personalvorstand stellte Kürzungspaket vor


      Peter Hartz legt nach. Mit seinem am Montag verkündeten »7-Punkte-Plan« dürfte sich der Personalvorstand des Volkswagen-Konzerns bei den knapp 177000 Beschäftigten des größten BRD-Autobauers ebenso unbeliebt machen wie schon bei den Zehntausenden, die gegen die nach ihm benannten »Reformgesetze« demonstrieren. Um 30 Prozent will Hartz bei VW die »Arbeitskosten« binnen sechs Jahren senken. Arbeitszeitflexibilisierung, Absenkung der Löhne und Ausbildungsvergütungen, variable Gehaltsbestandteile sowie das sogenannte Co-Investment sind die Stichworte des Managers.

      Der Vorstoß zeigt, worum es eigentlich geht: Das Kräfteverhältnis in den Betrieben – und im ganzen Lande – soll weiter zugunsten der Kapitalseite verschoben werden. Tariflöhne runterschrauben, Druck auf Beschäftigte durch »Arbeitslosengeld II« ausüben, Erwerbslose unter die Armutsgrenze drücken, um sie noch gefügiger zu machen. Die Angst um den Arbeitsplatz dient als Peitsche zur Durchsetzung tariflicher Verschlechterungen – selbst in kampfstarken Großbetrieben. Im Niedriglohnsektor kommt die praktische Einführung von Zwangsarbeit hinzu, die geplanten »Ein-Euro-Jobs« werden die Gehälter bei Pflege, Kindererziehung oder Straßenreinigung weiter nach unten ziehen. Alles mit dem Ziel, die Verwertungsbedingungen des Kapitals zu verbessern und so die Profite zu steigern.

      Die Schlußfolgerung der Gewerkschaft müßte sein, die Auseinandersetzung in den Betrieben mit dem Protest gegen »Hartz IV« zu verbinden. Auch wenn die Zustände bei VW dem ALG-II-Empfänger geradezu paradiesisch anmuten dürften, werden umgekehrt sicher viele Kollegen bei Volkswagen verstehen, was ihnen (und ihren Kindern) demnächst blüht. Eine Ausweitung der Anti-Hartz-Proteste in die Betriebe würde deren Wirksamkeit deutlich erhöhen. Für die IG Metall bietet sich die Chance – anders als beim letztjährigen Streik im Osten – in einem gesellschaftspolitisch günstigen Klima zu agieren.

      Volkswagen gilt als Symbol sozialpartnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Konzernen. Diese ist nun auch hier von Unternehmerseite aufgekündigt worden, und das erfordert eine klare Antwort. Dennoch halten die Gewerkschaftsspitzen auf Biegen und Brechen am Konsensmodell fest – und geben eine soziale Errungenschaft nach der anderen kampflos auf. Vielen Funktionären scheint nicht klar, daß nur der unnachgiebige Kampf gegen »Hartz IV« eine Chance bietet, »Hartz V« – die völlige Zerschlagung des bisherigen Tarifgefüges – zu verhindern.

      http://www.jungewelt.de/2004/08-24/002.php
      Avatar
      schrieb am 24.08.04 17:33:56
      Beitrag Nr. 1.889 ()
      Interview
      Interview: Tim-Niklas Kubach

      Nach drei Wochen »Hartz IV«-Selbstversuch: Leben ohne Zeitung, Zigaretten und Mobilität?

      jW sprach mit dem Radio-Eins-Reporter Lutz Oehmichen


      * Lutz Oehmichen ist 45 Jahre alt, ledig, Journalist, Volks- und Betriebswirt. Beim Sender Radio Eins des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Berlin-Brandenburg ist er als Prozeßmanager für die Finanzen verantwortlich.

      F: Sie leben seit drei Wochen für Radio Eins vom Arbeitslosengeld II, das ab Januar eingeführt wird. Was fällt Ihnen bei Ihrem »Hartz IV«-Selbstversuch am schwersten?

      Es gab ein paar Dinge, die mußte ich einfach aufgeben. Zum Beispiel das Zeitungsabo – das fand ich schade ... und die Zigaretten. Es gibt Situationen, da guckst du auf jeden Euro. Ich sollte aus meiner Wohnung ausziehen, so die Mieterberatung, denn die sei zu groß und zu teuer. Die Schuldenberaterin hat mich auch geschockt, als sie den Kauf einer Umweltmonatskarte für 75,50 Euro für den öffentlichen Nahverkehr als zu teuer eingeordnet hat. Für mich ist es wirklich schlimm, wenn meine Mobilität so extrem beschnitten wird.

      F: Was ist die härteste Einschränkung?

      Wenn ich einen Nebenjob annehmen will, und ich 100 Euro bekommen würde, dann dürfte ich davon 15 Euro behalten. Vielleicht gibt es da noch ein paar zusätzliche Freibeträge. Das ist ziemlich hart. Was mich aber besonders irritiert hat, war, daß die Bewerbungskosten für Zeugniskopien, Bewerbungsmappen, Lichtbilder etc. zwar vom Arbeitsamt erstattet werden – aber erst nach einem Jahr. Da schaffe ich automatisch neue Fixkosten und das in einer Situation, wo ich meine Fixkosten abbauen soll. Das halte ich für äußerst schwierig.

      F: Allgemein gefragt: Wie geht es Ihnen nun, eine Woche vor dem Ende Ihres vierwöchigen »Hartz IV«-Experiments?

      Man kann Armut nicht simulieren. Aber man kann hinabschauen, man kann hinabsteigen und hingucken. Das ist wichtig, wo wir doch alle immer so gern nach oben gucken. Und dann setzt ein Prozeß der Bewußtwerdung ein.

      F: Und wie sieht dieses neue Bewußtsein bei Ihnen aus?

      Ich stelle mir ständig Fragen: Was kostet eigentlich was, wofür gebe ich mein Geld aus, wie sieht meine Freizeit aus, wie gehe ich mit meinen Fixkosten um?

      Besonders beschäftigen mich Verbindlichkeiten, die ich lange vor »Hartz IV« eingegangen bin, und deren Folgen ich jetzt spüre. Denn Verträge wie Hausratsversicherung, Lebensversicherung, Zeitungsabos, Handyvertrag und so weiter muß ich natürlich weiter erfüllen. Und ich muß eine Lösung finden, um aus allen diesen Verpflichtungen herauszukommen, und einen Weg, mit dem schmalen Budget von 345 Euro monatlich auszukommen.

      F: Sie sind Journalist und haben einen festen Beruf. Sie können das Experiment jederzeit abbrechen. Das kann ein Arbeitsloser, wenn er von »Hartz IV« betroffen ist nicht.

      Sie haben recht, ich kann das abbrechen. Wir haben aber bei Radio Eins vereinbart, daß ich einen Monat so lebe. Das ist kein Zustand, der erstrebenswert ist. Arbeitslosengeld II, das hat nichts Romantisches. Es gibt manche Menschen, die sagen: Weg vom Konsumstreß ist doch ganz gut. Ich halte auch nichts vom Konsumstreß, aber das Bewußtsein, kein Geld zu haben, ist nur schwer zu ertragen.

      F: Gehen Sie seit dem Experiment montags demonstrieren?

      Ich als Journalist habe die Aufgabe, die Dinge zu beschreiben, wie sie sind, und nicht sie zu bewerten. Das müssen Politiker tun. Wir von Radio Eins hoffen, ein exzellentes journalistisches Produkt abzuliefern. Wir bemühen uns, die Menschen allumfassend und objektiv und aus jeder Perspektive über das Arbeitslosengeld II zu informieren.

      http://www.jungewelt.de/2004/08-24/016.php
      Avatar
      schrieb am 24.08.04 17:38:20
      Beitrag Nr. 1.890 ()
      Kinder sind gut für den Profit

      Helmut Lorscheid 24.08.2004
      Chemiekonzerne lassen weiterhin Kinder schuften


      Über Kinderarbeit wird seit Jahren diskutiert, geändert hat sich wenig. Das Kinderhilfswerk Terre des hommes schätzt, dass in Asien und den Ländern des Pazifikraumes rund 127 Millionen Kinder arbeiten, die meisten in der Landwirtschaft. In Indien gehören internationale Konzerne zu den Nutznießern – so auch die Bayer-Tochter Pro Agro.






      Organisationen wie die indische Kinderrechtsorganisation MV Foundation kämpfen für das Recht der Kinder auf Kindheit und Ausbildung. Doch Shanta Shina, Hauptaktivistin der MV-Foundation klagt: "Derzeit geht es ziemlich langsam voran". Sie spricht von nur schleppenden Fortschritten beim Kampf gegen Kinderarbeit im Baumwollsaatgutanbau.




      Kinder beim Baumwollanbau in Indien (Bild: CBG)






      In der Produktion von hybridem Baumwollsaatgut sind heute in Indien mehr Kinder beschäftigt als in anderen bekannten Produktionsbereichen wie der Teppichherstellung oder der Verarbeitung von Edelsteinen. Die Kinderschützer beklagen, dass die verantwortlichen Konzernleitungen bisher nur verständnisvolle Worte für sie hätten. Derweil schuften die Kinder weiter.


      Bisher nur warme Worte gegen Kinderarbeit






      Die Vertragslandwirte der Agro-Multis stellen Kinder ein, vor allem Mädchen, weil diese für wesentlich weniger Geld pro Stunde arbeiten als Erwachsene. Das Saatgut wird über Zwischenhändler an große Agrarmultis verkauft. Eine Studie des indischen Instituts "Global Research and Consultancy Service" hat diese Zusammenhänge aufgezeigt und die Verantwortung von multinationalen Saatgutunternehmen, wie etwa der Bayer-Tochter Pro Agro, hervorgehoben.



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      Anfangs hat keine der multinationalen Firmen überhaupt akzeptiert, dass sie für die Ausbeutung von Kindern in der Baumwollsaatgutproduktion verantwortlich ist. Aber der Druck durch Medien und Advocacy-Gruppen in Europa zwang sie dazu, mit der MV Foundation Gespräche zu führen
      Shanta Sinha, MV-Foundation




      Doch die Unternehmen können entscheiden, bei wem sie das Saatgut einkaufen und haben Einfluss auf die Verträge und damit auch die Möglichkeit, Kinderarbeit zu unterbinden. Innerhalb des Verbandes der Saatgutindustrie hat sich immerhin eine Arbeitsgruppe gegen Kinderarbeit ("Child Labour Eradiction Group") gegründet, die sich regelmäßig mit den Bauern trifft, um das Problem der Kinderarbeit zu erörtern. Sie haben akzeptiert, dass sie Teil des Problems sind und deshalb Verantwortung übernehmen müssen, um das Problem zu lösen. Als konkrete Initiative schlug ProAgro/Bayer eine Bewusstseinskampagne mit dem Inhalt, dass Kinder nicht arbeiten sollten, vor. In einem Schreiben der Bayer Crop-Science vom Februar dieses Jahres an den "Global March against Child Labour/Germany" in Stuttgart heißt es:



      --------------------------------------------------------------------------------

      Die Erzeugung von Hybrid-Baumwollsaatgut in Indien ist eine saisonale Arbeit, die in der Regel von Vertragslandwirten auf deren Anbauflächen ausgeführt wird. Proagro hat erst unlängst seine Verträge mit Subunternehmern, die an der Baumwollhybridsaatgut-Produktion beteiligt sind, hinsichtlich eines Verbotes von Kinderarbeit bei der Herstellung unseres Saatgutes überprüft und entsprechend verschärft. Ergänzt werden diese Bemühungen durch regelmäßige Kontrollen bei den Vertragspartnern und intensive Bemühungen, auch die Anbauer für das Thema Kinderarbeit zu sensibilisieren. Die Vermeidung von Kinderarbeit ist daher auch in Schwerpunktthema der zur Zeit stattfindenden Informationsveranstaltungen von Proagro mit ihren Vertragspartnern, den Saatguterzeugern und den Abnahmeorganisationen für die Baumwolle ...





      Die indischen Kinderrechts-Aktivisten lassen dies nicht gelten. "Wir haben ihnen erzählt, dass jeder Mensch im Distrikt Kurnool weiß, dass Kinderarbeit nicht gut ist – dafür braucht kein Bewusstsein geschaffen werden". Die MV Foundation fordert deshalb ein klares Bekenntnis der Konzerne gegen Kinderarbeit. "Es ist nicht ausreichend, dass sie nur in ihre Verträge eine Klausel aufnehmen, dass Kinder nicht eingestellt werden sollen. Das haben sie im vergangenen Jahr auch gemacht und es hat sich nichts verändert. Sie müssen eine wirksame Ansage an die Bauern geben, dass sie keine Kinderarbeit tolerieren werden", so Shanta Sinha.

      Gleichzeitig soll diese Verpflichtung auch den Medien mitgeteilt werden. Und die Vereinbarungen müssen natürlich auch kontrolliert werden. Darüber hinaus ist es notwendig, dass die Konzerne mehr zahlen, damit auch erwachsene Arbeitskräfte bezahlt werden können.


      Kinder in Schuldknechtschaft


      Wegen des hohen Arbeitsaufwands bevorzugen die Produzenten von hybridem Saatgut langfristige Arbeitsverträge. Diese werden meist vor der jeweiligen Aussaat geschlossen. Typischerweise erhalten die Eltern Vorschüsse oder Darlehen, zu deren Abtragung langfristige, oft mehrjährige Verträge geschlossen werden. Von 320 im Rahmen der Studie befragten und in Baumwollfarmen beschäftigten Kindern leben 95 Prozent in solcher Schuldknechtschaft. 70 Prozent waren der Studie zufolge länger als ein Jahr an den selben Arbeitgeber gebunden. Die Praxis der Schuldknechtschaft wird von den Saatgut-Herstellern bereitwillig bestätigt.



      --------------------------------------------------------------------------------

      Wir benötigen die Mädchen die ganze Saison lang. Falls die Kinder nach einigen Monaten nicht mehr kommen, erleiden wir Einbußen. Daher schließen wir im Vorhinein Verträge mit den Eltern ab und zahlen ihnen einen Vorschuss. Wenn wir dies nicht tun würden, bestünde die Gefahr, dass die Kinder nach der Hälfte der Saison bei einem anderen Betrieb anheuern
      Ein Farm-Verwalter




      Die Löhne werden für die ganze Saison (von Mai oder Juni bis Januar oder Februar des Folgejahres festgelegt. Sie hängen vom Bedarf nach Arbeitskräften ab und sind regional verschieden. Generell liegen die Löhne von Kindern sehr viel niedriger als die erwachsener Arbeiter – im Schnitt 18 Rupien (Rs) pro Tag, was 0,42 € entspricht. – gegenüber 26 Rs (0,62 €) für Frauen und 40 RS (0,95€) für Männer.

      Der Studie zufolge haben rund 60 Prozent der eingesetzten Kinder nur wenige Jahre eine Schule besucht und diese für die Arbeit in den Feldern verlassen, knapp 30 Prozent haben nie eine Schule besucht.


      Keine Arbeitspause bei Pestizideinsatz


      Die Arbeit in den Feldern birgt zudem große Gefahren für die Gesundheit der Kinder, denn in keinem anderen Bereich werden so viele Pestizide eingesetzt wie im Baumwoll-Anbau. In Indien sind dies 55 Prozent aller Pestizide. Die Kinder sind hochgefährlichen Wirkstoffen wie Endosulphan, Monocrotophos, Cypermethrin und Mythomyl direkt ausgesetzt. In herkömmlichen Baumwoll-Farmen wird an Tagen, an denen Pestizide ausgebracht werden, nicht gearbeitet. Saargut-Betriebe hingegen machen keine solchen Pausen. Die eingesetzten Kinder stehen bei der Arbeit bis zu den Schultern zwischen den Pflanzen und beugen sich über diese, um die Blüten für die Kreuzung auszuwählen. Wegen der Nähe zu den behandelten Pflanzen nehmen sie über die Haut und die Atemwege große Mengen Agrogifte auf. Hierdurch erleiden sie Schäden des Nervensystems, was zu Kopfschmerzen, Orientierungslosigkeit, Schwächeanfälle, Krämpfen und Atemproblemen führt. Zu den langfristigen Schäden liegen bisher keine Untersuchungen vor.

      Aber eines ist sicher, nur dank der so erzeugen billigen Baumwolle können unsere Kids auch weiterhin angesagte Klamotten kaufen und die Inhaber der schicken Marken reich machen. Zum Weiterlesen: Forum Kinderarbeit


      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/18119/1.html
      Avatar
      schrieb am 24.08.04 17:53:35
      Beitrag Nr. 1.891 ()
      Wohlfahrt dank freier Marktwirtschaft?
      Reflexionen über eine menschengerechtere Wirtschaftsform, vor allem für «aufstrebende Volkswirtschaften»



      von Reinhard Koradi, Dietlikon

      Ökonomen und Politiker verkünden mit immer grösserer Überzeugung, dass die hängigen Wirtschaftsprobleme nur durch den freien Markt gelöst werden können. Die Globalisierung wird als Chance im Kampf gegen die Armut propagiert. Die Realität zeigt allerdings ein erschreckendes Bild. Das globale Wirtschaftskonstrukt bringt die Armut selbst in die «entwickelten» Länder zurück. Die durch den Markt diktierte globale Wirtschaft setzt nämlich genügend frei verfügbare Kaufkraft voraus. Diese ist indessen - trotz enormer und volkswirtschaftlich unverantwortlicher Schuldenwirtschaft - nicht vorhanden und vor allem nicht gleichmässig über den gesamten Globus verteilt. Es sind schwerwiegende politische und volkswirtschaftliche Mängel, die verhindern, dass die Menschen durch eigene Kraft die Mittel für ihren Lebensunterhalt erwirtschaften können. Daher wird der globale freie Markt, dem der Staat keine Grenzen setzt, kollabieren.

      Die Geschichte belegt diese Aussage, hatten wir doch das Rezept der freien Marktwirtschaft schon einmal Ende des 19. Jahrhunderts. Der Misserfolg führte zu existenzbedrohenden Versorgungsengpässen mit entsprechenden sozialen Spannungen. Deshalb ist es schon irritierend, wenn sich sämtliche Nationen entsprechend dem Willen einiger Wirtschaftsinsider und willfähriger Politiker erneut einer entfesselten globalen Machtordnung unterwerfen sollen.

      In WTO-, IMF-Abkommen sowie in geographischen Wirtschaftsblöcken (Nafta, EU, Mercosur, ASEAN) eingebunden, verlieren die Nationalstaaten die Möglichkeit, eine auf ihre Ressourcen und Bedürfnisse abgestimmte Wirtschaftsordnung und -politik umzusetzen. Ungeachtet der demographischen, geographischen, technologischen und wirtschaftlichen Ungleichheiten wird den Ländern ein globales Einheitskonzept verpasst. Ein Nivellierungsprozess, der Teile der Bevölkerung in den sogenannten entwickelten Ländern zunehmend in die Armut treibt und bei den Menschen in den weniger entwickelten Ländern die aufkeimende Hoffnung nach etwas mehr Wohlfahrt zerschlägt. Reichlich Profit heimsen nur bevorzugte Minderheiten ein, und zwar auf Kosten der Wohlfahrt aller Völker. Die Stütze jeder Volkswirtschaft - der Mittelstand - verarmt. Ein Volk - zusammengesetzt aus einer sehr reichen Elite und mittellosen Massen - wird letztlich zerbrechen und sich im Nichts auflösen. Die Globalisierungsstrategie ist daher eine unmissverständliche Kampfansage an die unabhängigen Nationalstaaten! Eine dem Volk verpflichtete Regierung darf sich der Globalisierung nicht unterwerfen, und das Volk oder dessen Vertreter haben die Pflicht - sofern noch vorhanden -, sämtliche demokratischen Rechte und Pflichten auszuschöpfen, um die Regierung von der Realisierung ihrer Globalisierungspläne abzubringen.

      Mit demokratischen Mitteln Widerstand leisten
      Die Errichtung von regionalen Wirtschaftsblöcken gehört zur Globalisierung wie die Bildung von transnationalen Gross-konzernen. Diese beherrschen den Weltmarkt dank politischer/militärischer Dominanz oder Marktmacht. Die Grosskonzerne diktieren der Politik die Marktordnung, die, obwohl mit dem Etikett «freie Marktwirtschaft» versehen, alles andere als frei ist. Die freie Marktwirtschaft setzt mindestens drei Bedingungen voraus: eine grosse Zahl von Anbietern (Produzenten), eine grosse Zahl von kauffähigen Nachfragern (Konsumenten) und vollständige Transparenz über Angebot und Nachfrage. Diese Voraussetzungen sind jedoch in der von wenigen Grosskonzernen und regionalen Wirtschaftsblöcken beherrschten globalen Blockwirtschaft in keiner Weise erfüllt. Es stellt sich daher auch die berechtigte Frage: Entspricht die globale Wirtschaftsordnung nicht eher einer Oligarchie-Wirtschaft als einer freien Marktwirtschaft?

      Frei sein kann nur, wer über sein Tun und Lassen selbst bestimmt. In einer globalen Wirtschaftsordnung ist diese Entscheidungsfreiheit schon allein wegen der unterschiedlichsten Lebensbedingungen der Menschen in den einzelnen Ländern nicht gegeben. Der freie Markt bedingt Wahlfreiheit, und Wahlfreiheit ist höchstens - aber auch dort begrenzt - in einer Überflussgesellschaft möglich. Zur Freiheit gehören Grenzen, die sich zu einem grossen Teil am kulturellen Erbe, der Ethik und dem geltenden Recht orientieren. Die gegenseitige Akzeptanz dieser Grenzen setzt Verbundenheit mit den Menschen und damit Überschaubarkeit voraus. Eine Überschaubarkeit, deren Wurzel trotz moderner Informations- und Transporttechnologien immer noch in einem begrenzten geographischen Raum liegt.

      Die tiefgreifenden Gegensätze zwischen den Wirtschaftsblöcken lassen sich unter anderem durch die unterschiedlichen Verbraucherzahlen dokumentieren: Nafta 381 Verbraucher, Europäische Union 371 Millionen (ohne Beitrittsländer), Mercosur 201 Millionen, China 1261 Millionen usw. Beim Bruttoinlandprodukt je Kopf sind die Differenzen noch deutlicher: USA 34100 Dollar, Malaysia 3380 Dollar, Deutschland 25120 Dollar, Indien 340 Dollar, Argentinien 7460 Dollar. Diese Zahlen bestätigen die Unmöglichkeit, der Welt ein Einheitswirtschaftskonzept zu verpassen.

      Der Blockwirtschaft folgen sehr rasch staatstragende Elemente (siehe EU). Nach der Wirtschaftsvereinigung folgt die politische Vereinigung, die Einheitswährung, und auch die militärische Einheit lässt nicht lange auf sich warten. Als krönender Abschluss folgt dann die Einheitsverfassung. Es liegt in den Händen der Völker, diese Dynamik zu durchbrechen. Nur so können sie ihre Souveränität zurückholen. Wer noch kann, sollte die Währungshoheit in den eigenen Händen behalten und das Inkrafttreten der europäischen Verfassung - um bei Europa zu bleiben - deutlich zurückweisen. Souveränität ist die Voraussetzung für zwischenstaatliche Beziehungen, die Rücksicht auf die nationalen Bedürfnisse nimmt und erlaubt, durch beidseitige Vereinbarungen massgeschneiderte Lösungen zur Wohlfahrtssteigerung zu entwickeln.

      Differenzen der länderspezifischen Wirtschaftspotentiale respektieren
      Die einzelnen Länder verfügen über sehr unterschiedliche Wirtschaftspotentiale. In diesen Differenzen liegt die Chance für den Austausch von Fähigkeiten, Waren und Investitionskapital. Volkswirtschaften benötigen je nach der Phase ihres Wirtschaftslebens-zyklus einen differenzierten Einsatz wirtschafts-politischer Massnahmen. Eine reife Volkswirtschaft muss andere wirtschafts-politische Ziele mit anderen Mitteln realisieren als eine, die sich gerade erst im Aufbau oder in einer dynamischen Wachstumsphase befindet. In diesen länderspezifischen Situationen liegt die Aussicht, eine globale Wirtschaftskrise zu verhindern, da das Klumpenrisiko* durch die Vielfalt der Wirtschaftssituationen, der Wirtschaftsbranchen und Betriebsgrössen in den verschiedenen Staaten erheblich gesenkt werden kann. Die globale Abhängigkeit vom «Wirtschaftsmotor» Amerika und anderen Einheitsblöcken muss durch Selbstbestimmung und massgeschneidertes Handeln auf nationaler, wenn möglich sogar regionaler Ebene abgelöst werden. Eine eigenständige Wirtschaftspolitik kann sehr wohl internationale Wirtschaftbeziehungen verfolgen. Diese werden mit den Partnerländern autonom ausgehandelt und nicht durch weltumspannende Vertragswerke diktiert. Ein Land soll mit Rücksicht auf die eigenen Interessen und das vorhandene Wirtschaftspotential entscheiden, inwieweit es einen Grenzschutz braucht oder die eigene Produktion durch staatliche Zuwendungen stützen will. Solche Entscheidungen können nie isoliert, ohne Berücksichtigung der Interessenlage anderer Länder, getroffen werden. Es wird ein Geben und Nehmen sein, aber in Eigenverantwortung und ohne Druck übergeordneter Organisationen. Wenn die WTO eine weitere Liberalisierung der Agrarwirtschaft fordert, dann mag dies im Interesse der Länder mit Überschussproduktion liegen, wird aber den länderspezifischen Produktionsbedingungen und sicherheitspolitischen Anliegen (Selbstversorgung) nicht gerecht.

      Das Wirtschaftspotential eines Landes wird durch das Arbeitspotential und die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität bestimmt. Das Arbeitspotential ergibt sich aus der Bevölkerungsstruktur, dem Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung und dem Beschäftigungsgrad (Arbeitslosigkeit). Die Arbeitsproduktivität hängt von der Qualität der Arbeitskräfte (Schulbildung/Berufsausbildung), der Branchenstruktur und dem Einsatz von Kapital und Technologie ab. Nicht zu übersehen ist zudem der Einfluss der gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen.

      Nehmen wir die EU. Die Wirtschafts-potentiale von Deutschland, Frankreich und England sind schon unter sich recht unterschiedlich, betrachten wir beispielsweise aber noch Malta, Litauen, Lettland, Ungarn oder die EU-Bewerberländer Türkei und Bulgarien, dann zeigt sich die Sackgasse einer normierten EU-Wirtschaftspolitik infolge unterschiedlichster Wirtschaftspotentiale glasklar. Der von der EU verabreichte Einheitsbrei «freie Marktwirtschaft» wird sehr bitter schmecken und bestimmt einer Mehrheit der EU-Bevölkerung keinen Wohlfahrtsgewinn bringen. Es gilt das im Land vorhandene Wirtschaftspotential im Sinne des Gemeinwohls zu fördern und zu nutzen. Dies kann sowohl im Inland als auch über Wirtschaftsbeziehung mit anderen souveränen Staaten geschehen. Eine Wohlfahrtssteigerung hat immer auf den eigenen Fähigkeiten aufzubauen. Dabei können Fähigkeiten durch Wissenstransfer aus wohlgesinnten Ländern mittels Ausbildung oder Zuwanderung aufgebaut und erweitert werden. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung dürfen dabei jedoch nicht verletzt werden. Transferzahlung, um Entwicklungsdefizite auszugleichen, wie dies beispielsweise in der EU zum täglichen Geschehen gehört, müssen ernsthaft hinterfragt werden. Sie schwächen die Geberländer (Nettozahler) und verpuffen in den Nehmerländern. Zwar werden (Billiglohn-)Arbeitsplätze geschaffen, aber sie zerstören auch bestehende, meist überlebenswichtige Strukturen und fördern höchstens die Ertragsperspektiven transnationaler Konzerne, indem sie sich die Ressourcen (Land, Rohstoffe und billige Arbeitskräfte) für ihre eigenen Zwecke sichern. Dienen solche Zahlungen jedoch dem auf die Rahmenbedingungen und Bedürfnisse abgestimmten Aufbau von länderspezifischen Wirtschaftspotentialen und damit der Hilfe zur Selbsthilfe, könnten solche Geldflüsse der Bevölkerung sehr wohl eine wirtschaftliche Zukunft eröffnen. Ziele und Inhalt der Wirtschaftsförderung durch Drittstaaten oder andere internationale Organisationen (auch Nichtregierungsorganisationen) müssen daher sowohl vom Geber wie vom Empfänger am Beitrag zur Steigerung des länderspezifischen Wirtschaftspotentials im begünstigten Land gemessen werden.

      Eine Wirtschaftspolitik für die Menschen und nicht für den Markt entwickeln
      Die Zielsetzungen für eine Volkswirtschaft werden in einem «magischen» Fünfeck zusammengefasst. Magisch, weil die Realität zeigt, dass diese Ziele sich gegenseitig im Wege stehen können. Je nach Wirtschaftslage müssen die Prioritäten anders gesetzt werden. Trotzdem ist es sinnvoll, eine Wirtschafts-politik zu verfolgen, die sich an folgenden fünf Zielen misst: Gerechte Einkommensverteilung, angemessenes Wachstum der Wirtschaft, Vollbeschäftigung (geringe Arbeitslosenquote), Preisstabilität (geringe Inflation), ausgeglichene Zahlungsbilanz (Aussenhandel [Export und Import] ausgeglichen). Die entsprechenden Zielvorgaben stehen selbstverständlich in einem direkten Zusammenhang mit der aktuellen Wirtschaftslage. Somit muss der Einsatz wirtschaftspolitischer Mass-nahmen sehr eng auf den zeitgemässen Zustand abgestimmt werden. Ein angemessenes Wirtschaftswachstum hat in Deutschland eine ganz andere Bedeutung als in Lettland oder Polen. Eine gerechte Einkommensverteilung fordert in den neuen EU-Ländern ganz andere Massnahmen als in Frankreich, England oder Italien. Eine globale oder länderübergreifende Wirtschaftspolitik (EU) steht daher im Widerspruch zu massgeschneiderten und damit wirkungsvollen wirtschafts-politischen Massnahmen.

      In diesem Zusammenhang sind auch ernste Vorbehalte gegen eine weitere, durch die WTO diktierte Liberalisierung der Agrarwirtschaft, der Dienstleistungen und der Grundversorgung (Infrastrukturaufgaben der nationalen Staaten) anzumelden. Die WTO schafft Märkte, die sich allein nach dem Marktgesetz «Angebot gleich Nachfrage» richten, statt den Menschen Chancengleichheit und Zukunftsperspektiven zu geben. Die Tatsache wird völlig übergangen, dass der Markt nur im begrenzten Rahmen funktioniert und sowohl von der Art des Gutes (Wahl- oder Existenzbedarf), der Arbeits- und Einkommenssituation der Bevölkerung sowie von den politischen und strukturellen Rahmenbedingungen abhängt. Wer Hunger leidet, muss essen. Hingegen kann man sehr wohl anstelle einer Kreuzfahrt auf dem Ozean die Sommerferien zu Hause verbringen. Eine allein durch den Markt bestimmte Wirtschaft wird die Kluft zwischen reich und arm weiter vertiefen und an den gesellschaftspolitischen Realitäten zerbrechen. Primär hat die Wirtschaft dem Menschen, dem Gemeinwohl, und nicht dem Markt zu dienen. Entscheidend ist demzufolge, inwieweit es bei allen natürlichen Differenzen gelingt, auf nationaler Ebene die vorhandenen Ressourcen optimal und zum Nutzen der Allgemeinheit auszuschöpfen. Werden Arbeitskräfte (durch Arbeitslosigkeit), Grund und Boden verschleudert, bei der Einkommensverteilung Ungerechtigkeiten nicht korrigiert, eine Überschuldung des Staatshaushaltes und im Aussenhandel Ungleichgewichte auf längere Zeit zugelassen, dann erfüllt die Wirtschaft ihre Aufgabe ungenügend. Sie versagt, indem sie ihren Beitrag an das Gemeinwohl nicht leisten kann oder will.

      Es darf auch nicht sein, dass sich die Wirtschaft der Pflicht entzieht, einen Beitrag an das Allgemeinwohl zu leisten. Wird doch das materielle Fundament jedes Staates durch «Wirtschaften» geschaffen. Wirtschaften bedeutet haushälterisches Handeln, um bestmöglichste Ergebnisse zu erzielen. Der haushälterische Umgang mit den Ressourcen setzt Eigenverantwortung und den Willen aller voraus, einen den persönlichen Möglichkeiten entsprechenden Beitrag zum gesamten «Ergebnis» zu leisten. Dazu werden Eigenleistungen in Eigenverantwortung und ordnungspolitische Massnahmen notwendig sein. Der Staat hat eine Ordnungspolitik durchzusetzen, die Risikobereitschaft, Innovation und unternehmerisches Handeln belohnt, jedoch entschieden eigennützigem Tun und dem Verschleudern von Ressourcen zu Lasten des Gemeinwohls entgegentritt. Gefordert ist ein Wirtschaftskonzept, das anstelle der Kommerzialisierung der Gesellschaft einen positiven Beitrag zu einer verbesserten Lebensqualität aller Menschen leistet.

      Wohlfahrt (Lebensqualität) - ein Chamäleon
      Die OECD hat ein System von Indikatoren entwickelt, die helfen, die Wohlfahrt zu messen. Sie beziehen sich auf Gesundheit, Bildung, Erwerbstätigkeit, Arbeitsbedingungen, Freizeit und Haushalt, Einkommen und soziale Sicherheit, Wohnen, Verkehr, natürliche Umwelt, Familie und soziale Umwelt, Bürger und Staat, Energie. Wohlfahrt kann also weniger an der Ausstattung mit materiellen Gütern oder an ausbezahlten Sozialleistungen (wie irrtümlich immer wieder argumentiert wird), als vielmehr an den aktuellen menschengerechten Lebensverhältnissen gemessen werden. Dazu gehören eine möglichst umfassende Gesundheitsversorgung für alle, der freie Zugang zur Bildung, die Chance auf einen Arbeitsplatz, der frei von vermeidbaren Gesundheitsrisiken ist, eine angemessene Arbeitszeit, die dem Menschen genügend Zeit zur Ausgestaltung der anderen Lebensbereiche lässt, eine gerechte Einkommensverteilung (keine Ausbeutung und einseitige Bereicherung), eine gute Verkehrsinfrastruktur (öffentlicher und Individualverkehr), Telefonanschlüsse, Raum für Familien und Erziehung der Kinder, eine funktionierende Energieversorgung und eine der Würde der Menschen gerecht werdende Staatsform mit entsprechenden demokratischen Rechten und Pflichten.

      Diese Wohlfahrtsindikatoren werden Menschen in Indien, Brasilien, Ungarn, Polen usw. anders beurteilen als Menschen in der Schweiz, in Deutschland, Kanada oder in den USA. Vielen Ländern gemeinsam ist leider, dass die Wohlfahrt, gemessen an der Lebensqualität, eine sinkende Tendenz aufweist. Entgegen den Verheissungen der Vertreter einer globalen und liberalen Wirtschaftsordnung brachte die «Marktwirtschaft» nicht den versprochenen Wohlfahrtsgewinn. Daher ist auch Vorsicht vor globalen Rezepten geboten. Positive Entwicklungsschritte werden erst wieder zu beobachten sein, wenn wir uns vom Nivellierungsprozess globaler Konzepte loslösen. Gesucht ist eine Wirtschaftsordnung, die sich in den Dienst der Menschen stellt und auf die nationalen Bedürfnisse abgestimmte Lösungsmöglichkeiten aufzeigt. Wichtig wäre, wenn die einzelnen Länder die Hoheit über ihre Ressourcen (Boden, Arbeit und Kapital) unter ihrer Kontrolle halten. Dem Ausverkauf von Boden (Rohstoffe), billigen Arbeitskräften und Industrien an ausländische Grossinvestoren sind enge Grenzen zu setzen. Auch sollten die Gewinne in dem Land wieder investiert werden, wo sie erarbeitet wurden. Der ungehemmte Kapitalabfluss aus Volkswirtschaften, die sich gerade im Aufbau befinden, kann den angestrebten wirtschaftlichen Fortschritt wieder zunichte machen. Zum Wohlfahrtsgewinn beitragen wird auch die kontinuierliche Erweiterung des Wertschöpfungsprozesses im Ursprungsland.

      Auf die Landwirtschaft bezogen bedeutet diese Forderung, dass zukünftig Agrarprodukte nicht mehr als Rohprodukt in ein anderes Land exportiert werden, um dort zu Konserven, Tiefkühlprodukten oder Fertigmahlzeiten verarbeitet und dann, wenn möglich, wieder in das Ursprungsland reexportiert zu werden. Neu würden die Produkte im eigenen Land verarbeitet und auf den Markt gebracht werden. Gleichartige Wirtschaftsprogramme müssten auch bei den übrigen Rohstoffen (Metalle, Rohöl usw.) eingeleitet werden.

      Eine Marktöffnung müsste, abgestimmt auf den Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft und die nationalen Bedürfnisse, behutsam angestrebt werden. Primäres Ziel müss-te vorerst sein, die eigene Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfes zu versorgen. Erst nach der Absicherung der eigenen Güterversorgung ist eine Volkswirtschaft reif, sich gegenüber dem Ausland zu öffnen. Dies mag dazu führen, dass gewisse Produkte in einer geschlossenen Volkswirtschaft nicht verfügbar sind. Bei überlebenswichtigen Gütern oder bei im eigenen Land nicht verfügbaren Rohstoffen wird dieses Prinzip massvoll den Lebens- und Produktionsbedingungen angepasst werden müssen. Die im Aufbau und Wachstum begriffenen Volkswirtschaften wären gut beraten, wenn sie in der Anfangsphase kleinräumige Wirtschaftsbeziehungen aufbauen und pflegen. Eigenleistungen und das Bereitstellen von Arbeitsplätzen durch inländische Unternehmer müssten belohnt, privates Eigentum geschützt und die Rechtssicherheit gewährleistet werden. Eine Vielfalt verschiedenster Branchen mit kleineren und mittleren Unternehmen ist zu fördern. Vermieden werden muss, dass eigene Produkte durch «Globalmarken» abgewertet werden. Das im eigenen Land hergestellte Produkt schafft Arbeitsplätze und entspricht auch weit mehr dem kulturellen Erbe und kann selbst bei kleinerem Einkommen angeschafft werden.

      Wurzeln, Werte und kulturelles Erbe wieder neu entdecken
      Wer sich mit der aktuellen wirtschaftlichen Situation ernsthaft beschäftigt, wird zu dem Schluss kommen, dass der in der Öffentlichkeit propagierte Wandel zur liberalen und globalen Weltordnung nicht einfach als Schicksal hingenommen werden muss. Die auf Selbstverwirklichung, Egoismus und entsprechendem Machtgehabe aufgebaute Gesellschafts- und damit auch Wirtschaftsideologie hat versagt. Folgerichtig wäre nun, neue Wege auszuprobieren. Dabei geht es nicht einfach um das Neue, sondern eher um das Beleben bewährter und auch nachvollziehbarer Modelle, die dem Menschen Fortschritt und Wohlfahrt gebracht haben. Diese Neuorientierung wird die Wirtschaft nicht allein schaffen. Es wird ein interdisziplinärer Prozess sein. Ein Prozess, der vermutlich seinen Anfang in der Wertevermittlung und Bildung der nachfolgenden Generation nimmt. Dabei kann die aktive Generation schon heute versuchen, sich als Vorbild für eine Wirtschaft zu engagieren, die dem Menschen wieder etwas gerechter wird. Es geht um eine neue Zielsetzung, die nicht mehr den Markt in den Mittelpunkt, sondern das Gemeinwohl in das Zentrum des Denkens und Handelns stellt. Dabei gilt auch hier, kulturelle und gesellschafts-politische Gegebenheiten in all ihren Ausprägungen zu akzeptieren, um nicht erneut der Versuchung zu unterliegen, ein globales Weltkonzept durchzusetzen.

      *Klumpenrisiko: Ursprünglich versteht man darunter bei Banken eine Kreditgewährung, Beteiligung oder Anlage, deren Grösse das vertretbare Ausmass übersteigt und die damit gegen den bank-politischen Grundsatz der Risikoverteilung verstösst. Die Risiken sind aus der Erkenntnis heraus zu streuen, dass mehrere kleinere Risiken die Existenz einer Bank ungleich weniger stark bedrohen als ein einziges grosses Risiko. Dabei ist unter Risiko die rein theoretische, latent bestehende Verlustmöglichkeit und nicht etwa nur ein konkret erkennbarer, aber noch nicht endgültig feststehender Verlust zu verstehen. Der Begriff kann auch im übertragenen Sinne verwendet werden.

      Artikel 5: Zeit-Fragen Nr.31 vom 16.8.2004, letzte Änderung am 17.8.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 24.08.04 18:01:15
      Beitrag Nr. 1.892 ()
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      Die «Tempelwaffen»
      Israel rüstet mit ABC-Waffen auf


      von Jürgen Rose, Deutschland*
      Klammheimlich rüstete Israel zur fünfstärksten Nuklearmacht der Welt auf. Biologische und chemische Waffen komplettieren das Ar-senal zur Massenvernichtung. Und deutsche U-Boote garantieren die Zweitschlagskapazität.

      Zweifellos stellen Massenvernichtungswaffen eine existentielle Bedrohung dar. Folgerichtig räumen sowohl die Vereinigten Staaten von Amerika als auch die Europäische Union dem Kampf gegen diese Geissel der Menschheit in ihren jeweiligen Sicherheitsstrategien oberste Priorität ein - auf gleicher Stufe mit dem sogenannten «Krieg gegen den Terror». Um so mehr muss der äusserst selektive Umgang mit dieser Bedrohung irritieren. So finden die jeweils etwa 10000 Atomsprengköpfe allein in den Arsenalen der USA und der Russischen Föderation kaum mehr Beachtung. Hohngelächter unter den Bush-Kriegern erntet, wer den Begriff «nukleare Rüstungskontrolle» auch nur erwähnt, ganz zu schweigen von nuklearer Abrüstung. Mit den Bemühungen um Rüstungskontrolle auf dem Gebiet der chemischen und biologischen Waffen verhält es sich nicht anders - selbstredend nur, soweit die USA und ihre Verbündeten betroffen sind. Das gilt insbesondere für den treuesten Alliierten in Nahost, nämlich Israel. Ungeachtet der Tatsache, dass aus den USA stammende Marschflugkörper so verändert worden sei-en, dass sie nunmehr mit Nuklearsprengköpfen versehen und von aus Deutschland bezogenen U-Booten verschossen werden könnten, betrachte die US-Administration Israel nicht als Bedrohung, berichtete Anfang des Jahres die renommierte Österreichische Militärische Zeitschrift.

      Verschiedene Massstäbe gegenüber Israel und arabischen Staaten
      Ganz anders indes verhält es sich mit der Bedrohungseinschätzung im Hinblick auf Massenvernichtungswaffen in den Händen sogenannter Schurkenstaaten, zumal solchen aus dem «islamischen Krisenbogen». In ihrem Fall genügt schon der blosse Verdacht, sie strebten nach nuklearen, chemischen oder biologischen Waffen, um Hysterie im Oval Office auszulösen. Wurde zur Zeit des kalten Krieges die Sicherheitspolitik noch von der Maxime bestimmt, die Henry Kissinger auf den Punkt brachte, was zählte, seien Sprengköpfe, nicht Absichten, so gilt für die Bushisten in Washington heute das Gegenteil: Von Bedeutung sind nicht vorhandene Kapazitäten, sondern Unterstellungen und Vermutungen über «das Böse» schlechthin. Die Quintessenz solch irrationaler und manichäischer Politik gipfelt darin, dass einerseits gegen virtuelle Massenvernichtungswaffen ein Präventivkrieg entfesselt, andererseits real existierenden Massenvernichtungswaffen-Potentialen weiter keine Beachtung geschenkt wird, auch wenn sie sich in Händen von Regierungen befinden, die sich nicht gerade durch eine friedliche und völkerrechtskonforme Aussen-politik hervortun. Gerade Israel gibt in dieser Hinsicht Anlass zu grösster Besorgnis, liegt dieser Staat doch im Brennpunkt des Nahost-Konflikts und stellt zugleich eine Militärmacht dar, die zu den hochgerüstetsten der Welt zählt. Anlass genug, um nachfolgend das Arsenal israelischer Massenvernichtungswaffen sowie die damit verknüpfte Militärstrategie näher zu beleuchten.

      Aus Gründen der Staatsraison hat Israel die Produktion und den Besitz von Massenvernichtungswaffen zwar niemals offiziell bestätigt und verfolgt diesbezüglich seine sogenannte «Politik der Ambiguität». Indessen sind in den vergangenen Jahrzehnten stetig geheimdienstliche Erkenntnisse in die Öffentlichkeit durchgesickert, gab es Indiskretionen von politischer Seite, umfangreiche Forschungen wissenschaftlicher Institute und nicht zuletzt erfolgreiche Bemühungen investigativen Journalismus.

      400 bis 500 Sprengköpfe
      Mittlerweile steht fest, dass Israel über ein umfangreiches Nuklearwaffenpotential verfügt. Dieses umfasst klassische Kernspaltungs-, thermonukleare Fusions- sowie Neutronenwaffen - insgesamt schätzungsweise 400 bis 500 Sprengsätze, deren Gesamtsprengkraft auf etwa 50 Megatonnen geschätzt wird. Mit diesen sind Atomminen, Artilleriegranaten, Torpedos, Marschflugkörper, Raketen und Flugzeugbomben bestückt. Hergestellt werden die israelischen Nuklearwaffen seit 1962 in Dimona, wo sich das «Israelische Kernforschungszentrum» (Kirya Le`Mechkar Gariini - Kamag) befindet. Dort wird in dem mit französischer Hilfe errichteten EL-3-Atomreaktor, der eine Leistung von mindestens 150 Megawatt aufweist, das zur Nuklearwaffenproduktion benötigte Plutonium erbrütet. Daneben befinden sich dort Anreicherungsanlagen für waffenfähiges Uran sowie eine unterirdische Wiederaufbereitungsanlage zur Plutoniumextraktion.

      Die Konstruktion der Gefechtsköpfe erfolgt in zwei Forschungslaboren, nämlich beim Nuklearforschungszentrum Nachal Schurek (Merkaz Le`mechkar Gari`ini - Mamag) und bei der «Abteilung 20» der Waffenentwicklungsbehörde (Rashut Le`pituach Emt-zaei Lechima - Rafael). Montiert werden die Atomsprengsätze in einer Nuklearfabrik in Jodfat. Getestet wurden die Kernwaffen mehrfach: Mitte der 60er Jahre mehrfach in der Negev-Wüste nahe der israelisch-ägyptischen Grenze sowie im Rahmen französischer Versuche in Algerien, ausserdem dreimal gemeinsam mit Südafrika in der Atmosphäre über dem Indischen Ozean, zuletzt am 22. September 1979, als ein amerikanischer VELA-Satellit die Detonation zufällig registrierte.

      Breites Spektrum von Trägersystemen
      Um die Nuklearwaffen zum Einsatz bringen zu können, verfügt die «Israeli Defense Force» über ein breites Spektrum von Trägersystemen, das die gesamte Triade aus land-, luft- und seegestützten Waffenplattformen umfasst. So dienen amerikanische Artilleriegeschütze (175 mm M-107 und 203 mm M-110) für den Gefechtsfeldeinsatz. Im Kurzstreckenbereich verfügt Israel seit 1976 über US-Raketen-artilleriesysteme MGM-52 C Lance, die eine Reichweite von rund 130 Kilometern haben. Über grosse Distanzen hinweg können unterschiedliche Typen von Boden-Boden-Raketen eingesetzt werden. Die YA-1 Jericho I hat eine Reichweite von 500 Kilometern. Möglicherweise ist in den siebziger Jahren eine modernisierte Variante mit der Bezeichnung YA-2 entwickelt worden. Etwa 50 Raketen sind in Silos bei Kfar Zekharya, rund 45 Kilometer südöstlich von Tel Aviv disloziert. Die YA-3 Jericho II ist eine Mittelstreckenrakete mit einer Reichweite von bis zu 1800 Kilometern. Ihre Gefechtsköpfe sollen eine Sprengkraft von 20 Kilotonnen besitzen und mit einer radargesteuerten Endphasenlenkung nach dem Muster der US-amerikanischen Pershing II präzise ins Ziel gebracht werden können. Ebenfalls etwa 50 Raketen sind auf mobilen Werferfahrzeugen in den Kalkhöhlen bei Kfar Zekharya untergebracht. Darüber hinaus produziert Israel die auf der «Jericho» basierende dreistufige Trägerrakete Shavit, mit der seit 1988 mehrere Ofek-Aufklärungssatelliten auf eine Erdumlaufbahn geschossen wurden. Die «Shavit» liesse sich mit geringem konstruktivem Aufwand zu einer Interkontinentalrakete von über 7000 Kilometern Reichweite modifizieren.

      Sehr flexibel kann die israelische Luftwaffe Nuklearwaffen mit diversen Kampfflugzeugen, deren Reichweite sich mittels Luftbetankung nahezu beliebig vergrössern lässt, einsetzen. Diese wurden von den USA geliefert und von der hochentwickelten israelischen Rüstungsindustrie teilweise erheblich kampfwertgesteigert. Für nukleare Missionen in Frage kommen primär die F-16 Fighting Falcon, deren modernste Version F-16I seit letztem Jahr zuläuft, sowie die

      F-15I Ra`am, die ab 1998 in Dienst gestellt wurde. Letztere hat ohne Luftbetankung einen Einsatzradius von etwa 5500 Kilometern und ist mit modernsten Navigations- und Zielerfassungssystemen ausgerüstet. Nuklearwaffenfähige Jagdbomber mit entsprechend zertifizierten Besatzungen sind angeblich auf den Fliegerhorsten Tel Nof, Nevatim, Ramon, Ramat-David, Hatzor und Hatzerim stationiert; einige von ihnen sollen, mit Atombomben beladen, rund um die Uhr zum Alarmstart in Bereitschaft gehalten werden.

      Deutschland lieferte U-Boote
      Seit 2003 besitzt auch die israelische Kriegsmarine die Fähigkeit zum Nuklearwaffeneinsatz. Als Plattform dienen drei von Deutschland in den Jahren 1999 und 2000 gelieferte Dolphin-U-Boote im Gesamtwert von rund 655 Millionen Euro, nahezu komplett vom deutschen Steuerzahler finanziert. Diese sind mit Marschflugkörpern (Bezeichnung Popeye Turbo II bzw. Deliah) bestückt, deren Reichweite nach Beobachtungen der US-Navy im Verlaufe von Flugkörpertests vor Sri Lanka im Mai 2000 mindestens 1500 Kilometer beträgt. Entwickelt wurden diese Marschflugkörper entweder eigenständig von der israelischen Rüstungsindustrie oder mit diskreter ausländischer Hilfe. Mit welchem Nachdruck Israel seine Aufrüstung auf dem maritimen Sektor betreibt, liess sich dem Jerusalem-Besuch von Verteidigungsminister Struck entnehmen, als der Wunsch nach der Lieferung zweier weiterer U-Boote der Klasse 212A - ausgestattet mit dem weltweit einmaligen Brennstoffzellenantrieb neuester Technologie, der es ermöglicht, ähnlich wie ein strategisches Atom-U-Boot lautlos und wochenlang getaucht zu operieren(!) - laut wurde.

      Arbeiten an einer «Ethno-Bombe»?
      Neben atomaren komplettieren biologische und chemische Waffen das israelische -Potential an Massenvernichtungswaffen. Auf Grund akribischer Geheimhaltung sind die Informationen hierüber indessen sehr spärlich. So heisst es in einem Bericht des «Office for Technology Assessment (OTA)» - das Institut recherchierte bis 1995 im Auftrag des US-Kongresses - aus dem Jahre 1993, dass «Israel nach allgemeiner Auffassung inoffizielle Potentiale zur chemischen Kriegführung besitzt» und «nach allgemeiner Auffassung ein inoffizielles Programm zur Herstellung von biologischen Waffen durchführt». Als gesichert gilt, dass sich in Nes Ziona südlich von Tel Aviv das israelische Insitut für biologische Forschung (IIBR) befindet, dessen Aktivitäten ein hoher israelischer Geheimdienstmitarbeiter mit den Worten beschreibt: «Es gibt wohl keine einzige bekannte oder unbekannte Form chemischer oder biologischer Waffen [...] die im Biologischen Institut Nes Ziona nicht erzeugt würde.» Darüber hinaus wird vermutet, dass israelische Wissenschafter dort seit den 90er Jahren unter Nutzung von Forschungsergebnissen aus Südafrika an einer sogenannten «Ethno-Bombe» arbeiten. Bei dieser Entwicklung wird versucht, Ergebnisse der Genforschung zur Identifizierung eines spezifischen Gens zu nutzen, das ausschliesslich Araber tragen. Ist dies gelungen, liessen sich mit Hilfe der Gentechnik tödliche Bakterien oder Viren herstellen, die nur Menschen mit diesen Genen attackieren.

      Chemische Waffen, unter anderem die Nervengase wie Tabun, Sarin und VX, werden in einer unterirdischen Produktionsstätte im Nuklearforschungszentrum Dimona hergestellt. Die indirekte Bestätigung für israelische C-Waffen-Programme lieferte der Absturz einer EL-AL-Frachtmaschine auf dem Amsterdamer Flughafen am 4. Oktober 1992, bei dem mindestens 47 Menschen ums Leben kamen und mehrere hundert Menschen sofort oder verzögert an mysteriösen Leiden erkrankten. Ein Untersuchungsbericht von 1998 erbrachte die Erkenntnis, dass die Maschine Chemikalien an Bord hatte, darunter 227,5 Liter Dimethylmethylphosphonate (DMMP). Diese Menge genügt, um 270 kg Sarin herzustellen. Das DMMP war im übrigen von der Firma Solkatronic Chemicals Inc. aus Morrisville in Pennsylvania geliefert worden - ein Indiz dafür, dass es US-Unternehmen gab, die es verstanden, am Geschäft mit den Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten mehrfach zu verdienen: Durch Lieferungen in den Irak während des ersten Golf-Krieges zwischen 1980 und 1988 - und an die israelische Armee.

      Ernsthafte Pläne zum Atomwaffeneinsatz
      Im Gleichklang mit der Entwicklung des israelischen Arsenals an Massenvernichtungswaffen vollzog sich die Evolution der Strategie zu deren Gebrauch. Den Ausgangspunkt für die Entscheidung zur Entwicklung der Massenvernichtungswaffen bildete die Überlegung, dass nur diese das absolute und endgültige Abschreckungsmittel gegenüber der arabischen Bedrohung darstellten. Nur mit deren Hilfe konnten vorgeblich die Araber dazu gebracht werden, alle Pläne für eine militärische Eroberung Israels fallenzulassen und einem Friedensvertrag zu israelischen Konditionen zuzustimmen. Insbesondere die Nuklearwaffen sollten als Ultima ratio sicherstellen, dass es nie wieder zu einem Massaker am jüdischen Volk kommen würde. Als symbolische Metapher hierfür diente die sogenannte «Samson-Option».

      Diese rekurriert auf einen biblischen Mythos. Demzufolge war Samson nach blutigem Kampf von den Philistern gefangengenommen worden. Sie stachen ihm die Augen aus und stellten ihn in Dagons Tempel in Gaza öffentlich zur Schau. Samson bat Gott, ihm ein letztes Mal Kraft zu geben, und rief: «Ich will sterben mit den Philistern!» Er schob die Säulen des Tempels beiseite, das Dach stürzte ein und begrub ihn und seine Feinde unter sich.

      Treffenderweise trugen die israelischen Nuklearwaffen daher den Decknamen «Tempelwaffen». Mindestens viermal hat die israelische Regierung ernsthaft den Einsatz dieser Waffen erwogen:

      1. Während des 6-Tage-Krieges im Juni 1967 hatte Israel die beiden ersten Uran-Atombomben für den Fall zum Einsatz vorbereitet, dass der Erfolg des konventionell geführten Präventivkrieges gegen seine arabischen Nachbarn ausgeblieben wäre.

      2. Während des Yom-Kippur-Kriegs wurde von der israelischen Regierung ein Nuklearwaffenangriff nicht nur erwogen, sondern am 8. Oktober 1973 wurde tatsächlich der Befehl erteilt, 13 Atomwaffen für den Einsatz gegen die militärischen Hauptquartiere der Angreifer in Kairo und Damaskus scharfzumachen, nachdem Verteidigungsminister Moshe Dayan den Zusammenbruch der israelischen Defensivoperationen im Zweifrontenkrieg prognostiziert hatte. Mit dieser nuklearen Mobilmachung gelang es der israelischen Regierung unter Golda Meir, zum einen von den USA massive Nachschublieferungen an Munition und Rüstungsmaterial zu erpressen. Zum anderen entfaltete die nukleare Abschreckung gegenüber Ägypten und Syrien ihre Wirkung, die in der Folge mit ihren Panzertruppen nicht weiter vormarschierten. Nachdem am 14. Oktober die nukleare Alarmbereitschaft zunächst aufgehoben worden war, machten die Israeli wenige Tage später erneut ihre Atomwaffen scharf, nachdem die US-Regierung ihr strategisches Bomberkommando in Alarmbereitschaft versetzt hatte, um die Sowjetunion von einer Intervention in den Krieg abzuhalten. Die Krise endete erst, als die Kampfhandlungen mit Inkrafttreten eines Waffenstillstandes eingestellt wurden.

      3. Während des Angriffes auf den Libanon 1982 (Operation Oranim) schlug der damalige Verteidigungsminister Ariel Scharon vor, man solle Syrien mit Nuklearwaffen angreifen.

      4. Als am 18. Januar 1991 die irakischen Streitkräfte im Golf-Krieg erstmals Al-Hussein-Raketen auf Israel abfeuerten, wurde das israelische Militär, inklusive der Nuklearstreitkräfte, in volle Gefechtsbereitschaft versetzt. Für den Fall eines irakischen Angriffs mit chemischen oder biologischen Gefechtsköpfen existierte eine unverhüllte nukleare Gegenschlagsdrohung Israels.

      ABC-Waffen als politisches Druckmittel
      Israel nutzt sein Atomwaffenarsenal indes nicht nur im Kontext der Abschreckung oder der direkten Kriegführung, sondern auch auf andere, subtilere, aber nicht weniger wirksame Weise. Heutzutage ist das israelische Kernwaffenpotential untrennbar in die allgemeine militärische und politische Strategie Israels integriert. Im israelischen Strategiejargon wird dieses Konzept «Nonconventional Compellence» (nicht konventioneller Druck) genannt. Shimon Peres - übrigens einer der entscheidenden Drahtzieher des israelischen Massenvernichtungswaffen-Programms - charakterisierte diese Strategie mit den Worten: «Ein überlegenes Waffensystem zu beschaffen, bedeutet die Möglichkeit, es für die Ausübung von Druck zu nutzen - das heisst die andere Seite zu zwingen, Israels Forderungen zu akzeptieren, was wahrscheinlich die Forderung einschliesst, dass der traditionelle Status quo akzeptiert und ein Friedensvertrag unterzeichnet wird.» Darüber hinaus garantiert das Nuklearwaffenpotential die uneingeschränkte Unterstützung des amerikanischen Verbündeten einerseits und verhindert eine unangemessene Parteinahme Europas zugunsten der arabisch-palästinensischen Position andererseits - immer getreu der Maxime: «Wenn ihr uns in einer kritischen Situation nicht helfen wollt, werden wir euch dazu bringen, uns zu helfen, oder wir werden unsere Atombomben einsetzen.»

      Sehr aufschlussreich diesbezüglich sind die Ausführungen des israelisch-niederländischen Militärhistorikers Martin van Creveld, international bekannter Professor der Militärgeschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem Anfang letzten Jahres. Dieser merkt in einem Interview mit dem niederländischen Magazin Elsevier zu der hinter dem aktuellen Teilrückzugsplan des israelischen Premierministers Ariel Scharon steckenden Strategie an, dass diese darauf abzielt, eine unüberwindliche Mauer um Israel zu errichten und die Palästinenser ausserhalb der israelischen Grenzen zu halten. Scharons Plan bedeute in letzter Konsequenz, dass alle Palästinenser aus der dann errichteten «Festung Israel» deportiert würden.

      Auf die Frage, ob die Welt eine derartige ethnische Säuberung zulassen würde, antwortet van Creveld: «Das liegt daran, wer es macht und wie schnell es geht. Wir haben einige hundert von Atomsprengkörpern und Raketen und können sie auf Ziele überall werfen, vielleicht selbst auf Rom. Mit Flugzeugen sind die meisten europäischen Hauptstädte ein Ziel.»

      *Dipl.-Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt in diesem Beitrag seine persönlichen Auffassungen.



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      «Die Araber mögen das Öl haben - wir haben die Zündhölzer.» (Ariel Scharon, 1989)

      «Wir haben die Möglichkeit, die Welt mit uns zusammen untergehen zu lassen. Und ich kann Ihnen versprechen, dass dies auch geschieht, bevor Israel untergeht.»
      (Martin van Creveld, Professor der Militärgeschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem, 2003)

      http://www.zeit-fragen.ch/
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      schrieb am 24.08.04 18:03:56
      Beitrag Nr. 1.893 ()
      Wasser darf nicht zur Handelsware werden

      EU-Kommission will Kommunen die Wasserversorgung wegnehmen



      Die Nordostwasserversorgung (NOW), grösster kommunaler Wasserversorger im Nordosten von Baden-Württemberg für über 560000 Menschen in 100 Städten und Gemeinden, hat sich erneut strikt gegen eine Liberalisierung und Privatisierung der bisher öffentlichen Wasserversorgung ausgesprochen. In einer einstimmig verabschiedeten Resolution fordert der 19köpfige NOW-Verwaltungsrat (Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister) in seiner jüngsten Sitzung von den Entscheidungsträgern in Berlin und Brüssel, die Wasserversorgung nicht an rein gewinn-orientierte Grosskonzerne preiszugeben. Unter Vorsitz des Frankenhardter Bürgermeisters Willi Karle hat das NOW-Gremium die strikte Beibehaltung der öffentlichen Wasserversorgung in kommunaler Hand als nachweislich beste Lösung bezeichnet.

      Eine Privatisierung ist nach Auffassung der NOW zu befürchten, wenn die Absichten der EU-Kommission vielleicht schon in Kürze in die Tat umgesetzt werden, die Wasserversorgung und damit auch die Aufgaben der kommunalen Zweckverbände dem freien Wettbewerb zu unterstellen. Darauf drängen nämlich mit hohem Einsatz und kräftiger Lobbyarbeit die finanzstarken Stromkonzerne seit langem. Sie wittern schöne Gewinne und gute Renditen für ihre Aktionäre, wenn beim Endverbraucher nicht nur Strom und Gas, sondern auch noch Wasser und Abwasser auf dessen Rechnung steht.

      Knappe Mehrheiten im Europa-Parlament
      Bis jetzt hat sich das EU-Parlament mit knappen Mehrheiten von 265 zu 249 Stimmen gegen eine Liberalisierung des Wassersektors ausgesprochen. Bis auf 5 von 45 hatten die deutschen EU-Abgeordneten von CDU/CSU und geschlossen alle FDP-Abgeordneten im Strassburger Europa-Parlament für eine Liberalisierung und damit für die Preisgabe der kommunal bestimmten Wasserversorgung gestimmt. Im Deutschen Bundestag sitzen die Befürworter einer Liberalisierung ebenfalls in den Reihen von CDU/CSU und FDP. Entscheiden wird letztlich der EU-Ministerrat, der vielleicht noch dieses Jahr die Weichen stellen wird.

      Der Verbraucher hätte das Nachsehen
      Beispiele aus anderen Ländern lassen für eine privatisierte Wasserversorgung langfristig Schlimmes befürchten. Gespart wird bei den Kosten für Sanierung und Renovierung von Anlagen, investiert wird nur noch wenig, Personal wird entlassen, die Wasserqualität verschlechtert sich, die Wasserverluste steigen, und die Versorgungssicherheit wird aufs Spiel gesetzt, der Gewässerschutz wird vernachlässigt, Umwelt- und Gesundheitsstandards sinken, und die Wasserpreise steigen kräftig an. Die bisher demokratische Kontrolle über die Wasserversorgung würde verlorengehen, und niemand weiss, wer dann die Macht über die kostbaren Wasserressourcen in die Hände bekommen wird. Die NOW befürchtet ausserdem, dass die wertvollen Entnahmerechte für das kostbare Gut Wasser meistbietend an kapitalkräftige Privatanleger versteigert werden könnten.

      Quelle: Medien-Information der NOW vom 21.5.04

      http://www.zeit-fragen.ch/
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      schrieb am 25.08.04 22:38:41
      Beitrag Nr. 1.894 ()
      Viel Ei für wenig Cent
      Stimmt die Qualität der Billig-Eier?


      Aldi-Nord macht es vor: Eine 10er-Packung mit Eiern aus Bodenhaltung wird bei Aldi-Nord seit kurzem für 69 Cent angeboten. Wettbewerber ziehen nach. Für deutsche Eierproduzenten ein Alarmsignal. Für diesen Preis können viele nicht mehr herstellen. Auf der anderen Seite fragen sich die Verbraucher, ob die Qualität der Eier in Ordnung ist.

      Autorin: Claudia Fregiehn

      Eigentlich eine wahre Freude für jeden Bauern: die Hühner sind gesund und munter – ihre Eier verkaufen sich gut. Auf Udo Baumeisters Hof im nordrhein-westfälischen Breckerfeld leben gut 100.000 Hühner, 20.000 davon in Bodenhaltung. Die Eier nehmen Markthändler ab und kleine Supermärkte. Doch seit Aldi Nord Eier aus Bodenhaltung zum Stückpreis von 6,9 Cent verkauft, droht Baumeister der Spaß am Federvieh zu vergehen: „Die Kosten für ein Ei aus Bodenhaltung liegen in meinem Betrieb bei sieben Cent. Zum Aldipreis kann ich nicht kostendeckend arbeiten. Wenn sich das durchsetzt, dann könnten wir hier zumachen“, sagt Landwirt Udo Baumeister.

      Billige Eier – Aldi macht Druck

      Seine Kunden zahlen ihm einschließlich Lieferung zehn Cent pro Ei – Aldi gibt den Herstellern nicht einmal sechs Cent. Aus der Branche hat [plusminus erfahren, der Discounter habe den meist niederländischen Eier-Erzeugern die Pistole auf die Brust gesetzt: entweder akzeptieren sie die Preise oder sie bleiben auf ihren Eiern sitzen. „Die Erzeuger sind von der Marktmacht Aldi stark unter Druck gesetzt worden. Das strahlt auf alle anderen aus, weil sich keiner widersetzen kann“, sagt Landwirt Udo Baumeister. Gegen das Preis-Diktat des übermächtigen Aldi-Konzerns ist kein Kraut gewachsen. Auch andere Discounter unterbieten sich inzwischen gegenseitig. Landwirt Baumeister fühlt sich machtlos. Aldi gibt sicher Journalisten gegenüber traditionell verschlossen. Kein Kommentar gegenüber [plusminus zum Preiskampf an der Eierfront.

      [plusminus macht die Probe

      Wie gut sind Billig-Eier aus Bodenhaltung wirklich? Auf dem Prüfstand je zehn Eier: aus Bodenhaltung von Aldi für 69 Cent, aus Bodenhaltung vom Wochenmarkt für 1,50 Euro und schließlich Bio-Eier aus dem Ökosupermarkt für 2,50 Euro. Im Hamburger Hotel Atlantic starten wir den Blindversuch. Die Jury besteht aus jeweils drei Profis und drei Verbraucherinnen. Zum einen drei ernährungsbewusste Frauen, die gerne kochen. Zum anderen drei ausgebildetete Köche: Der Küchenchef des Hotels Atlantic, der Kantinenchef eines Hamburger Großunternehmens und der Küchenchef des französischen Gourmet-Restaurants „Chez Alfred“.

      Wertungskriterien: Geruch, Geschmack, Kauempfinden, Farbe und Trennfähigkeit

      Zuerst begutachten unsere Experten die rohen Eier. Welches macht den besten Eindruck? Kantinenkoch Dieter Kirschstein überzeugt im Blindtest das Ei vom Wochenmarkt: „Das Eigelb ist sehr schön gewölbt, hat eine schöne Form. Das Ei ist schön rund und gut.“ Auch seinen Kollegen gefällt das Ei vom Markt gut. Unansehlich finden die meisten der sechs Tester das Bio-Ei. Knapp auf Platz zwei liegt das Ei von Aldi. Als nächstes wird der Geschmack der gekochten Eier getestet. Auch hier überzeugt das Öko-Ei nicht jeden. Verbraucherin Erica Buch genießt das Ei von Aldi – auch bei den Profis kommt es am besten an. „Ei Nummer zwei schmeckt lecker, einfach aus dem Grund weil das Ei ist frisch und schaut ansehnlich aus“, sagt Erich Cochlar, vom Hotel Atlantic.

      Fazit: Aldi siegt vor Wochenmarkt – abgeschlagen das Öko-Ei

      Das Gesamtergebnis: im Rohzustand erzielt das Öko-Ei schwache vier Pluspunkte, viel besser: das Ei vom Markt mit 18 Punkten. Auch stark: das Aldi-Ei mit 14 Punkten. Gekocht gewinnt das Öko-Ei nicht wesentlich: mit 10 Pluspunkten liegt es im unteren Drittel, das Ei vom Wochenmarkt genauso. Hier ist das Aldi-Ei der Spitzenreiter – mit 34 Punkten von 36 möglichen. Der Eierkauf als Gewissensfrage: wer faire Preise zahlt, hilft dem regionalen Erzeuger – der Geizige hilft dem Discount-Riesen. Am [plusminus-Qualitäts-Test scheitert das Aldi-Ei aber nicht.


      Wichtiger Hinweis:
      Die Billig-Eier aus Bodenhaltung im 10er-Pack für 0,69 Cent gibt es nur bei Aldi-Nord. Nicht bei Aldi-Süd.



      Serviceinformationen: Woher kommt das Ei?

      Jedes Ei muss auf der Schale mit einem Erzeugercode gekennzeichnet sein. Eine Auszeichnung nur auf der Packung oder mit einem Schild am Marktstand genügt nicht. An diesem Code lassen sich die Art der Haltung, das Herkunftland und der erzeugende Betrieb erkennen.

      Beispiel für eine korrekte Kennzeichnung: 0 – DE 1234567 für ein Bio-Ei aus Deutschland. Die vordere Zahl steht für die Haltungsform. Es folgt der Code für das Herkunftsland. Zuletzt die siebenstellige Nummer für den erzeugenden Betrieb.

      "Frische Landeier" klingt nach gesunder und tiergerechter Haltung. Diese irreführende Bezeichnung bedeutet aber lediglich, dass die Tierhaltung auf dem Land, also nicht in der Stadt, erfolgt. "Bauerneier" oder "Eier Frisch vom Bauernhof“ sind Beispiele für nicht-geschützte Phantasiebezeichnungen. Dahinter verbergen sich fast immer Eier aus der Legebatterie.

      Ab 1. Januar 2012 ist die Käfighaltung in Deutschland verboten. Derzeit stammen jedoch 87 Prozent aller im Handel erhältlichen Eier aus der Käfighaltung.


      Haltungsform

      0 = Biohaltung: Diese Eier müssen den strengen Anforderungen hinsichtlich der artgerechten Hennenhaltung und Fütterung (aus kontrolliertem ökologischen Anbau) entsprechen und werden mit dem Zusatz DE- XXX- Öko-Kontrollstelle versehen. Im eingestreuten Stall leben höchstens sechs Hennen pro Quadratmeter. Die Auslauffläche im Freien beträgt mindestens vier Quadratmeter pro Henne.

      1 = Freilandhaltung: Je Henne stehen mindestens vier Quadratmeter Auslauffläche im Freien zur Verfügung.

      2 = Bodenhaltung: Höchstens neun Hennen pro Quadratmeter Stellbodenfläche. Das sind 1.100 Quadratcentimeter pro Henne.

      3 = Käfighaltung: Das Ei aus der klassischen Legebatterie mit mindestens 550 Quadratcentimeter Bodenfläche pro Henne. Seit Juli 1999 sind Neugenehmigungen nur noch mit mindestens 690 Quadratcentimeter Bodenfläche möglich.


      Herkunftsland

      AT = Österreich
      BE = Belgien
      DE = Deutschland
      DK = Dänemark
      ES = Spanien
      FI = Finnland
      FR = Frankreich
      GR = Griechenland
      IE = Irland
      IT = Italien
      LU = Luxemburg
      NL = Niederlande
      PT = Portugal
      SE = Schweden
      UK = Vereinigtes Königreich

      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=226
      Avatar
      schrieb am 25.08.04 22:44:16
      Beitrag Nr. 1.895 ()
      Wen(n) Hartz hart trifft
      Ist das Arbeitslosengeld II gerecht?


      Ein Aufschrei geht durch die Republik. In Montagsdemos proben Tausende den Aufstand gegen die Hartz-Gesetze. Ein Umstand ist das Formular für das Arbeitslosengeld II. Sind die Gesetze zur Arbeitsmarktreform gerecht? Ist es in Ordnung, dass Arbeitsplatzbesitzer für Arbeitslose zahlen? Oder müssen Arbeitslose stärker motiviert werden, sich einen Job zu suchen?

      Autoren: Jacqueline Dreyhaupt und Oliver Feldforth

      Voerde im Ruhrgebiet. Ernst Pathé hat seinen großen Audi behalten. Als Außendienstler verdiente er überdurchschnittlich gut. Das ist lange vorbei. Seit eineinhalb Jahren ist er wieder arbeitslos. Ein neuer Job ist für den 49-Jährigen nicht in Sicht. Aber arbeiten um jeden Preis – nichts für ihn. „Ich habe einfach keine Lust für 600 Euro netto im Monat zu arbeiten. Ich verkaufe mich nicht unter Wert“, sagt Ernst Pathé. Musste Ernst Pathé bisher auch nicht - schließlich hat er die finanzielle Unterstützung vom Staat und seiner Mutter. Er lebt wieder im Elternhaus. Doch in Zukunft wird das anders: Noch bekommt er rund 1.100 Euro Arbeitslosenhilfe. Mit Hartz IV werden es vermutlich rund 650 sein. Arbeitslosengeld II plus Wohngeld, wenn er einen Mietvertrag mit seiner Mutter hat. Der Druck steigt. Und das mit Erfolg. Ernst Pathé würde heute auch einen Job als Fahrer annehmen. Er hat sich beworben. Früher wäre das für ihn nicht in Frage gekommen. Doch Pathé beklagt sich nicht. Er findet Hartz IV gerecht.

      Zahlen für den arbeitslosen Kumpel

      Über zwei Jahre ist der gelernte Polier und Ausbilder Michael Berghäuser aus Dessau nun schon arbeitslos. Dass der Steuerzahler für seine Stütze zahlt, geht für ihn in Ordnung. „Sicher gibt es Leute die ihr Leben lang einzahlen ohne etwas rauszubekommen. Aber das ist ja der Solidaritätsgedanke, man zahlt ja für den Kumpel ein“, sagt Michael Berghäuser. Außerdem arbeitet Ehefrau Anke im Krankenhaus. Zur Zeit kommt die Familie mit ihrem Geld gut hin. Mit der Arbeitslosenhilfe ihres Mannes hat die Familie 2.500 Euro im Monat. Mit Hartz IV werden die Berghäusers vermutlich 700 Euro weniger im Monat haben.

      Vermittlungschance trotz 20 Prozent Arbeitslosigkeit

      Über 20 Prozent Arbeitslosigkeit - in der Region sieht es schlecht aus. Die Agentur für Arbeit ist hier einer der größten Arbeitgeber. 700 Arbeitslose werden von einem Berater betreut. Hartz IV will diese Massenabfertigung beenden- nur noch 150 Arbeitslose pro Berater ist der Plan. Für junge Arbeitslose soll das Verhältnis sogar bei 1:75 liegen. Michael Berghäuser auf Besuch bei seiner Beraterin. Die Überraschung: er könnte arbeiten. „Wenn er bereit wäre jede Tätigkeit anzunehmen, schätze ich seine Chancen auf einen Job bei 70 Prozent. Wenn nur Jobs in Frage kommen, die seiner Qualifikation entsprechen, bei unter 10 Prozent.“ Trotz 20 Prozent Arbeitslosigkeit eine Vermitllungschance von 70 Prozent. Berghäuser könnte in Dessau bleiben, aber er müsste Abstriche machen, jeden Job nehmen, auch für weniger Geld. Doch das will er noch nicht. Er bewirbt sich nach wie vor, nur für Jobs - die ihm richtig liegen. Mit Hartz IV könnte sich das ändern.

      Arbeitslos im Eigenheim

      Bübingen bei Saarbrücken. Die Doppelhaushälfte hat 250.000 Euro gekostet. Für Iris und Josef Spuhler war das mit zwei Einkommen kein Problem. Doch jetzt zählt jeder Euro, der 44-Jährige ist seit fünf Monaten arbeitslos. Mit Hartz IV könnte der Traum vom Eigenheim vorbei sein. Zwar muss niemand sein Haus oder die Eigentumswohnung verkaufen. Aber noch gehört ein guter Teil des Hauses der Bank. In der für ihn zuständigen Agentur für Arbeit will Josef Spuhler Gewissheit: was bleibt mit Hartz IV. Reicht das Geld noch für die Kreditraten und zum Leben? Die Mitarbeiter müssen lange rechnen, denn von der Regierung gibt es noch keine endgültigen Zahlen. Dass, was man Spuhler sagen kann, empört ihn: Rund 300 Euro stehen ihm ab 1. Januar 2005 nach vorläufigen Berechnungen zur Verfügung. Derzeit bekommt Josef Spuhler gut 1.200 Euro Arbeitslosengeld. 900 Euro weniger. Da wird es knapp mit der Rate für das Haus. Doch auch Spuhler ist nicht machtlos. „Wenn er den Schritt wagt und sich überregional vermitteln lässt sind seine Chancen auf jeden Fall besser“, sagt der Geschäftsführer der Agentur für Arbeit. Josef Spuhler aber möchte einen vergleichbaren Job wiederhaben und zwar in der Region. Solange wartet er und fühlt sich im Recht. Schließlich hat er über 27 Jahre Steuern und Abgaben bezahlt. Aber die Spuhlers können in Zukunft nicht erwarten, dass der Steuerzahler die Raten für ihr Haus abzahlt.



      Stichwort: Hartz I, II, III und IV

      Eine Kommission unter Vorsitz von Dr. Peter Hartz, im eigentlichen Beruf Personalvorstand von Volkswagen, hat im Auftrag der Bundesregierung Vorschläge zur Reform der Arbeitsverwaltung erarbeitet. Hauptziel der 15-köpfigen Hartz-Kommission war es, die Vermittlung in Arbeit nachhaltig zu verbessern und Strategien für neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu entwickeln.

      Hartz I und II
      Mit den Gesetzespaketen Hartz I und II, die am 1. Januar 2003 in Kraft getreten sind, hat die Umsetzung der erarbeiteten Vorschläge begonnen: Ich-AGs, Bildungsgutscheine, Personal-Service-Agenturen und Mini-Jobs bieten seither neue Wege in die Beschäftigung.

      Hartz III
      Ein Jahr später erfolgte mit Hartz III der Umbau der Arbeitsverwaltung. Der neue Name Bundesagentur für Arbeit statt Bundesanstalt für Arbeit soll Aufbruch signalisieren. Arbeitsvermittlung soll sich vom bürokratischer Akt zum Service am Kunden wandeln. Vorrangig soll es nicht länger um die Verwaltung von Arbeitslosigkeit, sondern um die Vermittlung in Arbeit gehen.

      Hartz IV
      Am 9. Juli 2004 hat der Bundesrat das zentrale Gesetzespaket zur Arbeitsmarktreform verabschiedet: Hartz IV. Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe wird ein Kernstück der Arbeitsmarktreform umgesetzt. Künftig arbeiten die regionalen Agenturen für Arbeit mit den Kommunen zusammen. Das Hartz IV-Gesetz beendet damit das ineffiziente und teure Nebeneinander bundeseigener Arbeitsagenturen und kommunaler Sozialämter - zugunsten einer intensiveren Beratung der Arbeitsuchenden durch persönliche Fallmanager. Diese sollen in Zukunft jeweils höchstens für 75 Arbeitslose zuständig sein. Zunächst wird dieses Betreuungsverhältnis jedoch vorrangig bei jungen Arbeitslosen erreicht werdenn.



      Gerüchte und Wahrheit...

      ... liegen nicht immer nahe bei einander. Viele Gerüchte über die Folgen von Hartz IV und Arbeitslosengeld II sind in Umlauf. So müssen die Bezieher von Arbeitslosengeld II angeblich zwangsweise ihre Wohnungen räumen. Oder es wird behauptet Kinder müssten mit ihrem Sparguthaben arbeitsuchende Eltern finanzieren. Doch das stimmt nicht. Um den Falschinformationen entgegenzuwirken hat die Bundesregierung eine Internetseite unter dem Stichwort „Fakt ist ...“ aufgelegt.


      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 24.08.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=229
      Avatar
      schrieb am 27.08.04 20:18:10
      Beitrag Nr. 1.896 ()
      Öko-Wahnsinn: Der Kyoto-Schweine-Deal


      Vor gut einem Jahr berichteten wir über die planetenrettende Furzsteuer, die in Neuseeland auf die Gasemissionen furzender Schafe erhoben wird, und das war leider keine Satire. Doch die Wirklichkeit des Öko-Wahnsinnes überholt selbst den BWL-Boten: jetzt sind die Furze von Schweinen verkauft worden. Ja, allen Ernstes verkauft. Auch das ist kein Witz, sondern möglicherweise ein Vorgeschmack auf das, was uns noch so grünt.

      So berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, daß der kanadische Energieversorger Transalta und Tokyo Electroc Power dem chilenischen Schweinefleischproduzenten Agrosuper einen Millionenbetrag gezahlt hätten, daß dieser die Methanemissionen, also Furze seiner über 100.000 Tiere auffängt und das Gas verbrennt. Die Energieversorger "kaufen" sich auf diese Weise "Emissionsrechte" zur Erzeugung elektrischer Energie.

      Was wie eine wirre Mär aus dem Öko-Narrenhaus aussieht, ist leider Realität: deutsche Stromkunden zahlen bald für absurde Projekte, so wie das Verbrennen von Schweineabgasen. Schon längst haben sich obskure Marktplätze für solche absurden Geschäfte etabliert. "Clean Development", wie sowas offiziell heißt, ist damit ein Hebel auszuüben, was wir in einem anderen Beitrag als strukturelle Gewalt definiert haben, nämlich Verteuerung und Verknappung.

      In Deutschland sind bereits mehrere Tausend Anlagen ab 2005 unter Energierationierung gestellt worden - und das obwohl wir nach einer Analyse der Wirtschaftswoche tatsächlich schon jetzt 8,6 Millionen Arbeitslose haben. Vielleicht kaufen wir mit dem Geld deutscher Energieverbraucher auch bald die Furze chilenischer Schweine während Millionen Arbeitslose auf Hartz IV reduziert werden. Wie lange geht das noch gut?

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 27.08.04 20:18:27
      Beitrag Nr. 1.897 ()
      Avatar
      schrieb am 27.08.04 20:42:11
      Beitrag Nr. 1.898 ()
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      kredite

      Kapital oder Konkurs

      Neue Kreditregeln und knauserige Banken sorgen dafür, dass dem Mittelstand in Deutschland das Geld ausgeht


      Von Marc Brost

      http://www.zeit.de/2004/36/Crunches



      © Phil Banco/gettyimages
      Wer verstehen will, warum Deutschland nicht auf die Beine kommt, sollte weniger über Hartz IV reden. Und mehr über Basel II. Seit die großen Zentralbanken und Finanzaufseher weltweit neue Regeln für die Kreditvergabe beschlossen haben, sind diese überall ein Thema: bei Handwerkern, die trotz voller Auftragsbücher kein Darlehen bekommen. Bei Maschinenbauern, denen die Bank nahe legt, den Geldgeber zu wechseln. Bei ostdeutschen Firmen, denen der Bankberater sagt, es liege an ihrem Standort, dass sie kein Geld mehr erhalten. »Die Stimmung in den Betrieben ist schlecht«, sagt Helmut Rödl, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Wenn der Mittelstand tatsächlich das Rückgrat der Wirtschaft ist, dann ist es kein Wunder, dass Deutschland im Rollstuhl sitzt.

      Fast 20 Millionen Menschen arbeiten, forschen und entwickeln in den mehr als 3,3 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen der Republik; vor allem von ihnen hängt ab, ob Deutschland wächst oder stagniert. Im Mittelstand entstehen mehr Patente, mehr Innovationen, mehr Jobs als in den großen Konzernen. Eigentlich. Denn traditionell finanzieren sich diese Unternehmen vor allem über Kredite. Ohne Darlehen aber gibt es weniger Forschung, weniger Investitionen, weniger Wachstum – und weniger Jobs.

      Weil ihnen das Geld fehlte, hätten viele Mittelständler zuletzt wichtige Investitionen aufgeschoben, hat das Münchner ifo Institut ermittelt. Würde die Finanzierungsnot gelindert, könnte die deutsche Wirtschaft, verteilt über mehrere Jahre, »um bis zu fünf Prozent zusätzlich wachsen«, meint ifo-Forscher Gernot Nerb. Das entspräche einem gigantischen Konjunkturprogramm. So aber bleiben im ganzen Land die Investitionen hinter dem Ausmaß zurück, wie es früher für den Beginn eines zaghaften Aufschwungs typisch – und notwendig – war.

      Doch die Finanzlage der meisten Unternehmen verbessert sich nicht, sondern verschärft sich noch. »Während wenige große Firmen schon wieder Kredite bekommen, haben vor allem viele kleinere zu kämpfen«, sagt Jan Evers von der Unternehmensberatung Evers und Jung in Hamburg. »Für sie sind die Kreditkosten so hoch wie nie.« Und das hat auch mit einem weiteren Übel zu tun: Nicht einmal mehr die Sparkassen vergeben bereitwillig Darlehen. Bisher hatten die öffentlich-rechtlichen Institute damit geworben, den großen Credit-Crunch verhindert zu haben. »Während die privaten Einzelbanken ihr Engagement reduzierten, baute die Sparkassen-Finanzgruppe ihren Anteil an den Unternehmenskrediten weiter aus«, heißt es in der hauseigenen Diagnose Mittelstand 2004. Und nun? »Der Rahmen ist sehr restriktiv geworden«, so der stellvertretende Vorstandschef einer großen Sparkasse. »Unsere Kreditbestände werden Ende des Jahres niedriger sein.«

      Im Klartext heißt das: Weniger Kapitalisten kommen an Kapital.


      Wenn Dieter Schaible* über seine Bank spricht, wird er ganz leise, fast so, als solle bloß niemand hören, dass er, der Autozulieferer, auf einmal keinen Kredit mehr geliefert bekam. Kein Geld von seinem Geldhaus zu bekommen, das gilt in der kleinen Stadt zwischen Mannheim und Stuttgart, wo Schaible fast 80 Menschen Arbeit gibt, als Makel. Es könnte die Leute ja darauf hinweisen, dass mit der Firma etwas nicht in Ordnung ist.

      Tatsächlich weisen Probleme mit der Bank oft darauf hin, dass mit dieser Bank etwas nicht in Ordnung ist: zu hohe Kosten für Filialen und Technik, zu hohe Kreditausfälle in der Vergangenheit, die nun die eigene Bilanz belasten. »Viele Institute sind immer noch sehr mit sich selbst beschäftigt«, sagt Stefan Paul, Professor für Finanzierung an der Universität Bochum. Weil die Geldhäuser mit ihren Krediten sorglos umgingen und diese Sorglosigkeit einige von ihnen an den Rand des Ruins führte, werden jetzt umso weniger Darlehen vergeben. Das Pendel schwingt in die andere Richtung. Und trifft auch die Unschuldigen.



      © ZEIT-Grafik
      Dieter Schaible brauchte 200000 Euro, und zwar dringend. Er lebt von den Aufträgen, die ihm die großen Autohersteller der Republik geben, und wie so viele Mittelständler im Schwäbischen – »Net schwätza, schaffa!« – will auch er nur ungern in der Zeitung stehen. Schaibles Bestellbücher sind voll, seine Kontokorrentlinie (das ist der Dispokredit des Unternehmens) beträgt 1,5 Millionen Euro.

      Als er bei seiner Hausbank nach einem weiteren Darlehen fragt, um eine neue Maschine zu finanzieren, macht diese nicht mit. Schaible bedrängt seinen Berater, er macht ihm klar, wie wichtig dieser Auftrag für die Firma ist, er rechnet mit ihm die Zahlen durch, er zeigt ihm, dass sich die Investition lohnt. Die Antwort bleibt die Gleiche: Der Berater könne selbst nichts mehr entscheiden, und »in der Zentrale« habe man beschlossen, dass Schaible nur zusätzliches Geld bekommt, wenn ein zweites Institut in die Finanzierung einsteigt. Wie gut das Unternehmen tatsächlich dasteht, interessiert niemanden. Entscheidend ist allein die neue Strategie der Bank.

      Bloß: Wer schon bei der Hausbank kein Geld bekommt, egal, aus welchem Grund, bekommt auch woanders keines mehr. »Man wird von einer Bank weggeschickt und ist damit für viele andere verbrannt«, sagt Unternehmensberater Evers.

      Es sind Fälle wie dieser, die Unternehmern überall im Land das Leben schwer machen – und manchmal sogar die Existenz kosten. Die Methoden der Geldhäuser sind vielfältig: Da wird ein Kreditantrag nur überprüft, wenn der Unternehmer bei seinem Berater gleichzeitig eine Lebensversicherung abschließt. Da wird die Umschuldung eines teuren Kredits in ein zinsgünstigeres Darlehen verweigert. Begründung? Keine. Und da wird der Businessplan einer jungen Unternehmerin erst gar nicht gelesen, zu mühsam, heißt es dann. 1,6 Millionen Menschen haben sich in Deutschland im vergangenen Jahr selbstständig gemacht. Es könnten mehr sein. Wenn sie nur an Geld kämen.


      Wulf Baader* hat immer Geld gegeben. Der 60-jährige Sparkassen-Vorstand kennt sie alle bei sich in der Stadt: die großen Firmen, die er seit fast 30 Jahren mit Krediten finanziert; die ganz großen Unternehmer, die mit ihm zwar Tennis spielen, aber nie ins Geschäft kommen wollten; die ganz kleinen Betriebe, denen die Sparkasse bereitwillig Kapital gab, wie überall sonst im Land. Wulf Baader trägt eine goldene Uhr und einen goldenen Ring, den Marmorboden in der Vorstandsetage des Sparkassen-Gebäudes hat er selbst ausgesucht. Niemand in der Stadt neidet ihm das – die Sparkasse war ja für alle da. War. Denn seit Basel II ist alles anders.



      © ZEIT-Grafik
      Die neuen internationalen Regeln für die Darlehensvergabe sollen die Banken davor schützen, zu viel Geld an schlechte Schuldner zu verleihen und dann selbst in die Pleite zu rutschen, wenn diese Schuldner Pleite gehen. Bislang musste in Deutschland jeder Euro Kredit pauschal mit acht Cent Eigenkapital unterlegt werden; nun sollen die Banken weniger Geld bereithalten, wenn sie guten Schuldnern etwas geben, und mehr Geld, wenn das Risiko höher ist. Das zusätzliche Eigenkapital, das die Banken für die riskanteren Schuldner brauchen, lassen sie sich bezahlen – ihre Kredite werden teurer. Und damit die Bank die guten von den schlechten Schuldnern unterscheiden kann, werden alle Kunden benotet: Sie bekommen ein Rating.

      Offiziell gelten diese Regeln erst ab 2007 – tatsächlich aber wenden die Geldhäuser sie intern längst an. »Der einzelne Bankvorstand hat ab einem bestimmten Rating nichts mehr zu entscheiden«, sagt Wulf Baader. Schneidet ein Unternehmen zu schlecht ab, gibt es für die Banker im Gegensatz zu früher keinen Spielraum mehr. Für solche Unternehmen wird es gefährlich. Vor allem, da auch die Sparkassen keine Zuflucht mehr bieten. »Es ist schon ein Tabuthema, dass wir Basel II benutzen, um unsere Margen zu verbessern«, sagt Baader. »Risikoadjustierte Preisfindung« nennen das die Banker. Übersetzt heißt das: Auch die Sparkassen geben ihren Kunden nur dann noch Geld, wenn sie damit einen bestimmten Mindestgewinn erzielen. Diese Grenze liegt höher als bisher. Darunter geht nichts mehr.

      So hat in Deutschland ein grotesker Wettlauf um die besten Kunden eingesetzt. Einige große Firmen zahlten bei neuen Darlehen inzwischen nur noch vier Prozent Zinsen, sagt Unternehmensberater Evers – es sind Kampfpreise der Banken, um Marktanteile zu sichern. Diese rechnen sich nicht. Bei den kleinen und mittleren Firmen dagegen sind oft zwischen 14 und 16 Prozent fällig, weil diese Betriebe kein normales Darlehen bekommen, sondern dazu gedrängt werden, doch einfach das Konto zu überziehen. Für viele Firmen ist das unbezahlbar. Experten verwundert das kaum: Laut einer Untersuchung fallen heute mehr als 70 Prozent der mittelständischen Unternehmen in die Rating-Stufe BB oder schlechter, sie gelten als problematisch (siehe Grafik); für mehr als die Hälfte aller Betriebe müssen die Banken mehr Eigenkapital hinterlegen als bisher. Also steigen die Kreditzinsen.


      Wenn Jochen Struck auf einem Podium sitzt, dann weiß er genau, welche Vorwürfe aus dem Publikum kommen werden. Der 46-Jährige tritt bei vielen Diskussionen auf, es sind Veranstaltungen mit so wohlklingenden Namen wie Local Heroes in the Global Village. Ein Held aber ist Jochen Struck für die meisten Mittelständler nicht. Er ist der Watschenmann.

      Struck arbeitet für die Staatsbank KfW, die gern mit ihren Förderprogrammen wirbt und ihren riesigen Darlehen für den Mittelstand, doch in Diskussionen mit aufgebrachten Unternehmern hört der KfW-Direktor immer wieder: Bei uns kommt dieses Geld nicht an. Der Struck, rufen die Unternehmer dann, der sitze auf einem Sack voll Geld und rücke nichts raus.



      © ZEIT-Grafik
      Das stimmt so natürlich nicht, aber wie bei vielen Vorwürfen hat der Ärger einen wahren Kern: Da die KfW keine eigenen Filialen und keinen direkten Kundenkontakt hat, kann sie ihre Darlehen nur über ganz normale Banken und Sparkassen herausgeben. Die aber sträuben sich oft, weil ihnen der Aufwand zu hoch und der eigene Verdienst zu gering erscheint. Deshalb, sagt Struck, werde man nun versuchen, den Aufwand für die Filialinstitute zu reduzieren – weniger Formulare, mehr Durchblick bei den Förderprogrammen. Und: »Wir arbeiten intensiv daran, bei allen gewerblichen Förderkrediten die Marge der Hausbank an das Risiko zu koppeln.« Wenn eine Bank für die KfW einen riskanteren Kredit übernimmt, soll sie daran auch mehr verdienen. Motivation per Marge. Wann diese Änderung kommt? »Wir gehen davon aus, dass es frühestens Anfang 2005 so weit sein wird«, sagt Struck.


      Natürlich gibt es in Deutschland kein Grundrecht auf Kredit, und natürlich sollen Unternehmen mit riskanteren Geschäftsaussichten auch höhere Zinsen zahlen. Sonst subventionieren die guten Firmen die schlechten – und am Ende leiden alle. Das Problem ist nur, dass in Deutschland die Kredite immer geflossen sind: Das Wirtschaftswunder war auf Kredit gebaut, auf gutes, günstiges Geld von den Banken. Jetzt müssen die Unternehmer auf einmal mehr Zahlen beibringen, wenn sie ein Darlehen wollen, sie müssen ihre Bücher so weit öffnen wie noch nie, sie müssen der Bank erklären, wie ihre Produktion funktioniert, ihr Vertrieb, ihre Werbung, und sie müssen darauf gefasst sein, dass der Bankberater danach fragt, wer einmal den ganzen Laden übernimmt, wenn der alte Inhaber gestorben ist. All diese Informationen fließen ins Rating ein.

      Es ist ein Kulturwandel, mit dem gerade die verschwiegenen Mittelständler nicht klarkommen. Welcher alte Firmenpatriarch lässt sich von einem Bankberater Ende zwanzig schon sagen, dass er endlich seine Nachfolge klären sollte? Die Firmenkundenbetreuer wiederum müssen die Unternehmen nun viel umfassender beurteilen als in der Vergangenheit. Die Frage ist nur: Können sie das?

      »Rating ist wie Röntgen«, sagt der Bochumer Wissenschaftler Paul. »Aber wenn sich das Unternehmen schon vor den Röntgenschirm stellt, dann muss der ›Arzt‹ auch die entsprechende Diagnosefähigkeit haben.« Daran hapert es.

      Es gebe noch »Schulungsbedarf«, räumt man selbst in den Geldhäusern ein, damit aus Kreditexperten echte Berater würden. Insider bezweifeln, dass das schnell genug gelingt. »Viele Institute machen es sich zu einfach, ihre Kundenbetreuer sind völlig überfordert«, sagt Bankenexperte Evers. Vorbei die Zeit, da ein Kreditmann vielleicht fünfzig Kunden hatte – heute sind es meist mehrere hundert.

      Hinzu kommt: Damit die Unternehmen ihr Rating verbessern können, müssen ihre Chefs wissen, wie sich die Note zusammensetzt und woran sie noch arbeiten sollten. »Viele Institute nennen die Rating-Note aber offenbar gar nicht«, sagt Jochen Struck, und viel zu wenige Unternehmer fragen danach. Laut einer Studie der KfW kennen zwar mehr als 70 Prozent der Mittelständler die Kriterien, nach denen sie von ihrem Geldhaus benotet werden. Das Ergebnis aber kennt nicht einmal die Hälfte.




      © ZEIT-Grafik
      Der Retter kommt aus Reutlingen. Je größer die Schwierigkeiten der Unternehmen mit den Banken und Sparkassen werden, desto mehr Geschäfte macht Hans-Werner Stahl. Eigentlich lehrt der 61-Jährige Controlling an der European School of Business, und gerade als Zahlenfuchs muss es ihn mächtig gewurmt haben, dass die Banken ihre Kostenprobleme auf die Kunden abwälzen. Ende 2002 gründete Stahl mit drei Partnern die KMU Financial Services GmbH. »Wir sind keine Hilfe für Blinde und Einäugige«, sagt der Wirtschaftsprofessor, »eine Insolvenz können auch wir nicht verhindern.« Was seine Gesellschaft dagegen kann: jenen Firmen helfen, die eine gute Geschäftsidee haben, bei denen die Bonität stimmt – und die trotzdem kein Geld von ihrer Bank bekommen. Überall im Land sprießen diese alternativen Mittelstandsfinanzierer aus dem Boden. Auch das ist ein Zeichen für den Wandel in der Kreditrepublik Deutschland.

      Stahls Gesellschaft funktioniert als Hilfe zur Selbsthilfe: Wenn ein Betrieb ein Darlehen will, muss er sich an der KMU beteiligen, das kostet mindestens 4000 Euro. Dafür gibt’s dann Kontakt zu Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern, zu Controllern und Anwälten und, vor allem, zu Banken, die noch günstig Darlehen vergeben. »Kein großes deutsches Institut hat sich für unser Modell begeistert«, sagt Hans-Werner Stahl, »deshalb arbeiten wir mit einer französischen Bank zusammen.« Die braucht dank der KMU nun keine eigene Vertriebsmannschaft in Deutschland – und kann ihre Kredite entsprechend billiger anbieten.

      Im Grunde ist das Reutlinger Projekt nichts anderes als eine Rückbesinnung auf die klassischen Tugenden des Bankgeschäfts: Man kennt sich, man vertraut sich, man entscheidet am Ort. Das hält die Kosten niedrig und die Erfolgsquote hoch. Allerdings: Ein Allheilmittel gegen die Krise der Mittelstandsfinanzierung kann auch Hans-Werner Stahl nicht liefern – dazu wächst seine Gesellschaft noch zu langsam. 30 Kommanditisten zählt die KMU. Am Jahresende sollen es doppelt so viele sein.


      Wie also löst man das Problem, dass die Banken weniger Kredite vergeben, expandierende Unternehmer aber mehr Geld brauchen und gerade das wachstumsschwache Deutschland nach einem Aufschwung lechzt? »Die Betriebe brauchen mehr Eigenkapital«, sagt Guido Paffenholz vom Institut für Mittelstandsforschung in Bonn. Gerade mal 7,5 Prozent betrage die durchschnittliche Eigenkapitalquote der deutschen Mittelständler, hat Creditreform ermittelt. In Frankreich oder den Niederlanden ist der Anteil der eigenen Mittel an der Bilanzsumme fast fünfmal höher.

      Eine höhere Eigenkapitalquote hat gleich mehrere positive Effekte. Nicht nur, dass die generelle Abhängigkeit der Betriebe von Krediten sinkt. Wenn sie doch ein Darlehen brauchen, kommen sie auch günstiger dran – die Eigenkapitalquote ist der wesentliche Einflussfaktor für das Rating des Unternehmens. Und: Die Volkswirtschaft insgesamt wird stabilisiert. »Zwischen der Eigenkapitalquote und der Zahl der Insolvenzen gibt es einen eindeutigen Zusammenhang«, sagt Creditreform-Chef Rödl. So stiegen die Firmenpleiten in Deutschland von 1997 bis 2002 um 147 Prozent. In Frankreich dagegen sank ihre Zahl um fast die Hälfte.

      Noch immer ist es für Unternehmer in Deutschland vorteilhaft, die Gewinne ihres Betriebs in die Ferienwohnung im Allgäu, das Boot in Südfrankreich oder das neue Chalet in der Schweiz zu stecken, weil der Fiskus nicht zwischen einbehaltenem und entnommenem Geld unterscheidet. »Die Eigenkapitalquoten werden immer mauer«, sagt Rödl. In Frankreich dagegen hat der Staat die Ertragsteuern für einbehaltene Gewinne gesenkt – und damit den Firmen erleichtert, Eigenkapital zu bilden.

      Das Problem: Steuersenkungen für Betriebe sind schwer durchsetzbar in einer Zeit, in der jeder Ansatz für eine große Steuerreform sofort klein geredet wird, in der jede Unternehmenssteuerreform gleich die Gerechtigkeitsfrage aufwirft und in der globale Konzerne wie der Telekommunikationsriese Vodafone die Lücken im deutschen Recht ausnutzen, um mal eben Milliardenwerte abzuschreiben und massiv Steuern zu sparen. Wenn einem global produzierenden Konzern die deutschen Standortbedingungen nicht gefallen, geht er einfach woandershin. Vor allem die kleineren Mittelständler können das nicht.

      Ohnehin unternimmt die Politik alles, um die Betriebe weiter zu verunsichern. Jüngstes Beispiel ist der geänderte Paragraf 8a im Körperschaftsteuergesetz. Was zunächst nur klingt wie die Anpassung einiger rechtsrelevanter Zeilen an das EU-Recht, entwickele sich zu »einer der größten Steuerkatastrophen der letzten Jahre«, sagt Thomas Reith, Rechtsanwalt und Notar in Stuttgart und Honorarprofessor für Internationales Steuerrecht.

      Eigentlich wollte die Bundesregierung mit diesem Paragrafen verhindern, dass ausländische Unternehmen den deutschen Fiskus umgehen. Früher konnten deutsche Tochtergesellschaften, die von ihrer ausländischen Konzernmutter ein Gesellschafterdarlehen bekamen, die Zinsen unbeschränkt als Betriebsausgaben abziehen und so die eigene Steuerlast mindern. Nun gilt das neu formulierte Gesetz in vielen Fällen auch für normale deutsche Mittelständler. Bizarre Folge: Die Zinsen, die der Unternehmer an seine Bank für ein Darlehen zahlt, gelten dann teilweise als verdeckte Gewinnausschüttung – und müssen sogar noch versteuert werden. »In dieser Misere stecken rund 800000 Mittelständler, die davon meist gar nichts wissen«, sagt Anwalt Reith. »Ihre finanzielle Lage kann sich nochmals dramatisch verschlechtern.« Die erste Reaktion des Bundesfinanzministeriums? Eine eilig nachgeschobene Verwaltungsanweisung an die obersten Finanzbehörden der Länder, die das umstrittene Gesetz entschärfen soll, nach Ansicht der meisten Experten rechtlich dazu aber gar nicht in der Lage ist.

      Es ist wie so oft, wenn ein Gesetz in bester Absicht geändert wird: Danach ist nur klar, dass alles unklar ist.


      Damit der deutsche Aufschwung gelingt, muss er ganz unten beginnen, in den Handwerksbetrieben, die jetzt noch auf Aufträge hoffen; in den Fertigungshallen der Automobilzulieferer, die bereits Aufträge haben, aber noch kein Geld für die notwendigen Maschinen; in all den kleinen und größeren Firmen, die zahllose Ideen besitzen, aber zu wenig Kapital, um sie zu finanzieren. Ohne Kredite können die Firmen keine Aufträge bearbeiten und damit auch kein Eigenkapital bilden. Ohne Eigenkapital aber gibt es keine Kredite – ein Teufelskreis.

      Und was geschieht, wenn ihn niemand aufbricht? Die Eigenmittel der Unternehmen dürften »nicht ausreichend sein, um im Zusammenhang mit Basel II langfristig bestehen zu können«, heißt es bei den Sparkassen vorsichtig. Drastischer drückt es Creditreform-Chef Helmut Rödl aus: »Wenn wir die Eigenkapitalquote der Betriebe nicht steigern, haben wir bald nicht mehr 40000 Insolvenzen im Jahr, sondern 80000.«


      *Name von der Redaktion geändert

      (c) DIE ZEIT 26.08.2004 Nr.36

      ZUM ARTIKELANFANG
      Avatar
      schrieb am 27.08.04 20:44:16
      Beitrag Nr. 1.899 ()
      http://www.instock.de/Nachrichten/10145419.html



      Früher oder später muß etwas passieren
      Von Bill Bonner
      "Ich sehe nicht, was das Problem ist", sagte Ken Fisher, Kolumnist beim Forbes-Magazin, vorgestern beim gemeinsamen Abendessen mit mir. "Dieser Wirtschaft geht es großartig. Ich sehe keine Probleme. Die Aktien sind günstig – oder zumindest sind sie das im Vergleich zu den Renditen, die man mit Risiko-Anleihen erzielen kann."

      "Sehen Sie mal, zu Jahresbeginn sang jeder den Blues der Zwillingsdefizite ... weil der Dollar auf dem Weg zum Kollaps war, die Zinsen stiegen, und der Aktienmarkt dabei war, weg zu schmelzen. Und raten Sie mal, was passierte? Nichts. Wir warten immer noch. Keine dieser schlimmen Sachen passierte."

      "Und dennoch ist jeder immer noch so negativ. Ich denke, dass wir später im Jahr noch eine große Überraschung sehen werden ... eine Jahresendrallye! Und zwar dann, wenn die Leute es satt haben, sich Sorgen zu machen, und damit beginnen, wieder übers Geld verdienen nachzudenken."

      Könnte es zu einer Jahresendrallye kommen?

      Wenn ich mich umsehe, dann sehe ich mehr Gründe für fallende als für steigende Aktienkurse. Die Aktienkurse haben vor vier Jahren ein größeres Topp erreicht. Normalerweise erreichen sie dann nicht ein neues größeres Topp – ohne vorher ein neues Tief erreicht zu haben. Diese Zyklen dauern etwa 30–40 Jahre, von Topp zu Topp. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, bevor ein weiterer großer Bullenmarkt beginnt. Wenn man Aktien kauft, bevor das Low erreicht ist, dann ist das eine sehr riskante Sache; man stellt sich da gegen die Natur.

      Es gibt auch noch den Zinszyklus, den steigenden Ölpreis, das ungelöste Problem des amerikanischen Handelsbilanzdefizits, die Schulden der Konsumenten, die Probleme mit den Hypotheken, den Mangel an Arbeitsplätzen. Jeder dieser Punkte alleine könnte Grund genug für eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und für fallende Aktienkurse sein. Alle zusammen könnten zu einem extremen finanziellen Kollaps führen.

      In diesem Jahr ist bis jetzt noch nicht viel passiert. Der Dow Jones pendelt um die 10.000 Punkte, der Goldpreis um die 400 Dollar. Jedes Mal, wenn ich gedacht habe, einer der beiden hätte sich von dieser Marke weg bewegt ... dann kommt ein kalter Wind, und die Preisbewegung kommt zu einem Halt.

      Früher oder später muss etwas passieren. Und die Aktienkurse werden dann wahrscheinlich eher fallen als steigen ... das ist meine Einschätzung.


      Bill Bonner schreibt als US-Korrespondent für den kostenlosen Newsletter "Investor`s Daily". Weitere Informationen finden sie hier.


      [ Mittwoch, 25.08.2004, 18:42 ]
      Avatar
      schrieb am 27.08.04 21:01:06
      Beitrag Nr. 1.900 ()
      Titel


      Wer bietet weniger?

      SPD setzt auf »Bürgerversicherung light«. FDP will Krankheit wie Autounfälle behandeln


      Was aus der Bismarckschen Sozialgesetzgebung entstandene System der gesetzlichen Krankenversicherung steht in Deutschland kurz vor seiner Zerschlagung. In den altbundesdeutschen Parteien wird fieberhaft an neuen Modellen gearbeitet. Während Unionsparteien und FDP die Kopplung der Beiträge an Löhne und Gehälter weiter einschränken oder gar ganz abschaffen wollen, bastelt die SPD an einer sogenannten Bürgerversicherung. Gemein ist allen Konzepten, die drastischen Verschlechterungen im Leistungskatalog und die Erhöhung der Eigenbeteiligungen durch die letzte »Gesundheitsreform« nicht revidieren zu wollen. Grund für die allgemeine Hektik ist die Einschätzung, daß die Zukunft des Gesundheitswesens eines der wichtigsten Themen des kommenden Bundestagswahlkampfs sein wird.

      Die beim Parteivorstand der SPD angesiedelte Expertenkommission unter Leitung der ehemaligen Juso-Vorsitzenden Andrea Nahles hat ihre Arbeit am Konzept einer Bürgerversicherung am Mittwoch abend in Berlin abgeschlossen. Man werde der Parteispitze am Wochenende einen »Umsetzungsvorschlag in verschiedenen Varianten« übergeben, sagte der der Kommission angehörende Gesundheitsökonom Karl Lauterbach am Freitag im Deutschlandfunk. Dabei gehe es darum, was schnell umzusetzen und was mit dem jetzt geltenden Steuerrecht überhaupt machbar sei. Kernpunkt des Konzeptes ist die Einbeziehung weiterer Einkommensarten in die Finanzierung des Gesundheitswesens. Pflichtversichert wären dann auch Beamte, Freiberufler und Selbständige. Miet- und Pachteinkünfte sollen jedoch nicht herangezogen werden, weil, so Nahles, »Vermieter in ihren Steuererklärungen ohnehin überwiegend Verluste ausweisen«. Der Vorschlag, Beiträge zur Krankenversicherung wie bei Lohnabhängigen auf Einnahmen bereits vor Steuern zu erheben, spielte bei den Beratungen keine Rolle. Fest steht inzwischen auch, daß das duale System aus privaten und gesetzlichen Krankenkassen weiter bestehenbleiben soll, erstere aber in Zukunft für jeden Versicherungsberechtigten einen Basistarif ohne Berücksichtigung des Alters und des Gesundheitszustandes anbieten müßten. Unklar ist bisher, ob die Beitragsbemessungsgrenze, die es Spitzenverdienern ermöglicht, aus dem Solidarsystem auszusteigen, ganz abgeschafft oder nur angehoben werden soll.

      Kapitalerträge und Dividenden sollen oberhalb der üblichen Freigrenze (»Sparerfreibetrag«) mit Beiträgen belegt werden. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt sprach sich in diesem Zusammenhang am Freitag für einen entsprechenden Aufschlag auf die Kapitalertragssteuer statt separater Beitragserhebung aus, da dies die unbürokratischste Lösung sei. Bisher wurden von der Kommission weder Beitragssätze noch Gesamtfinanzrahmen einer Bürgerversicherung präzisiert. Das nährt Befürchtungen, daß auch das SPD-Modell zu einer Gesundheitsversorgung »nach Kassenlage« führen würde.

      IG-Metall-Chef Jürgen Peters bekundete am Freitag prinzipielle Unterstützung für eine Bürgerversicherung, forderte aber weitere strukturelle Änderungen im Gesundheitssystem. Als Beispiele nannte er die Einführung einer an Wirksamkeit und Preisen orientierten Positivliste für verschreibungsfähige Medikamente und die Stärkung der Prävention, besonders gegen arbeitsbedingte Krankheiten.

      Ablehnung kam dagegen von der CDU. Sowohl der Gesundheitspolitiker Andreas Storm als auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller verteidigten die allerdings auch innerhalb der Unionsparteien heftig umstrittene Kopfpauschale, die einheitliche Beiträge für alle ohne Berücksichtigung des jeweiligen Einkommens vorsieht, als zukunfstfester und gerechter. Müller warnte im Saarländischen Rundfunk vor einer Beitragserhebung auf Kapitalerträge, da dies zu weiterer Kapital- und damit Steuerflucht führen würde, was Unternehmerpräsident Dieter Hundt am Freitag mit entsprechenden Ankündigungen untermauerte.

      Die FDP meldete sich am Freitag mit einem Konzept für einen »dritten Weg« zu Wort. »Ziel der FDP ist es, das Gesundheitssystem zu einem echten Versicherungssystem zu machen«, sagte die bayerische FDP-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Passauer Neuen Presse (Freitagausgabe). Eckpunkte seien eine Pflichtversicherung als Grundabsicherung, steuerfinanzierte Beitragsbeihilfen für Bedürftige sowie Zusatzversicherungen auf freiwilliger Basis. Ihr Fraktionskollege Max Stadler verwies auf das Beispiel der Kfz-Versicherung. Die Haftpflicht sei die auf Auto, Fahrer und Region abgestimmte Grundversicherung. Wer mehr möchte, könne gegen Aufpreis Teil- oder sogar Vollkasko-Versicherung wählen. So wie bei den Kfz-Versicherungen »der echte Wettbewerb der Versicherer« die Preise angemessen halte, solle es dann auch bei der Krankenversicherung sein. Stadler räumte immerhin ein, es sei »psychologisch problematisch, Gesundheit mit Sachschadensfällen zu vergleichen«.
      http://www.jungewelt.de/2004/08-28/001.php
      Avatar
      schrieb am 27.08.04 21:15:03
      Beitrag Nr. 1.901 ()
      Inland
      Mag Wompel*

      Protest und Verantwortung

      Der Widerstand gegen "Hartz IV". Kolumne


      Der Widerstand gegen »Hartz IV« nimmt vielfältige Formen an. Ziele sind auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) und deren regionale Gliederungen. So planen Erwerbsloseninitiativen für den 3. Januar 2005 die Aktion »AgenturSchluß« und bereits vom 2. bis 5. November sollen während einer Arbeitsagentur-Aktionswoche Proteste direkt zu den Ausführenden der sogenannten Arbeitsmarktreformen getragen werden. Am 6. November ist dann eine bundesweite Demonstration vor der Bundesagetur für Arbeit in Nürnberg geplant. LabourNet Deutschland, das als ein Koordinator zahlreicher solcher Aktivitäten wirkt, bekommt neben viel Zustimmung aus Gewerkschaftskreisen auch heftigen Widerspruch und Einwände hinsichtlich der Protestform zugesandt. So schrieb ein aktiver Gewerkschafter: »Diese Idee kommt der FDP sehr gelegen, weil sie ja die BA privatisieren will! Das ist moderne Maschinenstürmerei!«

      Protest direkt gegen die Arbeitsagenturen darf tatsächlich nicht unkritisch gesehen werden. Vor allem deshalb, weil das langfristige Ziel der Arbeitsmarktreformen auch darin besteht, die Arbeitslosenversicherung und die kostenlose Arbeitsvermittlung zu zerschlagen und durch private Dienstleister zu ersetzen. Aber sind die Arbeitsämter in der jetzigen und gar der geplanten Form wirklich erhaltenswert?

      Hier muß selbstverständlich unterschieden werden zwischen dem Protest gegen dort herrschende Schikanen und Zwang auf der einen Seite und der wichtigen Forderung nach einer Arbeitsvermittlung und Qualifizierung – für diejenigen, die sie wünschen –, die unabhängig und kostenfrei, da öffentlich finanziert sein soll. Die symbolische Aneignung gerade derjenigen Räume, in die die Erwerbslosen sonst unter Zwang gesetzt werden, ist durchaus geeignet, zu vermitteln, welche Art von »Arbeitsamt« sinnvoll sein könnte, und welche nicht.

      Ein weiteres Gegenargument – u. a. aus ver.di-Funktionärskreisen – lautet, man solle doch bitte die Kollegen, die die Gesetze auszuführen haben, in Ruhe (arbeiten) lassen: Ein Gewerkschaftsjournalist schrieb: »Nicht die Beschäftigten der Arbeitsämter, sondern Politiker haben Hartz IV zu verantworten.«

      Das mag aus einem durchaus ehrbareren Schutzinstinkt resultieren, doch verhindert dieser jede Auseinandersetzung, wird er zum Teil des Problems. Denn daß der öffentliche Dienst zu einem der wichtigsten Einfallstore für Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerung werden soll, ist kein Zufall. Gewerkschaftlich relativ schwach organisiert, als »faul« oder größtenteils »überflüssig« geltend und oft als autoritäre Kontrollinstanz erlebt, müssen Beamten und Angestellten der Ämter und Behörden den Beifall oder zumindest die Gleichgültigkeit eines Großteils der Bevölkerung fürchten, wenn es ihnen »an den Kragen« geht. Der öffentliche Dienst – mit Ausnahme vielleicht der Feuerwehr und des Gesundheitswesens – gilt für viele deshalb als »Feind«. Auch die Gewerkschaften setzen sich zu wenig mit den Inhalten der jeweiligen Tätigkeit, mit der Bedeutung öffentlicher Güter und mit der Notwendigkeit einer persönlichen Verantwortung für diese Arbeit auseinander.

      Die persönliche Verantwortung von Sachbearbeitern beginnt nicht erst in Ausnahmesituationen. Sie sollen Leistungskürzungen und verschärfte Kontrollen umsetzen, müssen Erschleichungsunterstellungen prüfen. Viele der sozial engagierten Beschäftigten von Ausländerbehörden, Sozial- und Arbeitsämtern haben sich versetzen lassen, als deutlich wurde, daß der disziplinarische, autoritäre Ton immer schärfer wurde und Vorschriften wie Einsparvorgaben von oben ihre Spielräume für respektvolle oder gar emanzipatorische Behandlung der »Kundschaft« zunehmend beschneiden.

      Doch es gibt immer noch solidarische Sachbearbeiter und auch einige Spielräume. Es wäre falsch, ja gefährlich, zu behaupten, in diesen Behörden, an der vordersten Front des Sozialabbaus, seien nur noch diejenigen übriggeblieben, die froh sind, von Amts wegen schikanieren zu dürfen. Es wäre aber genauso falsch, die Bürokraten unter ihnen nicht an ihre persönliche Verantwortung zu erinnern. Gefragt ist also nicht undifferenzierter Schutz der dortigen Kolleginnen und Kollegen, sondern das Anprangern, derer die Schikanieren, aber auch die Unterstützung der noch verbliebenen kritischen und solidarischen Sachbearbeiter, die durch Vorgaben diszipliniert und durch interne Bürokratie behindert werden. Jeder Erwerbslose weiß diese Personen zu unterscheiden und Namen zu nennen.

      Deshalb dürfen sich die Proteste nicht nur gegen die Verursacher (Parteien), sondern auch gegen die Umsetzer der Gesetze richten, auch und gerade, wenn es sich dabei um ver.di-Mitglieder handelt. Denn gewerkschaftspolitisch besteht das Gebot der Stunde nicht im Loben von Sozialschnüfflern, wie z.B. im letzten Jahr in der ver.di-Zeitung publik geschehen, sondern in der Auseinandersetzung über das Menschenbild und die Leitlinien der Behörden aus gesellschaftspolitischer, nicht ökonomischer Sicht. Wenn die Aktion »AgenturSchluß« ausdrücklich dazu aufruft, in den »Ablauf der Erwerbslosenbürokratie« einzugreifen, konfrontiert sie die Angestellten mit ihrer Rolle in der »Verfolgungsbetreuung« und der »Arbeitspolizei« und unterstützt damit gerade die solidarischen Kolleginnen und Kollegen.

      Das dritte, häufig genannte Gegenargument zu den zielgerichteten Protesten, ist die Beschäftigungssicherung. Doch der Erhalt von Arbeitsplätzen per se kann und darf kein Dogma sein. Tausende von Arbeitsplätzen gehören schon allein aus gewerkschaftlicher Sicht abgeschafft, weil sie mit unzumutbaren und krankmachenden Arbeitsbedingungen verbunden sind. Auch Sozialschnüffelei verträgt sich nicht mit gewerkschaftlichen Grundprinzipien. Die Aufgabe der Arbeitsämter ist es nicht, Arbeitsplätze für die Vermittler/Sachbearbeiter zu schaffen und zu erhalten – schon gar nicht, wenn diese nichts zu vermitteln haben und die Qualifizierungsmaßnahmen gegen Null zusammengestrichen werden.

      * Mag Wompel arbeitet als Redakteurin bei LabourNet Germany – www.Labournet.de – und schreibt regelmäßig an dieser Stelle zu Gewerkschaftsfragen

      http://www.jungewelt.de/2004/08-28/015.php
      Avatar
      schrieb am 09.09.04 17:13:34
      Beitrag Nr. 1.902 ()
      Kubikmeterware

      Marcus Hammerschmitt 09.09.2004
      Die Wasserversorgung im Saarland soll privatisiert werden


      Eine der wenigen Stärken der Antiglobalisierungsbewegung war immer die Kritik an der Kommodifizierung der Welt ("Die Welt ist keine Ware.") Mit dem gleichen Unbehagen (und mit einem ähnlichen Spruch) reagiert im Saarland ein heterogenes Bündnis auf die geplante Privatisierung der kommunalen Wasserwirtschaft. Ob es den Plänen etwas entgegenzusetzen hat?







      Es gibt wahrscheinlich bessere Gelegenheiten, um die Kritik der Globalisierung und ihre Kritik voranzutreiben als gerade Vorgänge im Saarland, von dem die meisten zu Recht nicht einmal wissen, wo es liegt. Andererseits hält das Saarland trotz der Ahnungslosigkeit der Nichtsaarländer (oder gerade wegen ihr) als eine Art universeller Katastrophenmaßstab her, wie Monika Rinck vor einiger Zeit in der taz dargestellt hat:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Ist etwas erst einmal so groß wie das Saarland, haben wir ein Problem.





      Und eine Katastrophe ist das, was sich dort mit der Wasserversorgung anbahnt, zweifellos.



      "Private können das billiger und besser"



      Warum kann man das wissen, oder zumindest begründet vermuten? Nun, wer sich ein wenig mit der Dynamik der neoliberalen Liberalisierung beschäftigt hat, und dazu gab es in den letzten fünfzehn Jahren ja reichlich Gelegenheit, der weiß, dass die Katastrophe regelmäßig mit einem doppelten Bekenntnis einsetzt: dem Bekenntnis öffentlicher Haushalte zur Sparsamkeit und dem Glaubenssatz, dass die "Privaten das besser und billiger können." Ein Kennzeichen von Religionen ist, dass ihnen die Realität nichts anhaben kann, und so ist auch die beeindruckende Anzahl an Liberalisierungsruinen, die diese beiden Bekenntnisse gemeinsam in die Welt gesetzt haben, den Predigern kein Grund zum Umdenken: Post, Bahn, Rundfunk und Fernsehen sind teilweise bis zur Unbenutzbarkeit zusammenreformiert worden, aber man hört immer noch, dass "Private das billiger und besser können."

      Wobei ja die besondere Ironie darin besteht, dass trotz der Liberalisierung die Restbestandteile der ehemaligen Staatsdomänen oder die aus ihnen hervorgegangenen "privaten" Unternehmen so bürokratisch sind wie eh und je, so dass sich in der wunderbaren neuen Wirtschaft Brutalität und Regulierung, Rücksichtslosigkeit und Bürokratie aufs Allerschönste ergänzen. Wenn die bisherigen Großerfolge bei der Privatisierung von Staatsbetrieben Präzedenzfälle für die Privatisierung der Wasserversorgung im Saarland sind, dann wird es in Zukunft gleichzeitig teurer und umständlicher werden, sauberes Wasser zu erhalten. Rostock, Berlin und Potsdam haben diese Erfahrung bereits hinter sich. Zwischen 1993 (dem ersten Jahr nach der Privatisierung) und 2000 stiegen die Abwassergebühren in Rostock um 144 Prozent, für einige Kundenprofile waren die Steigerungsraten noch viel krasser.


      Dabei hatte Eurawasser, der private Betreiber des kommunalen Abwassernetzes eigentlich versprochen, mit der Inflationsrate Schritt zu halten. Möglicherweise meinte man damit die Inflationsrate von Bolivien. Die private Industrie im Einzugsgebiet von Rostock, die nicht zur Wasserwirtschaft gehört, sondern von ihr abhängig ist, möchte jetzt gern von der Politik garantierte, billigere Sondertarife haben, wie das "Deutsche Verbände Forum" unter der Webdomain www.lobbyist.de meldet.


      Eine Art Ebay-Auktion


      In Berlin und Potsdam sieht es nicht viel anders aus. Als klar wurde, dass Eurawasser in Potsdam bis 2017 einen Preis von umgerechnet über acht Euro pro Kubikmeter Abwasser anstreben würde, kündigte Oberbürgermeister Platzeck den Vertrag. Aber der EVS (Entsorgungsverband Saar) möchte die saarländische Wasserwirtschaft trotzdem verkaufen, und die CDU-Regierung im Saarland, gerade triumphal wiedergewählt, ist dafür. Zunächst steht nur die Abwasserentsorgung zur Debatte und nicht die Trinkwasserversorgung, aber das Zukunftsbündnis Wasser argumentiert mit einigem Recht, dass beides nicht wirklich voneinander zu trennen ist.


      In einer Art eBay-Auktion scheint man die Abwasserwirtschaft des Saarlandes an den Meistbietenden verscherbeln zu wollen (auch hier völlig unbeeindruckt von so erfolgreichen Schildbürgerstreichen wie der UMTS-Auktion), die Bewerbungen der Kaufwilligen sind bereits eingetroffen, und die agierenden Politiker üben sich bereits in Beschwichtigungsformeln - wie zum Beispiel Kajo Breuer (Die Grünen), noch amtierender Oberbürgermeister von Saarbrücken, der verlauten ließ, man wolle so "elementare kommunale Güter" wie die Wasserwirtschaft nicht den Privaten allein überlassen - was auch völlig folgerichtig ist, denn wer soll für den Schaden letztendlich aufkommen, wenn die Privaten nach bekannter Manier die interessanten Profite am Wasser privatisieren, während sie die langweiligen Verluste sozialisieren?

      Das Zukunftsbündnis Wasser versucht diese und ähnliche Fragen den Politikern, sich selbst und dem Publikum zu stellen, und hat es dabei schwer. Nicht nur rudert es gegen das bekannte Phänomen an, dass die Allgemeinheit sich für ihre eigenen Belange eigentlich nicht interessiert (wie sich nur überdeutlich in der Wiederwahl der CDU-Landesregierung ausdrückt) auch die heterogene Zusammensetzung des Bündnisses selbst macht die Arbeit nicht gerade leichter. In Gewerkschaftskreisen (verdi ist auch mit dabei) spricht man von Verhältnissen, die "Rücksicht und Vertrauen" bei allen Beteiligten erforderten, wahrscheinlich vor allem bei denen, die nicht wie die Gewerkschaft um jeden Preis Arbeitsplätze retten will, selbst wenn dabei das Hauptziel der Initiative, die Verhinderung der Privatisierung, ein bisschen in den Hintergrund rutscht.


      Grundbedürfnisse: "The next Big Thing"



      Das Hauptproblem setzt aber noch tiefer an. Wenn die Initiative in guter globalisierungskritischer Tradition behauptet, die Welt (und vor allem auch das Wasser) seien keine Ware, dann beweist ihnen die Welt jeden Tag das Gegenteil. Tatsächlich leben wir in einem Wirtschaftssystem, das es sich zur lebenswichtigen Aufgabe gesetzt hat, buchstäblich alles in Waren zu verwandeln, und warum sollten das Wasser oder auch die Luft davon verschont sein? Der Versuch, Naturschutzgebiete der Nichtwarenförmigkeit für bestimmte Grundbedürfnisse oder die Lebensgrundlagen selbst (wie den genetischen Code) zu schaffen, wird an der enormen Gewalt scheitern, mit der unser Wirtschaftssystem seine Ansprüche auf die Verwertung von allem Verwertbaren durchsetzt - gerade die bisher noch geschützten Grundbedürfnisse, die dauerhaften und sicheren Umsatz versprechen, sind das verlockendste next big thing (vgl. Wasser - künstlich verteuertes Markenprodukt oder Allgemeingut?), das man sich bei den Verwertern nur vorstellen kann.

      In anderen Teilen der Welt nehmen die Konflikte um die Frage, wem das Wasser gehört, mittlerweile oft einen gewaltförmigen Charakter an. Demnächst also Wasserrevolten im Saarland? Wahrscheinlich nicht. Sondern einfach satte Umsätze für die Investoren, zufriedene Politiker, weniger zufriedene Bürger, die immer mehr strampeln müssen, um ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen und ansonsten der status quo. Wir sind ja hier schließlich nicht in Bolivien, wenn man mal von der Inflationsrate absieht, mit der Eurawasser zu rechnen scheint.


      Die Warenkritik der Zukunftsinitiative Wasser stimmt also zwar, aber sie greift zu kurz. Die Welt ist eine Ware, sie wird es jeden Tag mehr, weil sie jeden Tag mehr dazu gemacht wird. Dass der Initiative Erfolg bei der Verhinderung der Privatisierungspläne zu wünschen ist, versteht sich von selbst. Mehr als ein kurzes Aufatmen ergäbe sich daraus nicht.

      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/18291/1.html
      Avatar
      schrieb am 09.09.04 17:21:32
      Beitrag Nr. 1.903 ()
      Landwirtschaftsministerium ruft zu Notbevorratung auf - aber weshalb?


      Vor einigen Tagen berichteten wir über die Wirtschaftssicherstellungsverordnung, ein Gesetz, das Rationierungen und Zuteilungskarten ausdrücklich vorsieht, und der Artikel ist inzwischen zum meistgeklauten Beitrag des BWL-Boten avanciert. Inzwischen wurde bekannt, daß Renate Künasts Landwirtschaftsministerium ganz offiziell zur Notbevorratung aufruft - zeitgemäß mit eigener Webseite. Auch das sieht zuerst wie ein böser Sommerscherz aus, ist aber vollkommen ernstgemeint. Was steht uns also bevor, und wann? Gibt es etwas, was man uns nicht sagt?

      Auch der Spiegel berichtete über die ministerielle Aufforderung zur Notbevorratung, die von Künasts offiziellen Webseitenlyrikern nur ganz allgemein mit möglichen Naturkatastrophen, Tierseuchen oder großtechnischen Unglücksfällen begründet wird. Wie so oft muß man aber mehrere Details gemeinsam betrachten, um eine Situation angemessen zu würdigen.

      Am 13. August dieses Jahres trat die Verordnung über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft, die sogenannte Wirtschaftssicherstellungsverordnung (WiSiV) in Kraft. Das nur für Krisenzeiten vorgesehene Regelwerk regelt die vorrangige Erfüllung von Verträgen für öffentliche Auftraggeber (§2 WiSiV), in diesem Zusammenhang Vorrangbestellungen (§5 WiSiV), die Verpflichtung von Unternehmern zu Zwangsarbeit (§6 WiSiV), Warenbewirtschaftung (§7 WiSiV), Bezugsscheine (§9 WiSiV) und Zuteilungsnachweise (§10 WiSiV), also eine kompakte Kommandowirtschaft, wie manche sie noch aus Kriegszeiten kennen werden. In unserem Beitrag vom 18. August fragten wir uns, ob diese Verordnung, mitten in tiefsten Friedenszeiten erlassen, wirklich ernstgemeint oder doch nur ein böser Sommerscherz ist. Doch der Bundesanzeiger ist kein Witzblatt, leider.

      Wir vermuteten damals, daß der tiefere Sinne der WiSiV in einer bald erwarteten massiven Energiekrise infolge des Ausbaues der unsteten sogenannten "erneuerbaren" Energien und des gleichzeitigen Ausstieges aus der Kernkraft als sicherer und kontinuierlicher Energiequelle bestehe. In diesem Zusammenhang haben wir auch vermutet, daß die derzeitigen Bestrebungen, Festpreise für Energie einzuführen, eine Vorstufe zur künftigen Rationierung per Verwaltungsakt seien. Das erscheint insbesondere plausibel da uns schon die EU-Kommission Energierationierung ab 2007 angekündigt hat. Die nunmehr plötzlich bekanntwerdenden offiziellen Aufforderungen zur Notbevorratung scheinen jedoch auf eine andere Krise hinzudeuten, die kurzfristiger und möglicherweise heftiger ist. Offiziell wurde die Webseite als Reaktion auf den 11. September angelegt. Das Bestehen weiterer Gründe wird dementiert.

      So ist die mir vorliegende offizielle Stellungnahme aus dem Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, daß vergleichbare Aktionen zur Aufklärung der Bevölkerung über Notbevorratung schon seit vielen Jahren stattfinden (z.B. vor ca. 15 Jahren die "Aktion Eichhörnchen") und keinerlei Zusammenhang mit der Wirtschaftssicherstellungsverordnung bestehe. Die Webseite www.ernaehrungsvorsorge.de geht auf eine zwei Jahre alte Initiative des Bundes und der Länder zurück und ist nur zufällig zeitnah mit dem Inkrafttreten der WiSiV fertiggestellt und ins Netz gestellt worden. Wir werden über weitere Entwicklungen berichten, uns aber nicht an den bereits zahlreich im Netz kursierenden Spekulationen beteiligen.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 09.09.04 17:23:32
      Beitrag Nr. 1.904 ()
      Energiepreisexplosion: erst Festpreise, dann Rationierungen?


      Jetzt da mehrere Strom- und Gasversorger neue Preiserhöhungen angekündigt haben, werden die Rufe nach Festpreisen für Energie lauter. Steuersenkungen werden nach wie vor nur hinter vorgehaltener Hand gefordert, denn das ist nicht politisch korrekt. Und wir begehen offenbar den gleichen Fehler, den man in 2000/2001 in Kalifornien gemacht hat - mit möglicherweise den gleichen katastrophalen Folgen: Das ökologistische Regime hat also nichts gelernt, noch nicht mal vom großen Bruder, dem es doch in Afghanistan und anderswo alles so brav nachgemacht hat.

      Nachdem man in Kalifornien nämlich für viele Jahre nur auf "erneuerbare" Energien gesetzt hat, kam es 2001 zu massiven Versorgungsengpässen, auf die die dortigen Energieversorger durchaus marktwirtschaftlich mit Preiserhöhungen reagierten. Anstatt aber schleunigst die Kernenergie als einzige wirklich "nachhaltige" Energiequelle auszubauen, also im Sinne des Gemeinwohls zu handeln, reagierte man auch in Kalifornien mit Festpreisen für Energie - was im Frühjahr und Sommer 2001 zu einer wahren Kettenreaktion von Insolvenzen der Versorger und zu massiven Stromausfällen führte. Die Rationierungen wurden nicht angekündigt, um bewaffnete Auseinandersetzungen zu vermeiden. Das alles haben wir inzwischen schon recht erfolgreich verdrängt.

      Aber vielleicht nicht mehr lange, denn ganz ähnlich ist die Situation in Europa, wobei Regierungen wie das ökologistische Regime in Deutschland mit ihrem Ausstiegs- und Verknappungswahn die Situation noch weiter verschärfen. Daß dabei weder die bösen Araber mit ihrer Förderpolitik noch die zweifellos vorhandenen Preisabsprachen der ebenso bösen Konzerne die Hauptursache sind, zeigt auch diese Übersicht recht gut - oder unsere Solarenergie-Kostenrechnung. Hierdurch, und durch die Windenergie ist inzwischen eine massive Verknappung bei gleichzeitiger Arbeitsplatz- und Ressourcenvernichtung eingetreten, die bekanntlich schon im Horrorsommer 2003 zu erheblichen Versorgungsengpässen geführt hat. Und wenn es so weitergeht, und danach sieht es aus, haben wir ab 2007 schon Rationierung angekündigt bekommen - von einer EU-Kommissarin, also von allerhöchster Stelle. Aber all das verdrängen wir in unserer verlogenen Sehnsucht nach einer heilen Öko-Welt.

      Und es scheint ganz, was Deutschland von den USA unterscheidet, daß man hier eine Stromversorgung nur noch stundenweise und auf Zuteilungskarte als erwünschten Zustand gezielt anstrebt, denn die rechtlichen Rahmenbedingungen wurden mit der sogenannten Wirtschaftssicherstellungsverordnung erst vor wenigen Tagen geschaffen. Wir müssen und also wohl auf Kriegswirtschaft einstellen, allerdings ohne Krieg und ohne Notwendigkeit - falls der schläfrige Michel nicht doch noch erwacht. Dafür gibt es aber keine Anzeichen, denn "Protestieren" oder "die politischen Entscheidungsträger auswechseln" waren keine Alternativen bei der Publikumsbefragung zur Energiepreisexplosion heute Abend in "WiSo". Dafür wählten 65% der Befragten "Sparen" als optimale Handlungsweise: das Bürgertum versucht sich also noch immer, mit dem totalitären Ökologismus zu arrangieren. Aber daß Appeasement nichts nützt, haben wir schon gezeigt.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 09.09.04 17:33:10
      Beitrag Nr. 1.905 ()
      [Regionalgeld
      Fixe Idee oder echte Alternative zur Globalisierung?


      Autor: Mirko Tomic

      Die meisten Verbraucher haben sich mehr oder weniger mühsam an den Euro gewöhnt, da gibt es in manchen Regionen plötzlich eine ganz neue Währung: so genanntes Regionalgeld. Es ist nicht offiziell von der Bundesbank oder der EZB herausgegeben, sondern von den Bürgern selbst.
      Das Ziel: die lokale Wirtschaft im Kampf mit der Globalisierung zu unterstützen.
      Was steckt dahinter?

      Schlechte Zeiten
      Die Wirtschaftslage war schon mal besser. Im Kampf um Arbeitsplätze und Löhne fallen den wenigsten soziale Lösungen ein. Man soll kürzen und sparen, heißt es lapidar. Dem Volk wird angst und bange. Manager und Politiker zucken meist mit den Schultern. Aber weder das eine noch das andere hilft - vielleicht aber Eigeninitiative und eine gute Idee? [plusminus hat ein Projekt am Chiemsee gefunden, das Hoffnung macht.

      Kein Falschgeld
      Tief im Süden der Republik ist zumindest die Urlaubswelt noch in Ordnung. Am Chiemsee herrscht beschauliche Ruhe. Die Menschen leben in dem Gottvertrauen, dass alles den rechten Weg nimmt. Aber die gottgefällige Ruhe wird seit einiger Zeit ein wenig gestört. Merkwürdige Scheine wechseln den Besitzer. Eine neue Ordnung zieht scheinbar auf. In einer Schule im 10.000 Seelen Örtchen Prien findet sich die Quelle der neuen Scheine. Sozusagen in Heimarbeit wird hier seit 2003 der "Chiemgauer" gedruckt. Geboren aus einem Oberstufenklassen-Schulprojekt zum besseren Verständnis von Wirtschaftskreisläufen. Für Christian Gelleri, Lehrer und Projektgründer ist der "Chiemgauer" inzwischen eine Regionalwährung zum Vorteil für alle Beteiligten.

      Was sagt der Einzelhandel dazu?
      Bisher haben sich rund 180 Geschäfte im gesamten Chiemgau dem Projekt angeschlossen. Ladenbesitzerin Maria Würmser betreibt ein Schuhgeschäft und bestätigt: "Ich habe keine schlechten Erfahrungen gemacht. Ich habe dadurch etliche Neukunden gewonnen."

      Und die Regionalwährung funktioniert. Vom Schuhgeschäft über Hotel und Gaststätte bis zum Lebensmittelladen sind die Kaufleute dabei, einen regionalen Waren- und Geldkreislauf aufzubauen. Eva Kohlmannsberger betreibt einen Supermarkt mit überwiegend regionalen Produkten. Auch für sie funktioniert der "Chiemgauer": "Ich habe einige Zulieferer, die ich mit dem "Chiemgauer" bezahlen kann, oder zumindest einen Teil der Rechnung, die ich mit "Chiemgauer" zahle. Oder ich nehme ihn privat. Ich mache eine Privatentnahme aus meinem Geschäft und gehe damit in andere Geschäfte einkaufen."

      Kreislaufwirtschaft
      Circa 20.000 "Chiemgauer" sind in Umlauf. Das Prinzip ist der Kreislauf. Die Schüler betreuen ihren Chiemgauer wie eine Zentral-Bank. Die Kunden tauschen als Mitglieder im Bankverein Chiemgauer in beliebiger Menge eins zu eins gegen Euro. Eingekauft wird bei teilnehmenden Geschäften, deren Inhaber wiederum selbst mit "Chiemgauern" einkaufen. Wer statt einzukaufen direkt zurücktauscht muss eine fünfprozentige Abschlagsgebühr entrichten. So bleibt das Geld im Kreislauf - und nützt zum Beispiel der heimischen Käserei Huber in Frasdorf. Seit Einführung des "Chiemgauers" stieg der Umsatz und zwei neue Arbeitsplätze konnten geschaffen werden.

      Auch Ökonom Prof. Ulrich Scheiper, von der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt kann dem "Chiemgauer" durchaus Vorteile abgewinnen: "Die Verfechter dieses Systems wollen den Euro nicht abschaffen. Das wäre auch unsinnig, weil wir in einer globalisierten Welt leben. Aber das Entscheidende ist, dass der Euro, wenn sie so wollen, Weltgeld ist und keine Rücksicht nimmt auf regionale Besonderheiten, und auch nicht auf das Allgemeinwohl in der Region. Das kann er auch nicht, und deshalb brauchen wir eine Alternative dazu. Und die sehe ich durchaus in den Komplementärwährungen."

      Wie eine regionale Kundenkarte
      Das anfangs als Schülerübung belächelte Projekt mausert sich. Über 300 Mitglieder hat der Verein heute. 180.000 Euro Umsatz werden dieses Jahr wohl erreicht. Und Stundenlöhne zwischen zwei und vier Euro für die Mitarbeiter werden auch schon gezahlt. Tendenz und Aussicht: gut.

      Prof. Ulrich Scheiper wundert das nicht: Es ist ein Bonussystem. Letztlich ist das Regiogeld auch nichts anderes als die Kundenkarte, die anfangs vielleicht auch belächelt wurde und die heute durch "payback" und "miles & more" deutschlandweit Verbreitung findet."

      Ist die Globalisierung aufzuhalten?
      Discounter und Filialbetriebe fühlen sich aber auch im Chiemgau nicht regional verbunden. Sie wollen kassieren - möglichst ohne Konkurrenz und ohne "Chiemgauer". Und genau dieses Problem behindert die Wirtschaftsentwicklung meint Prof. Ulrich Scheiper von der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt: "Wir haben fast keinen Platz mehr, um Wirtschaftskreisläufe in einer Region zu realisieren, und damit machen sich Volkswirtschaften und auch Regionalwirtschaften abhängig vom Weltmarktgeschehen. Das ist sozusagen die Gegenbewegung. Wir wollen einen geschlossenen Wirtschaftskreislauf in einer Region realisieren, der uns mit so genannten primären Gütern versorgt. Das sind Nahrungsmittel, das ist das Handwerk, das sind Dienstleistungen und die Energieversorgung. Regionale Energieversorgung ist ein großes Zukunfthema."

      Die Schüler aus Prien machen derweil unverdrossen weiter. Die Gründungsgeneration hat sich zurückgezogen, macht Abitur. Der Nachwuchs muss jetzt das Projekt am Laufen halten. Schließlich ist der Chiemgauer ein Produkt, dass beworben und unter die Leute gebracht werden will. Zur Zeit kommt fast jeden Tag ein neuer Laden hinzu, und Nachahmer finden sich bereits in ganz Deutschland.



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      Dieser Text gibt den Inhalt des Beitrags der Sendung [plusminus vom 07.09.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      Saarländischer Rundfunk
      [plusminus
      66100 Saarbrücken
      E-mail: plusminus@sr-online.de
      http://www.sr-online.de/statisch/Programm/Fernsehen/ARD/Plus…
      Avatar
      schrieb am 09.09.04 17:40:37
      Beitrag Nr. 1.906 ()
      Avatar
      schrieb am 09.09.04 17:48:27
      Beitrag Nr. 1.907 ()
      Avatar
      schrieb am 20.09.04 20:12:16
      Beitrag Nr. 1.908 ()
      Offener Brief

      An den
      Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern

      Herrn Dr. Edmund Stoiber

      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14021Offenerbriefsto…

      Schuldenabbau - nur eine schöne Illusion?




      Sehr geehrter Herr Dr. Stoiber,

      Sie gehören zu den engagiertesten Verfechtern eines zügigen Schuldenabbaus und haben sich erst in der letzten Woche damit wieder vernehmbar zu Wort gemeldet. Dafür, dass Sie die öffentliche Aufmerksamkeit auf dieses stetig eskalierendes Problem lenken, gebührt Ihnen Dank und Anerkennung.

      Sie haben vollkommen recht, wenn Sie auf die gigantische Höhe der Zinszahlungen hinweisen, die von Bund, Ländern und Gemeinden aufgebracht werden müssen. Sie haben vollkommen recht, wenn Sie fordern, die Politik des Schuldenmachens müsse schleunigst beendet werden. Sie haben sogar dann vollkommen recht, wenn Sie das drohende Gespenst des Staatsbankrotts an die Wand malen.

      Doch der Ausweg, den Sie anbieten, führt nicht zur Erlösung, sondern nur in einen anderen Winkel der gleichen Hölle.


      Es ist unter den Bedingungen unseres Geldsystems schlicht unmöglich, einmal entstandene Schulden wieder aus der Welt zu schaffen, ohne dabei die für Handel und Wandel unerlässliche Menge umlaufenden Geldes zu mindern. Dies klingt noch relativ harmlos. Die eigentliche Dimension des Problems wird aber offenbar, wenn man versucht, die Frage zu beantworten, die ich nun Ihnen vorlegen möchte:


      "Wie viel Geld bleibt übrig, Herr Dr. Stoiber, wenn alle Schulden getilgt sind?"

      Sie sind ein hochintelligenter Mensch, umgeben von hochkarätigen Beratern, Ihnen steht nahezu jede Informationsquelle dieser Welt offen. Es wird Ihnen ein Leichtes sein, die Antwort zu finden.

      Aber weil dies ein offener Brief ist, der von allen interessierten Menschen unseres Landes verstanden werden soll, will ich die richtige Antwort mitgeben und den Beweis dafür in einfachen, verständlichen und nachvollziehbaren Worten herleiten:


      "Das vorhandene Geld reicht bei Weitem nicht aus,
      auch nur die Hälfte der Schulden zu tilgen."

      Wenn Sie, wie ich vermute, ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass das nicht sein kann, weil es genug Geld geben muss, um alle Schulden bezahlen zu können - schließlich war das Geld doch auch da, als es verliehen wurde - dann ist dieser Gedanke zunächst gar nicht so abwegig. Aber leider entpuppt er sich bei näherem Hinsehen als ein verhängnisvoller Irrtum.

      Wieso?

      Leicht nachvollziehbar ist zunächst einmal die Überlegung, dass vieles, was wir als Geld bezeichnen oder sogar für Geld halten, in Wahrheit gar keines ist.

      Aktien, zum Beispiel, sind kein Geld. Aktien sind Anteilsscheine an Unternehmen, aber kein Geld. Im Gegenteil, um Aktien zu erwerben, muss man Geld hingeben. Wer Aktien verkauft, erwartet dafür eine Bezahlung in Geld.

      Das ist unstrittig, oder?

      Festverzinsliche Wertpapiere sind ebenfalls kein Geld. Es sind "normierte" Schuldscheine. Wer einen Pfandbrief besitzt, hat dafür Geld hergegeben und erwartet zur Fälligkeit die Rückzahlung von Geld.

      Auch das ist noch klar, oder?

      Das Guthaben auf einem Sparbuch? Ist das noch Geld?

      Nein, auch nicht.

      Das Geld im Sparschwein war Geld. Als es bei der Sparkasse eingezahlt wurde, verwandelte es sich in ein Guthaben und stellt nun lediglich noch einen Anspruch des Sparers auf Geld dar, den er unter Einhaltung der Kündigungsfristen geltend machen kann.

      Das ist schon schwerer zu verstehen, aber ich denke, Sie werden auch dieser Betrachtungsweise ohne längeres Nachdenken zustimmen können. Also können wir festhalten:



      Alle Formen der Geldanlage weisen auf ein Schuldverhältnis hin. Der Anleger ist der Gläubiger und in aller Regel ist eine Bank oder der Staat der Schuldner.

      Noch einfacher ausgedrückt heißt das:

      Jemand, der Geld verliehen hat, hat einen Anspruch auf Geld. Das Geld hat er nicht, auch wenn er noch so schöne Dokumente, Zertifikate und Sparbücher in der Hand hält. Das sind alles nur besondere Formen von Schuldscheinen.

      Der Einfachheit halber (und nur für den Laien irreführend) wird dieses in "Schuldscheinen" angesammelte Vermögen der Gläubiger gerne als "Geldvermögen" bezeichnet. Geldvermögen ist also kein Geld, sondern der Anspruch des Gläubigers auf Geld. Sie werden auch jetzt zustimmend nicken, wenn ich daraus folgere:


      Dem Geldvermögen auf der einen Seite steht auf der anderen Seite
      zwangsläufig immer eine Schuld in gleicher Höhe gegenüber.

      Dies hat als Konsequenz die Erkenntnis:


      Geld, mit dem man Schulden tilgen kann, ist nur das Geld,
      das als Bargeld oder als Guthaben auf Girokonten vorhanden ist.

      Im Wirtschaftsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gibt es etwa 80 Milliarden Bargeld in Form von Banknoten und Münzen und etwa 600 Milliarden Euro Guthaben auf Girokonten. Alleine die Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden sind mehr als doppelt so hoch. Es ist also unmöglich, mit dem vorhandenen Geld auch nur die Schulden der Öffentlichen Haushalte zu tilgen.

      Leider, Herr Ministerpräsident, kommen immer wieder kluge VWL-Professoren daher und erklären, das sei eine falsche Betrachtungsweise. Das vorhandene Geld gehe ja durch die Tilung nicht verloren. Im Gegenteil, die Empfänger von Tilungsleistungen müssten es ihrerseits nur wieder ausgeben, oder es verwenden um eigene Schulden zu tilgen und schon sei es möglich, mit einem einzigen Euro alle Schulden dieser Welt zu tilgen.

      Dies ist ein hanebüchener Lug- und Trugschluss.

      Es ist hanebüchen, zu behaupten, dass Gläubiger empfangene Tilgungsleistungen regelmäßig dazu nutzen, um damit offene Rechnungen zu bezahlen, oder eigene Schulden zu tilgen. Die meisten Gläubiger haben nämlich gar keine Schulden und suchen nur wieder nach einer neuen Anlagemöglichkeit, also nach einem neuen Schuldner.

      Es ist überdies hanebüchen so zu tun, als würde das Giralgeld die Übertragung auf ein anderes Konto in allen Fällen unbeschadet überstehen. Immer dann, wenn eine Überweisung auf ein überzogenes, also im Soll befindliches Konto trifft, verschwindet Giralgeld vollständig und endgültig. Nur zur Verdeutlichung: Wenn der Arbeitgeber am Ende des Monats 2.000 Euro Geld auf das um 3.000 Euro überzogene Gehaltskonto eines Angestellten überweist, so löst sich dieses Geld im Augenblick der Buchung vollständig auf. Der Arbeitgeber hat das Geld nicht mehr auf dem Konto und beim Angestellten ist auch kein Geld auf dem Konto, lediglich seine Schulden haben sich um 2.000 Euro vermindert.

      Dass die Bank das Geld nun hätte, ist ein origineller Einwand, der die Sonderrolle des Bankensektors im monetären Geschehen ignoriert. Die Bank hat mit der teilweisen Tilgung des Dispo-Kredits auf dem Konto des Angestellten nämlich das Problem, schnellstmöglich einen neuen Schuldner finden zu müssen. Sonst tut sie sich schwer, Ihren Gläubigern (also den Anlegern) die vereinbarten Guthabenzinsen zu zahlen.


      Ihr Versuch, Herr Dr. Stoiber, Ausgaben zu begrenzen und Staatsschulden durch Tilgung zu mindern, führt dazu, dass vorhandenes Geld aus dem Umlauf herausgenommen und bei den Banken und anderen Gläubigern angesammelt wird. Weil der Großteil der Kredite aber von Gläubigern vergeben wird, die mehr Geld und Geldvermögen besitzen, als sie jemals für ihre Lebenshaltung aufzuwenden in der Lage wären, wird das zur Tilgung verwandte Geld bei den Banken und Gläubigern festgehalten, bis sich jemand findet, der es erneut gegen Zins zu leihen nimmt.

      Geschieht dies, ist es in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung völlig gleichgültig, dass sich der Staat zuvor entlastet hat. Die Gesamtverschuldung und damit die Gesamtzinsbelastung ist, sobald das Geld als neuer Kredit wieder in Umlauf ist, nicht geringer geworden, in aller Regel hat sich die Lage sogar verschärft, weil mit Privatpersonen und Wirtschaftsunternehmen höhere Zinssätze vereinbart werden können, als mit dem guten Schuldner Staat.

      Nur wenn das zur Tilgung verwendete Geld nicht erneut verliehen wird, sinken die Schulden und damit die gesamtwirtschaftliche Zinslast, aber weil das verfügbare Geld nicht ausreicht, alle Schulden zu tilgen, werden sie zwangsläufig, alleine durch Zins und Zinseszins, in absehbarer Zeit den alten Stand erreichen und ungebremst weiter wachsen.

      Was also kann Tilgung tatsächlich bewirken?

      Wer, wie Sie es propagieren, forciert in die Tilgung geht und der Neuverschuldung den Kampf ansagt, der mindert die umlaufende Geldmenge und läutet damit deflationäre Tendenzen ein. Dass wir dies in Deutschland bereits erleben, ist nicht zu leugnen.

      Mehr kann Tilgung gesamtwirtschaftlich nicht bewirken. Wenn Wirtschaft und Handel nicht vollkommen zum Erliegen kommen sollen, muss stets mindestens soviel Neuverschuldung eingegangen werden, wie erforderlich ist, um die Ansprüche der Gläubiger an Zins- und Tilgungslasten zu befriedigen. Wobei automatisch so viel Wachstum erzwungen wird, wie nötig ist, um die Zinseszinslawine am Leben zu erhalten.

      Tilgung hat also allenfalls leidensverlängernde Wirkung.




      Und nun?

      Wenn Sie bereit waren, diesen Ausführungen bis hierher zu folgen, Herr Dr. Stoiber, dann stehen wir jetzt gemeinsam vor der bitteren Erkenntnis, dass die Schulden unaufhaltsam weiterwachsen werden, selbst wenn jeder verfügbare Euro zur Tilgung verwendet würde. Es gibt einfach mehr Schulden, als Geld. Dies klingt paradox, aber wenn man sich mit der Frage beschäftigt, wie Geld eigentlich entsteht, wird aus dem Paradoxon die gnadenlose Gesetzmäßigkeit eines betrügerischen, räuberischen, erpresserischen Systems.


      Es ist an der Zeit zu fragen, wie Geld überhaupt entsteht.


      Schafft Ausgabenbeschränkung Geld?

      Ausgabenbeschränkung führt dazu, dass weniger Geld benötigt wird, aber wer kein Geld hat und davon nichts ausgibt, wird auch weiterhin kein Geld haben.

      Schafft Geldanlage Geld?

      Wer Geld anlegt, bekommt dafür in aller Regel Zinsen. Aber Zinsen sind Geld, das, bevor es dem Gläubiger gutgeschrieben werden kann, irgendwo anders entstanden sein muss. Wäre es anders, bräuchte man ja wirklich nur je einen männlichen und einen weiblichen Hundert-Euro-Scheine in den Safe legen und warten, bis sich auf wundersame Weise der Nachwuchs einstellt.

      Schafft Arbeit Geld?

      Durch Arbeit entstehen Produkte und Leistungen, durch Arbeit werden Bodenschätze gehoben und Ernten eingebracht, aber es entsteht dabei kein Geld. Die vermeintliche Ausnahme entpuppt sich im übernächsten Absatz als Irrtum.

      Schafft wenigstens unbezahlte Mehrarbeit Geld?

      Natürlich auch nicht. Durch unbezahlte Mehrarbeit entstehen ebenfalls nur Produkte und Leistungen, aber kein Geld.

      Schaffen die Bundesbank oder die EZB Geld?

      Interessante Frage. Zur Geldschöpfung der Zentralbanken sind viele abenteuerliche Annahmen im Umlauf. Die Wahrheit ist bestürzend und ernüchternd. Die Zentralbanken lassen zwar die Banknoten drucken, aber was da entsteht und im Keller der Zentralbank liegt, ist nichts als bedrucktes Papier. Mehr als bedrucktes Papier können die Zentralbanken nicht herstellen. Erst wenn jemand kommt, und sich die Scheine leiht, kommen sie ans Licht und sind damit zu Geld geworden.

      Wie also entsteht Geld wirklich?

      Geld, lieber Herr Dr. Stoiber, gibt es in unserem System nur und ausschließlich dadurch, dass jemand einen Kredit aufnimmt und sich verschuldet. Eigentlich und tatsächlich entsteht das Geld sogar erst dann, wenn der Schuldner das aus dem Kredit vom Gläubiger erhaltene Guthaben an einen Dritten weitergibt. Erst für diesen Dritten ist aus dem Kredit unbelastetes Geld geworden. Er kann frei darüber verfügen, braucht es nicht zurückzahlen. Er hat Geld.

      Der Schuldner, der das Geld weitergegeben hat, muss zusehen, dass er irgendwie wieder zu Geld kommt, um den Kredit pünktlich bedienen zu können. Er muss also arbeiten, produzieren, dienstleisten, um das ausgegebene Geld zurück zu erhalten. Das ist das Ideal der geldgestützten Tauschwirtschaft. Die Sache hat nur einen Haken:

      Es gibt nämlich niemals genügend Geld, um die Schulden zurückzahlen zu können. Das erklärt sich ganz einfach daraus, dass auf jede Schuld Zinsen fällig werden. Das Geld, das zur Bezahlung der Zinsen benötigt wird, wird aber bei der Kreditgewährung nicht mit hergestellt.


      Auch wenn einige Volkswirtschaftsprofessoren sich zu der ebenso unverfrorenen wie absurden Behauptung versteigen:

      "Weil mehr Geld zurück bezahlt werden muss, als herausgegeben wird, wird das für den Zins benötigte Geld im Grunde und im Prinzip und de facto und zur Vereinfachung der weiteren Betrachtung theoretisch, also auch praktisch und tatsächlich, mit dem Eingehen des Kreditvertrages geschaffen",

      ändert sich daran nichts.

      So kann es also nicht ausbleiben, dass alleine zur Tilgung der Zinsen regelmäßig neue Kredite ausgereicht und neue Schuldverhältnisse eingegangen werden müssen. Die Verschuldung des Staates und seiner Bürger muss stetig wachsen. Wer versucht, gegen diesen Prozess mit forcierter Tilgung anzugehen, betreibt letztlich nichts als Geldvernichtung und stranguliert die Volkswirtschaft.


      Das, worüber Sie sich zurecht aufregen, Herr Dr. Stoiber, ist das Grundprinzip unseres Geldsystems.
      Nun gelangen wird damit an die Grenzen.
      Das System droht zu kollabieren.
      Wieder einmal.

      Wäre es also nicht an der Zeit, das Übel an der Wurzel zu packen und den Fehler im Geldsystem zu korrigieren?

      Ach so, Sie halten das alles für einen ausgemachten Schmarrn? Ihre Berater flüstern Ihnen ein, dass irgendwie über den Diskontsatz und den Greenspan und die EZB und die Bayerische Landesbank schon alles mit rechten Dingen seinen richtigen Gang geht und man nur immer brav dafür sorgen muss, dass die Staatsschulden nicht in den Himmel wachsen?

      Es ist schwer, sich aus dem Nebel der Wahrnehmung scheinbar unendlicher Ströme immer und überall verfügbaren Geldes jene Wahrheit herauszudestillieren, die ich Ihnen soeben vorgestellt habe. Aber es ist fahrlässig, sich dieser Aufgabe durch ein leichtfertiges Abwinken zu entziehen. Also erlaube ich mir, Sie um eine Erklärung zu bitten.


      Sie fordern weiterhin den forcierten Schuldenabbau durch Tilgung?
      Sie verlangen dafür äußerste Sparanstrengungen?

      Dann sollten Sie wenigstens in der Lage sein, klar und unmissverständlich aufzuzeigen, wo das Geld dafür herkommen soll, ohne dass sich dafür (irgendwo auf der Welt) irgend jemand erneut verschulden müsste.

      Sollte Ihnen das gelingen, werde ich mich mit allen Kräften dafür einsetzen, dass Ihnen baldmöglichst der Nobelpreis verliehen wird.

      Gelingt es Ihnen aber nicht, sollten Sie mithelfen, das Geldproblem zu lösen, anstatt weiterhin mit aller Kraft zu versuchen, das Land in sinnlosem Tilgungsbemühen kaputt zu sparen.


      Mit freundlichen Grüßen

      Egon W. Kreutzer



      PS

      An alle Mitleser dieses Offenen Briefes

      Niemand sollte schadenfroh darüber lachen, dass Edmund Stoiber den Schwarzen Peter hat. Wir alle haben den Schwarzen Peter. Es ist unmöglich, die gewünschte Erklärung zu finden. Wir sollten daher zugeben, dass auch wir die Lösung "innerhalb des Systems" nicht finden könnten.

      Wir sitzen alle in der gleichen Falle und müssen miteinander den Ausweg suchen. Einen möglichen Weg, die Misere zu beenden, habe ich vor einiger Zeit vorgeschlagen. Wenn Sie daran interessiert sind, Sie finden ihn im Internet unter http://home.knuut.de/EWKberater/Geld/Grundlagen7.html
      Avatar
      schrieb am 30.09.04 11:10:06
      Beitrag Nr. 1.909 ()
      Jens Ehrhardt zu Fannie Mae
      66,96 USD - WKN 856099

      Die jüngsten (erneuten) Turbulenzen um den US Hypotheken-
      Finanzierer Fannie Mae (15% Kursverlust
      in drei Tagen) können als weiterer Akt im
      Drama "Demaskierung der US-Marktwirtschaft"
      interpretiert werden. Unter dem Tarnmantel der
      sozialen Verantwortung und Warmherzigkeit hat
      sich Fannie Mae der Immobilienfinanzierung von
      Millionen Amerikanern mit niedrigerem Einkommen
      verschrieben, um ihnen den Traum eines
      Eigenheims zu erfüllen. Ganz so selbstlos, wie
      dieser fromme Wunsch erahnen lassen mag,
      agierte die Bank dabei allerdings nicht. Ganz im
      Gegenteil, die nackten Zahlen sprechen eine völlig
      andere Sprache.

      Laut einer Studie der US-Notenbank konnte Fannie
      Mae zusammen mit ihrem Schwesterinstitut
      Freddie Mac aufgrund staatlicher Garantien mit
      einem Refinanzierungsvorteil von 40 Basispunkten
      (0,4%) am Markt agieren, wovon allerdings
      gerade einmal 7 Basispunkte an den Kunden
      weitergegeben worden sind, den Rest dieser
      "Staatssubvention" strichen die beiden
      Hypothekeninstitute selber ein. Kein Wunder, dass
      beispielsweise der Fannie Mae-Vorstand Raines
      im letzten Jahr auf ein Jahressalair von 20 Mio. USD
      kam (inclusive Aktienoptionen).
      Eigentlicher Stein des Anstoßes ist jedoch die
      offensichtlich wenig konservative Buchhaltungspraxis
      von Fannie Mae. Kerngeschäft
      von Fannie Mae ist die Hypothekenfinanzierung.
      Hypothekenkredite werden von Banken oder anderen
      Verleihern aufgekauft, anschließend in
      Wertpapierform gebündelt, verbrieft und wieder
      weiterveräußert. Zuletzt ist Fannie Mae allerdings
      zunehmend dazu übergegangen, selbst Hypotheken
      bzw. hypothekenbezogene Wertpapiere
      im eigenen Portfolio zu halten. Im letzten
      Geschäftsjahr 2003 beispielsweise waren die
      Erträge dieses rentableren (aber auch
      risikoreicheren) Geschäftsfeldes mit 4,4 Mrd. USD
      sogar deutlich höher als in der traditionellen
      Hypothekenfinanzierung (2,9 Mrd. USD). Das Problem
      bei US-Hypotheken ist, dass der Schuldner
      jederzeit das Recht zur Tilgung bzw. Umschuldung
      hat. Der Anreiz hierfür ist um so höher, je
      stärker die Zinsen fallen. Da die Rückzahlung nur
      zum Nennwert erfolgt, der Wert der Papiere aber
      bei niedrigen bzw. fallenden Zinsen jedoch höher
      liegt, entstehen Fannie Mae dadurch unangenehme
      Gewinnbelastungen, zumal auch die
      Refinanzierungskosten der Bank in der Regel
      nicht in adäquater Geschwindigkeit nach unten
      angeglichen werden können. Fannie Mae versucht,
      Zins- bzw. Gewinnrisiken dieser Art mit
      Derivaten, wie beispielsweise Zinsswaps, abzusichern.
      Diese Strategie lief aber zuletzt offensichtlich
      zunehmend aus dem Ruder. Nur durch das Ausnutzen
      einer Ausnahmeregelung für sogenannte
      Cash Flow Hedges (Gewinn- oder Verlustauswirkungen
      aus diesen Derivaten können über
      einen Zeitraum von 10 Jahren oder länger gestreckt
      werden) war es beispielsweise möglich,
      2002 noch einen Gewinn von 6,4 Mrd. USD auszuweisen
      gegenüber tiefroten Zahlen bei konservativer
      Verbuchung (kumulierter Cash Flow
      Hedge-Verlust schon damals 8,9 Mrd. USD bzw. ein
      Jahr später 12 Mrd. USD!).

      Bedenkt man darüber hinaus, dass Fannie Mae bei
      konservativer Verbuchung möglicherweise die
      aufsichtsrechtlichen Eigenkapital-Minderanforderungen
      unterschreiten würde und dass die
      Bank zusammen mit Schwestergesellschaft
      Freddie Mac mit ca. 4 Billionen USD in etwa die
      Hälfte des amerikanischen Hypothekenmarktes
      (bekanntlich der Hauptnährboden für den US-Konsum
      und damit die amerikanische Konjunktur)
      kontrolliert, dann wirft dies nicht nur ein bezeichnendes
      Licht auf die Bonität bzw. Gewinnqualität
      von US-Unternehmen, sondern zeigt
      gleichzeitig auf erschreckende Weise auch die
      volkswirtschaftliche Dimension dieser sich immer
      deutlicher herausschälenden planwirtschaftlichen
      Fehlentwicklung auf. Vor allen
      Dingen der Fannie Mae-Kurs bleibt in diesem
      Zusammenhang weiter absturzgefährdet.
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 17:39:14
      Beitrag Nr. 1.910 ()
      Kannegiessers geheime Kolonne

      150.000 unbesetzbare offene Stellen in der Metall- und Elektroindustrie?


      Kommentar von
      Egon W. Kreutzer
      28. September 2004

      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14022Kannegiesser.ht…

      Verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit hat sich in der Metall- und Elektroindustrie ein Abgrund aufgetan. 150.000 offene Stellen können trotz eines Millionenheeres von Arbeitslosen nicht besetzt werden. Das ist in diesen Tagen die Meldung zur Stimmungslage, mit der sich Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser einen Platz in den Schlagzeilen erobert hat.

      Da macht es nichts, dass niemand diese 150.000 unbesetzten Arbeitsplätze erfasst und gezählt hat. Wenn Herr Kannegießer das sagt, dann glaubt man ihm. Herr Kannegiesser ist ein ehrenwerter Mann und die gute Mär von den offenen Stellen ist in den Zeiten rabiater Arbeitsplatzvernichtung ein so wunderbares Himmelszeichen, dass selbst Herr Huber von IG-Metall am 28. September im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF erklärte, er wolle diesen Aufschwung nicht mit kleinlichen Zweifeln kaputtreden. Stattdessen beschränkte er sich darauf, Herrn Kannegiesser darüber zu belehren, dass, wer nicht ausbildet, auch keine qualifizierten Mitarbeiter vom Arbeitsmarkt erwarten kann. Ein wunderschönes Eigentor - und ein Hohn für die vielen gut und hochqualifizierten Arbeitssuchenden, die oft genug mit der fadenscheinigen Begründung "überqualifiziert" von den Personalabteilungen aussortiert werden.



      Was steckt dahinter?

      Der Aufschwung, so klingt es klagend aus Kannegiessers Worten, wäre ja eigentlich längst da, die notwendigen Stellen längst geschaffen -

      dass der Aufschwung trotzdem nicht stattfindet liegt nur daran, dass die bösen Arbeitslosen nicht die wünschenswerte Lust haben und dass die blöden Arbeitslosen, von denen es auch mehr als genug gibt, nicht die wünschenswerte Qualifikation haben, um die schönen Jobs in der Metall- und Elektroindustrie zufriedenstellend zu erledigen.

      Gleichzeitig wird im politischen Unterholz weiter an der Schwarzarbeiterlegende gebastelt. 370 Milliarden Euro sollen es sein, die jährlich in Deutschland von Schwarzarbeitern erwirtschaftet werden - das wären, grob gerechnet, 25 Millionen Vollzeit-Schwarzarbeiter. Eine absolut hirnrissige Behauptung, die aber mit der Aussage "täglich 1 Milliarde Euro" in leicht abgewandelter Form sogar in ganzseitige Zeitungsanzeigen der Bundesregierung Eingang gefunden hat. Am Freitag, dieser Woche wird die ARD in der Sendung "Operation Schwarzarbeit" an dieser Legende weiterbasteln. Der selbständig mitdenkende Medienkonsument soll 1 und 1 zusammenzählen und ganz von alleine zum gewünschten Schluss kommen:

      a) Alle Arbeitslosen sind Schwarzarbeiter

      Wenn man die gigantischen Zahlen über die Schwarzarbeit hört, wird klar: Die allermeisten Arbeitslosen sind Schwarzarbeiter, es kann gar nicht anders sein.

      b) Den Arbeitslosen geht es viel zu gut

      Wenn man bedenkt, dass Arbeitslosengeld + Schwarzarbeiterlohn ein Gesamteinkommen ergeben, das ein legal Beschäftigter gar nicht erwirtschaften kann, wird die Niedertracht der arbeitslosen Schwarzarbeiter erst richtig erkennbar. Die leben doch wie die Made im Speck, aber anstatt Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen, lassen sie sich mit Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe das Leben erst noch richtig versüßen.

      c) Die Arbeitslosen wollen doch in Wahrheit gar keine legalen Jobs

      Es ist also nur logisch und gleichzeitig ein weiterer Beweis für die "Mitnehmergesellschaft", über die sich jüngst sogar der Kanzler empörte, dass die Industrie unter mehr als vier Millionen Arbeitslosen händeringend nach Mitarbeitern sucht und die offenen Stellen trotzdem nicht besetzen kann. Die wollen doch gar nicht. Denen geht es so doch viel besser!

      d) Damit muss nun aber endlich Schluss gemacht werden

      Wer so weit gedacht hat, wird mit grimmer Schadenfreude zustimmen, wenn Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gekürzt und abgeschafft werden. Wer so weit gedacht hat, weiß dann auch, dass es die angebliche Not und Armut der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger gar nicht gibt. Dass alle diese Greuelmärchen nichts anderes sind, als Schutzbehauptungen raffgieriger Schwarzarbeiter, denen jedes Mittel recht ist, um zu verbergen, wie gut es ihnen in Wahrheit geht. Wer so weit gedacht hat, stimmt dem Reformkurs freudig zu, glaubt, dass Ein-Euro-Jobs genau das richtige Druckmittel sind, um die Schwarzarbeiter an den legalen Arbeitsplatz zurückzuzwingen. Wer so weit gedacht hat, hört auf zu demonstrieren und wählt wieder die SPD oder die CDU oder die CSU oder die FDP oder die Grünen, statt gar nicht, oder - noch schlimmer - Protest zu wählen.



      Wer arbeiten will, der findet auch Arbeit.

      Nichts anderes sagt Herr Kannegiesser und das glaubt man Herrn Kannegiesser. Einem Arbeitslosen braucht man nichts glauben. Da kennt man sich aus, da weiß man`s besser.

      Herrn Kannegiessers 150.000 Jobs sind eine Schätzung. Seine Schätzung. Man weiß aus Erfahrung, sagt er, dass die gesamten offenen Stellen immer ungefähr dreimal so hoch sind, wie die den Arbeitsagenturen gemeldeten offenen Stellen. Herrn Kannegießer glaubt man das.


      Propaganda

      56.000 offene Stellen in der Metall- und Elektroindustrie sind den Arbeitsagenturen gemeldet. Rund 100.000 hat Herr Kannegiesser mal eben so dazugeschätzt. Selbst wenn es diese 150.000 offenen Stellen tatsächlich gäbe, wäre die Zahl im Vergleich zu über vier Millionen offiziell zugegebenen Arbeitslosen lächerlich. Würden alle diese 150.000 Stellen besetzt, hätten wir trotzdem immer noch über vier Millionen Arbeitslose. Würde die Metall- und Elektroindustrie die Zahl ihrer Beschäftigten von heute auf morgen verdoppeln, es blieben immer noch weit mehr als 150.000 Menschen ohne Arbeit. Soviel zum Verständnis der Größenordnungen und der Verhältnisse.

      In den letzten beiden Jahren wurden durchschnittlich an jedem Tag Entscheidungen über den Abbau von mehr als 2.800 deutschen Arbeitsplätzen getroffen. Jeden Monat im Durchschnitt 85.000. Kannegiessers geheimnisvollen 150.000 offenen Stellen werden von der deutschen Wirtschaft in weniger als zwei Monaten wieder vernichtet.

      Wo hat er sie her? Wie will er im Stellenaufbau mit dem Stellenabbau Schritt halten können? Hat nicht alleine VW jüngst angedroht, 30.000 Stellen in deutschen Werken streichen zu wollen?


      Herrn Kannegiessers Propaganda ist selbstentlarvend.

      Kein gewinnorientiertes Unternehmen dieser Welt lässt offene Stellen unbesetzt, wenn es damit rechnet, die Arbeitsplätze auch auslasten zu können.

      Den idealen Bewerber für auch nur einigermaßen qualifizierte Jobs gibt es nicht. Ein Unternehmen, dass einen Mitarbeiter wirklich braucht, um seine Erfolgschancen wahrnehmen zu können, stellt den bestgeeigneten Bewerber ein und macht ihn fit für den Job. Schnellstmöglich.

      Wer an jedem Bewerber etwas zu bemäkeln hat, der braucht in Wahrheit keinen Mitarbeiter - der braucht und schafft sich Argumente.

      Argumente die das Geschehen in der eigenen betriebswirtschaftlichen Welt begründen helfen, zum Beispiel in der Frage, warum die tatsächlich beschäftigten Mitarbeiter gezwungen werden müssen, statt 35 Wochenstunden künftig 38 Wochenstunden zu arbeiten, dafür aber nur noch für 33 Wochenstunden bezahlt werden, wie es der Autozulieferer TRW in Schalke verlangte, der dann als Belohnung für solche Zugeständnisse nur 140 Arbeitsplätze abbaut, statt - wie angedroht - gleich die Hälfte der 900 Stellen plattzumachen.

      Er schafft aber auch Argumente, die den politisch Verantwortlichen den Weg weisen, wie die volks- und weltwirtschaftlichen Weichen zu stellen sind, damit die Wirtschaft und vor allem das hinter der Wirtschaft stehende Kapital größtmögliche Gewinne erwirtschaften und weitgehend unbehelligt von Fiskus und Sozialsystemen für sich behalten darf.

      In Deutschland werden seit Jahren in ganz erheblichem Umfang netto Arbeitsplätze abgebaut,

      teils durch Entlassungen, teils durch Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, teils durch natürliche Fluktuation. Im Gefolge dieses Arbeitsplatzverlustes verlieren die Sozialen Sicherungssysteme und die Öffentlichen Haushalte, trotz unveränderter oder sogar noch steigender Gesamtleistung des Wirtschaftsraumes, massiv an Einnahmen, weil ihre Finanzierung nahezu ausschließlich von den Zwangsbeiträgen der Zwangsversicherten, sowie von den Einnahmen aus der Lohnsteuer und den Verbrauchssteuern abhängt, die wiederum von den abhängig Beschäftigten aufgebracht werden müssen, während die Gewinne der Unternehmen und der Kapitalgeber nur marginal herangezogen werden.

      Statt die Grundfrage nach einer gerechten Finanzierung zu stellen und dabei die gestiegene Produktivität, die gewachsenen Privatvermögen in den Händen einer schmalen Oberschicht und die daraus generierten Einkünfte aus Zinsen, Mieten und Spekulationen endlich im erforderlichen und durchaus möglichen Umfang zur Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben heranzuziehen, wird in fataler Konsequenz ein Sparkurs eingeschlagen, der mit Stellenabbau und Arbeitsplatzvernichtung bei Bund, Ländern und Gemeinden, bei den Sozialkassen und im gesamten Bereich der Gesundheitsversorgung den Kahlschlag fortsetzt, den die Wirtschaft in den Betrieben begonnen hat.

      All denen, die das Gefühl nicht los werden, dass an der ganzen offiziellen Argumentation etwas nicht stimmt, dass sich Wachstum trotz aller Beteuerungen ums Verrecken nicht herbeisparen lässt, hat Herr Kannegiesser wieder einmal einen Knochen hingeworfen, an dem sie sich für eine Weile die Zähne ausbeißen können:


      Geschätzte 150.000 offene und angeblich nicht besetzbare Stellen in der Metall- und Elektroindustrie.


      Nun knappert mal schön.

      (Die Metall- und Elektro-Industrie ist der größte Wirtschaftszweig der Republik und beschäftigt rund 3,5 Millionen Menschen. Alleine die natürliche Fluktuation führt also zu einem Bedarf von jährlich 150.000 Neueinstellungen. Je nachdem, wie lange sich die Unternehmen für die Suche nach Ersatz Zeit lassen, ergibt sich daraus ein Sockel von 40 - 50.000 "offenen" Stellen. Dieser Wert korrespondiert erstaunlich gut, mit den 56.000 Stellenangeboten, die bei den Arbeitsagenturen gemeldet sind.)

      nach oben
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 17:48:21
      Beitrag Nr. 1.911 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
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      http://www.spatzseite.de


      Die eigentliche Klimakatastrophe: 19.09.2004
      DIESE WOCHE




      Diese Woche rätselt der Spatz, weshalb mitten im Frieden in Deutschland Notstandsgesetze in Kraft gesetzt werden und überlegt, ob die Instabilität des Finanzsektors vielleicht etwas damit zu tun haben könnte. Er rätselt, ob ein Krieg möglich wäre, und wofür er gut sein könnte - unschöne Aussichten da der Aufschwung angeblich gleich um die Ecke kommt. Aber kommt er wirklich, oder nimmt er die Bahn?

      Und bald wird`s richtig heiß



      Die Regierung könne keine Arbeitsplätze schaffen, meinte der Kanzler als Entschuldigung vor Anti-Hartz-IV-Demonstranten, denn das sei nicht ihre Aufgabe. Aber die Regierung hat unter anderem das Erneuerbare-Energien-Gesetz verabschiedet. War das etwa kein Versuch, der Arbeitsplatzbeschaffung? Dieses Gesetz zwingt die Stromverbraucher eine Energieform zu finanzieren, die für eine moderne Industriegesellschaft, in der die Maschinen nicht nur laufen, wenn gerade mal Wind weht oder die Sonne scheint, völlig nutzlos ist. Wer witterungsunabhängig Strom braucht, muß witterungsunabhängige Kraftwerke vorhalten. Wenn die alternativen Kraftwerke der Regierungsförderung zufällig mal Strom liefern, senken sie die Effizienz der witterungsunabhängigen Kraftwerke. Das ist so einfach nachzuvollziehen, daß es selbst Regierungsvertreter begreifen könnten; doch die sind entweder mit den Schuldzuweisungen an andere oder Schlimmerem beschäftigt.

      Mit der Förderung von Wind- Sonne- und Kotenergie auf Kosten der Stromverbraucher dachte man natürlich, auf schlaue Art (nämlich auf Kosten anderer) Arbeitsplätze in den entsprechenden Industriezweigen zu schaffen. Schlau nämlich, weil das durch den verordneten Zwangskonsum geförderte Angebot kein marktwirksames Angebot darstellte: Vermehrte Angebote senken bei gegebener zahlungsfähiger Nachfrage die Preise. Das wollte man vermeiden. Denn die überhöhten Preisen finanzieren derzeit die nötigsten Kurzzeitrenditen der Spekulation. Die Langzeitrenditen werden bei den Banken "angeschrieben", vermehren aber den Druck zur Finanzierung der zur Wahrung des Scheins kurzfristig auszuschüttenden Renditen. Wertpapiere, die sich nicht zu rentieren scheinen, sind nichts wert. Damit steht und fällt das Finanzsystem. Im Finanzsystem spiegelt sich die gesellschaftliche Macht. Jene würde mit diesem hinweggeschwemmt. Daher gilt das Finanzsystem als unantastbar. Allerdings vernichten die hohen Energiekosten und die durch sie geminderte Zahlungsfähigkeit Arbeitsplätze, mehr als dadurch geschaffen wurden.

      Doch hängt unser Finanzsystem seit langem in der Luft und ist eine mit Klimbim verzierte, plumpe Wechselreiterei. Das bezeugen schon die ungeheuren Geldmengen, die sich bei Finanzderivate ansammeln. Im letzten Vierteljahr erreichten allein diese - und es gibt noch andere Derivate, wie vom Spatz schon mehrfach erwähnt - den Buchwert von 304 Billionen US$. Das sind unvorstellbare Geldbeträge. Im Vergleich dazu ist das neue Rekord-Außenhandelsdefizit der USA im letzten Vierteljahr von 163,58 Mrd. US$ oder das Zahlungsbilanzdefizit der USA allein in diesem Jahr bis Ende Juni von 313,34 Mrd. US$. (das ist die "Entwicklungshilfe" oder der "Tribut" den die Welt für die USA aufbringt) kaum mehr als ein Rundungsfehler.

      Mit den anlagehungrigen Geldern der Finanzspekulation ließe sich viel machen: Die meisten Anleger wären froh, wenn ihre Spargroschen statt in windigen Spekulationsgeschäften in große, zukunftsträchtige, produktive Unternehmungen angelegt würden, z.B. in einer unter dem Stichwort "Eurasische Landbrücke" geführten Entwicklungsperspektive für Zentralasien, die dem Raum mit der Armut ihr Spannungspotential nähme. Um ihnen eine (geringe) Rentabilität zusichern, wären nur neue Regelungen des Zentralbankwesens und des Finanzsystems nötig, zum Beispiel das Verbot bestimmter Finanzspekulationen und deren Derivate. Um das zu erreichen, bräuchten wir in der Politik Eurasiens allerdings Manns- und Weibsbilder statt der üblichen Politverkäufer.

      Der Glaube an das Finanzsystem und die Verlockung durch lukrativen Finanzschnäppchen noch etwas zu gewinnen, ohne das System anzufassen, verhält sich wie der Glaube an die christliche Demut angesichts der Hofhaltung der Renaissancepäpste. Wankt erst der Glaube, lodern bald Scheiterhaufen. Schuld ist angesichts des weltweit angerichteten Massenelends zweifellos vorhanden, nur wird sie - wie meistens - falschen Stellen zugeschrieben. So jammert die hiesige Politklasse medienwirksam über die Energiekonzerne, die ganz im Zuge der gesetzlich verordneten "Liberalisierung" die Situation ausnutzen und die Energiepreise anheben. Daß die Politklasse selbst in großer, angeblich ökologischer Begeisterung mit Energiesteuern und vielen anderen teuren Zwangsmaßnahmen die Energiepreise angehoben hat, scheinen die Damen und Herren wie "ihr Geschwätz von gestern" vergessen zu haben: 40% der Stromkosten bestehen nach Angaben des Energiekonzerns Vattenfall aus Steuern und Abgaben (bei Treibstoffen ist es noch mehr), dagegen seien die Erlöse der Versorgungsbetriebe (schwer nachprüfbar!) seit dem Jahr 2000 um 18% gefallen.

      Ins gleiche Horn stieß Exkanzler Kohl, wenn er auf einer Wahlkundgebung in Strausberg am 14.9. sinngemäß ausrief: "Im Westen hat es in der Industrie in führender Position Leute gegeben, die keinerlei Interesse an der Entwicklung ostdeutscher Firmen hatten ... Statt dessen sahen viele Wirtschaftsbosse nur den Markt der 17 Millionen Konsumenten in der DDR, deren Produktionskapazitäten sie nicht wollten, weil es in der alten Bundesrepublik Überkapazitäten gab". Als hätte er selbst nicht über die Ermordung Alfred Herrhausens und Detlev Rohwedders, die die Wirtschaft der DDR im Hinblick auf eine wirtschaftliche Entspannung in Osteuropa hatten ausbauen wollen, die verlogene Decke der RAF III gezogen, um gewisse Dienste und deren politische Ziele zu decken. Erst mit seiner Frau Breuel in der Treuhand wurde die Wirtschaft im Osten im genannten Sinne abgewickelt.

      Unsere Politiker erwecken heute den Eindruck, als läge der Aufschwung hinter der nächsten Ecke. Insgeheim aber bastelten sie von den demokratisch hochgefeierten Medien ungestört an neuen Notstandsgesetzen, sie - das sind die Protestanten gegen die Notstandsgesetze von 1968 - ersetzten das alte "Wirtschaftssicherstellungsgesetz" durch eine viel schärfere "Wirtschaftssicherstellungsverordnung" (WiSiV). Diese wurde klammheimlich am 25.11.2003 im Bundestag und am 12.08.2004 im Bundesrat verabschiedet und trat am 13. August in Kraft.

      Es ist nicht im Prinzip falsch, wenn eine Regierung ihr Land auf mögliche Notfälle vorbereitet. Doch warum mußte diese Notverordnung gerade jetzt, 15 Jahre nach dem Ende des kalten Krieges, heimlich neugefaßt und verschärft werden? Droht ein Krieg, droht eine Revolution, droht eine Katastrophe noch größeren Ausmaßes? Die Sicherstellungsverordnung - ergänzt durch das Verkehrsleistungsgesetz, das Ernährungssicherstellungsgesetz und das Wassersicherstellungsgesetz - ermöglicht eine totalitäre Kommandowirtschaft. Danach müssen Unternehmer der gewerblichen Wirtschaft (§1 Abs. 1 WiSiV) Verträge vorrangig erfüllen (§2 WiSiV), wenn Ihnen eine "Vorrangerklärung" vorgelegt wird. Diese können Bund, Länder, Gemeinden und juristische Personen des öffentlichen Rechtes verhängen (§3 Abs. 1 und 2 WiSiV). Mit einer solchen Vorrangerklärung werden alle anderen Verpflichtungen der Firma in den Hintergrund gedrängt oder aufgehoben. Auch ohne "Vorrangerklärung" kann einem Unternehmer eine bestimmte Erfüllungszeit (für einen staatlichen Auftrag) befohlen werden. Ebenso kann der Firma die Erfüllung mit Dritten geschlossener Verträge verboten werden (§6 WiSiV). Schließlich ermöglicht §7 WiSiV die Anordnung einer umfassenden Warenbewirtschaftung mit "Bezugsscheinen" (z.B. Lebensmittelkarten) und "Zuteilungsnachweisen" vor (§9 WiSiV).

      Vor einem Jahr hatte die EU-Kommissarin Loyola de Palacio aufgrund der europäischen Energiepolitik ab 2007 Energierationierungen angekündigt. Für 2005 wird der Handel mit CO2-Emissionsrechten, selbst schon eine drastische Rationierungsmaßnahme, verhängt - und das bei bereits 8,6 Millionen Arbeitslosen. Es scheint also klar zu sein, wofür wir bald Bezugsscheine und Zuteilungsnachweise brauchen. Doch Vorsicht! Wer nur an die grüne Öko-Diktatur denkt, verkennt die eigentliche Funktion der Umweltschutzhysterie.

      Am Vorabend des Jahrestreffens des Internationalen Währungsfonds (IWF) schickte Charles Dallars der Geschäftsführende Direktor des Instituts für Internationale Finanzen einen offenen Brief an alle Finanzminister, die dem IWF angehören. Darin warnt er vor "globaler Unausgewogenheit", "Unsicherheiten" und verlangte "dringend" Schritte auf dem Gebiet des "Krisenmanagements" und der "Vorbeugung". Im Handelsblatt war am 8.9.2004 zu lesen, daß das 900 Mrd. US$ umfassende Hedge-Funds-Geschäft (Spekulant Warren Buffet nannte Hedge-Funds "Finanzielle Massenvernichtungswaffen") seit Jahresbeginn keinen müden Dollar Gewinn gemacht hat, und folgerte daraus "jeden Moment kann eine große Bombe hochgehen".

      Nicht nur Finanzkrach droht, sondern diesem vorbeugend auch Krieg: Selbst in der "westlichen" Presse häufen sich Artikel, die recht eindeutig nachweisen, daß die beiden italienischen und die beiden französischen Geiseln im Irak nicht von sogenannten Islamisten, sondern von den Leuten der US-Marionette Alawi und westlichen Diensten entführt worden sind. Indische Quellen zeigen auf, daß die sogenannten tschetschenischen und anderen Terroristen gegen Rußland vom Pakistanischen ISI, dem Partner des CIA im Fergana-Tal in Kirgisien ausgebildet wurden. Man verwendete dazu Leute mit starken antirussischen Gefühlen, die religiös die Sunniten und die Shia bekämpfen und zumeist wahabitischen beziehungsweise Sufi Orden angehören. Die Inder meinen zu wissen, die Terroranschläge sollten Rußland davon abhalten, den Iranern beim Bau ihrer Kernkraftwerke zu helfen. Das Ziel der US und pakistanischen Kooperation sei es gewesen, Rußland mit sich selbst zu beschäftigen, um freie Hand gegen den Iran zu bekommen. Zufällig sei der Iran das einzige Land, das die Palästinenser noch unterstützt.

      Die Warnung des US-Außenministers Colin Powell und der westlichen Medien, Rußland verlasse den Pfad der Demokratie, erinnert an den Kalten Krieg. Entsprechend scharf wies der Russische Kollege Lawrow den Vorwurf zurück: Die von Putin im Zuge des Beslan-Überfalls angekündigten Reformen des Sicherheitssystems und der staatlichen Verfahren werden (anders als in den USA im Zuge des 11.9.) entsprechend unseren "demokratischen Vorstellungen" und "in Übereinstimmung mit der Russischen Verfassung durchgeführt". Der Russische Präsident hat in einer Rede vor russischen Politikern klargestellt, er sehe nun im Terrorismus einen Aspekt der "asymmetrischen Kriegsführung", wie sie zur Zeit des Kalten Krieges zwischen den Blöcken stattfand. "Ein Aspekt!" Andere, die Putin nicht ansprach, sind das Finanzwesen und die gezielte Korrumpierung von Politikern und sogenannten Wirtschaftsführern, z.B. den "Oligarchen" aus der Jelzin-Ära.

      Ob der Krieg kalt bleibt, oder heiß wird, wird nicht in Berlin entschieden. Aber wir stehen inmitten der neoliberalen Weltrevolution und den damit verbundenen Weltmachtträumen. Es geht um die Frage: Ist es für alle das Beste, wenn sich der jeweils Stärkere durchsetzt, oder wenn gemeinsame große Ziele und Aufgaben die Menschen, Staaten und Kulturen zur Zusammenarbeit begeistern? Marktgesetz und Recht des Stärkeren oder Solidarität, Weiterwursteln mit dem derzeitigen Finanzsystem oder eine eurasische Infrastrukturentwicklung zum Wohl von Milliarden von Menschen, das ist die Frage.

      An ihr entscheidet sich unsere Zukunft und in ihr gibt es keine Stimmenthaltung, nicht einmal in Deutschland. Es ist nicht genug sich auf den schlimmsten Fall vorzubereiten, solange man zu seiner Verhinderung etwas anderes unternehmen kann, als wegsehen, leugnen, nicht wahr haben wollen.
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 18:00:23
      Beitrag Nr. 1.912 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
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      Wählen, wo keine Wahl ist: 26.09.2004
      DIESE WOCHE
      Diese Woche untersucht der Spatz die Demokratie, oder was man so dafür hält. Er schaut, ob es einen neuen Klassengegensatz gibt, und wie die herrschende Schicht versucht, ihre Macht zu stabilisieren und einem möglichen Zornesausbruch des Volkes vorzubeugen. Ein erschreckender Beitrag mit düsteren Aussichten.

      Wer weiß weiter?



      77 Prozent der befragten Deutschen halten die Demokratie für die "einzig denkbare und beste Staatsform". Wer würde einem fremden Menschen, der Zettel und Bleistift gezückt hat, auf seine Fragen etwas anderes antworten wollen? Aber selbst wenn man sicher wäre, daß der Gegenüber nicht... und vor allem, wenn man sich von dem Sog frei machen könnte, der von Befragern ausgeht und einzig nur die Frage aufkommen läßt: "Was will der von mir hören?", was sonst wollte man antworten? Schade, daß die 13 Prozent Westdeutschen und 21 Prozent Ostdeutschen nicht sagten, welches bessere politische System sie sich vorstellen könnten. Etwa: "Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder haben"? Ja, wenn`s der alte wäre und kein Jetset-Offspring, wie man ihn in anderen Monarchien, vor allem solchen, die als Musterland der Demokratie gelten, bewundern kann. Es ist schon gut, wenn das Volk selbst entscheidet, wer über es regieren soll.

      Entscheidet es aber? Sind es nicht immer nur die anderen, die entscheiden, während man selbst mit dem vorlieb nehmen muß, was dabei herauskommt? Ja, man könnte, wenn man Zeit und Geld übrig hätte und eine Alternative wüßte… 88 Prozent der Bundesbürger wagten immerhin - nachdem es ihnen die Medien in den Mund gelegt hatten - vor gezücktem Bleistift einer Forsa-Umfrage zu bekennen, das Vertrauen in die Politik verloren zu haben und bezeichneten diesen Vertrauensschwund als "groß" oder "sehr groß". Die Politiker sind aber nicht die einzigen, die das Vertrauen der Bevölkerung verspielt haben: 46 Prozent trauen auch Industriemanagern nicht mehr, 21 nicht den Spitzenbeamten, aber nur 15 mißtrauen Journalisten. Seltsam, wo die doch die Meinungen filtern, in die, die es gibt, und die, die es nicht gibt. Zugegeben, die Prozentzahlen der Wahlen stehen wie alle derartigen Meinungen auf wackeligen Füßen. Aber sie lassen hochkommen und gewähren - selbst wenn man ihnen nicht mehr traut. Jetzt wollen in Sachen und Brandenburg die Hauptverlierer bei der jüngsten Wahl regieren.

      Wahlen unterscheiden sich kaum von momentanen Meinungsumfragen. Es ist da wie in der Kaufhalle: Was soll man bei dem Angebot mitnehmen? Wenn es sich um Hemden oder Blusen handelt, fällt man die Entscheidung hautnah. Aber in der Politik? Theoretisch gingen hier die Entscheidungen sogar unter die Haut - aber wer kann/will das schon überblicken: "Die werden das schon richtig machen, schließlich sind sie vom Fach". Ehe die Bevölkerung die Wirkung zu spüren bekommt, vergehen oft Jahre und dann liegen die eigentlichen Entscheidungen weit zurück und die Verantwortlichen stehen nicht mehr zur Wahl.

      Bei den jüngsten Wahlen verloren bekanntlich beide führenden Parteien "kräftig". Das enttäuschte vor allem die "Opposition", die sich aufgrund der miesen Stimmung - nach dem Motto, wenn den nicht, dann den - Zugewinne erhofft hatte. Damit war es aber nichts: Nichtwähler und Wähler gaben zu verstehen, daß ihnen die ganze Richtung nicht mehr paßt. Doch es geht in der Richtung weiter, ob mit Zustimmung oder ohne, ob mit der Koalition oder mit der Opposition. Nur die Grünen legten zu, denn es geht in ihre Richtung: Vorwärts bis ans "Ende der Industriegesellschaft"! Morgenthau dachte an Deutschland, die Grünen an ganz Europa.

      Professor Paul Nolte glaubt zu wissen, was der Fall ist. Im Stern meint er: "Der untere Rand der Gesellschaft ist dabei, sich aus der Demokratie zu verabschieden". Was will der Rand stattdessen? Nolte beobachtet des weiteren "eine Tendenz der Oberschicht, die Arbeit in der Gesellschaft den mittleren Schichten zu überlassen" das heißt wohl, auf die Unterschicht verzichten zu wollen. Wohin mit ihr also? Kurz, er meint: "Die Krise der Demokratie ist eine Klassenfrage". Was ist mit einer solchen Formulierung gewonnen, etwa Klassenkampf? Den Professor stört, daß keine der Parteien die Politischen Lager abbildet, so daß keiner mehr die politische Lage diskutiert werden kann; er meint: in und durch die angeblich politischen Parteien - hier hat er Recht. Alle Parteien sind - so der Professor - in sich gespalten, in Leute, die in die vorgegebene Richtung ziehen und solche, die ohne anstößig zu erscheinen versuchen, sich dagegen zu stemmen. Aber haben nach 1918 die Parteien je die politische Vorstellungen der Bürger abgebildet oder nur die der Sieger? Sie haben versucht, egoistische Interessen von Personen und Personengruppen zu "Wahlprogrammen" zusammenzufassen, die dann auch so verblasen ausfielen, daß sich jeder das Seine darunter vorstellen konnte. Das war auch "gut so", weil sie ohnehin nicht umgesetzt werden sollte. Eine Richtungsvorgabe für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung wurde nicht versucht. Es hat auch nie jemand danach gefragt. Das ging so, weil die Menschen so, wie es lief, einigermaßen zu frieden waren.

      Haben jüngste Wahlen an der Unzufriedenheit und den Montagsdemonstrationen etwas geändert? Der Kanzler meint laut FAZ "ja". Die Teilnahme ginge zurück, weil die Leute keine Alternative zu dem sehen, was er macht. Der Kanzler hofft, daß sich seine guten Beziehungen zu "Attac" und ihrem Sprecher Peter Wahl wie geplant auswirken. Dem erlaubten Austoben folgt - wie geplant - die Erschlaffung. Wahl ließ am 21. in Berlin verkünden, die Zeit der Montagsdemonstrationen sei vorbei. Am 2. Oktober käme es noch einmal zu einer Großveranstaltung in Berlin - und das war es dann auch. Dem typischen 68er ist in Sachen Politkarriere das Hemd näher als der Rock und er zeigt, daß "Attac" der Sozialhygiene dient und die politische Meinungshandhabe pflegeleichter macht.

      In den großen Städten ging die Teilnehmerzahl angeblich (wer hat nachgezählt?) etwas zurück, doch nahm die Zahl der Städte mit Demonstrationen zu. Sie finden längst nicht mehr nur in Deutschland statt. In den für ihre Lösung der Arbeitslosenproblematik angeblich vorbildlichen Niederlanden finden aus den gleichen Gründen Demonstrationen - dort heißen die Einschnitte ins Sozialwesen natürlich nicht Hartz IV oder Agenda 2010, doch die Sache ist die gleiche. Dort gingen 50.000 auf die Straße. In Rotterdam blockierten Warnstreiks einen Tag lang Innenstadt und Hafen, ähnlich wütend ging es in Den Hague, Geldern und Vlissingen zu. Der Widerstand gegen die Umverteilungsreformen soll auch schon auf Kopenhagen, Brüssel, Rom und Paris übergesprungen sein. Selbst in der Schweiz kommt es in den sieben größeren Städten zu Demonstrationen und Protesten. Die Berichterstattung hält sich aufgrund "höherer Vernunft" zurück.

      In Frankreich und Italien versuchten die Wirtschaftsminister bereits, eine Notbremse zu ziehen: Sie nötigten Großhandelsketten, ihre Preise um ein paar Prozentpunkte zu senken. Bei uns glaubt man, genügten die altbewährten Neidgefühle, man entfachte eine Diskussion um die Energiepreise der Großkonzerne, ohne die Energiesteuern zu senken. Dies und die Verschärfung der wirtschaftspolitischen Notstandsgesetze zeigen, daß der herrschenden Politelite Zweifel kommen, ob sie ihren Auftraggebern, den Geschäftsbanken im Hintergrund gerecht werden kann. Droht als wirklich "Klassenkampf" oder versucht man wieder - wie von Moses Hess in seinem Buch "Jerusalem oder Rom" Mitte des 19. Jahrhunderts als bessere Lösung vorgeschlagen - so etwas wie "Rassenkrieg". Die NPD rüstet gegen die Islamisten um. Wer hat sie wohl auf die Idee gebracht? Etwa ihre zahlreichen Betreuer vom Verfassungsschutz oder ihre neuen, israelischen Freunde?

      Die Spitzen der Elite zeigen aber noch keine Anzeichen von Panik. Auch das hat seine Gründe. Sie haben - wie mir Leute, die es wissen sollten, allerdings unüberprüfbar versichert haben - längst Ihre Schäflein in Sicherheit gebracht. Sie haben, wie z.B. Kommissar Verheugen (SPD) ihre üppig zugeflossenen Gelder in Ländern angelegt, die sie für politisch stabil halten und in die sie sich vor einem eventuell ausbrechenden Volkszorn glauben zurückziehen zu können. Angeblich sind für diesen Notfall schon Regelungen getroffen worden und steht die Flugbereitschaft der jeweiligen Wehrmacht bereit, um die Herren und Damen Demokraten gegebenenfalls auszufliegen. Schließlich ist es wichtig, daß sie in einem solchen Fall beim Großen Bruder für die Zeit danach eine Exilregierung bilden.

      Fraglich ist nur, ob ihre Scherflein in den scheinbar stabilen Ländern auch sicher sind, denn beim Geld endet bekanntlich die Freundschaft. Der Internationale Währungsfond hat in seinem jüngsten "World Economic Outlook" z.B. vor einer weltweiten Hypothekenkrise gewarnt. Die mäßige Zunahme sogenannter Bruttosozialprodukte sei zum großen Teil durch gewaltige Steigerungen bei Boden und Immobilienpreisen (über 50% in 6 Jahren) überzeichnet worden. Diese Preise, die damit verbundenen Hypotheken und der Wert entsprechender Anlagen ließen sich auf Dauer nicht mehr halten. In den USA stehen die beiden halbamtlichen Hypotheken-Refinanzierungsfirmen "Fannie Mae" und "Freddie Mac" bereits unter "kriminellen" Betrugsverdacht (Aus Verzweiflung wurden Bücher gefälscht). Jedenfalls dürften die Preise bei Immobilien einbrechen, wenn die Zinsen weiter steigen und zu Verkäufen zwingen.

      Verlieren Arbeitslosen mit der Arbeit auch die Wohnung, ist wahrscheinlich selbst in den USA Schluß mit lustig. Der eine oder andere wird sich auch dort fragen, ob es denn wirklich so ist, daß der freie Markt die beste Gewähr für Wirtschaftswachstum und Wohlstand des gesamten Volkes und nicht nur seiner sogenannten Elite bietet. Was aber tun, wenn der Markt, das heißt die ihn steuernden reichsten Geschäftsbanken, nicht mehr regieren? Was tun, wenn das Vertrauen in Politiker und Top-Manager verspielt ist? Was tun, wenn alles, was an amtlichen Statistiken, Äußerungen zur neueren Geschichte und Politik aus gutem Grund unter Täuschungsverdacht gerät und die allgegenwärtige Werbung selbst das Gefühl für Wahrheit erstickt hat. Bietet kann dann irgendein neuer Starker Mann oder "kleiner Hitler" eine Lösung bieten?

      Vertrauen und Wahrheit zerbröckelt in jedem einzelnen. Wer seinem eigenen Urteil nicht mehr trauen kann, wird immer und von allen hereingelegt werden. Ob er sich das noch wird leisten können, wenn sich die Verhältnisse weiter zuspitzen, wird er mit sich selbst ausmachen müssen. Wegschauen gelingt mit der Zeit immer schlechter. Und so mancher in höchsten Kreisen - und nicht mehr nur bei den Zeugen Jehovas - hofft, eine Art Harmageddon werde ihm alle Probleme und Selbstzweifel vom Hals schaffen. Und Sie, worauf hoffen Sie?





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      Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann? 03.10.2004


      DIESE WOCHE
      Am Tag der Deutschen Einheit blickt der Spatz in die dunklen Machtspiele der Politik. Er überlegt, wie mit Feindbildern Machterhalt betrieben wird, und was wirklich hinter dem sogenannten "Kampf für Demokratie" steckt. Diese Analyse betrifft insbesondere Rußland, eröffnet aber auch hinsichtlich China einige unangenehme Perspektiven.




      Viel Feind, wenig Ehr





      Ein ordentliches Feindbild ist für die herrschende Elite eine nützliche Sache. Es entlastet das eigene Gewissen ungemein. Je schweinischer der Feind erscheint, desto schweinischer glaubt man, mit ihm umgehen zu dürfen. Wir Deutsche haben das nach 1945 zur Genüge erfahren. Dazu kann man dem Feind in die Schuhe schieben, was man selbst verbockt hat. Überdies blendet die Wut auf den Feind die eigenen Bürger: Welche Mißstände im Land ließ nicht der frühere Antikommunismus erträglich erscheinen? Schließlich vereinfachte das "Geh doch nach drüben!" - Argument jede Diskussion über anstehende "Reformen", als das Wort noch etwas anderes als den Griff der Staatsmacht in den Geldbeutel der Bürger bedeutete.

      Daß der Terrorismus nur ein unzulängliches Feindbild liefert, wurde von den Politpsychologen offensichtlich nicht recht bedacht. Dieses Feindbild spricht nur die Angst der Leute an und wird bei ihnen allenfalls Forderungen nach mehr Sicherheitsvorkehrungen wecken. Allerdings bewirkt es auch, daß die Menschen Eingriffe in die persönliche Freiheit leichter hinnehmen. Nur von politischen Fehlern und der Mißwirtschaft der Herrschenden abzulenken, eignet es sich wenig. Weil das so ist, gibt es zur Zeit Streit zwischen der Bush-Regierung und ihrem CIA. Unsere Elite - wenigstens einige davon - besinnen sich nun, da die Sache mit dem Terrorismus im Irak zum Flop zu entarten droht ("Die einzigen, die sich über eine Wiederwahl G.W. Bushs freuen könnten, wäre Al Qaida", meinte ein höhergestellter britischer Politiker) wieder auf die guten alten Tage des Antikommunismus.

      Zwar findet man kaum noch Kommunisten als Buhmänner, doch haftet den Russen noch immer das Image Iwans des Schrecklichen an, das man ihnen zu Sowjetzeiten aufgeklebt hatte. An dieses soll nun wieder angeknüpft werden, um die mögliche und von einigen angestrebte eurasische Zusammenarbeit zu verhindern. Dem gleichen Zweck hatte schon der Afghanistankrieg mit der Errichtung von 13 US-Militärbasen in Zentralasien, wie auch der Tschetschenienkrieg oder der Abfall Georgiens gedient. Putin versucht hilflos dem entgegenzuwirken, um die Tür der Zusammenarbeit in Europa offen zu halten. Dazu stimmte er nun entgegen besserer Einsicht dem Kyoto-Protokoll (CO2 Ausstoßbeschränkung) zu, mit dem die Welthochfinanz unter dem falschen Vorwand der Klimarettung versucht, die Güterproduktion preistreibend zu beschneiden und unter ihre Kontrolle zu bekommen.

      Illarionow, Putins Wirtschaftsberater, der das Protokoll wegen seiner sachlich falschen Begründung und seinen verheerenden wirtschaftlichen Auswirkungen am schärfsten bekämpft hatte, kommentierte die Regierungsentscheidung vor der Presse wie folgt: "Es handelt sich um eine Geste gegenüber der EU, um mehr nicht", denn "Niemand von den Regierungsbeamten glaubt, daß das Protokoll für Rußland gut ist." Was erwartet man sich in Rußland von einem Kompromiß mit einer politischen Richtung, die offensichtlich nichts weniger als die Verhinderung der erneuten Industrialisierung oder des wirtschaftlichen Wiedererstarkens des Landes zum Ziel hat? Täuscht man sich in Rußland über den Zweck des angeblichen Umweltschutzes im Westen? Ein Zugeständnis zum grundsätzlichen Feind, lädt diesen nur ein, auf das nächste Zugeständnis hinzuarbeiten.

      Dazu kommt es prompt mit dem "offenen Brief an die Regierungschefs der Europäischen Union und der Nato". Den verfaßten am 28.9.2004 hundert "prominente" Politiker und Strategen des Westens, um damit - was sonst - zum "Kampf für Demokratie" aufzurufen. "Wir machen uns über die sich verschlechternde Haltung in der russischen Außenpolitik Sorgen. Präsident Putins Außenpolitik zeichnet sich zunehmend durch Drohgebärden gegenüber seinen Nachbarn, die Sicherheit der europäischen Energieversorgung und die Rückkehr zu Militarismus und Imperialismus aus. Diese Entwicklungen sind nur die letzten Beweise dafür, daß die gegenwärtige Russische Führung sich von den für die Euro-Atlantische Gesellschaft zentralen, demokratischen Werten verabschiedet. Die Führer im Westen müssen erkennen, daß unsere gegenwärtige Strategie Rußland gegenüber versagt. Es ist an der Zeit zu überdenken, wie und in wieweit wir uns für Putins Rußland engagieren und uns uneingeschränkt hinter die demokratischen Kräfte in Rußland stellen." Wahrscheinlich wollten diese Leute mit ihrem Brief nicht Putin dazu animieren, mit den Tschetschenen so umzuspringen wie der westliche Musterknabe mit den Palästinensern oder die USA mit den Irakern.

      Auch auf welche "demokratischen" Kräfte sie in Rußland setzen, ist inzwischen hinlänglich bekannt, nämlich die Russenmafia, Leute, die unter der Herrschaft von Rauschkugel Jelzin durch den Verkauf der im Land noch verbliebenen Werte an das westliche Ausland reich geworden sind, und die im Namen wirtschaftlicher Freiheit die außerordentliche Verarmung der russischen Bevölkerung nach dem Sturz des Sowjetsystems kenntnisreich und mit voller Unterstützung aus dem Westen betrieben haben, und denen Putin nun zusetzen möchte.

      Den Brief haben sogenannte Neokonservativen unterschrieben, offene Verfechter eines anglo-amerikanischen Weltreiches und seiner militärischen Offensive in Afghanistan und im Irak und bald - falls Bush wiedergewählt werden sollte - auch in Syrien und im Iran. Viele deutsche Bürger wundern sich, neben General Naumann und dem Merkel-Intimus Friedbert Pflüger auch die Unterschrift des Grünen-Vorsitzenden Bütikofer, unter dem Brief zu finden. Ihre Verwunderung zeigt nur, daß sie die eigentliche Funktion der Grünen auf dem Gebiet der Politik und mehr noch auf dem der Wirtschaft (Angebotverknappung zum Anheben der Preise im Interesse der Hochfinanz) noch immer nicht verstehen wollen.

      "Demokratie" ist bei uns doch kaum mehr als die der Bevölkerung zugestandene Wahl zwischen zwei oder drei handverlesenen Personen, die fest im Griff der internationalen Hochfinanz und ihrer Globalisierer stecken. Sollten sich andere um politische Ämter bewerben wollen, dann kann es sich nur um sogenannte "Extremisten" handeln. Da die Geldelite ohnehin bestimmt, was in der globalisierten Welt geschieht, kann sie die Auswahl ihrer Strohmänner gerne der Bevölkerung überlassen.

      Anders erlebt es eine Führung, die ihr Land gegen den praktizierten und manchmal sogar erklärten Willen der internationalen Finanzelite entwickeln will. In solchen Länder werden sehr bald hochgerüstete "Terroristen" oder "Freiheitskämpfer" auftreten und ihre Führung wird recht bald von Leuten herausgefordert werden, die mit schönen "demokratischen Freiheiten" winken, aber nicht sagen, wie sie deren materielle Voraussetzung (allgemeinen Wohlstand) gewährleisten wollen und können. Wenn es praktisch wird, fällt den Finanzdemokraten immer nur eins ein: "Kosten senken!" Das heißt, den kleinen Leuten den Brotkorb höher hängen, damit der krisengebeutelten Finanzwirtschaft mehr bleibt.

      Was anderes könnte die Regierung den mit "Kosten senken" meinen, wenn ihre Verschwendung (laut Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler) frisch und fröhlich weitergeht, oder wenn man bedenkt, daß die zusätzlichen Kosten für nicht verwendbaren Strom (wenn Sie nicht ausschließlich bei Wind fernsehen und sonstwie Strom verbrauchen wollen) bis zum Jahr 2010 sich auf 23 Milliarden Euro summiert, womit nach Abzug der dadurch vernichteten Arbeitsplätze mindestens 23.000 Arbeitslose mehr erzeugt werden (laut Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung in Essen). Die Verschwendung fängt schon im kleinen an, wenn Finanzminister Eichel jetzt unbedingt für 96.000 € neue Möbel für sein Ministerium braucht, Grünenminister Trittin für ein neues "afrikanisch-eurasisches Wasservögelabkommen" 137.000 € ausgibt und Familienministerin Schmidt für 150.000 € die "Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen" in den Köpfen der Bürger "abbauen" will. Die Bundesregierung überläßt Polen 24 Kampfflugzeuge vom Typ MIG 29, (deren Wendigkeit im Kampf angeblich immer noch unübertroffen ist) für nur je 1 Euro. Ihr Wert wird mit 30 Millionen € pro Stück angegeben, selbst die Chinesen würden für die Flugzeuge noch 15 Millionen € ausgeben (und sogar der Altmetallhändler noch mehr als 200 € das Stück bezahlen). Israel bekommt, um damit die Kernkraftwerke im Iran "auszuschalten", von unserer Regierung U-Boote geschenkt. Undsoweiter...

      Weil Putin und die Russen das eigentliche politische Spiel (die "demokratische Weltrevolution", für die der Kalte Krieg nur ein Vorwand war) nach dem Krieg nicht durchschaut hatten (vermutlich, weil ihre Vorgänger unter "sozialistischer Weltrevolution" etwas Ähnliches angestrebt hatten), mußten sie es in Beslan und anderswo auf die harte Weise nachlernen. Im Grunde und ohne Propagandabrille besehen, mußten das nach dem zweiten Weltkrieg fast alle Länder so lernen. Wer es nicht glaubt, ordne die zahlreichen, belegten Andeutungen, die zum Beispiel der frühere Staatssekretär und Bundesminister Andreas von Bülow in seinem Buch "Im Namen des Staates" zusammengetragen hat, übersichtlicher und schaue sie sich näher an.

      Was hier in Europa mit Rußland versucht wird, läuft in Japan auf ähnliche Weise gegen China. In den japanischen Nachrichtenagenturen Asahi News und Yomiuri werden seit dem 28.9.2004 erstaunlich offen die Pläne für einen Angriff auf China unter der Überschrift "Umstellung der US-Streitkräfte, die Frustration über Japan wächst" diskutiert. Die USA wollen - erfährt man dort - im "Bogen der Unsicherheit vom Balkan über Afrika, dem Nahen Osten, Südostasien bis nach China" Japan als Bereitstellungsraum ausbauen und dazu Japans kriegshinderliche Verfassung ändern. Dahinter stünde das "Bewußtsein, daß China eine mögliche militärische Bedrohung" sei. Die Presseberichte beziehen sich dabei auf die Studie der Rand-Corporation aus dem Jahr 2001 "USA und Asien, für eine neue US Strategie und Machtdarstellung" (The US and Asia: Toward a New US Strategy and Force Posture"). Sie erörtert, wie sich im asiatischen Raum der Aufstieg Chinas zur dominanten Macht verhindern läßt.

      Die Japaner zeigen sich - wie die meisten Deutschen - wenig begeistert von der angestrebten weiteren Verschiebung der Machtverhältnisse. Sie würden lieber mit anderen Ländern und deren Bevölkerung zur Verbesserung des gemeinsamen Wohlstands zusammenarbeiten, als zur Eindämmung derjenigen Wirtschaften, die noch nicht fest im Griff der Internationalen Finanzelite sind und von ihr preistreibend "gesundgeschrumpft werden", sich selbst den Gürtel enger zu zurren - und das auf die völlig leeren Versprechen eines illusionären Aufschwungs hin. Um nicht auf diese hereinzufallen, ist ein wenig Überlegung darüber nötig, wie die vorhandenen Arbeitskräfte und technischen Möglichkeiten zum Wohl der Menschen eingesetzt werden könnten und welche finanzpolitischen Voraussetzungen dafür erst zu schaffen sind.

      Die Entwicklung der "Eurasischen Landbrücke" wäre, unter anderen denkbaren, ein solcher Vorschlag, was dahingehend zu tun wäre, wenn man es wollte. (enthalten in dem vergriffenen Buch "Böttiger: Die neue Seidenstraße, die Eurasische Landbrücke schafft produktive Arbeitsplätze". Es kann auf CD gegen 7 € plus Porto beim Verfasser erworben werden).
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 18:03:46
      Beitrag Nr. 1.913 ()
      Umweltschutz: alle wollen zurück zur Natur, warum aber keiner zu Fuß?


      Der Umweltschutz (oder was dafür ausgegeben wird) habe für die Deutschen trotz Benzin- und Strompreisexplosion noch immer einen hohen Stellenwert; zugleich wird aber immer weniger der öffentliche Personenverkehr benutzt und die Ökosteuer wird noch immer von einer großen Mehrheit abgelehnt. Das ist das an sich unspektakuläre Ergebnis einer Studie, die Jürgen Trittin gestern bekanntgemacht hat. Viel interessanter sind die Kommentare des kommunistischen Ministers.

      So halten 92% der Befragten den Umweltschutz für "sehr wichtig" oder "eher wichtig", was Trittin natürlich als Bestätigung seiner Politik der Verknappung und Verteuerung wertet. 69% der 2018 Befragten sprechen sich zudem für einen noch weiteren Ausbau der Windenergie aus, nehmen aber die damit verbundene Verschwendung und die Kostenexplosion nicht zur Kenntnis: Wen schon ein Strompreis von 2,22 EUR/Kilowattstunde (allerdings bei der Solarenergie nicht abschreckt, der stört sich auch nicht mehr an den absurden Konzepten des Kyoto-Protokolls. Und der Rest der Bevölkerung, der sich noch einen Rest an gesundem Menschenverstand bewahrt hat, nimmt Dinge wie die planetenrettende Furzsteuer ohnehin nicht ernst.

      Dafür verzeichnet die Studie große Erfolge bei der Schaffung künstlicher Ängste, und das ist wichtig, denn es stabilisierte die Herrschaft: so fürchten sich die Deutschen immer noch mehrheitlich vor den Folgen des angeblichen Klimawandels, was sie mit der Naturwissenschaft nicht gemein haben. Die bezweifelt nämlich die Klima-Religion noch immer als irrationale Ideologie.

      Doch die Studie fördert auch die Widersprüche zwischen Gleichschaltung und wirtschaftlicher Notwendigkeit, zwischen Propaganda und Wirklichkeit ans Tageslicht: So will eine Mehrheit aus der Kernenergie aussteigen, aber auch eine große Mehrheit keinen Ökostrom. Der ist nämlich zu teuer. Eine große Zahl der Befragten spricht sich außerdem für die Einschränkung des Autoverkehrs aus, aber gleichzeitig wird der Nahverkehr immer weniger benutzt.

      Dieses Ergebnis ist an sich nichts neues: Schon vor gut einem Jahr berichteten wir über eine Emnid-Studie, nach der zwar 96% der Befragten meinten, man müsse die Solarenergie weiter nutzen, aber nur 7% bereit wären, die dann zwangläufig fälligen noch höheren Energiepreise auch zu bezahlen. Es wollen also noch immer alle zurück zur Natur, aber keiner zu Fuß.

      Wirklich interessant ist hier vielleicht der Kommentar von Jürgen Trittin und seinen Beamten: Die Menschen seien "im Bewußtsein weiter sind als im praktischen Verhalten", wird Trittin zitiert. Das läßt aufhorchen: glaubten doch die Nazis ebenso wie die Kommunisten, man müsse die Menschen "umerziehen". Ganz offensichtlich setzt Jürgen Trittin also voraus, daß die Menschen noch nicht reif seien, die Segnungen der totalen Ökologie zu würdigen. Anders als seine totalitären Vorgänger setzt der Ökologismus dabei jedoch nicht auf punktuelle, sondern auf strukturelle Gewalt.

      Offensichtlich ist der revolutionäre Weltprozeß aber noch nicht weit genug fortgeschritten. Der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge, soll übrigens erklärt haben, man müsse den Menschen Umweltschutz künftig "erlebbar" machen. Wir vermuten also, daß bald Unterbrecherwerbung von der Art "Dieser Stromausfall wird gesponsort von Jürgen Trittin" auf uns zukommt. Dann erleben wir am eigenen Leibe, wie totalitär und lebensfeindlich die gegenwärtige Politik der Rationierung und Verteuerung ist.

      Wer`s nicht glauben mag: Auf die Rationierung und die damit zusammenhängenden Verteilungskämpfe sind wir schon zeitgerecht vorbereitet worden: durch die Wirtschaftssicherstellungsverordnung zum Beispiel. Die wurde wenige Tage vor dem "Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen" in Kraft gesetzt. Ein Zufall? Wohl kaum, ruft das Landwirtschaftsministerium schon zu Notbevorratung auf. Schöne neue Öko-Welt!

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 18:05:18
      Beitrag Nr. 1.914 ()
      Zwischenruf: Jürgen Trittin und das 17-Liter-Auto

      Die Ökologisten nehmen bekanntlich seit einiger Zeit für sich in Anspruch, die Speerspitze der technologischen Entwicklung zu sein, und nehmen auch besonders sparsame Fahrzeuge wie das sogenannte Drei-Liter-Auto als besonderen Erfolg für sich in Anspruch - leistungsschwache Öko-Fahrzeuge, die demnächst eine besondere steuerliche Förderung erfahren sollen, welche freilich (wie immer) nur in einer Erhöhung der Besteuerung für normale Autos bestehen soll. Interessant ist in diesem Zusammenhang, mit was für Wagen insbesondere unser Oberumweltschützer Jürgen Trittin und seine Staatssekretäre unterwegs sind.

      So berichtet u.a. der Focus (Nr. 39, vom 20.09.2004), daß Trittin sich nach Angaben seines Ministeriums mit einem sparsamen Audi A8 quattro L chauffieren lasse, ein Gerät, das nur schlappe 17 Liter auf 100 km verbrauche. Seine Staatssekretäre liegen mit einem vom Steuerzahler gesponsorten Mercedes S 430 und zwei BMW 735 i noch deutlich näher am neuen Dreiliter-Standard dran, denn das kostet den Steuerzahler nur 15 Liter pro 100 km, ein wahres Schnäppchen.

      Jürgen Trittin, an der gewiß klammheimliche Freude an der Einführung der Energierationierung und der Exportprämie für Arbeitsplätze ab 2005 empfindet, macht sich damit noch glaubwürdiger als bereits durch seine gemeinsam mit Frau Künast im vergangenen Jahr vom Zaun gebrochene Flugaffäre. Daß Trittin "kein Mitleid" mit Leuten empfindet, die mit dem VW Touareg "zum Brötchenholen" fahren, hat der Ökominister kürzlich selbst kundgetan. Ob er wenigstens Mitleid mit den Mitarbeitern der Firmen verspürt, die an den Anlagen arbeiten, die in dieser Liste aufgeführt sind, und denen bereits angekündigt wurde, daß sie ab 2005 ihren Job durch den Emissionshandel verlieren könnten, ist nicht überliefert. Der BWL-Bote vermutet, daß Trittin auch hier wieder die für ihn nunmal typische "klammheimliche Freude" empfindet.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 18:10:16
      Beitrag Nr. 1.915 ()
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 18:27:33
      Beitrag Nr. 1.916 ()
      Des kranken Bürgers pauschal
      versicherter Kopf

      Wieder eine Chance vertan

      Kommentar
      zum Streit um Kopfpauschale und Bürgerversicherung
      von Egon W. Kreutzer


      29. August 2004

      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14020B%FCrgerversich…

      Nachdem in der letzten Woche die Grundzüge des Krankenversicherungskonzeptes der Nahles-Kommission soweit durchgesickert sind, dass eine öffentliche Debatte darüber vom Zaum gebrochen werden konnte, ist deutlich geworden:

      Weder diese Regierung, noch die amtierende Opposition haben vor, die Probleme des deutschen Gesundheitswesens zu lösen. Beide haben ihre Sanierungs-Anstrengungen auf die Senkung der Lohnnebenkosten reduziert, wollen also nichts anderes, als die Arbeitgeber entlasten.

      Dass unser Gesundheitswesen im internationalen Vergleich mit überdurchschnittlich hohem Aufwand bestenfalls durchschnittliche Ergebnisse erzielt, ist nicht Gegenstand der Debatte.

      Die Frage, ob das betriebswirtschaftliche Denken im Gesundheitswesen in einem nicht mehr tolerierbaren Maße dazu geführt hat, dass in Vorsorge, Diagnose, Therapie und Rehabilitation vorsätzlich vollkommen überflüssige, teilweise absichtlich krankerhaltende, teilweise sogar gesundheitsschädliche Maßnahmen eingesetzt werden, um die schnelle Gesundung von Patienten und damit den Verlust potentieller Umsätze zu vermeiden, wird gar nicht gestellt.

      Der überall grassierende, aber immer wieder nur eisbergspitzenhaft öffentlich werdende Abrechungsbetrug, zu dem sich Ärzte, Apotheker, Labore, Hilfsmittelproduzenten und Patienten - alleine und in in wechselnden Allianzen - auf Kosten der Kassen bereichern, ist weiterhin nicht Gegenstand der Reformen.



      Was will die CDU / CSU ?

      Man weiß es immer noch nicht so genau.

      Weil aber die Strategie, eigene Zielvorstellungen im Ungefähren zu belassen, in unserer "Ein-Mal-in-vier-Jahren-Demokratie" wahlentscheidend sein kann, müssen wir beim "Merkel-Seehofer-Modell" mit dem vorlieb nehmen, was man uns heute schon wissen lassen will. Den großen, interessanten und wichtigen Rest muss man sich denken.

      Wissen dürfen wir, dass - nach den Vorstellungen der Opposition - die Kosten für das Gesundheitswesen künftig von allen Lebenden durch einen gleich hohen monatlichen Beitrag aufgebracht werden sollen.

      Soweit die Grundidee.

      Die derzeit bevorzugte Ausgestaltungsvariante sieht vor, dass jeder Erwachsene monatlich einen Beitrag von 169 Euro, jedes Kind einen Beitrag von 78 Euro zur Krankenversicherung beisteuern soll. Die Beitragszahlungen für Kinder bis zu irgendeinem vollendeten Lebensjahr soll der Staat grundsätzlich aus Steuermitteln bereitstellen. Erwachsene, die nicht in der Lage sind, den Beitrag aufzubringen (das werden wir dann schon sehen, ob die nicht doch in der Lage sind), sollen ebenfalls steuerfinanzierte Zuschüsse vom Staat erhalten.

      Das ist gerecht, heißt es, weil jeder - ob Chef oder Sekretärin - genau den gleichen Betrag aufwenden muss, und es wird die Probleme des Gesundheitswesens lösen, weil mit den 169 und den 78 Euro pro Nase alle Kosten bezahlt sind.

      Was unserer Phantasie überlassen bleibt, sind die Antworten auf folgende Fragen:


      Wie lange wird es dauern, bis die heute kalkulierten Kopfpauschalen nicht mehr ausreichen, um den Geldhunger des Systems zu befriedigen?

      Was wird es den Staat jährlich kosten, die Kinderkopfpauschalen und die
      Armenzuschüsse in die Krankenversicherung einzuzahlen?

      Wie werden es die Arbeitgeber anstellen, die Arbeitgeberbeiträge eben
      nicht dem Bruttolohn zuzuschlagen, sondern sie stattdessen als Beitrag zur Senkung der Personalkosten zu verwenden?

      Wer bezahlt am Ende wirklich wie viel wofür?
      Niemand, der auch nur fünf Prozent seiner Aufmerksamkeit darauf verwendet, die Unterschiede zwischen Ankündigung und Umsetzung politischer Reformenvorhaben festzustellen, wird ernsthaft glauben wollen, dass die Sätze von 169 und 78 Euro das Jahr 2004 überdauern. Doch bis zur Einführung der Kopfpauschale und der dann erfolgenden Einmalaktion zur Abgeltung der Arbeitgeberbeiträge werden die Pauschalen niedrig bleiben. Dabei ist es völlig egal, ob die theoretisch aus Steuermitteln aufzubringenden Beiträge bei 20, 40 oder 60 Milliarden jährlich liegen werden. Der Staat wird, einhergehend mit weiteren Steuersenkungsprogrammen, seinen Anteil nicht halten können, sondern in neuen Erlassen dafür sorgen, dass die Pauschalen erhöht und weitere Leistungen aus dem Katalog der Kassen gestrichen werden. Sollen doch - verursachungsgerecht - die dafür zahlen, die unbedingt krank sein wollen.

      Die Arbeitgeber werden zuerst gute Miene zum bösen Spiel machen und die Brutto-Löhne und Gehälter um die Hälfte der Kopfpauschale, also um 84,50 Euro erhöhen. Danach wird man, wie wir es zuletzt bei Siemens, VW, Mercedes, Opel und vielen anderen erlebt haben, Wege finden, um sich über nochmals verlängerte Arbeitszeiten, über die Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld und andere arbeitsplatzerhaltende Maßnahmen von den Mehrkosten wieder zu befreien.

      Teuer wird das System für die Kranken, egal ob reich oder arm. Der Unterschied ist nur der, dass es sich die Reichen auch in Zukunft leisten können, krank zu sein, während die Armen - selber schuld, hätten ja auch bloß reich werden müssen - im Zweifelsfall eben länger husten, schlechter kauen und früher ins Gras beißen werden.

      Unter den Gesunden werden die Besserverdienenden billiger davonkommen, während die Schlechterverdienenden, die mit den Mini-Jobs, Ich-AGs und Halbtagsjobs, schon draufzahlen, bevor sie krank werden.

      Gewinner sind die Arbeitgeber, die nach einer kurzen Übergangsphase de facto aus der Finanzierung der Gesundheitskosten entlassen sind.

      Das CDU / CSU Modell bringt uns also der Gerechtigkeit näher und es hilft dem Standort Deutschland, mit billigen und gesunden Arbeitern, im globalen Konkurrenzkampf zu bestehen.

      Klasse.





      Was will die SPD ?

      Die SPD? Vielleicht sollte man besser fragen: Was will Kanzler Schröder?

      Wie jeder gute Stratege, der einen Kritiker zum Schweigen bringen muss, hat Gerhard Schröder die aufmüpfige Parteilinke Andrea Nahles in seine Reformarmee eingebunden, indem er ihr die Verantwortung für das sozialdemokratische Krankenversicherungskonzept, die Bürgerversicherung á la SPD, übertragen hat.

      Doch geimpft mit Sachzwangsargumenten, eingemauert in Rahmenvorgaben und beraten von Prof. Lauterbach, hat Andrea Nahles die Chance vertan, eine wirkliche Bürgerversicherung auf die Beine zu stellen. Netter Nebeneffekt für den Kanzler: Es wird ihr Zukunft um einiges schwerer fallen, die Zustimmung der Parteilinken auf sich zu vereinen.

      Was und wie die Bürgerversicherung in Detail sein soll, ist zwar erst am Wochenende in Form sogenannter Eckpunkte erklärt worden, doch

      offentsichtlich ist es so, dass nach den Vorstellungen der SPD die Kosten für das Gesundheitswesen künftig von allen Lebenden durch unterschiedlich hohe monatliche Beiträge aufgebracht werden sollen.

      Die Unterschiede in der Beitragshöhe sollen einkommensabhängig festgelegt werden, wobei nach alter sozialdemokratischer Tradition immer noch höhere Einkommen zu höheren Beiträgen und niedrigere Einkommen zu niedrigeren Beiträgen führen sollen.

      Soweit die Grundidee.

      Die derzeit favorisierte Ausgestaltungsvariante sieht vor, dass die Bürgerversicherung sowohl von den gesetzlichen, wie auch von den privaten Krankenversicherungen angeboten werden soll. Das bedeutet, dass einerseits die Verdienstgrenze fällt, also jeder Bürger sich bei den Privaten versichern darf und es bedeutet andererseits, dass die Privaten jeden Bürger versichern müssen. Außerdem sollen neben den Einkünften aus Arbeit, auch Einkünfte aus anderen Einkommensarten zur Festsetzung der Beiträge herangezogen werden sollen. Prof. Lauterbach hat ausgerechnet, um wie viel wie viele Gutverdienende mehr zahlen müssten, als heute, damit die Beitragssätze bis zum Jahre 2010 kontinuierlich sinken können und er glaubt, die wenigen Betroffenen könnte man entsprechend seiner Berechnungen belasten. Inzwischen hat der Kanzler jedoch klargestellt, dass die Bürgerversicherung auf keinen Fall missbraucht werden wird, um eine Renaissance der Vermögenssteuer hervorzurufen, oder die Empfänger von Zinserträgen, Spekulationsgewinnen und anderen leistungsfreien Einkünften sonstwie mit steuerähnlichen Abgaben zu belasten.

      Das alles ist gerecht, weil bei der Bürgerversicherung jeder - ob Chef oder Sekretärin - nach seinem Leistungsvermögen dazu beitragen muss, die Probleme des Gesundheitswesens zu lösen und außerdem braucht sich niemand ernstlich Sorgen zu machen, denn die Bürgerversicherung soll erst in der dritten Legislaturperiode unter Kanzler Schröder verwirklicht werden.

      Doch der Ordnung halber muss angemerkt werden, dass auch die Bürgerversicherung genügend Fragen offen lässt:


      Wie lange wird es dauern, bis die heute kalkulierten Beitragssätze nicht mehr ausreichen, um den Geldhunger des Systems zu befriedigen?

      Was wird es den Staat jährlich kosten, die Beiträge für seine Beamten und
      Soldaten aufzubringen, wie wird er mit den KV-Beiträgen der Rentner verfahren?

      Wie wird es gelingen, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, aus Zinserträgen, aus Gewerbebetrieb, aus Land- und Forstwirtschaft so zu erfassen, dass daraus der Krankenkassenbeitrag zweifelsfrei ermittelt werden kann?

      Wer bezahlt am Ende wirklich wie viel wofür?
      Jeder, der mit offenen Augen durchs Leben geht, weiß, wie groß die Unterschiede zwischen Ankündigung und Umsetzung politischer Reformenvorhaben sein können. So wie es Peter Hartz nicht gelungen ist, mit seinen Reformvorschlägen die Zahl der Arbeitslosen auch nur um einen einzigen zu verringern, wird es dem gemischten Bürgerversicherungsdoppel Nahles-Lauterbach nicht gelingen, die Beitragssätze zu senken. Wenn sich die Nebel um die Diskussion, wie viel von welchen Einkünften tatsächlich "verbeitragt" werden kann, gelegt haben wird, wird das erstaunte Publikum feststellen müssen, dass sich das Verhältnis zwischen Bemessungsgrundlage und Leistungsverpflichtung nicht verbessert, sondern eher verschlechtert haben wird. Vor allem der Staat wird seinen Pflichten zur Beitragszahlung bei weiter sinkendem Steueraufkommen nicht nachkommen können und auf Kosten der übrigen Versicherten Rabatte einfordern und sich diese auch selbst gewähren - zuerst als Übergangsregelung, später als Dauerzustand. Selbstverständlich wird er parallel dazu in neuen Erlassen dafür sorgen, dass weitere Leistungen aus dem Katalog der Kassen gestrichen werden. Sollen doch - verursachungsgerecht - die dafür zahlen, die es einfach nicht lassen können, krank zu werden, krank zu sein oder sogar krank zu bleiben.

      Die Arbeitgeber werden die Bürgerversicherung, von der sie sich durch Beitragslasten auf Gewinne, Zinsen und Mieteinnahmen persönlich hart getroffen sehen, bis zum letzten Atemzug verdammen und mit zusätzlichen Lohnsenkungsverhandlungen versuchen, die Entlastung, die ihnen damit gegenüber der Kopfpauschale vorenthalten wird, dennoch zu erreichen.

      Teuer wird das System für die Kranken, egal ob reich oder arm. Der Unterschied ist nur der, dass es sich die Reichen auch in Zukunft leisten können, krank zu sein, während die Armen - selber schuld, hätten ja auch bloß reich werden müssen - im Zweifelsfall eben länger husten, schlechter kauen und früher ins Gras beißen werden.

      Unter den Gesunden werden die Lasten zwischen Besserverdienenden und Schlechterverdienenden relativ gleich verteilt sein, womit sich der Entwurf als sozial ausgewogen legitimiert. Auch dass es letztlich - neben den bisherigen Profiteuren des Gesundheitswesens - keine Gewinner der Reform gibt, verrät sozialdemokratische Handschrift.



      Das SPD Modell erhält alte Gerechtigkeitsideen und dehnt sie auf alle Lebenden aus. Der Standort Deutschland wird durch diese Reform nicht ernsthaft gefährdet.

      Klasse.

      Das Ding hat allerdings noch einen Haken: Die neue Rolle der Privaten Krankenversicherung.

      Private Krankenversicherung versucht, eine Schadensquote zwischen 60 und 70 Prozent zu erreichen. Das heißt, nur 60 bis 70 Prozent der Beitragseinnahmen sollten schlimmstenfalls als Leistungen wieder ausgegeben werden. Der Rest darf als Verwaltungskosten (5-7 %), sowie als Provision für die Vertreter der Neu- und Folgeabschlüsse (5-10 %) ausgegeben werden, aber ein ordentlicher Gewinn (möglichst deutlich mehr als 10 Prozent), muss auch übrig bleiben. Sonst macht keiner das Geschäft.

      Wer die Private Krankenversicherung für alle Lebenden öffnet, öffnet die Büchse der Pandora. Im Nu werden alle ehemals pflichtversicherten, jungen und gesunden Lebenden mit äußerst preiswerten Tarifen als gute und beste Risiken von den Privaten angelockt. Kommen die in die Jahre, werden alt und kostenanfällig, werden die Tarife so abschreckend hoch, dass der teure Kranke wieder in die gesetzliche KV zurückwechselt.

      Jeder Versuch, dies zu verhindern, ohne dabei die freie Wahl der Versicherung wieder aufzugeben, ist zum Scheitern verurteilt. Außer,die Privaten würden quasi verstaatlicht, müssten also zu festgesetzten Beiträgen festgesetzte Leistungen erbringen und sich damit zu reinen Sachbearbeitern der staatlichen Gesundheitsbehörden degradieren lassen.

      Die beabsichtigte Verpflichtung der Privaten, jeden Lebenden, der anklopft, auch als Versicherten anzunehmen, führt - wenn man sie ernsthaft zu Ende denkt - nur dazu, dass die Privaten reihenweise Insolvenz anmelden, nicht ohne vorher die angesammelten Stillen Reserven sang- und klanglos aufzulösen und ihre Versicherten der Obhut irgendeiner "staatlichen" Auffanggesellschaft zu überlassen.

      Niemand betreibt private Krankenversicherung aus Nächstenliebe. Wer dies glaubt, oder auch nur hofft, wird erleben, dass es um Profit geht. Ist der nicht mehr gesichert, wird unter Hinterlassung des kleinstmöglichen Restvermögens dichtgemacht.


      Die verpasste Chance

      Die Gesundheitsvorsorge als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzusehen, ist ein vernünftiger Ansatz. Dem tragen sowohl die Kopfpauschale, wie auch die Bürgerversicherung Rechnung. Wie unterschiedlich auch die Formen des Herangehens aussehen - es wäre wünschenswert, wirklich alle Bürger in irgendeiner Form zur Finanzierung des allgemeinen Gesundheitswesens heranzuziehen.

      Die Frage, ob ein Gesundheitswesen ganz oder in weiten Teilen über Steuern finanziert werden soll, wie das von den Befürwortern der Kopfpauschale gefordert wird, ist belanglos, solange sie ehrlich und ohne betrügerische Hintergedanken gestellt wird. In einem Szenario, wie wir es derzeit erleben, dass nämlich der Staat immer mehr auf Steuereinnahmen verzichtet, sich also selbst handlungsunfähig macht, ist es jedoch entweder töricht, oder infam, bei der Finanzierung des Gesundheitswesens darauf zu bauen, dass in naher und fernerer Zukunft Jahr für Jahr Staatszuschüsse in zweistelliger Milliardenhöhe verfügbar sein werden.

      Viel sicherer wäre es, die Finanzierung wie bisher über eine einkommensabhängige Beitragsbemessung von den Versicherten "im System" abzuholen. Wenn alle Lebenden per Gesetz der "öffentlichen Gesundheitsvorsorge" angehören, dafür Beiträge zahlen und daraus Leistungen erhalten, wird sich die Private Krankenversicherung von selbst in eine reine private Zusatzversicherung verwandeln. Damit sind die guten Risiken zurück im Schoß der gesetzlichen Krankenversicherung und dienen nicht mehr der Profitmaximierung der Anteilseigner von Versicherungskonzernen.

      Dies alles, also auch der Versuch, aus beiden Modellen nur das Beste zu nehmen und umzusetzen, könnte zwar positive Effekte für die Finanzierung bringen, aber keine grundsätzliche Veränderung der Grundproblematik.


      Das eigentliche Fiasko ist der deutsche Gesundheitsmarkt und der darf bleiben, wie er ist:

      Ein Schlaraffenland der Anbieter, die sich mit vollen Händen aus den Kassen bedienen und dafür den Patienten das antun, was nötig ist, um den Geldstrom nicht abreißen zu lassen.

      Die Chance, die momentan vertan wird, liegt in der Stärkung der Nachfragemacht der Patienten. Erst wenn der Patient auf dem Gesundheitsmarkt die Notwendigkeit verspürt und die Gelegenheit bekommt, unter den Anbietern nach Qualität und Preis zu wählen, wird die kostenträchtige Selbstbedienungsmentalität des Gesundheitskartells zu erschüttern sein. Der von der Politik und Interessenvertretern stattdessen hochgelobte "Wettbewerb der Kassen" ist nichts als ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver. Der Gedanke dahinter ist genauso originell, wie es die Behauptung wäre: Der Wettbewerb der Bausparkassen führt dazu, dass die Rechnungen der Maurer und Putzer, der Fliesenleger und Installateure a) richtiger und b) niedriger werden. Quatsch.

      Das Konzept für eine grundlegende, radikale Änderung des deutschen Gesundheitswesens, das sogar noch um einiges ausführlicher beschrieben ist, als das, was von Regierung und Opposition in diesen Tagen vorgetragen wird, gibt es seit November 2002. Es trägt den Titel


      "Der Patient ist die Lösung"

      Es ist nur einen Mausklick von hier entfernt.


      zum Konzept

      oder erst mal nur zur Kurzfassung
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 21:28:40
      Beitrag Nr. 1.917 ()
      Die PR-Lüge um die Ein- und Zwei- Euro-Jobs


      BMWA betreibt unseriöse Informationspolitik
      Die Propaganda läuft jetzt auf allen Kanälen. Die Anti - Hartz – Protestierer sollen eingeschüchtert und als „unverschämt” hingestellt werden. Mit diesem Thema lassen sich Stammtische bedienen und es wird ein „Rollback” der öffentlichen Meinung versucht.

      Clement tönte am 17. Aug. in der Öffentlichkeit, dass ALG II – Empfänger mit den Ein-Euro-Jobs 850 bis 1000 € netto verdienen könnten.

      Vom Kölner Institut für deutsche Wirtschaft (IW) wurde diese These einen Tag später ebenfalls propagiert. Das IW sprach dann von 978 € und verknüpfte dies noch mit der provokativen Forderung dann gleich nur noch 50 Cent Mehraufwandsentschädigung zu zahlen verbunden.

      Daher möchte Tacheles der These vom „Luxusverdienst bis zu 1000 €” – „der ALG II Fürsorge-Leistungsempfänger mit Fakten entgegen treten.

      Damit eine allein stehende Personen mit ALG II und einem 1 € - Job 1000 € Netto verdient, müsste sie im Westen 79,6 Wochenstunden und im Osten 82,9 Wochenstunden arbeiten.

      Durchschnittliche ALG II Leistungen in West / Ost
      West Ost
      345,00 € 331,00 € Regelleistung, allein stehende Person
      + 274,00 € + 274,00 € angemessene Miete + Betriebskosten
      + 36,00 € + 36,00 € Heizpauschale Gasheizung
      = 655,00 € = 641,00 € durchschnittliche ALG II – Leistung eines Alleinstehenden
      - 1000,00 € - 1000,00 € Clements Netto – Soll
      = 345 h = 359 h notwendige Stunden im Monat
      Das bedeutet: Um Clements Netto - Soll von 1000 € zu erreichen müssten im Westen ALG II — Leistungsbezieher im Westen 79,6 und im Osten 82,9 Wochenstunden arbeiten.
      Bei einer 38,5 Std./Woche ließe sich bei Clements Tarif von 1 € Mehraufwandsentschädigung ein Einkommen von … erzielen:
      = 655,00 € = 641,00 € durchschnittliche ALG II - Leistung eines allein Stehenden
      + 167,00 € + 167,00 € Mehraufwandsentschädigung 4,33 Wochen x 38,5 Std. = 167 max. mögliche monatliche Stunden
      = 822,00 € = 808,00 € max. mögliches monatliches Einkommen
      Quelle: Tacheles e.V.

      Anhand der von Tacheles vorgelegten Daten wird deutlich:

      Die offiziellen Angaben sind falsch und nicht glaubhaft. Schlimm ist, dass sich selbst ein Ministerium zu einer solchen unseriösen Informationspolitik hinreißen lässt.

      So behauptet das BMWA in einer Erklärung vom 18.08.04:

      „Insgesamt kann dadurch der Arbeitslosengeld II – Bezieher in einer Arbeitsgelegenheit netto durchaus über einen Betrag zwischen 850 und 1.000 Euro verfügen”.

      (http://www.bmwa.bund.de/Navigation/Presse/pressemitteilungen…

      Tacheles wendet sich grundsätzlich gegen die Hartz IV - Arbeitdienste. Da sich die in § 16 Abs. 3 SGB II festgeschriebenen Arbeitsgelegenheiten nur schwerlich verhindern lassen, sehen wir dringenden Modifizierungsbedarf an folgenden Punkten:

      Wenn Arbeitsgelegenheiten dann für mind. 2 € die Stunde!

      Arbeitsgelegenheiten nur auf Basis freiwilliger Entscheidung der Betroffenen! Keine Sanktionen bei Ablehnung

      Grundsätzlich sollten sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse geschaffen werden. Sozialverbände, die Arbeitsgelegenheiten nutzen, sollten monatlich 78 Euro Rentenversicherung abführen.
      (Dies entspricht dem Mindest - Rentenversicherungsbeitragssatz bei Ich- AG`s).

      Arbeitsgelegenheiten dürfen nur für gemeinnützige Zwecke eingerichtet werden und nicht lediglich im ‚öffentlichen Interesse’ liegen. Die Beschäftigungsträger dürfen zudem keine kommerziellen Interessen verfolgen.

      Die Wohlfahrtsverbände haben verbindlich zu erklären, dass sie sich aus Beschäftigungsprojekten zurück ziehen, wenn Arbeitslose nach Ablehnung einer Arbeitsgelegenheit von der Arbeitsagentur sanktioniert werden.
      (Die Caritas hatte am 18.08. öffentlich versichert: „Beschäftigung als Sanktionen von Arbeitslosen — da machen wir nicht mit.”)

      Garantieerklärung der jeweiligen Beschäftigungsträger, dass nur zusätzliche Arbeiten (im Sinne von § 16 Abs. 3, 2. Teilsatz SGB III) durchgeführt werden und das kein Beschäftigungsträger originäre Arbeiten durch Hartz IV Arbeitsgelegenheiten durchführen lässt. Bevor Arbeitsgelegenheiten eingerichtet werden, ist der Betriebsrat zuvor zu hören.

      Übernahme sämtlicher mit der Ausübung der Arbeitsgelegenheit in Verbindung stehenden Kosten im Voraus (Bei Fahrtkosten: Monatsticket oder einer angemessenen KM Pauschale von 0,20 € für jeden Fahrtkilometer, Arbeitskleidung, Fahrrad, Kinderbetreuungskosten etc.)

      Weiterzahlung der Mehraufwandsentschädigung im Krankheitsfall.
      Tacheles Online Redaktion
      http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2004/BMWA_Propa…
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 22:51:36
      Beitrag Nr. 1.918 ()
      So etwas nennt man Dienstverpflichtung: Wer nicht „freiwillig“ zum Arbeitseinsatz kommt, der wird hart bestraft

      Das System der Ein-Euro-Jobs ist durchaus mit dem verbotenen Reichsarbeitsdienst vergleichbar

      Heftig wird gegenwärtig über Hartz IV – auch über seine geschichtlichen Vorlagen, z.B. die der Ein-Euro-Jobs – gestritten. Verbietet sich der Vergleich mit dem Reicharbeitsdienst?




      Schauen wir in die Literatur: „Der Freiwillige Arbeitsdienst hatte sich seit 1926 zur Erfüllung gemeinnütziger Aufgaben aus der Arbeit unterschiedlicher Jugendorganisationen entwickelt. Innerhalb weniger Monate gelang es Hierl, die kirchlichen, parteipolitischen und sonstigen Träger des freiwilligen Arbeitsdienstes auszuschalten und seine Gleichschaltung ... herzustellen. Im Juli 1934 wurde Hierl zum Reichskommissar für den Arbeitsdienst ernannt.“ Dann zogen die Nazis die Zügel weiter an: Der „Reichsarbeitsdienst war seit 1935 eine staatliche Einrichtung, durch die alle Jugendlichen ab 18 Jahre zu einem sechs Monate dauernden Arbeitseinsatz und zum Lagerleben mit militärischer Disziplin verpflichtet wurden.“ (Aus „Begriffe aus der Zeit der Gewaltherrschaft 1933-1945“, Handbuch rororo 1992 von Kramer und Bartsch, Seite 158)

      Schon 1931, als die Arbeitslosenstatistik fast fünf Millionen Erwerbslose auswies, wurde der „freiwillige“ Arbeitsdienst auf eine staatliche Ebene gehoben. Die am 5. Juni 1931 von Präsident Hindenburg und Kanzler Brüning erlassene diktatorische „Zweite Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen“, eine der Notstandsverordnungen jener Zeit, sah den Abbau der Tariffreiheit, die Herabsetzung der Bezüge der Staatsbeschäftigten und der Leistungen der Arbeitslosenversicherung vor, es gab Erhöhungen der Massensteuern und Steuervergünstigungen für Unternehmer und die Förderung des freiwilligen Arbeitsdienstes. In der „Chronik“ der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, heißt es: „Der durch die Notverordnung eingeführte freiwillige Arbeitsdienst dient der militaristischen und chauvinistischen Erziehung der Jugend und bereitet die faschistische Arbeitsdienstpflicht vor. Die von der Reaktion geplante baldige Einführung der Arbeitsdienstpflicht wird durch den Widerstand großer Teile der Arbeiterklasse (...) verhindert.“ (aus „Chronik“, Berlin 1966, Band 2, Seite 271)

      Übrigens beginnt in jener Zeit eine Verschärfung auch des ideologischen Klassenkampfes. Gegen den Arbeiterdichter Erich Weinert wird wegen „Aufreizung zum Klassenkampf“ ein Prozeß eröffnet, der im Dezember mit einem sieben Monate währenden Redeverbot für Weinert in Preußen endet, entsprechend einer speziell geschaffenen „Lex Weinert“. 73 Jahre später wird in Deutschland von einem Minister Otto Schily ein Gesetz gegen „Hassprediger“ initiiert... (Siehe „Chronik...“ S. 277 u. 281)

      In einem von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen Werk wird die Verklammerung von Weimarer und Nazi-Politik auf dem Gebiet des Arbeitsdienstes so beschrieben: „Auf der Arbeitslagerbewegung bündischer Studenten in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg aufbauend, hatte bereits die Regierung Brüning 1931 zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit einen freiwilligen Arbeitsdienst eingerichtet. Von der Regierung Hitler wurde diese Einrichtung übernommen. Bereits 1934 wurde die Arbeitsdienstpflicht für Studenten eingeführt, die Zulassung zum Studium davon abhängig gemacht, dass vorher der Arbeitsdienst geleistet worden war.“ (aus „Schlaglichter der deutschen Geschichte“, Bonn 1990, S. 277).

      Steht nicht einer Wiederholung dieser Entwicklung in der heutigen Krise des Kapitalismus noch immer das Grundgesetz und im Bundesland Nordrhein-Westfalen die NRW-Landesverfassung entgegen?

      Ja, laut Grundgesetz haben wir das Grundrecht, „Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“ Weiter heißt es in diesem Artikel 12 Grundgesetz: „Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht. Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.“

      Und Artikel 24 der Landesverfassung von NRW lautet: „Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit. Der Lohn muss der Leistung entsprechen und den angemessenen Lebensbedarf des Arbeitenden und seiner Familien decken. Für gleiche Tätigkeit und gleiche Leistung besteht Anspruch auf gleichen Lohn, das gilt auch für Frauen und Jugendliche.“

      Die „Arbeitsmarktreform“ Hartz IV mit der Zwangseinweisung von 600.000 Langzeitarbeitslosen in Ein-Euro-Jobs und ansatzweise auch die Zumutbarkeitsregeln, nach denen bei Strafe des Geldentzug jede Arbeit angenommen werden muß, bedeutet demnach die grundgesetzwidrige Arbeitsdienstpflicht?

      So ist es. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, dieses Prinzip gilt nicht mehr, die Tariffreiheit wird angetastet. Vorrang hat nicht die Freiheit des Individuums und der Schutz der Arbeitskraft, sondern die Profitwirtschaft. Vorrang haben die Forderungen der reaktionärsten Kräfte des Kapitals. Zugleich wird die Arbeitsmarktstatistik bereinigt: Es gibt nicht mehr Arbeitsplätze, aber weniger Arbeitslose in der Statistik. In „Der Selbständige“, einer Zeitschrift des am rechtesten Rand operierenden, am Dortmunder Schwanenwall residierenden BDS (Bund der Selbständigen) schreibt deren Vizevorsitzender Martin Hohmann (MdB, wegen Antisemitismus aus der CDU-Fraktion ausgeschlossen) über seine Erfahrungen als Bürgermeister in seiner Heimatgemeinde Neuhof/Kreis Fulda. Zur Frage des Blattes „Nun missbrauchen ja nicht nur Ausländer das Asylrecht, sondern vielfach auch Deutsche unsere sozialen Sicherungssysteme; ihre Haltung zu diesem Problem?“ führt er aus:

      „Im Rahmen des mir Möglichen habe ich den Sozialmissbrauch bekämpft. Auch das ist von den Neuhofer Bürgerinnen und Bürgern honoriert worden. Denn: Jede Mark, die aus falsch verstandener Humanität und mit zugedrückten Augen an einen angeblich Bedürftigen gezahlt wird, geht letztendlich den Städten und Gemeinden für investive Ausgaben verloren. Deshalb habe ich konsequent versucht, die Spreu vom Weizen zu trennen. Sozialhilfeempfänger haben die Pflicht, 25 Stunden in der Woche gemeinnützige Arbeiten zu verrichten. Alle Sozialhilfeempfänger, die in unserem Einzugsbereich wohnen, benennt uns das Sozialamt des Kreises auf unser Ersuchen. De Gemeinde fordert sie für gemeinnützige Arbeiten an, selbstverständlich nicht das alte Mütterchen oder die alleinerziehende junge Mutter. Wer nicht zum Arbeitseinsatz kommt, wird an die Kreisverwaltung weitergemeldet. Das führt dann dazu, dass Abzüge bei der Sozialhilfe vorgenommen werden. Diese Vorgehensweise hat schon in vielen Fällen dazu geführt, dass der angeblich so Bedürftige auf Sozialhilfe verzichtet, weil er offensichtlich Geld, aber keine Arbeit haben wollte.“ (aus „Der Selbständige“, Dortmund, März 1997)

      Dieser Einsatz von Sozialhilfeempfängern wird nun auf Landzeitarbeitslose ausgeweitet. Entsteht nicht somit eine kommunale Reservearmee von Arbeitskräften, die nach Gutdünken des Bürgermeisters zu Aufbauschichten, Gartenarbeiten, Wachdiensten, im Gesundheitswesen, in Schulen und Kindergärten eingesetzt werden?

      Das Gesetz zu Hartz IV führt dazu, dass dieser Art von Arbeitseinsätzen, die ja bisher auf Sozialhilfeempfänger beschränkt waren, Hunderttausende Arbeitslose zugeführt werden. Sie werden ALG-II-Bezieher, d.h. Sozialhilfeempfänger. Sie werden nicht mehr vom Arbeitsamt betreut, sondern von Jobcentern der Städte. Die Entmachtung der Arbeitsämter mit ihren allgemeinverbindlichen Standards zugunsten reaktionärer Kommunalpolitiker ist schon lange ein Ziel der rechtesten CDU-Kreis um Roland Koch. Der setzte im Vermittlungsausschuss die Regelung durch, die den Bürgermeistern Tausende billigste Arbeitskräfte zuführt, um diese dann nach Belieben einzusetzen. Denn in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit fallen manchen Herren auch in Kommunen und auch aus der SPD immer Dienstverpflichtungen nicht nur zu Arbeiten mit Schaufel und Spaten ein.

      Da ist er also wieder, der Arbeitsdienst, was da geplant wird? Aber verbietet sich nicht der Begriff Zwangsarbeit?

      Allerdings, denn das war das Sklavenhalterprogramm der Nazis im Kriege. Zwangsarbeit ist laut Grundgesetz Artikel 12 nur durch Gerichtsbeschluss zulässig. Der moderne Arbeitsdienst allerdings sieht so aus: In Dortmund beispielsweise sollen 4000 Langzeitarbeitslose eine Parklandschaft zum Ruhme des Oberbürgermeisters Dr. Gerhard Langemeyer (SPD) gestalten. Weniger Organisation Todt und mehr Hilfslehrer a la Kinderlandverschickung hat Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) im Sinn, wenn er an Hartz IV denkt. Er will langzeitarbeitslose Ingenieure durchs Land senden und als fast kostenlose Berufsschullehrer und Pädagoginnen ohne Job als Hausaufgabenbetreuerinnen an Grundschulen einsetzen. Anfang des Jahres wagte sich der NRW-Ministerpräsident bereits gar mit einer neuen Pflichtjahrforderung hervor. Und alle waren sie damals noch entsetzt, die Schönen und Reichen, die ihre Söhne und Töchter nicht als Pisspottschwenker sehen mochten. Steinbrück machte durchaus seine Anleihen beim NS-Reichsarbeitsdienst, um die Jugend wieder zum „Gemeinsinn“ zu erziehen – „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“, sagte dazu verlogen das NSDAP-Programm aus.

      Nun, die Schönen und Reichen sind jetzt stumm, denn es geht Steinbrück jetzt ja „nur“ um die Langzeitarbeitslosen, denen alles zumutbar ist. Soziales Pflichtjahr wie zwangsweise Beschäftigungen sind jedoch derzeit noch verboten? Siehe Grundgesetz.

      Bisher hat die Regierung ein „Pflichtjahr als verfassungswidrig eingestuft, weil Zwangsarbeit verboten ist“, schreibt die Frankfurter Rundschau am 19.8.04. Das soll nun anders werden.

      Womit haben wir künftig zu rechnen?

      Was gesamtgesellschaftlich zumutbar ist, erklärte schon vor einiger Zeit der Mitautor der Verteidigungspolitischen Richtlinien Oberst Ralph Thiele, Chef des Bundeswehr-Think-Tanks „Zentrum für Analysen und Studien“ (ZAS) in Waldbröl: Die Integration von Wehrdienst, Zivildienst und lebenslange geschlechterübergreifende Dienstpflicht. Den Wehrpflichtigen möchte der Oberst unbedingt entsprechend seiner Qualifikation - „unabhängig von seinem Alter“ – einsetzen; neue „Miliz- und Reservistenkonzeptionen“ sollen gefunden werden. „Ohne die zivilen Spezialisten stehen auch die Streitkräfte mit ihren Aufgaben auf verlorenem Posten. Gegenseitige Kooperation und Integration ist die Voraussetzung für Sicherheit von morgen.“ Daher werde „in Zukunft nur derjenige als Wehrpflichtiger, unabhängig von seinem Alter, für die Streitkräfte interessant sein, der in einem speziellen Gebiet über eine Expertise verfügt, die die Streitkräfte in einer bestimmten Situation für einen begrenzten Zeitraum benötigen. (...) Damit wird die künftige Wehrform eine Mischform von militärischen Spezialisten und gesellschaftlich verfügbaren Bürgern mit Spezialwissen.“ (aus: Information für die Truppe, 3/2002, S. 24) Also: Der 50jährige Professor leistet seine Dienstpflicht, bis die neue Chemiewaffe fertig ist? Jedenfalls: „Der Kampf um gebildete Menschen wird deshalb schärfer geführt werden,“ heißt es abschließend bei Thiele. (Siehe dazu auch Ulrich Sander „Die Macht im Hintergrund“, papy rossa Köln 2004, über die Macht und die politischen und gesellschaftlichen Konzepte des Militärs gestern, heute und morgen).

      Doch zurück zu Hartz IV. Wie gestalten sich die Auseinandersetzungen?

      Wir müssen in Erfahrung bringen, wie weit das reaktionäre Arbeitsdienstmodell a la Roland Koch von den Kommunen angenommen wird. In Dortmund wird es jedenfalls von der SPD freudig angenommen. Oberbürgermeister Dr. Gerhard Langemeyer (SPD) hat den arbeitslosen Montagsdemonstranten jedes Gespräch verweigert und sie als auf „Krawall getrimmt“ beschimpft. Dieser Ausrutscher, der durch nichts begründet ist, jedenfalls nicht durch den Verlauf der Demos, ist nur erklärlich, weil Langemeyer weiß, was er und Koch vorhaben. Er selbst wäre sicherlich auf Krawall gestimmt, wäre er ein Landzeitarbeitsloser. Denen mutet er eiskalt zu, was sein Sozialdezernent Siegfried Pogadl (SPD) ausplauderte. (Siehe Dortmunder Lokalpresse vom 20.8.04) Das gemeinsame Job-Center von Stadt und Arbeitsagentur, so Pogadl, werde die 43.000 künftigen Hartz-IV-Opfer zum gemeinsamen „Nachdenken“ einladen. Wer nicht erscheint, dem wird Sozialgeld und ALG II komplett gestrichen. Wer erscheint, kann vielleicht einen der 4000 Ein-Euro-Jobs erhalten. Wer da nicht „freiwillig“ mitmacht, dem wird das Geld gestrichen. Ex-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm sagte übrigens über diese Jobs, sie würden vergeben nach dem Motto: „Ich schmeiße einen anständig Bezahlten raus und stelle jemand anderen für einen Hungerlohn ein.“ (siehe Westf. Rundschau 21.8.04) Blüm muß es wissen, er war lange genug im Geschäft. Und Pogadl sagt auch, man werde nicht jeden für den Hungerlohn nehmen. Im schönsten Stammtischjargon: Viele Arbeitslose müssten erst mal als Süchtige geheilt werden, und Arbeit sei für sie ungewohnt.

      Und wie eh und je wird ein riesiger Verwaltungsapparat aufgebaut. 109 Millionen Euro pro Jahr soll Dortmund für die Beschäftigungsprogramme für Arbeitslose bekommen. Gut ein Drittel davon, 35,3 Millionen Euro, werden, so behauptet die Stadtführung, für die Verwaltung der 4000 Beschäftigungsstellen gebraucht. Das sind über 8830 Euro Kosten für jede Stelle.

      Langemeyers Hetze gegen die Arbeitslosen und Montagsdemonstranten hatte bekanntlich auch diese Folgen: Während bisher vielleicht ein halbes Dutzend Polizisten bei Montagsdemos in Dortmund dabei waren, - warum nicht? die Polizeigewerkschaftskollegen sind ja auch Hartz- und Agendaopfer! – da war dann eine halbe Hundertschaft vom Polizeipräsidenten aufgeboten worden; alle Demo-Teilnehmer wurden per Video registriert. So sollen sie kriminalisiert werden als sog. „Krawallmacher“. Doch diese sollten sich davon nicht einschüchtern lassen! Kriminell sind nicht die Arbeitslosen, sondern die Verursacher von Armut und Arbeitslosigkeit. Die großen Herren der Banken und Konzerne wie des Militärs sind es, die nur ihren Profit und ihre Machtansprüche kennen und denen das Schicksal der kleinen Leute scheißegal ist. Gegen sie muß Widerstand organisiert werden. Und gegen ihr Hartz-IV-Konzept. Die Geschichte mahnt. Aus der Notverordnung von 1931 wurde dann der Reichsarbeitsdienst. Was kommt noch auf uns zu, da wir wieder beim Stand von 1931 angelangt sind?

      Ulrich Sander ist Landessprecher der VVN-Bund der Antifaschisten in Nordrhein-Westfalen.

      http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0071_arbeitspflicht.htm
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 23:05:58
      Beitrag Nr. 1.919 ()
      Printmagazin stern, Ausgabe Nr. 41 vom 30.09. 2004, Seiten 58-60

      Die Raffkes aus Berlin

      Kanzler Schröder hat den Deutschen eine „Mitnahme-Mentalität" bis weit in die Mittelschicht hinein” bescheinigt. Der stern hat nachgeschaut, wie sich unsere Politiker aufs Abzocken verstehen.


      Ale Jahre wieder befällt das »Dezem­ber-Virus" den Bundestag. Dann drängeln sich die Mitarbeiter der Volksvertreter in der Berliner Beschaf­fungsstelle für Bürobedarf. Der "Honigtopf" will geleert sein. Darin stecken zur Zeit 7500 Euro im Jahr, die jeder Abgeord­nete für Büroklammern, Druckerpatro­nen oder Schreibgerät ausgeben darf. Was zum Jahresende nicht verbraucht ist, ver­fällt. Daher wird schnell noch das „Meis­terstück Le Grand” von Montblanc be­stellt, 460 Euro teuer. Macht was her un­term Tannenbaum.

      Ob Gerhard Schröder auch dieses Vi­rus im Sinn hatte, als er unlängst über die Mitnahme-Mentalität der Deutschen klagte, die „bis weit in die Mittelschicht hi­nein” reiche? Wohl kaum. Von der politi­schen Elite war in der Kanzler-Schelte nicht die Rede, obwohl die sich aufs Abzo­cken ebenso versteht wie Otto Mustermann. Karl Heinz Däke, Präsident des Steuerzahlerbundes, weist darauf hin, dass Schröder glaubwürdiger wäre, "wenn er bei seiner Schelte Politiker nicht außen vor" ließe. Denn die politische Elite be­schließt als Gesetzgeber in eigener Sache, ihre Mitnahmeeffekte sind daher eine Form legaler Vorteilsnahme.

      Jahr für Jahr wütet Hans Eichels Rot­stift heftiger im Haushalt. Was jedoch wächst, ist die Position „Geschäftsbedarf nach § 12 Abgeordnetengesetz” im Haushalt des Bundestags. Die 4,5 Millionen Euro im Jahr 2004 werden fürs nächste Jahr mit 900 000 Euro nachgebessert. Dann stehen jedem der 603 Abgeordneten 9000 Euro für „Bürobedarf” zur Verfü­gung. Der Grund des Wachstums: Künftig können auch Handykosten abgerechnet werden.

      Kein Einzelfall.

      Seit langem beweist die politische Elite Nehmerqualitäten, zum Beispiel mit der Abgeordnetenpension. Ein Abgeordneter bezieht nach acht Jahren 1683 Euro Pension. Sie steigt jedes Jahr um drei Prozent bis zum Höchstbe­trag von 4837 Euro; frühester Bezugszeit­punkt mit 55 Jahren. Ein Jahr und 274 Tage Amtszeit genügen bei einem Minister für knapp 2000 Euro Monatspension; nach vier Jahren gibt es 3556 Euro ab dem 55. Lebensjahr. Berufspolitiker, die es zu Ministerehren bringen, schaffen locker Pensionen von mehr als 10 000 Euro. Sparminister Eichel liegt jetzt schon bei 11500 Euro Rentenanspruch. Ohne einen Cent Eigenbeitrag. De-luxe-Gesetze sind für Däke der Beleg dafür, „dass Politiker immer noch eine Sonderklasse sind, wenn es ums eigene Geld geht. Als eine Expertenkommission empfahl, den Höchstanspruch von 75 Prozent der Diäten auf 60 Prozent abzubauen, die jährli­che Steigerung von drei auf 2,5 Prozent zu reduzieren und Pension generell erst mit 63 zu zahlen, wie dies beim Normal­bürger der Fall ist – da stellte das Parla­ment sich taub.

      Beispiel Kostenpauschale: Sie wird in Höhe von monatlich 3551 Euro jedem Volksvertreter zusätzlich zur Abgeord­netenentschädigung (7009 Euro) überwiesen, steuerfrei. Und vor allem ohne jeden Nachweis, welche Kosten bei der Wahrnehmung des Mandats tatsächlich entstehen. Der wäre im Detail für die Gesamtsumme auch nur schwer zu füh­ren. Schließlich fahren Abgeordnete umsonst mit der Bahn, fliegen gratis, te­lefonieren zu Hause und im Büro kos­tenlos, Mitarbeiter werden vom Bundestag bezahlt. Vollends fragwürdig wird die Kostenpauschale jedoch im Fall der so genannten Heimschläfer: jener Abgeordneten, die in Berlin keine Zweitwohnung bezahlen müssen, weil sie dort ihre Erstwohnung haben. Das ist bei gut zwei Dutzend Par­lamentariern der Fall, darunter Bundes­tagspräsident Wolfgang Thierse (SPD).

      Nach Berechnungen des Bun­destags sind in die Kostenpau­schale rund 1000 Euro für eine Zweitwohnung in Berlin einkal­kuliert – ein hübsches Zubrot für die „Heimschläfer". Der Staatsrechtler Professor Hans Mayer von der Berliner Hum­boldt-Universität merkt sarkas­tisch an, die Pauschale fördere die Möglichkeit, „auch illegiti­me Vorteile auf Staatskosten zu erreichen”. Vor zehn Jahren hat die so genannte Kissel-Kommis­sion eine Änderung dringend angeraten. Danach sollte die steuerfreie Pauschale auf 500 Euro reduziert und alle darüber hinaus anfallenden Ausgaben nur noch gegen Nachweis erstattet werden. Geschehen ist nichts.

      „Die Behauptung, die Abge­ordneten seien Absahner, weise ich entschieden zurück”, hat die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) einmal protestiert. Manche sind es schon. So genießen die ehema­ligen Bundestagsvizepräsiden­ten Petra Bläss (PDS), Anke Fuchs (SPD) und Rudolf Seiters (CDU), alle seit 2002 nicht mehr im Bundestag, bis heute Privilegien: komplett ausgerüstetes Büro im Regie­rungsviertel, ein Mitarbeiter der Gehaltsklasse BAT IV a (rund 40000 Euro jähr­lich), Gratistelefon, Gratisbüromaterial bis 3750 Euro im Jahr, Gratisbenutzung der Fahrbereitschaft des Parlaments, Gra­tisbezug zweier Tageszeitungen, Freifahr­karte der Bahn.

      Der Supr-Service wird damit begrün­det, dass „noch für eine gewisse Zeit fortwirkende Verpflichtungen aus dem frühe­ren Amt zu erfüllen sind”. Zwar gilt die satte Abpolsterung nach dem Amtsverlust, früher zeitlich unbegrenzt, jetzt nur noch für vier Jahre. Aber Sinn macht sie dennoch selten. Ex-Vizepräsident Dieter-Juli­us Cronenberg zum Beispiel räumte sein Gratisbüro lange vor Ablauf der Frist – es gab schlicht nichts zu tun.

      Gut in der Disziplin „Beidarmiges An­sich-Reißen” ist auch die Sportgemein­schaft Deutscher Bundestag e.V. Ihre 25-köpfige Golfgruppe, fast alles Abgeord­nete, locht in Berlin wie Bonn zu Minige­bühren in Clubs ein, in denen normale Mitglieder beim Eintritt fünfstellig zur Kasse gebeten werden. Die Tennismann­schaft ließ sich Flüge zu parlamentarischen Turnieren in Tampere (Finnland) und Rom von der Wehrindustrie sponsern. Die Motorradgruppe (stern Nr. 22/2003) fährt mit Gratissprit durchs Land. Profiteure sind neben anderen Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) und Staatssekretärin Ute Vogt (SPD). Vogt, Monatseinkommen von mehr als 14 000 Euro, nennt Kritik an ihrer Easy-Rider-Tour „typisch deutsche Neidhammelei`.

      Die Abgeordneten und die Abzockerei: Heuchelei gehört immer dazu. Massiv zum Beispiel hat sich die Sprecherin der SPD-Linken, Andrea Nahles, gegen die Kanzler-Schelte verwahrt: „Das ist ein Pauschalurteil.” Der SPD-Politikerin, bis 2002 im Bundestag, ist offensichtlich § 12 Abs. 3 Abgeordnetengesetz entfallen. Dort steht, dass Abgeordnete keine Mitarbeiter beschäftigen dürfen, „die mit dem Mit­glied des Bundestags verwandt, verheiratet oder verschwägert sind”. Unzulässig sind auch „Arbeitsverträge mit Lebenspart­nern`. Nahles hat das nicht gehindert, ih­ren damaligen Lebensabschnittsgefährten Frank W. als Mitarbeiter zu beschäftigen.

      Gern praktiziert wurden auch die intern „Cross-Marriages” genann­ten Beschäftigungsverhältnisse: Stellst du meine Ehefrau an, be­schäftige ich deine. Oder: Weshalb erhalten Abgeordnete die Senator-Card der Lufthansa, obwohl viele die dafür notwendige Meilenzahl nicht zu­sammenfliegen? Man muss beim Einchecken nicht Schlange stehen und kommt selbst dann mit, wenn die Maschine ausgebucht ist. Früher missachteten Minister wie Staatssekretäre die für Dienstwagen geltenden Höchstpreise, um den gewünschten Sechszylin­der zu bekommen. Heute bieten die Hersteller ihre Karossen mit mehr als 50 Prozent Rabatt an oder zu Leasing-Konditionen, von denen der Normalkunde nur träumen kann.

      Gross war die Erregung, als aufflog, wie Europaabgeordnete sich Tagegelder von jeweils 262 Euro erschlichen, indem sie Anwe­senheit vortäuschten. Im Bundestag lässt sich freitags beobachten, wie Abgeordnete mit dem Koffer in der Hand sich am Morgen schnell in die Liste eintragen, um dann zum Bahnhof zu entschwinden. Das spart 50 Euro Diätenabzug.

      Aber es gibt auch Abgeordnete, die Schröders Kritik an der Mitnahme-Men­talität der Deutschen mit Rückgrat entge­gentreten. „Wir können nicht dem Volk bei der Rente einiges an Opfern zumuten, ohne uns selber mit einzubeziehen`, rügt der SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz. Für dieses Prinzip zahlt er sogar. Denn der Genosse hatte eine Monatsdiät (7009 Euro) darauf gewettet, dass der Bundestag sich bis Juli 2004 auf eine Abspeckaktion bei den üppigen Polit-Renten verständi­gen werde. Geschehen ist nichts. Das Geld bekommt die Rentnerin Helga Schlotz­hauer, 81, die sich in 25 Jahren als Verkäu­ferin eine Rente von 633 Euro erarbeitet hat, von der ihr nach Abzug aller Fixkos­ten pro Woche 50 Euro bleiben. Magerkost für Rentner, Vollpension für Politiker: Wiefelspütz kämpft weiter. Noch einmal 7009 Euro hat er darauf ge­wettet, dass bis zum Jahresende eine neue Regelung der Altersversorgung Gesetz ist. Wetten, dass: Wiefelspütz muss noch einmal zahlen.

      Beitrag von: HANS PETER SCHÜTZ
      -----------------------------------------------------------------------------http://www.tacheles-sozialhilfe.de/gast/default.asp#2044----…
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      schrieb am 05.10.04 19:18:40
      Beitrag Nr. 1.920 ()
      Die Schmerzen der anderen
      04.10.2004









      Am vergangenen Freitag erschien in der Süddeutschen Zeitung eine ganzseitige Anzeige, in der sich 62 bekannte Personen - "Persönlichkeiten" würde hier möglicherweise einen nicht vollständig richtigen Eindruck erwecken - eindeutig, unmißverständlich und kompromißlos hinter den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder und die geplanten Einschnitte in das soziale Netz unter dem Titel "Hartz IV" stellen.

      Man mag die Unterzeichner nicht unbedingt als "who-is-who" Deutschlands bezeichnen und doch sind zahlreiche bekannte Namen darunter.

      Wirtschafts-Berater - Verzeihung, -"Consultant" - Roland Berger, der ehemalige SPD-Generalsekretär Peter Glotz, Schriftsteller Günter Grass, Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, der Aufsichtsratsvorsitzende von Karstadt-Quelle Thomas Middelhoff, Musiker Marius Müller-Westernhagen, "Starphotograph" Jim Rakete, BDI-Präsident Michael Rogowski, der frühere RTL-Geschäftsführer Helmut Thoma, sie alle und noch viele andere haben unter dem Titel "Auch wir sind das Volk" diesen Aufruf unterzeichnet, der den Deutschen das Jammern abgewöhnen soll.

      Demnach ist nun "die Stunde der Wahrheit" gekommen. "Jetzt hilft nur noch ein radikaler Kurswechsel. Solche Einschnitte tun weh wie alle schweren Operationen, aber aus Furcht vor Schmerzen nichts zu tun, wäre verantwortungslos", so der Text.

      Müssen wir ihnen nicht dankbar dafür sein, daß sie ihr Geld für diese kostspielige Zeitungsanzeige aufwenden, um das Volk aufzurütteln?

      Wer, wenn nicht diese ebenso klugen wie erfolgreichen Köpfe könnte besser wissen, was das Beste für die Menschen in Deutschland ist?

      Wer, wenn nicht sie wüßte, wie das "Unternehmen Deutschland" in eine erfolgreiche Zukunft zu führen ist?

      Wer, wenn nicht sie hat durch geradezu beispiellose Erfolge gezeigt, daß sie mit Geld umgehen können?

      Wer, wenn nicht sie könnte die nun erforderlichen Schmerzen nachfühlen?

      Doch halt - ist es nicht bei genauerer Betrachtung so, daß die Unterzeichner ebenso große Gefahr laufen, die von ihnen geforderten und als unbedingt erforderlich bezeichneten Schmerzen nachzufühlen, wie der Jockey, der sein Pferd bis aufs Blut peitscht, ums als Erster ins Ziel zu gelangen?

      Ist es nicht vielmehr so, daß jeder einzelne der Unterzeichner den vollständigen Seitenpreis (Adobe Acrobat-Datei) von derzeit 45.008 Euro problemlos allein hätte tragen können ohne dafür auch nur eine Yacht verkaufen zu müssen?

      Und ist es nicht schließlich auch so, daß die Unterzeichner genau auf der Seite der Vermögensschere stehen, die von solchen "Reformen", die das "Einkommen" der sozial Schwächsten noch weiter beschneiden, nur profitieren kann?

      http://www.freace.de/artikel/200410/041004c.html
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      schrieb am 05.10.04 19:22:57
      Beitrag Nr. 1.921 ()
      Ausland
      Wolfgang Pomrehn

      Schuldeneintreiber lassen nicht locker

      Bei IWF und Weltbank bleibt alles wie gehabt: Arme Länder stöhnen auch nach der Jahrestagung unter der Last kaum rückzahlbarer Kredite


      Um die sogenannten Millenniumsziele der Vereinten Nationen ist es schlecht bestellt. Bis 2015 soll die Armut, das heißt die Zahl jener Menschen, die mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen müssen, halbiert sein. So hatte es seinerzeit feierlich die UN-Vollversammlung im Jahre 2000 beschlossen. »Wenn wir so weitermachen«, meint hingegen der britische Finanzminister Gordon Brown, »wird die Armut auch in 150 Jahren nicht halbiert sein«. Der Schatzkanzler Ihrer Majestät hatte am Wochenende in Washington vergeblich auf der Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) die Vorschläge seiner Regierung zum Schuldenabbau unterbreitet.

      Besonders hatte er dabei die 42 sogenannten HIPC-Staaten (Highly Indebted Poor Countries, hochverschuldete arme Länder) im Auge, für die seit einigen Jahren Teilerlaßprogramme laufen. Diese entlassen die Länder jedoch nicht aus der Schuldenabhängigkeit, sondern reduzieren die Verbindlichkeiten nur so weit, daß der Schuldendienst für die schwachen Volkswirtschaften der betroffenen Länder gerade noch leistbar bleibt. Oder nicht einmal das: Der jüngste Weltbank-Bericht über die HIPC-Initiative zeigt, daß selbst jene Länder, die bereits Erlaß im Rahmen dieses Programms erhalten haben, noch immer unter Auslandsschulden leiden, die 150 Prozent und mehr ihrer jährlichen Exporte entsprechen. Insgesamt sind die HIPC-Länder mit etwa 200 Milliarden US-Dollar im Ausland verschuldet, was 8,5 Prozent der Verbindlichkeiten der Entwicklungsländer ausmacht.

      Brown hatte daher vorgeschlagen, die Schulden dieser Länder bei der Weltbank ganz zu streichen. Großbritannien sei bereit, zehn Prozent der Kosten zu übernehmen. In der Runde der G 7, das heißt der führenden Industrienationen, hatte er sich damit nicht durchsetzen können. Damit ist die britische Initiative zunächst gescheitert, denn der erlauchte Kreis kontrolliert die beiden Washingtoner Institute im wesentlichen: Bei der Weltbank verfügen die G-7-Staaten über 42,97 Prozent der Stimmen und beim IWF über 45,71 Prozent.

      Während die US-Regierung für den britischen Vorstoß offen war, aber eine politische Auswahl der Begünstigten wünschte – zum Beispiel schlägt Washington einen 90prozentigen Schuldenerlaß für den Irak vor – trat vor allem Berlin als Bremser auf. Bundesfinanzminister Hans Eichel hatte bereits im Vorfeld der Tagung klargemacht, daß er keinen zusätzlichen Cent locker machen werde.

      Bei Solidaritätsgruppen stieß die Blockadehaltung auf heftige Kritik: »Es ist empörend, daß nicht einmal angesichts der AIDS-Krise die G 7 in der Lage sind, Schulden zu streichen«, meint zum Beispiel Marie Clarke von Jubilee USA, einem Zweig einer internationalen Kampagne, die den Erlaß der Schulden der Entwicklungsländer fordert. Besonders viele afrikanische Staaten, die von der AIDS-Pandemie stark betroffen sind, gehören zu den HIPC-Staaten. Deshalb beteiligten sich auch in diesem Jahr afrikanische Aktivisten an den Protesten gegen die Jahrestagung, wie Jack Jones Zulu aus Sambia. Auf einer Kundgebung beschrieb er, wie die IWF-Strukturanpassungsprogramme in seinem Land Bildungs- und Gesundheitswesen zerstören. Die Schulden seien »illegitim« und »eine neue Form des Kolonialismus«.

      Unterdessen reagieren die Herren der Welt besonders empfindlich, wenn ein Land seine Schuldenkrise selbst in die Hand nimmt und die Sanierung der eigenen Wirtschaft über das Wohl der Gläubiger stellt. Argentinien wurde in Washington von den G-7-Regierungen mit harschen Worten aufgefordert, seine Schulden wieder zu bedienen. Hilfe vom IWF gäbe es erst, wenn 80 Prozent der privaten Gläubiger einem Umschuldungsprogramm zustimmen. Hintergrund: Argentinien hat 2001 die Bedienung seiner Staatsanleihen in Höhe von rund 100 Milliarden US-Dollar ausgesetzt und verlangt von den privaten Zeichnern, daß sie auf etwa 80 Prozent ihrer Forderungen verzichten.

      http://www.jungewelt.de/2004/10-05/007.php
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      schrieb am 05.10.04 19:24:52
      Beitrag Nr. 1.922 ()
      Inland
      Daniel Behruzi

      Kritische Protestbilanz

      Kongreß gegen Sozialabbau in Berlin: FU-Professor Grottian will Formen und Inhalte des Widerstands weiterentwickeln. Nächste Aktionskonferenz am 23. Oktober in Magdeburg


      Eine kritische Bilanz der sonnabendlichen Großdemonstration in Berlin zog FU-Professor Peter Grottian am folgenden Tag. Beim Abschlußplenum der Konferenz »Wir haben Alternativen zu Hartz IV und Agenda 2010« in der Berliner TFH sagte er am Sonntag nachmittag: »Die Demonstration hat Stagnation, wenn nicht gar Rückschritt gezeigt.« So seien nur wenige Aktivisten aus den alten Bundesländern und der gewerkschaftlichen Basis vertreten gewesen. »Bei den Reden gab es kaum eine Botschaft, wie es weitergehen soll – von zivilem Ungehorsam und Streiks war so gut wie nichts zu hören«, monierte Grottian. Seine Schlußfolgerung: Man dürfe »nicht einfach weitermachen wie bisher und nur über die nächste Aktion reden«. Neben weiteren Massenmobilisierungen solle man sich inhaltlich deutlicher positionieren und über Aktionen des zivilen Ungehorsams nicht nur reden, sondern diese auch umsetzen, schlug der Professor vor.

      Bei den rund 100 Konferenzteilnehmern stieß Grottian mit dieser pointierten Kritik und seinen Vorschlägen nicht nur auf Zustimmung. Ein »Achtungserfolg« sei der Protest gewesen, meinte eine Aktivistin. Ein Gewerkschafter aus Frankfurt am Main sagte, es sei eben nur überregional, nicht bundesweit zur Demonstration mobilisiert worden. Peter Wahl von ATTAC gab zu bedenken, auch »Aktionen des zivilen Ungehorsams« seien lediglich symbolisch und zumeist von Minderheiten getragen. »Das wird uns auch nicht herausreißen«, so Wahl. Aber auch »das Aktionsinstrument Massenmobilisierung« habe sich »erschöpft«, behauptete er. Das weiterhin bestehende Protestpotential drücke sich nun auch und vor allem bei Wahlen aus. Die Schlußfolgerung aus dieser Argumentation ließ der ATTAC-Funktionär indes offen. Fortgesetzt werden soll die Debatte über die nächsten Schritte der Protestbewegung auf einer weiteren Aktionskonferenz am 23. Oktober in Magdeburg.

      Der Aufforderung Grottians, sich stärker auf die Entwicklung inhaltlicher Alternativen zu »Hartz« und »Agenda 2010« zu konzentrieren, hatten die Konferenzteilnehmer zuvor bereits bei einer Podiumsdiskussion sowie in mehreren Workshops entsprochen. Dabei ging es neben der grundsätzlichen Analyse der Ursachen und Auswirkungen neoliberaler Politik u. a. um die Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung, Mindestlohn und Grundeinkommen sowie die Demokratisierung der sozialen Sicherungssysteme und den Umbau des Steuersystems. In seiner Eröffnungsrede hatte Harald Werner vom PDS-Parteivorstand erklärt, man solle nicht nur über die sozialen Zumutungen, sondern auch über die Steuergeschenke für Wohlhabende sprechen. »In der Tendenz nimmt die Zahl der Millionäre ebenso stark zu wie die Zahl der Arbeitslosen«, sagte er und rechnete vor, daß »statistisch gesehen auf sechs Arbeitslose ein Millionär« komme. Das zeige, daß es paradoxerweise nicht der Mangel, sondern der Überschuß an Kapital sei, der zum Sozialabbau führe. »In einer Wirtschaft, in der die einen das Kapital besitzen und die anderen nur ihre Arbeitskraft verkaufen können, wird notwendigerweise permanent umverteilt«, stellte Werner fest. Zudem konstatierte er, daß »eine Regierung nach der anderen von der neoliberalen Ideologie erobert wird«. Die Berliner SPD-PDS-Koalition erwähnte er in diesem Zusammenhang allerdings nicht.

      http://www.jungewelt.de/2004/10-05/012.php
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      schrieb am 05.10.04 19:28:00
      Beitrag Nr. 1.923 ()
      Ausland
      Thomas Immanuel Steinberg

      Wie lange reicht das Öl?

      Wieviel Erdöl es noch gibt, hängt in gewissem Sinne vom Preis ab


      Am Spotmarkt kosten zur Zeit 159 Liter Rohöl von der Sorte Brent, ein Barrel also, um die 50 Dollar. Doch das meiste Rohöl wird nicht »on the spot«, vom Fleck weg verkauft, sondern aufgrund längerfristiger Verträge. Die dabei vereinbarten Preise lagen bisher weit unter 50 Dollar je Barrel, schießen aber zur Zeit nach oben. Für Öl der US-Sorte West Texas Intermediate, das im Juni 2006 geliefert wird, sind jetzt 40 Dollar zu zahlen. Im Dezember 2009 zu lieferndes Öl kostet augenblicklich 35 Dollar.

      Die Frankfurter Allgemeine Zeitung gibt die durchschnittlichen Produktionskosten je Barrel mit 20 Dollar an. Die Ölproduzenten profitieren also zur Zeit wie nie. Dagegen geht es den Bewohnern mancher Rohölländer sogar schlechter, falls dort keine Raffinerien bestehen und Benzin sowie andere Ölderivate folglich mit entsprechenden Preisaufschlägen importiert werden müssen. Der Preisanstieg bei Rohöl wird durch den Preisanstieg bei Benzin überkompensiert.

      Die Grenzkosten, also die Kosten für jedes zusätzlich geförderte Barrel, steigen gegenwärtig. An die noch vorhandenen Reserven heranzukommen, erfordert größeren Aufwand. Zum Beispiel werden in Saudi-Arabien die drucklos lagernden Rohöl-Sedimente teilweise mit Meerwasser an die Oberfläche gepreßt. Nach und nach enthält der Boden immer mehr Meerwasser und immer weniger Rohöl. Die Ölgewinnung wird immer kostspieliger.

      Großverbraucher können mittelfristig auf Gas ausweichen. Doch für Erdgaslieferungen – aus Rußland nach Westeuropa zum Beispiel – gibt es gar keine eigene Preisbildung: Produzent, Abnehmer und Größenordnung stehen langfristig fest. Daher sind die Erdgaspreise vertraglich über eine Gleitklausel an die Ölpreisentwicklung gekoppelt. Mit gewisser Verspätung und ohne die extremen Spotmarkt-Ausschläge folgt der Gas- dem Ölpreis.

      Öl- und Gaspreis hängen letztlich nicht von den natürlichen Gegebenheiten ab, sondern von den gesellschaftlichen. Hätten die Deutschen nicht 40, sondern nur 20 Millionen Autos und die USA auch nur die Hälfte, dann wäre Energie heute billiger. Vergleichbare Wirkung hätte der Bau von Häusern, die Sommerwärme im Boden speichern und im Winter wieder abgeben, statt Öl zu schlucken.

      Doch wie lange reicht das Öl, wenn weiter damit geast wird? Die unbefriedigende Antwort: entweder wenige oder viele Jahrzehnte. Ölproduzierende Länder wie Saudi-Arabien und die Emirate machen eher hohe Angaben über die eigenen Reserven. Sie wollen ihre Kunden nicht verlieren. Andere, wie China, halten ihre Statistik nicht auf dem Laufenden. Über Jahre hinweg melden sie unveränderte Reserven, obwohl sie Öl verbraucht oder neue Felder entdeckt haben. Alle Länder sollen jährlich angeben, welche Ölreserve nach gegenwärtigem Stand der Technik und bei gegenwärtigem Preisniveau insgesamt noch wirtschaftlich förderbar ist. Ähnlich einem Kaufmann sollen sie Inventur machen. Bei steigendem Ölpreis, wie gegenwärtig, wird mehr Öl wirtschaftlich förderbar – die Reserven nehmen zu. Wieviel Öl es noch gibt, hängt tatsächlich in gewissem Sinne vom Preis ab.

      Einige Länder passen ihre Mengenangaben veränderten Preisen und veränderter Technik an, andere nicht. So weiß niemand genau, wie lange das Öl noch reicht. Sicher ist nur, daß Öl nicht mehr gefördert wird, wenn die Förderung mehr Energie verbraucht, als sie einbringt. Vielleicht aber kommt es gar nicht darauf an, wieviel Öl insgesamt noch da ist, sondern wieviel gerade höchstens gefördert werden kann (gemäß der Peak-Oil-These, siehe Interview)? Ist der Peak, die Spitze überschritten, könnten die Kriege ums Öl sich vervielfachen.

      Zwischen Öl und Kriegen besteht ein enger Zusammenhang. Einige, wie Hermann Scheer von EuroSolar, hoffen auf eine friedliche Welt durch weltweiten Einsatz von Sonnenenergie. Im Unterschied zu nicht erneuerbaren Energieträgern wie Gas und Öl sei Sonnenenergie endlos und überall vorhanden. Ein Streit darum sei daher Unfug.

      Ist diese Vorstellung wirklich durchdacht? 1991 hat Saddam Hussein Kuwait in der Hoffnung überfallen, eine Vormachtstellung in der OPEC zu erlangen. Elf Jahre später besetzte George Bush den Irak in der Hoffnung, die US-amerikanische Weltmachtstellung zu festigen. Das wäre doch genauso, wenn alle Energie aus Sonnenkollektoren bezögen – der Irak, Kuwait und die USA. Oder nicht?

      (Siehe auch Interview mit Alexander Wöstmann)

      Die Ölpreisspekulation in Fakten und Zahlen

      * Die US-Ölpreise sind seit Jahresbeginn um rund 54 Prozent und innerhalb von zwölf Monaten um 71 Prozent gestiegen. Das absolute Hoch wurde am vergangenen Dienstag im Tagesverlauf mit 50,47 Dollar verbucht. Seitdem ist der Preis wieder leicht zurückgegangen.

      * Der Rohölpreis der OPEC war auf das Rekordhoch von 43,54 Dollar pro Barrel gestiegen. OPEC-Experten nannten die Spekulationen an den New Yorker Ölmärkten sowie die gestiegene Nachfrage Chinas und Indiens und die Lage im Irak als Grund für den Preisanstieg.

      * Der Ölpreis war auch das Hauptthema der am Freitag beendeten G-7-Tagung in Washington. Die G-7-Finanzminister und Notenbankchefs bezeichneten in der Abschlußerklärung den hohen Ölpreis als Gefahr für den Weltmarkt. Sie forderten die OPEC auf, eine angemessene Versorgung zu gewährleisten.

      * Die US-Erdölindustrie fürchtet, daß die Lieferungen aus den Produktionsgebieten im Golf von Mexiko nicht mehr genügen könnten, um die Raffinerien in Louisiana, Texas und Alabama ausreichend zu versorgen. Die USA haben daher in den vergangenen Wochen Rekordmengen an Rohöl importiert. Die Fördermenge im Golf von Mexiko liegt nach den durch den Hurrikan »Ivan« verursachten Schäden bei nur 71 Prozent der Normalfördermenge.

      * Neben den Einflüssen auf die Produktionsbedingungen ist der Ölpreis vor allem eine Folge von Spekulation. Öl wird, an Terminbörsen gehandelt. Dort werden die Preise unabhängig von der Nachfrage festgelegt. Der Ölexperte Ng Weng Hoong aus Singapur geht von einem weiteren Anstieg der Preise aus. »Nach dem Knacken der 50 Dollar sind nun die 60 Dollar im Visier«, erklärte er gegenüber der FAZ.

      Ronald Weber

      http://www.jungewelt.de/2004/10-05/010.php
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      schrieb am 05.10.04 19:30:21
      Beitrag Nr. 1.924 ()
      Inland


      »Hartz IV«-Opfer des Tages

      Ich-AG

      Die Zauberlehrlinge in Bundesregierung und Arbeitsagentur habe es schwer mit ihrem beschworenen Besen »Hartz IV«. Eigentlich sollte dieser Geist alle ihre Probleme lösen. Doch statt dessen bereitet er immer wieder Ungemach. Nicht nur die Massenproteste gegen »Hartz IV« und dessen diagnostizierte Wirkungslosigkeit im Hinblick auf den Arbeitsmarkt verursachen regelmäßig unkontrollierte Zuckungen in Ministerialbürokratie und Politikbetrieb. Vor allem die nicht ins Kalkül gezogenen Zusatzkosten jener Besenorgie bringen die Bundesagentur für Arbeit (BA) und ihre Dienstherren zunehmend in Verlegenheit.

      So galt die sogenannte Ich-AG als eine besonders geglückte Erfindung von Peter Hartz. Erwerbslose sollten sich selbständig machen und schnell aus der Arbeitslosenstatistik verschwinden. Diesen willkommenen Abschied aus der Statistik – und den Sozialsystemen – wollte man sich in Berlin und Nürnberg gern ein paar tausend Euro pro Kopf kosten lassen. Allerdings hatte niemand damit gerechnet, daß das Ich-AG-Konstrukt zum kurzzeitigen Fluchthelfer aus der »Hartz IV«-Falle mutieren würde.

      Denn viele vom künftigen Arbeitslosengeld II (ALG II) bedrohte Erwerbslose nahmen offenbar dankbar die Hinweise von Beratungsgruppen auf und gründeten kurzerhand eine Ich-AG. Das garantierte bislang einen Existenzgründerzuschuß und ein sechsmonatiges Überbrückungsgeld, mit dem es sich besser leben läßt als mit ALG II. Ob nun die Ich-AG der Gründerin bzw. dem Gründer etwas einbringt oder nicht, ist vielen von ihnen wohl egal. Hauptsache nicht gleich in die ALG-II-Falle geraten, scheint die Devise.

      Das kostet richtig Staatsknete. Auf 850 Millionen Euro mußten die Haushaltsmittel der Bundesagentur dafür bereits im Juni aufgestockt werden, berichtete am Montag die Welt. Jetzt, so das Blatt, mußte der Verwaltungsrat der BA erneut 230 Millionen Euro zusätzlich bewilligen, hieß es. Daraufhin zog das Gremium die Notbremse. Zukünftig sollen die Beihilfen zu Ich-AGs nur noch als Ermessens- und nicht mehr als Pflichtleistung der BA gezahlt werden. Damit wäre das Konzept Ich-AG erledigt. Das letzte Wort hat nun die Regierung. Ob man damit die Geister los wird, die gerufen worden sind?

      (kf)
      http://www.jungewelt.de/2004/10-05/015.php
      Avatar
      schrieb am 05.10.04 19:34:37
      Beitrag Nr. 1.925 ()
      Inland


      »Hartz IV« tickt nicht richtig – Software läuft erst ab März

      Bundesagentur für Arbeit sieht Schwierigkeiten für die ersten Monate 2005


      Die Bundesagentur für Arbeit rechnet auch für die ersten drei Monate nach Einführung des Arbeitslosengeldes II mit Softwareproblemen. »Erst bis März werden wir alle Fehler ausgebügelt haben«, erklärte BA-Chef Frank-Jürgen Weise am Montag in Lauf bei Nürnberg. Die Programme zur Berechnung der neuen Leistungen bereiteten in bestimmten Fällen noch Probleme. Die Bundesagentur arbeite jedoch an einer relativ einfachen Notfall-Software, die die pünktliche Auszahlung des Arbeitslosengeldes II sicherstellen solle.

      Weise sieht in den Softwareproblemen »den dominierenden Engpaß« bei der Einführung des auf »Hartz IV« zurückgehenden Arbeitslosengeldes II. »Im Moment spricht aber alles dafür, daß wir das Programm A2LL zum Jahresbeginn 2005 zum Laufen bringen«, sagte er. Sorge bereitet der BA nach seinen Worten auch, daß bisher nur relativ wenige Anträge für die neuen Leistungen eingegangen sind. Er warnte, das Risiko von Arbeitsfehlern werde sich erhöhen, wenn die örtlichen Agenturen zum Jahresende mit einer plötzlichen Datenflut zu kämpfen hätten. Bisher wurden laut Weise erst 36 Prozent der verschickten Fragebögen komplett ausgefüllt zurückgegeben. Weitere zehn Prozent lägen fast vollständig ausgefüllt vor. »Wir müssen aber bis Ende Oktober 65 Prozent erreichen, sonst müssen wir Personal aufstocken«, sagte der BA-Chef.

      Auch die Schaffung von sogenannten Arbeitsgemeinschaften, in denen Kommunen und örtliche Arbeitsagenturen Langzeitarbeitslose ab 2005 gemeinsam betreuen sollen, wird nach Ansicht des BA-Chefs nicht reibungslos vonstatten gehen. »Das ist organisatorisch nicht auf einen Schlag zu bewältigen«, sagte Weise.Gleichzeitig warnte er davor, Langzeitarbeitslose langfristig in sogenannten Ein-Euro-Jobs unterzubringen. Die negativen Erfahrungen bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dürften sich nicht wiederholen.

      (AP/jW)

      http://www.jungewelt.de/2004/10-05/018.php
      Avatar
      schrieb am 05.10.04 19:41:16
      Beitrag Nr. 1.926 ()
      Humanwirtschaft - Ausweg aus der Krise


      von Prof. Dr. rer. pol. Eberhard Hamer, Mittelstandsinstitut Hannover



      Die vor mehr als einem Jahr einsetzende Weltwirtschaftskrise hat bisher nur ihre erste Stufe erlebt: den Börsen-Crash. Die zweite Stufe folgt mit dem Banken-Crash, der dann in den Real-Crash übergeht mit Massenzusammenbrüchen von Firmen, Massenarbeitslosigkeit und Verarmung der Bevölkerung.

      Diese Krise dürfte von dem am meisten verschuldeten Land - den USA - ausgehen, bleibt aber nicht auf ein einziges Land beschränkt, weil die Globalisierung inzwischen eine solche weltweite Vernetzung geschaffen hat, dass jeder Zusammenbruch einer wesentlichen Volkswirtschaft immer auch im Dominoeffekt die übrigen Volkswirtschaften mit sich reisst. Wir werden also nach den Vorteilen der Globalisierung im Wirtschaftswachstum nun den Fluch der Globalisierung in einer allgemeinen Weltwirtschaftskrise erleben.

      Wie sich die Krise auswirkt, hat eine Arbeitsgruppe von mehr als 40 Experten am Mittelstandsinstitut Hannover im Jahre 2002 überlegt und die einzelnen Szenarien für die einzelnen Bereiche, wie zum Beispiel internationale Finanzen, Staatsfinanzen, Arbeitsmarkt, innere Sicherheit, Kultur u.a., überlegt. Die Ergebnisse liegen seit mehr als einem Jahr vor in dem Buch «Was passiert, wenn der Crash kommt?». Wer sich also auf diese Krise einrichten, sein Vermögen oder sein Unternehmen möglichst retten will, sollte sich die voraussichtliche Entwicklung der Krise anhand dieses Buches zu Gemüte führen.

      Jeder weltwirtschaftliche Zusammenbruch spielt sich nicht nur als Staatskonkurs, Firmenkonkurs und in einer Fülle von Privatkonkursen ab, sondern bedeutet meist auch einen Zusammenbruch oder zumindest Teilzusammenbruch des bisherigen Wirtschaftssystems.

      Herrschaft der Sozialfunktionäre im Sozialismus
      Als gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts die sozialistischen Verwaltungswirtschaften reihenweise zusammenbrachen, erkannten die Menschen, dass dieses System in Wirklichkeit keineswegs zum Wohle des Volkes - Arbeiter, Bauern oder «andere Werktätige» - errichtet worden war, sondern in Wirklichkeit der Machterhaltung und dem alleinigen Nutzen der herrschenden Sozialfunktionäre diente. In allen Fällen hat Sozialismus zur Sozialherrschaft von Funktionären über ein Volk von Sozialuntertanen geführt - auch in zunächst demokratisch-sozialistischen Systemen.

      Überall dort, wo die Sozialfunktionäre ihre Herrschaft errichtet hatten, wurde die Privatwirtschaft sozialisiert, also durch Staatswirtschaft ersetzt, damit die Sozialfunktionäre selbst die Produktionsfunktion und die «Macht über die Produktionsfaktoren» in die Hand bekamen. Die Folge ist in allen sozialistischen Systemen Unwirtschaftlichkeit, Niedergang der Wirtschaft, des Wohlstandes und des Staates gewesen.

      Der weltweite Zusammenbruch aller sozialistischen Systeme hatte immer die gleichen Ursachen, nämlich

      Vorrang des öffentlichen vor dem privaten Leben und dadurch Expansion des Staatssektors, der Staatsbürokratie und vor allem der Sozialbürokratie - also der unproduktiven Sektoren,
      Ersatz des freien Unternehmertums in der Produktion durch unproduktive Sozialfunktionäre,
      Aufbau eines Umverteilungssystems zum Zwecke der finanziellen Beherrschung von Wirtschaft und Privathaushalten mit ständig steigendem finanziellem Aufwand,
      zunehmende Unwirtschaftlichkeit der staatlichen Betriebe und Einrichtungen,
      dadurch zunehmende Verschuldung des öffentlichen Sektors - daraus folgend ständig steigende Steuern und zunehmende Sozialbelastung der Leistungsträger, bis zur Leistungsverweigerung der Leistungsträger,
      Zusammenbruch der Staatswirtschaft und der Staatsfinanzen.1
      Wo der Sozialismus voll durchgezogen wurde, war auch der Zusammenbruch total; wo dagegen der Sozialismus nur in Teilbereichen durchgesetzt worden ist (wie z.B. in den europäischen Sozialsystemen), kam es oder kommt es noch in diesen Teilbereichen zum Zusammenbruch.

      Nur eine andere Form der Feudalknechtschaft
      Heute erkennen sogar sozialistische Länder wie China, dass der Sozialismus nicht nur regelmässig wirtschaftlichen Niedergang und Armut für die Bevölkerung bringt, sondern dass Sozialismus auch der Bevölkerung nicht mehr Freiheit bringt, sondern nur eine andere Form von Feudalknechtschaft - eben die Herrschaft der Sozialfunktionäre über Sozialuntertanen. Der Sozialismus ist deshalb in keiner Form ein gesellschaftlicher oder ökonomischer Erfolgsweg geworden. Er ist auch entgegen jeder Behauptung und wohl auch Absicht kein humanes Freiheitssystem geworden oder geblieben, sondern immer ein Unfreiheitssystem, in dem der selbstverantwortliche, eigeninitiative Mittelstand unterdrückt, verdrängt und ausgebeutet wurde.

      Es ist heute wirtschaftswissenschaftlich und wirtschaftspolitisch ziemlich unbestritten, dass nicht Sozialismus, sondern Marktwirtschaft das für Leistungsgerechtigkeit und Wohlstand geeignete Ordnungssystem der Wirtschaft ist, wie die Demokratie für die individuelle Freiheit und Rechtsgleichheit.

      Schon die alten Marktwirtschaftstheoretiker wussten jedoch, dass Marktwirtschaft ein sehr sensibles System ist, welches Freiheit und Chancengleichheit für alle nur dann garantieren kann, wenn jede Marktmacht ausgeschaltet bleibt. Genau hier liegt die Fehlentwicklung unserer meisten marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnungen: Sie haben dem Vordringen der Macht des grossen Kapitals nicht rechtzeitig Widerstand geleistet.

      Immer haben sich nämlich in Marktwirtschaften entweder durch eigene Tüchtigkeit oder durch Ausnutzung von Rechtslücken oder auf kriminellem Wege Machtzentren des Grosskapitals gebildet, die nicht nur ganze Märkte durch Vernichtung von mittelständischen Konkurrenten beherrschten,2 sondern auch Vormachtstellungen in Wirtschaft und Gesellschaft errangen, welche ihnen unabhängig von der formalen Staatsform wirtschaftliche und politische Herrschaftsmacht sicherten.

      Krebsgeschwür der Konzernwirtschaft
      Blickt man zurück auf Deutschland, so besitzen die mittelständischen Personalunternehmen zwar 97% aller Unternehmenseinheiten, aber haben weniger als 50% des Gesamtumsatzes. Fast 30% unserer Wirtschaft werden in Sozialverwaltungswirtschaft direkt durch den Staat oder indirekt durch öffentliche Institutionen blockiert, etwa 20% durch Konzernwirtschaft. Die Krebsgeschwüre von Staats- und Konzernwirtschaft haben also unsere mittelständische Marktwirtschaft schon mehrheitlich überwuchert.

      Folglich haben sich in unserer Marktwirtschaft statt Chancengleichheit im Wettbewerb längst Vorrechte von Staats- und Konzernmacht verbreitet, die Staatsmacht ferngesteuert von den Gewerkschaften, die Konzernmacht ferngesteuert von der internationalen Plutokratie.

      Die Vormacht der Grosswirtschaft - der Grossindustrie, der Banken und Versicherungen und ihrer Verbände - hat die Gleichheit der Marktwirtschaft zugunsten eigener Vorrechte und Machtansprüche umgekehrt. Auch die Politik tut schon längst nicht mehr, was das Volk will, sondern hat sich vor allem nach dem Willen der Grosswirtschaft zu richten, deren Lobby der Politik die Durchsetzung der Konzerninteressen auch gegen die Interessen des Volkes vorschreibt.3

      Von der Marktwirtschaft zum vermachteten Kapitalismus
      Je mehr die Macht der Grosswirtschaft ein marktwirtschaftliches Wettbewerbssystem überwuchert, desto mehr wird die Marktwirtschaft zum vermachteten Kapitalismus.

      Und gerade der Finanzkapitalismus mit ungehemmter Geldmengenvermehrung, Börsenspekulation, Hedge-Geschäften, hat entscheidend zur Crash-Situation beigetragen. Die Deformation der Marktwirtschaft zum vermachteten Kapitalismus hat die korrekturbedürftigen Verwerfungen geschaffen und die Wirtschaft von den Menschen auf das Kapital umorientiert. Je stärker die Marktwirtschaft zum Kapitalismus vermachtet wurde, desto geringer wurden die Hemmschwellen der Konzerne und Arbeitsmarktkartelle gleichermassen, über Menschen nur noch als Kostenfaktoren zu verfügen. Nicht die Marktwirtschaft ist eine Fehlentwicklung, sondern die Vermachtung in der Marktwirtschaft, bei der von der Leistungserstellung weit entfernte Funktionäre auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite die Wettbewerbsordnung ausschalten.

      Aus Diskussionen in China weiss der Verfasser, dass die Chinesen zwar zugeben, dass der Sozialismus unwirtschaftlich und ohne Zukunft ist, dass sie aber den Kapitalismus als ebenso grosse Gefahr fürchten. Sie wollen nicht aus der Knechtschaft unter den Sozialfunktionären in eine neue Knechtschaft unter das internationale Kapital geraten, das den Bürgern zwar mehr individuelle Freiheit als der Sozialismus lässt, aber nur wo, wenn und solange die Bürger die Kreise des Globalkapitals nicht stören. Die Chinesen suchen deshalb nach dem «dritten Weg» nach einer «menschlichen Marktwirtschaft», wie sie die marktwirtschaftlichen Klassiker auch begründet haben.

      Humanwirtschaft und Mittelstand
      Solch ein menschlicher Mittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus läge in der Reinigung der Marktwirtschaft von den sozialistischen Strukturen der Sozialsysteme einerseits und den monopolkapitalistischen Strukturen der Konzernwirtschaft andererseits. Eine von allen verwaltungswirtschaftlichen Fehlentwicklungen bereinigte und von allen Machtmöglichkeiten des Grosskapitals befreite Marktwirtschaft setzt voraus:

      Chancengleichheit für alle Wettbewerbsteilnehmer,
      Privateigentum als unantastbare Basis der Wirtschaftsordnung,
      Vorrecht der Leistungsträger auf den eigenen Leistungsertrag gegenüber Staat und Umverteilung,
      Wirtschaften wieder vorrangig für Menschen statt für Staat oder Kapital
      und Sicherung einer freien, selbstverantwortlichen und leistungsgerechten bürgerlichen Gesellschaft vor der Ausnutzung und den Machtansprüchen der zutiefst undemokratischen Extreme Sozialismus und Kapitalismus.
      Die Mittelstandsökonomie des Verfassers hat dazu in den letzten 30 Jahren eine Fülle von Vorarbeiten geleistet, die im und nach dem Crash zum Wiederaufbau der Marktwirtschaft helfen könnten:

      1. In einer echten mittelständischen Marktwirtschaft darf es keine Herrschaftsclique und keine Sozialuntertanen geben, sondern hier steht Selbstverantwortung für das eigene Schicksal und für den eigenen Weg voran. Nicht Bürokratien sollen den Menschen lenken, sondern der Mensch muss die Bürokratie zähmen, wieder zu seiner Dienerin machen und ihre Herrschaftsgelüste bremsen. Dazu muss die Strangulierung der Wirtschaftsteilnehmer durch ein Übermass von Regulierungen und Bürokratie durch Lebenszeitbegrenzung aller Gesetze (max. 10 Jahre) und Verordnungen (max. 5 Jahre) sowie einen drastischen Abbau der Bürokratie auf nur noch Hoheitsfunktionen (etwa 20%) durchgesetzt werden. Der Crash hat dafür die Möglichkeit geschaffen.

      2. Den Sozialfunktionären muss das Recht genommen werden, über uns, unsere Leistung, unseren Wohlstand und unsere Alterssicherungen zu entscheiden. Der Zusammenbruch der öffentlichen Sozialsysteme hat die Unfähigkeit der Sozialfunktionäre offenbar werden lassen. Je weniger Macht diesen Funktionären noch gelassen wird, desto grösser werden der Lebensraum, die Freiheit und die Entwicklungsmöglichkeit der selbständigen Wirtschaft wieder werden und desto eher kann der Mittelstand seine Trägerfunktion für die Freiheitssysteme Demokratie und Marktwirtschaft wieder übernehmen.

      3. Die Macht des anonymen nationalen und internationalen Kapitals muss dadurch kontrolliert und aufgehoben werden, dass ein wirksameres Kartellgesetz als bisher nicht nur Zusammenschlüsse, sondern zusätzlich jede bestehende Marktmacht kontrolliert und zerschlägt, wie z.B. das Antitrustrecht in den USA.

      Schon seit 20 Jahren fordert die Mittelstandsökonomie vergeblich ein wirksames Diskriminierungsverbot: Jede Marktmachtausnutzung muss generell verboten sein.

      Marktbeherrschung verhindern, Wettbewerb sichern
      Hat ein Unternehmen mehr als 20% Marktanteile einer Branche, wird Diskriminierungspotential gegenüber Konkurrenten, Lieferanten und Kunden vermutet (Beweisumkehr). Dagegen muss es einen privatrechtlichen Direktanspruch geben, also einen Schaden-ersatzanspruch4 gegen Ungleichbehandlung in Preis und Leistung mit Hilfe von Marktmacht.

      Zudem müssten die Kartellbehörden auf allen Ebenen verstärkt, in ihren Kompetenzen ausgedehnt und mit neuen gesetzlichen Grundlagen zur strafrechtlichen Marktmachtbekämpfung versorgt werden. Sie müssten bei allen Marktvermachtungen ab 20% einer Branche automatisch eine Dauerkontrolle gegen Machtausübungen und Diskriminierungen des Konzerns ausüben können, sogar mit dem Recht, einen Staatskommissar zur Kontrolle in dessen Vorstand zu setzen. Zudem müssen die Kartellämter berechtigt werden, alle internationalen Beherrschungsverhältnisse, wenn sie Diskriminierungsmacht schaffen, aufzuklären und zu unterbinden, marktbeherrschende Konzerne wie die Antitrust-Behörde in den USA in Einzelbereiche zu zerlegen und geeignete Auflagen gegen jegliche Marktmacht zu erteilen.

      Dazu brauchen die Kartellbehörden staatsanwaltliche Durchsuchungs- und Anklagebefugnis.

      Die Tätigkeit der Kartellämter soll insbesondere auch Querverbindungen in der Grosswirtschaft und Treuhandverhältnisse offenlegen, um auch die indirekte Machtausübung vor allem der Banken und Finanzinstitutionen zu verhindern. Ausser Geldbussen müssen für die diskriminierenden Vorstandsmitglieder auch Freiheitsstrafen angedroht werden, damit nicht von den Tätern anonyme Kapitalgesellschaften vorgeschoben werden können.

      Die gleiche persönliche Strafandrohung muss auch für indirekten Missbrauch durch die Konzern- und Gewerkschaftslobby eingeführt werden, damit auch den Zentralverbänden von Grosskapital und Gewerkschaften die politische Macht genommen wird.

      Die Diskussion um eine neue, gerechtere Wirtschaftsordnung wird nach dem Crash ohnehin kommen. Dabei besteht die Gefahr,

      dass der alte theoretische Ladenhüter der Staatsverwaltungswirtschaft wie nach 1930 als angeblich «gerechter» wieder Mehrheiten findet, weil dann alle gleich arm sind und bleiben oder
      dass die im Crash gestiegene Macht des Grosskapitals die Diskussion um eine neue humane Marktwirtschaft wieder unterdrücken kann, wie dies das Grosskapital auch in den letzten 50 Jahren in Deutschland seit Einführung der Marktwirtschaft getan hat.
      Wir sollten deshalb weder alte untaugliche Organisationsstrukturen noch neue, für die Chancengleichheit im Wettbewerb ebenso gefährliche Machtstrukturen wiederbeleben bzw. weiterbestehen lassen, sondern den Crash zu harten Schritten gegen alle Staats- und Konzernmacht und zum Aufbau einer echten mittelständischen Marktwirtschaft nutzen. Die Konzepte dafür hat die Mittelstandsökonomie längst erarbeitet.5 Der Crash des Kapitalismus könnte somit zum reinigenden Gewitter für eine Wiederbelebung echter mittelständischer Marktwirtschaft und damit für ein neues Wirtschaftswunder wie in den fünfziger Jahren werden.

      1 vgl. Hamer, Eberhard, Was ist ein Unternehmer?, München 2001, S.88 ff.

      2 vgl. Hamer, Eberhard, Machtkampf im Einzelhandel, Hannover 1986

      3 Beispiele: Globalisierung, Immigration, Ersatz der Mark durch Euro, Steuervorrechte für Kapitalgesellschaften, 95% der Subventionen für Konzerne u.a.

      4 vgl. Hamer, Eberhard, Machtkampf im Einzelhandel, Hannover/Minden 1986, und ders., Zuliefererdiskriminierung, Hannover/Minden 1988

      5 vgl. Schriftenreihe des Mittelstandsinstituts Niedersachsen

      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 05.10.04 19:46:15
      Beitrag Nr. 1.927 ()
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      Den Sozialstaat nicht schlechtreden



      Eine Reaktion auf Politiker, die sich auf Schelte beschränken



      von Karl Müller, Deutschland
      Am 18. September veröffentlichte die Zeitschrift Guter Rat, die vor allem im Osten Deutschlands gelesen wird, ein Interview mit dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Auf die abschliessende Frage, was er den Menschen sagen würde, die sich durch die Fragebögen zum neuen Arbeitslosengeld II* gedemütigt fühlen, weil sie sich «bis aufs letzte Hemd ausziehen müssen», antwortet er: «[...] machen wir uns nichts vor: In Ost wie West gibt es eine Mentalität bis weit in die Mittelschicht hinein, dass man staatliche Leistungen mitnimmt, wo man sie kriegen kann, auch wenn es eigentlich ein ausreichendes Arbeitseinkommen gibt. Diese Haltung kann sich auf Dauer kein Sozialstaat leisten, ohne daran zugrunde zu gehen.»

      Der Kanzler erhielt sogleich Zustimmung für sein Urteil, unter anderem vom Präsidenten der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Ludwig Georg Braun, von weiteren SPD-Politikern, vom Vorsitzenden der FDP, Guido Westerwelle, und vom Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek.

      Jeder kennt in seinem Umfeld Menschen, die staatliche Leistungen ungerechterweise in Anspruch nehmen. Darunter gibt es Bezieher geringer Einkommen, die grossen Beträge gehen allerdings an die Einkommensmillionäre. Indes sind die Worte des Kanzlers in einem Umfeld gefallen, in dem mit der «Hartz IV»-Gesetzgebung staatliche beziehungsweise halbstaatliche Leistungen stark gekürzt werden sollen, und das nicht nur im Einzelfall, sondern für rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland, die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind.

      Schröders Äusserungen haben ganz gezielt das Vorurteil aufgegriffen, der Sozialstaat werde über die Massen missbraucht und es werde endlich Zeit, einen Riegel zu schieben.

      Es ist deshalb gut, dass ein Bündnis «Soziale Gerechtigkeit in Hessen», zu dem auch wichtige Wohlfahrtsverbände gehören (siehe Kasten), vor ein paar Tagen an die Grundlagen des Sozialstaates erinnert und gegen ein Schlechtreden des Sozialstaates Stellung genommen haben.

      Allein ein Blick auf die offiziellen Statistiken der deutschen Bundesagentur für Arbeit reicht aus, um die Behauptung, Arbeitslosigkeit und die daraus folgenden Probleme seien ein «Mentalitätsproblem», zu widerlegen.

      So standen im August 2004 in der Bundesrepublik Deutschland 5,82 Millionen Arbeitssuchenden (davon 4,35 Millionen Arbeitslose) 287000 gemeldete Stellen gegenüber, wovon 227000 sofort zu besetzen waren. In einer Fussnote der Statistik heisst es, dass den Arbeitsämtern nach einer Umfrage im 4. Quartal des Jahres 2003 35 Prozent des gesamten Stellenangebotes gemeldet werden, was bedeutet, dass im August 2004 rund 700000 offenen Stellen rund 5,8 Millionen Arbeitssuchende gegenüberstanden. Von den 4,35 Millionen Arbeitslosen waren im übrigen rund 1,7 Millionen Menschen (fast 40 Prozent) Langzeitarbeitslose, also länger als ein Jahr ohne Arbeit, Menschen, die ab Januar 2005 von «Hartz IV» betroffen sein werden. Im Osten Deutschlands, so die offizielle Statistik, sind sogar nahezu 45 Prozent der Arbeitslosen Langzeit-arbeitslose.

      Dass Politiker, wenn es Widerstand gegen ihre Politik gibt, dazu neigen, die Bürgerinnen und Bürger schlechtzumachen und sogar zu beschimpfen, hat eine unselige Tradition und war zum Beispiel in Diktaturen sehr verbreitet. Vor 15 Jahren, Anfang Oktober 1989, hiess es im Zentralorgan der SED «Neues Deutschland» über diejenigen, die aus der DDR flüchteten, dass sich «nach bisherigen Feststellungen unter diesen Leuten auch Asoziale befinden, die kein Verhältnis zur Arbeit […] haben. Sie alle haben durch ihr Verhalten die moralischen Werte mit Füssen getreten und sich selbst aus unserer Gesellschaft ausgegrenzt. Man sollte ihnen deshalb keine Träne nachweinen.»

      Schon 35 Jahre zuvor hatte Bertolt Brecht den berühmten Text «Die Lösung» formuliert: «Nach dem Aufstand des 17. Juni liess der Sekretär des Schriftstellerverbands in der Stalinallee Flugblätter verteilen, auf denen zu lesen war, dass das Volk das Vertrauen der Regierung verscherzt habe und es nur durch verdoppelte Arbeit zurückerobern könne. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?»

      Informierte Bürgerinnen und Bürger lassen sich durch solche Methoden nicht beirren. Sie stellen die Frage nach dem Kern der Probleme: einer Politik, die sich der Globalisierung, dem grossen Börsenkapital und der Machtgier verschrieben hat.

      * Die «Hartz IV»-Gesetzgebung sieht eine sehr umfangreiche «Bedürftigkeitsprüfung» vor, bevor jemand eine Unterstützung in Form des neu eingeführten Arbeitslosengeldes II erhält. Um Geld zu erhalten, müssen die Antragsteller einen 16seitigen Fragebogen ausfüllen, der sehr detailliert die Lebens- und Einkommensverhältnisse erfragt.


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      Aus Scham verzichten


      km. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) ging am 21. September in seiner Sendung «exakt» auf das Kanzlerzitat von der «Mitnahmementalität» ein und berichtete unter anderem:

      «Im Rahmen des sogenannten `Ersten Armuts- und Reichtumsberichts` der Bundesregierung [von 2001] wurden Missbrauch und Nichtinanspruchnahme von Sozialleistungen untersucht. Ergebnis: Mitnahmementalität komme zwar vor. Allerdings nur in einem geringen Ausmass. Rund 7 Prozent der Armen in Deutschland beziehen Leistungen des Staates, ohne sie zu brauchen. Aber: 34 Prozent verzichten [...] auf Sozialleistungen, obwohl sie so arm sind, dass sie einen gesetzlichen Anspruch hätten. Menschen, die vor allem aus Scham auf staatliche Hilfe verzichten [...] Und: Dem Staat erspart die Nicht-Inanspruchnahme eine Menge Geld.

      Nach Berechnungen der Caritas verzichten Bedürftige bislang auf 2,25 Milliarden Euro. Der Schaden durch Missbrauch beläuft sich auf gerade 0,15 Milliarden Euro. Und Experten glauben, dass die Schelte des Kanzlers den Anteil der Bedürftigen, die aus Scham auf Geld verzichten, noch erhöhen wird.»


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      Grundlagen des Sozialstaates


      Verbände und Initiativen aus dem deutschen Bundesland Hessen* haben vergangene Woche eine «Sozialcharta»** veröffentlicht. Sie haben sich dazu entschieden, weil ihrer Meinung nach die sozialen und ethischen Fundamente Deutschlands massiv bedroht sind. In dieser «Sozialcharta» wird der Abbau des Sozialstaats und die Spaltung der Gesellschaft angeprangert. Gefordert seien ausgewogene Reformen, die die Verteilungsgerechtigkeit nicht ausblenden. Der folgende Text, der an die Bedeutung des Sozialstaates erinnert, ist ein Auszug aus dieser «Sozialcharta».

      Der Sozialstaat ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Er ist das «Ideal der sozialen Demokratie in den Formen des Rechtsstaates» (BVerfG). Da marktwirtschaftliche Instrumente alleine nicht in der Lage sind, soziale Sicherheit zu gewährleisten, ist der Sozialstaat auch kein beliebig reduzierbares Anhängsel der Marktwirtschaft. Vielmehr hat der Staat die Aufgabe, soziale Sicherheit für alle zu gewährleisten und eine Politik des sozialen Ausgleichs zu betreiben. Demokratie braucht eine soziale Grundlegung.

      Das Bündnis «Soziale Gerechtigkeit in Hessen» setzt sich daher für einen demokratischen, solidarischen und zukunftsfähigen Sozialstaat ein.



      Demokratisch heisst für uns, dass

      - alle Bürgerinnen und Bürger ihre verfassungsgemässen Rechte wahrnehmen können

      - niemand aus kulturellen, religiösen, sozialen oder ökonomischen Gründen ausgegrenzt wird

      - politische und soziale Rechte zusammengehören: Um die Würde und die Freiheit des Menschen sichern zu können, muss als unerlässliche Voraussetzung eine angemessene materielle Basis gegeben sein.



      Solidarisch heisst für uns, dass

      - alle Bürgerinnen und Bürger in einer demokratischen Gesellschaft wechselseitig mit Rechten und Pflichten verbunden sind

      - alle Bürgerinnen und Bürger wechselseitig nach ihrem Leistungsvermögen so füreinander einstehen, dass Stärkere die Lasten der Schwächeren mittragen

      - der Staat als Garant dieser wechselseitigen Solidarität Verantwortung hat für die soziale Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger

      - alle Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zur Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme herangezogen werden.



      Zukunftsfähig heisst für uns, dass

      - die sozialen Sicherungssysteme eine Zukunft ohne finanzielle Not bieten sollen

      - auch nachfolgende Generationen noch eine lebenswerte Zukunft haben können

      - Investitionen in Bildung, soziale Sicherheit und Infrastruktur unverzichtbare Zukunftsinvestitionen sind: Sie sind eine Voraussetzung für die Entfaltungschancen zukünftiger Generationen.

      Solidarität und soziale Gerechtigkeit sind unverzichtbare Orientierungsmassstäbe für einen demokratischen und sozialen Rechtsstaat.

      Mit der UN-Menschenrechtserklärung sehen wir in der Verwirklichung der sozialen Menschenrechte unverzichtbare Ziele der Sozialpolitik. Dazu gehören das Menschenrecht auf soziale Sicherheit, das Menschenrecht auf Arbeit und das Recht auf eine Entlohnung, die eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert. Wohnen, Gesundheit, Bildung und soziale Dienstleistungen müssen allen Menschen zugänglich sein - dies darf nicht abhängig sein von der individuellen Kaufkraft.

      Soziale Sicherheit trägt zum Wohlstand einer Gesellschaft bei und macht sie nicht arm.

      * Zum Bündnis «Soziale Gerechtigkeit in Hessen» gehören: AGF, c/o Familienbund der Katholiken, Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Hessen Nord; Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Hessen Süd; Bischöfliches Ordinariat Limburg, Dezernat Kirche und Gesellschaft; Bund der Ruhestandsbeamten im Deutschen Beamtenbund, Landesverband Hessen; Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. (BSK), Landesverband Hessen; Caritasverband für die Diözese Limburg e.V.; DBSH-Landesverband Hessen Deutsche Retinitis Pigmentosa Vereinigung e.V., Region Frankfurt; Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (DPWV), Landesverband Hessen; DGB Landesverband Hessen; Diakonisches Werk in Hessen und Nassau; Diakonisches Werk in Kurhessen-Waldeck; Förderkreis KAB Rhein-Main, Bezirksverband; Gemeinschaft der Brüder und Schwestern des Hess. Brüderhauses Hephata. Hessische Arbeitsloseninitiativen, ALI Giessen; Hessischer Jugendring; Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB), Diözesanverband Mainz; Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt der Evangelischen Kirche in Kurhessen-Waldeck; LAG Soziale Brennpunkte Hessen e.V.; Landesarbeitsgemeinschaft Hessen «Hilfe für Behinderte e.V.»; Landesverband der jüdischen Gemeinden; Sozialverband VdK Hessen; Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV), Landesverband Hessen e.V.; Verein demokratischer Ärztinnen u. Ärzte; Zentrum für gesellschaftliche Verantwortung der EKHN.

      ** Der vollständige Text ist zum Beispiel zu finden unter www.ekkw.de/afkd/img_afkd_new/img_eignene/ar_Sozialcharta(1).pdf

      Artikel 6: Zeit-Fragen Nr.37 vom 27.9.2004, letzte Änderung am 2.10.2004

      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 05.10.04 19:51:15
      Beitrag Nr. 1.928 ()
      Psychogramm einer Spekulationsblase"

      von Jörg Müllenmeister Artikel drucken
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      3.9.04
      Psychogramm einer Spekulationsblase

      Der philosophische Leitgedanke Descartes, „Cogito, ergo sum – Ich denke, also bin ich“, verkommt im Rausch der Spekulation zu „Ich spekuliere, also bin ich“. Das bewußte Ausspähen eines Risikos nach gewinnträchtiger Gelegenheit besteht seit Anbeginn der Menschheit, ja es gehört geradezu zur Strategie der Überlebens­kunst.

      Historische Spekulationsblasen

      An herausragenden spekulativen „Kapitalunfällen“ in der Mensch­heitsgeschichte mangelt es nicht. Hier einige Beispiele:

      • die Tulpenzwiebel-Hausse von 1634 bis 1637 im 17. Jahrhundert,

      • die South Sea-Bubble im 18. Jahrhundert; der Betrug platzte 1720,

      • der Aktien-Crash 1929 zu Beginn der Weltwirtschaftskrise,

      • die Edelmetall-Hausse mit ihrem jähem Ende 1980,

      • die japanische Aktienbörse mit ihrem Zusammenbruch ab 1990,

      • der Neuen Markt mit dem Platzen der Spekulationsblase ab 2000.

      All diese Blasen, deren Hochs übrigens meist zur Jahrzehntwende auftreten, sind immer begleitet vom gleichen psychologischen Verhaltens­muster: Zuversicht, Jubel, Gier; am Gipfelpunkt der Kapitalblase Hoffnung, Angst und beim Absturz Panik. Erst nach dem Platzen der Blase gewinnt der Spekulant seine realistische Einstellung wieder.

      Pferdefuß Zinseszinseffekt

      Was steckt hinter dem „Blasen-Psychogramm“? Warum vergehen Spekulationsblasen immer nach dem gleichen Zerfallsmuster, so als ob der Mensch kein lernfähiges Gebilde sei. Offensichtlich übersieht der Mensch im Dunstkreis seiner Selbsttäuschung die herauf­ziehende Gefahr. Zwischenzeitlich ist die trügerische Hoffnung die Überlebenskünstlerin seiner Gefühlswelt. Dem unheimlichen Blasen-Phänomen steht der Spekulant machtlos vis à vis gegenüber. Als linear denkendes Wesen will er seine Zukunft bezwingen. Seine Erfahrung aus der Vergangenheit und Gegenwart bietet ihm dazu vermeintlich genügend Orientierungspunkte. In unserem Dasein sind wir aber alle in Raum und Zeit begrenzt. Dieses Bewußtsein führt zu sehnsüchtigen Spekulationen. Für das Verlangen, sich Dinge der Zukunft bereits jetzt leisten zu können, zahlen wir einen hohen Tribut: den Zins mit Zinseszins. Bei einem unendlich langen Leben würde uns die Geißel „Zinseszins“ erspart bleiben. Diese Begrenztheit ist auch die Crux aller verschuldeten Staaten, die über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse leben. Wir unterschätzen den Zinseszins-Charakter als Wachstumsmonster, weil wir für die ins Gigantische laufende Funktion keinen Sensus entwickelt haben – siehe die weltweit eskalierenden Schuldenberge. Es menschelt überall!

      Zwei Beispiele veranschaulichen eine extreme (exponentielle) Steigerung

      Welch unglaubliche Überraschung! Wie dick würde ein Zehntel Millimeter starkes Blatt Papier werden, wenn man es gedanklich 40 mal faltet? Das Resultat ist einfach verblüffend: Nach 40 Faltungen wäre das Papier so dick wie die Entfernung vom Mond zur Erde. Die Papierdicke wächst also extrem rasch, mathematisch gesprochen: exponentiell zur Basis 2. In der Natur spielen sich Wachstumsvorgänge ebenfalls exponentiell ab, etwa die ungehemmte Vermehrung von Aids-Viren, allerdings zur Basis e = 2,71... Auch das umgekehrte Wachstum, der Zerfall, folgt dem gleichen Naturgesetz, etwa der radioaktive Zerfall einer Substanz. Obwohl die einzelnen Materieteilchen spontan und unvorhersehbar zerfallen, läßt sich die Zeit (Halbwertszeit), in der die Substanz die Hälfte ihrer Masse durch Strahlung verliert, exakt berechnen: Eine große Menge von einzelnen Ungewißheiten wird statistisch zur Gewißheit.

      Der Charakter einer Bubble

      Eben aus diesen beiden Kurvenästen setzt sich eine Spekulations­blase im Prinzip zusammen: ein Aufblähen – wie eine Papierfaltung – mit anschließendem Platzen – wie ein radioaktiver Zerfall. Das gesamte Chartbild ist vergleichbar mit einem Kondensator, den man auflädt und über einen Widerstand entlädt. Analog dazu entspricht die Fläche unter der ansteigenden Kurve der steigenden Gier der Spekulanten und die absteigende Kurve dem nachfolgenden Katzenjammer der enttäuschten Anleger. Die zittrige komplette Blase läßt sich durch eine geschlossene Glockenkurve (Gaußsches Fehlerintegral) einhüllen: Das ist eine mathematische Funktion, die in der Wahrscheinlichkeitsrechnung eine große Rolle spielt. Wie gesagt: Die Blase repräsentiert viele einzelne Kauf- und Verkaufsentscheidungen (siehe vereinfachter Blasen-Chart).

      Drei markante Phasen der Spekulationswelle

      Das Unheimliche an dem Exponential-Charakter einer Kapitalblase ist die Tatsache, daß nach einer „Initialzündung“ – das wäre das Doppeltief – die Kurve zunächst unverdächtig leicht ansteigt. Es folgt ein kurviger Abschnitt aus der sich die „Diritissima“ spontan entwickelt: Die Raffgier nimmt zu! Ein fast senkrechter Anstieg führt ins Finale. Diese Phase dauert nur ein Bruchteil, etwa einem Zehntel der vorangegangenen Phasen. Der Spekulationswert kann in dieser Zeit in Bocksprüngen um mehr als 50 % zulegen. Nach dem Gipfel­punkt fällt die Kurve stark ab: Die Blase platzt! Nach etwa 2,5 Jahren kommt es durch aufkeimende Hoffnung in Erinnerung an das Hoch zu einer trügerischen Teilerholung. Das wiedergewonnene Kurs­potential, ausgelöst durch einen „Hoffnungsimpuls“, wird später wieder abgegeben. Die Kurve schleppt sich dann über mehr als ein Jahrzehnt bis in die Nähe ihres ursprünglichen Anfangswertes.

      So vergehen Blasen

      Impulsartige Spekulationswellen zeigen keine typische Erholung nach 2,5 Jahren, da sie sich über einen kurzen Zeitraum entwickelten und austobten; so der Aktienhype der South Sea-Company oder ein eklatantes Beispiel aus der Neuzeit: die des kanadischen Goldexplores Bre-X Minerals mit einem Anstieg von 4.400 % in nur einem Jahr (1995 Anstieg von 5 auf 221 Can-$; über Nacht Absturz auf 25 Can-$). Diese Charts verliefen entweder symmetrisch zum Höhepunkt oder waren anstiegslastig. Um es mit dem Kondensatormodell zu vergleichen: Die aufgestaute „Kaufenergie“ entspricht der Fläche unter der ansteigenden Kurve, die abgegebene „Verkaufsenergie“ der Fläche unter der absteigenden Kurve. Kapitalblasen, die über ein Jahrzehnt und mehr entstehen und schließlich „ausheilen“ (Marktbereinigung), zeigen nach dem besagten Hoffnungsimpuls ein typisches Buckelpistenmuster mit abnehmender Amplitude (sukzessiver Werteverfall).

      Eigenheiten einer Spekulationsblase

      Das Psychogramm einer Spekulationsblase kann man nicht durch den puren Zufall erklären. Daß die Chartmuster großer Kapitalblasen sehr ähnlich über der Zeit ausfallen ist frappierend, denn diese „Kapitalunfälle“ liegen Jahrhunderte auseinander und sie hatten keine „Erinnerung“ aneinander. Zudem fanden sie in unterschiedlichen Kapitalsegmenten statt. Man fragt sich: Hat sich der spekulative Mensch seit dem Mittelalter in seinem Anlageverhalten nicht geändert und damit auch das verursachte Blasenbild? Das einzelne Individuum gewiß, aber denken wir an die statistische Gewißheit einer Summe von Teilchen. Offensichtlich folgt die Lemmingherde der Anleger einer eigenen archaischen Gesetz­mäßigkeit. Diese Archetypen sind im Stammhirn verankert. Das Kaleidoskop der Emotionen wirkt wie ein ehernes Naturgesetz. Es durchläuft eine Kette eingeprägter Urgefühle, angefangen von der Euphorie über die Gier bis hin zur Panik. Natürlich braucht eine Megaspekulation gewisse hinreichende Bedingungen, damit sie sich überhaupt entzünden kann. Dazu gehört auch, daß eine erneute Spekulationsblase nie im selben Segment entstehen kann; sie sucht sich zunächst ein anders „Ventil“. Offenbar flüchtet das unruhige Kapital in ein anderes erfolgversprechendes Feld. Blasen in einem brodelnder Kratersee tauchen ja auch spontan immer an einer anderen Stelle auf.

      Wie bändigt man exponentielle Wachstumsgrößen?

      Das heute fällig werdende verzinste Kapital (Geld) aus einem fiktiv angelegten Cent zu Christus Zeiten würde nicht nur die US-Notenbankpresse völlig überfordern, sondern sämtliche Gelddruck­maschinen der ganzen Welt. Mit diesem dreiprozentig verzinsten Cent – eine galaktische Kapitalansammlung in Quadrillionenhöhe – ließen sich bequem sämtliche Weltschulden begleichen. Die Menschheit mußte einen gewissen Schutzmechanismus ent­wickeln, um sich selbst vor dem Ausufern der Wachstumsgrößen zu bewahren. Die Natur dämmt Überpopulation einer Spezies dadurch ein, daß vermehrt Freßfeinde auftreten. Gefühlskalt deklarierte Mephisto in Faust: „Denn alles was entsteht, ist wert, daß es zugrunde geht“. Beim Menschen gelingt der Befreiungsschlag durch rigoroses Zurückstellen auf die Anfangsbedingung „Null“, etwa durch Jubeljahre bei den Juden (Schuldenerlaß), durch Inflation mit nachgeschalteter Währungsreform und schließlich durch das Platzen von Blasen am Kapitalmarkt. Gerade dieses Jahrzehnt ist prä­destiniert für einen Blasenexitus bei Aktien, Anleihen und Immo­bilien, aber auch für Blasen-Neuschöpfungen am Rohstoffmarkt.

      Das Blasen-Jahrzehnt

      Es gibt Mutmaßungen, daß sich in diesem Jahrzehnt eine noch nie dagewesene Edelmetallhausse ereignen könnte. Zeitlich exakt den Höhepunkt im voraus anzugeben, ist nicht möglich. Das wäre Spekulation. Eine zeitliche Fortführung des bisherigen Verlaufs läßt Großartiges erwarten. Schließlich ist es eine Eigenheit einer Mega­-Hausse, daß sie ihren historischen Höhepunkt aus ihrer weit zurück­liegenden Bubble in den Schatten stellt. Mathematisch sind unend­lich viele Wertepaare (Zeitpunkt, Maximalwert) denkbar. Die Spekulation bleibt ein Menetekel der Menschheit; sie ist durch ihre innewohnende chaotische Verrücktheit unberechenbar.

      Wie sagt Mephisto in Faust?

      Ein Kerl der spekuliert ist wie ein Tier auf dürrer Heide,

      Von einem bösen Geist herumgeführt

      Und rings herum liegt schöne, grüne Weide.

      Hans Jörg Müllenmeister

      Quelle: aus Zeitschrift SmartInvestor 09/2004

      http://www.zeitenwende.ch/page/index.cfm?SelNavID=350&NewsIn…
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      schrieb am 05.10.04 20:00:59
      Beitrag Nr. 1.929 ()
      Die USA steuern mit Volldampf in den Ruin


      Die Vereinigten Staaten türmen immer höhere Schulden auf – finanziert von Japan und China. Eine Wende ist nicht in Sicht. Das Ungleichgewicht bedroht zunehmend die Weltwirtschaft.


      Asien und das Defizit der USA

      Von Meinrad Ballmer

      Während in den USA die Politiker ebenso wie Notenbankchef Alan Greenspan Zuversicht verbreiten, demonstrieren die Obligationenmärkte rabenschwarzen Pessimismus. Die professionellen Investoren glauben nicht an einen dauerhaften Aufschwung der amerikanischen Wirtschaft. Obwohl Greenspan seit Juni schon drei Leitzinserhöhungen um insgesamt 0,75 Prozentpunkte bekannt gegeben hat, sind die Renditen der zehnjährigen US-Staatsanleihen im selben Zeitraum um 0,85 Prozentpunkte gesunken. Anfang des Jahres rechneten Experten noch damit, dass die 10-Jahr-Renditen bis Ende 2004 auf 6 Prozent klettern würden. Doch sie liegen inzwischen bei 4 Prozent und tiefer als zu Jahresbeginn. Wären die Anleger überzeugt, dass es wirtschaftlich nachhaltig aufwärts geht, müssten die Langfristzinsen an den Märkten stark steigen.

      Auch die kurzfristigen Aussichten für die amerikanische Wirtschaft haben sich deutlich verschlechtert. Zwar wächst die Produktion der amerikanischen Firmen immer noch kräftig, doch inzwischen ist der Absatz ins Stocken geraten – die Lagerbestände steigen. Jan Amrit Poser, Chefökonom der Bank Sarasin, zieht aus dem rasanten Lageraufbau den alarmierenden Schluss, dass ein starker Rückgang des Wirtschaftswachstums unmittelbar bevorsteht. Die USA – als Lokomotive der Weltwirtschaft – beginnen zu bremsen.

      Haushalte sind finanziell unter Druck
      Dass die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen in den USA nicht im bisherigen Tempo weiterwachsen kann, ist offensichtlich. Finanziell sind die amerikanischen Konsumenten nämlich am Anschlag. Die Haushalte haben Schulden wie noch nie und legen nichts mehr auf die Seite: Die Sparquote ist inzwischen fast auf null gefallen. Die von der Regierung Bush gewährten Steuererleichterungen laufen Ende dieses Jahres aus. Angesichts der Leitzinserhöhungen rechnen die Haushalte überdies mit steigenden Hypothekar- und Kreditzinsen, was die Immobilienpreise unter Druck setzen könnte. Zudem belastet das massiv teurere Öl die Budgets. – Doch vor allem die langfristigen Trends der amerikanischen Volkswirtschaft machen schmerzhafte Anpassungen unausweichlich.

      Die Vereinigten Staaten leben seit Jahren über ihre Verhältnisse. Das Land kauft die Gütermärkte der Welt leer und bezahlt seine Lieferanten mit Schuldscheinen. Vor allem die Notenbanken von Japan und China häufen immer höhere Dollarguthaben an und stapeln Berge von amerikanischen Staatsobligationen. Asien finanziert die Schuldenwirtschaft der Amerikaner. Dabei werden die Fehlbeträge immer grösser: Seit 1996 ist die Nachfrage in den USA stärker gestiegen als die Wirtschaftsleistung – in jedem Jahr.

      Schulden werden teurer
      Unabhängig davon, ob sich das Land in der Rezession oder im Aufschwung befand, das Defizit der amerikanischen Volkswirtschaft gegenüber dem Ausland ist kontinuierlich gewachsen: Inzwischen importieren die USA fast doppelt so viel, wie sie exportieren. Die Lücke in der Leistungsbilanz beträgt heute 6 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP). Und das Leistungsbilanzdefizit steigt weiter – jedes Jahr um ein weiteres Prozent des BIP. Was immer stärker ins Gewicht fällt, sind die Zinsen, die die USA für ihre wachsende Schuld gegenüber dem Ausland zahlen müssen.

      Auch der Staatshaushalt ist in den letzten Jahren ausser Kontrolle geraten. Rund 500 Milliarden Dollar fehlen der US-Regierung in diesem Jahr. Und die Aussichten haben sich massiv verschlechtert. Die Investmentbank Goldman Sachs rechnet für die nächsten 10 Jahre mit einem kumulierten Haushaltsdefizit von astronomischen 5500 Milliarden Dollar – im Schnitt etwa 3,5 Prozent des BIP. Die Furcht nimmt zu, dass nach den Präsidentschaftswahlen die Party vorüber sein wird. Unabhängig davon, wer die Wahl gewinnt, das explodierende Staatsdefizit wird die Regierung zu einem restriktiveren Kurs zwingen.

      Amerikas «Zwillingsdefizit» – der Fehlbetrag der Volkswirtschaft gegenüber dem Ausland und die tiefroten Zahlen des Staatshaushaltes – wird zum Handicap für die wirtschaftliche Zukunft. Geht die Entwicklung weiter wie bisher, dann steigen innert 10 Jahren sowohl die Auslandsschulden der USA als auch die Staatsschulden auf über 100 Prozent des BIP. «Das Land wird die Kontrolle über sein ökonomisches Schicksal verloren haben», urteilt Martin Wolf, Ökonom der «Financial Times». Doch das heutige Ungleichgewicht in der Weltwirtschaft wird früher oder später Anpassungsprozesse auslösen.

      Die wahrscheinlichste Entwicklung ist ein drastischer Fall des Dollarkurses. Um das heutige Leistungsbilanzdefizit der USA von 6 Prozent des BIP auch nur zu halbieren, ist nach Berechnungen von Goldman Sachs eine handelsgewichtete Abwertung des Dollars von 20 bis 30 Prozent nötig. Je länger die heutigen Trends anhalten, je grösser das Ungleichgewicht in der Weltwirtschaft wird, desto heftigere Schocks stehen bevor. [TA | 01.10.2004]

      http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/geld/anlegen/421527.html
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      schrieb am 06.10.04 19:51:24
      Beitrag Nr. 1.930 ()
      Studie: Jede zehnte Straßenbrücke sofort sperren


      Viel Brücken in Deutschland sind in sehr schlechtem Zustand (Foto: dpa)
      Straßenbrücken in Deutschland sind offenbar nicht so sicher wie sie sein sollten: Jede Zehnte müsste sofort gesperrt werden. Das ist das alarmierende Ergebnis einer Untersuchung des Deutscher Kraftfahrzeug-Überwachungsvereins (Dekra). Im Vergleich zum Vorjahr ermittelten die Prüfer eine Verschlechterung der Bauwerke um eine komplette Note auf einer Skala mit nur vier Noten.


      34.000 Brücken gelten als marode
      Hierzulande gibt es rund 120.000 Brücken. Mehr als ein Viertel erfüllt nicht die Sicherheitsstandards. 14.000 Brücken seien in einem extrem schlechten Zustand, teilten die Dekra-Experten am Mittwoch mit. Bei ihnen ist die Verkehrs- und Standsicherheit so stark gefährdet, dass sie sofort gesperrt werden sollten. Außerdem müssten 20.000 Überführungen dringend umfangreich saniert werden. Die Dekra hat für ihre Studie mehrere hundert Brücken untersucht.


      Aktuelle Daten Stau-Melder
      Straßenwetter Sicher bei Regen fahren
      Auto Alles zum Thema Auto


      Im Osten schlechter als im Westen
      Ein weiteres Ergebnis des Tests ist, dass generell der Zustand der Straßenbrücken in den neuen Ländern schlechter ist als im alten Bundesgebiet. Als problematisch gilt vor allem die so genannte Spannbeton-Bauweise, die besonders in den 70er Jahren bei Autobahnbrücken angewandt wurde.


      Offenbar fehlt Geld für Untersuchungen
      Eigentlich sind Bund, Länder und Gemeinden dazu verpflichtet, diese Bauwerke in regelmäßigen Abständen auf ihre Sicherheit zu überprüfen. Spätestens alle drei Jahre sollte eine Untersuchung durchgeführt werden. Doch scheint es dafür nicht genügend Geld zu geben. Routinemäßige Überprüfungen würden "in fast schon fahrlässiger Art und Weise" vernachlässigt, moniert die Dekra.


      Instandhaltung kostet Milliarden
      Die rund 120.000 Straßenbrücken in Deutschland entsprechen einem volkswirtschaftlichen Vermögen von 80 Milliarden Euro. Um dieses zu erhalten, seien jährliche Instandhaltungsarbeiten in Milliardenhöhe erforderlich. Derzeit würden jedoch nur zirka 60 Prozent der notwendigen Mittel aufgewandt, erklärte der Überwachungsverein.


      Dekra malt düstere Zukunft
      Die Dekra geht davon aus, dass sich am schlechten Zustand vieler Straßenbrücken nicht so schnell etwas ändern wird. "Wir werden spätestens 2006 zirka 50 Prozent der Brücken mit der Zustandsnote 3,0 und schlechter bewerten", sagt der stellvertretende Geschäftsführer der Dekra-Tochter, Rainer Kunterding. Die Note 3,0 signalisiert einen kritischen Zustand - ab 3,5 gilt eine Brücke als nicht mehr standsicher. 4,0 ist die schlechteste Note, die vergeben wird.
      http://onnachrichten.t-online.de/c/25/59/00/2559004.html
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      schrieb am 06.10.04 22:43:30
      Beitrag Nr. 1.931 ()
      Aus der FTD vom 5.10.2004 www.ftd.de/zeise
      Kolumne: Wenn die Dollar-Symbiose endet
      Von Lucas Zeise

      Die Stabilität des Weltfinanzsystems hängt von Entscheidungen der Kommunistischen Partei Chinas ab.




      Die Finanzminister haben sich vom Optimismus der Zentralbanker anstecken lassen. Gemeinsam ist ihnen auf der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds eine zuversichtliche Erklärung über den Zustand von Wirtschaft und Finanzen auf der Welt geglückt.

      Sie hatten auch eine Delegation aus der Volksrepublik China eingeladen. Denn die G7-Finanzverantwortlichen wissen, dass in Peking der Schlüssel für die Entwicklung der Weltfinanzen und damit auch der Weltwirtschaft liegt. Wie von den Ministern der alten Industriestaaten gewünscht, hat denn auch der Chef der People’s Bank of China, Zhou Xiaochuan, fest versprochen, irgendwann - aber ziemlich bald - zu einem flexiblen Wechselkursregime zum Dollar überzugehen. Wann genau, ließ er offen. Das offizielle Kommuniqué spricht wie schon vor einem Jahr in Dubai davon, dass mehr Flexibilität der asiatischen Währungen erwünscht sei.



      Währungssystems auf dem Weg zum Crash


      Die Anbindung der chinesischen Währung an den Dollar ist zum Eckpunkt eines internationalen Währungssystems geworden, das stabil wirkt, aber auf einen Crash zutreibt. Die Triebkraft für die sich aufbauenden Spannungen liegt in den USA, deren Verschuldung gegenüber dem Rest der Welt immer schneller wächst. Die Sollbruchstelle im System dürfte in China liegen. Der sagenhafte Investitions- und Bau-Boom dürfte bald kollabieren.


      Der Dollar ist seit Anfang des Jahres entgegen der allgemeinen Erwartung nicht weiter abgerutscht. Das Leistungsbilanzdefizit der USA hat sich zwar noch ausgeweitet. Aber es scheint niemanden mehr zu beunruhigen. Vor einem Jahr hatten die Finanzminister und Notenbanker auf ihrer Tagung in Dubai sich noch offiziell Sorgen darüber gemacht. Sie wollten erreichen, dass der Dollar nicht abstürzt, sondern langsam billiger wird. Sie wollten außerdem, dass er nicht nur gegenüber dem Euro, sondern vor allem gegenüber den asiatischen Währungen abwertet.



      Die Sorgen von Dubai


      Erreicht wurde das Gegenteil. Der Dollar verlor zwischen September 2003 und dem Jahreswechsel 2003/04 vor allem gegenüber dem Euro. Gegenüber dem Yen wurde er trotz massiver Yen-Verkäufe der Bank von Japan etwas schwächer. Die Relation zur chinesischen Währung blieb unverändert. Schließlich ist Chinas Währung fest an den Dollar gekoppelt.


      Erst Anfang 2004 setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Asiaten schier unbegrenzt Dollar aufzukaufen bereit sind, um ihre Währungen niedrig zu halten. Seitdem herrscht auch bei der Dollar-Euro-Relation Ruhe. Und die Finanzmärkte verfügen über ein neues Stabilitätsmodell. Im seinem Kern steht die Zentralbank Chinas. Sie kauft alle Dollar auf, die sie kriegen kann. Sie erreicht damit nicht nur, dass der Dollar stabil bleibt, sondern auch, dass die Kapitalmarktzinsen niedrig bleiben. Das macht es den Amerikanern leicht, weiter Geld auszugeben, die Wirtschaft sowie die Importe auf Wachstumskurs zu halten - und die Defizite in der Handels- und Leistungsbilanz massiv auszuweiten.



      Schöne Rechtfertigungstheorie


      Um diese schönen Zustände zu rechtfertigen, ist unter Investmentbankern eine Theorie entstanden, die den labilen Zustand der internationalen Finanzbeziehungen für dauerhaft und quasi natürlich erklärt. Aus der Anbindung vieler asiatischer Währungen an den Dollar wird einfach ein gemeinsamer Dollar-Währungsraum.


      Dieser Raum besteht, vereinfacht gesprochen, aus zwei Regionen. Die eine, vornehmlich China, produziert, investiert und wächst, was das Zeug hält, und entwickelt sich so zum Gläubiger. Die andere Region, die USA, konsumiert und hält so den Absatz der Waren produzierenden Region in Schwung. Zur Finanzierung ihres Konsums (und damit ein paar Kriege geführt werden können) werden die Bürger der zweiten Region mit billigem Geld der eigenen Notenbank versorgt. Das reicht nicht, also finanziert Region eins auch das wachsende Defizit von Region zwei.


      In diesem realitätsnahen Modell fließt kein Dollar nach draußen. Das Leistungsdefizit der USA wird ganz und gern von China übernommen. Eine Dollar-Abwertung ist nicht nötig, noch entsteht sie spontan durch einen Angebotsüberhang. Tatsächlich beschreibt das Modell ganz gut, warum an den Devisenmärkten in den letzten Monaten Ruhe herrschte. Überschüssige Dollar kaufte die chinesische Notenbank, per Saldo gab es am Devisenmarkt keinen Dollar-Überhang mehr.


      Das Problem der Weltwirtschaft sind die USA. Das Leistungsbilanzdefizit dürfte nach Kalkulationen von Goldman Sachs in diesem Jahr fast sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Ende 2003 waren erst 4,8 Prozent. Das heißt, trotz der Dollar-Korrektur in der zweiten Hälfte 2003 hat sich das Problem verschärft. Es hat eine Größenordnung erreicht, die die Verschuldung immer schneller nach oben treibt. Die Nettoverschuldung dürfte Ende dieses Jahres 23 Prozent des Bruttosozialprodukts ausmachen und nach aktueller Entwicklung bis 2008 auf 40 bis 50 Prozent steigen. So etwas ist nicht durchzuhalten, selbst für ein Land wie die USA nicht.


      Es wird krachen, und zwar ziemlich bald. Der Dollar wird fallen, wenn die chinesische Regierung ihr Versprechen wahr macht, ihre Währung freigibt und damit die angenehme Dollar-Symbiose mit den USA beendet.


      Lucas Zeise ist Finanzkolumnist der FTD. Er schreibt jeden Dienstag an dieser Stelle.


      http://www.ftd.de/pw/in/1096704946310.html


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      schrieb am 06.10.04 23:02:37
      Beitrag Nr. 1.932 ()
      EU-15: 60 Millionen Menschen in Armut

      Brigitte Zarzer 06.10.2004
      Der neue EU-Bericht zur sozialen Lage sieht beim relativen Armutsrisiko kaum Unterschiede zwischen den EU-15 und den Erweiterungsländern


      Seit der Jahrtausendwende gibt die Europäische Kommission einmal im Jahr einen Bericht zur sozialen Lage in den Mitgliedsländern heraus. Jetzt ist der erste unter Einbeziehung der neuen Mitgliedsländer erschienen und liefert interessante Erkenntnisse.






      Für den diesjährigen Bericht zeichnen die Kommissionsmitglieder Stavros Dimas (Beschäftigung und soziale Angelegenheiten) und Joaquin Almunia (Wirtschaft und Währungsangelegenheiten) verantwortlich. Das Papier berücksichtigt Statistiken zur Einkommenssituation, zu Gesundheits- und Sozialsystemen sowie zum Bildungsstandard. Ein wichtiger Punkt des Papiers ist der relativen Armut in den Mitgliedsländern gewidmet, wobei die Kommission in den EU-15-Staaten einen Trend zum steigenden Armutsrisiko innerhalb der letzten zehn Jahre erkennt. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in den "alten" Mitgliedsländern größer als in den Erweiterungsländern, so der Bericht. Eine Ausnahme würden die baltischen Länder darstellen. Dennoch geht die Schere zwischen Vermögenden und Armen in "alteingesessenen" EU-Mitgliedsländern auf. Im Detail berichtetet die Kommission:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Als mit der Bevölkerung gewichteter Durchschnitt in den Mitgliedstaaten von EU- 25 erzielten die reichsten 20 % der Bevölkerung im Jahr 2001 einen 4,4-mal größeren Teil des Gesamteinkommens als die ärmsten 20 % der Bevölkerung. Am kleinsten ist diese Kluft zwischen den Reichsten und den Ärmsten in Dänemark ( 3,2) , gefolgt von Schweden, Finnland, Österreich und Deutschland. Am größten ist sie in den südlichen Mitgliedstaaten, Irland und im Vereinigten Königreich. Mit Ausnahme der baltischen Staaten ist in den neuen Mitgliedstaaten die Spanne im Allgemeinen kleiner als der EU- Durchschnitt bzw. kommt diesem sehr nahe.






      Große Einkommensunterschiede



      Evident sind aber die Einkommensunterschiede zwischen West und Ost. Fast jeder dritte Einwohner von EU-25 verdiene weniger als 75 Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens; zwei Drittel der Betroffenen würden in den neuen Mitgliedstaaten leben und dort etwa 95 Prozent der Bevölkerung ausmachen.

      Gleichwohl sind der Kommission zufolge relative Armutsniveaus sogar in den neuen Mitgliedstaaten moderater als in den EU-15. Begründet wird dieses überraschende Detail mit nicht näher definierten "historischen Umständen". Darüber hinaus heißt es in einer Presseaussendung zum Bericht:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Auch herrscht in den meisten neuen Mitgliedstaaten ein relativ hohes Maß an nationalem sozialem Zusammenhalt und viele von ihnen verfügen über gut entwickelte Sozialschutzsysteme.





      Was genau unter dem relativen Armutsrisiko zu verstehen ist, wird auf den Seiten 11 und 12 des EU-Papiers ausgeführt:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Die durchschnittlichen Möglichkeiten und Chancen anhand von BIP- Zahlen zu vergleichen, ist eine Sache; die Einkommensverteilung in einer Gesellschaft und insbesondere das Ausmaß der relativen und der absoluten Armut zu betrachten, eine andere. In der EU wurde die relative Armutsschwelle auf 60 % des nationalen Medianwerts des Äquivalenzeinkommens festgelegt. Armut ist damit ein relatives Konzept, welches in Bezug auf den allgemeinen Wohlstand in jedem einzelnen Land definiert und im Hinblick auf einen zentralen Wert der Einkommensverteilung ausgedrückt wird, wobei auch die Größe des entsprechenden Haushalts berücksichtigt wird. Nach dieser Definition sind 15 % der Bevölkerung in den Ländern der EU-15 von Armut betroffen, dies entspricht fast 60 Millionen Menschen, sowie ein ähnlicher Anteil in den acht neuen Mitgliedstaaten, für welche vergleichbare Zahlen vorliegen (ohne Ungarn und die Slowakei).





      Die höchsten Raten relativer Armut werden für Irland, Griechenland und Portugal gemeldet. Dennoch - und das räumt auch der Bericht unumwunden ein - ist der Lebensstandard mit der Erweiterung insgesamt gesunken.


      Lebensstandard gesunken


      Möglicherweise liegt in den evidenten Unterschieden des Lebensstandards auch jene höhere Unzufriedenheit begründet, welche die Union in den neuen Mitgliedsländern ortet. Während rund 88 Prozent der Bürger in der EU-15 mit ihrem Leben zufrieden sind, liegt "dieser Anteil in den neuen mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten lediglich bei 65 Prozent." Die Interpretation der Kommission: "




      --------------------------------------------------------------------------------

      Die Zahlen machen deutlich, dass das Ost-West-Gefälle in der erweiterten Union in Bezug auf die subjektiv empfundene Lebensqualität und die Zufriedenheit mit dem Leben sehr viel stärker ausgeprägt ist als das Gefälle zwischen den skandinavischen und den südeuropäischen Mitgliedstaaten in der EU-15.





      Allerdings haben auch die "Westler" ihre Nöte im Alltagsleben. Das zeigt sich etwa in den erheblichen Abweichungen bei den Haushaltausgaben. Während in den meisten neuen Mitgliedstaaten der größte Einzelposten auf Lebensmittel entfällt, würden die Menschen in der EU-15 den größten Einzelposten ihres Etats für Wohnen ausgeben. Das treffe insbesondere auf Luxemburg, die Niederlande, das Vereinigte Königreich und Deutschland zu. Die hohen Wohnkosten wären ein "Phänomen", das in den EU-15-Ländern seit den 90er Jahren zu beobachten sei, heißt es in dem Bericht.

      Ein Problem, das in den Erweiterungsländern zu erheblicher Unzufriedenheit führt, ist die Beschäftigungssituation. Hier hat die Kommission aber kaum frohe Botschaften gen Osten zu tragen. Vielmehr stellt der Bericht schlicht fest:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Die regionalen Beschäftigungsquoten sind nach wie vor von einem Nord-Süd-Gefälle geprägt, das erhebliche Auswirkungen auf die soziale Lage nach sich zieht. Mit der Erweiterung werden jedoch die in vielen Regionen Südeuropas vorherrschenden niedrigeren Beschäftigungsquoten auch im Osten zu finden sein.






      Rosige Aussichten?


      Ernüchternd wird festgestellt, dass die mit Armut, sozialer Ausgrenzung und der Qualität der Lebensbedingungen verbundenen Probleme sich "in der erweiterten Union verschärfen" werden. Trotz aller bedenklichen Anzeichen (anhaltende Konjunkturschwäche, hohe Arbeitslosenraten, Aushöhlung bestehender Sozialsysteme, zusehends Verarmung des Mittelstands im Westen, evidentes Ost-West-Gefälle, etc...), die auf eine Vergrößerung der Kluft zwischen Armen und Reichen in der neuen EU-25 hindeuten, lässt es sich die Kommission aber nicht nehmen, ein rosiges Bild nach außen zu tragen. So wird die offizielle Pressemitteilung anlässlich des Erscheinens des Berichts mit den Worten eingeleitet:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Die neuen Mitgliedstaaten sind im Begriff, das Europäische Sozialmodell zu übernehmen, und haben - dank ihrer Arbeitskräftereserven und ihres allgemein hohen Bildungsstands - auf lange Sicht gute Chancen, die Führungsrolle bei der Ankurbelung von Wirtschaftswachstum und sozialen Verbesserungen zu übernehmen. Dies ist eines der wichtigsten Ergebnisse des fünften Jahresberichts über die soziale Lage in Europa, der heute veröffentlicht wird und zum ersten Mal die erweiterte EU mit 25 Mitgliedstaaten abdeckt. Die Erfahrung der letzten Erweiterungen hat gezeigt, dass die EU zwar zunächst mit akuteren Problemen der Armut, empfindlichen Einschränkungen und Ungleichheit konfrontiert ist, langfristig jedoch die Vorteile überwiegen werden.


      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/18485/1.html
      Avatar
      schrieb am 06.10.04 23:20:41
      Beitrag Nr. 1.933 ()
      Kommentar


      Wütende Briefschreiberin des Tages

      Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD)


      Irgendwann reicht es, muß sich die SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem Allgäu gesagt haben, und schrieb einen Offenen Brief an ihren Parteifreund Peter Glotz, derzeit Professor an der Universität St. Gallen. Anlaß war die Anzeige von einem Verein gutbetuchter alter Männer, die am Sonnabend in der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel »Auch wir sind das Volk« erschien. Die Unterzeichner, darunter Günter Grass und Marius Müller-Westernhagen, offenbarten sich als Anhänger von »Hartz IV« und erklärten, daß sie von abweichenden Meinungen, sie sprechen von »Jammern in Deutschland«, langsam die Nase voll hätten.

      Der Werbetext für Gerhard Schröder soll jedem Beteiligten mehr als 600 Euro wert gewesen sein, damit die für die Anzeige benötigten 45 000 Euro zusammenkamen.

      Die Abgeordnete meint, mit dem Bekenntnis der wütenden Wohlstandsrentner würden »ganze ökonomische Richtungen, die in anderen Staaten erfolgreich die Wirtschaftspolitik bestimmen, ins Abseits gestellt« und zitiert den früheren Bundesbankpräsidenten Karl Otto Pöhl, der erklärt hat, es sei »ökonomischer Unfug, ausgerechnet in einer Phase der Stagnation Investitionsausgaben zu kürzen«.

      Pöhl ist schon deswegen kein Gesprächspartner für zornige Alte, die sich endlich vom Besserverdienen ausruhen wollen, weil er zurücktrat, als Helmut Kohl den DDR-Bürgern die D-Mark schenkte. Es mangelt ihm an Patriotismus.

      Die Fragen, die Skarpelis-Sperk stellt, dürften unbeantwortet bleiben: »Wie viele Millionen Jahreseinkommen sind unter der Anzeige versammelt? Wie hoch waren die Einkommenssteigerungen der Herren in den letzten zehn Jahren?...Wie viele hunderttausend Arbeitsplätze haben sie in den letzten zehn Jahren abgebaut oder dazu geraten?« Die Antwort gibt die Senkung des Spitzensteuersatzes am 1. Januar. Wo Schröder regiert, ist für die hinter der Anzeige versammelten Leistungsträger mit Jammern endgültig Schluß.

      (asc)
      http://www.jungewelt.de/2004/10-07/003.php
      Avatar
      schrieb am 06.10.04 23:27:12
      Beitrag Nr. 1.934 ()
      Inland
      Till Meyer

      Ein klares Jein zu Ein-Euro-Jobs

      DGB fordert Vorrang von Maßnahmen zur Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt


      Die DGB-Spitze stemmt sich nicht gegen die Einführung von Ein-Euro-Jobs für Langzeiterwerbslose, will aber auf die Umsetzung dieses Programms Einfluß nehmen. Das ist das Fazit einer Pressekonferenz, zu der die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer am Mittwoch in Berlin eingeladen hatte.

      Der DGB befürchtet, daß Ein-Euro-Jobs von Unternehmern, Wohlfahrtsverbänden und kommunalen Trägern ausgenutzt werden könnten, reguläre Arbeitsplätze zu vernichten und statt dessen eine breiten Billiglohnsektor zu schaffen. »Die Nichtverdrängung regulärer Arbeitsplätze ist von entscheidender Bedeutung«, sagte Engelen-Kefer. Ferner lege das Gesetz fest, daß der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt absolute Priorität einzuräumen sei. Daher müßten die Schaffung öffentlich geförderter Arbeitsplätze und die Gewährung von Eingliederungsbeihilfen an Firmen, die Langzeitarbeitslose einstellen, im Mittelpunkt stehen. Es widerspreche dieser Intention der »Hartz-Gesetze«, wenn die Förderkonditionen so ausgestaltet würden, daß die Schaffung von Ein-Euro-Jobs für Unternehmer und Wohlfahrtsverbände attraktiver seien als die Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen, beklagte die DGB-Vize. »Die öffentlich geförderten Jobs dürfen nicht dazu mißbraucht werden, Finanz- und Beschäftigungsprobleme bei Trägern zu lösen. Sie sollten nur darauf gerichtet sein, die Beschäftigungsfähigkeit für die Langzeitarbeitslosen zu verbessern und ihnen Brücken in reguläre Arbeit zu bieten», fügte sie hinzu. In der Tat bieten die Ein-Euro Jobs einen interessanten Mitnahmeeffekt. Für jede dieser »Arbeitsgelegenheiten« will die Arbeitsagentur 500 Euro pro Monat zahlen, wovon der Beschäftigte allerdings nur 120 erhält.

      Wie der DGB gegen den Mißbrauch des geförderten öffentlichen Arbeitsmarktes durch Ein-Euro-Jobs vorgehen will, blieb am Mittwoch allerdings im dunkeln. Engelen-Kefer setzt aber auf das Einsichtsvermögen der beteiligten Institutionen: »Wir werden mit allen Betroffenen Gespräche führen. Mit der Bundesagentur für Arbeit, der Bundesregierung, den Sozial-und Wohlfahrtsverbänden, den Kirchen und den Kommunalverbänden.«
      http://www.jungewelt.de/2004/10-07/013.php
      Avatar
      schrieb am 06.10.04 23:30:58
      Beitrag Nr. 1.935 ()
      Inland


      40-Stunden-Woche ist »hirnrissig«

      Norbert Blüm und Franz Steinkühler warnen vor Arbeitszeitverlängerungen


      Der frühere IG-Metall-Vorsitzende Franz Steinkühler und der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) haben vor einer Rückkehr zur 40-Stunden-Woche gewarnt. Die Massenarbeitslosigkeit sei im wesentlichen dadurch bedingt, daß die Produktivität in Deutschland schneller steige als das Wirtschaftswachstum, sagte Steinkühler am Dienstag abend auf einer Veranstaltung des Opel-Betriebsrats in Rüsselsheim. Arbeitszeitverlängerung sei keine Alternative, wenn es um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gehe. Im Opel-Stammwerk in Rüsselsheim, wo derzeit die Wochenarbeitszeit bei 30 Stunden liege, wäre bei Rückkehr zur 40-Stunden-Woche ein Drittel der Arbeiter von Entlassung bedroht. Der frühere IG-Metall-Chef sagte, die Einführung der 35-Stunden-Woche habe nicht dazu geführt, daß weniger gearbeitet worden sei. Die vorhandene Arbeit werde oft einfach in kürzerer Zeit erledigt. Auch dadurch sei die Produktivität erheblich gestiegen. Steinkühler sprach sich für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns aus: »Wir haben auch einen gesetzlichen Mindesturlaub, warum also soll es beim Mindestlohn nicht funktionieren?« Ein solcher Mindestlohn mache aber nur Sinn, wenn er europaweit gültig sei und Verstöße strafrechtlich geahndet würden.

      Blüm bezeichnete auf der Veranstaltung eine Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche als »hirnrissig«. Blüm riet den Gewerkschaften im Kampf um den Erhalt des Sozialstaats zu einem breiten Bündnis mit der Jugend, den Kirchen und Globalisierungskritikern. Die Gewerkschaften hätten dabei das Problem, daß sie selbst in keiner guten Verfassung seien. Zudem hätten die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren fälschlich darauf gesetzt, immer größere Einheiten zu bilden.

      Die schrittweise Einführung der 35-Stunden-Woche war vor 20 Jahren nach harten Streiks in der Druck- und Metallindustrie durchgesetzt worden. Bei Opel hatten die Arbeiter im Mai und Juni 1984 mehrere Wochen die Arbeit nieder gelegt.

      (AP/jW)
      http://www.jungewelt.de/2004/10-07/015.php
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      schrieb am 07.10.04 16:27:56
      Beitrag Nr. 1.936 ()
      http://www.welt.de/data/2004/10/07/342942.html

      Bei deutschen Immobilienfonds droht ein Dominoeffekt

      Investoren ziehen massenhaft Gelder aus hierzulande anlegenden Produkten ab - Sparkassen-Tochter Deka am stärksten betroffen - Krisensitzung bei der BaFin


      von Richard Haimann, Daniel Eckert und Holger Zschäpitz

      Berlin - Bisher dachten Anleger, daß nur Aktien oder Anleihen fallen können. Doch nun dämmert es vielen, daß auch Immobilienfonds nicht immer der Fels in der Brandung sind. Denn Mittelabflüsse in Höhe von 1,2 Mrd. Euro seit Jahresbeginn haben den Deka-Immobilien-Fonds in eine derart starke Schieflage gebracht, daß Sparkassen und Landesbanken um Hilfe gerufen wurden. Bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist es bereits zu Krisensitzungen gekommen. Auch die Bundesregierung soll sich eingeschaltet haben. Experten fürchten, daß Anleger auch aus anderen Fonds große Kapitalmengen abziehen könnten und es somit zu einem Domino-Effekt kommt.

      Der Deka-Fonds ist kein Einzelfall. Er steht symptomatisch für sämtliche offene Immobilienfonds mit Anlageschwerpunkt Deutschland. Bereits im August 2003 war die Glückssträhne dieser Produkte vorbei. Seither zogen Anleger 5,7 Mrd. Euro ab. Experten befürchten, daß es zu einem großen Knall am hiesigen Immobilienmarkt kommt. Denn wenn die Fonds aufgrund der Abflüsse gezwungen sind, Immobilien abzustoßen, könnten die Preise in den Keller rutschen. Dies wiederum brächte die Performance der anderen Fonds mit Deutschland-Schwerpunkt unter Druck und würde die Produkte noch unattraktiver machen. Im schlimmsten Falle droht eine vorübergehende Schließung.

      Zitat:
      Nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) kann ein offener Immobilienfonds die Rücknahme von Anteilen für bis zu zwei Jahren aussetzen. Die Anleger würden dann erst einmal nicht mehr an ihr Geld kommen.


      So dramatisch ist die Lage, daß sich gestern selbst der Fondslobbyistenverband BVI zu Wort meldete. Die Fonds verfügten über ausreichend Liquidität, um etwaige Rücknahmewünsche der Anleger zu befriedigen. Seit Jahresanfang seien 3,7 Mrd. Euro in die offenen Immobilienfonds geflossen. Freilich sagt der BVI nicht, daß es sich bei dieser Zahl um sämtliche offenen Immobilienfonds also auch die international anlegenden handelt. Nimmt man ausschließlich die Deutschland-Produkte, sieht das Bild ganz anders aus. Dann sind nämlich 3,1 Mrd. Euro aus den Fonds abgeflossen.

      Im Zentrum des Sturms steht die Deka Immobilien Investment - eine Tochter der Deka-Bank; die zur Hälfte den Landesbanken und den Sparkassen gehört. Aus liquiden Mitteln allein konnten die Anleger nicht ausgezahlt werden, die seit Jahresbeginn ihre Anteile am Deka-Immobilien Fonds zurückgegeben haben. Um die gesetzlich vorgegebene Mindestliquiditätsquote von fünf Prozent zu halten, mußten Objekte verkauft und Fremdkapital aufgenommen werden (Die Welt, 6.10.2004). Wie viele Immobilien veräußert wurden und auf welche Summe sich die aufgenommenen Kredite belaufen will die Deka nicht sagen. Nach Brancheninformationen soll sich die Deka-Bank als Kreditgeber mit einem hohen dreistelligen Millionenbetrag engagiert haben.

      Über weitere Maßnahmen soll Mittwoch nächster Woche bei einer Notsitzung entschieden werden. Deka-Sprecher Jürgen Fischer dementiert, daß der Fonds geschlossen werden soll. "Die Deka-Bank und die Sparkassen werden weitere Anteilsscheine aufnehmen, falls noch mehr Anleger aussteigen wollen." Ein Sprecher der BaFin bestätigte, daß sich die Kontrollbehörde mit den Vorgängen befaßt: "Wir beobachten genau, was bei der Deka passiert."

      Innerhalb der Deka werden die Anlageberater der Sparkassen für die hohen Abflüsse mitverantwortlich gemacht. Kunden sei eine Umschichtung in die beiden anderen Fonds Deka-Immobilien Europa und Deka-Immobilien Global empfohlen worden. Die Sparkassen hätten dabei den Ausgabeaufschlag von rund fünf Prozent fast gänzlich als Provisionen einstreichen können. Tatsächlich sind in die beiden anderen Fonds seit Jahresbeginn rund 1,3 Milliarden Euro geflossen - wobei Provisionen in Höhe von rund 65 Mio. Euro angefallen sind. Auch BVI-Sprecher Andreas Fink moniert:

      "Die Vertriebspartner müssen erkennen, daß die Umschichtung von Fondsanteilen keine beliebig vermehrbare Leitung zur Provisionsgenerierung ist."

      Künftig könnten die Erträge noch magerer ausfallen, meint Branchenkenner Stefan Loipfinger. Ihn stimmt skeptisch, daß von 1998 bis 2003 "in der Summe Aufwertungen der Inlandsobjekte erfolgt sind, was die Marktrealität nicht widerspiegelt". Dies zeige sich auch daran, daß die Nettomietrendite bei den in Deutschland befindlichen Objekten 2003 nur 4,7 Prozent betragen habe, während bei Neuankäufen 5,5 bis sechs Prozent üblich seien.

      "Anleger brauchen zwar nicht in Panik zu verfallen, müssen sich aber vorsehen", sagt Alexandra Merz, Analystin bei Fondscope. Sie empfiehlt nur einen Deutschland-Fonds zum Kauf: den DEGI-Grundwertfonds. Alle anderen Produkte werden mit "Halten" oder gar "Verkaufen" beurteilt.


      Artikel erschienen am Do, 7. Oktober 2004
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      schrieb am 08.10.04 00:45:59
      Beitrag Nr. 1.937 ()
      Die 500 Großen – global agieren, lokal schmieren


      Während in den letzten zehn Jahren der Umsatz der 500 größten Unternehmen um 45 Prozent anstieg, haben sich die Profite beinahe verdreifacht. Zur Struktur der weltweit größten Konzerne 1994 und 2003


      Dreihundert Männer, von denen jeder jeden kennt, leiten heute die Geschicke des Kontinents.« Diese Worte sagte der Siemens-Mitbegründer Walther Rathenau vor knapp 100 Jahren. Auf heute übertragen läßt sich sagen: 500 Menschen, von denen jeder jeden kennt, leiten die Geschicke der Welt. Sie dirigieren die 500 größten Konzerne der Welt und bestimmen die Geschicke von Hunderten Millionen Menschen im globalen Kapitalismus. Nach meinem Überblick sind das 498 Männer und zwei Frauen; die Unternehmen Hewlett-Packard und Xerox leisten sich mit Carleton S. Fiorina bzw. Anne M. Mulcahy jeweils eine Frau als CEO, als Central Executive Officer, im deutschen Raum mit der Funktion eines Vorstandsvorsitzenden vergleichbar. Ansonsten ist die Geschäftswelt wie vor 100 Jahren eine reine Männerwelt.

      Es handelt sich um die Gruppe der weltweit größten Unternehmen aller Art, also Industriekonzerne ebenso wie Banken, Versicherungen, Handelshäuser und Dienstleistungsunternehmen. Diese Gruppe wird jährlich von dem US-Wirtschaftsblatt Fortune als »Global 500« zusammengestellt und statistisch aufgearbeitet. An der Spitze der Gruppe steht erneut und seit drei Jahren das US-Handelsunternehmen Wal-Mart Stores mit einem Umsatz von 263 Milliarden US-Dollar und 1,5 Millionen Beschäftigten. Auf Platz zwei folgt BP (232 Mrd. Dollar Umsatz), dann Exxon Mobil (223 Mrd. $), Royal Dutch Shell (202 Mrd $). Der erste deutsche Konzern auf dieser Liste ist DaimlerChrysler auf Rang sieben mit einem Umsatz von 157 Milliarden US-Dollar und 362 000 Beschäftigten.

      Insgesamt zählten diese 500 Konzerne im vergangenen Jahr 45 908 637 Beschäftigte, rund 46 Millionen. Sie vereinten auf sich eine Umsatzsumme von 14 873 Milliarden US-Dollar. Das entsprach knapp 45 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts. Sie wiesen einen addierten Gewinn von 731 Milliarden US-Dollar aus.

      Da die Statistik seit nunmehr zehn Jahren in dieser Form veröffentlicht wird, ist ein aussagekräftiger Vergleich über die Entwicklung der Konzernmacht binnen eines Jahrzehnts möglich. Danach steigerte sich der Umsatz der 500 größten Konzerne zwischen 1994 und 2003 um 45 Prozent (von 10300 Mrd. auf 14900 Mrd. US-Dollar). Der Anteil am weltweiten addierten Bruttosozialprodukt lag 1994 mit knapp 40 Prozent noch deutlich unter dem gegenwärtigen Anteil von knapp 45 Prozent. Das heißt, das spezifische Gewicht der 500 größten Unternehmen in der Weltwirtschaft hat sich nochmals deutlich erhöht, was den allgemeinen Diskurs in der Globalisierungsdebatte unterstützt. Die Zahl der von diesen Konzernen Beschäftigten – das dort ausgebeutete Arbeitskräfteheer – stieg in einem Jahrzehnt um rund ein Drittel, um elf Millionen Lohnabhängige. Die Tatsache, daß das Umsatzwachstum größer ist als das Wachstum der Beschäftigung, ist Ausdruck einer Produktivität, die schneller als der Umsatz wächst. In der kapitalistischen Terminologie handelt es sich um wachsende »Kapitalintensität«; marxistisch ausgedrückt um die größere organische Zusammensetzung des Kapitals. Dabei muß bedacht werden, daß es im letzten Jahrzehnt den weltweiten Trend zu prekären Beschäftigungsverhältnissen gab. 2003 dürfte gegenüber 1994 ein deutlich größerer Teil der insgesamt 46 Millionen Beschäftigten bei den »Global 500« kein »Normalarbeitsverhältnis« gehabt haben.

      Das US-amerikanische Blatt Fortune jubelte: »Während in dieser Periode (1994-2003) der gesamte Umsatz der 500 größten Unternehmen um 45 Prozent anstieg, haben sich die Profite beinahe verdreifacht.« Da die Jahre 1994 und 2003 Jahre eines – jeweils bescheidenen – wirtschaftlichen Aufschwungs waren und demnach vergleichbar sind, läßt sich durchaus verallgemeinern, daß sich die Profitsituation in dieser Gruppe führender Konzerne nachhaltig verbessert hat. Dies widerspricht im übrigen nicht der Theorie von einer langfristig sinkenden Profitrate. Zum einen war die Profitrate in den achtziger Jahren und in der internationalen Wirtschaftskrise 1990 bis 1992 weltweit auch bei der Gruppe der größten Unternehmen gesunken, so daß der Profitboom teilweise einer »normalen« Erholung gleichkommt. Zum anderen spiegelt sich hier ein typischer Prozeß wider: Durch ihre Marktmacht, also durch oligopolistische und monopolistische Mechanismen, kann die Gruppe der größten Unternehmen der Welt einen überproportionalen Teil des von den weltweiten Arbeitsheeren erzeugten Mehrwerts auf sich vereinen. Die gigantischen 21,5 Milliarden US-Dollar Profite, die beispielsweise der US-amerikanische Ölriese Exxon 2003 auswies, sind nicht ausschließlich von den relativ wenigen Exxon-Beschäftigten (88300) erarbeitet worden; sie flossen dem Unternehmen teilweise aufgrund der Marktmacht zu, die es und wenige andere Ölkonzerne im Energiesektor einnehmen. Allerdings stammen auch diese Profite nicht aus einem mystischen Zusammenwirken von Kapital, Boden und Arbeit; sie wurden von Lohnabhängigen konkret erarbeitet.


      US-Konzerne holten massiv auf

      Die wohl wichtigste Doppelbotschaft im Zehnjahresvergleich lautet: Die US-Konzerne haben ihre Positionen stark ausbauen können; der große Verlierer sind die japanischen Unternehmen. Im Unterschied zum vorherrschenden Tenor im Globalisierungsdiskurs teile ich nicht die Auffassung, wonach die großen, weltweit führenden Konzerne eine Art »internationales Kapital« zum Ausdruck bringen und weitgehend unabhängig von ihren Heimatländern agieren würden. Es handelt sich vielmehr um Unternehmen, die hinsichtlich der Kapitalstruktur und der »Unternehmenskultur« eng in ihren jeweiligen Nationalstaat eingebunden sind, in dem sich die Machtzentrale befindet. Ihre maßgeblichen Großaktionäre und das Topmanagement sind Teil der herrschenden Klasse ihres Landes. Sie sind auf »ihren« Staat und »ihre« Regierung fixiert. Letzteres erfolgt allerdings nicht im dem Sinne, daß sie patriotisch eingestellt oder gar von »ihrer« jeweiligen Regierung abhängig wären. Sie benutzen die staatlichen Strukturen ihres Heimatlandes rein instrumentell – zur Absicherung ihrer Macht, zum Kampf um Weltmarktanteile, zur Beeinflussung der internationalen Institutionen (IWF, Weltbank, WTO) im Sinne der Profitmaximierung.

      Im Fall der europäischen Konzerne verschieben sich zunehmend diese Funktionen von der Ebene der jeweiligen Nationalstaaten hin zu den staatsähnlichen Strukturen der EU (vor allem EZB, EU-Kommission, Ministerrat). Das steht nicht nur nicht in Widerspruch zur Tatsache, daß insbesondere die »Global 500«-Top-Unternehmen« überwiegend auf dem Weltmarkt tätig sind und ihren Umsatz oft zum größeren Teil im »Ausland« realisieren. Im Gegenteil: Beides – das Eingebundensein in die nationale Kapitalistenklasse und das internationale Auftreten – sind zwei Seiten ein – und derselben Medaille. Verkürzt gesagt gilt für die großen Unternehmen die Losung: Global agieren, lokal schmieren.

      Das US-Blatt Fortune fragt beim Zehnjahresvergleich: »Wer war der Gewinner der Dekade?« Die Antwort: »Die USA. Zehn Jahre zuvor hatten die USA 151 Unternehmen auf dieser Liste, die 29 Prozent des gesamten Umsatzes der »Global 500« auf sich vereinten. 2003 sind es 189 US-Konzerne, die 39 Prozent des addierten Umsatzes auf sich konzentrierten.« Folgt man der Blocklogik, und rechnet man Kanada und Mexiko als ökonomische Anhängsel der US-Ökonomie hinzu, dann gab es 1994 auf der Liste der »Global 500« 158 Unternehmen aus dem nordamerikanischen Block NAFTA, die 29,4 Prozent des gesamten Umsatzes der Gruppe auf sich vereinten. 2003 sind es 203 Unternehmen, die auf 40,8 Prozent Anteil des Gruppenumsatzes kommen.

      Der große Verlierer sind die japanischen Großunternehmen. 1994 gab es auf dieser Liste noch 149 Nippon-Unternehmen, die 37 Prozent des Umsatzes der »Global 500« auf sich vereinten. Japan lag damals also deutlich vor den USA oder dem Nafta-Block. 2003 sind in dieser Gruppe nur noch 82 japanische Unternehmen vertreten. Sie kommen auf einen Umsatzanteil von 14,6 Prozent.


      EU hinter dem NAFTA-Block

      Und die EU? Hier konnten die Positionen weitgehend gehalten werden. Vor zehn Jahren zählten 171 westeuropäische Konzerne zu dieser Gruppe. Ihr addierter Umsatz entsprach 30,2 Prozent des »Global 500«-Gruppenumsatzes. 2003 waren es mit 167 etwas weniger Unternehmen, die sich allerdings auf 37,5 Prozent Anteil am Umsatz der »Global 500« steigern konnten. Der Block Westeuropa, weitgehend identisch mit der EU, allerdings einschließlich zwölf schweizerischer und zwei norwegischer Konzerne, liegt damit nur knapp hinter dem Block NAFTA.

      Wie zu erwarten spielen deutsche Konzerne im Rahmen Europas die führende Rolle. Sie fielen im Dekadenvergleich zwar hinsichtlich ihrer Zahl in diesem Eliteclub zurück, konnten jedoch ihre Position beim Gruppenumsatz ausbauen. 1993 gab es unter den »Global 500« 44 deutsche Unternehmen, die 8,7 Prozent des Umsatzes auf sich vereinten. 2003 sind es 34 deutsche Konzerne mit 9,1 Prozent des Gruppenumsatzes. Die auf Deutschland folgenden Länder in dieser Hackordnung sind Großbritannien, einschließlich der zwei britisch-niederländischen Unternehmen Royal Dutch Shell und Unilever (37 Unternehmen; Umsatzanteil 2003 8,9 Prozent), Frankreich (37 Unternehmen; Umsatzanteil 8,3 Prozent) und die Niederlande (zwölf Unternehmen; Umsatzanteil 2,6 Prozent).

      Die Verschiebungen im Zehnjahresvergleich widerspiegeln die weltpolitischen Gegebenheiten. Oder umgekehrt: Die Weltpolitik ist erheblich geprägt von der Macht und Struktur der größten Konzerne. Anfang der neunziger Jahre hatte der aufsteigende japanische Imperialismus seinen Höhepunkt erreicht; eine schwere Krise und eine Depressionsphase hatte bereits 1992 eingesetzt, sich im Zahlenwerk der Großkonzerne jedoch teilweise erst später niedergeschlagen. Die Ausläufer dieser Krise spielen weiterhin eine erhebliche Rolle. Seit 2003 gibt es Anzeichen für eine neuerliche Erholung. Toyota beispielsweise, das achtgrößte Unternehmen der Welt (153 Mrd. $ Umsatz; 264000 Beschäftigte), erwies sich 2003 als der Autobauer mit dem größten Gewinn und der höchsten Gewinnmarge (ausgewiesener Jahresprofit von 10,2 Mrd. $). Andere japanische Autokonzerne sind allerdings inzwischen unter ausländischer Kontrolle: So wird Nissan von Renault und Mazda von Ford kontrolliert.

      Eine maßgebliche Ursache für die Krise in Japan war der Umstand, daß sich die japanischen Konzerne in ihrer Region nicht – wie in Westeuropa der Fall – ein strukturiertes Umfeld und einen vergrößerten, nach außen teilweise abgeschotteten Binnenmarkt schaffen konnten. Die Krise der »Tigerstaaten« 1997/98 schlug zusätzlich auf die japanische Ökonomie durch. Hinzu kommt: Japan hat als einzige führende imperialistische Macht keinen größeren Militarisierungsprozeß realisiert und kennt auch keine Auslandseinsätze von Kampftruppen. (Die Revision der Verfassung wird allerdings vorbereitet).

      Beim neuerlichen Aufstieg der US-Konzerne spielt die aggressive Politik der US-Regierung im Interesse ihrer Großunternehmen eine gewichtige Rolle, einschließlich der Tatsache, daß die US-amerikanischen Interessen – die Exporte und die Kapitalanlagen – auch militärisch weltweit abgesichert werden. In diesem weltpolitischen Kontext haben die europäischen Konzerne ihre Positionen gut halten können, obgleich die EU erst beginnt, sich staatlich zu strukturieren und ihre Militarisierung erst eingesetzt hat. Das deutet auf das große Potential dieses Konzern-Blocks beim weltweiten Monopoly hin, also auf das gewaltige zerstörerische und Menschen gefährdende Potential der EU und der EU-Konzerne.


      Geschlossener Club

      »Global 500« bestätigt erneut: Globalisierung heißt keineswegs, daß die großen Konzerne aus allen Ländern am Machtpoker beteiligt wären oder sich an der Ausbeutung von Menschen und Ressourcen gleichberechtigt engagieren dürften. Die 500 größten Unternehmen der Welt konzentrieren sich auf nur 31 Länder. Wenn wir die weit wichtigere Gruppe der 200 größten Unternehmen auswählen und uns gewissermaßen dem Auge des Taifuns nähern, dann haben diese ihre Firmensitze nur noch in 15 Ländern: 77 in den USA, 28 in Japan, 20 in der BRD, 20 in Frankreich, 16 in Großbritannien, sieben in den Niederlanden, sechs in der Schweiz, fünf in Italien, drei in Spanien, zwei in Norwegen, jeweils ein Unternehmen hat seinen Firmensitz in Finnland, Luxemburg, Belgien, Mexiko, Venezuela, Brasilien, Rußland, Malaysia und Indien. Hinzu kommen in dieser 200er Gruppe nur noch vier südkoreanische Unternehmen und drei chinesische. Das heißt, im großen und ganzen spielt sich das Konzern-Monopoly im Kreis der westlichen OECD-Länder ab, was rein zufällig vor hundert Jahren ähnlich war, wobei die gleichen Länder damals überwiegend Kolonialmächte waren.

      In der Gruppe der »Global 500« sind inzwischen 15 große Unternehmen aus China gelistet, die auf einen Gesamtumsatz von 358 Milliarden US-Dollar kommen. Das entspricht lediglich 2,4 Prozent des addierten Umsatzes der »Global 500«. 1994 zählten erst drei chinesische Unternehmen zu dieser Gruppe. Allerdings handelt es sich bei den chinesischen Unternehmen unter den »Global 500« bisher kaum um Global Players, um Konzerne, die auf dem Weltmarkt mit den westlichen Konzernen bestehen könnten. Die zwei wichtigsten chinesischen Industriekonzerne in dieser Liste sind die Mineralölunternehmen Sinopec (Rang 53 unter den »Global 500«) und China National Petroleum (Rang 73). Während die produktiven westlichen Ölriesen bei weit größeren Umsätzen nur 100 000 und weniger Beschäftigte zählen, weist Sinopec allerdings 854 000 Beschäftigte und China National Petroleum mehr als eine Million Arbeitskräfte aus. Bei dem wichtigsten chinesischen Autohersteller in dieser Liste, der Shanghai Automotive (Rang 461), handelt es sich um ein Joint venture mit VW.

      In den sechziger Jahren galt Indien als aufsteigende kapitalistische Wirtschaftsmacht. Auf der aktuellen Liste der »Global 500« finden sich nur vier indische Konzerne, deren addierter Umsatz 0,4 Prozent des Gesamtumsatzes entspricht. Später wurden Brasilien und Mexiko als »Schwellenländer« gehandelt. Ihre aktuelle Position unter den »Global 500« ist marginal und hat – indem hier die Ölkonzerne Peemex (Mexiko) und du Petrobas (Brasilien) gelistet sind, vor allem mit der Ölgesellschaft zu tun. Am lehrreichsten scheint diesbezüglich der Absturz der südkoreanischen Konzerne zu sein. In der engeren Gruppe der 200 Größten gab es 1994 noch sechs südkoreanische Konzerne. 2003 sind es nur noch vier. Frühere südkoreanische Global Players wurden teilweise aufgekauft (Daewoo von General Motors) oder in andere Unternehmen integriert (Kia in Hyundai).


      Konzentration auf Auto und Öl

      Untersucht man die »Global 500«-Unternehmen nach ihren Zugehörigkeiten zu einzelnen Branchen, dann stellt sich heraus: Die größte einzelne Branche ist das Ölbusiness (»crude oil production«, »petroleum refining« und »oil equipment«). Allein hier sind mehr als zwölf Prozent des gesamten addierten Gruppenumsatzes gebunden – mehr als beim Bankensektor. Bildet man eine Gruppe derjenigen Großunternehmen, die eng von Öl, Ölverarbeitung und den Ölderivaten (Benzin, Diesel, Kerosin und Treibstoff für Raketen, Panzer und Militärjets) abhängig sind, rechnet man also zu dem Ölgeschäft noch die Autokonzerne, die Airlines, den Flugzeugbau und die Rüstungsindustrie hinzu, dann kommt diese Gruppe »Öl-Auto-Flugzeugbau-Rüstung« auf einen addierten Umsatz von 3726 Milliarden US-Dollar, was bereits mehr als einem Viertel des gesamten Umsatzes der »Global 500« entspricht.
      Schließlich ist zu berücksichtigen, eine Zusammenfassung von Industriekonzernen, Banken und Dienstleistungsunternehmen ist methodisch problematisch. Die politische und wirtschaftliche Macht von Wal-Mart auf Platz 1 der »Global 500« ist weit geringer als die von BP oder Exxon auf den Rängen 2 und 3. Und Banken und Versicherungen sind zwar mächtig, sie spielen jedoch im Gesamtkontext als Finanziers und meist auch als Großaktionäre eine spezifische Rolle. Betrachtet man daher in dieser Liste ausschließlich die Industriekonzerne, mehr oder weniger den produktiven Sektor, dann wird die stoffliche Zusammenballung der Gruppe Öl-Auto nochmals eindrucksvoll dokumentiert.

      Bei den in der Tabelle aufgeführten 25 weltweit größten Industriekonzernen entfallen fast 74,4 Prozent allein auf den Bereich Ölförderung, Ölverarbeitung, Autoindustrie. Der kommentierende Artikel in Fortune schrieb dazu: »Leading the pack were the oil giants...« Die »Führer im Rudel« seien die Ölgiganten. Die Macht dieser Gruppe hat sich im Zehnjahresvergleich unter den »Global 500« nochmals verstärkt – trotz des Aufkommens neuer Branchen wie der Elektronik- Computerindustrie oder der Telekommunikationskonzerne.

      Diese Gruppe stellt den Motor im Kampf um Weltmärkte, im Heißhunger auf Öl und im Prozeß der Militarisierung und Kriegstreiberei dar. Es sind die stoffliche Zusammensetzung der großen Konzerne der Welt und die Logik der Kapitalverwertung – und nicht irgendein »Bushismus« eines US-Präsidenten – die der zerstörerischen Dynamik des Kapitalismus innewohnen.



      Dieser Artikel von Winfried Wolf* erschien am 30.09.2004 in der Jungen Welt

      * Winfried Wolf veröffentlichte zum Thema das Buch: »Fusionsfieber. Oder: Das große Fressen – Globalisierungsmythos – Nationalstaat – Wirtschaftsblöcke« im PapyRossa-Verlag, ISBN: 3-89438-2104



      http://www.hms-web.de/500/500.html
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      schrieb am 08.10.04 00:49:43
      Beitrag Nr. 1.938 ()
      Haim Saban, die Medien und Israel

      Von Ludwig Watzal*


      Was haben Haim Saban, Michel Friedman und Michael Wolffsohn gemeinsam? Allen drei liegt Israels Zukunft am Herzen. Saban ist aus diesem Trio der Mächtigste und Einflussreichste, die beiden Letzteren haben sich durch eigenes Verschulden ins Abseits manövriert. Saban gab kürzlich der "New York Times" ein Interview, das für große Aufmerksamkeit sorgte. Darin ließ er durchblicken, welche Motive ihn beim Kauf von der ProSiebenSat.1Media AG von Leo Kirch geleitet haben. Die deutsche Regierung hätte sein Anliegen nicht aus historischen, sondern wirtschaftlichen Gründen unterstützt.

      Der israelisch-amerikanischer Medien-Taycoon wurde beim Besuch des Konzentrationslagers Dachau vom erfolgreichen Kaufabschluss übers Handy informiert. Eine Hollywood reife Szene. Ob dies geschmackvoll war, sei dahingestellt. Es zeigt jedoch, das Saban keinerlei moralische Skrupel hat, Geschäfte mit dem ehemaligen "Tätervolk" zu machen. Trotz der historischen Ereignisse, solle man sich nicht abhalten lassen, nach vorne zu gehen, so Saban. Ihm ist bewusst, das Europa und Deutschland in Zukunft immer wichtiger für Israel werden.

      Kritisiert der amerikanische Politikwissenschaftler Norman Finkelstein nicht zu Recht, dass die Holocaust-Erinnerung für politische Ziele instrumentalisiert werde, um z. B. die israelische Okkupationspolitik und die damit einhergehenden Ungerechtigkeiten gegenüber den Palästinensern zu rechtfertigen? Die Eskapaden der so genannten Holocaust-Industrie sind jedenfalls ziemlich bizarr und eine Beleidigung für die Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Die Aktionen Sabans haben aber nichts mit Verschwörungsdenken zu tun, sondern sie sind ein Beleg dafür, wie symbiotisch das Verhältnis von Macht und Geld ist.

      Sabans politisches Anliegen ist, eine möglichst große Kontrolle über die Medien zu erlangen. Dass sich der Hollywood-Mogul nicht nur aus finanziellen Erwägungen in Deutschland engagiert hat, sondern das Land als Basis für etwas größeres ansieht, hat Peter Chernin, Präsident und Leiter der News Corporation, deutlich gemacht. Saban beabsichtige auch, die Jerusalem Post zu kaufen, wenn der Preis stimme. Kürzlich hat er die britische BBC für ihre pro-arabische Haltung kritisiert und sein Interesse am Kauf von ITV, der größten privaten Fernsehanstalt, signalisiert. Erfreulich an Sabans Engagement ist, dass es in Deutschland erfolgt, machen doch sonst andere US-Unternehmen um das Land einen großen Bogen.

      Saban ist nicht nur ein Medien-Taycoon, sondern zählt auch viele prominente Politiker zu seinen Freunden. Ariel Sharon gehört ebenso dazu wie Bill Clinton oder John Kerry, der demokratische Herausforderer von George W. Bush. Saban bezeichnet sich selber als einen "Ein-Themen-Mann", und sein Thema ist Israel. Sein Image will er verbessern. Er telefoniere regelmäßig über Stunden mit Sharon. Verrät nicht Sabans Zuneigung zu Sharon viel über seine politische Einstellung? Steht der israelische Ministerpräsident nicht für die extreme Richtung des Zionismus und eine brutale Besatzungspolitik?

      Israel hat weltweit ein riesiges Imageproblem - ausgenommen in den USA. In Europa betrachten 59 Prozent der Befragten das Land als die größte Gefahr für den Weltfrieden. Ähnlich verheerend ist die Meinung über Sharon. Diese Haltung zu korrigieren, dürfte gewiss ein zentrales Anliegen für Sabans Medienimperium sein. Wie die Kolleginnen und Kollegen damit umgehen werden, bleibt abzuwarten.

      Michel Friedman hatte sich auch schon einmal als Image-Polierer Sharons betätigt. In einem Fernsehinterview spielte der ansonsten als Inquisitor agierende Moderator den handzahmen Stichwortgeber, wo kritisches Fragen und Insistieren angebracht gewesen wäre. Friedman wurde damals dafür zu Recht heftig geschollten. Auch Michael Wolffsohn hat bis zu seiner unachtsamen Interview-Äußerung über die Rechtmäßigkeit der Folter und dem dann folgenden verunglückten "J`accuse!"-Artikel perfekt auf der Klaviatur der Medien gespielt. In diesem FAZ-Beitrag lancierte er einen Generalangriff gegen die gesamte politische Elite des Landes - ausgenommen die Unionsparteien -, was seiner Medienpräsenz geschadet hat.

      Vielleicht signalisiert das Engagement Sabans der deutschen politischen Elite, wie gelassen und unaufgeregt mit Geschichte umgegangen werden kann. Diese Coolness wünschte man sich, wenn auf Deutschland die nächste Vergangenheitsbewältigungsdebatte zukommt.



      *Dr. Ludwig Watzal, Politikwissenschaftler: Jahrgang 1950, zählt zu den profilierstesten deutschen Nahost-Experten. Er studierte Politische Wissenschaften in Berlin, internationale Beziehungen in Philadelphia, Philosophie in München und katholische Theologie in Würzburg. Dr. Watzal arbeitet als Redakteur der Zeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte", als freier Journalist für Fernsehen und Rundfunk sowie als Lehrbeauftragter an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Zuletzt erschienen von ihm die Bücher "Friedensfeinde. Der Konflikt zwischen Israel und Palästina in Geschichte und Gegenwart", "Peace Enemies" und "Feinde des Friedens".

      Siehe auch: http://www.watzal.com
      http://www.hms-web.de/schmidt-saban/saban/saban.html
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      schrieb am 08.10.04 00:59:06
      Beitrag Nr. 1.939 ()
      Avatar
      schrieb am 08.10.04 19:30:27
      Beitrag Nr. 1.940 ()
      Avatar
      schrieb am 08.10.04 19:45:42
      Beitrag Nr. 1.941 ()
      Fragen Nr.38 vom 4.10.2004

      Steht den USA für 2005 der wirtschaftliche Kollaps ins Haus?
      von William Engdahl


      Vor kurzem bestätigte der US-Senat den 78jährigen Alan Greenspan -erstmalig für eine fünfte Amtszeit als Vorsitzenden der mächtigsten Zentralbank der Welt, der -Federal

      Reserve Bank oder Fed, wie sie auch genannt wird. Die Tatsache, dass Präsident Bush Greenspan erneut ernannte, ist weniger ein Hinweis darauf, welch ausgezeichneter Zentralbanker Greenspan ist, sondern macht vor allem deutlich, wie verletzbar das globale finanzielle Gebäude ist.

      Oberflächlich gesehen, scheint nach schwerer Rezession und dem Sturz der US-Börse um 60% in den Jahren 2000 bis 2001 endlich ein weltweites wirtschaftliches Wachstum einzusetzen. Die Federal Reserve Bank sagt, sie sei so davon überzeugt, dass das Wachstum innerhalb der US-Wirtschaft zu einer festen Grösse werde, dass man vor einigen Wochen den Leitzinssatz von dessen Rekordtief von 1% auf 1,25% erhöhte, und signalisierte, ihn in den kommenden Monaten allmählich auf ein «neutrales» Niveau von 3,5 bis 4,5% anzuheben.

      Überall auf der Welt, von Brasilien über Mexiko bis Südkorea, wird ein starkes Wachstum der Exporte vermeldet. Das Wirtschaftswachstum Chinas ist so stark, dass die Regierung befürchtet, es könnte sich überhitzen. In Europa expandiert Grossbritannien in einem Tempo wie seit 15 Jahren nicht mehr. Frankreich erwartet eine Zunahme seines Bruttoinlandprodukts um 2,5%, und sogar Deutschland spricht von stärkerem Wachstum der Exporte. Die treibende Kraft dahinter ist das Wirtschaftswachstum der USA.

      Das Problem an diesem optimistischen Bild ist die Tatsache, dass es gänzlich auf dem Dollar und der beispiellosen Schaffung preiswerter Dollarkredite durch Greenspan und die Regierung Bush basiert. Deren einziges, kurzfristiges Ziel ist, die US-Wirtschaft stark genug zu erhalten, um George Bush im November die Wiederwahl zu sichern. Berichten aus Washington zufolge soll Bush einen Handel ausgemacht haben, dass er Greenspan erneut berufe, wenn er die Zusicherung habe, dass Greenspan die Wirtschaft bis zu den Wahlen am Wachsen halte. Bewerkstelligt hat man das durch eine Kombination von historisch tiefen Zinssätzen, wie man sie vorher nur in Zeiten des Krieges oder der Depression kannte, mit Ausgaben zur Anregung der Wirtschaft, die das Haushaltsdefizit in Rekordhöhe trieben, wobei man Staatsanleihen ausgab, um dies zu finanzieren. In der Folge ist die Welt mit billigen Dollars überschwemmt worden.

      Eine neue Weltwirtschaftskrise?
      Klar ist heute schon, dass dieser unhaltbare Aufwand mit hoher Wahrscheinlichkeit kurz nach den Wahlen irgendwann im Jahre 2005 ein Ende nimmt, unabhängig davon, wer Präsident wird. Angesichts der Menge des von der amerikanischen Zentralbank Fed und dem amerikanischen Finanzministerium seit 2001 gedruckten Geldes ist es vorprogrammiert, dass die «Korrektur» der neuesten Greenspan-Kredit-Orgie das gesamte globale Finanz- und Wirtschaftssystem beeinflussen wird. Einige Wirtschaftswissenschafter befürchten eine neue grosse Depression wie in den dreissiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Welt hängt heute von billigen US-Dollarkrediten ab. Steigen die Zinssätze in den USA schliesslich gezwungenermassen, werden Europa, Asien und die gesamte globale Wirtschaft dramatische Schläge erleiden, die sich von allem unterscheiden, was die Welt seit den 1930er Jahren erlebte. Schulden, die jetzt handhabbar erscheinen, werden plötzlich unbezahlbar werden. Zahlungsunfähigkeit und Bankrott werden um sich greifen, so wie dies unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Creditanstalt im Jahre 1931 der Fall war.

      Der offizielle amerikanische Mythos lautet, dass die Rezession von 2000/2001 im November 2001 endete und seitdem ununterbrochen «konjunktureller Aufschwung» angesagt sei. Die Wirklichkeit ist nicht so positiv. Mit rekordverdächtig niedrigen Zinssätzen hat die amerikanische Zentralbank Fed amerikanische Familien dazu verlockt, sich in Rekordhöhe zu verschulden; sie hat damit etwas geschaffen, das man einen «virtuellen Aufschwung» nennen könnte, finanziert durch riesige Summen neuer Konsumentenschulden. Tatsache ist, dass es bisher noch nie einen wirtschaftlichen Aufschwung gegeben hat, bei dem das Niveau der Verschuldung stieg, im Gegenteil.

      Der amerikanische Traum vom eigenen Heim ist die Quelle der Rekordanleihen gewesen, unterstützt durch die niedrigsten Zinssätze seit 43 Jahren. Greenspan hat sich häufig gerühmt, dies sei es, was die US-Wirtschaft seit 2001 gestützt habe. Wenn Familien ein Haus kaufen, benötigen sie Möbel, beschäftigen sie Bauarbeiter, Elektriker, Ingenieure, und die Wirtschaft wächst. Einmalig niedrige Zinssätze haben es den Familien sehr einfach gemacht, von den Banken Darlehen zu erhalten, indem sie das Eigenkapital ihres Eigenheimes als Bürgschaft oder Garantie einsetzen. Diese Darlehen, die an die steigenden Immobilienpreise gebunden waren, erlaubten amerikanischen Familien, neue Möbel, Autos und unzählige weitere Dinge zu finanzieren. Im Jahre 2003 vergaben die Banken die Rekordsumme von 324 Milliarden Dollar für derartige Darlehen auf das Eigenkapital der Eigenheime - zusätzlich zu 1 Billion Dollar für neue Hypotheken.

      Wachsende Hypothekarschulden
      All dieser wirtschaftliche Konsum hat die Illusion einer sich erholenden Wirtschaft genährt. Aber unter der Oberfläche hat sich eine ungeheure Schuldenlast aufgebaut. Seit 1997 ist die Gesamtmenge der Hypothekarschulden der Amerikaner um 94% auf kolossale 7,4 Billionen Dollar angestiegen. Dies entspricht einer durchschnittlichen Schuldenlast von etwa 120 000 Dollar für eine vierköpfige Familie. Bankkredite für den Erwerb von Immobilien sind seit 1997 um 200% auf 2,4 Billionen Dollar gestiegen. Die Durchschnittspreise für amerikanische Immobilien sind seit 1998 um 50% gestiegen. Allein im Jahre 2003 wurden - ebenfalls ein Rekord - für insgesamt 1 Billion Dollar neue Hypotheken abgeschlossen. Zum Vergleich: Im Jahr 1997 entsprachen die abgeschlossenen Hypotheken einer Gesamtsumme von 202 Milliarden Dollar.

      In vielen Teilen der USA ist die Preisinflation für Eigenheime alarmierend. Eine Wohnung in Manhattan kostet heute über 1 Million Dollar. Die Hauspreise in Boston haben sich innerhalb von 5 Jahren um 64% erhöht. Die kalifornischen Immobilienpreise sind in die Höhe geschnellt. Im Laufe von 6 Jahren sind die Immobilienpreise durchschnittlich um 50% gestiegen; ein beispielloser Anstieg, angetrieben durch Greenspans einfache Kredite. In den 7 Jahren bis 2004 hat der Wert der amerikanischen Häuser auf dem Papier um 7 Billionen Dollar auf insgesamt 15 Billionen Dollar zugenommen, der höchste Wert in der Geschichte der USA. Das Problem ist so offensichtlich gefährlich, dass Greenspan sich vor kurzem gezwungen sah, die Existenz einer «Immobilien-Blase»zu bestreiten, so wie er im Jahr 2000 eine «dot.com-Börsen-Blase» bestritt.

      Aber es ist genau das, was er mit seinen niedrigen Zinssätzen verursacht hat. Die «dot.com-Blase» ist in eine grössere und bedrohlichere «Immobilien-Blase» umgewandelt worden. Die Familien haben sich überzeugen lassen, ihr Geld im Hinblick auf die Pension anstatt in Aktien in ein Haus zu investieren.

      Der Anstieg der Häuserpreise ist durch niedrige Zinssätze und Banken angetrieben worden, die ungehemmt Kredite vergaben. Weil zwei halbstaatliche Einrichtungen, die National Federal Mortgage Association (Bundesstaatliche Hypothekenvereinigung), bekannt als FannieMae, und die Government National Mortgage Association (Regierungsamtliche Hypothekenvereinigung) oder GinnieMae, die Hypothekarverträge der Banken aufkaufen und damit den örtlichen Banken die Risiken abnehmen, hat die lokale kreditgebende Bank weniger Druck bei der Garantie von Krediten, die sie an weniger risikoreiche, kreditwürdige Familien verleiht, die das Darlehen wahrscheinlich zurückerstatten.

      Der US-Kongress hat neue Gesetze verabschiedet, die es Familien sogar ermöglichen, Häuser ohne einen Cent Eigenkapital zu kaufen. Dies führte zu einer enormen Zunahme von Hypotheken, die an wirtschaftlich schwache oder subjektiv risikoreich einzustufende Familien vergeben wurden. Die Zahl solcher riskanten oder «nicht erstklassigen» Hypotheken hat allein in diesem Jahr um 70% zugenommen; sie machen nun 18% aller US-Hypotheken aus. Viele dieser riskanten Hypotheken werden mit variablem Zinssatz abgeschlossen. Heute sind die Zinssätze für variable Hypotheken tief, sie liegen nur knapp über 4%. Aus diesem Grund werden heute etwa 35% aller neuen Hypotheken als variable Hypotheken abgeschlossen.

      Solange die Zinsen niedrig bleiben, dreht sich das Roulette der Schulden weiter. Problematisch wird es, wenn die Zinssätze steigen, und Familien - mit tiefen variablen Zinsen zum Erwerb eines Eigenheimes verlockt - plötzlich feststellen, dass ihre monatlichen Kosten für die Hypothek mit den steigenden Zinsen explodieren. Die US-Banken werden sich dann einem ernsthaften Problem mit schlechten Krediten gegenübersehen, weit schlimmer als in den Jahren von 1990 bis 1992, als sich einige der grössten US-Banken am Rande des Bankrotts befanden. Im Mai begannen die Zinsen in den Vereinigten Staaten erheblich zu steigen, und die amerikanische Zentralbank Fed sah sich gezwungen, ihren offiziellen Zinssatz am 30. Juni zum ersten Mal seit vier Jahren anzuheben. Viele Banken haben Hypothekenverträge mit variablen Zinssätzen abgeschlossen. Wenn die amerikanischen Zinssätze in den nächsten zwölf Monaten steigen, löst dies eine Welle von geplatzten Hypothekarverträgen aus. Einige Industrieexperten befürchten ein «Blutbad» für das Jahr 2005.

      Die amerikanische Familie ist allerdings nicht nur in bezug auf ihr Eigenheim hoch verschuldet. Die Daten der amerikanischen Zentralbank Fed geben die Höhe der privaten Verschuldung in den USA mit gegenwärtig 35 Billionen Dollar an, was einer durchschnittlichen Verschuldung von rund 450000 Dollar für eine typische vierköpfige Familie entspricht. Die durchschnittliche Verschuldung der Verbraucher auf Kreditkarten, Autos und dergleichen erreicht Rekordhöhe. Die Autohersteller bieten weiterhin Autokredite an, darunter solche mit Laufzeiten bis zu sechs oder sieben Jahren. Viele Amerikaner haben höhere Schulden auf ihrem Auto, als dessen Wert noch beträgt. Und die Schulden wachsen weiter. Solange die Leitzinsen auf dem Tiefststand seit 43 Jahren bleiben, sind die Schulden überschaubar. Steigen die US-Zinsen aber, werden es viele nicht mehr schaffen. Die Erhöhung hat schon begonnen, und es gibt zwei Arten, wie die Zinsen voraussichtlich weiter steigen werden.

      Die Fed sitzt in der Falle
      Zunächst war die Zentralbank, wie erwähnt, selbst gezwungen zu handeln, als sie am 30. Juni die US-Leitzinsen zum ersten Mal seit vier Jahren von 1% auf 1,25% erhöhte. Ihr blieb keine andere Wahl. Greenspan behauptete seit Monaten, der Aufschwung der amerikanischen Wirtschaft sei «solide», und die Zinsen würden bald wieder eine «normale» Höhe erreichen. Das war ein kalkulierter Bluff. Hätte er nicht gehandelt, als die US-Beschäftigungszahlen die Investoren davon überzeugten, dass ein Aufschwung tatsächlich in Sicht sei, wäre er mit einer grossen Vertrauenskrise in den Dollar konfrontiert gewesen. Berichten zufolge hat die Administration Bush die Beschäftigungsstatistiken so manipuliert, dass sie mit Blick auf die Wahlen eine Zunahme der Arbeitsplätze vorweisen kann.

      Seit der Erhöhung der Leitzinsen hat Greenspan die aufgescheuchten Märkte immer wieder mit der Erklärung beruhigt, dass künftige Zinserhöhungen weiterhin graduell und massvoll erfolgen werden. Mit anderen Worten: «Spekulanten, nur keine Angst!» Will er aber das Vertrauen der grossen Bondmärkte beibehalten, muss er diese davon überzeugen, dass er immer ein wachsames Auge auf die Inflation hat. Und das ist äusserst schwierig, angesichts der Tatsache, dass die Preise in den letzten Monaten für nahezu alles um 50 bis 110% angestiegen sind, angefangen von Kupfer und Öl über Bauholz und Sojabohnen bis zu Schrottstahl.

      Sein einziges Antiinflationswerkzeug sind höhere Zinsen oder zumindest das Versprechen, sie zu anzuheben. Je länger er das Erhöhen der Leitzinsen hinauszögert, während die Preise steigen, desto grösser wird das Risiko einer Dollarkrise, da ausländische Investoren das Schlimmste befürchten, nämlich dass die US-Wirtschaft weitaus schlechter dasteht, als die Beamten zugeben. Die Fed sitzt in der Falle.

      Aber höhere Zinssätze drohen die Billionen-Dollar-Hypothekarzins-Blase zum Platzen zu bringen - zu einer Zeit, in der Immobilien landesweit um mindestens 20% oder 3 Billionen Dollar überbewertet sind.

      Wenn private Bond-Investoren, wie grössere Pensionsfonds und Banken, ihr Vertrauen in Greenspans Versicherungen, die Inflation im Griff zu haben, verlieren, bliebe als einzige andere Unterstützung für die Tiefzinspolitik die Bereitschaft der Japaner und vor allem der Chinesen, weitere Milliarden ihrer Dollars in den Kauf von US-Staatsanleihen zu investieren.

      Die grössten Abnehmer von Schuldscheinen der US-Regierung sind die Zentralbanken von Asien und dem Pazifikraum. Die Zentralbanken Japans und Chinas allein besitzen mehr als 1 Billion US-Staatsanleihen als Auslandwährungsreserven. Weltweit halten ausländische Zentralbanken in etwa 1,3 Billionen Dollar US-Regierungsschulden. Addiert man dazu die Privatverschuldungen, dann sind die Vereinigten Staaten der gröss-te Schuldner der Welt mit mehr als 3,7 Billionen Dollar Netto-Auslandschulden am Anfang dieses Jahres. Mittlerweile sind sie wohl auf über 4 Billionen Dollar angewachsen. Als Ronald Reagan 1980 gewählt wurde, waren die USA noch der grösste Kreditgeber der Welt mit einem Überschuss von 1 Billion Dollar.

      Länder, die vom grossen US-Exportmarkt abhängig sind, verwerten ihre Dollars aus dem Handelsbilanzüberschuss für den Kauf von US-Schulden, um die Dollarbindung ihrer Währung zu erhalten. Nur weil Japan, China und andere fortwährend Riesensummen für US-Schulden aufbringen, die sie mit ihren schwer verdienten Handelsdollars zahlen, können die US-Zinsen weit tiefer bleiben, als sie es sonst wären. Wären die Auslandskäufe von US-Wertpapieren rückläufig oder schleppend, müsste das amerikanische Finanzministerium höhere Zinsen anbieten, um Investoren für den Kauf der Schuldscheine anzulocken. Und das wiederum würde die Zinsen für Eigenheime sehr schnell verteuern. Millionen von Hausbesitzern würden in Zahlungsverzug geraten. In vielen Regionen würden die Preise zusammenbrechen, was eine höhere Arbeitslosigkeit nach sich zöge.

      Diesmal wird es nicht so ablaufen wie beim «dot.com Crash»: Dieser war ein von der Zentralbank absichtlich herbeigeführter Crash, indem sie die Zinsen erhöhte, um der Blase die Luft abzulassen. Im Jahre 2000 lag der Zinssatz bei 6,5%, und die Zentralbank hatte Spielraum, um ihn auf 1% zu senken, womit als alternative Geldanlage die Wohnungsbau-Blase geschaffen werden konnte, um die Wirtschaft auf einem Meer von Schulden über Wasser zu halten. Heute sind die Zinsen auf einem historischen Tiefpunkt, die Schulden in historischer Höhe, und die Abhängigkeit von fortlaufendem ausländischem Kapitalzufluss hat ein noch nie dagewesenes Ausmass erreicht.

      Spekulation ist global geworden wie nie zuvor. Der billige Kredit in der Dollarwelt hat weltweit zu billigeren Krediten geführt. Die Wirtschaftssysteme von Brasilien, Mexiko und sogar Argentinien profitieren von Banken und Spekulanten wie George Soros, die zu superniedrigen amerikanischen oder japanischen Zinssätzen Geld aufnehmen, um es in Wertpapieren in Hochzinsländern wie Brasilien, der Türkei oder Argentinien zu investieren. Aufgrund von Greenspans Versprechen, die US-Zinsen so niedrig zu halten, haben die Märkte der sogenannten Schwellenländer im vergangenen Jahr geboomt. Das sieht nun immer riskanter aus. Auch das Reden der Bush-Administration über mögliche Terroranschläge zur Zeit der Wahlen schreckt die Hauptinvestoren ab, das Risiko einer Investition in US-Aktien oder Bonds einzugehen. Statt dessen fangen sie an, ihre neuerlichen Gewinne aus dem Aktienkapital-Boom Greenspans von 2003/04 einzulösen und als sicheres Bargeld zurückzuhalten.

      Dies ist ein Hauptgrund, warum sich der US-Aktienmarkt wie auch andere Märkte in den vergangenen Wochen in ständigem Fall befinden. Die US-Schuldenblase hängt davon ab, inwieweit der Mythos vom Aufschwung der US-Wirtschaft aufrechterhalten werden kann, um ausländisches Investitionskapital anzulocken und so den Dollar vor dem Zusammenbruch zu retten. Sollten ausländische Pensionsfonds der Zentralbanken Chinas und Japans zur Überzeugung gelangen, dass eine Erholung der US-Konjunktur in Frage steht, könnte es zu einer bedeutenden Verlagerung von Geldanlagen weg vom Dollar kommen.

      Vor kurzem haben China und Japan aus Angst vor der Dollarkrise schon mit grossen Warenkäufen begonnen, von Öl über Eisen und Kupfer bis zu Gold. Sie nutzen ihre Handelsdollars für den Kauf realer Waren statt für US-Schuldscheine, die nichts als Papier darstellen. Chinesische Panikkäufe von Öl zur Anlage von Reserven sind einer der Hauptfaktoren, die den Ölpreis trotz zweier wesentlicher Kontingenterhöhungen der OPEC wieder auf ein Rekordniveau von 42 Dollar pro Barrel (Stand: August 2004) hochschnellen liessen. Aufgrund der Nachfrage aus China sind auch die Stahlpreise sprunghaft angestiegen.

      Als Bush Präsident wurde, übernahm er einen Staatshaushalt mit Überschuss. Seither schrieb er die grössten Defizite in der US-Geschichte, nahezu 500 Milliarden Dollar im Jahre 2004 und geschätzte 600 Milliarden Dollar bis zum Jahre 2005. Als Nixon im Jahre 1971 den Dollar vom Goldstandard löste, sprach man von einem «alarmierenden» Staatsdefizit von 23 Milliarden Dollar.

      Finanziert werden diese riesigen Defizite, wie gesagt, durch das amerikanische Finanzministerium, das Staatsanleihen oder ähnliche Papiere an Investoren verkauft. Seit dem Jahre 2001 hat die Zentralbank von Asien, angeführt von Japan und China, riesige Summen aufgekauft, in etwa 43% aller US-Staatsschulden. Sie verwerteten auf diese Weise die Dollars, die sie aus dem Export von Autos, Elektronik, Textilien und anderen Waren an US-Konsumenten gewannen. In dem Zeitraum von 12 Monaten bis April dieses Jahres gab die Bank von Japan eine Rekordsumme von 200 Billionen aus, um US-Dollaranleihen zu kaufen, in Wirklichkeit, um die Kosten für Bushs Irak-Krieg zu finanzieren. Fast ebenso viele Dollaranleihen kauften die Banken von China, Südkorea und Taiwan.

      Und sie taten dies mit gutem Grund: Ihre Währungen sind an den Dollar gebunden - sollte der Dollar gegenüber dem Yen oder dem Yuan fallen, dann würden auch die asiatischen Exporte einen Rückgang erleiden, was ihr Wirtschaftswachstum gefährden und zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit in ganz Asien führen würde. Indem sie aber ihren Handelsbilanzüberschuss in Dollars in US-Staatsschulden anlegen - so ihre Argumentation -, kümmerten sie sich nur um ihre eigenen Belange.

      Eine Dollarkrise am Anfang des Jahres 2005 könnte ein Signal sein für die nächste weltweite Krise. So ist im Grunde die ganze Welt die Geisel einer ausser Kontrolle geratenen Wirtschaftspolitik, die von der falschen Voraussetzung eines Dollarstandards ausgeht.

      Artikel 4: Zeit-Fragen Nr.38 vom 4.10.2004, letzte Änderung am 7.10.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 08.10.04 19:50:59
      Beitrag Nr. 1.942 ()
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      Kritik am Sozialstaat hat keine wissenschaftliche Grundlage
      Ökonomie-Nobelpreisträger stellt Globalisierungsideologie in Frage

      von Karl Müller, Deutschland



      In einem Interview mit dem deutschen «Handelsblatt» (20. September) hat der US-amerikanische Ökonomie-Professor Paul A. Samuelson gefordert, das Tempo der Globalisierung zu drosseln. In einem bislang noch unveröffentlichten Artikel für eine wissenschaftliche Zeitschrift in den USA, der dort schon jetzt für Aufregung sorge, habe Samuelson, so heisst es im «Handelsblatt», nachgewiesen, dass die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer nicht nur kurzfristig, sondern auch dauerhaft zu wirtschaftlichen Schäden führen kann.

      Samuelson: «Das ist wie mit Märchen. Wenn eine Meinung populär ist, scheint jeder irgendwie in den Schlaf zu fallen. Ökonomen streiten die ganze Zeit - nur beim Freihandel scheinen sich alle einig zu sein. Eine ökonomische Debatte über das Outsourcing ist jedoch längst überfällig.»

      Mit Outsourcing (oder auch Offshoring) ist gemeint, dass Betriebe, Betriebsteile oder Dienstleistungen aus einem Unternehmen ausgelagert werden, und zwar immer öfter ins Ausland. Samuelson kritisiert die Auffassung der Freihandelstheoretiker und der Befürworter von Outsourcing, dass der betriebswirtschaftliche Unternehmensgewinn daraus letztlich allen zugute komme: «Sie [die Freihandelstheoretiker] behaupten ..., dass die Gewinne gewissermassen axiomatisch auch den Verlierern zugänglich gemacht werden. Unterm Strich profitiert langfristig also jeder. Das ist jedoch einfach falsch.» Die Wirtschaftsgeschichte habe gezeigt, dass «die Verteilung der Wohlfahrtsgewinne nicht gleich bleibt.»

      Der heute 89jährige Paul A. Samuelson gilt als einer der bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts. Er übte zahlreiche öffentliche Ämter aus und war Wirtschaftsberater von Präsident Kennedy. 1970 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie.

      Sozialstaat statt plutokratischer Demokratie
      Im Interview äusserte Samuelson vor allem Sorgen über den Zustand der US-Wirtschaft. Er befürchtet sinkende Löhne in den USA, sieht allerdings, dass die Rahmenbedingungen für die notwendigen Kurskorrekturen nicht erfüllt sind: «Wir befinden uns in den USA auf dem Weg in eine plutokratische Demokratie. Weder Bush noch Kerry können das Outsourcing stoppen.»

      Samuelson plädiert nicht für eine wirtschaftliche Abschottung, äussert aber Sympathien für das europäische Sozialstaatsmodell. Schweden zum Beispiel sei zwar wegen seiner Ausgaben für den Wohlfahrtsstaat auf der Weltrangliste der Wirtschaftsleistung etwas abgerutscht. Aber: «Schweden ist deshalb nicht arm, und der Wohlstand ist relativ gleichverteilt.» Auch Deutschland habe bislang das Tempo der Globalisierung drosseln können. Aber: «Nach der Ost-Erweiterung der Europäischen Union wird das jedoch schwieriger.»

      Neuralgische Punkte der Freihandelstheorie
      Mit seiner kritischen Stellungnahme bezieht sich Samuelson nicht nur auf die aktuelle US-amerikanische Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie speziell den US-Notenbankchef Alan Greenspan und den Berater des US-Präsidenten Bush, Gregory Mankiw. Beide sind Verfechter der neoliberalen Theorie. Er erinnert indirekt auch an die Schwachstellen des namhaftesten Theoretikers der Freihandelslehre, des Briten David Ricardo.

      Dieser hatte vor mehr als 200 Jahren, nicht zuletzt auch zur Rechtfertigung des entstehenden britischen Weltreiches und dessen imperialistischer Freihandelspolitik, die Theorie formuliert, dass der Freihandel für alle beteiligten Länder von Vorteil wäre. Und zwar im Sinne einer internationalen Arbeitsteilung, die davon ausgeht, dass sich Länder am besten in dem Bereich spezialisieren, in dem sie im internationalen Vergleich am effizientesten produzieren können. Diese Produkte sollen dann exportiert und mit den Exporterlösen die anderen notwendigen Produkte importiert werden.

      Auf Grund des von Ricardo so bezeichneten «komparativen Kostenvorteils» würden von einer solchen weltwirtschaftlichen Ordnung alle Beteiligten profitieren. Berühmt geworden ist Ricardos Beispiel vom Wein produzierenden Portugal und Baumwolle produzierenden England. Es sei besser, so Ricardo, wenn sich Portugal auf den Wein und England auf die Baumwolle spezialisiere.

      Gerade dieses Beispiel macht aber auch schon eine zentrale Schwachstelle der Theorie deutlich; denn die Baumwollproduktion in England war ein entscheidender Motor der Industrialisierung, die Weinproduktion aber beliess Portugal für weitere Jahrhunderte im Zustand eines Agrarlandes - mit fatalen Folgen, die die materielle Werteordnung der letzten zwei Jahrhunderte mit sich brachte. In ihrem Buch «Die 10 Globalisierungslügen. Alternativen zur Allmacht des Marktes» (1998, S. 26ff.) haben Gerald Boxberger und Harald Klimenta auf diese und weitere Schwachstellen der Theorie Ricardos hingewiesen. Wenn dennoch Politiker, Ökonomen oder andere an dieser Theorie festhalten, ist die Frage erlaubt, ob dies nur aus Unkenntnis oder wegen anderer Motive der Fall ist.

      Fragen nach den Motiven sozialer Demontage
      Wenn zum Beispiel der Leiter des «Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung», Klaus Zimmermann, in einem Interview mit der Netzeitung (12. August) fordert, die «Hartz IV»-Gesetzgebung müsse auch gegen den Willen der Demonstranten durchgesetzt werden, «weil es keine Alternativen gibt», und dann erläuternd hinzufügt, in der Phase, in der sich Deutschland zur Zeit befinde, fordere «die Globalisierung ein grösseres Gefälle zwischen arm und reich», nur so könne die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erhalten bleiben, dann muss sich Zimmermann fragen lassen, ob er aus Unkenntnis oder aus anderen Motiven heraus der sozialen Demontage das Wort redet.

      Wenn Zimmermann dann noch hinzufügt, dass der Anteil der schlecht ausgebildeten Arbeitskräfte in Deutschland in den kommenden Jahren zunehmen werde, eines der Hauptprobleme Deutschlands die Unterbezahlung qualifizierter und die Überbezahlung unqualifizierter Arbeitskräfte, und es unvermeidbar sei, dass die Einkommensschere immer weiter aufgeht, dann denkt man an die 20-zu-80-Gesellschaft.

      Zimmermann sagt es deutlich: «Umverteilung - zum Beispiel durch Transferleistungen - ist im Rahmen der Globalisierung nur in einem geringen Umfang möglich. Der Sozialstaat wird nicht verschwinden, aber es wird eine Angleichung auf einem niedrigeren Niveau stattfinden.»

      Deutschland kann stolz auf den Sozialstaat sein
      Oder: Was motiviert einen «Outsourcing-Experten» wie Bernd Schäfer, der Geschäftsführer des deutschsprachigen Bereichs der TPI Eurosourcing LLC für den Bereich aller, wie es heisst, Sourcing-Projekte im IT- und Geschäftsprozessbereich ist? Schäfer hatte in einem Interview mit der Netzeitung vom 12. Juli gesagt, ein schlechtes Gewissen bei der Verlagerung von Arbeitsplätzen sei «typisch deutsch». Die USA oder Grossbritannien und auch die Schweiz hätten mit dem Outsourcing und Offshoring keinerlei Mentalitätsprobleme.

      Für Deutschland stünde neben weiteren Auslagerungen im produktiven Gewerbe auch eine Auslagerung im qualifizierten Dienstleistungsbereich an. Neben Indien böten sich vor allem die neuen EU-Mitgliedsländer an. Das Problem sei aber, dass in Deutschland die Auslagerung von Arbeitsplätzen «sehr viel politischer» diskutiert würde, «mit dem Effekt, dass wir länger brauchen, bis wir zu Entscheidungen kommen». Dabei würde es doch ausreichen, darauf zu schauen, «dass wir mit unseren Unternehmen am Markt im Wettbewerb bestehen können.» Und da gelte: «Unser Lohnkostenniveau passt nicht.»

      Offensichtlich stört es, dass es in Deutschland noch eine Gemeinwohlbindung des Eigentums und noch eine Sozialstaatsbindung der Politik gibt. Dagegen wird heftig polemisiert. Nicht auf Grund einer besseren Theorie, sondern auf der Grundlage falscher Theorien und fragwürdiger Interessen. Wer sich dagegen wehrt, tut dies also nicht nur im eigenen Interesse.


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      20-zu-80-Gesellschaft
      In ihrem Buch «Die Globalisierungsfalle. Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand» (1996, S. 9ff.) berichten die Autoren Hans-Peter Martin und Harald Schumann von einem Treffen und einer Diskussion ehemaliger Spitzenpolitiker, aktiver Topmanager und Wissenschafter, das im Fairmont-Hotel in San Francisco im September 1995 auf Einladung von Michail Gorbatschow stattfand:

      «Die Zukunft verkürzen die Pragmatiker im `Fairmont` auf ein Zahlenpaar und einen Begriff: `20 zu 80` und `tittytainment`. 20 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung würden im kommenden Jahrhundert ausreichen, um die Weltwirtschaft in Schwung zu halten. ÐMehr Arbeitskraft wird nicht gebrauchtð, meint Magnat Washington SyCip. Ein Fünftel aller Arbeitssuchenden werde genügen, um alle Waren zu produzieren und die hochwertigen Dienstleistungen zu erbringen, die sich die Weltgesellschaft leisten könne. Diese 20 Prozent werden damit aktiv am Leben, Verdienen und Konsumieren teilnehmen - egal in welchem Land. [...]

      Soziales Engagement der Unternehmen sei beim globalen Wettbewerbsdruck unzumutbar, um die Arbeitslosen müssten sich andere kümmern. [...] Jedenfalls werden in den Industrieländern schon bald wieder Menschen fast zum Nulltarif die Strassen sauberhalten oder als Haushaltshilfen kärglichen Unterschlupf finden, erwarten die Konzernlenker. Schliesslich sei das Industriezeitalter mit seinem Massenwohlstand nicht mehr als ein `Wimpernzucken in der Geschichte der Ökonomie` ...»

      Artikel 5: Zeit-Fragen Nr.38 vom 4.10.2004, letzte Änderung am 7.10.2004
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      Avatar
      schrieb am 08.10.04 19:53:21
      Beitrag Nr. 1.943 ()
      Österreich

      Biosprit - eine Ökofalle?


      Bis 2008 sollen alle Benzin- und Dieselkraftstoffe in Österreich 5,75% Biosprit enthalten. Landwirtschaft und Umwelt aber gehören voraussichtlich nicht zu den Gewinnern bei dieser Massnahme.

      lb. Landwirtschaftsminister Josef Pröll hat einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der vorsieht, dass ab April 2005 alle Benzin- und Dieselkraftstoffe, die an österreichischen Tankstellen verkauft werden, einen Biospritanteil von 2,5% aufweisen müssen, bis 2008 soll der Anteil auf 5,75% erhöht werden.

      Grundlage dafür ist eine EU-Richtlinie, die vorschreibt, dass bis 2010 EU-weit 5,75% aller Otto- und Dieselkraftstoffe aus erneuerbaren Energien stammen sollen.

      Was ist Biosprit?
      Schon das Wort klingt gut, wenn auch wie die Quadratur des Kreises: Endlich Autofahren und dabei die Umwelt schützen - mit Sprit, gewonnen aus biologisch-dynamischem Anbau! So weit sind wir aber leider noch nicht. Der Begriff täuscht. Er meint nicht mehr und nicht weniger als Kraftstoff aus nachwachsenden Materialien. Die hauptsächlich dafür verwendeten Rohstoffe sind, zumindest derzeit, Raps (für die Gewinnung von Rapsöl) und Zuckerrüben (für die Gewinnung von Ethanol).

      Wie ökologisch ist Biosprit?
      Mit kontrolliert biologischem Anbau, der ohne Kunstdünger und Pestizide auskommt, hat Biosprit also nichts zu tun. Agrarexperten und Umweltschützer behaupten sogar das Gegenteil.

      Raps ist eine Pflanze mit erhöhtem Flächen- und Stickstoffbedarf, die zudem sehr schädlingsanfällig ist. Bereits kurz nach der Aussaat werden hohe Mengen an Pestiziden eingesetzt. Der auf Grund des erhöhten Stickstoffbedarfs der Pflanze notwendige Kunstdünger wird wiederum selbst aus fossilen Rohstoffen gewonnen, so dass die geringere Abhängigkeit vom Erdöl durch Anbau von Raps schon dadurch fragwürdig ist. Zudem ist die Herstellung des sogenannten Biodiesels aus Raps besonders energieintensiv.

      Ausserdem steht die Rute der Zulassung gentechnisch veränderter Rapssorten im Fenster. Ein vom EU-Ministerrat Mitte Juni abgelehnter Antrag der Firma Monsanto auf Zulassung von gentechnisch verändertem Raps könnte durch die neue Situation Aussicht auf Erfolg haben.

      Auswirkungen auf die Landwirtschaft
      Der Zuckerrübenanbau war bis jetzt zwar für die heimischen Bauern noch einer der wenigen einträglichen Bereiche, das ist aber spätestens mit Inkrafttreten der neuen Zuckermarktreform der EU im Juli 2005 zu Ende: Der Mindestpreis für Zuckerrüben wird ab dann, schrittweise bis 2008, von bisher 43,6 Euro pro Tonne auf 27,4 Euro je Tonne gesenkt und in weiteren Ausbauschritten der Reform an den Weltmarktpreis angeglichen, der noch weit darunter liegt. Ausgleichszahlungen sind nur vorübergehend als Abfederung vorgesehen. Das bedeutet, dass Rübenanbau in Zukunft nur noch auf einigen ganz wenigen Riesenanbauflächen in Österreich gewinnbringend möglich sein wird - wenn überhaupt. Die meisten Rübenbauern, die durch die Preissenkung aufgeben müssen, haben von der neuen Biosprit-Verordnung ganz sicher nichts.

      Raps wird derzeit in Österreich auf einer Fläche von 31000 ha angebaut. Das Umweltbundesamt schätzt, dass für die ausreichende Gewinnung von Biodiesel aus Raps 480000 ha Anbaufläche notwendig wären. Die landwirtschaftliche Gesamtanbaufläche in Österreich beträgt allerdings nur 1,38 Mio. ha insgesamt. Das bedeutet einerseits, dass Raps auf jeden Fall importiert werden muss, und andererseits, dass riesige Rapsmonokulturen die ökologisch weit verträglichere Struktur der gemischten Landwirtschaft weiter zurückdrängen werden. Und drittens, dass der Primat der Autarkie der Lebensmittelversorgung dem Primat der Einhaltung von EU-Richtlinien weichen müsste, will man zumindest einen hohen Anteil des Biosprits aus heimischer Produktion decken.

      Rechnet sich die Massnahme?
      Ökologie-Experte Wolfgang Hingst wies schon 2003 darauf hin, dass das plötzliche Eintreten der EU für Biosprit einen einfachen Grund habe: «Es ist ein Teil der Strategie der Ost-Erweiterung. Die neuen EU-Mitglieder sollen auf ihren riesigen Ackerflächen `Bio-Kraftstoffe` anbauen, denn die bisher üblichen Agrarsubventionen für Nahrungsmittel sind nach der Ost-Erweiterung nicht mehr -finanzierbar.» (Wolfgang Hingst. Paradies oder Weltuntergang. Wir haben die Wahl, Zürich 2003, S. 318)

      Die Arbeiterkammer Österreich (AK) hat die Auswirkungen der aktuellen Regierungsverordnung untersuchen lassen und kommt dabei zum Schluss, dass die Verordnung in der vorliegenden Form die bei weitem teuerste und ineffizienteste Form des Klimaschutzes und der Senkung der CO2-Emissionen ist. Würden die in der Verordnung vorgeschlagenen steuerlichen Förderungen für Biokraftstoffe in Wärmedämmung investiert, könnte laut AK 3mal soviel Energie gespart werden, mit der gleichen Förderung für Fernwärme rund 9mal soviel.

      Biosprit pur: Einsatz in der Landwirtschaft sinnvoll
      So sehr die flächendeckende Beimengung von Biosprit zu konventionellen Kraftstoffen von einem ökologischen Standpunkt aus fragwürdig ist, so sehr gibt es Einsatzgebiete, in denen die Sinnhaftigkeit der Verwendung von reinem Biosprit ausser Zweifel steht: Reiner Raps-Diesel sollte in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Schiffsverkehr und der Elektrizitätserzeugung in hochalpinen Regionen eingesetzt werden. Bei Unfällen oder Austreten von Treibstoff gefährdet Raps-Diesel die Umwelt kaum, da er in drei Wochen fast zur Gänze abgebaut wird.

      Nachwachsende Rohstoffe ja - Ökotricks nein
      Es ist höchste Zeit, in die Forschung nach umweltfreundlichen Technologien mehr als bisher zu investieren und nach Lösungen für die Drosselung des viel zu hohen Erdölverbrauchs und Energiekonsums insgesamt zu suchen. Die Technologien der Zukunft müssen auf nachwachsenden Rohstoffen basieren. Aber unsere qualitativ hochwertige Lebensmittelversorgung zugunsten agroindustrieller Monokulturen, die nur durch massiven Pestizideinsatz (oder Gentechnik!) zu halten sind, zu gefährden, steht nicht dafür. Die Umweltschutzorganisation «Global2000» schlägt vor, statt intensiver Rapsproduktion für die Treibstoffherstellung in Österreich etwa die direkte Biomassenutzung zu fördern. Die Forschung dahingehend, wie z. B. aus Biomasse neben Biogas auch flüssige Treibstoffe hergestellt werden können, steckt noch in den Kinderschuhen. Landwirtschaftsminister Pröll wäre gut beraten, nicht in die Brüsseler Biosprit-Falle zu gehen, sondern Forschungs- und Fördergelder eigenständiger und ökologisch zielgenauer einzusetzen.

      Artikel 6: Zeit-Fragen Nr.38 vom 4.10.2004, letzte Änderung am 7.10.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
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      schrieb am 08.10.04 19:56:58
      Beitrag Nr. 1.944 ()
      Den Menschen wieder ins Zentrum stellen
      EU muss jetzt umdenken und umschwenken



      von Dr. iur. Frédéric Walthard


      Wie soll und kann es mit der nunmehr auf 25, bald auf 30 und mehr Mitglieder erweiterten Europäischen Union (EU) weitergehen?

      Im Idealfall könnte der Beitritt der neuen Staaten mit ihrer noch stark ausgeprägten geistig-kulturellen Eigenständigkeit, ihrer ethnisch-sprachlichen Individualität und dem durch ihre bittere Vergangenheit gehärteten Drang nach Freiheit und Menschenwürde die Idee eines neuen Europa zum Aufleben bringen.

      Ein Europa, das wie Phönix aus der Asche zu einem neuen Höhenflug ansetzt: für ein in sich geeintes, wirtschaftlich und sozial ausgeglichenes, starkes, friedliches, neutrales und für Ruhe und Ordnung bei sich und in der Welt sorgendes Gebilde. Dies könnte eine lockere multilaterale Organisation, eine Union, ein Staatenbund oder vielleicht gar ein demokratischer und von jedem einzelnen Menschen gewollter Bundesstaat sein. Aber auf jeden Fall nur ein Bundesstaat, bestehend aus einander vollkommen gleichberechtigten Staaten, ob klein oder gross, in welchem Länder und Völker nicht mit einer alles gleichmachenden Tünche Tausender Gesetze und Verordnungen übergossen werden: Vielmehr sollte die Eigenart jedes einzelnen Landes mit der Eigenart der anderen zu einem harmonischen Ganzen zusammengeführt werden.

      Nötig ist ein neues Europa anstelle der alles überwuchernden supranationalen Gleichmacherei der EU, die bereits zur Vermassung von Menschen und Ländern in Europa geführt hat und unweigerlich zu noch viel Schlimmerem führen kann. Dies obwohl uns Ortega y Gasset bereits 1921 vor dieser Gefahr der Vermassung des Menschen gewarnt hat: weil, wie er sagte, Gleichartigkeit zu gleichartigen Interessen und Bedürfnissen führt und damit immer blutigere Konflikte vorprogrammiert sind. So wie das seit 1921 der Fall war. Und heute kann man diesbezüglich andere Konflikte anführen: zum Beispiel den Kampf ums Erdöl!

      War es nicht einer der ersten wirklich überzeugten Europäer, nämlich Goethe, der sagte, ein harmonisches Ganzes könne nie aus gleichartigen, sondern nur aus voneinander verschiedenartigen, sich ergänzenden Teilen bestehen. Eine bessere Definition eines von Grund auf wirklich demokratischen Bundesstaates gibt es nicht.

      Das Problem der Supranationalität
      Das Prinzip der Supranationalität steht im -direkten Gegensatz zum echten bundesstaatlichen Denken: Beim Bundesstaat fügen sich unabhängige Staaten freiwillig zu einem neuen Staatswesen zusammen: Dieser ist gewissermassen von unten nach oben aufgebaut, unter voller Wahrung der staatlichen Entscheidungsgewalt der einzelnen Teile, die sich zu einer stets gemeinsam ausgeübten obersten Gewalt (eben der Souveränität) zusammenfügen. Demokratisch ist ein solches Gebilde nur dann, wenn diese oberste Willensbildung bzw. Entscheidungsgewalt letztlich immer in jedem einzelnen Mitgliedstaat vom Stimmvolk ausgeht und bei diesem verbleibt.

      Bei der Supranationalität wird das neue Staatswesen gewissermassen von oben nach unten gebaut. Die Machthaber in den einzelnen Mitgliedstaaten entscheiden, die ihnen von ihrem Stimmvolk übertragenen oder sehr oft von ihnen gegen den Willen des Volkes usurpierten Souveränitätsrechte sukzessive nach Umfang und Sachgebiet an eine neue, über ihnen stehende Behörde abzutreten. Dies geschieht so lange, bis alle Gebiete staatlichen Daseins davon betroffen sind und somit eine über oder neben den einzelnen Staaten stehende oberste Entscheidungsgewalt entstanden ist.

      Theoretisch (so Monnet und Schuman, die Väter des supranationalen Gedankens) handelt es sich seitens der Mitgliedstaaten um einen Verzicht, um ein endgültiges Abtreten von Entscheidungsgewalt (Souveränität) und nicht um ein Zusammenlegen einzelner staatlicher Gewalten. Bei der Supranationalität hört spätestens bei der Abtretung der wesentlichen Substanz aller Souveränitätsrechte an das neue (supranationale) Gebilde die Ausübung von oberster Willensbildung beim einzelnen Mitgliedstaat auf, wogegen im Bundesstaat diese einzelnen Willensbildungen der Mitgliedstaaten weiter bestehen bleiben, um gemeinsam mit den anderen Mitgliedern ausgeübt zu werden.

      Das ist keine juristische Haarspalterei, sondern diese feine Unterscheidung ergibt sich aus dem Umstand, dass rein logisch, aber auch gemäss Doktrin und Praxis des modernen Staatsrechts, die Souveränität als die oberste Willensbildung eines Staatswesens unteilbar ist: Sie kann nicht wie bei einem Apfelkuchen in einzelne Tranchen aufgeteilt werden, um zeitlich und sachlich gestaffelt abgetreten zu werden.

      Gerade das ist es, was zum heutigen Malaise in Europa geführt hat und für die rechtliche Unvollkommenheit der EU, aber lange vorher auch bei ihren Vorgängerinnen (Montanunion, EWG, Euratom, EU à 6, à 12, à 15 und jetzt à 25 und bald à 30) für deren gegenwärtig hybride Form verantwortlich ist: Auf der einen Seite ist die EU eine blosse Staatengemeinschaft, die von ihren Mitgliedern durch gemeinsame Organe gelenkt wird, wie sie bei jeder internationalen Organisation zum Gemeingut geworden sind: Plenarversammlung, ein oberster Rat auf der Stufe der Staatschefs, ein Ministerrat in variablen Formen, ein Rat der ständigen Vertreter, ein Exekutivausschuss und ein Sekretariat sowie meistens ein rasch anwachsender Beamtenapparat mit Tausenden von internationalen, sich oft sehr selbstherrlich gebärdenden Funktionären.

      Auf der anderen Seite dieses neuartige Zwittergebilde, das von Monnet und Schuman eben als die supranationale Behörde (die sich bei der Montanunion noch die hohe Behörde nannte, inzwischen bescheidener geworden ist und sich nur als die Kommission der Gemeinschaft, heute der Union bezeichnet) konzipiert worden war. Gewissermassen soll dies der Embryo der zukünftigen obersten Entscheidungsgewalt des neuen Europa-Staates sein.

      Im Laufe der Jahre ist diese Kommission zum Sammelbecken der von den Mitgliedstaaten in Tranchen abgetretenen Souveränitätsrechte geworden und repräsentiert heute, rein wegen ihrer Grösse, eine imponierende Machtzusammenballung: dies vor allem auch deshalb, weil sie auf fast allen Gebieten menschlichen Tätigwerdens und staatlichen Regierens Tausende und Abertausende von Rechtsnormen erarbeitete, diese durch die Mitgliedstaaten genehmigen liess und mit deren Vollzug und vor allem auch mit deren Weiterentwicklung betraut wurde. Eine Macht, die heute weder vom europäischen Parlament noch von den obersten Spitzen der Mitgliedstaaten, vielleicht formell, sicher aber nicht mehr de facto (nach dem Motto «die Geister, die ich rief, werd` ich nimmer los») kontrolliert, geschweige denn eingedämmt werden kann.

      Kommission und Mitgliedstaaten stehen so in einem ständigen Kampf miteinander, wobei die Kommission den Vorteil ihrer Sachkenntnisse, des Vollzugs und der Initiative hat. Denn die Vertreter der Mitgliedstaaten haben auch nach der neuen, als demokratisch verbrämten Verfassung kein Vorschlagsrecht für neue Gesetze und Verordnungen. Dies bleibt ein ausschliessliches Recht oder besser Privileg der Kommission!

      Die grosse Gefahr der Supranationalität
      Besonders gefährlich ist die Supranationalität von Monnet und Schuman deshalb, weil sie darauf beruht, dass die einzelnen Mitgliedstaaten immer mehr menschliche Tätigkeitsgebiete in ihre Kompetenz zu bringen versuchen, um sie dann an die supranationale Behörde abtreten zu können. Der einzelne Bürger hat so immer weniger zu sagen, gerät zunehmend auch unter die Reglementierung des supranationalen Gebildes in Brüssel. Die seit der Französischen Revolution so eifersüchtig geschützte Privatsphäre, Privatautonomie gegenüber der staatlichen Gewalt wird dadurch zunichte gemacht. Das kann nicht genügend betont werden, in allem und jedem: Angefangen beim Fischer der Bretagne in Frankreich, dem Einwanderer und Flüchtling aus aller Welt, dem Kaufmann, der an einem möglichst freien weltweiten Handel interessiert ist, dem Wissenschafter und Forscher bis zuletzt zum Schüler, dessen Ausbildung nach einem europaweit festgelegten Schulplan und Notensystem (Bologna) geregelt wird.

      Von Eigenständigkeit für ein Land und seine Bürger gemäss ihrer Herkunft und ihrem Volkstum kann keine Rede mehr sein. Verlangt wird, und leider vor allem die Jungen tun es, dass man in erster Linie nicht mehr als Österreicher, Franzose, Finne oder Pole, sondern als Europäer sich zu fühlen, zu denken und sein Leben so zu gestalten hat, wie es irgendwo in der riesigen Regierungsmaschinerie der EU beschlossen und verordnet wird. Der einzelne Mensch hat in dieser Grossräumigkeit (das wahre Übel unserer Zeit) überhaupt keine Chance mehr: weder für ehrliche Arbeit und ein menschenwürdiges Dasein, noch hat er irgendein direktes Mitspracherecht bei der Gestaltung seiner Lebensbedingungen. Mit Demokratie und einer echten bundesstaatlichen Ordnung hat dies auf jeden Fall nichts mehr zu tun!

      Grossräumigkeit - das Credo des Supranationalismus
      Für viele ist es bereits zu spät, Europa aus dem Griff der Supranationalität und der damit einhergehenden Grossräumigkeit zu befreien! Nicht wenige sehen für die Zukunft ein einheitliches, vermasstes, grossräumiges Europa, das von wilden Konkurrenzkämpfen zerfleischt wird zwischen den weltweit tätigen Superfirmen. Mammutfusionen, Konzentrationen, Agglomerationen, wie sie alle heissen, die alle kleinen und mittleren Unternehmen, Handwerker oder alle anderen unabhängig beruflich tätigen Menschen aufsaugen oder sich hörig machen. Um in den grossräumigen Wirtschaftsräumen konkurrenzfähig zu sein, müssen alle Firmen brutal rationalisieren. Dank der modernen Informatik ist das besonders für die ganz Grossen ein leichtes: Gleichgültig, ob dabei Millionen menschlicher Arbeitsplätze vernichtet werden und die übrigbleibenden Arbeitsplätze von immer mehr Arbeit für immer weniger Lohn, vom Wohlwollen bzw. der Willkür der grossen Arbeitgeber abhängig sind.

      Der Mensch wird zum Wegwerfartikel
      Der Mensch wird so nicht nur wirtschaftlich, sondern in allen anderen Tätigkeitsgebieten, in seinem ganzen Dasein zum Objekt, zum Wegwerfartikel. Er wird sich selber entfremdet, verliert seine Eigenständigkeit und trägt so zum Zusammenbruch menschlicher Kreativität bei: Einer Kreativität, ohne welche es keine Entwicklung geben kann.

      Deshalb ist die vom Supranationalismus zum Credo unserer Zeit hochgejubelte Grossräumigkeit (heute Globalisierung) für den einzelnen Menschen, aber auch für alle Länder und Völker so gefährlich: Denn zum Überleben müssen auch die Grossen immer grösser werden, sie vernetzen sich untereinander und besonders mit der Staatsgewalt, den politischen Machthabern: Es entsteht so die bereits von John Kenneth Galbraith für den Niedergang der USA gegeisselte Technostruktur. Dank der Supranationalität wimmelt es in Europa nur so von diesen, man kann sie ruhig Eurotechnostrukturen nennen, die von ganz wenigen der grossen Mitgliedstaaten noch einigermassen mit Hilfe des Brüsseler Mammutbeamtenapparats kontrolliert werden können, bis sie sich dann gegenseitig in die Haare geraten oder den ganzen Kontinent in weltweite Konflikte verwickeln, anstatt ein sicherer, ruhiger, neutraler Staat zu sein, der für Frieden, Ordnung und etwas mehr Menschenwürde zu sorgen vermag.

      Der einzelne Mensch wieder im Mittelpunkt
      Zum Glück sind wir noch nicht dort - aber wir sind auch nicht mehr weit entfernt von der supranationalen Robotisierung jedes einzelnen von uns! Hoffentlich werden die neuen, jungen Mitgliedstaaten aus dem Osten entsprechend ihrem ethnischen, sprachlichen und historisch bewährten Temperament, ihrem Hunger nach Arbeit, Freiheit und Würde die Kraft finden, von Anfang an gegen diese alles gleichmachende Tünche aus Brüssel Sturm zu laufen, gegen die Grossen zu rebellieren.

      Umdenken und umschwenken ist für die EU zu einer dringenden Notwendigkeit geworden! Warum nicht als ersten wichtigen Schritt in allen EU-Staaten die Initiative ergreifen und verlangen, dass die neue, vollständig undemokratische EU-Verfassung Giscard d`Estaings allen EU-Völkern zur Abstimmung vorgelegt wird. Dann verlangen, dass der einzelne Mensch in dieser Verfassung wirklich (durch Taten und nicht nur mit schönen Worten) wieder zum Mittelpunkt gemacht wird. Denn die heutige Welt zeigt zur Genüge, dass aus einer friedfertigen Demonstration für etwas Arbeit, etwas Menschenwürde und etwas Gehör über Nacht eine blutige Revolte werden kann ...

      Artikel 1: Zeit-Fragen Nr.38 vom 4.10.2004, letzte Änderung am 7.10.2004

      http://www.zeit-fragen.ch/
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      schrieb am 08.10.04 20:13:17
      Beitrag Nr. 1.945 ()
      Arbeitgeber halten Mindestlohn für Katastrophe

      06. Okt 14:23


      Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt
      Foto: ddp

      Der Arbeitgeberverband hat erneut vor einem Mindestlohn in Deutschland gewarnt. BDA-Präsident Hundt befürchtet zwei Millionen zusätzliche Arbeitslose.

      In der Diskussion um die Einführung eines Mindeslohn in Deutschland hat sich der Präsident der Arbeitgeberverbände (BDA) erneut gegen einen solchen Schritt ausgesprochen: Gering Qualifizierte hätten dann überhaupt keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt, sagte BDA-Chef Dieter Hundt am Mittwoch in Berlin. Das gelte insbesondere für den Vorschlag der IG Metall, wonach generell die unterste Tariflohngruppe als Mindestlohn gelten solle. Eine solche Regelung wäre eine Katastrophe gerade für Langzeitarbeitslose, sagte der BDA-Chef.
      Hundt ist nach eigenen Angaben auch «ziemlich sicher», dass es nicht zu einem solchen Gesetz kommen wird. Die Überlegungen «gefährden über zwei Millionen Arbeitsplätze, schaffen eine neue Bürokratie und eine neue Arbeitspolizei, sind verfassungswidrig und verkehren Hartz IV ins Gegenteil», so der BDA-Präsident.


      Mindestlohn allenfalls unter Sozialhilfe




      Ein Mindestlohn würde nach Meinung von Hundt auch die in Hartz IV festgelegten Zumutbarkeitsregelungen entgegenlaufen. Schon jetzt müssten Arbeitslosengeldempfänger auch solche Jobs annehmen, die 20 Prozent unter Tariflohn bezahlt würden. Das werde Anfang 2005 weiter verschärft. «Und jetzt soll plötzlich das glatte Gegenteil wieder gelten?» fragte Hundt. Dies könne niemand, der die Agenda 2010 unterstütze, ernsthaft erwägen.

      «Wir haben in Deutschland faktisch einen pauschalen Mindestlohn, nämlich derzeit in Höhe der Sozialhilfe und ab 1. Januar 2005 in Höhe des Arbeitslosengeldes II», sagte Hundt weiter. Man könnte über einen gesetzlichen Mindestlohn nachdenken, aber er dürfte nicht oberhalb der Sozialhilfe liegen. Schließlich sei schon heute jeder Sozialhilfeempfänger verpflichtet, als Gegenleistung für die staatliche Unterstützung zu arbeiten. (nz)

      http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/308132.html

      Der mann ist nicht ganz bei Trost. Sklaverei sollte ein Relikt der Vergangenheit sein.

      mach es vor, bevor du es von anderen verlangst!!!!:mad::mad::mad::mad:
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      schrieb am 08.10.04 20:27:07
      Beitrag Nr. 1.946 ()
      reichtum

      Wo stehen die Reichen?

      Die Klasse der Wohlhabenden in Deutschland wächst. Obwohl sie als Arbeitgeber und Stifter in Erscheinung treten, entfernen sie sich vom Rest der Gesellschaft


      Von Wolfgang Uchatius

      Teichmanns Problem hat einen wohlklingenden Namen: Aston Martin. Wenn Teichmann mit seinem wertvollen Wagen durch Österreich oder die Schweiz kurvt, applaudieren die Leute am Straßenrand. In Deutschland pöbeln sie ihn an. »Ich kann froh sein, wenn die mir nicht aufs Blech spucken.«

      Heinrich Teichmann (Name geändert) steht auf ein schnelles Helles an der Bar im Rauchfang, einem Restaurant für Reiche in Kampen auf Sylt. Hier laufen die Geschäfte trotz Konjunkturkrise so gut wie nie zuvor. Hier finden Möbelfabrikanten und Immobilienmagnaten eine Zuflucht, hier können sie über große Autos und kleine Flugzeuge fachsimpeln.

      Hier fühlt Teichmann sich wohl.

      Bauunternehmer ist er, »und kein ganz kleiner«. Vierte Generation. »Ich will noch an die fünfte übergeben.« Obwohl auch er es nicht leicht hat zurzeit. Zu wenig Nachfrage. Doch Teichmann macht weiter. »Das sollte man auch mal honorieren.«

      Honoriert aber keiner. Stattdessen muss Teichmann Angst haben um den Lack seines Autos. Unternehmer seien eben nicht mehr beliebt im Land. Überall Neid. »Sozialneid«, sagt Teichmann.

      So hat in diesem Hartz-Herbst jeder einen Grund zur Klage.

      Die einen fühlen sich vom Staat verfolgt, weil der ihnen die Unterstützung kürzt, die anderen von ihren Landsleuten, weil die ihnen nicht gönnen, dass ihnen das alles egal sein kann: die Arbeitslosigkeit und der Abschwung Ost und überhaupt die ganze Trübsal.

      Deutschland 2004: Die Wirtschaftskrise durchläuft das vierte Jahr, ihre Spuren werden breiter. Käme heute irgendein Wohltäter auf die Idee, den zwei Millionen Haushalten am unteren Ende der Vermögensskala zwölf Milliarden Euro zu schenken, stünden sie trotzdem bei null. So viel brauchten sie allein, um ihre Schulden zu zahlen.

      Dafür steigt die Zahl der Millionäre.

      1997 verfügten 510000 Bundesbürger über ein Geldvermögen von mindestens einer Million Euro. Inzwischen sind es 756000, so die Berechnung der Investmentbank Merril Lynch und des Beratungsunternehmens Capgemini. Offenbar gibt es in der Krise, die scheinbar alles und jeden im Land erfasst hat, auch Gewinner.

      Aber wer sind diese Gewinner? Welche Rolle spielen sie in dieser Gesellschaft – und im gegenwärtigen Gerechtigkeitsstreit? Vor allem aber, wie schafft man es im Deutschland des niedrigen Wirtschaftswachstums und der hohen Steuern und Sozialabgaben überhaupt noch, reich zu werden?


      An manchen Sommertagen verlässt eine glänzende Motorjacht den Hafen von Nizza, an Bord ein Dutzend Deutsche, alles Männer, alles mehrfache Millionäre, nur einer nicht: der Gastgeber, ein korpulenter Herr Ende vierzig.




      Er heißt Maximilian Imhoff und arbeitet für ein Münchner Bankhaus, dort betreut er Privatkunden. Allerdings nur solche, die so viel Geld haben, dass die Bank sie gern an die Côte d’Azur einlädt. Imhoff erfährt dann von kleinen Geschäften und großen Erfolgen und fungiert oft nicht nur als Vermögens-, sondern auch als Lebensberater.

      So ist er über die Jahre zu einem Experten in Sachen Reichwerden avanciert. Dieser Mann, der sich täglich in Diskretion und Diplomatie übt, dessen berufliche Existenz daran hängt, dass sein tatsächlicher Name anhand dieses Artikels nicht zu erschließen ist, dieser Mann also wird recht deutlich, wenn er davon spricht, wer im Deutschland des Jahres 2004 wenig Aussicht auf Reichtum hat. »Wenn Sie fest angestellt sind, können Sie kein großes Vermögen mehr aufbauen«, sagt Imhoff. »Selbst wenn Sie noch so viel arbeiten und gutes Geld verdienen.«

      Angestellte können nicht wirklich reich werden – damit beschreibt der Bankberater Imhoff eine Tendenz, die von zahlreichen Studien und Wissenschaftlern bestätigt wird. »Um in absehbarer Zeit allein aus dem Arbeitseinkommen ein Geldvermögen von mehreren Millionen Euro aufzubauen, muss ein Angestellter mindestens eine Million brutto im Jahr verdienen«, sagt der Darmstädter Soziologe und Elitenforscher Michael Hartmann. Außer manchen Investmentbankern und den Spitzenmanagern großer Aktiengesellschaften gelingt das wenigen Angestellten.

      Weit größere Chancen auf Reichtum, sagt Imhoff genauso wie Hartmann, hätten Unternehmer, Selbstständige und Leute, die schon ein gewisses Vermögen mitbringen.

      Die Zahlen geben ihnen Recht. Zwischen 1990 und 2002 konnten Unternehmer und Vermögende in Deutschland ihr durchschnittliches Bruttoeinkommen preisbereinigt um rund 40 Prozent steigern. Die Bruttolöhne und -gehälter pro Arbeitnehmer dagegen stiegen lediglich um sieben Prozent. Betrachtet man die realen Nettoeinkommen, wächst der Abstand weiter. Dann ergibt sich bei den Arbeitnehmern sogar ein Minus von 0,7 Prozent, bei den Beziehern von Gewinn- und Vermögenseinkommen dagegen ein Zuwachs von fast 50 Prozent.

      Den Unterschied zwischen brutto und netto macht die Steuer- und Abgabenpolitik des Staates. 1960 mussten Arbeitnehmer nach Berechnung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in Düsseldorf im Schnitt knapp 16 Prozent ihres Einkommens an Finanzamt und Sozialkassen abführen. Gewinn- und Vermögenseinkommen wurden mit 23 Prozent belastet.

      Danach begann, was der Gießener Politologe Dieter Eißel den »Marsch in den Lohnsteuerstaat« nennt. Egal wie der Kanzler hieß, eine Bundesregierung nach der anderen erhöhte die Abgabenlast auf abhängige Arbeit. Lohnsteuer, Sozialabgaben, Solidaritätszuschlag – heute liegt die durchschnittliche Abgabenlast eines Arbeiters oder Angestellten bei 35 Prozent. Gutverdiener müssen sogar weit mehr als die Hälfte ihres Einkommens an den Staat abführen. Unternehmer, Selbstständige und Vermögende dagegen verlieren im Schnitt nur noch knapp elf Prozent. Die Verhältnisse haben sich umgekehrt.




      Kein Wunder, dass sich auf den von Imhoff an der Côte d’Azur gecharterten Jachten fast nur Besitzer gut laufender Unternehmen und Erben großer Vermögen befinden. Also Leute, die nicht von Löhnen, sondern von steuerbegünstigten Gewinnen leben und von dem, was ihre Aktien, Anleihen und Immobilien an Rendite abwerfen. »Meine Kunden zahlen trotz ihres Reichtums kaum Abgaben«, sagt Imhoff. »Und zwar ganz legal im Einklang mit den Steuergesetzen.«

      Ist dann doch einmal ein abhängig Beschäftigter unter den lukrativen Bankkunden, dann hat entweder auch er geerbt, oder er hat von seinem Gehalt Wertpapiere gekauft – und nach ein paar Jahren des Wartens zum richtigen Zeitpunkt verkauft. Solche Kursgewinne an der Börse sind steuerfrei.

      Die Arbeitseinkommen allein aber machen die Bundesbürger nicht mehr reich. Den Staat allerdings auch nicht. »Würde die Regierung die Unternehmensgewinne und großen Vermögen heute im gleichen Umfang besteuern wie 1990, dann hätte sie Mehreinnahmen von 81 Milliarden Euro«, hat der Politologe Eißel ausgerechnet. Das Loch im Staatshaushalt würde sich schließen, und Hans Eichel würde nicht als Schuldenmacher in die Geschichte eingehen, sondern als vorbildlicher Kassenwart.....



      http://www.zeit.de/2004/40/Reiche
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      schrieb am 08.10.04 20:31:33
      Beitrag Nr. 1.947 ()
      investitionen

      Und sie schwimmen in Milliarden

      Weltweit steigen die Gewinne der Unternehmen. Doch statt zu investieren, kaufen sie lieber eigene Aktien zurück. Der Aufschwung ist bedroht


      Von Robert v. Heusinger


      http://www.zeit.de/2004/42/Inv_Defizit



      © Disney
      Investitionen sind wichtig für das Wachstum, weiß der Bundeskanzler. »Wir brauchen mehr Investitionen«, sagt die Oppositionsführerin. Beide, Gerhard Schröder und Angela Merkel, haben Recht: Ohne Investitionen gibt es keinen Aufschwung, keine Innovationen – und damit auch kein Mehr an Wohlstand. Doch in Deutschland wird kaum noch Geld in neue Produktionsanlagen gesteckt.

      Seit vier Jahren weist die Bundesbank Quartal für Quartal einen Rückgang der Investitionen aus: Von 90 Milliarden Euro im zweiten Halbjahr 2000 auf nur noch 71 Milliarden Euro in der ersten Hälfte dieses Jahres – ein Minus von mehr als 20 Prozent. »Der Staat muss die Rahmenbedingungen verbessern, die Unternehmen entlasten«, fordern unablässig die Lobbyisten der Industrie.

      Wirklich?

      Das Gros der Aktiengesellschaften schwimmt in Geld, in Deutschland genauso wie in Amerika oder Japan. Flüssige Mittel von je einer Billion Dollar schieben die börsennotierten Konzerne dies- und jenseits des Atlantiks vor sich her, schätzen Experten der Schweizer Großbank UBS. Aber in keinem der drei größten Länder der Welt setzen die Unternehmen wieder auf Expansion, wie sie es Ende der neunziger Jahre taten. Anstatt zu investieren, schütten sie das Geld an ihre Aktionäre aus – entweder direkt, in Form von Sonderdividenden, oder indirekt, indem sie eigene Aktien zurückkaufen und auf diese Weise den Börsenkurs nach oben treiben.

      Die Deutsche Bank etwa hat seit Mitte 2002 insgesamt 6,2 Milliarden Euro für Aktienrückkäufe ausgegeben, BASF hat an diesem Montag die Summe für das laufende Jahr auf eine Milliarde Euro verdoppelt. Auch die Deutsche Telekom, die Post, die Deutsche Börse, Siemens und der Energieriese E.on weisen so viel Cash in ihren Bilanzen aus, dass sie wohl bald Geld ausschütten dürften.

      Das Vorbild dieser neuen Großzügigkeit heißt Microsoft. Der amerikanische Softwareriese kündigte im Sommer an, insgesamt 75 Milliarden Dollar an die eigenen Aktionäre zu geben. Auch der britische Ölkonzern BP, der in diesem Jahr bereits für 5,5 Milliarden Dollar Aktien von der Börse genommen hat, die französische Telekommunikationsfirma Bouygues oder British Telecom haben ihren Aktionären massive Geldgeschenke in Aussicht gestellt.

      Der angenehme Nebeneffekt für die Vorstände: Sie können sich wahlweise als Gönner gerieren, wenn sie eine Sonderdividende zahlen, oder als Wertsteigerer, wenn sie eigene Aktien zurückkaufen. Gerade Letzteres ist nur Augenwischerei, weil zwar der Aktienkurs steigt, aber der Börsenwert des Unternehmens – die Zahl der Aktien multipliziert mit dem Aktienkurs – gleich bleibt. Doch wen interessiert das gegenwärtig schon? Das Motto lautet: Bloß keine Fehler machen! Und jede Investition birgt nun mal ein unternehmerisches Risiko; jedes Geldgeschenk an die Anteilseigner aber bringt kurzfristig Applaus.



      © ZEIT-Grafik/Quellen: Deutsche Bank, Sal. Oppenheim, CDC Ixis

      Vor allem in Deutschland habe sich eine »Kultur der absoluten Fehlervermeidung herausgebildet, die zu einer gewissen Unbeweglichkeit führt«, sagt Andreas Nick, der bei der UBS das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen in Deutschland leitet. Aber auch in Amerika und Japan münden steigende Gewinne nicht mehr automatisch in Investitionen. Das entkräftet zugleich das Argument, die deutschen Unternehmen würden ihr Geld eben nur nicht zu Hause ausgeben, sondern in Osteuropa oder China, wo die Arbeitsstunden billiger sind. Tatsächlich geizen die Konzerne insgesamt mit Investitionen.

      Das beweist die Entwicklung der Investitionen im Vergleich zu den flüssigen Mitteln der Konzerne, dem so genannten Cashflow: Diese Schere geht weltweit immer weiter auseinander (siehe Grafik). »Die Unternehmen verdienen derzeit unverschämt gut«, sagt Rolf Elgeti, Aktienstratege für Europa bei ABN Amro. Nach Berechnungen von UBS erwirtschaften die europäischen Aktiengesellschaften heute wieder reale Kapitalrenditen wie zuletzt in den sechziger Jahren. Das dürfte auch in naher Zukunft so bleiben, schätzt Stefan Bergheim, Makro-Analyst bei Deutsche Bank Research. Denn die Lohnstückkosten, also die Lohnkosten, gemessen an der Produktion der Volkswirtschaft, hinken der Preisentwicklung immer weiter hinterher – in Deutschland, in Amerika und auch in Japan.

      In Deutschland liegen die Lohnstückkosten immer noch unter dem Niveau von 1996, während die inländischen Preise um 7 Prozent gestiegen sind. Die Folge: Die Verteilung des Volkseinkommens zwischen Löhnen und Gewinnen verschiebt sich immer weiter zugunsten der Gewinne. Noch nie seit der Wiedervereinigung entfielen knapp 31 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes auf die Gewinneinkommen (siehe Grafik).

      »Besorgniserregend« nennt Patrick Artus, Chefvolkswirt der französischen Großbank CDC, das neue Phänomen. Wenn Gewinne nicht mehr in profitable Investitionen oder konsumierbares Einkommen fließen, fällt im besten Fall der Aufschwung geringer aus. Im schlechtesten Fall droht erneut eine Rezession.



      © ZEIT-Grafik/Quellen: Deutsche Bank, Sal. Oppenheim, CDC Ixis
      Natürlich könnten die Anteilseigner das zusätzliche Geld in neue Unternehmen stecken. Doch für die Pessimisten spricht, dass die von den Unternehmen mit Sonderdividenden beglückten Aktionäre derzeit das Risiko scheuen. »Sie haben die Nase voll von Verlusten«, sagt Kristian Klasen, der für die holländische Bank ABN Amro innovative Kapitalmarktprodukte vertreibt. »Die Cash-Quote in den Depots der deutschen Anleger liegt bei rund 20 Prozent«, hat Klasen ermittelt. Das ist außerordentlich hoch. Kaum anders handeln die professionellen Fondsmanager, deren Cash-Quote mit knapp 5 Prozent ebenfalls überdurchschnittlich hoch ist, wie die monatliche Fondsmanagerumfrage der Investmentbank Merrill Lynch ergeben hat.

      Das freie Kapital findet also nicht in gewohntem Umfang zurück in den Kreislauf. Warum?


      Zu hohe Renditevorstellungen: »Wir finden keine Investitionsobjekte«, stöhnt ein hochrangiger Mitarbeiter des Unternehmens Deutsche Börse. »Alle Ideen scheitern an der internen Vorgabe, dass jedes neue Projekt mindestens 18 bis 20 Prozent Rendite erwirtschaften muss.« So geht es heute vielen Strategen in den Führungsetagen. Ihre Chefs haben den Aktionären Eigenkapitalrenditen versprochen, die auf Dauer unrealistisch sind.

      »Religiös« nennt Paul Lerbinger das Verhalten deutscher Vorstandschefs, die sich an einmal festgelegte interne Renditevorgaben klammern. »Aufgrund kurzfristiger Überlegungen wird auf strategisch sinnvolle Übernahmen verzichtet«, kritisiert der Deutschland-Experte für Fusionen und Übernahmen bei der Citigroup.

      »Eine Investition oder Übernahme muss zumindest die Kosten des Eigenkapitals verdienen, am besten natürlich mehr«, sagt Bernd Meyer, Aktienstratege für Europa bei der Deutschen Bank. Wie hoch aber sind die Eigenkapitalkosten? Sie setzen sich aus einem risikolosen Zins zusammen, wie ihn Staatsanleihen abwerfen, zuzüglich der Zitterprämie, die jede Aktiengesellschaft ihren Anlegern bieten muss, um das Risiko auszugleichen. Langfristige Risikozuschläge – gemessen an der durchschnittlichen Aktienrendite über fünfzig Jahre – liegen bei drei, maximal vier Prozent. Wählt man dagegen einen kurzen Zeitraum, etwa die boomenden neunziger Jahre, kommt man locker auf eine Zitterprämie von zehn Prozent und mehr.

      »Viele Vorstandschefs hängen noch an Zahlen, die aus den goldenen neunziger Jahren stammen, als am Aktienmarkt fast risikolos 15 Prozent Kursgewinne und mehr pro Jahr erzielt werden konnten«, sagt UBS-Banker Nick. Die Investitionsflaute als Fluch der Boomjahre.


      Entlohnung anhand des Aktienkurses: Shareholder-Value hieß die Bewegung in den neunziger Jahren. Sie hat den Aktienkurs in den Mittelpunkt der Vorstandsbeschlüsse gestellt. Fast alle Aktiengesellschaften entlohnen mittlerweile ihre Topmanager zum großen Teil gemäß des Aktienkurses. Also werden die Vorstände verleitet, auf kurzfristige Erfolge zu schielen, die sich gleich im Aktienkurs niederschlagen. Außerdem dringen die Wünsche von Aktionären mit kurzem Zeithorizont rascher in die Führungsetage durch, sodass Investitionen unterbleiben, die sich nur langfristig auszahlen. Da kauft man lieber eigene Aktien zurück – schließlich gibt es keine elegantere Entscheidung, die sofort auf den Kurs wirkt.

      So hat die Deutsche Bank seit Mitte 2002 rund 78 Millionen Aktien über die Börse zurückgekauft. Das hat der Rendite je Aktie gut getan, weil der Gewinn auf weniger Anteilsscheine verteilt werden muss – und auch dem Kurs. Wären immer noch 622 Millionen Deutsche-Bank-Aktien im Umlauf, läge der Kurs heute bei 53 Euro anstatt bei 61 Euro.

      »Show me the money«, zeig mir das Geld, überschrieb die Investmentbank Merrill Lynch im August das Ergebnis der monatlichen Umfrage bei internationalen Fondsmanagern. Erstmals seit diese Umfrage durchgeführt wird, votierte die Mehrheit der Fondsmanager für Aktienrückkäufe oder Sonderdividenden an die Anteilseigner.

      Vor zwei Jahren hatten die Vermögensverwalter noch empfohlen, die Schulden zu reduzieren, vor einem Jahr hielten sie Investitionen für die geeignetste Strategie. Die Fondsmanager sind mächtig: Wenn die Vorstände der Unternehmen nicht der Einschätzung den Großinvestoren folgen, können sie sicher sein, dass es dem Aktienkurs ihres Unternehmen erst einmal schlecht gehen wird.


      Überkapazitäten: Es gibt auch volkswirtschaftliche Gründe für die auffallend niedrigen Investitionen. »Die Weltwirtschaft leidet noch immer an Überkapazitäten«, sagt Dieter Wermuth, Chefvolkswirt für Euroland bei der japanischen Großbank UFJ. Der Investitionsboom der späten neunziger Jahre sei noch nicht abgearbeitet. Das gilt für Deutschland und Amerika gleichermaßen. Wenn die Konsumenten weltweit nicht mehr Geld ausgeben als bisher, werde sich daran zunächst wenig ändern, glaubt Wermuth. Doch in Amerika sind die Verbraucher hoch verschuldet und in Deutschland stark verängstigt, weil sie nicht wissen, was sie durch die heimischen Reformen verlieren.

      Woher soll die neue Ausgabenfreude kommen?

      Wenn weder die Vorstandschefs noch die Aktionäre mit den hohen Gewinnen etwas anzufangen wüssten, dann müssten eben die Gewinne reduziert werden, damit die Volkswirtschaft als Ganzes nicht Schaden nimmt, meint CDC-Ökonom Artus. Natürlich ist es utopisch, dass die Chefs um der Gesamtwirtschaft willen die Preise ihrer Produkte senken oder die Löhne ihrer Arbeiter erhöhen – gemeinhin geben Vorstandschefs nicht freiwillig Gewinne aus der Hand.

      Patrick Artus schlägt daher vor, dass die Arbeitnehmer eine variable Gewinnbeteiligung erhalten. Die würde parallel zu den Unternehmensgewinnen steigen oder fallen. In extrem guten Jahren wie dem gegenwärtigen würde dann ein Teil der Überschüsse aus den Bilanzen der Unternehmen in der Volkswirtschaft ankommen – über den höheren Konsum.



      © Disney


      Avatar
      schrieb am 11.10.04 17:06:36
      Beitrag Nr. 1.948 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de


      Wirtschaftlicher Selbstmord: 10.10.2004
      DIESE WOCHE
      Heute überlegt der Spatz, was Putin bewogen haben könnte, doch noch dem Protokoll von Kyoto zuzustimmen. Er zeigt, weshalb dem UNO-Abkommen keine wissenschaftliche Basis zugrundeliegt und was die bevorstehenden Wahlen in den USA mit Rußlands Zukunft zu tun haben: ein Ausblick in eine düstere politische Zukunft!



      Rußland, das Kyoto-Protokoll und die Wahl in den USA




      Beugt sich Rußland jetzt doch dem Europäischen Schwachsinn? Am 30. September meldete Itar-Tass. Die Russische Regierung habe das Kyoto Protokoll gebilligt und zur endgültigen Beschlußfassung an das Parlament, die Duma, weitergereicht. Das UNO-Abkommen schreibt den Industrieländern bekanntlich vor, ihre CO2-Emission bis 2012 um 5,2% unter den Ausstoß des Jahres 1990 zu senken. Das fällt Rußlands infolge der Industriedemontage unter Jelzin nicht schwer. Das Land könnte unter dem Kyoto-Protokoll sogar mit dem Verkauf von "Verschmutzungsrechten" noch Geld verdienen. Damit locken die europäischen Rot-Grünen. Allerdings ist die Güterproduktion nach der wirtschaftlichen Wende Putins wieder gestiegen, sie soll nach seinem Programm in 8 Jahren verdoppelt werden. Das läßt sich auch wenn wie geplant 30 neue Kernkraftwerke gebaut werden, unter dem Kyoto-Protokoll nicht erreichen.

      Zur Ratifizierung des UNO-Abkommen ist die Zustimmung von Nationen nötig, die 55% des anthropogenen CO2 erzeugen. Der US Senat hatte noch vor der Regierung Bush und gegen den Willen der damals noch regierenden Demokraten dem Protokoll die Zustimmung verweigert. Weniger deutlich hatten Australien und Kanadas neu gewählter Premierminister, Paul Martin, Vorbehalte dagegen angemeldet. Von Rußland, auf das 17% des CO2 Eintrags der Welt entfällt, hängt ab, ob die europäischen Regierungen mit dem Protokoll zur Verschleierung ihrer inkompetenten Wirtschaftspolitik die Wähler weiterhin nasführen können. Deshalb lockten sie Rußland, boten ihm Geld, höhere CO2-Quoten und vor allem die Unterstützung bei den Beitrittsverhandlungen zur Welthandelsorganisation WTO an.

      Putin, der auf die Mitgliedschaft großen Wert legt, hat sich auf diesen Schacher eingelassen. Da der Beitritt nun erreicht ist, lieferte er wie vereinbart die Zustimmung zum Protokoll. Aber Vorsicht, eine russischen Kabinettsentscheidung macht noch keinen Winter. Der Gesetzesentwurf für eine Ratifizierung liegt noch nicht vor. Er soll in 3 Monaten, also erst nach dem Wahlausgang in den USA, ausgearbeitet werden. Dieser Ausgang sei - so die Nachrichtenagentur RIA Novosti vom 6.10.2004 - für die Entscheidung der Duma entscheidend. Die Duma würde dem Tauschgeschäft: Kyoto gegen WTO-Beitritt, eher zustimmen, wenn der Kyoto-Gegner Bush wiedergewählt würde. Warum? Der Gegenkandidat Kerry - so Novosti - habe im Wahlkampf angekündigt, er werde so heikle Fragen wie die Behandlung der Tschetschenen, die Frage der Nuklearwaffen, die Pressefreiheit und die Wahrung der Demokratie in Rußland zur Sprache bringen. Im Falle seiner Wahl dürften daher in Rußland die sogenannten Autarkisten gegenüber den Internationalisten die Oberwasser gewinnen.

      Fraktionskämpfe haben Rußlands wechselnde Signale zum Protokoll seit 1997 bestimmt. Auf dem G-8 Gipfel in Genua vor 2 Jahren ist der Russische Präsident Putin mit den Europäern einen Kompromiß eingegangen, um die Konferenz nicht scheitern zu lassen. Statt das wackelige Kyoto-Protokoll fallenzulassen, bot er eine weitere Klimakonferenz in Moskau an, auf der endgültig entschieden werden sollte. Die selbsternannten Klimaretter konnten nun ihre Medien verkünden lassen, das Kyoto Protokoll lebe noch. Nach dieser Klimakonferenz in Moskau im September 2003, beteuerten die Umweltminister Englands, Frankreichs und der Bundesrepublik in einer gemeinsamen Erklärung: "Die Gemeinschaft der Wissenschaftler hat überzeugende Hinweise gesammelt, daß der größte Teil der in den letzten 50 Jahren beobachteten Erwärmung auf menschliche Aktivitäten zurückgeht". Das war verwunderlich, weil ihre Wissenschaftler, abgesehen von Computer-Tricksereien, Beweise in Moskau und anderswo schuldig geblieben sind.

      Auf der Pressekonferenz nach der Konferenz, am 3. Oktober 03 bedauerte der Sonderberater Präsident Putins, Alexander Illarionow, daß die Klimafrage über Gebühr politisiert und emotionalisiert worden sei, ohne die wissenschaftlich strittige Fragen zu klären. Illarionow Ansicht unterstützen folgende Punkte:


      die erkennbare Klimageschichte bestätigt den Zusammenhang zwischen CO2-Ausstoß und Klimaschwankungen nicht.
      Die Arbeiten von Mann, Bradley und Hughes aus dem Jahr 1998, auf die das IPCC die Behauptung stützte "die Temperaturentwicklung in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts sei ohne Vorbild" und die 90er Jahre seien die "wärmsten" des letzten Jahrtausends, haben sich inzwischen als Rechenfehler oder Betrug herausgestellt.
      Jüngste Studien zeigten, daß die Auswirkungen der urbanen Wärme-Insel und veränderter Landnutzung wenigstens doppelt so hoch sind als in den Studien des IPCC angenommen.
      Über die Hälfte der in den letzen 50 Jahren beobachteten Klimaerwärmung geht auf die Pacific Decadal Oscilation zurück. Diese natürliche periodische Temperaturschwankungen des Pazifischen Ozeans (im 20-30 Jahresrhythmus) sorgen seit 1976 für eine Erwärmung des Klimas und bald wieder für eine Abkühlung.
      Die Modelle der Klimavorhersagen berücksichtigen natürliche Ursachen für Klimaschwankungen nur unzureichend oder gar nicht, das gilt insbesondere für die Auswirkungen des Sonnenwindes auf die Erdatmosphäre, ihren Albedo, die Wolkenbildung und ähnliche Größen.
      Die Klima-Modelle rechnen mit einer relativen starken Erwärmung der oberen Troposphäre. Da sich diese nicht nachweisen läßt, erfassen die Modelle die Klimavorgänge falsch.
      Die Modelle unterstellen einen Netto Kühleffekt durch Aerosole. Nach neueren Untersuchungen heben sich Kühl- und Erwärmungseffekte der Aerosole nahezu auf.
      Die Modelle errechnen die Klimaerwärmung mit Hilfe einer angenommenen positiven Rückkopplung über vermehrten Wasserdampf, dem eigentlichen Treibhausgas. Doch ist in der Atmosphäre der Nordhalbkugel in den letzten 50 Jahren nicht mehr sondern weniger Wasserdampf nachweisbar. Darüber hinaus wurde sogar ein Mechanismus der negativen Wärmerückkopplung von Wasserdampf entdeckt.

      Der wichtigste Punkt für Illarionow war allerdings, daß das Kyotoprotokoll den Einsatz fossiler Energieträger (Kohle, Öl, Gas) und damit 90,3% der Weltenergieversorgung und der Güterproduktion unter die Kontrolle der UNO bringt. Das dürfte Auswirkung auf die Versorgung der Menschen haben und den angestrebten Wiederaufbau Rußlands behindern, ohne irgend einen nachweisbaren Einfluß auf die Klimaentwicklung zu nehmen (selbst nach Berechnungen der Klimabehörde der UNO des IPCC, würde das Kyoto-Protokoll - wenn es den eingehalten würde - die befürchtete Klimaerwärmung bis 2050 nur um 0,07°C mindern).

      Zusammenfassend meinte Illarionow am 3.10.2003, uns fehlen auf diese wie viele andere Fragen die Antworten "Das Kyoto Protokoll hat keine wissenschaftliche Substanz. Die vorgeschlagenen Klimamodelle haben viele Unzulänglichkeiten und werden vielen Faktoren nicht gerecht, dem, was bisher vorgelegt worden ist, fehlt die Überzeugungskraft... Die Umsetzung des Kyoto-Protokolls ist unannehmbar aufwendig... Sie behindert, wie heute auf der Konferenz auch nicht geleugnet wurde, das Wirtschaftswachstum... Das betrifft nicht nur Rußland, sondern die ganze Welt". Aus diesen Gründen nannte er Protokoll ein "wirtschaftliches Auschwitz" für die russische Volkswirtschaft. Die gleiche Position vertrat er bei einer Pressebefragung nach der Kabinettsentscheidung noch immer.

      Trotz dieser sehr deutlichen Einwände des Jahres 2003, verhielt sich Putin nach der Moskauer Konferenz den Europäern gegenüber weiterhin ausweichend. Vor etwa einem halben Jahr ließ er verlauten, seine Regierung werde dem Kyoto Protokoll wahrscheinlich zustimmen, nannte aber keinen Termin. Die Europäer vermuteten, Putin wolle pokern und besserten ihre Angebote auf. Aber auch Putin ist schlau genug, um zu erkennen, daß er mit dem Verkauf der "Verschmutzungsrechte" die Möglichkeiten seiner Industrie, nach Bedarf Güter zu erzeugen, verkauften würde. Bei festen CO2-Quoten dürfte auch der Absatz russischen Öls im Westen beschränkt sein, so daß die Konkurrenz der Ölländer die Ölpreise drücken würde. Dies würde den möglichen Gewinn aus dem Verkauf von CO2-Emissionsrechten aufheben. Energiebedingte Produktionseinschränkungen werden dagegen die Preise für die benötigten Versorgungsgüter deutlich steigen lassen. Das gilt auch für Technologieimporte, auf die Rußland wie alle anderen Länder angewiesen sind.

      Warum dann die Zustimmung des Kabinetts zum Protokoll? Nun, noch ist es nicht soweit. Wie das Parlament entscheidet bleibt eine offene Frage. Die Parlamentarier werden, sagte Prime Minister Mikhail Fradkow, darüber weiter diskutieren, ob die Ratifizierung des Protokolls dem Land dient oder nicht. Er erwarte hitzige Debatten. Ob die Parlamentarier wie ihre Deutschen Kollegen ihr Land freiwillig in ein "wirtschaftliches Auschwitz" führen wollen, dürfte fraglich sein. Die Russen werden die Verschwendungen des Volksvermögens für Wind-, Sonne- und Kotenergie durch die Regierung nicht mittragen wollen. Dafür fehlt ihnen der Überfluß, in dem sich in Deutschland die Klasse der Politiker, Medienmacher und arbeitsscheuen Schickimickies noch suhlen darf.

      So absurd es klingt, aber vom Wahlergebnis in den USA könnte abhängen, ob Rußland Europa auf seinem wirtschaftspolitisch selbstmörderischen rot-grünen Weg folgt oder nicht. Tut es das nicht, besteht auch für Europa die Chance, sich wieder von dem absurden Vorhaben der Klimarettung zu verabschieden. Die Wege der Politik sind - denen, die gerne auf einfache Lösungen hereinfallen sei es ins Stammbuch geschrieben - oft sehr verschlungen.
      Avatar
      schrieb am 15.10.04 00:34:33
      Beitrag Nr. 1.949 ()
      E-Day: Der Kollaps der Öl-Lüge

      Artur P. Schmidt 14.10.2004
      Der steigende Ölpreis kann nicht nur durch Gründe wie Nachfrage aus China, Terroranschläge, limitierte Fördermengen oder Spekulanten erklärt werden



      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/zen/18566/1.html
      Erdöl erfüllt die Funktion des wichtigsten Energielieferanten auf unserem Planeten. 40 Prozent der von Menschen genutzten Energie werden aus dem fossilen Energieträger gewonnen. Der Ölpreis hat in den letzten Wochen immer neue Höhen erklommen. Als Gründe werden die Nachfrage aus China, Terroranschläge, limitierte Fördermengen sowie Spekulanten genannt. Doch diese Erklärungen reichen bei weitem nicht aus, um den starken Anstieg zu erklären. Betrachtet man die weltweite ökologische Entwicklung der letzten Jahre, so muss man feststellen, dass bei Fortsetzung der bisherigen Verbrauchstrends der "Blaue Planet" auf eine Klimakatastrophe zusteuert. Dies liegt unter anderem daran, dass Öl auch bei Preisen von 50 US-Dollar immer noch viel zu billig ist.










      Hurricane Alex. Bild: NOAA







      Das Öl-Monopoly


      Wenn Weltmächte Kriege führen, geht es immer auch um die Sicherung der Ressourcenbasis. Einer der Gründe für den amerikanischen Angriff auf den Irak war die Sicherung der Ölvorkommen im Nahen Osten für die amerikanische Wirtschaft. Der Irak besitzt die zweitgrößten Ölreserven der Welt und ist somit der einzig mögliche Gegenspieler von Saudi Arabien.


      Im Ölmonopoly geht es um Fördermengen und deren Kontrolle. So kann Saudi Arabien die Fördermengen sehr schnell variieren und somit den Ölpreis im Rahmen der OPEC fast im Alleingang bestimmen. Amerika muss deshalb ein hohes Interesse daran haben, das System in Saudi Arabien zu stützen, da ein Staatsstreich dort verheerende Konsequenzen auf den Ölpreis ausüben würde.

      Der Ölmarkt funktioniert längst nicht mehr nach den Gesetzen des Marktes, sondern nach denen des Monopoly-Spiels, wobei die Spieler in Riad, Washington und Houston sitzen. Allerdings funktioniert dieses Spiel nur solange, wie sich die Produktion steigern lasst. Wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, kann das System außer Kontrolle geraten. Der sich abzeichnende "Peak" ist Vorbote eines Marktes, der sich kybernetisch immer weiter aufschaukeln wird. Was passiert mit dem System, wenn der Barrelpreis in den nächsten Jahren auf über 120 US-Dollar ansteigt?

      Hohe Ölpreise lassen die Inflation ansteigen. Gedämpft wird dieser Effekt bisher noch durch den Preisverfall in der IT-Industrie. Die beiden sich überlagernden Effekte der Inflation und Deflation führen jedoch unweigerlich zu sehr starken Preisanstiegen, wenn entweder die inflationären Tendenzen bei den Rohstoffen zu stark werden oder wenn der Preisverfall in der IT-Industrie in die Sättigungsphase übergeht. Beides scheint sich aktuell abzuzeichnen, weshalb es möglich ist, dass in Bälde ein neuer Öl-Schock auf die Wirtschaft zukommt. Im Rahmen dieses Schocks wird der hoch verschuldete US-Konsument noch weiter zur Kasse gebeten, während bestimmte Investorengruppen immer reicher werden.




      Ölpreisentwicklung 1970-2003. Quelle: US-Energieministerium







      Die neue Macht der Hedge-Fonds


      Jedes Jahr fahren die Ölgiganten mit dem Verkauf fossiler Energieträger zweistellige Milliardengewinne ein. Hierbei werden diese Gewinne durch die steigende Nachfrage nach Öl getrieben, wobei ein Anstieg von 60 Prozent bis zum Jahr 2025 prognostiziert wird.

      Mittlerweile stehen vor allem Hedge-Fund-Spekulanten unter Verdacht, die Preise unnötig in die Höhe zu treiben. Das Ziel von Hedge-Fonds ist es, sowohl in steigenden als auch in fallenden Märkten Gewinne zu erwirtschaften. Wenn der Ölpreis steigt und entsprechende Hebel-Instrumente an den Finanzmärkten genutzt werden, sind Hedge-Fonds-Manager in der Lage, Preise in die Höhe zu katapultieren oder in die Tiefe stürzen zu lassen. Es stimmt schon bedenklich, wenn, obwohl Öl fördernde Länder ihre Produktionskapazitäten massiv in die Höhe gefahren haben und mehr Öl gefördert als nachgefragt wird, die Ölpreise trotzdem täglich neue Rekordmarken erklimmen.

      Die Erklärungen für den Anstieg wie Probleme beim russischen Ölkonzern Yukos, Anschläge auf Pipelines im Irak, Wirbelstürme, limitierte Kapazitäten der Raffinerien etc. können kaum für die massiven Anstiege verantwortlich gemacht werden. Während früher die milliardenschweren Ölkonzerne eine starke Machtposition im Ölmarkt innehatten, gilt dies heute auch für Spekulanten.

      Laut einer Statistik der Commodity Futures Trading Commission (CFTC) spielen seit etwa einem halben Jahr so viele Hedge-Funds wie noch nie im Öl-Monopoly mit. Der mittlerweile verdoppelte Anteil von Spekulanten kontrolliert heute nahezu die Hälfte des weltweit täglich gehandelten Öls, da sie mit geliehenem Geld arbeiten und durch Leverage-Effekte ihre Gewinnchancen um ein Vielfaches erhöhen können. So legte der in Dallas ansässige Hedge-Fonds BP Capital Energy Commodity Fund dieses Jahr bereits um etwa 300 % zu, wobei Gewinne von über 1.3 Milliarden US-Dollar (europäische Zählweise) eingefahren wurden. Da die meisten Spekulanten die gleichen Analysesysteme und Charttechnikprogramme verwenden, folgen Hedge-Fonds einem Herdentrieb, wodurch positive wie negative Rückkopplungen in den Märkten verstärkt werden. In der Folge steigen die Volatilitäten und damit auch die Risiken für diejenigen, welche den Markt nicht richtig antizipiert haben.


      Auf dem Weg zum E-Day


      Betrachtet man die weltweite Nachfrage nach Öl, so steigt diese durchschnittlich um etwa 3 % pro Jahr, wobei die Erträge aus den bestehenden Reserven rückläufig sind. Es müssen also teurere Quellen erschlossen werden. Experten sehen deshalb ein neues Minimal-Preisniveau für Öl von etwa 35 bis 45 US-Dollar pro Barrel voraus, wobei im Falle von Krisen der Ölpreis kurzfristig auf etwa 100 US-Dollar anziehen kann.

      Es scheint so, als sind Energiekrisen, die man auch als E-Days bezeichnen könnte, im System vorprogrammiert. Am E-Day (Energy-Day) werden die Flughäfen leer sein, weil es zu teuer ist zu fliegen, auch die Supermärkte werden gähnend leer werden, weil sich die Transporteure der Güter die hohen Energiepreise nicht mehr leisten können. Sie glauben, dies kann nicht passieren?

      Fossile Energieträger haben eine limitierte Ressourcenbasis. Diese Limitierung kann bei außerordentlichen Ereignissen weltweit eine Massenpanik hervorrufen, vergleichbar mit dem Aktien-Crash von 1929. Öl hat Amerika mehr geformt als das Internet bisher. Ohne Öl würde die amerikanische Wirtschaft kollabieren. Es ist zum entscheidenden Schmiermittel des Kapitalismus avanciert. Ohne Öl keine Mobilität, keine offen Krankenhäuser, keine fahrenden LKWs und keine Züge. An den Flughäfen landen und starten täglich über 25.000 Flugzeuge. Millionen von Klimaanlagen treiben den amerikanischen Energiebedarf in schwindelerregende Höhen. Im Durchschnitt legt jedes Nahrungsmittel in Nordamerika 1.300 Meilen zurück, bevor es auf dem Teller des Verbrauchers landet. Weltweit fahren mehr als 850 Millionen PKWs oder Nutzfahrzeuge. Solange es genügend Öl weltweit gibt, scheint diese Verschwendungssucht kein Problem zu sein, doch wenn es plötzlich knapp wird, sind Domino-Effekte und Kettenreaktionen die notwendige Folge. Vielleicht wird man dann sogar einen Ölpreis von 160 US-Dollar als billig erachten. Die nachfolgende Grafik zeigt das Problem, wenn die Produktion in den nächsten Jahren rückläufig sein wird:




      Ist der Öl-Gipfel erreicht? Vorhersage von Colin J. Campbell 1997







      Rückläufige Ölproduktion


      In den letzten 5 Jahren verbrannte die Welt 27 Milliarden Barrel Öl (europäische Zählweise) pro Jahr. Es wurden jedoch nur etwa 3 Milliarden Barrel neue Ölquellen entdeckt. Die Folge dieser Entwicklung ist, dass die Produktion in den nächsten Jahrzehnten stark rückläufig sein wird.

      Hierbei ist eine Entdeckung von besonderer Rolle, die Dr. Marion King Hubbert 1956 machte: Ölfelder verändern sich, während man aus diesen das Öl herauspumpt. Nach Jahren der Produktion wird es immer teurer, die verbleibenden Ölmengen herauszubekommen. Trotz weiterhin bestehender Quellen steigen die Kosten somit an. Wenn das gesamte Geschäft davon abhängt, wie viel Öl man in Reserve hat, ist bei höheren Förderkosten ein höherer Ölpreis nahezu vorprogrammiert.

      Hubbard prognostizierte den Öl-Peak der USA für das Jahr 1970 und wurde damals ausgelacht. Da die Ölfirmen an solchen Prognosen kein Interesse hatten, stellten diese Geologen ein, die den Peak für 1990 oder später voraussagten. Doch er hatte recht: Die USA erreichten den Höhepunkt der Ölförderung im Jahr 1971. Eine Ölquelle nach der anderen in Texas und Lousiana begann auszutrocknen. Die heimische Ölproduktion Amerikas ging in eine Abwärtsbewegung über, von der diese sich bis heute nicht erholt hat. Innerhalb von nur 3 Jahren explodierten die Ölpreise und die amerikanischen Ölimporte verdreifachten sich. Die Macht der OPEC begann damals zu steigen und Öl wurde mehr als je zuvor, zu einem geopolitischen Faktor.

      Hubbard machte jedoch auch internationale Prognosen - und so sah man den Peak in der Ölproduktion in vielen Ländern herannahen: Libyen im Jahr 1970, Iran im Jahr 1974, Rumänien im Jahr 1976, Brunei im Jahr 1979, Peru im Jahr 1982, Kamerun im Jahr 1985, die damalige Sowjetunion im Jahr 1987 und Indonesien im Jahr 1997. Für weitere 16 große ölproduzierende Länder ist der Gipfel der Ölproduktion fast erreicht.


      Wie groß sind die saudischen Ölreserven?


      Das besondere Geheimnis Saudi Arabiens ist, dass auch dieses Land in nicht allzu ferner Zukunft den Zenit erreicht haben wird. So ist es kaum verwunderlich, dass weitere Schocks, wie der durch den Öl-Multi Shell, der seine Ölreserven um 4.5 Milliarden Barrel zu hoch ansetzte, auf die Märkte zukommen werden.

      Als Enron auseinanderfiel, wurden lediglich 60 Milliarden US-Dollar vernichtet, aber eine Fehlkalkulation von der obigen Menge macht schon einen Betrag von etwa 200 Milliarden US-Dollar aus. Dies könnte jedoch erst die Spitze eines Eisberges sein, wenn man die Situation in Saudi Arabien anschaut. Saudi Arabien behauptet, dass es genügend Öl hätte, so dass es seinen Gipfelpunkt erst im Jahr 2011 erreichen würde. Hierbei wird jedoch die Wahrheit bezüglich des Ghawar-Ölfeldes, einst Saudi Arabiens größtes Ölfeld, verschwiegen. 1948 hatte es Ölreserven von 97 Milliarden Barrel Öl. In den frühen 70er Jahren schätzen Exxon, Chevron, Texaco und Mobil diese auf immerhin noch 60 Milliarden Barrel.

      Allerdings wurden bisher etwa 55 Milliarden Barrel gefördert, so dass nur mehr 5 Milliarden Barrel übrigbleiben sollten, wenn man die Mathematik richtig betreibt. Das bedeutet jedoch sicherlich keine weiteren 50 Jahre an Ölreserven, wie dies propagiert wird. Mit dem Restpotenzial des Ghawar-Ölfeldes könnte der weltweite Bedarf gerade mal drei Wochen gedeckt werden. Die entscheidende Frage ist deshalb: Sagen die Saudis die Wahrheit bezüglich ihrer Reserven? Wenn nicht, dann dürfte der Ölpreis nur noch eine Richtung kennen: nach oben! Aber wie sieht es mit dem Rest der OPEC aus? Gibt es hier auch möglicherweise falsche Angaben bezüglich der Ölreserven?


      Wendejahr 2006?


      1986 stellte die OPEC eine neue Regel für seine Mitglieder auf, wonach der maximale Ölexport an die Reserven gekoppelt ist. Innerhalb von wenigen Wochen wurden die Reserven der meisten OPEC-Länder nach oben korrigiert. Diese Zahlenmanipulationen wurden durchgeführt, obwohl kein Barrel neues Öl gefunden wurde. Zum Leidwesen der Konsumenten kann Öl, das gar nicht existiert, nicht verbrannt werden.

      Seit das Öl-Zeitalter im Jahr 1959 begann, hat die Welt ungefähr 950 Milliarden Barrel Öl verbrannt, ungefähr den gleichen Betrag, den die noch bestehenden Reserven ausmachen sollen. Dies hört sich nach relativ viel an, doch nimmt man die gesamten Daten der Spitzenproduktion von allen ölexportierenden Ländern zusammen, so liegt der Gipfelpunkt der weltweiten Ölproduktion im Jahr 2006, der allerdings auch schon ein Jahr früher kommen könnte. Hubbert sagte eine flache Kurve am Gipfel der weltweiten Ölproduktion voraus, was in den letzten Jahren auch der Fall war.

      Im Jahr 1993 fuhren 700.000 PKWs in China, jetzt sind es 7 Millionen. Wenn China lediglich soviel Öl wie Mexiko verbrauchen würde, dann würde sich der Ölverbrauch im Land der Mitte in den nächsten Jahren mindestens vervierfachen. Dies würde jedoch bedeuten, dass China ebensoviel Öl benötigt wie die USA, was etwa 30 % des weltweiten Ölverbrauches ausmachen würde. Angesichts der Tatsache, dass das Auffinden von großen Ölvorkommen in der Größenordnung von 90 Milliarden Barrel nahe Null liegt, ist ein nachhaltiger Ölpreisanstieg somit vorprogrammiert.


      Blackouts sind unvermeidbar


      In den letzten 20 Jahren wurde kein neues großes Ölfeld entdeckt. Die weltweit größten Ölfelder, die zwischen 30 und 100 Jahre alt sind, beginnen langsam auszutrocknen. Wenn der Gipfel überschritten ist, wird sich die Lücke zwischen steigender Energienachfrage und rückläufiger Produktion pro Jahr um 5 % wachsen. Spätestens nach 8 Jahren, d.h. etwa im Jahr 2012, wird nur mehr 50 % des dann benötigten Öls zur Verfügung stehen. Die Konsequenzen werden dramatisch sein, wenn es den großen Industrienationen nicht gelingt, sehr schnell auf alternative Energieformen wie z.B. Flüssiggas umzustellen.

      Was passiert mit einem Energienetzwerk wie dem maroden System der USA, wenn eine Vielzahl von Energieversorgungsanlagen ausfällt? Eine Vielzahl von Blackouts wie derjenige im August 2003, als die gesamte Ostküste ohne Strom war, scheint dann unvermeidlich. Die Bush-Administration ist sich der Tatsache bewusst, wie kritisch die Energiesituation in den USA werden könnte. Allerdings interessiert die Öl-Barone aus Texas wenig, welche Bedrohung eine globale Energiekrise insgesamt auf die weltweit 6 Milliarden Menschen haben wird. Wenn es zu einer Krise kommt, wird dies die ärmsten Länder mit am stärksten treffen.

      Es darf nicht verkannt werden, dass es erstens eine Unmenge an Öl erfordert, um Alternativen zum Öl zu realisieren. Zweitens erfordert es eine vollständige Umstellung der Infrastukturen, die heute in Form von Autos, LKWs, Strassen, Booten, Häfen, Flugzeugen, Flughäfen oder Produktionsstätten ebenfalls komplett auf Öl basiert sind. Sämtliche Plastikmateralien, Pestizide und Düngemittel werden aus fossilen Brennstoffen gewonnen. Der US-Dollar ist heute zum Petro-Dollar avanciert, der im Falle eines Kollapses des Ölmarktes ebenfalls kollabieren würde. Die Theorie des Petrodollars besagt, dass es beim Konflikt im Nahen Osten nicht nur um Öl, sonder vor allem um die US-Währung geht. Hinter den Öl-Kulissen tobt ein Machtkampf um das Handeln von Öl in Dollar - ein Umstand, der für die hochverschuldete USA entscheidend ist. Die heutige amerikanische Schulden-Ökonomie kann jedoch ohne Wirtschaftswachstum und den Treibstoff Öl nicht überleben. Unternehmens-schulden, Staatsschulden und Konsumentenschulden sind alle auf einem Rekord-Niveau. Wenn in einer solchen Situation explodierende Ölpreise den amerikanischen Konsum in die Knie zwingen, steht die amerikanische Ökonomie möglicherweise vor einem Mega-Crash.
      Avatar
      schrieb am 15.10.04 00:41:45
      Beitrag Nr. 1.950 ()
      Kommentar
      Arnold Schölzel

      Schwarzer Tag

      Lawine von Stellenstreichungen


      Es geht voran. Vor einigen Tagen teilte der Bundeskanzler per ganzseitigen Anzeigen in ausgewählten Blättern mit: »Die Wirtschaft beginnt sich zu erholen.« Am gestrigen Donnerstag gab Spiegelonline als »einhellige Meinung« der SPD-Führung wieder: »Hartz IV haben wir gewonnen.« Das Handelsblatt meldete einen »Turn-around« für die Regierungspartei und »für das ganze Land«: »Die Arbeitszeiten werden wieder länger, die Arbeitskosten sinken, die Beschäftigten gehen wieder später in Rente.«

      Wenn in den Chefetagen die Sektkorken knallen, bedeutet dies im gegenwärtigen Kapitalismus, daß weniger als nichts für die Beschäftigten übrigbleibt. Wo bis 1989 Bröckchen vom Tisch der Profiteure herunterfielen, werden heute Rauswurf, Lohnsenkung und Aussicht auf Arbeitslosengeld II von oben nach unten verteilt. Man sitzt wieder fest im Sattel. Dieser Donnerstag belegte das auf exemplarische Weise. General Motors meldete aus Detroit, der Gewinn des weltgrößten Autobauers habe sich im vergangenen Quartal um 3,5 Prozent auf 440 Millionen Dollar erhöht. Das Ergebnis pro Aktie habe aber deutlich unter den Erwartungen gelegen. Folgerichtig war vor der Gewinnmeldung die Streichung von 12 000 Stellen, davon 10 000 in Deutschland, in den europäischen Werken des Konzerns angekündigt worden. KarstadtQuelle schloß sich mit 5 500 weniger Stellen an. Da fielen Spar (1 000 Arbeitsplätze weniger) und Schlecker (1000 Kündigungen bei gleichzeitiger Neueinstellung zu Niedriglöhnen) kaum ins Gewicht.

      Dieser schwarze Tag wird den Jubel bei den oben Zitierten steigern. Man hat vorgesorgt: Mit Hartz IV werden alle, die demnächst auf die Straße fliegen, rasch zum Ein-Euro-Job durchgereicht. Das schönt die Statistik, schafft mit Mediennachhilfe das gute Gefühl, daß alles nicht so schlimm ist, und wirkt ungemein anspornend für weitere Massenentlassungen, also für einen weiter »deutlich wachsenden Anteil deutscher Produkte am Welthandel« (Handelsblatt). Man hat ab Januar ein unerschöpfliches Reservoir von Arbeitskräften, die zwangsweise aufs Existenzminimum gesetzt wurden. Deutschland – ein Eldorado der Niedriglöhne.

      Diese Strategie gegen die Lohnabhängigen hat ihren Endsieg allerdings noch nicht erreicht. Widerstand ist in ihr nicht vorgesehen, schon gar kein »Feuer unterm Dach«, vor dem zunehmend besonnene Stimmen warnen. Wie weit die Helden von »Hartz IV« den »Krieg« einkalkulieren, den der frühere VW-Chef Ferdinand Piech vor ein paar Jahren nicht nur zwischen den Autokonzernen der USA, Japans und der Bundesrepublik toben sah, ist völlig offen. General Motors, ein Zentrum der Bush-Unterstützung, hat jedenfalls schon nach Polens Entscheidung für den Kauf von US-Kampfflugzeugen 2003 die Opel-Fertigung zum Teil dorthin verlagert.

      http://www.jungewelt.de/2004/10-15/002.php
      Avatar
      schrieb am 15.10.04 00:44:10
      Beitrag Nr. 1.951 ()
      Inland
      Hans-Gerd Öfinger

      Sozialverbände werden zunehmend asozial

      Wegen geplanter Lohnkürzungen bundesweiter Warnstreik beim Internationalen Bund für Sozialarbeit


      Auch die Träger sozialer Einrichtungen »sparen« zunehmend auf Kosten ihrer Angestellten. Für Donnerstag hatten die Gewerkschaften ver.di und GEW die Beschäftigten des Internationalen Bundes für Sozialarbeit (IB) zu Warnstreiks aufgerufen. Allein in Hessen kamen gestern rund 250 Betroffene zu Protesten in Frankfurt am Main und Darmstadt zusammen. Der IB ist Träger von Jugend- und Bildungsarbeit und beschäftigt in Hessen rund 700 Personen.

      Hintergrund des Konfliktes ist die Kündigung des Tarifvertrags über das Weihnachtsgeld durch den IB zum 30. September 2004. Darüber hinaus will die IB-Geschäftsführung Überstundenzuschläge streichen und keine Aufstiegsmöglichkeiten mehr bieten. Den Beschäftigten drohen erhebliche Einkommensverluste. Die nächste Verhandlungsrunde findet Anfang nächster Woche in Berlin statt.

      Das sei nur die Spitze des Eisberges, erklärten übereinstimmend Thomas Markhof der ver.di und Hajo Dröll von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) auf jW-Anfrage. »Die Arbeitgeber streben Einkommensverluste von bis zu 20 Prozent und den Wegfall von Überstundenzuschlägen und Aufstiegsmöglichkeiten an«, so Markhof. Die Gewerkschafter warnen vor einer Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich.

      Renate Bastian von ver.di Hessen betonte gegenüber jW, der IB sei trotz Verhandlungsbereitschaft der Gewerkschaften nicht bereit, Arbeitsplatzgarantien zu vereinbaren. Vielmehr drohe der IB mit weiterer Ausgliederung von Unternehmensbereichen in GmbH Tarifbindung, die bis zu 30 Prozent weniger bezahlen. Auch im relativ wohlhabenden Rhein-Main-Gebiet sähen sich dadurch zahlreiche IB-Beschäftigte in ihrer Existenz bedroht. Von den angebotenen Gehältern könnten Teilzeitkräfte nur mit ergänzender Sozialhilfe leben.

      Bastian beklagt in diesem Zusammenhang das zunehmende Bestreben bei den Trägern sozialer Einrichtungen, mit sogenannten Ein-Euro-Jobs reguläre Arbeitsverhältnisse zu vernichten und Langzeitarbeitslose auch ohne die erforderliche Qualifikation »für lau« anzuheuern. Anstatt sich gegenüber Regierungen in Bund und Ländern massiv gegen drastische Mittelkürzungen zu wehren, gäben die Verbände den Druck einfach nach unten weiter. Der Rückzug des Staates aus der Finanzierung sozialer Einrichtungen müsse in den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen rücken.
      http://www.jungewelt.de/2004/10-15/017.php
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      schrieb am 15.10.04 22:15:00
      Beitrag Nr. 1.952 ()
      Deutschland verstößt gegen die Menschenrechte


      Datenschutz ist ein hohes Gut. So besteht beispielsweise ein Steuergeheimnis, d.h., die Finanzbehörden dürfen keine Daten über Steuerpflichtige Dritten herausgeben. Selbst ein Rest vom Bankgeheimnis hat sich erhalten, wenngleich auch mit großen Löchern. Die Verkehrssünderkartei in Flensburg ist datenschutzrechtlich geschützt, d.h., ich kann nicht erfahren, wieviele Punkte mein Nachbar sein Eigen nennt. Hinzu käme die Schweigepflicht der freien Berufe und vieles mehr. Daß der Pranger, ein mittelalterliches Folterinstrument zur öffentlichen Zurschaustellung und Schändung von Straftätern, schon seit langer Zeit aus dem Strafrecht verschwunden ist, versteht sich von selbst. Aber ist er das wirklich? Ab 2005 wird er nämlich wieder eingeführt.

      Rechtssystematische Begründung
      Der Datenschutz wurzelt im Grundsatz der persönlichen Freiheit gemäß Art 2 GG. Hieraus ist auch die informationelle Selbstbestimmung abgeleitet. Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) sind bekannte Ausprägungen dieses Rechtes, das so eng ausgelegt wird, daß selbst bei unverheirateten Paare bei Erkrankung einer Person der jeweils anderen keine Auskunft gegeben wird. Von diesem hohen Grundsatz wird ab 2005 abgewichen, und zwar in brutaler Weise. Das aber hat Tradition, gerade in Deutschland.

      Pranger und Diktatur
      Das vermutlich bekannteste Beispiel eines "modernen", d.h., nachmittelalterlichen Prangers ist der Judenstern, den jüdische Mitbürger in der Nazizeit tragen mußten. Auch die öffentliche Kennzeichnung und nachfolgende Schändung jüdischen Eigentums kann als Erscheinungsform des Prangers gewertet werden. Wer geglaubt hat, daß das für immer vorbei ist, könnte sich getäuscht haben, bitter getäuscht.

      Der Pranger des §18 Abs. 4 TEHG
      Das sogenannte Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz erzwingt ab 2005 die Einführung eines zwangsweisen Handels mit "Verschmutzungsrechten". Schon oft haben wir uns an dieser Stelle darüber verbreitet, daß dies einer Prämie zum Export von Arbeitsplätzen gleicht und zudem auf diese Weise die Energierationierung eingeführt wird. Das Gesetz enthält in §18 Abs. 4 aber auch einen massiven Menschenrechtsverstoß, nämlich die öffentliche Bekanntgabe all derer, die gegen das Gesetz verstoßen. Die Vorschrift regelt insbesondere, daß wer seine Emissionen nicht ordnungsgemäß meldet, nicht nur eine Geldstrafe erhält, sondern auch im Bundesanzeiger namentlich genannt werden soll. Das Bundesgesetzblatt wird damit zu einem neuen Pranger, modern und virtuell, aber ein Öko-Judenstern ist es dennoch. Für keinen anderen Verstoß gibt es eine solche Art Bestrafung.

      Der Öko-Judenstern ab 2005
      In einem anderen Beitrag definierten wie die Ausübung struktureller Gewalt auf ideologischer Basis als neue Form des Faschismus. Zweifellos gehört die öffentliche Zurschaustellung von Regimegegnern, seien es Juden oder seien es Unternehmer, die der Öko-Ideologie widersprechen, zu den gewalttätigeren Erscheinungsformen des Faschismus, nur noch gefolgt von der physischen Vernichtung der Betroffenen. Und die haben wir in den Konzentrationslagern ja hinlänglich erlebt. Und nunmehr begegnen wir wiederum dem ersten Schritt der Gewaltausübung gegen Andersdenkende, die möglicherweise in deren wirtschaftliche Vernichtung münden soll: Das ist Armut per Gesetz, mit allen am Pranger, die Rationierung, Verknappung und Verteuerung durch Produktion von Energie und nützlichen Gütern lindern wollen. Grundlegende Rechtsinstitute eines zivilisierten Staates werden keines Gedankens mehr gewürdigt, denn ich kann nicht mal erfahren, ob mein Nachbar ein Steuerhinterzieher oder Vergewaltiger ist. Aber ich erfahre ab kommendem Jahr, ob er zu wenige Klimascheine besitzt. Gewaltakte von Öko-Aktivisten werden damit ebenso eingeladen wie einst die Gewaltakte von Nazis gegen jüdische Geschäfte, die erst in der sogenannten Reichskristallnacht und dann in Auschwitz gipfelten.

      Bald auch Haushalte und Einzelpersonen?
      Natürlich ist der Unternehmer immer de Böse, und manchen mag es nicht interessieren, daß die bösen Kapitalisten so hart rangenommen werden sollen, selbst da wir schon jetzt fast neun Millionen Arbeitslose zählen, freilich nur, wenn man die statistischen Tricks der Bundesagentur für Arbeit mal nicht mitmacht. Aber das Emissionshandelsgesetz hat noch ungeahnte Potentiale. So plant die Verordnung über die Zuteilung von Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 ausdrücklich die Ausdehnung des Zwangsregimes auch auf Verkehr, Haushalte und sogar auf Einzelpersonen. Wer es also bald unterläßt, sein Treibhausgas-Zertifikat vor der Fahrt zur Arbeit oder vor dem Beheizen der Wohnung zu kaufen, dürfte also auch am Öko-Pranger landen.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
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      schrieb am 15.10.04 22:17:38
      Beitrag Nr. 1.953 ()
      KarstadtQuelle und Opel: Jetzt kriegen wir die Quittung


      Die angeschlagenen Unternehmen KarstadtQuelle und Opel werden, wie gestern bekannt wurde, in den nächsten drei Jahren insgesamt 15.500 Stellen streichen - alleine bei Opel jede dritte Stelle. Hinzu kommen milliardenschwere Sparprogramme, die Lohnkürzungen und längere Arbeitszeit für die Mitarbeiter bedeuten. Das könnte aber erst der Anfang sein, denn daß wir jetzt die wohlverdiente Quittung kriegen, ist offensichtlich.

      So wundert es nicht, daß Handelskonzerne ins Wanken geraten, sind die Deutschen doch nicht erst seit Hartz IV Angstsparer: wer wagt noch größere Ausgaben, wenn ihm ohnehin alles weggenommen wird, sobald er längere Zeit arbeitslos wird? Wir opfern also, um es kurz zu sagen, KarstadtQuelle Hartz IV. Und ob es wirklich ohne betriebsbedingte Kündigungen abgeht, bleibt abzuwarten.

      Viel gravierender ist der Absturz der Automobilindustrie, die derzeit noch der wichtigste Industriezweig Deutschlands ist. Schließt GM sein Opel-Werk in Rüsselsheim, könnte das eine ganze Stadt in die Bedeutungslosigkeit schicken, ein Totalabsturz nach langer Industriegeschichte. Dabei liegen die Gründe klar auf der Hand: nach jahrzehntelanger Anti-Auto-Propaganda, mit fast den höchsten Sprit- und Energiepreisen Europas (wenn nicht der Welt) und dem ab 2005 kommenden Zertifikatehandel dürfen wir uns eigentlich über nichts wundern. So stehen zahlreiche Opel-Anlagen auf der Rationierungsliste, und Arbeitsplatzabbau als Folge des Zertifikatehandels wurde ja bereits angekündigt. Leute wie Schröder, Trittin oder Clement wollen das aber nicht zur Kenntnis nehmen, doch wer heute den Kopf in den Sand steckt, der knirscht morgen mit den Zähnen. Die Ministerpensionen sind freilich nicht nur deutlich höher, sondern auch sicherer als die Renten der Opel-Arbeiter.

      Opel ist übrigens nicht der erste Fall seiner Art, nur der bislang Heftigste: bei DaimlerChrysler hat man diesen Sommer den Arbeitnehmern an Lohn- und Urlaubskürzungen weitergegeben, was das Unternehmen an zusätzlichen Energiekosten zahlen wird. Den Letzten beißen die Hunde, auch im Arbeitsverhältnis. Noch redet man uns ein, daß die bösen Ölkonzerne die Übeltäter sein. Wann nehmen wir endlich zur Kenntnis, daß unsere Benzinpreise im wesentlichen hausgemacht sind?

      Hartz IV und der Emissionshandel qualifizieren Schröder und seine Mannschaft eigentlich für einen Kriegsverbrecherprozeß, denn der zwangsweise Klimascheinhandel wirkt als Anreiz zum Export von Jobs. Unter der Maßgabe von schon bisher fast neun Millionen Arbeitslosen ist das nicht nur eine krasse Mißachtung des Stabilitätsgesetzes, das - noch immer geltendes Recht! - eine antizyklische Konjunktursteuerung im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung dem Bund und den Ländern verbindlich als Ordnungsmodell vorschreibt, sondern ein Verbrechen am deutschen Volk, also ein Bruch des Amtseides. Es wundert daher nicht, daß selbst in Deutschland die Menschenrechte bröckeln.

      Das Ende der Fahnenstange ist aber noch lange nicht erreicht. Selbst die Versicherungen sind inzwischen betroffen, und ich meine nicht die Mannheimer, also den ersten Zusammenbruch einer Lebensversicherung letztes Jahr, einst undenkbar. Angesichts amtlichen Rentenraubes zunehmender Unsicherheit geht nämlich eine Kündigungswelle durch das Lebens- und Rentenversicherungsgeschäft, und die Neuverträge brechen dramatisch ein. Wir alle wissen aber, daß die sichere Auszahlung fälliger Verträge ein ausreichendes Neugeschäft voraussetzt, was das Lebens- und Rentengeschäft zweifellos in die Nähe eines Kettenbriefes rückt. Bleiben jetzt aber Neuabschlüsse aus, und das hat den gleichen Grund den man bei KarstadtQuelle schon recht gut kennt, ist der nächste Zusammen einer Assekuranz nur eine Frage der Zeit. Und das könnte einen fatalen Dominoeffekt bewirken... Aber was rede ich hier, seit Norbert Blüms politischem Mantra wissen wir natürlich, die Renten sind sicher, die Renten sind sicher, die Renten sind sicher...

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
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      schrieb am 15.10.04 22:22:38
      Beitrag Nr. 1.954 ()
      Willkommen in Amerika

      Von Bill Bonner
      "Stellen Sie sich einen Platz vor, an dem man erheblich mehr ausgeben kann, als man verdient. Und das jahrelang, ohne Konsequenzen", schreibt Gary Duncan in der Londoner Times. "Stellen Sie sich einen Platz vor, an dem Sie einfach mit Schecks bezahlen können, die jeder bedenkenlos annimmt. Willkommen im heutigen Amerika."

      Die Amerikaner hatten es noch niemals so gut. Aber die Natur sorgt dafür, dass die Dinge ins Gleichgewicht zurückkehren. Wie sich fette kleine Lemminge ins Meer stürzen, so scheinen die Amerikaner eine Tendenz zum finanziellen Massen-Selbstmord zu haben; sie können es kaum erwarten, sich ins tiefe Wasser zu stürzen.

      "Im letzten Jahrzehnt", so Duncan weiter, "haben die USA erheblich über ( ...) ihre Verhältnisse gelebt. Die privaten Haushalte Amerikas haben mehr ausgegeben, als sie verdienen, sie haben ihre Kredite extravagant erhöht. Die US-Regierung war nicht weniger verschwenderisch, sie hat die Ausgaben dramatisch erhöht, während sie die Steuern stark gesenkt hat."

      In den letzten 5 Jahren haben die Amerikaner für jeden Dollar, den sie verdient haben, 1,20 Dollar ausgegeben. In weniger als einem Jahrzehnt sind die USA der größte Schuldner der Welt geworden, und der Anteil der US-Staatsanleihen, der sich in ausländischen Händen befindet, ist von 20 % auf fast 50 % gestiegen. Es sind die ausländischen Geldgeber, die die US-Wirtschaft am Laufen halten.

      Viele Ökonomen sehen diese Beziehung als vorteilhaft für beide Seiten an ... oder symbiotisch. Die Asiaten produzieren; die Amerikaner konsumieren. Die Asiaten sparen; die Amerikaner leihen. Die Asiaten schwitzen; die Amerikaner denken. Die Amerikaner drucken Dollar und US-Staatsanleihen; die Asiaten kaufen diese. Wer kann sich darüber beschweren?

      Die Fed hat die Leitzinsen seit Beginn der Rezession im Jahr 2001 13 Mal gesenkt. Als die Leitzinsen schließlich bei 1 % lagen, da verlieh die Fed Geld zu einem Zinssatz, der unter der Inflationsrate lag. Dieses ultra-billige Geld war der Grund für die Konsumausgaben-Blase in den USA, und für die Investitions-Blase in Asien. Die Auswirkung, die das auf die Amerikaner hat, ist einfach: Sie haben sich selbst ruiniert, in dem sie Geld, das sie nicht haben, für Dinge, die sie nicht brauchen, ausgegeben haben. Die Asiaten hingegen haben Fabriken gebaut, um Dinge zu produzieren – für Leute, die kein Geld haben, dafür zu bezahlen.

      Beide Trends werden enden, aber nicht auf die exakt gleiche Weise. Der amerikanische Lebensstandard musste sowieso fallen – verglichen mit dem, den der Rest der Welt hat. Reichtum kommt größtenteils dadurch zustande, dass man Dinge produziert. Und jetzt können die Asiaten die Dinge schneller und günstiger produzieren. Die künstlich niedrigen Zinsen der Fed haben diesen Prozess noch beschleunigt. Das hat den Amerikanern einen letzten Konsumrausch gebracht – was so ist, wie das letzte Mahl eines zum Tode Verurteilten. Bevor ihnen die Kreditkarte abgenommen werden wird.

      Wann wird der Trend in Asien sich ändern?

      "Niemand kann das mit Sicherheit sagen", so Gary Duncan in der Londoner Times. Aber eine Neubewertung des Yuan könnte der Nachteil ... oder der Kaffee sein. Dann wird sicherlich die Rechnung kommen – und die wird in Yuan berechnet!"

      "Das ist eine verlockende Aussicht, allerdings eine, die von der chinesischen Fähigkeit abhängt, politische Stabilität bei wachsendem Reichtum zu wahren", so das Fazit von Duncan. "Allerdings ist es nicht unmöglich, dass wir es noch erleben werden, dass die Märkte nicht mehr an den Lippen von Alan Greenspan oder seinem Nachfolger kleben werden, sondern an denen des Vorsitzenden der chinesischen Zentralbank."


      Bill Bonner schreibt als US-Korrespondent für den kostenlosen Newsletter "Investor`s Daily". Weitere Informationen finden sie hier.

      http://www.instock.de/Nachrichten/10147708.html
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      schrieb am 15.10.04 22:23:57
      Beitrag Nr. 1.955 ()
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      schrieb am 15.10.04 23:03:52
      Beitrag Nr. 1.956 ()
      Hartz for fun

      Birgit Gärtner 15.10.2004
      Der medial inszenierte Armut-Selbsttest und seine unerwarteter Erkenntnisgewinn


      Einen Monat nach Hartz IV leben, diese - nicht ganz - freiwilligen Armuts-Selbsttest muteten zwei Hamburger Lokalmedien jeweils einer Mitarbeiterin, bzw. einem Mitarbeiter zu: Das Hamburger Abendblatt (Springer-Verlag) und der Regionalsender Oldie 95. Dieser medial aufbereitete Selbsterfahrungstrip wirkte auf den ersten Blick wie eine öffentlich inszenierte Verballhornung der Sorgen und Nöte von Hunderttausenden von Menschen in diesem Land. Bei genauerer Betrachtung entpuppte sich der Versuch als ernstzunehmende Annäherung an das Thema Armut als künftiges Massenphänomen: Es wurde eine Menge Daten und Fakten genannt, ein aufschlussreicher Blick hinter die Kulissen des Arbeitsamtes gewährt und nützliche Tipps für den täglichen Überlebenskampf verraten.






      Ausgewählt von ihren Redaktionen wurden die Abendblatt-Redakteurin Barbara Hardinghaus und "Muntermacher" Achim Wiese, Moderator der Frühsendung von Oldie 95. Sie, eine junge Kollegin, alleinstehend, mit einer kleinen, aber nicht gerade preisgünstigen Wohnung in der schicken Neustadt. Er, verheiratet, ein Kind, mit einem eigenen Haus in einem noblen Wohngebiet. Während sie sich spontan an die ihr von ihrem Brötchengeber gestellte Aufgabe machte, musste er zunächst einmal seine Lieben davon überzeugen - denn der Test würde ja nicht nur für ihn, sondern für die gesamte Familie gelten. "Das war nicht ganz so einfach", wie er Telepolis gegenüber zugab. "Aber ich habe nun einmal diesen Job." Na klar, und um ihn zu behalten, müssen auch schon mal Zugeständnisse gemacht werden, denn sonst wird dieses Armuts-Spiel am Ende noch bittere Realität.

      Barbara Hardinghaus standen als alleinstehender Frau 345.- Euro pro Monat zu, Achim Wiese und seiner Familie 1154.- Euro. Beide müssten im Ernstfall umziehen. Barbara Hardinghaus lebt zwar in bescheidenen 35 Quadratmetern, aber fast 500.- Euro Miete sind eindeutig zuviel für eine Person, damit muss eine vierköpfige Familie auskommen. Woher sie eine neue Wohnung bekommen soll, wäre das Problem der Betroffenen. Ein in Hamburg - und vielen anderen Großstädten - oft nicht einfaches Unterfangen, das aber um so schwieriger ist, wenn in der Spalte "berufliche Tätigkeit" - "zur Zeit leider keine" und bei "derzeitiges Einkommen" - "zur Zeit vom Amt" angegeben werden muss. Der Umzug selbst ist dann keine Problem, jedenfalls kein finanzielles, denn "das Amt" übernimmt die Kosten für ein professionelles Umzugsunternehmen.

      Ihren elf Jahre alten Golf dürfte Barbara Harding behalten. Auf Nachfragen erfuhr sie, dass "die Sachbearbeiter auf dem Flur" das so entschieden hätten. Das Wohl und Wehe der betroffenen Menschen hängt also auch vom Goodwill des Kollegiums auf "dem Amt" ab. "Zur Wohnung. Meinem Zuhause. Wurde darüber etwa auch auf dem Flur geurteilt?", überlegt die Redakteurin folgerichtig.



      Die Korrektur des täglichen Konsumrausches


      Barbara Hardinghaus und Achim Wiese und seine Familie bemühten sich redlich, mit dem Geld auszukommen, das ihnen nach Hartz IV zur Verfügung stünde. Beide gaben übereinstimmend an, dass sie lernten, bewusster einkaufen zu gehen. "Die Freundschaft zu den `Sparsamen` und den anderen Billigmarken wächst", schrieb Barbra Hardinghaus. "Ich achte jetzt viel sorgfältiger darauf, was ich einkaufe", sagt auch Achim Wiese. Barbara Hardinghaus, die ihren Test im August machte, hatte mehrfach das Problem, dass ihr die Milch schlecht wurde - und zwar vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums. Früher hätte sie einfach neue gekauft, während der Zeit des Selbsttests war sie dankbar für den Tipp einer Abendblatt-Leserin, dass Penny saure Milch in dem Falle auch ohne Kassenzettel zurücknimmt.

      Die Korrektur des täglichen Konsumrausches, dem vermutlich alle mehr oder weniger anheimfallen, die nicht jeden Pfennig zweimal umdrehen müssen, scheint eine nützliche Folge des Tests zu sein. Eine andere ist die Entdeckung der eigenen Kreativität. Barbara Hardinghaus wollte lukullische Genüsse nicht ganz von ihrem Speisplan streichen und Gastfreundschaft aus ihrem Leben verbannen müssen. Ihr gelang es, eine köstliches Menü für vier Personen für weniger als fünf Euro zuzubereiten. Den Wein, den sie zum Verfeinern der Suppe und der Soße brauchte, ließ sie sich einfach mitbringen - statt Blumen.


      "Ich kann die Menschen verstehen, die auf die Straße gehen"


      Trotzdem kamen beide unabhängig voneinander zu dem Schluss: Mit Hartz IV lässt es sich überleben, nicht leben. Sie scheiterten nicht an ihrem guten Willen, sondern am ganz normalen Wahnsinn. Dazu gehört ein Fleck auf dem Sofa (15.- Euro Reinigungskosten, die bei Hartz IV eigentlich nicht vorgesehen sind), kaputte Schuhsohlen (mindestens noch einmal 15.- Euro zusätzliche Ausgaben), ein geklautes Fahrrad oder der Kauf von Schulbüchern. "Ein Diercke-Weltatlas alleine kostet 40.- Euro", sagt Achim Wiese. "Und das ist ja nun nicht das einzige Schulbuch, das die Eltern anschaffen müssen." Zu dem ganz normalen Wahnsinn gehören auch die öffentlichen Nahverkehrsmittel. "Das Busfahren haut wirklich rein", resümiert Barbara Hardinghaus. "Da fühle ich mich wie vor meinem Versuch im Taxi: Ich weiß, es ist eigentlich zu teuer."

      Barbara Hardinghaus begab sich nicht nur auf Wohnungs- sondern auch auf Arbeitssuche. Da musste sie zunächst einmal die Erfahrung machen, dass sie als Frau als Tagelöhnerin keine Chance hat. Bei der Job-Börse werden fast ausschließlich Jobs vermittelt, bei denen schwere körperliche Tätigkeiten verrichtet werden müssen, z.B. Möbel schleppen. Bei der "Agentur für Arbeit" wurden ihr wahllos Jobangebote in die Hand gedrückt: Putzen, Regale füllen, egal was. "So lange die Allgemeinheit für Sie zahlt, müssen Sie nehmen, was gebraucht wird", wurde ihr von der Sachbearbeiterin beschieden .Sie landete schließlich in einer Imbissbude, in der sie für knapp 6.- Euro die Stunde Würstchen auf dem Grill drehen durfte. Sie hätte den Job eventuell sogar bekommen. Vielleicht - wenn sie nicht doch im wirklichen Leben Abendblatt-Redakteurin wäre.

      Die Menschen, die jeden Montag gegen Hartz IV demonstrieren, können sich der Sympathie der beiden Medienleute gewiss sein. "Ich kann die Menschen verstehen, die auf die Straße gehen", sagt Achim Wiese. Nur, sich den Protesten anzuschließen, dazu konnten beide sich nicht durchringen.

      120.000 Menschen leben in Hamburg bereits von Arbeitslosen - oder Sozialhilfe. Barbara Hardinghaus machte noch eine andere Armutsgruppe aus, die in der öffentlichen Debatte völlig untergeht: Die Rentnerinnen und Rentner. Gerade alte Menschen - und vor allem Frauen - leben häufig von der Hand in den Mund.

      Neben interessanten, bitterernsten, aber manchmal auch amüsanten Aspekten belegte der Selbsttest eins ganz deutlich: Es wirkt. Das Damoklesschwert Hartz IV schwebt nicht nur über den Köpfen der unmittelbar Betroffenen, sondern als unmissverständliche Drohung auch über den bisher nicht betroffenen Menschen, den glücklichen, die einen festen Arbeitsplatz haben. "Ich habe nun einmal diesen Job", argumentierte Achim Wiese seiner Familie gegenüber, um ihnen diesen Armutstest schmackhaft zu machen. Und Barbara Hardinghaus schrieb nach 30 Tagen freiwilliger finanzieller Selbstbeschneidung erleichtert: "Ich mache dreimal dickere Kreuze dafür, dass ich Arbeit habe." Und nicht nur Barbara Hardinghaus und Achim Wiese sind bereit, einiges dafür zu tun, dass das so bleibt.

      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/18573/1.html
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      schrieb am 15.10.04 23:42:25
      Beitrag Nr. 1.957 ()
      Inland
      Herbert Schui

      Monopolisierung

      Gewinne, internationale Kapitalkonzentration und die Lähmung jeglicher Politik. Es ist Zeit, wieder über den Zusammenhang von Staat und Monopolbildung nachzudenken


      Was tut ein großer Konzern, der ansehnliche Gewinne macht, dessen Produktion und Absatz aber wegen des niedrigen Wirtschaftswachstums nur mäßig ansteigen? Der Gewinn kann für Investitionen im Binnenland verwendet werden. Das allerdings ist nur dann wirtschaftlich, wenn das Nachfragewachstum dies rechtfertigt. Angesichts dieser begrenzten Investitionsmöglichkeiten ist es nur rational, wenn die Unternehmen sich auf Fusionen und Übernahmen verlegen. Denn wenn der Absatz nicht steigt, etwa weil die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht wächst, wird durch Fusionen und Übernahmen der Absatzmarkt dazugekauft.

      Bevorzugt werden Objekte in Industrieländern mit hohem Wirtschaftswachstum. Für die Investitionsrentabilität des expandierenden Unternehmens ist es gleichgültig, ob mit dem Gewinn neue Betriebe geschaffen werden und damit mehr Beschäftigung, oder ob nur beim Eigentum die Karten neu gemischt werden. Damit wird deutlich: Lohn- und Steuersenkungen erhöhen zwar den Gewinn, aber nicht die Beschäftigung, wenn das geringe Wachstum der Nachfrage eine Vergrößerung der Kapazitäten nicht rentabel macht.

      BRD mischt vorn mit

      Details hierzu liefert UNCTAD, die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung, in ihrem jährlichen Welt-Investitionsbericht, dessen neueste Ausgabe jetzt vorliegt. Weltweit wuchsen die Fusionen und Übernahmen (bei den Übernahmen weist die Statistik Beteiligungen ab zehn Prozent aus) von 143 Milliarden US-Dollar im Jahr 1990 auf 1 144 Milliarden (2000), um dann bis 2003 wieder auf 297 Milliarden Dollar abzusinken. Ähnlich sieht es bei den Konzernen der EU oder Deutschlands aus. Die Konzentrationswelle bis zum Jahr 2000 ließ offensichtlich immer weniger Unternehmen übrig, die zur Fusion bereitstehen oder die ganz oder teilweise aufgekauft werden könnten. Die Bundesrepublik belegt bei diesen Aktivitäten hinter den USA und Großbritannien den dritten Platz (1990 war es noch der sechste). Die deutschen Konzerne scheinen in der Offensive. Doch Deutschland ist nicht nur Käuferland. Seine Unternehmen sind, wenn auch weniger ausgeprägt als US-Unternehmen, interessante Objekte für ausländische Investoren.

      Bedeutend ist, daß weltweit bei Fusionen und Übernahmen der tertiäre Sektor mit 60 Prozent bevorzugt wird. Innerhalb dieses Sektors hat das Finanzwesen den weitaus größten Anteil, es folgen Transportwesen, Kommunikation, Elektrizität und Wasser. Die übrigen 40 Prozent verteilen sich zum weitaus größten Teil auf die verarbeitende Industrie. Nur ein bis zwei Prozent gehen in die Rohstoffgewinnung.

      Konzentration wächst

      Interesse verdient auch die Größenordnung der Fusionen und Übernahmen, die von deutschen Konzernen ausgehen. Eine sinnvolle Vergleichsgröße sind dabei die Ausrüstungsinvestitionen. Danach haben die BRD-Unternehmen je 100 Euro inländische Ausrüstungsinvestitionen im Jahr 1997 zehn Euro für Fusionen und Übernahmen ausgegeben. 1999 waren es 54 Euro. Bis 2003 sanken diese Ausgaben wieder auf zwölf Euro ab. Diese Entwicklung verläuft parallel zur internationalen Konzentrationswelle.

      Die Folgen dieser Konzentration sollten nicht unterschätzt werden: Der Verzicht auf Lohn und Steuern finanziert die Konzentration – national und weltweit. Der Preiswettbewerb, den der freie internationale Markt ja fördern sollte, wird dem von Monopolen beherrschten Markt weichen. Noch wichtiger ist, daß die internationale Konzentration die Wirkungsmöglichkeiten der Politik weiter schwächt. Eine Politik des Verzichtes schafft demnach nicht mehr Beschäftigung, sie finanziert vielmehr die Beseitigung des Wettbewerbs und die Lähmung jeder Politik, die der Unternehmermacht demokratisch legitimierte Macht entgegensetzen könnte. Was auf dem Spiel steht, drückte die SPD treffend in ihrem Godesberger Programm (1959) aus: »Die führenden Männer der Großwirtschaft gewinnen einen Einfluß auf Staat und Politik, der mit demokratischen Grundsätzen nicht vereinbar ist. Diese Entwicklung ist eine Herausforderung an alle, für die Freiheit und Menschenwürde, Gerechtigkeit und soziale Sicherheit die Grundlagen der menschlichen Gesellschaft sind. Die Bändigung der Macht der Großwirtschaft ist daher die zentrale Aufgabe einer freiheitlichen Wirtschaftspolitik, Staat und Gesellschaft dürfen nicht zur Beute mächtiger Interessengruppen werden.« Das ist aktueller denn je.

      Die Monopolisierung hat in rasantem Tempo zugenommen. Parteien und Gewerkschaften befassen sich weniger denn je mit ihren Folgen. Einzig bei den sozialen Bewegungen, so bei ATTAC, wird Kritik laut. Die Politik dagegen fördert die Monopolisierung durch internationale Abkommen und durch Privatisierung. Sie kommentiert ihre Haltung mit der weinerlichen Feststellung, daß der Staat nun kaum noch über politische Möglichkeiten der Gestaltung verfüge. Über den Zusammenhang von Staat und Monopolen muß wieder nachgedacht werden.

      * Professor Herbert Schui, Hochschullehrer an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik, schreibt im Wechsel mit Mag Wompel und Sahra Wagenknecht als ständiger Kolumnist an dieser Stelle

      http://www.jungewelt.de/2004/10-16/016.php
      Avatar
      schrieb am 18.10.04 13:00:29
      Beitrag Nr. 1.958 ()
      Demokratie à l`américaine
      16.10.2004









      Am Freitag veröffentlichte die New York Times einen Artikel, in dem über zahlreiche Manipulationen bei der Wählerregistrierung seitens der Republikanischen Partei, der auch der derzeitige US-Präsident George W. Bush angehört, berichtet wird.

      Die Manipulationen gehen dabei noch weit über das hinaus, was bei den vergangenen Wahlen im US-Bundesstaat Florida geschehen ist. Damals waren mehrere tausend Wähler "versehentlich" in eine Liste von vorbestraften Bürgern eingetragen und ihnen somit das Wahlrecht entzogen, obwohl sie niemals verurteilt worden waren. Bei den derart entmündigten Bürgern handelte es sich fast ausschließlich um Schwarze. Diese wählen überwiegend die Demokraten.

      Über 173.000 abgegebene Stimmen wurden für ungültig erklärt, entweder, weil sie keine Stimme enthielten oder für mehrere Kandidaten gestimmt wurde. Damit wurden fast 3 Prozent der abgegebenen Stimmen für ungültig erklärt. Bevölkerungswissenschaftler der US-Bürgerrechtskommission schätzen, daß 54 Prozent der ungültigen Stimmen wiederum von Schwarzen abgegeben wurden. Es scheint wenig wahrscheinlich, daß ein so großer Anteil der Schwarzen nicht in der Lage ist, gültige Wahlscheine abzugeben. Der Verdacht, daß zumindest ein teil der Wahlscheine nachträglich manipuliert wurde, ist also sicherlich naheliegend - wobei eine solche Manipulation auch darin bestehen könnte, wissentlich "defekte" Wahlmaschinen in den entsprechenden Bezirken aufzustellen.

      Doch zurück zu den bevorstehenden Wahlen. In dieser Woche haben frühere Angestellte des Unternehmens Sproul & Associates - das unter dem Namen Voters Outreach of America tätig ist und von der Republikanischen Partei den Auftrag erhielt, Wähler zu registrieren - gegenüber einem Fernsehsender im US-Bundesstaat Nevada gesagt, Registrierungen von Demokraten würden von Vorgesetzten systematisch vernichtet.

      Diese Beschuldigungen werden durch vorliegende Beweise gestützt und werden von der New York Times als glaubwürdig bezeichnet. Im US-Bundesstaat Oregon haben die Behörden bereits Ermittlungen der Kriminalpolizei gegen Sproul wegen identischer Vorwürfe eingeleitet.

      Bereits im Jahr 2002 beauftragte die Republikanische Partei im US-Bundesstaat New Hampshire ein Unternehmen, um eine Aktion der Demokraten zur Wählermobilisierung lahmzulegen, indem deren Telephonanlage überlastet wurde.

      Auch in anderen US-Bundesstaaten wird mit allen Mitteln versucht, die Registrierung von Wählern der Demokraten zu verhindern. So versuchte der Innenminister von Ohio, mithilfe eines uralten Gesetzes über die Papierqualität tausende Demokratische Registrierungen für ungültig zu erklären, was allerdings nicht gelang.

      In Wisconsin besteht ein Republikanischer Beamter entgegen allgemeiner Voraussagen auf seiner Ansicht, daß in Milwaukee in diesem Jahr weniger Stimmen als im Jahr 2000 abgegeben werden würden. Da hierdurch auch das Personal für die Wahlbetreuung bestimmt wird, scheint hier ein Wahlchaos in vorrangig Demokratischen Gegenden beabsichtigt.

      Und am Ende schließt sich der Kreis in Florida. Zwar wurde mittlerweile zugegeben, daß tausenden Bürgern widerrechtlich ihr Wahlrecht verweigert worden war, die Hürden, die jene Menschen überwinden müssen, um in diesem Jahr wieder wählen zu dürfen sind allerdings so hoch wie nur irgend möglich gelegt worden und nehmen teilweise schon irrwitzige Ausmaße an. So müssen die Betroffenen in einigen Landkreisen Gnadengesuche für von ihnen nicht begangene Verbrechen stellen oder in gerichtsähnlichen Verfahren beweisen, daß sie nicht Verbrecher mit ähnlichen Namen sind.

      Der Innenminister von Florida hat kürzlich eine Anordnung erlassen, der zufolge Wählerregistrierungen unvollständig und damit ungültig sind, wenn ein Kästchen, daß ihre Staatsangehörigkeit bestätigt, nicht angekreuzt worden ist --selbst wenn im gleichen Formular ein Eid unterzeichnet wurde, der das gleiche besagt. Eine Untersuchung der Washington Post hat gezeigt, daß die Wahrscheinlichkeit einer angelehnten Registrierung im Kreis Duval County bei Demokraten drei Mal so hoch ist wie bei Republikanern. Ebenso werden Registrierungen Schwarzer wesentlich häufiger abgelehnt.

      All diese Fälle zusammengenommen ergibt sich ein Bild, das zeigt, daß es hier keineswegs mehr darum geht, demokratische Wahlen zu gewinnen, sondern nur die Macht zu sichern, gleichgültig mit welchen Mitteln. Die Tatsache, daß dies landesweit und ohne negative Konsequenzen für die Verantwortlichen geschieht, belegt zweifelsfrei, daß diese Methoden innerhalb der Partei als vollständig akzeptabel angesehen werden.


      artikel kopiert von www.freace.de
      Avatar
      schrieb am 18.10.04 17:38:50
      Beitrag Nr. 1.959 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://spatzseite.de



      Oh Heiliger St. Florian... 17.10.2004
      DIESE WOCHE

      Es ist eine Binsenweisheit, die dennoch keiner zur Kenntnis nimmt: Verknappung und Kürzung sind wirtschaftlicher als Produktion und Versorgung. Hart arbeitende Familien, die dennoch arm sind, sind die Folge, und uns allen wird eingeredet, es gäbe zu viele Menschen. Wir sind aber auf dem Wege, das Armutsproblem zu lösen... durch die Beseitigung der Armen. Eine tiefgrüne Nachtfahrt in die lebensfeindliche ökologistische Ideologie diese Woche!


      Die demokratische Weltrevolution auf dem Vormarsch



      "Warum, wollen die Leute unbedingt weiter Opel oder VW fahren? Die brauchen kein Auto, um glücklich zu sein. Wenn sie das bißchen Geld, das man sie verdienen läßt, schon für Brot, Wasser und Strom abliefern - warum sollen sie sich damit abplagen Autos zu produzieren und dabei die Umwelt verschmutzen"? "Außerdem gibt es ohnehin zu viele Menschen. 1 Milliarde wäre vollauf genug, der Rest muß gehen". Wohin? Das Programm der laufenden Weltrevolution heißt: Beseitigung der Armut (durch die Beseitigung der Armen). Das Eingeklammerte will niemand glauben, das sei zu unmenschlich. Der Grund: er fällt schon selbst bald unter die viel zu vielen - und wer möchte schon dem Beseitigtwerden ins Auge sehen? Aber es geschieht schon. Er bräuchte nur nach Israel, eines der beiden "God`s own Countries" der Welt zu schauen, ein Land das nun EU-Kommissar Verheugen der EU (vielleicht an Stelle der Türkei) bevorzugt angliedern möchte. Schauen wir also weg. Schauen wir lieber in das andere der "gottgefälligen" Länder, dasjenige, das die ganze Welt auf seinen Kurs bringen möchte - wenn das mit freiheitlich demokratischen Mitteln nicht geht, dann eben mit Bomben und Raketen. "Richtig, wenn`s gegen die anderen geht" - oder etwa nicht?

      Die Ford-, Rockefeller- und Annie E. Casey Foundations - sicherlich keine Organisationen der Menschenfreundlichkeit - veröffentlichten gerade einen Bericht "Hart arbeiten, aber es reicht nicht" ("Working hard, falling short"). Danach gibt es im Land der ungeahnten Möglichkeiten 28 Millionen Arbeitsplätze, auf denen Menschen hart arbeiten müssen, aber nur 8,84 US$ die Stunde verdienen, insgesamt ein Lohn, der sie unter der Armutsgrenze hält. Ein solcher Lohn erlaubt es nicht, einen 3-Personen Haushalt durchzubringen. Darüber hinaus werden mehr als 25% aller Familien der arbeitenden Schicht, das sind 39 Millionen Amerikaner, als "low income" eingestuft. Sie haben zu wenig Geld, um ihre Grundbedürfnisse zu decken, wie Wohnung, Nahrung und die Versorgung ihrer Kinder (child care). Das betrifft 20 Millionen Kinder unter 18 Jahre. "Im Jahr 2002 fielen mehr als 9,2 Millionen US-Familien in die Kategorie low income und verdienten weniger als 200% des Bundesarmuts-Grenzwertes. Das betrifft 27,4% aller in Arbeit stehender Arbeiterfamilien im Land... Bundesweit betrifft das ein Drittel aller Arbeiterkinder... Es ist eine Grundtatsache, daß unser Wirtschaftssystem Millionen Arbeitern erlaubt, hart zu arbeiten und doch arm zu bleiben". Als Grund führt der Bericht an: "In weiten Teilen des Landes hat das produzierende Gewerbe die Fabriken geschlossen und Arbeitsplätze vernichtet, die einen Weg zu mittleren Einkommen hätten eröffnen können" - "hätten", wenn das "wirtschaftlich" gewesen wäre.

      Der Bericht erhebt einige Forderungen wie: bessere Erziehung für Kinder aus Arbeiterfamilien, bessere Einkommenschancen, Neudefinition der Armutsgrenze, Einsetzen einer Kommission, die klären soll, warum so viele Arbeiterfamilien in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Ist letzteres eine Frage? Arbeiter werden nicht mehr gebraucht. Güter lassen sich "wirtschaftlich" nicht verkaufen, denn die zahlungsfähige Nachfrage hat andere "wirtschaftlichere" Optionen. Also werden auch kaum mehr Güter hergestellt. Die Grundüberlegung dafür ist einfach zu einfach, um akzeptiert zu werden, deshalb sei sie hier noch einmal wiederholt: Die zahlungsfähige Güternachfrage, das heißt das Geld, das Lohn- und Gehaltsbezieher ausgeben können, ist auf den Pfennig genau bekannt. "Wirtschaftlich" ist, dieses Geld und noch ein wenig mehr mit dem geringsten Aufwand in die Firma zurückzuholen. Haben die Leute zu viel Geld, dann sind dazu große Aufwände nötig, angefangen von der Werbung bis hin zu ausgefuchsten (scheinbar) "ganz neuen" Waren. Es ist "wirtschaftlicher" das Angebot zu senken, die Leute auf das Nötigste zu beschränken und mit den Gewinnen stattdessen entweder Krieg zu führen (zur Absicherung der Macht und der Geldrückflüsse) oder auf den Finanzmärkten zu spielen - wobei der Spatz das 2. Übel bevorzugen würde, doch machen seine Auswirkungen das 1. für die Machthaber und ihre "Experten" immer drängender. Spart man die Warenlieferung ein, kann folgerichtig auch die zu ihrer Fertigung nötigen Arbeiter einsparen - Arbeiter brauchen nicht Auto zu fahren, wenn sie zu Hause bleiben, brauchen sie überhaupt nicht mehr zu fahren - logo!

      Für die rot-grünen Technologiestürmer und ihre Nachbeter, die so etwas im Fernsehen mitbekommen, ist an der Arbeitslosigkeit natürlich die gestiegene Produktivität Schuld, die Automation (wer produziert die Automaten), die Kernenergie, die Industrie insgesamt schuld. Dem Übel wird nun abgeholfen: Wir brauchen das alles nicht, was aber brauchen wir? Rot-Grüne, die uns das einreden. Die Finanzexperten der Großindustrie braucht sie schon lange nicht, die wissen, daß es wesentlich Kostengünstiger ist Kulis am Fließband arbeiten zu lassen, als neue Automaten anzuschaffen und zu pflegen. Man muß nur "wirtschaftlich" denken, um das zu begreifen. Rot-Grüne weigern sich "wirtschaftlich" zu denken, sie verachten das. Doch einer solchen Weigerung und Verachtung schaffen sie das "wirtschaftliche" Denken nicht aus der Welt, die Tatsache nämlich, daß "freie" Geldbesitzer ihr Geld lieber in Derivatspekulationen verspielen als es in Versorgungsgüter für die eine umweltbelastende die Tragekapazität der Erde angeblich übersteigende "Überbevölkerung" auszugeben. So logisch ist das.

      In der Los Angeles Times fragte man sich auch, warum alles so schief läuft und ließ am 10.10. einen Peter Gosselin darauf antworten. Das im 2. Weltkrieg geknüpfte soziale Netz sei in den letzten 25 Jahren unter dem Motto Deregulierung (bei uns hieß das: "Weniger Staat, mehr privat") abgebaut worden. Dadurch habe man die Risiken des "freien Marktes von den Unternehmen weggenommen und mehr und mehr den Belegschaften aufgebürdet. Daraus haben sich dann Einkommensunsicherheit, Lohnsenkungen, Abbau der Krankenversorgung, der Renten, der Arbeitslosenversicherung und der Ausbildung ergeben (Natürlich macht niemand so etwas, es ergibt sich nur so). Bekamen Arbeiter in den 70er Jahren noch jährliche Lohnsteigerungen von rund 2%, waren es in den 80er Jahren nur noch 0,3% und Senkungen um jährlich 2,3% in den neunziger Jahren. Nach 2000 habe man die Krankenkassenbeiträge um 50% angehoben und dafür die Leistungen abgesenkt. Das waren alles Reformen im Namen von mehr "Wirtschaftlichkeit". Nur noch 20% der vollbeschäftigten Arbeiter können sich in den USA noch eine Krankenversicherung leisten. Das alles habe dazu geführt, daß heute über 70% der Mütter arbeiten gehen müßten, während es in den 70er Jahren nur 40% gewesen seien. Außerdem habe sich seit den 80er Jahren die Verschuldung der Haushalte auf 120% des Jahreseinkommens verdoppelt und die Anzahl der persönlichen Insolvenzen versechsfacht. Schuld seien "Deregulierung, Kürzungen der Sozialprogramme und der feste Glaube an die freie Marktwirtschaft".


      Dem Wall Street Journal ist diese Entwicklung noch nicht freiheitlich genug. Am 12.10 schrieb das Blatt, das Gesundheitswesen der USA stünde am Scheideweg. Gesundheitsvorsorge sei kein "Anrecht", sondern ein "knappes Gut" und daher eine Ware wie jede andere. Das Elite-Journal verlangte deshalb "einen wirklich freien Markt", das heißt, Schluß mit den Arbeitgeberzuschüsse zu den Krankenkassen. Sie seien ein "Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg". (Weil man mit hungernden Menschen schlecht die demokratische Weltrevolution glaubte zu Ende führen zu können, wurden in den USA damals zahlreiche soziale Verbesserungen eingeführt). Der Einzelne, die Ärzte und Kassen müßten freimarktmäßig zu "kostenbewußteren" Entscheidungen gezwungen werden. Besonders die Ärzte würden zu viel Kosten erzeugen. Im Zuge dessen feiert ein Matt Brai in der NY-Times den derzeitigen US-Präsident, unter dem das alles auf die Spitze getrieben wurde, als "Visionär" mit "erhabenen" Ideen zur Ausbreitung der Demokratie - und meinte das nicht ironisch.

      Die Misere ist höheren Orts bekannt. Das Center on Budget and Policy Priorities veröffentlichte am 13.10 einen Bericht, wonach seit den 70er Jahren ein neuer Rekord erreicht worden sei. Es seien nämlich nun über 3 Millionen Arbeitslose vollständig ohne jede Form des Einkommens und wären damit auf die Gnade von Verwandten, christlicher Wohltäter oder der öffentlichen Suppenküchen (so weit es sie noch gibt) angewiesen. Ende Dezember hatte sich der Kongreß geweigert, die Zeit der Arbeitslosenhilfe, die zu vor von 1½ Jahren auf ein halbes Jahr verkürzt worden war, wieder etwas zu verlängern. Wie äußerte sich doch Präsident Bush am 2. Oktober auf einer Wahlveranstaltung der Reichen? Die "Grundsysteme" (fundamental systems) der Regierung, das Gesundheits-Fürsorgeprogramm, die Rentenpläne, die Steuereinteilung, die Arbeitsausbildung sind auf ein Gestern zugeschnitten, nicht für das morgen", kurz: sie sind nicht "wirtschaftlich" und behindern den Wettbewerb und die "Freiheit".

      Im dritten demokratischen Musterland in England entdeckt die vor zwei Jahren eingesetzte staatliche Renten-Kommission, daß in der Rentenkasse jährlich 57 Mrd. Pfund fehlen. Ihr Vorsitzender Adair Turner zählt nach einem BBC-Bericht vom 12.10. dafür vier Lösungsmöglichkeiten auf, 1. Rentenalter auf 70 Jahre anheben, 2. Steueranhebungen, um die Finanzierungslücke zu schließen, 3. Rentenbeitrage auf bis zu 25% anheben, 4. Renten um bis zu 30% senken. Schuld an der Misere sei nach Turner: "Der Aktienmarkt weckte bei den Leuten den Glauben, man bekäme etwas um sonst". Dieser Glaube hatte aber auch dazu geführt, daß die Regierung unter Geld-Kanzler Nigel Lawson 1985 und Gordon Brown 1997 den überschäumenden Rentenfonds mehr Steuern aufbürdeten. Die englische Regierung nimmt sich nun jährlich 5 Mrd. Pfund aus der Rentenkasse. So bekommt einer, der 2003 in Rente geht genau ein Drittel weniger Rente als sein Vorgänger, der das schon im Jahr 2000 tat. Inzwischen können sich 11,3 Millionen über 25 Jahre alte, englische Arbeiter nicht mehr leisten, in die Rentenkasse einzuzahlen. Sie kaufen sich wahrscheinlich vom letzten Gehalt eine Pistole, um gleich drei Probleme, das Bevölkerungs-, das Generationen- und das Umweltproblem im Sinne der City zu lösen. Irgend jemand muß schließlich für die Spekulationsverluste der Finanzmärkte aufkommen.

      Dies und alle anderen Reformen kommen uns doch auch schon recht bekannt vor. Allerdings hinken wir reaktionären Deutschland mit solchen Reformen - wie mit manch anderem - noch weit hinter her. Bei uns verdient ein Haarschneider noch 5,60 € und kommt im Monat auf ganze 1000 Euro nach Steuern, ein Bäckergeselle bekommt 7,70 € die Stunde und ein Verkäufer sogar 8,20. Nach einem Bericht der SZ vom 12.10 können sich in Deutschland im Vergleich zu den über 30 Millionen Amerikanern nur 200.000 Menschen der sogenannten Ich-AGs keine Krankenkasse mehr leisten. So etwas galt vor ein paar Jahren noch als völlig unmöglich. 470.000 Menschen, die unter Hartz IV über noch zu viele Eigenmittel verfügen, werden damit ebenfalls bald aus der für Arbeitslose geltenden Krankenkasse herausfallen. Wir reaktionären Deutsche lassen die "Reformen" zu langsam greifen. Das meinte wahrscheinlich auch Herr Merz und trat, weil sein Ruf nach schnellerer Gangart nicht so recht gewürdigt wurde, von seinen Parteiämtern zurück. Bei den Rot-Grünen ist so etwas nicht nötig, sie setzen ja die Reformen durch. Und wir braven Deutschen warten geduldig bis es schließlich auch uns erwischt, denn noch kommen wir ja über die Runden - auch wenn es rings um uns her überall schon brennt.

      Ich entschuldige mich für den anklingenden Zynismus, doch die Verhältnisse, die sind halt so.
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      schrieb am 18.10.04 21:53:00
      Beitrag Nr. 1.960 ()
      Kommentar
      Arnold Schölzel

      Aufschwung kommt

      Wachstumsprognose für 2005


      Bei Opel 10000 Stellen weniger, bei KarstadtQuelle 5500 – insgesamt haben deutsche Unternehmen seit Januar 2004 laut FAZ 45000 Stellenstreichungen für die nächsten Jahre angekündigt. Zwar stieg von Januar bis Juli dieses Jahres die Zahl der Beschäftigten in der Bundesrepublik um durchschnittlich 446 Personen je Tag, in den ersten neun Monaten 2004 stieg aber auch die Zahl der offiziell gemeldeten Arbeitslosen durchschnittlich um 686 Personen täglich.

      Die mit diesen Zahlen verbundene Wirtschaftsentwicklung wird in den Groß-Medien des Landes als »Aufschwung« angeboten. Ob sich noch jemand um diese Mischung aus Horoskopie und lahmer Agitation kümmert, ist fraglich. Fest steht: Der Kapitalismus in Deutschland hat ein böses Imageproblem. 15 Jahre nach dem Triumph über die realsozialistische »Kommandowirtschaft« ist die Begeisterung verflogen. Wer in der Bundesrepublik als Arbeiter durchschnittlichen Lohn erhält, kann damit nicht mehr am gesellschaftlichen Leben in angemessener Weise teilnehmen. Wer arbeitslos wird, für den hält das Schrödersche »Hartz«-Gesetz den raschen Absturz nach ganz unten bereit.

      Weil das so ist, laufen in den Postillen und Fernsehstationen des Landes die Gebetsmühlen des Neoliberalismus. Am Sonntag wurde bekannt, daß die großen Institute für Wirtschaftsforschung in ihrem Herbstgutachten, das heute vorgestellt wird, für das nächste Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent vorhersagen. Bemerkenswert ist die Agitationsgroteske, die die medialen Aufschwunghelfer dazu am Montag ablieferten. Der doppelte Neoliberalensalto geht ungefähr so: 1,5 Prozent Wachstum sind einerseits zu wenig für den Abbau der Arbeitslosigkeit und die Sanierung der Staatsfinanzen. Andererseits sind 1,5 Prozent wesentlich mehr als ein Prozent. Daher sind die Krisen bei Opel und KarstadtQuelle einerseits völlig untypisch für die in dieser Ziffer zum Ausdruck kommende gute Verfassung der deutschen Wirtschaft. Auf der anderen Seite muß noch etwas getan werden, damit es mit dem »Aufschwung« weitergeht. Hier scheiden sich die Geister, und der Pluralismus der Meinungsäußerung in der Bundesrepublik feiert einen neuen Triumph: 99 Prozent der Kommentatoren rufen den Kanzler auf, noch mehr »Reformen« in die Wege zu leiten, noch stärker zu »sparen«, noch mehr von der Politik durchzusetzen, die schon so großartig die Stellenstreichungen und den allgemeinen Aufschwung befördert hat. Einen Kontrapunkt setzte nur die Berliner Zeitung, die einen anderen Vorschlag hatte: Einfach die Stimmung verbessern, dann läuft der Laden. Demnächst für fünf Millionen Arbeitslose.

      http://www.jungewelt.de/2004/10-19/002.php
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      schrieb am 18.10.04 21:59:36
      Beitrag Nr. 1.961 ()
      Thema
      Knut Mellenthin

      Wo es Erdöl gibt, gibt es auch Al Qaida

      Die US-Regierung ist um Ausreden für ihre imperiale Politik in Afrika nicht verlegen. Mittelfristig will sie die Vereinigten Staaten vom Öl der arabischen Halbinsel unabhängig machen. Schon jetzt schlucken sie die Hälfte des afrikanischen Öls



      Als Region von »strategischer Bedeutung« und »lebenswichtigem Interesse« betrachten maßgebliche Kreise der USA den westafrikanischen Großraum rund um den Golf von Guinea. Etwa 250 Millionen Menschen leben dort heute schon, die Zuwachsrate ist eine der höchsten der Welt. Der größte Staat der Region ist Nigeria, mit etwa 130 Millionen Einwohnern auf Platz zehn der Weltbevölkerung.

      Was das Gebiet um den Golf von Guinea, von Liberia bis Angola, so interessant macht, ist vor allem sein Reichtum an Erdöl, der überwiegend erst in den letzten zehn Jahren entdeckt wurde. Nirgendwo auf der Welt werden derzeit so schnell so viele neue Vorkommen gefunden wie hier. Der Anteil Westafrikas an den Erdölreserven der Welt wird auf sieben Prozent geschätzt. Das ist auf den ersten Blick nicht viel. Aber zum einen wird allgemein davon ausgegangen, daß dieser Anteil durch neue Funde, vor allem vor den Küsten unter Wasser, noch wachsen könnte. Und außerdem gewinnt angesichts der Endlichkeit der natürlichen Energieressourcen der Erde der Verteilungskampf um jedes größere regionale Vorkommen erhebliche Bedeutung.


      Rund um den Golf von Guinea

      Nach unterschiedlichen Angaben und von Jahr zu Jahr schwankend werden zur Zeit rund 50 Prozent des westafrikanischen Erdöls in die USA exportiert, nur etwa ein Drittel geht nach Europa. Die Vereinigten Staaten sind mit riesigem Abstand zum Rest der Welt der größte Energieverbraucher. 55 bis 60 Prozent ihres Bedarfs an Erdöls müssen sie einführen. Dieser Anteil wird stetig wachsen, da die USA nur noch über begrenzte Reserven auf eigenem Gebiet verfügen. Der Erdölimport ist der größte Verursacher der gigantischen Staatsverschuldung Amerikas.

      Bis zu 16 Prozent des von den USA eingeführten Erdöls kommen aus dem Raum rund um den Golf von Guinea. Nach Schätzungen könnten es im Jahr 2015 oder 2020 um die 25 oder sogar 30 Prozent sein. Aus der Region käme dann mehr Erdöl in die USA als von der arabischen Halbinsel. Zur Zeit sind am Import der Vereinigten Staaten Kanada und Saudi-Arabien mit jeweils etwa 16 Prozent, Mexiko mit 14 bis 15 Prozent und Venezuela mit zwölf bis 13 Prozent beteiligt. Die Anteile verändern sich, bedingt durch wirtschaftliche und politische Faktoren, von Jahr zu Jahr.

      Westafrikanisches Öl hat aus amerikanischer Sicht mehrere Vorteile: Seine Qualität ist sehr gut, es kann also kostengünstig weiterverarbeitet werden. Außerdem ist die Entfernung der Vorkommen von den USA viel kürzer als die der nahöstlichen Quellen, also sind die Transportkosten sehr viel niedriger. Als Vorteil wird auch gewertet, daß große Teile der westafrikanischen Vorkommen offshore sind, also weit vor der Küste im Meer liegen. Das macht zwar die Förderung teurer, verringert aber die Abhängigkeit von politischen Risikofaktoren wie Anschlägen, Entführungen und Bürgerkriegswirkungen. Da das Öl von den Bohrinseln aus direkt über den Atlantik verschifft wird, gelten auch die Transportwege als hochgradig sicher.

      Kurz- und mittelfristig liegt die strategische Bedeutung des westafrikanischen Öls für die USA vor allem darin, mögliche Folgen des Konfrontationskurses im Nahen und Mittleren Osten auszugleichen. Sich möglichst weit vom Erdöl der arabischen Halbinsel unabhängig zu machen, das aber ohnehin nur etwa 15 Prozent des gesamten amerikanischen Verbrauchs ausmacht, wird nicht nur von den Neokonservativen, sondern auch von der Mannschaft um den demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry zur zentralen Voraussetzung für die fällige Abrechnung mit den Saudis hochgespielt. Dabei spielt neben dem Einsatz alternativer Energien und dem Angriff auf die Reserven Alaskas – die sich zum Teil im größten Naturschutzgebiet des Landes befinden, um dessen Freigabe seit Jahren gestritten wird – der Raum um den Guinea-Golf eine wesentliche Rolle.

      Wichtig aus Sicht der USA ist auch, sich einen möglichst großen Teil der Vorkommen vor den ehemaligen Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich zu sichern, die Westafrika noch Jahrzehnte nach der in den 60er Jahren erfolgten formalen Entkolonialisierung als ihr Einflußgebiet behandelt hatten. In diesem Zusammenhang ist auch die militärische Festsetzung der USA in den französischsprachigen Ländern der Sahelzone und Westafrikas zu sehen, in denen seit der »Unabhängigkeit« immer wieder Soldaten des ehemaligen »Mutterlandes« interveniert hatten.


      Der Großteil kommt aus Nigeria

      Über 70 Prozent des Ölexports der Region kommen aus Nigeria, das mit einer Tagesproduktion von etwa 2,5 Millionen Barrel weltweit an sechster oder siebter Stelle der Erdöl produzierenden Länder liegt. Für 2020 wird bis zur doppelten Menge prognostiziert. Die Förderung in Nigeria ist allerdings durch harte gewerkschaftliche Kämpfe und durch Aktionen bewaffneter Gruppen großen Instabilitäten und Risiken ausgesetzt. Außerdem ist Nigeria als einziges Land der Region Mitglied der OPEC, die immerhin einen gewissen Schutz der Produzenten gegenüber den Ölkonzernen und Großmächten darstellt. Die nigerianische Regierung ist daher starkem amerikanischen Druck ausgesetzt, die OPEC zu verlassen.

      An zweiter Stelle der Länder am Golf von Guinea liegt Angola, mit etwa einer Million Barrel täglich. In fünfzehn Jahren könnten es 3,3 Millionen sein. Mehr als die Hälfte des angolanischen Ölexports geht in die USA. Den dritten Platz nimmt seit kurzem das kleine Äquatorial-Guinea, eine frühere Kolonie Spaniens, ein. Es produziert, mit schnell wachsender Tendenz, 350000 Barrel täglich und soll bald auch große Mengen Erdgas exportieren. Den früheren portugiesischen Inseln Sao Tome und Principe, die etwa 120 Kilometer vor der westafrikanischen Küste liegen, wird zugetraut, ein bedeutender Offshore-Produzent zu werden. Große Vorkommen befinden sich auch in Gabun sowie im Binnenland Tschad.

      Als größtes Investitionsprojekt auf dem gesamten afrikanischen Kontinent wurde eine über 1070 Kilometer lange Pipeline gebaut, die die Ölfelder im südlichen Tschad mit dem Hafen Kribi im benachbarten Kamerun verbindet, von wo aus das Öl verschifft wird. Die Kosten der vor einem Jahr eröffneten Pipeline werden auf ungefähr 3,7 Milliarden Dollar veranschlagt. Führend beteiligt waren an dem Projekt die amerikanischen Ölgesellschaften ExxonMobil mit 40 Prozent und Chevron mit 25 Prozent des erforderlichen Kapitals. Insgesamt wird damit gerechnet, daß westliche Ölgesellschaften in den kommenden zwanzig Jahren zwischen 40 und 60 Milliarden Dollar in der Guinea-Golf-Region investieren werden.

      Aus der strategischen Bedeutung Westafrikas für die Energieversorgung der USA in den nächsten Jahrzehnten ergibt sich die Notwendigkeit einer politischen und militärischen Absicherung. Die meisten dieser Staaten zählen, soweit es die Lebenssituation des größten Teils der Bevölkerung angeht, zu den allerärmsten der Welt. Das gilt selbst für Nigeria und Angola, obwohl dort schon seit Jahrzehnten oder zumindest seit etlichen Jahren Öl in großen Mengen gefördert und exportiert wird. Viele Milliarden Dollar sind in diesen beiden Ländern aus den Bilanzen und Staatshaushalten »verschwunden«, auf Auslandskonten einer dünnen Oberschicht abgeflossen. Auf der anderen Seite hat die Massenarmut stark zugenommen. Mehr oder weniger in allen Ländern der Region herrschen korrupte Bürokratien mit diktatorischen und verbrecherischen Mitteln. In vielen Ländern Westafrikas werden Bürgerkriege geführt, deren Gründe Jahrzehnte zurückliegen, und Militärjuntas wechseln einander ab.


      Kriegsgründe im Überfluß

      Was auf den ersten Blick für die strategischen Pläne der USA eher ungünstig aussieht – die enorme Instabilität der Region –, erweist sich, genau betrachtet, für die USA als Glücksfall. »Failed states«, gescheiterte Staaten – also solche, die sich anscheinend nicht selbst regieren können und durch innere Widersprüche oder gar verheerende Bürgerkriege vom Zerfall bedroht sind - stellen für die Propagandisten weltweiter amerikanischer Militärinterventionen eine ideale Voraussetzung dar. Es gibt in Westafrika kaum ein Land, wo die Vorwände für ein »Eingreifen aus humanitären Gründen« nicht auf der Straße liegen oder wenigstens durch geschicktes Schüren interner Gegensätze und Waffenlieferungen an beide Seiten schnell geschaffen werden können. Die Region ist reich an abstoßenden Schurken, mit denen die USA heute bei der Ausplünderung ihrer Länder bestens kooperieren und deren Schandtaten sie schon morgen als Vorwand für militärische Strafaktionen benutzen können.

      Die Bevölkerung des nördlichen Westafrika einschließlich des Nordens von Nigeria ist überwiegend moslemisch – also prinzipiell der Bildung oder wenigstens Unterstützung von »Al-Qaida-Zellen« verdächtig. In einigen Gegenden, vor allem in Nigeria, haben die Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Nicht-Moslems schon jetzt bürgerkriegsartige Züge. Der von den USA ausgerufene »Krieg gegen den Terrorismus« bedeutet, daß sich für jeden Ort der Welt ein Vorwand, und sei er noch so fadenscheinig, konstruieren läßt, um imperiale Machtentfaltung zu rechtfertigen. Vor allem in moslemischen Ländern bringt der »Krieg gegen den Terrorismus« zudem fast zwangsläufig die Gegner hervor, die er zu bekämpfen vorgibt, schafft also zumindest nachträglich seine eigene Rechtfertigung.

      Als Pilotprojekt haben die USA im Januar dieses Jahres mit dem praktischen Teil der schon im November 2002 grundsätzlich vereinbarten »Pan-Sahel-Initiative« (PSI) begonnen: Offiziere der amerikanischen Special Forces, der Luftlandetruppen und der Marines wurden nach Mauretanien, Mali, Niger und Tschad geschickt, um dort kleine Einheiten (zwischen 150 und 170 Mann) der Landesstreitkräfte in 60tägigen Lehrgängen im »Antiterrorkampf« und in der Überwachung der langen, überwiegend durch kaum bewohnte Wüstengebiete verlaufenden Grenzen zu unterweisen. Außerdem stellten die USA militärische Ausrüstungsgegenstände wie Geländefahrzeuge, LKW für den Benzintransport, elektrische Generatoren, Funkgeräte und andere Kommunikationsmittel zur Verfügung. Als Dekoration kamen kleine medizinische und andere humanitäre Auftritte wie etwa »Reservisten helfen Kindern« hinzu. Als Gegenleistung räumen die beteiligten Länder den USA Nutzungsrechte auf ihren Militärstützpunkten, insbesondere ihren Flugplätzen, ein.

      Der mit nur sieben Millionen Dollar vergleichsweise kärglich ausgestatteten PSI kam lediglich die Bedeutung eines symbolischen Einstiegs und einer ersten Erfahrungssammlung zu. Inzwischen wurde die PSI umbenannt in »Trans Sahara Counter Terrorism Initiative« (TSCTI). Sie soll künftig von den bisherigen vier auf insgesamt mindestens neun Länder ausgeweitet werden. Neben Senegal, dessen Teilnahme offenbar schon feststeht, sollen angeblich auch Nigeria und weitere (bisher ungenannte) Staaten der Region sowie Tunesien, Algerien und Marokko, vielleicht sogar Libyen, einbezogen werden. Die US-Regierung will dafür in einem Zeitraum von fünf Jahren bis zu 125 Millionen Dollar ausgeben.

      In Nordostafrika betreiben die Vereinigten Staaten ein ähnliches Ausbildungs- und Ausrüstungsprogramm, die von Präsident Bush im Juni 2003 angekündigte mit 100 Millionen Dollar ausgestattete »East African Counterterrorism Initiative« (EACTI). Partner des US-Militärs sind Kenia, Uganda, Tansania, Äthiopien, Eritrea und Dschibuti. Zu den Aufgaben der EACTI gehört auch die massive Einmischung amerikanischer Berater in die Formulierung der »Anti-Terror-Gesetzgebung« der beteiligten Länder.


      Das fehlende Glied in der Kette

      Ein Blick auf die Afrika-Karte zeigt, daß zwischen den Ländern der früheren PSI, jetzt TSCTI, und den Staaten der EACTI nur ein einziges Land liegt, das noch nicht in diesen sich quer durch den Kontinent ziehenden Gürtel einbezogen ist: der Sudan. Eine Militärintervention unter maßgeblicher US-amerikanischer Beteiligung würde den Riegel, der die arabischen Staaten Nordafrikas vom Rest des Kontinents trennt, vollständig schließen.

      Formal sind die Streitkräfte der USA bisher nur im äußersten Nordosten des Kontinents mit einer ständigen Präsenz vertreten: Die nach dem 11. September 2001 gebildete Combined Joint Task Force Horn of Africa (CJTF-HOA), der 1800 Marines und »Spezialkommando«-Soldaten angehören, ist im Stützpunkt Dschibuti – einer früheren französischen Kolonie – stationiert. Sie ist für die gesamte Region (einschließlich Jemen) und die angrenzenden Gewässer (Indischer Ozean, Rotes Meer) zuständig. Abgesehen von Dschibuti besitzen die USA bisher keine weitere Militärbasis in Afrika, wohl aber haben sie sich Nutzungsrechte für Dutzende Stützpunkte in nahezu sämtlichen für sie interessanten Ländern des Kontinents gesichert.

      Nach unterschiedlichen Medienberichten streben die USA angeblich die Überlassung von Stützpunkten in Senegal, Mali, Algerien, Marokko, Tunesien, Ghana und Kenia an. Alle diese Behauptungen sind jedoch vorerst rein spekulativ. US-amerikanische Politiker und Militärs bestreiten routinemäßig kategorisch, daß sie überhaupt an eigenen Stützpunkten in Afrika interessiert sind. Die bisher schon zugestandenen Nutzungsrechte seien völlig ausreichend, heißt es.


      Riesiger Militärstützpunkt geplant

      Eine gewisse Realisierungswahrscheinlichkeit kommt jedoch den vielzitierten Empfehlungen der African Oil Policy Initiative Group (AOPIG) zu. Diese einflußreiche Lobby aus Ölgesellschaften, sogenannten Beraterfirmen und Politikern ging aus einem im Januar 2002 veranstalteten Symposium des israelisch-amerikanischen Institute for Advanced Strategic & Political Studies (IASPC) hervor, dessen Hauptsitz sich in Jerusalem befindet und das eine Zweigstelle in Washington unterhält. Das IASPC ist eng mit den amerikanischen Neokonservativen verbunden. In einem im Mai 2002 vorgelegten Thesenpapier schlägt die AOPIG vor, ein einheitliches militärisches Oberkommando der US-Streitkräfte für den gesamten afrikanischen Kontinent zu schaffen. Bisher ist für den größten Teil Afrikas das European Command (EUCOM) mit Hauptquartier in Stuttgart zuständig, außer Nordostafrika, das dem Central Command (CENTCOM) mit Hauptquartier in Tampa, Florida, untersteht. Als Übergangslösung schlägt die AOPIG ein weitgehend autonomes Unterkommando vor, das für ganz Afrika zuständig und formal dem EUCOM unterstellt sein soll.

      Die AOPIG plädiert außerdem für die Anlage eines den Golf von Guinea und die angrenzenden Gebiete beherrschenden riesigen Militärstützpunkts, insbesondere eines Heimathafens für einen eventuell neuzuschaffenden Flottenverband mit einem Flugzeugträger, im Inselstaat Sao Tome und Principe. »Eine militärische Präsenz würde nicht nur helfen, mögliche Bedrohungen abzuschrecken, sondern auch die Glaubwürdigkeit der USA erhöhen, indem sie eine zunehmende Zahl von Flottenbesuchen in westlichen und südlichen afrikanischen Häfen erleichtert, zwischenmilitärische Kontakte verbessert und eine langfristige professionelle militärische Kapazität für die Sicherung nationaler Grenzen und ökonomischer Zonen schafft«, heißt es im Thesenpapier der AOPIG. Anders gesagt geht es um die Anlage eines zentral gelegenen, großzügig ausgebauten Stützpunkts (zu dem neben einem Flottenhafen auch ein Fluglatz mit langen Landebahnen gehören würde), der jederzeit und absolut sicher als Ausgangsbasis für schnelle Militärinterventionen an beliebigen Punkten der Region um den Guinea-Golf zur Verfügung stehen soll. Für Sao Tome und Principe spricht in diesem Zusammenhang ihre Lage fernab vom Festland, sodaß sie für »Terroristen« oder Bürgerkriegsmilizen fast unangreifbar sind. Die Verhandlungen mit der Regierung der Inselrepublik über die Errichtung der amerikanischen Militärzentrale für Westafrika sollen bereits weit vorangeschritten sein.

      http://www.jungewelt.de/2004/10-19/003.php
      Avatar
      schrieb am 18.10.04 22:01:26
      Beitrag Nr. 1.962 ()
      Ausland
      Rainer Rupp

      Freispruch für den Kindesmörder

      Israelische Untersuchungskommission: Tötung von verwundetem palästinensischen Mädchen »nicht unethisch«


      Der israelische Kompanieführer, der von Soldaten seiner Einheit angezeigt worden war, nachdem er am 5. Oktober im Gazastreifen das verwundet am Boden liegende 13jährige palästinensische Mädchen Iman Alhamas aus nächster Nähe mit mehreren Schüssen getötet hatte, hat laut einer Untersuchungskommission der Armee »nicht unethisch gehandelt«. Die Tatsache, daß der Offizier dennoch seinen Posten als Kompaniechef verlor, wurde mit »mangelnden Führungsqualitäten« begründet. Dies scheint der Logik zu folgen, daß ein Offizier mit guten Führungsqualitäten niemals von seinen eigenen Soldaten angezeigt worden wäre.

      »Das Töten von Kindern ist nichts Besonderes mehr«, ist denn auch ein Artikel des Journalisten Gideon Levy in der Sonntagsausgabe der israelischen Tageszeitung Ha’aretz überschrieben. »Mehr als 30 palästinensische Kinder wurden in den ersten beiden Wochen der Operation Days of Penitence (Tage der Sühne) im Gazastreifen (von israelischen Soldaten) getötet«, erinnert Levy. Da verwundere es nicht, »daß viele Menschen diese Massentötung von Kindern als ›Terror‹ bezeichnen«. Während der Intifada käme auf drei ermordete Palästinenser ein ermordeter Israeli. Bei den Kindern liege dieses Verhältnis sogar bei fünf zu eins. Laut der israelischen Menschenrechtsorganisation »B’Tselem« lag die Zahl der getöteten Kinder unter 18 Jahren auf palästinensischer Seite bei 557 im Vergleich zu 110 getöteten israelischen Kindern.

      Nach Angaben von »B’Tselem« waren 42 der getöteten palästinensischen Kinder zehn Jahre alt, 20 waren sieben und acht waren gerade mal zwei Jahre alt, als sie von israelischen Soldaten getötet wurden. Die jüngsten Opfer waren 13 Neugeborene, die an israelischen Kontrollposten gestorben sind, weil die Mütter auf dem Weg ins Krankenhaus aufgehalten wurden und die israelischen Soldaten jede Hilfe verweigerten. »Mit diesen grauenhaften Statistiken hätte die Frage, wer ist ein Terrorist, längst zur schweren Last für jeden israelischen Bürger werden müssen. Aber das steht nicht zur öffentlichen Debatte. Kindermörder sind immer nur die Palästinenser«, schrieb Gideon Levy, dem wegen seines »von der israelischen Militärzensur ungetrübten Blicks auf die Situation der palästinensischen Opfer« letztes Jahr in Leipzig der erste »Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien« verliehen wurde. In der Laudatio hieß es auch, daß »auf die Zeitung Ha’aretz Druck ausgeübt wird, Gideon Levy nicht mehr zu Wort kommen zu lassen«.

      http://www.jungewelt.de/2004/10-19/006.php
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      schrieb am 18.10.04 22:09:16
      Beitrag Nr. 1.963 ()
      Inland
      Winfried Wolf

      Automarkt weltweit heftig umkämpft

      Der Vorwurf, Opel habe wegen Managementfehlern Probleme, greift viel zu kurz. Die Konzerne führen ihren Krieg um Höchstprofite auf Kosten der Beschäftigten


      Die Analysten argumentieren schlüssig im Dreisatz: Erstens würde es keine Krise in der internationalen Autoindustrie, jedoch Managementfehler bei General Motors (GM) in Europa geben. Zweitens mache GM im Autogeschäft und insbesondere in Europa Verluste. Drittens führe kein Weg an einem massenhaften Belegschaftsabbau in Europa vorbei.

      Richtig ist, daß 2004 weltweit mit 52 Millionen Einheiten deutlich mehr Autos abgesetzt werden als 2003. 2005 sollen es 54 Millionen sein. Doch der Markt wird enger und die Konkurrenz heftiger. In den letzten 15 Jahren verloren rund ein Dutzend Automarken ihre Unabhängigkeit: Saab, Subaru, Isuzu und Daewoo sind Teil von GM; Volvo, Jaguar, Land Rover und Mazda bei Ford, Alfa und Lancia in Fiat integriert, Nissan bei Renault, Kia bei Hyundai. Mehrere Autohersteller sind kaum überlebensfähig, so Mitsubishi, Fiat und Rover. Die wenigen echten Wachstumsmärkte – etwa China und Osteuropa – sind heftig umkämpft. Dort entstehen gewaltige Überkapazitäten, die spätestens 2006 den weltweiten Automarkt überschwemmen. Wenn sich bei GM im Augenblick Krisentendenzen zeigen, dann ist dies eine unmaßgebliche Momentaufnahme. Zeitweilig stand Ford schlechter da als GM/Opel. Vor einem halben Jahr meldete DaimlerChrysler das Desaster bei Mitsubishi. Die Aussage, daß es vor allem Fehler bei GM in Europa gibt, ist tollkühn. Auf dem US-Markt muß GM derzeit im Durchschnitt 6000 Dollar Rabatt auf die offiziellen Listenpreise geben, um überhaupt noch Pkw abzusetzen.

      Die zweite Behauptung, GM mache Verluste und dies vor allem in Europa, ist windig. Tatsächlich wies der Weltkonzern 2003 einen offiziellen Profit von 3,822 Milliarden US-Dollar aus. Gegenüber 2002 gab es eine Steigerung um 120,2 Prozent (Fortune vom 26. Juli). Im dritten Quartal 2004 gab es im GM-Konzern einen Nettogewinn von 440 Millionen US-Dollar. Daß dieser nach GM-Angaben überwiegend auf die GM-Banktochter zurückzuführen ist, sagt nichts. Es liegt auf der Hand, daß, wer 6000 US-Dollar Rabatt je Pkw gewährt, im operativen Autogeschäft schlecht aussieht. Wenn er diese Pkw dann auf Kredit in den Markt pumpt, macht er den Gewinn eben mit der eigenen Banktochter.

      Die Behauptung, es würden Verluste in Europa gemacht, ist ebenso fragwürdig. Noch im Januar 2004 wies der damalige Vorstandschef der Adam Opel AG, Carl-Peter Forster, auf folgenden Umstand hin: Der seinerzeit ausgewiesene operative Verlust von 400 Millionen Euro bei Opel sei vor allem darauf zurückzuführen, daß ein Großteil der Entwicklungskosten der GM-Europa-Pkw, die weltweit für GM verkauft würden, in Europa und vor allem bei Opel verbucht werden, daß jedoch die Gewinne aus den Verkäufen solcher Pkw (z.B. in Asien) oft nicht Opel bzw. GM Europa zugute kämen.

      Die Schlußfolgerung schließlich, es müsse in Europa zu einem radikalen Belegschaftsabbau und gegebenenfalls zu einer Werkschließung kommen, überzeugt zumindest aus Beschäftigtensicht nicht. Ist es nicht so, daß alle Autohersteller derzeit so verfahren (siehe DaimlerChrysler und VW)? Daß die Ford Werke AG in Köln derzeit in eine GmbH umgewandelt werden, um in Zukunft über »mehr Flexibilität« (bei der Erpressung der beschäftihten) zu verfügen? Daß nach einem erfolgreichen Angriff auf GM/Opel doch noch die Belegschaft bei Saab in Schweden unter Druck gesetzt werden kann?

      Und warum der Angriff auf Opel in Bochum? Immerhin ist das dortige Werk derzeit zu 100 Prozent ausgelastet, Eisenach und Luton (Großbritannien) z.B. nur zu gut 70, Rüsselsheim zu 58 Prozent. Übt das GM-Management Rache dafür, daß die Bochumer Belegschaft maßgeblich daran beteiligt war, Ausgliederungen und Lohnsenkungen zu verhindern, die im Jahr 2000 geplant waren?

      Es gibt keinen Grund zu glauben, irgendwann sei Schluß mit den Erpressungen und den Spaltungsversuchen. Im Gegenteil. Das GM-Management in Detroit will Blut sehen. Und wer Blut geleckt und Profite eingestrichen hat, der ist erst auf den Appetit gekommen.

      Es ist schon so, wie der langjährige Aktivist bei Opel Bochum, Wolfgang Schaumberg, in dieser Zeitung schrieb: »Die tiefere Ursache liegt im bestehenden Wirtschaftssystem begründet, das auf Profit und Konkurrenz basiert. Man arbeitet nicht, um Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um Profitzwänge zu erfüllen.« Der Teufelskreis von Erpressung, Sozialabbau, verstärkter Arbeitshetze und Werksschließungen wird nur unterbrochen werden, wenn es zu einer gemeinsamen Gegenwehr – bei den Belegschaften von GM/Opel/Saab, VW und denjenigen von anderen Autoherstellern – kommt.




      PKW-Absatzkrise: Der Markt ist gesättigt

      * In den vergangenen beiden Jahren stagnierte der Absatz von PKW in der EU oder ging sogar teilweise zurück. Hauptabsatzmark ist trotz Krise und schwacher Binnenkonjunktur weiterhin die BRD.

      * In Deutschland sank die Zahl der Neuzulassungen von Personenkraftwagen im Jahr 2004. Im September belief sich der Rückgang auf 3,7 und im August auf 3,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

      * Insgesamt sank in Westeuropa die Zahl der PKW-Neuzulassungen im Vergleich zum jeweiligen Monat des Vorjahres um 0,6 Prozent. Im August waren es 0,8 Prozentpunkte.

      * In den Ländern der EU waren im Januar 2004 sage und schreibe 216734310 Kraftfahrzeuge registriert, davon 189 560000 Personenkraftwagen. Diese gewaltige Flotte verbraucht 102 Millionen Tonnen Benzin und 243000 Tonnen Dieselkraftstoff im Jahr.

      * Deutschland hält daran den Löwenanteil: Knapp 50 Millionen zugelassene Kfz, davon mehr als 45 Millionen PKW, verbrauchten 2003 25850000 Tonnen Benzin und etwa 50000 Tonnen Diesel. Damit ist die BRD nach USA (225 Millionen Kfz) und Japan (73 Millionen) der weltweit drittgrößte Automobilmarkt. Dagegen nehmen sich die Zahlen des Boomlandes China (20,5 Millionen Kfz) noch vergleichsweise bescheiden aus. Den zweiten Platz in Europa nimmt Italien ein (37,8 Millionen zugelassene Kfz).

      * Vor zehn Jahren wurden PKW in der BRD noch in der Regel nach drei bis vier Jahren Laufzeit verkauft und ein Neuwagen angeschafft. Expertenschätzungen zufolge hat sich diese Relation inzwischen etwa um ein Jahr verschoben. Das wirkt sich entsprechend auf den PKW-Absatz aus.

      * Zusätzlich nachteilig auf die PKW-Konjunktur wirken sich die steigenden Kraftstoffpreise aus. Durch massive Steuererhöhungen (2002 nahm der Staat in der BRD mehr als 42 Milliarden Euro aus der Mineralölsteuer ein) und die Preissteigerungen bei Rohöl müssen Autofahrer heute einen deutlich höheren Teil ihrer Einkünfte für den Kfz-Betrieb auf den Tisch legen – oder weniger fahren.

      * Im Jahr 1992 mußte der Verbraucher für einen Liter Superbenzin im Schnitt etwa 1,40 DM hinblättern. 1999 waren es 1,70 DM; 2003 kostete der Liter bereits 1,09 Euro. Für 2004 wird mit einem Durchschnittspreis von knapp 1,20 Euro pro Liter Super gerechnet.

      (Quellen: Aral, jW-Archiv)
      http://www.jungewelt.de/2004/10-19/012.php
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      schrieb am 18.10.04 22:15:12
      Beitrag Nr. 1.964 ()
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      schrieb am 18.10.04 22:16:38
      Beitrag Nr. 1.965 ()
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      schrieb am 18.10.04 22:29:25
      Beitrag Nr. 1.966 ()
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      schrieb am 18.10.04 22:50:36
      Beitrag Nr. 1.967 ()
      Die Rückkehr der kalten Fusion?

      Haiko Lietz 17.10.2004
      Teil 5: Weltweit erhoffen sich Forscher von einem Gutachten des US-Energieministeriums die wissenschaftliche Anerkennung für die Erforschung einer potentiellen Energiequelle



      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/zen/18579/1.html
      Die kalte Fusion steht möglicherweise kurz vor ihrem Durchbruch. Seit 1989 gibt es die Behauptung, durch die elektrische Spaltung von schwerem Wasser lasse sich Energie gewinnen. Die wissenschaftliche Gemeinde hatte sich gegen diese Möglichkeit ausgesprochen, doch die Forschung ging weltweit und unbemerkt weiter. Eine Überprüfung der mittlerweile vorliegenden Forschungsergebnisse durch das US-Energieministerium ist praktisch abgeschlossen. Kalte-Fusions-Forscher hoffen, dass ein positives Gutachten ihr Forschungsgebiet nach gut 15 Jahren der Ächtung legitimieren wird. Langsam wird nicht mehr nur in Fachkreisen diskutiert, welchen Einfluss die möglicherweise neue Technologie auf eine Gesellschaft und die Sicherheit einer Nation haben könnte.






      Als die kalte Fusion 1989 bekannt wurde und weltweit Bemühungen einsetzten, die behauptete elektrochemische Fusion von Wasserstoffatomen zu wiederholen, war sofort von einer Revolution der Energiegewinnung die Rede. "Kalte Fusion hat das Potential, den Energiedurst der Welt zu stillen, mit Meerwasser als Brennstoff und ohne Umweltverschmutzung oder schädlichem Abfall", schreibt die International Society for Condensed Matter Nuclear Science ( ISCMNS).

      Das erste Gutachten des US-Energieministeriums schloss im November 1989, "dass die gegenwärtigen Hinweise auf die Entdeckung eines neuen nuklearen Prozesses nicht überzeugend sind", und sprach sich gegen die Bewilligung von Forschungsgeldern aus ( Kalte Fusion wieder heiß). Die Untersuchung des Ausschusses schloss jedoch nicht ohne Kontroverse. Der stellvertretende Vorsitzende Prof. Norman Ramsey forderte, dass ein Vorwort von ihm in den Abschlussbericht aufgenommen werden müsse. Andererseits würde er zurücktreten. Da es dem Ansehen des Ausschusses geschadet hätte, wenn der Nobelpreisträger Ramsey zurückgetreten wäre, wurde dessen Forderung als Präambel aufgenommen1 :




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      Aufgrund der vielen widersprüchlichen Behauptungen ist es derzeit nicht möglich, kategorisch zu sagen, dass alle Behauptungen zur kalten Fusion entweder belegt oder widerlegt worden sind. (...) Sogar eine kurze aber gültige Phase der kalten Fusion wäre revolutionär.





      Auch das Team des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, das die kalte Fusion jedoch nicht reproduzieren konnte, schrieb 19902 :





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      Von Anfang an war klar, dass [die kalte Fusion] entweder einer der größten Flops des Jahres oder eine der wichtigsten Entdeckungen des Jahrhunderts sein würde.





      Andere Labore hingegen konnten die kalte Fusion reproduzieren, was dem Gros der Wissenschaft vollkommen entgangen ist, oder was nur keiner zugeben möchte. So ist im zusammenfassenden Bericht3 einer Forschungsabteilung der US Navy von 2002 zu lesen:




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      Wir wissen durch wiederholte Beobachtungen von Wissenschaftlern überall auf der Welt, dass das Phänomen kalte Fusion existiert. Es ist Zeit, dass Forschungsgelder in diese Forschung investiert werden.






      US-Energieministerium überprüft kalte Fusion


      Das Zustandekommen des derzeitigen Gutachtens des US-Energieministeriums geht auf die zehnte Internationale Konferenz zur Kalten Fusion ( ICCF10) von August 2003 im amerikanischen Cambridge, Massachusetts zurück. "Vielen von uns war klar", berichtet Prof. David Nagel von der George Washington Universität, "dass die Situation jetzt aussagekräftig genug ist und zudem ein internationaler Wettbewerb besteht" ( Die unerzählte Geschichte der kalten Fusion). Am 6. November 2003 wurden Nagel, Prof. Peter Hagelstein vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), Dr. Michael McKubre von SRI International und der Energieunternehmer Randall Hekman im Energieministerium vorstellig, um eine Überprüfung der Forschungsergebnisse zu verlangen. Vier Monate später stimmte Dr. James Decker, Vizedirektor des Wissenschaftsbüros, einer Überprüfung zu. Das Ministerium bestimmte etwa 20 Gutachter. Diese erhielten am 23. August 2004 einen Forschungsbericht und sieben weitere aussagekräftige Veröffentlichungen (darunter diese).

      In dem Forschungsbericht "Neue physikalische Effekte in Metall-Deuteriden" wird der Stand der Forschung zusammengefasst. Demnach verschmelzen schwere Wasserstoff-Kerne (Deuteronen) in Metall-Deuteriden bei Elektrolyse bei Raumtemperatur zu Helium-4-Kernen. Die dabei entstehende Überschusswärme sei "weitaus größer, als durch alle chemischen Prozesse erklärbar". Fusionsprodukte und Überschusswärme seien "nicht durch bekannte Kern- oder Festkörper-Physik erklärbar". Die durch die Experimente aufgekommenen Fragen könnten und sollten, nach Einschätzung der Autoren, in einem dezidierten Forschungsprogramm untersucht werden4 .




      Leistungsüberschuss (rot) im Vergleich zum Kontrollexperiment (blau) bei angelegtem Strom (grün). Experiment durchgeführt am SRI International5 .






      Einher mit der Überreichung der Berichte sahen 14 Gutachter und drei Ministeriumsangestellte die Präsentationen von sechs kalten-Fusions-Forschern. U.a. präsentierte Dr. Vittorio Violante die Ergebnisse des italienischen Nationallabors ENEA, das die kalte Fusion 1989 mit als erstes reproduzieren konnte. Seitdem wird im italienischen Frascati versucht, die genauen Reaktionsbedingungen zu erkennen und die Wiederholbarkeit der Experimente zu verbessern.6 Violante sagt, er sei "beeindruckt von der großen wissenschaftlichen Kompetenz aller Gutachter." SRI-Forscher Michael McKubre fühlte sich im Laufe der Überprüfung seiner Ergebnisse - Violante bestätigt diese Einschätzung - dennoch wie in die Vergangenheit versetzt, "weil die Gutachter mit nur einer Ausnahme seit 1990 keinen intellektuellen Fortschritt auf dem Gebiet gemacht haben. Doch der Großteil des Interesses und der Fragen zeigen das aufrichtige Anliegen, die Sache zu verstehen."


      Neue Herangehensweise


      "Wir haben in unseren Präsentationen wirklich die überzeugendsten Argumente für die Wärme- und Helium-Produktion und die Realität von Kernreaktionen präsentiert", erzählt McKubre. "Das ist natürlich am schwersten zu schlucken und stellt die größte Bedrohung der bestehenden heißen-Fusions-Interessen dar." Mit Interessen meint er Budgets. Finanzierung ist ein zentraler Aspekt, weil die kalte Fusion als Konkurrenz für die heiße Fusion wahrgenommen wird, in die seit Jahrzehnten international bereits Milliardenbeträge investiert worden sind, und die manchen als Energiequelle der Zukunft gilt.

      Wie gezeigt werden konnte, ist es 1989 am MIT zur Manipulation von Experimentaldaten gekommen, nachdem das dortige Labor zur Erforschung der heißen Fusion ebenfalls Hinweise auf kalte Fusion gefunden hatte.7 Da sich die erste Untersuchung des US-Energieministeriums (DoE) aufgrund dieser und weiterer zweifelhafter Ergebnisse 1989 gegen die kalte Fusion ausgesprochen hatte, ist das DoE wiederholt beschuldigt worden, die Forschung politisiert zu haben ( Der Kampf gegen die kalte Fusion).

      "Auch ich habe dieses in der Vergangenheit getan", gibt McKubre zu. "Diesmal jedoch, und was James Decker angeht, sehe ich nichts anderes als einen ernsthaften Versuch zu verstehen, was vielleicht eine höchst wichtige und relevante Wahrheit für das Ministerium und die USA sein könnte." In den vergangenen Wochen haben nun die letzten Gutacher ihre Einschätzungen an zwei hochrangige Beamte des DoE geschickt. Diese, so wird erwartet, werden Decker in diesen Tagen eine Zusammenfassung überreichen. Dann soll das Ergebnis vorliegen. Welchen Schluss Decker ziehen wird, ist jedoch "völlig unvorhersehbar", sagt Professor Nagel. Decker sei zwar ein "sehr gewissenhafter und qualifizierter" Mann, doch habe er wenig Zeit. "Alles hängt davon ab, was er geliefert bekommt", sagt McKubre.


      Handhabung als Antrag auf Forschungsgelder


      Anders als 1989, wird das DoE die Identität der Gutachter wohl nicht bekannt geben. "Das Energieministerium behandelt diesen Review wie einen Antrag auf Forschungsgelder", sagt David Nagel. "Es ist bei US-Agenturen üblich, weder die Gutachter zu nennen noch ihr Gutachten bekannt zu geben." Was das Ergebnis angeht, ist der Washingtoner Physiker jedoch optimistisch8 :




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      Die meisten Leute wissen ja gar nicht, dass es 3.000 Veröffentlichungen zur kalten Fusion gibt. Wenn man diese hernimmt und fragt, ob die beteiligten Personen geeignete Wissenschaftler sind, ob sie angemessene, kalibrierte Ausrüstung benutzt haben und ob es Wiederholungen und Kontrollen gab, so bleiben immer noch 300 Veröffentlichungen übrig. Der einzige Weg, diese Daten verschwinden zu lassen, ist sie als Betrug oder Fehler zu bezeichnen. Das aber ist unmöglich! Wenn die Gutachter aber die genannten Maßstäbe anlegen, bleibt kein anderer Schluss übrig, als dass wirklich ein neuer und unbekannter Effekt vorliegt.





      Für den Fall, dass auch die zweite DoE-Überprüfung das Phänomen verneinen sollte, könnten sich die Forscher auf Prof. Brian Josephson berufen. Dieser hat am 29. Juni auf der alljährlichen Tagung der Nobelpreisträger in Lindau über "pathologischen Unglauben" in der Wissenschaft gesprochen und sich dabei vehement für die kalte Fusion eingesetzt.9 Diese sei 1989 mit nicht haltbaren Argumenten unter Mithilfe des DoE unter den Teppich gekehrt worden. Die weit verbreiteten Wissenschaftsjournale hätten damals und seitdem eine Veröffentlichungspolitik erkennen lassen, positive Ergebnisse nicht zu veröffentlichen. Josephson findet10 .




      --------------------------------------------------------------------------------

      Wenn man sich wirklich mit den mittlerweile vorliegenden Arbeiten beschäftigt, wird es schwer sein, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, als dass ein reales Phänomen vorliegt. Wenn dann immer noch gesagt wird, mit den Experimenten stimme etwas nicht, würde ich hoffen, dass das nicht akzeptiert wird.






      Zunehmende öffentliche Diskussion


      In Erwartung des Ergebnisses der Überprüfung ist es in den letzten Monaten vereinzelt zu Berichten in Fachzeitschriften und Massenmedien gekommen. UPI, Technology Review und der Boston Globe widmeten der aktuellen Entwicklung eigene Artikel. Spectrum Online schrieb die kalte Fusion sogar "zurück von den Toten". Mehrere Kommentatoren erwähnten die kalte Fusion in ihren Kolumnen. Peter Cockrane machte sich in Silicon.com Sorgen um die zukünftige Energieversorgung und sieht keine Lösung, "außer einem Wunder, plötzlich die kalte oder eine andere Form der Fusion zu realisieren". Auch George Monbiot schrieb im Guardian über das "hoffnungsvolle Monster" kalte Fusion, das "uns mit unbegrenzter Energie versorgen" könnte.11 Zuletzt war auch in Telepolis zu lesen, die Preisverleihung für den erfolgreichen Raumflug des SpaceShipOne könnte zu Durchbrüchen auf anderen Gebieten, etwa der kalten Fusion, führen.

      Generell wird die kalte Fusion oft als Metapher für eine Wunderlösung benutzt. Was als klassisches elektrochemisches Experiment begann, ist zu einem popkulturellen Mythos geworden. Es gibt nicht nur eine Software und eine Rockband mit Namen "cold fusion", sondern auch ein Theaterstück, in dem es um die Realität der kalten Fusion geht. Außerdem kam nach der Ankündigung des DoE-Reviews "Spiderman 2" in die Kinos. Im Film geht es um einen Forscher, dem ein entsprechendes Experiment misslingt, was dazu führt, dass ihm vier mechanische Arme wachsen und er von nun an die Welt beherrschen will, wovon Spiderman ihn natürlich abhalten muss. In den älteren Filmen Außer Kontrolle und The Saint geht es jeweils um die Jagd nach der "Formel" für eine nie versiegende Energiequelle. Von den kürzlich veröffentlichten Artikeln verdient es einer, näher auf ihn einzugehen.


      Kalte Fusion als Gefahr?


      Das US-amerikanische Technikmagazin Popular Mechanics schrieb in seiner August-Ausgabe unter der Überschrift "Gefährliche Wissenschaft", die kalte Fusion mache sich einen Namen als "billiger Weg, Kernwaffen herzustellen"12 :




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      Kalte-Fusions-Experiment in Japan haben gezeigt, dass es nicht nur möglich ist, Tritium herzustellen, das die zerstörerische Wirkung von Atomwaffen verstärkt, sondern auch angereichertes Uran. Uran kann Plutonium in Atombomben ersetzen, um Wasserstoffbomben zu zünden. Kalte Fusion könnte diese Bomben-Herstellungsverfahren potentiell ersetzen. (...) Die selben Tischexperimente, die der Menschheit den Traum unbegrenzter Energie erfüllen, könnten auch Ursache der größten Albträume sein: Selbstgemachte Wasserstoffbomben in der Hand von Terroristen, die die Zivilisation beenden wollen.





      In der gleichen Ausgabe findet sich auch ein Artikel zum Comeback der heißen Fusion.13 Hauptquelle des Artikels zur kalten Fusion ist Dr. Eugene Mallove, der 1991 die Fälschung von Experimentaldaten am MIT öffentlich gemacht hat. Mallove war einer der Hauptkämpfer für die kalte Fusion und Herausgeber des Magazins Infinite Energy, bis er am 14. Mai 2004 von Unbekannt umgebracht wurde. Laut Presseberichten könnte es einen Zusammenhang mit weiteren Morden und Raubdelikten geben.14 Die zuständige Polizei von Norwich, Connecticut, hat seit Anfrage weiterer Details vor gut drei Wochen und mehrmaliger Nachfrage noch nicht geantwortet.

      Zu Lebzeiten ist Mallove davon ausgegangen, Popular Mechanics (PM - nicht zu verwechseln mit dem deutschen Magazin PM) wolle sachlich über das Forschungsgebiet berichten. Seine Freunde, die Experimentatoren Alexandra und Dr. Paulo Correa, zitieren in ihrem offenem Brief an den PM-Autor Jim Wilson eine Mitteilung Malloves drei Tage vor dessen Tod15 :




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      Gestern habe ich einen ganzen Tag mit Jim Wilson verbracht, dem Chefredakteur für Wissenschaft von Popular Mechanics, dem ehrwürdigen Magazin (erhältlich in 27 Ländern) mit einer geschätzten Auflage von 10.000.000 (...) Es sieht so aus, als würde Wilson vollkommen positiv im Sinn der aufkommenden Wissenschaft und Technologie berichten - inklusive der Transmutations-Phänomene, vielleicht auch der Radioaktivitäts-Änderungen, usw., und einer Schelte des US-Patentamts und des Betrugs am MIT.





      Die Correas werfen Jim Wilson vor, Mallove posthum benutzt zu haben und das Gerücht zu verbreiten, durch kalte Fusion ließen sich Atomwaffen herstellen. Malloves größter Widersacher, Dr. Robert Park von der American Physical Society, der bis heute bestreitet, eine Kernfusion bei Raumtemperatur sei möglich, reagierte in seiner Kolumne auf die PM-Geschichte, er hätte Mallove für einen Kommentar nicht erreichen können.16 Was sind die Fakten abseits dieser Geschmacklosigkeit?


      Änderung der Radioaktivität in Transmutations-Experimenten


      Das Wasserstoff-Isotop Tritium wird in Wasserstoffbomben und sogenannten geboosteten Atombomben verwendet. Da die Hälfte eines Tritium-Vorrats in gut 12 Jahren jedoch zu Helium-3 zerfallen ist, muss Tritium-Nachschub bestehen, um ein Atomwaffenarsenal einsatzbereit zu halten. Da dem US-Militär der Nachschub an Tritium ausgehe, schrieb Popular Mechanics, könnte das DoE an kalter Fusion Interesse gefunden haben, weil sich damit der Tritium-Nachschub sichern lasse.

      Erste PM-Behauptung: "Kalte-Fusions-Zellen könnten bei minimalem Aufwand und Kosten den Nachschub an benötigtem Tritium sichern." Dr. Edmund Storms, einer der bestinformierten Forscher auf dem Gebiet, schreibt17 dazu in seinem Review:




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      Es hat über 200 Versuche gegeben, Tritium zu messen, wovon in 24 dieses Produkt berichtet worden ist, manchmal in signifikanten Mengen, aber nicht so viel, dass es für die anomale Energie verantwortlich sein könnte. Offenbar ist die Tritium-produzierende Reaktion schwer zu initiieren.





      Zweite PM-Behauptung: "Mallove sagte PM, dass zahlreiche kalte-Fusions-Experimente die Produktion von angereichertem Uran, Plutonium und Tritium erbracht haben." Wer Mallove kannte, weiß, dass er das nie gesagt hätte, weil es nicht den Tatsachen entspricht und Mallove diese immer genau genommen hatte. Eine der wenigen Experimente, in denen Uran überhaupt eine Rolle spielt, ist das bislang unbestätigte Experiment von Prof. John Dash (Portland State University, USA) und Dr. Dan Chicea ( Lucian Blaga Universität, Rumänien). Die beiden Physiker haben leichtes (also normales) Wasser mit Elektroden aus fast reinem natürlichen Uran gespalten. Natürliches Uran besteht zu 99,3 Prozent aus dem Isotop Uran-238 und nur zu 0,7 Prozent aus Uran-235, das für Bomben und die meisten Kraftwerke benötigt wird. Nachdem durch Elektrolyse Wasserstoffkerne (Protonen) in die Uran-Folie geladen worden waren, maßen die Experimentatoren im Uran/Protonen-Komplex eine Zunahme von Uran-235 und das Entstehen von Thorium-234.18

      Thorium-234 hat jeweils zwei Protonen und Neutronen weniger im Kern als Uran-238. Dash und Chicea interpretieren das Entstehen von Thorium-234 durch einen Alpha-Zerfall von Uran-238, bei dem ein Helium-Kern entsteht. Das Problem dabei: Uran-238 ist eigentlich sehr stabil. Dieses Experiment, aber auch andere, bei denen es offenbar zur Spaltung oder Umwandlung von Elementen (Transmutation) kommt, verdeutlichen, dass es nicht sinnvoll ist, das gesamte Forschungsgebiet als "kalte Fusion" zu bezeichnen. Das Experiment von Dash und Chicea ist eher "kalte Spaltung" - eine weitere anomale niederenergetische Kernreaktion in einer Metallumgebung. Als Oberbegriff für die neuen Reaktionen wird daher Low Energy Nuclear Reactions (LENR) verwendet ( Zur Theorie der kalten Fusion).


      Ein neuer Brutreaktor?


      Um die Zunahme des spaltbaren Uran-235 zu erklären, bieten Dash und Chicea einen Reaktionsmechanismus an, wie er von der Urananreicherung in sogenannten Brutreaktoren bekannt ist.




      Von Dash/Chicea vorgeschlagene Kernreaktion zur Erklärung der Uran-235-Zunahme: Uran-238 fängt ein Neutron ein und wird dadurch zu Uran-239. Dieses zerfällt zunächst in Neptunium-239 und dann in Plutonium-239. Dieses schließlich zerfällt unter Abgabe eines Alpha-Teilchens in spaltbares Uran-235.19






      Dash sagt, "es scheint, dass wir eine neue Art Brutreaktor entdeckt haben." Ähnlich dem kanadischen CANDU-Reaktor, der als einziger kommerziell erhältlicher Kernreaktor mit natürlichem Uran funktioniert, "könnte Uran-238 vielleicht verwendet werden, bis es endgültig zu Blei wird."

      Zusammenfassend ist in dem Experiment kein spaltbares Uran "produziert" worden, denn Uran war auch das Ausgangselement. Auch ermögliche das Verfahren nicht die Herstellung waffenfähigen Plutoniums, "denn es ist nur eine kleine Anreicherung möglich, keine große Anreicherung, wie sie für eine Bombe notwendig ist." Auf den PM-Artikel ist Dash denkbar schlecht zu sprechen20 : "Popular Mechanics hat ein sehr heikles Thema sensationalisiert. Das ist absolut unverantwortlich."

      Prof. Akito Takahashi, der an der japanischen Universität von Osaka selber Transmutationen und LENR erforscht21 , meint, erst einmal müsste das besagte Experiment erfolgreich wiederholt werden. Doch selbst in diesem Fall sei die Menge an Uran-235 oder Plutonium-239 "so gering, dass keine Gefahr besteht, dass Terroristen eine Bombe bauen. Dieses kann nur ein großes Land, von dem ich hoffe, dass es kein terroristisches Land ist."22


      Eine Frage für die Politik


      Alexandra und Paulo Correa werfen Popular Mechanics vor, effektiv für die Geheimhaltung der LENR-Forschung plädiert und der Wissenschaft einen Bärendienst erwiesen zu haben. Wenn schon ein Aspekt der Kernreaktionen bei Raumtemperatur ein Thema der nationalen Sicherheit sein sollte, "dann die Aussicht auf eine Technologie zur Energiegewinnung". Der Friedensforscher Michael Klare warnt, dass nicht der Terrorismus die größte Bedrohung der amerikanischen Sicherheit sei, sondern die Abhängigkeit von Ölimporten aus instabilen Ländern. Seit Januar ist der Ölpreis um 60 Prozent gestiegen. Mit Aufkommen einer neuen Energietechnologie ginge die Abhängigkeit vom Öl zurück. Die USA könnten ihre Truppen aus dem Nahen und Mittleren Osten zurückziehen und den islamistischen Terroristen die politische Argumentationsgrundlage entziehen.

      Über zehn Prozent der Länder der Erde sind bei ihrer Trinkwasserversorgung von anderen Ländern abhängig. "Sogar Nationen mit genug eigenen Reserven haben ernste Verteilungsprobleme", schrieb der ehemalige Navy-Forscher David Nagel 2000 in seinem Aufsatz "Fusionsphysik und Philosophie". Mit grassierender Wasserknappheit und dem Rückgang der Ölförderung könnte die Entsalzung von Meerwasser und der Transport in wasserarme Regionen "eine sehr wichtige Anwendung der Energie" aus der kalten Fusion sein. Konflikte um Wasser könnten sich eventuell vermeiden lassen.23

      Hinzu kommen Forschungsergebnisse die andeuten, dass durch LENR die Radioaktivität von Sondermüll verringert werden könnte.24 Ukrainische und russische Universitäten berichten sogar, bestimmte wachsende Bakterienkulturen würden radioaktive Isotope in Sondermüll aus Kernkraftwerken in stabile Isotope und andere harmlose chemische Elemente umwandeln.25

      Gerade die Tatsache, dass die US Navy in den USA die meisten LENR-Forschungslabore finanziere, lasse laut den Correas wenig Raum für Zweifel, "dass [amerikanische] militärische Einrichtungen seit langem Interesse an der kalten Fusion und LENR haben." Tatsächlich hat die Navy ihre Forschung mit vorbildlicher Offenheit betrieben. Außerdem dürfte die amerikanische Politik durch die JASON-Gruppe und das regierungsnahe Hoover-Institut mindestens sporadisch über den Stand der Forschung informiert worden sein.26

      Jetzt vor der US-Präsidentenwahl definieren beide Kandidaten auch die Wissenschaftspolitik, mit der sie die Wahl zu gewinnen denken. Beide nennen die Ziele, die Abhängigkeit von Ölimporten zu verringern und erneuerbare Energien zu fördern. Wenn John Kerry seinem Kontrahenten vorwirft, die Wissenschaft politisiert zu haben, weist George W. Bush auf die Ausweitung der Forschungsgelder hin.27 Erst im August hat das amerikanische Repräsentantenhaus beschlossen, dem Energieministerium nächstes Jahr gut eine sechstel Milliarde Dollar mehr für Grundlagenforschung zur Verfügung zu stellen, insgesamt 3,6 Milliarden Dollar.

      Kerry wiederum betont häufig, alle Materialien zur Herstellung von Atomwaffen wie solche selber zu behandeln und überall auf der Welt sichern zu wollen. Dass hinsichtlich der kalten Fusion die Blicke über den Atlantik gerichtet bleiben, dafür sorgt etwa die deutsche Bundesregierung. Sie will ihr forschungspolitisches Handeln vom Ergebnis der DoE-Überprüfung abhängig machen.


      Nächste Konferenz zur kalten Fusion


      Es spricht alles dafür, dass es kalte Fusion und niederenergetische Kernreaktionen gibt. "Die tragende, noch offene Frage ist, ob dieses Phänomen hochskaliert werden kann, um eine kommerzielle Energiequelle zu werden", sagt Professor Nagel. Die Hoffnung liegt auf den Schultern einer verantwortungsvollen Politik, die Erforschung der LENR endlich in voller Breite zu beginnen, damit möglichst bald Anwendungen entstehen können.

      Über "Auswirkungen der kalten Fusion auf unser Leben" wird es auch auf der elften Internationalen Konferenz über Condensed Matter Nuclear Science ( ICCF11) gehen. Diese findet vom 31. Oktober bis zum 5. November im französischen Marseille statt. Hauptredner ist der Physik-Nobelpreisträger Josephson. Nachdem letztes Jahr gezeigt werden konnte, dass eine kalte-Fusions-Zelle transportiert und an einem anderen Ort trotzdem optimal betrieben werden kann28 , soll auch dieses Jahr - von französischen Studenten - in einem Experiment die Produktion von Überschusswärme demonstriert werden. Der Tagungsleiter Prof. Jean Paul Biberian von der Universität Marseille erwartet, dass die Konferenz ein "Wendepunkt für die Anerkennung der Erforschung von Kernreaktionen bei niedrigen Energien als eigenständiges Forschungsgebiet" sein wird.
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      schrieb am 22.10.04 22:04:27
      Beitrag Nr. 1.968 ()
      Deutschland

      Karstadt, Opel usw. - Bittere Früchte der Globalisierung

      von Karl Müller, Deutschland


      Mitte letzter Woche hat die US-amerikanische Konzernzentrale von General Motors (GM) angekündigt, bis Ende 2006 in den europäischen Werken 12000 Arbeitsplätze zu streichen, davon rund 10000 allein bei Opel in Deutschland. 90 Prozent der Streichungen sollen schon im Jahr 2005 erfolgen. Kündigungen wurden nicht ausgeschlossen. 500 Millionen Euro sollen bis 2006 eingespart werden.

      Die Ankündigung der Konzernzentrale hat ein enormes Echo hervorgerufen. Dabei stehen sich zwei Positionen gegenüber. Die eine, zum Beispiel vertreten vom Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, führt die Tatsache, dass Deutschland ins Zentrum der Stellenstreichungspläne geraten ist, auf die schlechten Standort- und Wettbewerbsbedingungen Deutschlands zurück: Mitbestimmung von Gewerkschaftsvertretern in den Aufsichtsräten, zu hohe Lohnkosten, zu hohe Unternehmenssteuern, zu stark regulierter Arbeitsmarkt, zu geringe Gewinnaussichten.

      Die andere Position wird von Politikern, Gewerkschaftsvertretern und «Automobil-experten» vertreten. Diese sprechen von schwerwiegenden Managementfehlern, die nun auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen würden. GM habe die bisherigen Strukturreformen nur halbherzig durchgeführt, werde zu zentralistisch von der Konzernzentrale aus geführt, habe mit früheren radikalen Sparprogrammen die Qualität der einst sehr geschätzten Automobile sträflich vernachlässigt, sich zuwenig an den europäischen Markt angepasst, zum Beispiel noch zu stark auf Mittelklassewagen gesetzt, wo sich der europäische Markt doch zunehmend auf teure Oberklassemodelle oder aber preiswerte Kleinwagen polarisiere, habe zuwenig seine Produktpalette erweitert.

      Für beide Positionen finden sich Argumente. Aber gehen sie nicht am wesentlichen vorbei? Globalisierung heisst auch: immer schneller, immer schneller alles anders, immer gieriger, immer rücksichtsloser, immer weniger für immer mehr und immer mehr für immer weniger Menschen. GM hat im dritten Quartal des Jahres seinen Reingewinn um 3,5 Prozent auf 440 Millionen Dollar erhöht. Dieser Gewinn geht ausnahmslos auf Finanzgeschäfte zurück. Das weltweite Automobilgeschäft aber wurde weiter in die roten Zahlen gefahren, trotz erhöhter Umsätze und erhöhter Marktanteile, auch in Europa - der scharfe internationale Preiswettbewerb im Automobilgeschäft habe die Erträge weiter unter die Gewinnzone sinken lassen.

      Wie vernünftig ist es, wenn mit Geld immer mehr Geld gemacht werden kann und die Produktion und die Nachfrage zugrunde gerichtet werden, weil beiden das notwendige Geld entzogen wird? «Wut» ist das Wort, dass im Zusammenhang mit den Reaktionen der betroffenen Arbeiter der deutschen Opel-Werke am häufigsten genannt wird. Diese Wut ist sehr gut zu verstehen. Menschen, die mit ihren Werken seit Jahrzehnten verbunden sind, die fleissig gearbeitet haben, die mit ihrer Arbeit die Hoffnung auf eine Zukunft verbanden, sollen nun nicht mehr gebraucht werden, nur noch ein störender Kostenfaktor sein? Wie menschlich ist es, die Menschen durchs Leben zu hetzen und ihnen ein Leben in Würde immer mehr zu erschweren?


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      Auch in der CDU gibt es Widerstand gegen den Globalisierungskurs


      km. Vor gut einem Jahr, am 1. Oktober 2003, hielt die Vorsitzende der CDU, Angela Merkel, unter dem Titel «Quo vadis Deutschland?» eine Grundsatzrede, mit der sie die Partei auf einen strikten Globalisierungskurs einschwören wollte. Dies in deutlicher Abkehr von den ersten Jahrzehnten nach dem Weltkrieg, als der soziale Gedanke und die Ideen der christlichen Soziallehre in der CDU einen Platz gehabt hatten.

      Schon vor der Rede der Parteivorsitzenden und vor allem mit und nach dieser Rede verschwanden solche Stimmen des sozialen Ausgleichs aus der öffentlichen Diskussion. Statt dessen übertraf die Partei die rot-grüne Regierung in ihren Forderungen nach einem Abbau bisheriger sozialstaatlicher Regelungen, zuletzt im Leitantrag der Parteiführung für den nächsten Parteitag, der unter anderem fordert: weniger Kündigungsschutz, längere Arbeitszeit ohne mehr Lohn, Verlängerung der Lebensarbeitszeit, weniger Lohn für untere Einkommensgruppen, Möglichkeiten untertariflicher Bezahlung.

      «Orientierung» oder Tribut an die Chefetagen?
      Widerstand gegen die neue Parteilinie war öffentlich fast nicht mehr zu hören. Im Gegenteil, einflussreiche Kräfte fordern einen noch viel schärferen Kurs. Der Wirtschaftsrat der CDU - eine der Partei nahestehende Vereinigung, die im wesentlichen aus Vertretern der Grossindustrie besteht - hat erst kürzlich wieder die Partei davor gewarnt, ihre Beschlüsse vom Dezember 2003 (die folgten der damaligen Linie der Parteivorsitzenden) «zu verwässern». («Frankfurter Allgemeine Zeitung» vom 11. Oktober) Ende 2003 hätte die Partei «die Orientierung geboten, die Unternehmer bräuchten». Nun aber sei die Wirtschaft «enttäuscht und besorgt» und fürchte um die «von uns allen so sehr erwünschte wirtschaftliche Dynamik».

      Mit den Wahlverlusten der letzten Wochen (Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg, Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen) meldeten sich aber auch andere Stimmen zu Wort, unter anderen die des Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) in der CDU, Hermann-Josef Arentz. Auf einer Regionalkonferenz der CDU im nordrhein-westfälischen Hamm am vergangenen Wochenende reagierte er auf die Vorstellung des neuen Leitantrags laut «Frankfurter Rundschau» vom 11. Oktober mit den Worten: «Einige Leute hantieren mit Flugbenzin in der Landschaft.» Er forderte die Partei auf, auch an die kleinen Leute zu denken und nicht nur an die Chefetagen.

      Gegen «neoliberale Reform-Gurus»
      Solche Äusserungen passen gut zu einem Buch, das Arentz geschrieben hat.* Dort finden sich bemerkenswerte Sätze. «Die wichtigste politische Frage im Zeitalter der Globalisierung», so Arentz, «ist die soziale Frage.» Die CDU müsse «den Angst verbreitenden neoliberalen Reform-Gurus eine menschliche, Vertrauen schaffende [...] Reformperspektive entgegensetzen.» «Die wachsende Zahl der Ausgegrenzten - ausgegrenzt aus dem Arbeitsmarkt, ausgegrenzt von der Teilhabe am Wohlstand, ausgegrenzt aus der Gesellschaft» mache sozialpolitisches Engagement auch in Zukunft notwendig. Die «Glaubwürdigkeit des `C`» im Parteinamen stehe und falle «mit ihrem Engagement für die Schwachen in unserer Gesellschaft». Deshalb dürfe es nicht zugelassen werden, «dass der Sozialstaat durch Neoliberale diffamiert und kurz und klein geschlagen wird. [...] Wer [...] zum Ausstieg aus dem deutschen Sozialstaatsmodell [...] rät», verrate «die Identität der CDU».

      Wieviel Ungleichheit verträgt das Land?
      Es dürften «nicht alle Bereiche des menschlichen Lebens und Arbeitens ausschliesslich den Regeln des nackten Wettbewerbs» unterworfen werden. «Sonst bleibt die Menschlichkeit auf der Strecke. Die Gefahr ist riesengross. Und unsere Gesellschaft geht zugrunde, wenn alles und jedes nur noch nach den Gesichtspunkten des Marktes und der wirtschaftlichen Rationalität behandelt wird. Die christliche Soziallehre lehrt uns: Der Mensch ist wichtiger als die Sache. [...] Die Würde des Menschen verlangt, dass er nie als Mittel zum Zweck, als verfügbare Masse, als Faktor in einer Gewinn- und Verlustrechnung behandelt werden darf. Jeder Mensch hat seine eigene unveräusserliche Würde und darf keineswegs als Objekt, sondern muss stets als Subjekt betrachtet werden. Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit sind Werte, die der menschlichen Natur gerecht werden.» Aber: «Die persönliche soziale Lage vieler Menschen ist heute ernster und gefährdeter als je zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. [...] Wie viel Ungleichheit verträgt das Land? Wenn wir die wachsende Spaltung in Deutschland zwischen reich und arm, zwischen jenen, denen alle Türen offenstehen, und den Chancenlosen, wenn wir diese wachsende Spaltung nicht bald stoppen», dann, so Arentz, werde es «einen kräftigen Linksrutsch oder eine Radikalisierung der Wähler geben.»

      * Hermann-Josef Arentz, Sozialstaat im Härtetest, Düsseldorf 2004


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      Brauchen wir ein neues Geldsystem?


      von Peter Aebersold
      Unser Geldsystem ist destruktiv und instabil, sagt Bernard Lietaer, einer der Väter des Euro. Die Instabilität ergibt sich aus den Zahlen der OECD und der Weltbank. In den vergangenen 30 Jahren hat es in 87 Ländern Währungskrisen gegeben. Die Krisen in Mexiko 1995, in Asien 1997, in Russland 1998 oder in Ecuador 1999 sind nur die Spitze des Eisberges. Der anerkannte Experte will die Macht des Geldes brechen, indem er es von Zinsen und Gier befreit.

      Auch andere Beispiele zeigen, dass in unserem Geldsystem etwas schiefläuft. Nach Angaben der Weltbank flossen zwischen 1980 und 1986 Zinszahlungen in Höhe von 326 Milliarden Dollar aus 109 Schuldnerländer an die privaten Gläubigerbanken. Im gleichen Zeitraum wurden ausserdem Schulden in Höhe von 332 Milliarden Dollar getilgt. Es wurden also 658 Milliarden Dollar bezahlt, wohingegen die ursprünglichen Schulden 430 Milliarden betragen hatten. Trotzdem schuldeten diese 109 Länder ihren Gläubigern 1986 immer noch 832 Milliarden Dollar. Das Zusammenspiel von enorm überhöhten Zinsen und schwankenden Wechselkursen hatte einen für die privaten Banken vorteilhaften, weil unentrinnbaren Schuldenstrudel erzeugt.

      Die Geldströme haben sich so weit von den Warenströmen entfernt und eine riesige weltweite Spekulationsblase gebildet. Diese erlaubt einzelnen Spekulanten mittels Währungsspekulation ganze Volkswirtschaften in die Knie zu zwingen (Tigerstaaten, England, Argentinien usw.). Die Volkswirtschaften stehen der Vernichtung von Milliardenvermögen durch Börsencrashs und dem Zusammenbruch der grössten Weltunternehmen (Enron, Woridcom usw.) machtlos gegenüber. KMU bezahlen seit ein paar Jahren massiv höhere Bankzinsen als Grossunternehmen, obwohl sie nachweisbar krisensicherer sind.

      Obwohl sich Welt und Wirtschaft dramatisch verändert haben, wurde unser Geldsystem seit dem Mittelalter nie den neuen Verhältnissen angepasst. Dass wir heute dieses Geldsystem haben, ist mehr oder weniger Zufall, weil im goldenen Zeitalter der Gotik (1250-1500) das während 300 Jahren sehr erfolgreiche Brakteaten-System wegen Missbrauchs durch die Fürsten bei der Bevölkerung in Ungnade fiel. Unser heutiges Geldsystem wurde schon im Mittelalter kritisiert. Von den drei Funktionen des Geldes als Zahlungsmittel, Recheneinheit und Wertspeicherungsmittel ist letztere wegen der Spekulationsmöglichkeiten umstritten. Das Horten und Verleihen von Geld ermöglicht, dank der damit verbundenen Zinseinnahmen, eine Machtposition gegenüber dem Geldnehmer einzunehmen, die nicht mehr dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage der freien Marktwirtschaft entspricht und deshalb zu Abhängigkeit und Wucherzinsen führt. Schuldner, die den steigenden Zins nicht mehr bezahlen können, geraten in die Schuldenfalle (heute: Drittweltländer). Im Mittelalter gerieten sogar Kaiser und Päpste in die Abhängigkeit von Bankiers wie den Fuggern und mussten bis zu 60% Wucherzinsen bezahlen. Um solche Missstände zu verhüten, haben die damaligen sozialen Institutionen, die Kirchen, ein Zinsverbot (kanonisches Zinsverbot 1215) verfügt, das beim Islam bis heute gilt. Geld wurde ähnlich wie Grund und Boden, Wasser und Minerale als Gemeinbesitz des Volkes betrachtet, Zinsen galten als unsittlich.

      Seit dem Mittelalter gab es immer wieder Vorstösse für ein gerechteres Geldsystem. Diese versuchten zu verhindern, dass Geld dem Wirtschaftkreislauf entzogen und gehortet wurde. Im Brakteaten-System wurde das bisherige Geld vom Fürsten eingezogen und durch neues ersetzt. Geld, das bis zum Umtauschzeitpunkt nicht ausgegeben wurde, musste zu einem tieferen Wert umgetauscht werden. Die Differenz behielt der Fürst als Gebühr für das Herstellen und Verwalten des Geldes.

      1931 wurden in der deutschen Gemeinde Schwanenkirchen und in Wörgl im Tirol erfolgreiche Experimente auf Grund der Freigeldtheorie von Silvio Gesell durchgeführt. Als Hauptursache für die damalige Wirtschaftslähmung und die grosse Arbeitslosigkeit wurde der langsame Geldumlauf erkannt. Die Gemeinde begann die Arbeitslosen mit Strassenarbeiten usw. zu beschäftigen und bezahlte sie mit durch Bargeld gedeckte Arbeitswertscheine. Mit diesen konnte man dann in der Gemeinde einkaufen und auch Steuern bezahlen. Damit diese Arbeitswertscheine immer im Kreislauf blieben und nicht gehortet wurden, musste man sie nach einer gewissen Zeit mit einer Marke versehen, damit sie ihren Wert behielten. Eine Weiterverbreitung dieses erfolgreichen Experimentes wurde durch das Verbot der Nationalbank verhindert. Im Vorfeld des zentralistisch-diktatorischen Nationalsozialismus war Gemeindeautonomie unerwünscht.

      Dass man selbst im Zeitalter der Globalisierung ohne Zinsgewinne erfolgreich sein kann, beweisen die islamischen Banken. Seit 1982 hat sich das Gesamtvermögen islamischer Finanzinstitutionen um mehr als das Vierzigfache (!) erhöht. Heute wird dieses Vermögen auf über 230 Milliarden Dollar geschätzt. Bei der Einrichtung eines modernen islamischen Bankwesens konzentrierte man sich auf partnerschaftliche Modelle mit gemeinsam getragenen Gewinn- und Verlustchancen, die finanzschwachen Unternehmern mit guten Geschäftsideen bessere Möglichkeiten boten.

      In der Schweiz gibt es seit 1993 unter dem Namen «Talent» eine regionale Zweitwährung neben dem Schweizerfranken. Das «Talent» ist eine praktische Umsetzung der freiwirtschaftlichen Geldtheorie, das heisst, es ist umlaufgesichert und zinsfrei. Es zeigt einen Weg auf, um den Kreislauf von Schulden, Zinslasten und Abhängigkeit zu durchbrechen.


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      «Nirgends einer, der anführte. Jeder ein Anführer durch sein Dabeisein.»
      Eindruck eines Teilnehmers an der ersten grossen Montags-Demonstration 1989, zitiert nach: Reinhard Bernhof. Leipziger Protokoll, in: Aus Politik und Zeitgeschichte vom 4.10.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
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      schrieb am 22.10.04 22:16:35
      Beitrag Nr. 1.969 ()
      Thema
      Werner Rügemer

      Der Berater-Staat

      Wie McKinsey, Price Waterhouse Coopers und die globale Beraterbranche den Staat privatisieren (Teil 1)


      Wenn von Globalisierung und Privatisierung gesprochen wird, dann bleiben wesentliche Akteure meist ausgeblendet: Die Berater. Ich meine damit nicht die Politik- und Kommunikationsberater wie Hunzinger und die neue Berliner Beraterbranche, in der ehemalige Politiker, Unternehmensvorstände und Bild-Redakteure ein undurchsichtiges Netzwerk bilden. Gemeint ist eine weniger spektakulär, aber nachhaltiger arbeitende Branche: Unternehmensberater wie McKinsey, Wirtschaftsprüfer wie Price Waterhouse Coopers und Wirtschaftskanzleien wie Freshfields Bruckhaus Deringer. Sie bilden eine global agierende Privatarmee von etwa einer Million hochbezahlter Profis.

      Sie sitzen mittlerweile in den Bundesministerien, in der Bundesagentur für Arbeit, in der Bundeswehr, in den Landesregierungen und Stadtverwaltungen, in Krankenhäusern und Kirchen. Doch die Öffentlichkeit scheint das immer noch nicht richtig zu bemerken. Wer sind die Berater? Warum werden sie, die jahrzehntelang Privatunternehmen auf Profit trimmten, nun auch vom Staat geholt? Sorgen sie für »ökonomische Effizienz«, für neue Arbeitsplätze und für die Entschuldung des Staates, wie sie und ihre neuen Auftraggeber versprechen?

      Die marktbeherrschenden Beraterfirmen haben ihren Sitz meist in den USA. Hier erfuhr die Branche die Ausprägung, die heute global bestimmend ist. Man kann drei Gruppen unterscheiden: Die Unternehmensberater, die Wirtschaftsprüfer, die Wirtschaftsanwälte.


      Die Unternehmensberater

      Wie kein anderer Name steht McKinsey für die Unternehmensberater: 1926 gegründet, entwickelte die Beratertruppe, die heute mit 100000 Mitarbeitern selbst einen globalen Konzern darstellt, die konsequentesten Methoden für einen aggressiven betrieblichen Kapitalismus. Das McKinsey-Konzept besagt: Mehr Gewinn mit weniger Personal. Der jeweilige Unternehmensvorstand will das ohnehin, aber als Empfehlung »unabhängiger«, externer Berater läßt es sich leichter durchsetzen.

      McKinsey hat wesentlichen Anteil an der Herausbildung des typischen US-Unternehmensmodells, das auf der möglichst weitgehenden Externalisierung (Verlagerung nach außen) der Produktionskosten auf die »stakeholder« beruht, also auf die Arbeiter und Angestellten, auf die Umwelt sowie auf die jeweiligen Standorte, die Kommunen und den Staat. Diese im Unternehmens-, Umwelt-, Steuer- und Arbeitsrecht abgesicherte Abwälzung von möglichst vielen Produktionskosten auf Dritte geht weiter als im bisherigen europäischen Kapitalismus.

      Das trifft insbesondere die einfachen Beschäftigten, obwohl sie ja eigentlich zum Unternehmen gehören. »Das amerikanische Unternehmensrecht ignoriert die Arbeitnehmer. Aus seiner Sicht spielen sie in der Struktur des Unternehmens und bei seinen Rechtspflichten keine Rolle«, faßt der Jurist Lawrence Mitchell zusammen. Dagegen zielt McKinsey auf die Entfaltung und Steigerung der Motivation und der Privilegien des Managements. Deshalb gibt es nirgends sonst im entwickelten Kapitalismus solche Unterschiede zwischen den Einkommen und vor allem den betrieblichen Zusatzleistungen des Topmanagements einerseits und der Masse der Beschäftigten andererseits wie im typischen US-Unternehmen.

      Das Elitebewußtsein, das im beratenen Management erzeugt werden soll, wird auch im eigenen Haus gezüchtet. Man holt sich die besten Absolventen der Eliteuniversitäten. Die Anfangsgehälter beginnen bei 90000 Dollar im ersten Jahr und steigen schnell an. Sie werden durch Prämien für besonders erfolgreiche Auftragserledigung aufgebessert. Mit dem Elitekult geht der Jugendkult einher: Das Durchschnittsalter der Berater ist 32 Jahre. So sehr das elitäre Image der McKinsey-Familie gepflegt wird, so gnadenlos wird auch entlassen: Als die Aufträge wegen des betrügerischen Konkurses der beratenen Firma Enron zurückgingen, forderte die McKinsey-Leitung 2000 Mitarbeiter auf, sofort auszuscheiden.

      Den Durchbruch erlebte McKinsey in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, als Gewerkschaften (wieder) stark wurden und der Staat mit dem New Deal soziale Reformen beförderte. McKinsey wurde von den Unternehmensvorständen zur Gegenwehr gegen die bis heute attackierten Standardfeinde‚ Wohlfahrtsstaat und Gewerkschaften, eingesetzt. Das blieb auch so nach dem Zweiten Weltkrieg. McKinsey hat langjährige Beraterverhältnisse mit 147 der 200 größten Unternehmen der Welt. Weitere Unternehmensberatungen wurden nach dem Muster McKinsey gegründet. Das Vorbild hält heute immer noch 40 Prozent des Welt-Unternehmensberatungsmarktes, danach kommen Booz Allen Hamilton und A.T.Kearney (eine Abspaltung von McKinsey). Die jüngeren Beratungsunternehmen, die in den 70er Jahren entstanden, Boston Consulting Group und Bain, haben Marktanteile von zwölf bzw. zehn Prozent.


      Die Wirtschaftsprüfer

      Die Wirtschaftsprüfer sind die Schriftgelehrten des Neoliberalismus. Sie interpretieren die hochkomplizierten Bilanzvorschriften, die sie selbst verfassen und passen sie an die Anforderungen der Unternehmensvorstände an.

      Bilanzmanipulationen waren eine wesentliche Ursache des Börsencrashs und der Weltwirtschaftskrise 1929/33. Damit sich das nicht wiederholt, wurde in den USA die Buch- und Bilanzprüfung für alle börsennotierten Unternehmen und Banken zur gesetzlichen Pflicht. Die deshalb in den 30er Jahren eingerichtete staatliche Börsenaufsicht Security Exchange Commission (SEC) vergibt seitdem die Lizenz für die Wirtschaftsprüfungsunternehmen, die im staatlichen Auftrag die Buch- und Bilanzprüfung durchführen.

      Doch der gesetzliche Auftrag wird seit Jahrzehnten immer mehr unterlaufen. Deshalb kam es ja wieder zum »Platzen der Blase« der New Economy. Wirtschaftsprüfer schützen das finanzielle Innenleben der ›geprüften‹ Konzerne vor der Öffentlichkeit und dem Staat. Das Topmanagement von geprüften Unternehmen und Prüfern ist hochverfilzt: So stellte die SEC im Jahre 2000 beispielsweise fest, daß 1885 führende Mitarbeiter des Prüfungsunternehmens Price Waterhouse Coopers (PWC) Aktien der überprüften Unternehmen hielten und private Kredite von ihnen bezogen. Neben die Prüfung ist in immer größerem Umfang die Beratung getreten: Dreiviertel aller Wirtschaftsprüfer sind gleichzeitig Steuerberater. Sie sind zudem auch als Vermögensberater für Vorstandsmitglieder und Topmanager tätig.

      Zur New Economy der 90er Jahre steuerten die US-Wirtschaftsprüfer die »kreative Buchführung« bei. Dazu gehört die Möglichkeit, daß die Unternehmensausgaben für Aktienoptionspläne des Topmanagements und die Schulden ausgelagerter Briefkastenfirmen nicht bilanziert werden. Dazu gehört weiter die Möglichkeit, Vermögen und Zahlungsströme für mehrere Unternehmen und Eigentümer gleichzeitig zu nutzen. Ein Instrument der kreativen Buchführung sind die Special Purpose Vehicles (SPV), eine juristische Aufrüstung der alten Briefkastenfirmen.

      In Deutschland wurden als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise 1929/33 die Wirtschaftsprüfer in ähnlicher Weise wie in den USA vom Staat mit hoheitlichen Aufgaben betraut. Die Prüfer stützen ihre Tätigkeit als Abschluß- und Bilanzprüfer auf die gesetzlich vorgeschriebene Publizitätspflicht der Kapitalgesellschaften. Dabei steht die ebenfalls gesetzlich vorgeschriebene Verschwiegenheitspflicht bezüglich der Betriebsgeheimnisse des geprüften Unternehmens über einer Mitteilungspflicht gegenüber dem Staat, auch bei möglichen Straftaten. Die geforderte Unabhängigkeit wird dadurch unterlaufen, daß die Prüfer vom geprüften Unternehmen beauftragt und bezahlt werden. Die Beauftragung für die Folgejahre hängt auch davon ab, wie gefällig sich die Wirtschaftsprüfer gegenüber dem Unternehmensvorstand erweisen.

      Seit den 50er Jahren sind die US-Wirtschaftsprüfer auch in Deutschland präsent. Wie ihre Kollegen von McKinsey übernahmen sie die großen deutschen Unternehmen als Kunden. Price Waterhouse Coopers (PWC), KPMG, Ernst & Young und Deloitte »prüfen« nicht nur alle DAX-Unternehmen, sondern auch die großen Staats- und Kommunalunternehmen.

      Je nach Anweisung des Unternehmensvorstands können die Prüfer Bewertungen von Immobilien ins Gegenteil verkehren (z.B. bei Telekom und Berliner Bankgesellschaft), den Firmenwert variieren, den Bilanzgewinn nach den »Erwartungen« des Vorstands ansetzen, die Aktienoptionen des Topmanagements nach dem »inneren Wert« herunterspielen. Zwischen bilanziellen und außerbilanziellen Geschäften wird jongliert. Aus einem Eigentümer eines Wirtschaftsgutes können Wirtschaftsprüfer auch zwei oder drei Eigentümer machen, wie etwa beim Steuerkonstrukt Cross Border Leasing. KPMG zauberte beim Unternehmen Flowtex aus einem Bohrgerät mit Hilfe von zehn verschiedenen Briefkastenfirmen zehn Bohrgeräte.

      Die Wirtschaftsprüfer sind aufgrund ihrer hoheitlichen Aufgabe so privilegiert, daß noch kein einziger in den Betrugsfällen wie Enron, Flowtex, Bremer Vulkan, Holzmann, Comroad usw. wegen Bilanzfälschung verurteilt wurde.


      Anwaltskanzleien

      Früher als im Rest der Welt haben sich in den USA Anwälte zu Großkanzleien zusammengetan, insbesondere im Bereich des Wirtschaftsrechts. Wie bei den Wirtschaftsprüfern, wurden die Anwälte der Unternehmen sehr bald auch deren Lobby. Die Kanzleien mit bis zu 3000 Anwälten sind selbst große Unternehmen, law firms. Sie sind mit Niederlassungen oder aufgekauften einheimischen Kanzleien in den wichtigsten Standorten aktiv, in Tokio und Peking ebenso wie in Moskau, Brüssel, Berlin, Frankfurt und Düsseldorf. Ausgehend von der Praxis in den USA vermischen sie ihre anwaltliche Tätigkeit mit Lobby, Public Relations, Steuerberatung und Treuhänderschaften.

      Das 1995 in den USA verabschiedete und 1998 ergänzte Gesetz zur Kontrolle und Transparenz des Lobbyismus (Lobbying Disclosure Act) läßt den Anwaltskanzleien eine komfortable Lücke. Sie brauchen sich nicht als Lobby registrieren zu lassen, weil sie nur einen Teil ihrer Tätigkeit für Lobby aufwenden und nur einen Teil ihrer Honorare damit verdienen, auch wenn deren objektiver Umfang größer ist als bei manchen Voll-Lobbyisten. So sind große Wirtschaftskanzleien ein Inbegriff der politischen Verfilzung.

      Darüber hinaus genießen sie ähnliche hoheitliche Privilegien wie die Wirtschaftsprüfer: Ein »opinion letter«, eine gutachterliche Stellungnahme für ein Unternehmen zu einem komplizierten Steuerkonstrukt, die dem Finanzamt vorgelegt wird, gilt als eine rechtswirksame Unbedenklichkeitsbescheinigung. Die Stellungnahme gilt als Ausweis der Gutgläubigkeit des Unternehmens (corporate good faith), das dann etwa für Bilanzfälschung oder Steuerhinterziehung nicht haftbar gemacht werden kann. Derartige hochdotierte Stellungnahmen wurden etwa auch bei solchen Steuerumgehungsmodellen eingesetzt, die sich später als rechtswidrig herausstellten.

      Seit Anfang/Mitte der 90er Jahre breiten sich die großen US-Kanzleien in Europa aus. Sie gründen Niederlassungen wie etwa Allen & Overy, oder sie erweitern sich durch Aufkäufe europäischer Kanzleien, aus denen etwa in Deutschland neue Kanzleien wie Freshfields Bruckhaus Deringer und Clifford Chance Pünder entstehen. Inzwischen haben sich auch deutsche Großkanzleien nach diesem Vorbild entwickelt. So vereinigen etwa Heuking Kühn & Partner und Rödl & Partner in ihren Kanzleien ebenfalls Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.

      Die von staatlicher Aufsicht weitgehend befreite New Economy der 90er Jahre geht nicht zuletzt auf die Lobby der Beraterfirmen in Washington zurück. Sie gehören zu den großen Geldspendern der beiden US-Großparteien während der 90er Jahre. Schrittweise wurde die bis dahin in kapitalistischen Staaten einzigartige Börsenaufsicht entmachtet. Ebenso wurde die Anti-Trust-Gesetzgebung (Glass-Steagall-Act von 1933) weitgehend außer Kraft gesetzt. »Privatisierung« wurde zum Programm. Dies prägt seit einem guten Jahrzehnt auch die Weltwirtschaft.

      Im Jahre 2000 stand das Strom- und Gasunternehmen Enron in der Liste der US-Unternehmen an siebter Stelle. Der Vorstandsvorsitzende Kenneth Lay galt als nationale Leitfigur der New Economy. Er hatte vom Firmensitz in Houston/Texas aus den Aufstieg von George W. Bush zum Gouverneur gefördert und spielte für die Energie- und Finanzpolitik der Republikanischen Partei wie dann auch ab 2000 für die Regierung von Bush eine entscheidende Rolle. Unternehmensberater war McKinsey, Wirtschaftsprüfer war Arthur Andersen, die juristischen Berater kamen von der Wirtschaftskanzlei Vinson & Elkins.

      McKinsey, seit 1987 ständig für Enron tätig, rühmte sich, bei Enron eine der weitestgehenden Innovationen der modernen Unternehmensgeschichte umgesetzt zu haben: Enron ist »eines der innovativsten Unternehmen der Welt, indem es die traditionellen industriellen Strukturen angreift und atomisiert«, rühmte McKinsey noch im Jahr des Enron-Konkurses 2000. Seit 1990 wechselten zahlreiche McKinseyisten als Topmanager zum beratenen Unternehmen. Die Berater unterzogen die Enron-Beschäftigten zweimal jährlich einer Leistungsbeurteilung. Wer im oberen Drittel der jeweiligen Abteilung eingestuft wurde, erhielt Prämien, die 60 Prozent höher waren als für die Beschäftigten, die im mittleren Drittel landeten. Die Beschäftigten im unteren Drittel erhielten keine Prämien; der Hälfte von ihnen wurde das Ausscheiden nahegelegt. Die Beschäftigten mußten sich Teile ihres Lohns als Aktien auszahlen lassen, ebenfalls wurden sie gedrängt, ihre Alterssicherung in Enron-Aktien anzulegen. Gleichzeitig war es den gewöhnlichen Beschäftigten verboten, ihre Enron-Aktien zu verkaufen, während das Topmanagement seine Aktien vor dem Konkurs ohne Wissen der Belegschaft zu günstigen Werten veräußern konnte.


      Der Enron-Skandal

      Wirtschaftsprüfer bei Enron war das ehemals weltweit größte Unternehmen dieser Art, Arthur Andersen, ebenfalls seit 1986 bei Enron. Andersen agierte auch als Steuerberater. In dieser üblichen Doppelrolle richteten die Andersen-Leute Tausende Special Purpose Vehicles (SPV) in Finanzoasen ein und verwalteten sie durch ihre Niederlassungen auf den Cayman Islands und den Bermudas. SPV sind Briefkastenfirmen, in denen Enron-Manager den Geschäftsführer spielten und dafür zusätzliche Gehälter bezogen. Sie bestellten bei der Enron-Zentrale in Houston Gas und Strom, teilweise zur Lieferung zehn Jahre später. Diese fiktiven Bestellungen blähten den Auftragsbestand auf, so daß Umsatzsteigerungen verkündet und der Börsenwert laufend gesteigert werden konnte. In ähnlicher Weise, von Andersen entwickelt, kauften Tochtergesellschaften Leitungskapazitäten und verkauften sie anderen Tochtergesellschaften (»capacity swaps«). So wurde unter anderem gezielt die kalifornische Stromkrise im Winter 2000 herbeigeführt: Das Stromangebot und die Leitungskapazität wurden künstlich verknappt, die Strompreise wurden von Enron in die Höhe getrieben.

      Juristischer Berater von Enron war die Kanzlei Vinson & Elkins. Sie ist mit 860 Anwälten am Standort Houston, wo sich auch die Zentrale von Enron befindet, die größte in Texas. Wie McKinsey und Andersen war Vinson & Elkins seit Gründung von Enron ununterbrochen für das Unternehmen tätig. Gegenüber US-Behörden und Enron-Geschäftspartnern bescheinigten die Anwälte, daß Briefkastenfirmen von Enron unabhängig waren und es sich um reale Käufe und Verkäufe handelte. Darüber hinaus beriet Vinson & Elkins bei Privatisierungen und bei der Suche nach Staatsgarantien und -zuschüssen in den Staaten, wo Enron neue Gaskraftwerke baute. Wie bei den Unternehmensberatern und Wirtschaftsprüfern wechselten auch juristische Berater von ihrer Kanzlei in hauptamtliche Funktionen des beratenen Unternehmens.

      Als das Enron-Kartenhaus im Herbst 2001 zusammenbrach, wurden Tausende Beschäftigte um Arbeitsplätze und Pensionen gebracht, die einigen hundert Insider des Topmanagements dagegen hatten ihre Gewinne sicher. Nach der Ankündigung der Börsenaufsicht, Ermittlungen bei Enron aufzunehmen, begann Andersen mit der Vernichtung von Akten. Deswegen kamen einige Manager vor Gericht. Das Image war dahin, Andersen verlor seine Aufträge, löste sich auf, wurde teilweise von den Konkurrenten PWC, KPMG, Ernst & Young und Deloitte aufgekauft, der Rest wurde innerhalb weniger Monate weltweit in »Accenture« umbenannt. McKinsey und die Anwälte von Vinson & Elkins kamen ungeschoren davon.

      Die Macht dieser Berater kommt zum einen von ihrer Größe: Deloitte Touche Tohmatsu hat weltweit 120000 Beschäftigte, Ernst & Young 103000, KPMG 99000, Price Waterhouse Coopers 122000, McKinsey 100000, Accenture 75000 usw. Sie haben intimste Kenntnisse der größten Unternehmen. Zum anderen treten sie als unabhängige Experten auf, hinter denen sich die Auftraggeber verstecken können. Schließlich können die Berater sich in einem fast rechtsfreien Raum bewegen, den sie aufgrund ihrer Privilegien und ihrer politischen Lobby selbst mitgestalten. Daran haben hastig verabschiedete Gesetze (z. B. Sarbanes-Oxley Act in den USA nach dem Enron-Konkurs) nichts geändert.

      * Zusammenfassung aus dem neuen von Werner Rügemer herausgegebenen Buch »Die Berater. Ihr Wirken in Staat und Gesellschaft«. transcript-Verlag, Bielefeld 2004, 250 Seiten, 21,90 Euro
      http://www.jungewelt.de/2004/10-23/004.php
      Avatar
      schrieb am 22.10.04 22:21:53
      Beitrag Nr. 1.970 ()
      23.10.2004

      Inland


      IG Metall bei Volkswagen auf dem Rückzug

      Gewerkschaft senkt Forderung, bietet Lohnkürzung für Neueingestellte und Arbeitszeitflexibilisierung an


      Bei den Tarifverhandlungen für die 103000 Beschäftigten der sechs westdeutschen VW-Werke hat die IG Metall weitgehende Zugeständnisse angeboten. Dies wurde im Anschluß an die vierte Verhandlungsrunde am Freitag früh in Hannover bekannt. Die Manager des Autokonzerns lehnten die Offerte der Gewerkschaft dennoch als unzureichend ab.

      Von ihrer ursprünglichen Forderung nach einer Erhöhung der Löhne und Gehälter um vier Prozent sind die IG-Metall-Funktionäre bereits abgerückt. Statt dessen soll nur der im Februar diesen Jahres für die Metall- und Elektroindustrie erzielte Tarifabschluß auf Volkswagen übertragen werden. Bei einer Laufzeit von 26 Monaten würden sich die Vergütungen im ersten Jahr lediglich um 2,2 Prozent und im zweiten Jahr um 2,7 Prozent erhöhen. Unter der Voraussetzung eines »akzeptablen Ergebnisses« in der Frage der Arbeitsplatzsicherung will die Gewerkschaft auch einer Tarifabsenkung für neu eingestellte Beschäftigte und übernommene Auszubildende um rund zehn Prozent zustimmen. Davon wären jährlich etwa 2000 Beschäftigte betroffen. Damit akzeptiert die IG Metall einen der sieben Forderungspunkte, die VW-Personalvorstand Peter Hartz im Vorfeld der Tarifrunde verkündet hatte. Mit diesen will die Konzernspitze die Personalkosten bis 2011 um 30 Prozent senken. Ein weiteres Zugeständnis der Gewerkschaft betrifft die Flexibilisierung der Arbeitszeiten: Die Grenzen für Arbeitszeitkonten sollen auf 200 beziehungsweise 400 Stunden ausgeweitet werden, wodurch das Unternehmen Überstundenzuschläge einspart.

      Dem Konzern gehen diese Angebote der IG-Metall-Spitze noch nicht weit genug. »Volkswagen ist dabei, mit seiner Ablehnung und den überzogenen Forderungen den Bogen zu überspannen«, warnte IG-Metall-Verhandlungsführer Hartmut Meine. VW müsse »zu den Realitäten zurückkehren«, andernfalls drohe eine Eskalation des Konflikts, sagte er in Hannover. Für den Fall, daß sich auch bei der nächsten Verhandlungsrunde am 28.Oktober keine Lösung abzeichnet, drohte Meine mit Warnstreiks. (jW/AP)

      http://www.jungewelt.de/2004/10-23/012.php
      Avatar
      schrieb am 22.10.04 22:24:56
      Beitrag Nr. 1.971 ()
      Inland


      Pauschalen verschlechtern medizinische Versorgung

      Kritik von Unfallchirurgen und Orthopäden


      Die Einführung von »Fallpauschalen« in Krankenhäusern hat dazu geführt, daß bei der Behandlung von Unfallopfern möglichst geringe Kosten und nicht die schnelle Rettung im Vordergrund stehen. Ebenfalls aus Kostengründen werde vielen Patienten hochwertiges Material bei künstlichen Knie- oder Hüftgelenken vorenthalten, kritisierten Unfallchirurgen und Orthopäden während ihrer am Sonnabend beendeten Jahrestagung in Berlin.

      Bei der Behandlung Schwerverletzter ergebe sich aufgrund des Pauschalensystems im Durchschnitt ein Defizit von 7 500 Euro, heißt es in einer Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). »Wir haben schon Fälle erlebt, daß ein lebensgefährlich verletzter Patient von zwölf Krankenhäusern abgewiesen wurde oder ein Rettungshubschrauber über eine Stunde kreisen mußte, bevor eine Klinik den Verletzten aufgenommen hat«, erklärte dazu Prof. Dr. Andreas Wentzensen von der DGU.

      Die Versorgung Schwerverletzter könne nur durch den Aufbau eines flächendeckenden Netzes spezialisierter Kliniken verbessert werden, forderte das DGU-Mitglied Prof. Dr. Johannes Turm. Das sei jedoch nur möglich, wenn für die Behandlung Schwerverletzter eine andere Vergütung eingeführt werde.

      Kritisiert wurde auch, daß viele Patienten bei der Implantation künstlicher Hüft- oder Kniegelenke mit der zweitbesten Lösung vorlieb nehmen müssen. »Durch die neue fallpauschalierende Kostenvergütung (DRG) in den Kliniken werden den meisten Patienten hochwertige Implantante vorenthalten«, kritisierte Prof. Dr. Volker Ewerbeck von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Laut Fallpauschale dürfe eine künstliche Hüfte nur 1380 Euro kosten, ein künstliches Kniegelenk 2209 Euro. Sehr gute Implatate seien jedoch fast doppelt so teuer. Auf Dauer würden sie jedoch Kosten sparen, da bei ihnen das Risiko von Komplikationen geringer sei.

      (jW)
      http://www.jungewelt.de/aktuell/
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      schrieb am 22.10.04 22:27:11
      Beitrag Nr. 1.972 ()
      Inland


      Unionsparteien streiten weiter

      Gesundheitsverhandlungen von CDU und CSU blieben am Freitag ohne Einigung


      Die neue Verhandlungsrunde von CDU/CSU über ein gemeinsames Konzept zur Reform der Krankenversicherung ist am Freitag in Berlin nach fünfstündiger Dauer ohne Einigung zu Ende gegangen. Wie die Generalsekretäre Laurenz Meyer (CDU) und Markus Söder (CSU) anschließend berichteten, gebe es »an einigen Stellen zusätzlichen Klärungsbedarf«. Dies solle in der kommenden Woche zusammen mit Experten erörtert werden. Meyer informierte weiter, man sei sich über verschiedene Grundsätze vollständig einig geworden. Dazu gehörten das Abkoppeln der Kassenbeiträge vom Lohn, das Festschreiben der »Arbeitgeberbeiträge« und die Bereitstellung von Spitzenmedizin für alle. Auch zur Lösung des Generationenproblems solle etwas getan werden. Söder ergänzte, das System solle solidarisch und gerecht sein. Dazu gehöre, daß es für kleine Einkommen eine kleine Belastung und für größere Einkommen eine größere Belastung gebe. Weitere Angaben zum Verhandlungsstand verweigerten die Generalsekretäre.

      Der seit Monaten dauernde Streit innerhalb der Schwesterparteien um die Richtigkeit ihrer jeweiligen gesundheitspolitischen Konzepte, war in den vergangenen Tagen verbal eskaliert. So forderten Hinterbänkler der CDU, beispielsweise die Abgeordnete Vera Lengsfeld und der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung Peter Rauen, am Freitag über die Medien den Rücktritt des Vizefraktionschefs Horst Seehofer (CSU). Beobachter gehen weiter davon aus, daß dieser Streit lediglich vorgeschoben wird, um den entbrannten Machtkampf zwischen Angela Merkel und Edmund Stoiber um die Führung der Unionsparteien zu kaschieren.

      Seehofers Fünf-Stufen-Modell und Merkels Kopfpauschale schließen sich im Prinzip gegenseitig aus. Jetzt suchen beide Parteien angeblich fieberhaft nach einem Kompromiß, der bei keinem der Kontrahenten zum Gesichtsverlust führt.

      (AP/jW)

      http://www.jungewelt.de/2004/10-23/021.php
      Avatar
      schrieb am 24.10.04 17:38:11
      Beitrag Nr. 1.973 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de


      Wehe, wenn sie losgelassen, rasend...


      DIESE WOCHE
      Während G.W. Bush gebetsmühlenartig wiederholt, den "Krieg gegen den Terror" zu führen, untersucht der Spatz in dieser Ausgabe die ökonomischen Wurzeln des Terrors - und wie dieser von westlichen Geheimdiensten in Zusammenarbeit mit Weltbank und IWF produziert wird. Ein tiefgreifender Grundlagenbeitrag, den manche nicht gerne lesen werden!



      Terrorismus und Arbeitsplätze bei Opel usw.





      Spätestens seit Erscheinen des Buches von Bundesminister a.D. Andreas von Bülow weiß, wer es wissen will, daß Terroristen von westlichen Geheimdiensten ausgerüstet werden. Finanziert wird das Ganze seit den 50er Jahren über den Drogenhandel, den die gleichen Dienste betreiben. Anstoß daran scheint im Westen niemand zu nehmen, vielleicht, weil die Dienste nicht auch die Terroristen stellen. Die Täter kommen aus anderen Ländern. Die Dienste ermutigen, organisieren und bewaffnen sie nur, an den Taten selbst sind sie unschuldig. Osama bin Laden und die sogenannte Al Kaida sind gut belegte Beispiele für diese Vorgehensweise. Doch in der Öffentlichkeit kümmert das niemanden: Der radikale Islamismus ist Schuld.

      Wie kommt es, daß intelligente, hoffnungsvolle Jugendliche, meist sogar aus besserem Haus sich dem Terrorismus zuwenden? Tun sie es wirklich nur aus religiöser Verbohrtheit oder gar gelangweilt aus Abenteurertum, wie einst die RAF und die "roten Zellen". Diese rechtfertigten ihr Tun ja auch durch allerlei Glaubenslehren. Oder liegt es doch an unerträglichen, meist wirtschaftlichen Mißständen, die für die Zukunft des eigenen Landes und des eigenen Lebens keinen Hoffnungsschimmer mehr erkennen lassen? An diesen Mißständen sind die Dienste vielleicht nicht schuld. Wie aber steht es mit ihren Dienstherrn?

      Dazu äußerte sich aufschlußreich der früher sehr angesehene Chefökonom der Weltbank, Wirtschaftsprofessor und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz 2001 in Interviews, die u. a. auch im Observer abgedruckt wurden. An die von Stiglitz angeprangerten Zustände sei aus aktuellem Anlaß (Argentinien) erinnert und, weil die Entwicklung inzwischen auf uns zurückschlägt. "Menschen wurden zum Tode verurteilt", erzählt der frühere Apparatschik. "Es ist wie eine Szene von Le Carre: Der geniale alte Agent kommt aus der Kälte und erleichtert in stundenlangen Verhören sein Gedächtnis von allen Schreckenstaten, die im Namen einer politischen Ideologie begangen wurden, deren Verkommenheit er jetzt erst erkannt hatte", so leitete damals ein Greg Palast sein Interview mit Stiglitz ein. Es sollte die Grundlagen der von Präsident Bush sen. 10 Jahre zuvor, vor dem 1. Irakkrieg verkündeten "neuen Weltordnung" aufdecken.

      Stiglitz, der einstige Insider war plötzlich ins Outside gefallen. Die Weltbank feuerte ihn 1999 und versagte ihm ein unauffälliges Ausscheiden. Er damalige Sekretär im US-Schatzamt, Larry Summers, bestand auf einer öffentliche Exkommunikation, nachdem Stiglitz erste, milde Widersprüche gegen die Globalisierung durch Weltbank, Internationalen Währungsfonds (IWF), Welthandelsorganisation (WTO) gewagt hatte (der Professor nannte die drei Organisationen drei Seiten einer Bande, und wir fassen sie im folgenden unter "IWF" zusammen). Später berichtete der Gefeuerte offener über die wirklichen, oft verborgenen Aktivitäten des IWF und ihres 51-Prozent-Eigners, des US-Schatzamts. Der Nobelpreis hat ihn dann wieder gemäßigt.

      Stiglitz übersetzte für Greg Palast einige der Dokumente dieser Agenturen, z.B. die "Country Assistance Strategy" (Beistandsstrategie für Länder) aus dem Bürokratenchinesisch. Für jedes bedürftige Land, so der Professor, fertigt die Weltbank aufgrund sorgfältiger Untersuchungen eine Wirtschaftsstrategie nach dem gleichen Muster an. Dazu sitzen ihre Experten in den 5-Sterne-Hotels des Landes und sehen Akten ein. Dann treffen sie sich mit dem winselnden und bettelnden Finanzminister des Landes, um ihm ein "Umstrukturierungsabkommen" für nötige Reformen vorzulegen, das er "freiwillig" abzuzeichnen hat. Zwar wird die Wirtschaft jeder Nation individuell analysiert, sagt Stiglitz, doch das jeweils vorgelegte, immer gleiche Vier-Stufen-Reformprogramm hat mit der Analyse nichts zu tun. Diese späht nur aus, was zu holen ist.

      Die erste Stufe fordert Privatisierung. Stiglitz nennt sie treffender "Korrumpierung". Statt dem Ausverkauf staatlicher Betriebe zu widersprechen, verscherbeln die Führungspersönlichkeiten des Landes selbst seine Elektrizitäts- und Wasserwerke und nutzen die Forderung des IWF, um den Widerspruch lokaler Kritiker abzuwehren. "Man konnte sehen, wie ihre (dieser Führer) Augen bei der Aussicht auf die angebotene zehnprozentigen Provisionen groß wurden, die ihnen für die Beihilfe bei der Veräußerung des Staatsbesitzes auf Schweizer Bankkonten zugesagt wurden. Aber fördert der IWF mit Transparency International nicht selbst eine Organisation gegen staatliche Korruption?

      Die US-Regierung als Haupteigner des IWF-Komplexes kennt das natürlich, klagt Stiglitz. Miterlebt hat er es beim größten Fall der "Korrumpierungen", beim Ausverkauf Rußlands im Jahr 1995. "Aus der Sicht des US-Schatzamtes war das großartig, denn wir (die USA) wollten die Wiederwahl Jelzins erreichen. Daß dies eine gefälschte Wahl war, interessierte uns nicht. Wir wollten, daß Jeltsin das Geld bekam". Er erhielt es, um seine Wahl zu schmieren. Sind freie demokratische Wahlen aber nicht das Allerheiligste westlicher Ideologie und wurden und werden in ihrem Namen nicht sogar Kriege und Raubüberfälle geführt?

      Stiglitz ist kein Verschwörungstheoretiker, der hinter jedem Vorhang einen Freimaurer wittert. Der Mann hat im Kabinett von Bill Clinton als Vorsitzender des Wirtschaftsrats des Präsidenten selbst ganz oben mitgespielt. Am meisten störte Stiglitz damals, daß die von den US gestützten Oligarchen, Rußland seiner industriellen Besitztümer beraubten. Der Korruptionsplan des IWF verminderte das russische Nationalprodukt um annähernd 50% und führte zu Wirtschaftschaos und Hungertod. Das habe ihm zu Denken gegeben und erste Zweifel geweckt, meinte Stiglitz.

      Die zweite Stufe im Plan des IWF zur Rettung der Volkswirtschaften heißt "Liberalisierung der Kapitalmärkte". Die Deregulierung des internen Kapitalmarktes ermöglicht dem internationalen, Anlage suchenden Kapital frei zu- und abzufließen. Das Geld kommt zur Boden- und Währungsspekulation ins Land und flieht es bei auftretenden Problemen oder auf Absprache wieder. Durch dieses, wie es Stiglitz nennt, "heiße Geld" lassen sich die Währungsreserven eines Staates binnen Tagen oder Stunden auf die Privatkonten der "Investoren" verschieben. Wenn das geschieht, verlangt der IWF von der Regierung, die Zinssätze auf 30, 50 oder gar 80 Prozent anzuheben, um den Spekulanten weitere Anreize zum Ausverkauf des Landes zu bieten. "Das Ergebnis ist vorhersehbar", so der Wirtschaftsprofessor, die hohen Zinsen mindern den Wert des Eigentums, beeinträchtigen die Produktion und leeren die Staatskasse.

      In dieser Situation treibt der IWF das strangulierte Land in die dritte Stufe seiner Reformen, sie heißt "Marktpreisbildung" und bedeutet schlicht Preiserhöhungen für unelastische Nachfragegüter wie Nahrungsmitteln, Wasser und Energie. Auch hier sind die Folgen absehbar. Stiglitz nennt sie den "IWF-Aufruhr". Jetzt schlägt der Terrorismus Wurzeln.

      Wenn das Land "am Boden liegt, nutzt der IWF das, um das letzte bißchen Blut aus ihm zu saugen. Die Institutionen erhöhen den Druck, bis am Ende der ganze Kessel in die Luft fliegt". So geschah es zum Beispiel 1998, als der IWF die Lebensmittel- und Brennstoffhilfe für die Armen in Indonesien aufhob. Indonesien explodierte in Aufruhr. Steglitz verweist auf weitere Beispiele: die Unruhen in Bolivien wegen der Anhebung der Wasserpreise und die Unruhen in Ecuador wegen der durch die Weltbank erzwungenen Erhöhung der Energiepreise. Die Unruhen sind offensichtlich Teil des Programms.

      BBC und Observer, für die Palast arbeitete, hatten in Amerika verschiedene interne Dokumente der Weltbank mit dem Vermerk "vertraulich", "nur für den Dienstgebrauch" und "nicht zur Veröffentlichung" aufgegabelt. In einem von ihnen, "Interim Country Assistance Strategy" (Vorläufige Beistands-Strategie) für Ecuador drückt die Bank mehrmals kalt berechnend die Erwartung aus, ihr Plan werde "soziale Unruhen" auslösen, so der bürokratische Ausdruck dafür, daß eine Nation in Flammen aufgeht. Dem geheimen Bericht zufolge würde der Plan, den US-Dollar zur ecuadorianischen Währung zu machen, 51 Prozent der Bevölkerung unter die Armutsgrenze drücken. Der "Hilfs"-Plan der Weltbank schlug vor, der Auflehnung und dem Leid der Bürger mit einem "entschiedenen politischen Auftreten" zu begegnen - und die Preise weiter anzuheben.

      Die Aufstände (nach Stiglitz friedliche Demonstrationen, die mit Kugeln, Panzern und Tränengas zerstreut werden) lösten weitere panische Kapitalflucht und Regierungspleiten aus. Diese ökonomische Brandstiftung hat durchaus ihre positive Seite, nämlich für ausländische Gesellschaften, die die letzten in nationaler Hand verbliebenen Vermögenswerte zu Schleuder- und Notverkaufspreisen einsammeln können, etwa Schürfrechte oder Häfen.

      Wie Stiglitz noch anmerkt, ist der IWF-Komplex durchaus kein verbohrter Anhänger der reinen Marktlehre. Zur gleichen Zeit, als der IWF Indonesien zwang, die "Subventionierung" von Lebensmittelkäufen aufzugeben, "waren (Markt-)Interventionen willkommen, wenn es darum ging, Anleger (Banken) freizukaufen." Der IWF organisierte zig Milliarden Dollar, um die Geldgeber, letztinstanzlich transnationale Großbanken, zu retten.

      Nun gibt es noch die vierte Stufe dessen, was die Weltbank ihre "Strategie zur Reduzierung der Armut" nennt: den Freihandel nach den Regeln der WTO. Der funktioniert nach Stiglitz etwa so wie der Opiumkrieg. "Auch damals ging es darum, Märkte zu öffnen", sagte er. Wie im 19. Jahrhundert reißen Europäer und Amerikaner Handelsbarrieren ein, um die aufkeimende Industrie und Landwirtschaft der Dritten Welt unter ihren Importen zu ersticken. Damals benutzte der Westen militärische Blockaden, heute kann der IWF ebenso wirksam finanzielle Blockaden verhängen, die manchmal sogar noch tödlicher sind.

      Schließlich sind diese Länder froh, wenn westliche Konzerne kommen und ihre Menschen zu "Löhnen" beschäftigen, die der Versorgung von Arbeitskräften in Konzentrationslagern gleichen. Die wohlwollenden Zu- und Wegschauer im Westen verlieren dann ihre "überbezahlten" Arbeitsplätze zum Wohl der multinationalen Unternehmen und deren notleidendem Management. Ob der Terrorismus nun auch im Westen Wurzeln schlägt? Vielleicht ist ja die Verblödung durchs Fernsehen wirksamer, es lassen sich immer andere Schuldige - und sei es nur abstrakt der "Kredit an sich" - finden.

      Was Stiglitz letztlich genötigt habe, seinen Job bei der Weltbank an den Nagel zu hängen, war die fehlende Bereitschaft der Banken und des US-Schatzamtes, ihren Kurs angesichts der von ihnen ausgelösten Krisen, Pleiten und Leiden der Menschen zu ändern. Wann immer ihre Reformen versagten, verlangte IWF, Weltbank und WTO mehr von der gleichen Medizin "freie Marktwirtschaft". "Das ist wie im Mittelalter", meint der Insider, "wenn der Patient starb, hieß es, er habe den Aderlaß zu früh angebrochen".
      Avatar
      schrieb am 24.10.04 17:39:47
      Beitrag Nr. 1.974 ()
      Opel-Desaster: Was denn, nun doch die Ökosteuer?


      Vor einigen Tagen postulierte der BWL-Bote, daß das gegenwärtige Desaster bei Opel im Kern die Folge einer verfehlten rot-grünen Verknappungs- und Verteuerungspolitik ist. Hierauf erhielten wir zahlreiche kritische Zuschriften. Es ist interessant, nun aber von einer aktuellen Stunde heute im Bundestag zu hören, bei der sich Regierung und Opposition einen Schlagabtausch über die Ursachen der Massenentlassungen bei Opel lieferten. Während die Regierung nach wie vor auf ihrem Standpunkt beharrte, es seien Managementfehler und nichts anderes verantwortlich zu machen, konterte die Opposition, die Ökosteuer sei verantwortlich.

      Erstaunlich daran ist aber weniger der Inhalt dieser Debatte, sondern daß sie überhaupt geführt wird: so erschließt sich dem gesunden Menschenverstand doch unmittelbar, daß der Absatz von Fahrzeugen zurückgeht, wenn Mobilität so drastisch verteuert wird wie in Deutschland - von der jahrzehntelangen Anti-Auto-Propaganda mal ganz zu schweigen. Und das tolle Mautgeschenk haben wir ja noch gar nicht ausgepackt, das kriegen wir erst kurz nach Weihnachten.

      Wenig überrascht dagegen, daß Opposition und selbst die FDP die weiteren auch von ihnen selbst mitgetragenen möglicherweise noch viel heftigeren Verteuerungen von Energie im Zusammenhang mit dem ab 2005 beginnenden Emissionshandel verschweigen, denn gegen das, was uns mittelfristig bevorsteht, nimmt sich die derzeitige Mineralölsteuer von 72,1 Cent je Liter (plus natürlich noch 16% Umsatzsteuer) eher wie ein Rundungsfehler aus.

      Streik- und Blockadeaktionen sind, solange sie gewaltfrei bleiben, möglicherweise ein Anfang, die Zeiten wieder zu wenden in Deutschland. Aber die Tore von Opel-Werken sind nicht das richtige Ziel solcher "Informationsveranstaltungen"...
      http://www.spatzseite.de
      Avatar
      schrieb am 24.10.04 17:41:00
      Beitrag Nr. 1.975 ()
      Die Mineralölsteuer wird gesenkt - aber nur in Frankreich

      Während man in Deutschland allen Ernstes darüber streitet, ob es eine Beziehung zwischen Ökosteuer und dem Opel-Desaster geben könnte, geht Frankreich mit gutem Beispiel voran: hier soll am 1. Dezember wegen des hohen Ölpreises die Mineralölsteuer gesenkt werden. Zwar nur um ein bis zwei Cent, aber ein Anfang ist gemacht.

      So plant die französische Regierung nach den am Mittwoch von Wirtschafts- und Finanzminister Nicolas Sarkozy vorgelegten Plänen eine Reduktion der Mineralölsteuer, die penetranterweise "taxe intérieure sur les produits pétroliers" oder "TIPP" heißt. Was in Deutschland undenkbar wäre ist das Verdienst eines rebellischen Volkes, das wenn es sein muß schon mal spontan die Autobahnen blockiert um politische Ziele durchzusetzen. Kein Wunder also, daß sich die Regierung viel bürgernäher zeigt als in Deutschland. In Berlin ignoriert man diesen Umstand selbstverständlich. Volkes Wille ist hier halt viel schwerer durchzusetzen als im Mutterland aller Revolutionen.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 24.10.04 17:48:24
      Beitrag Nr. 1.976 ()
      Moskau ratifiziert Kyoto: Ein Ausblick


      Nachdem im Jahre 2004 die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen wurden, tritt ab 2005 der Emissionshandel in Kraft. Seine düsteren Schatten hat das neue Zwangssystem schon vorausgeworfen, zum Beispiel auf den Arbeitsmarkt. Insgesamt gerät praktisch die gesamte produzierende Wirtschaft (und bald auch der gesamte Verkehrssektor) unter die direkte Kontrolle einer neuen Öko-Planbehörde. Das formal immer noch marktwirtschaftliche Wirtschaftssystem Deutschlands wird damit im Grunde in eine ökosozialistische Planwirtschaft überführt.




      Die zugrundeliegende Lüge

      Kern der Nachhaltigkeitsideologie ist die CO2-Neurose, also die inzwischen durch jahrzehntelange Propaganda tief in die Hirne der Menschen eingegrabene quasireligiöse Lehre, das Gas Kohlendioxid (CO2) sei schädlich und müsse reduziert werden. In dem Maße in dem der seit dem zweiten Weltkrieg vorherrschende Haß auf die Deutschen als Mörtel der Europäischen Union abhandenkommt, nimmt die CO2-Ideologie dessen Platz ein. Dabei ist das CO2-Argument selbst für Oberschüler leicht wissenschaftlich zu widerlegen: Niemand würde Limonade oder Mineralwasser trinken, wenn CO2 so schlecht wäre, und Gärtnereien wäre es nicht erlaubt, ihre Gewächshäuser mit CO2 zu begasen um größere und schönere Pflanzen zu erhalten, denn CO2 ist eine Pflanzennahrung. Das angeblich so "klimaschädliche" Gas könnte also helfen, den Hunger in der Welt zu bekämpfen. Aber das will niemand wirklich. Wissenschaftler, darunter zahlreiche Nobelpreisträger, haben in zahlreichen Protesten und Petitionen die Klima-Religion als "irrationale Ideologie" kritisiert, was die Mächtigen bei UN und EU aber nicht interessiert, und was die Medien totschweigen.

      Cap-and-Trade
      Um die Klimareligion durchzusetzen, wurden im Laufe des Jahres 2004 mehrere Gesetze durchgesetzt, die ab 2005 in Kraft treten. Grundlage ist das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz, das vorschreibt, daß Unternehmen, die CO2 emittieren, trotz gültiger Betriebserlaubnis für ihre Anlagen hierfür einen Berechtigungsschein brauchen. Die Gesamtmenge dieser Berechtigungsscheine wird zunächst für die Dreijahresplanperiode 2005 bis 2007 und danach jeweils in Fünfjahresplänen erstmalig 2008 bis 2012 auf volkswirtschaftlicher Ebene zugeteilt. Rechtgrundlage hierfür ist das Zuteilungsgesetz (mit zugehöriger Verordnung), das auch schon die künftige Verknappung der Gesamtemissionen regelt. Benötigt ein Unternehmen mehr Klimascheine als es besitzt, muß es welche hinzukaufen, braucht es weniger, so kann es seine Klimascheine an andere Unternehmer verkaufen.

      Auswirkungen des Systems
      Da die Klimascheine nicht absolut sondern nur administrativ knapp sind, wurden hiermit neuartige derivative Wertpapiere geschaffen, die keinem marktbezogenen Wertverfall unterliegen, weil man aufgrund der induzierten Ängste der Menschen jederzeit die Gesamtzahl der gehandelten Emissionspapiere reduzieren und damit ihren Marktwert erhöhen kann: ein unverfallbarer Markt, besser als jeder Anteilsschein! Da auf diese Art eine hohe Werterwartung besteht, lohnt sich der Handel mit Klimascheinen für Unternehmer mehr als der mit nützlichen Gütern. Der Emissionshandel bietet also gerade der ohnehin schon schlechten Ausgangsbedingungen (starres Arbeitsrecht, hohe Steuern, Bürokratie, Konsumflaute) einen Anreiz, Arbeitnehmer zu entlassen und die Klimascheine für stillgelegte Anlagen zu handeln. Entsprechende Kündigungen wurden schon angekündigt, und die zahlreichen Krisen produzierender Unternehmen gegen Ende des Jahres 2004 (insbesondere DaimlerChrysler und Opel) können ebenfalls mit dem Emissionshandel in Verbindung gebracht werden. Übrigens wundert es nicht, daß die vereinzelten Proteste der Wirtschaft im Vorfeld der gesetzlichen Regelung recht bescheiden ausfielen: schließlich ist die Gewinnerwartung aus dem Klimascheinhandel größer als die aus materieller Produktion.

      Künftige Ausweitung des Zwangssystems
      Zu Anfang des Systems sind nur Anlagen über 20 MW Leistung in das Zwangssystem einbezogen. Diese Anlagen wurden durch den sogenannten "Nationalen Allokationsplan" in einer Rationierungsliste einzeln erfaßt. Wer also an einer dieser Maschinen arbeitet, muß mit dem baldigen Verlust seines Jobs rechnen, den Klimascheine bringen mehr als Arbeitskräfte. Das Emissionshandels- und das Zuteilungsgesetz planen aber ausdrücklich schon die Ausweitung des Systems auf andere angebliche "Treibhausgase" und andere Wirtschaftssektoren. Hier liegt auf der Hand, daß für den im Gesetz ausdrücklich genannten Verkehr das Mautsystem den technischen Rahmen des Erzwingungssystem liefern soll. Dies erklärt die Starrsinnigkeit, mit der die Politiker einfachere aber funktionierende Systeme ausländischer Anbieter ablehnen, denn eine wirksame Durchsetzung des Zwangssystems für Fahrzeuge erfordert deren lückenlose Überwachung auf sämtlichen Straßen - und wenn möglich ferngesteuerte Zwangsstillegung bei Verstößen. Beides wird daher bereits seit 2004 erprobt, und das neue europäische Satellitennavigationssystem "Galileo" ist als vom Pentagon unabhängige Alternative zum bisherigen GPS ganz offensichtlich die wesentliche technische Grundlage. Andere fliegen in den Weltraum, um fremde Welten zu entdecken, die Europäer aber, um Kontroll- und Abzockesysteme zu installieren. Wann und auf welche Weise kleinere Gewerbebetriebe und private Heizungen in das System einbezogen werden sollen, ist noch nicht abzusehen, aber das ist erklärtermaßen beabsichtigt.

      Öko-Enforcement und die Menschenrechte
      Zur Erzwingung des Systems werden umfangreiche Prüfungen vorgeschrieben, die inzwischen einen neuen, gefürchteten Stand von Öko-Inspekteuren ("Blockwarten") schaffen. Zudem wurde die Deutsche Emissionshandelsstelle als Enforcement-Behörde, oder manche sagen, als Plan- und Rationierungsstelle geschaffen, ein bombastischer bürokratischer Apparat, der alle unternehmerischen Prozesse überwacht, und wie böse Zungen behaupten, auch eine ideale Plattform für Werkspionage. Zudem soll diese Behörde die später geplante Versteigerung der Zertifikate handhaben - und welche weiteren Disziplinierungsmaßnahmen und bei einem kalten Winter oder gar einem Konjunkturaufschwung mit entsprechender Ausweitung der Produktion noch grünen, bleibt abzuwarten. Schließlich sieht das Gesetz hohe Geldstrafen für Verstöße, d.h., für Betrieb von Anlagen ohne CO2-Zertifikate vor und, was unter Menschenrechtsgesichtspunkten besonders bedenklich ist, die Veröffentlichung der Namen von CO2-Sündern im Bundesanzeiger. Man muß sich dies auf der Zunge zergehen lassen: während mein Nachbar nichtmal erfahren kann, ob ich vorbestraft bin, Steuern hinterziehe, Punkte in Flensburg oder ein Gerichtsverfahren am Hals habe, weil dies alles datenschutzrechtlich geschützt ist, werden ab 2005 die Namen derer, die gegen das Emissionshandelsgesetz verstoßen, allgemeinzugänglich veröffentlicht. Gewaltakte von Öko-Aktivisten gegen die Träger des Öko-Judensternes nimmt die Obrigkeit offensichtlich billigend in Kauf.

      Absurde Sonderregeln
      Wie es für den Sozialismus typisch ist, wimmelt auch das Emissionshandelsrecht von Sonderregeln, die teilweise geradezu wahnwitzig sind. So erhält Sonderzuteilungen an Klimascheinen, wer ein absolut emissionsfreies (!) Kernkraftwerk stillegt. Daß auf diese Art mittelfristig die Energieversorgung auf dem Spiel steht, wird derzeit noch völlig ignoriert - obwohl die (damalige) EU-Kommissarin Loyola de Palacio uns schon Energierationierung ab 2007 angekündigt hat. Auch wer eine Anlage betreibt, die beispielsweise nur 80% des Wirkungsgrades der derzeit besten technischen Lösung bietet, erhält nur 80% der erforderlichen Zertifikate, wird also erdrosselt. Eine ordnungsgemäße Maschineneinsatzplanung für die gesamte Amortisationsperiode wird damit unmöglich, und die Nutzungs- und Eigentumsrechte des Betreibers werden eingeschränkt.

      Der Öko-Wahnsinn
      Das ist aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. So haben CO2-Planetenretter in Neuseeland schon allen Ernstes eine Flatulent Animal Tax in Kraft gesetzt, eine Furzsteuer. Das ist leider kein Witz! Während man hinsichtlich der Gasemissionen landwirtschaftlicher Nutztiere in Deutschland eher den harten Weg der "Notschlachtung" wegen Maul- und Klauenseuche oder BSE ging, zeichnet sich eine Art der internationalen Zusammenarbeit ab, die jede Satire überholt. So berichtet die Nachrichtenagentur Reuters im Sommer 2004, daß der kanadische Energieversorger Transalta und Tokyo Electric Power dem chilenischen Schweinefleischproduzenten Agrosuper einen Millionenbetrag gezahlt hätten, daß dieser die Methanemissionen, also Furze seiner über 100.000 Tiere auffängt und das Gas verbrennt. Die Energieversorger "kaufen" sich auf diese Weise "Emissionsrechte" zur Erzeugung elektrischer Energie. Was wie eine wirre Mär aus dem Öko-Narrenhaus aussieht, ist leider Realität: deutsche Stromkunden zahlen bald für absurde Projekte, so wie das Verbrennen von Schweineabgasen. Schon längst haben sich obskure Marktplätze für solche absurden Geschäfte etabliert. "Clean Development", wie sowas offiziell heißt, ist damit ein Hebel auszuüben, was wir in einem anderen Beitrag als strukturelle Gewalt definiert haben, also insbesondere die künstliche Verknappung von Gütern mit starrer Nachfrage - wie etwa Energie, Nahrungsmittel oder Mobilität. In diesem Zusammenhang ist es übrigens kein Wunder, daß Rußland nun doch noch das Protokoll von Kyoto ratifiziert hat, denn nach dem auch in der ehemaligen Sowjetunion massiven Abbau einstmaliger industrieller Kapazitäten können die Russen eine Menge Emissionsscheine "verkaufen".

      Inhärent unfair
      Besonders übel stößt übrigens auf, daß selbst nach dem Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls Indien und China an dem Zwangssystem nicht teilnehmen. Diese beiden Länder werden von Kyoto verschont. Die Unterzeichnerstaaten verschaffen sich also gegenüber diesen beiden aufstrebenden asiatischen Volkswirtschaften einen massiven Wettbewerbsnachteil - vielleicht weil man erkannt hat, daß insbesondere die chinesischen Wirtschaftsplaner sich der Lüge ohnehin nicht beugen würden. Dies war einer der Gründe für G.W. Bush, aus Kyoto auszusteigen, und man mag zu Bush stehen, wie man will: hiermit hatte er Recht. Daß Deutschland, also das Land, in dem das Auto, der Computer und das Flugzeug erfunden wurden, jetzt jede technische Entwicklung über Bord wirft, ist nichts Neues. Daß aber auch die anderen Europäischen Staaten hierbei mitmachen und ihre Interessen an das Ausland verkaufen, ist immerhin gewöhnungsbedürftig.

      Eine lange Vorgeschichte
      Die derzeitige CO2-Hysterie ist der erste wirklich erfolgreiche Versuch einer Umgestaltung des Systems, hat aber dennoch eine lange Vorgeschichte weniger erfolgreich erzeugter Psychosen. So wurde behauptet, die Erde sei hoffnungslos überbevölkert und könne die Menschheit nicht mehr tragen. Als man endlich nicht mehr verbergen konnte, daß Kriege und technische Rückständigkeit den Hunger verursachen und nicht die angeblich zu große Zahl der Menschen, propagierte der Club of Rome ab 1972 das Ende der Rohstoffe: Gold sollte nur bis 1981 reichen, Silber und Quecksilber bis 1985, Zinn bis 1987, Zink bis 1990, Erdöl bis 1992, Blei bis 1993, Erdgas bis 1994 und Aluminium bis 2003. Wie wir heute wissen, hat sich der Club of Rome mit solchen Horrorszenarien gnadenlos blamiert. Dennoch wurde bald darauf die Behauptung in die Welt gesetzt, künftige Kriege würden nicht um Öl, sondern um Trinkwasser geführt. Auch diese Prognose erwies sich bisher als falsch, und wir müssen nicht erst G.W. Bush fragen, warum. Schließlich fiel auch das Waldsterben aus, und vom Ozonloch hört man plötzlich auch nichts mehr. Kein Wunder, denn mit dem Zertifikatehandel ist ab 2005 endlich gelungen, was mit allen früheren Propagandamärchen erfolglos versucht wurde, nämlich die Errichtung eines totalitären kommandowirtschaftlichen Systems, ohne dabei auf nennenswerten Widerstand der Menschen zu stoßen. Frühere Diktatoren aller Art hätten sich angesichts unserer Öko-Gleichschaltung die Hände getrieben.
      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 24.10.04 18:01:49
      Beitrag Nr. 1.977 ()
      Das Opel Desaster

      Kommentar von
      Egon W. Kreutzer
      21.10.2004

      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14023OpelDesaster.ht…

      Nun laufen die Bänder wieder.


      Es ist fast so, als hätte ein spielendes Kind einen Stein in den Karpfenteich geworfen. Erst hat es laut geplatscht und wie verrückt gespritzt, dann schlugen die Wellen hoch, eilten ans Ufer, rollten zurück, kreuzten sich in unvorhersehbaren Mustern - und dann hat ein milder Wind den ganzen Aufruhr verblasen. Jetzt herrscht wieder Friede. Still und starr ruht der See.

      Aber es ist nur fast so.

      Wer wann welche Fäden gezogen hat, wird wohl kaum je öffentlich nachvollzogen werden können. Wieder einmal, wie schon vor anderthalb Jahren beim Arbeitszeit-Streik der Ossis, als der damalige IG-Metall-Chef Zwickel den Streik, den Peters und Düvel damals weiterführen wollten, ohne Not für beendet erklärte, nutzte die Gewerkschaft ihre Organisation auch diesmal nicht, um diejenigen zu unterstützen, die sich mutig an die Spitze des Kampfes um die Arbeitsplätze gestellt hatten. Im Gegenteil: Die Gewerkschaft hat den Streik, den sie nicht ausgerufen hatte, hurtig unter ihre Fittiche genommen und mit Hilfe einer zumindest fragwürdigen Abstimmung erstickt.

      Dass es in der Bochumer Belegschaft nicht nur Jubel über diese Entwicklung gab, haben die Medien uns gezeigt. Dazu haben sie uns den Wirtschaftsminister gezeigt, der sich zufrieden gab und den Kanzler, der sich ebenfalls freute.

      Beide hatten noch wenige Tage zuvor für das inländische Publikum in das Missmanagement-Horn geblasen und versichert, sie würden zu Hause - vor dem Spiegel - bereits angemessene Drohgebärden einüben, die sie demnächst vielleicht in trutzig-demütiger Haltung in Richtung Detroit loslassen wollten. Aus und vorbei.


      Schröder begrüßt Streikende,

      titelten heute die Agenturen. Nicht die Streikenden, die nicht. Schrödder begrüßte das Streik-Ende.

      Heilfroh, dass der gefährliche Funke noch rechtzeitig ausgetreten werden konnte, bevor er die staubtrockenen und ausgedörrten Reste des Sozialstaats entzünden, bevor sich der "wilde Streik" von Bochum zu jenem bundesweiten Flächenbrand ausweiten konnte, in dem sich der lange gewahrte soziale Friede endgültig in Rauch aufgelöst hätte.

      Es heißt, die Stadt Bochum und das Land Nordrhein-Westfalen hätten über eine Milliarde an Subventionen in das Projekt "Opel-Bochum" gesteckt. Wahrscheinlich ‚nur` eine Milliarde Mark, nicht Euro, aber es heißt auch, dass die Stadt heute noch Millionenbeträge für die Versicherung der Opel-Betriebe bezahlt, um den Ersatz möglicher Bergschäden zu gewährleisten. Es heißt außerdem, dass Opel seit vielen Jahren keine Gewerbesteuer mehr zahlt.

      Phoenix online berichtete, dass General Motors, der weltgrößte Autohersteller, seinen Gewinn im letzten Jahr gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt hat.

      3,8 Milliarden Dollar. Nicht Umsatz. Gewinn!

      Es heißt, in Europa würden Verluste geschrieben, deshalb müsse man sparen, um - als größter Automobilhersteller der Welt mit 3,8 Milliarden Dollar Jahresgewinn - konkurrenzfähig zu bleiben.

      Diese Argumentation ist so lächerlich durchsichtig.

      Finanzminister Eichel wird wohl wissen, dass ein international tätiges Unternehmen frei darüber bestimmt, in welchem Land und unter welchen Steuergesetzen es seine Gewinne erzielt und in welchen Ländern und unter welchen Subventionsbedingungen es Verluste schreibt. Er ist dazu verdammt, die sich überschlagenden Erfolgsmeldungen der Global Player in der Zeitung lesen zu müssen, während seine Finanzbeamten in den Bilanzen vergeblich nach den davon tatsächlich in Deutschland erwirtschafteten Gewinnanteile suchen.

      Wenn die deutsche Konzerntochter von der Stiefmutter in Detroit dazu verdonnert wird, 800 Millionen Dollar Entwicklungskosten zu übernehmen, dann belasten diese 800 Millionen das Ergebnis der deutschen Tochter. Dafür schreibt die Mutter um so schwärzere Zahlen. Ob dafür eine adäquate Gegenleistung erbracht wird, oder nicht, kann kein Finanzbeamter überprüfen.

      Wenn die deutsche Tochter ihre Autos und Autoteile an ausländische Schwestern zu den von Detroit vorgegebenen Preisen abliefert, dann ist damit endgültig festgelegt, wo Gewinne und wo Verluste geschrieben werden.
      Der Finanzminister weiß das sicherlich. Der Wirtschaftsminister und der Kanzler und die Gewerkschaftsführung hingegen sind heilfroh, dass wieder Ruhe herrscht und dass die Bänder wieder laufen und dass die Herren in Detroit wieder ruhig schlafen können.

      Stellen wir uns einfach vor, der Streik hätte noch eine Woche gedauert, noch zwei, noch drei...

      Wenn man unseren Politikern bei ihren Reden zuhört (was man manchmal muss, wenn man sieht, was sie tun und sich erinnern können will, was sie vorher gesagt haben), dann sind es die ausländischen Investoren - wie General Motors - von denen der Fortbestand der deutschen Wirtschaft abhängt.

      Klar, dass unsere Politiker mithelfen, die Angst zu schüren, der ausländische Investor würde - falls der Streik noch länger dauert - nichts Besseres zu tun haben, als schnellstmöglich sein Kapital abzuziehen und Deutschland am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen.

      GM hätte bei der Fortsetzung des Ausstands in Bochum sehr schnell gespürt, dass die internationale Vernetzung der Fertigung nicht nur Vorteile bringt, sondern, wenn der Betriebsfrieden ernsthaft gestört ist, auch zum Problem werden kann. Alleine der Aufbau von Ersatzkapazitäten für die zentrale Achsenschmiede in Bochum wäre ein Projekt geworden, das vom Beschluss bis zur Inbetriebnahme weit mehr Zeit gebraucht hätte, als es für die Konzernlenker in Detroit und vor allem für die Aktionäre von GM erträglich gewesen wäre.

      Aber spielen wir den Gedanken durch. Lassen wir GM sich ruhig dafür entscheiden, sich schnellstmöglich aus Deutschland zurückzuziehen. Lassen wir GM in Polen, in der Ukraine, in China und sonst wo auf der Welt Autos bauen, was kümmert uns das?

      Haben wir nicht in Deutschland derzeit auch bei Ford und VW nicht ausgelastete Kapazitäten? Könnten die nicht einen Teil des Absatzmarktes von "Made in Germany" übernehmen, wenn die Detroiter beleidigt abziehen?

      Könnte man nicht ein ganz kleines bisschen die Grenzen zumachen, für unerwünschte Importe, für Produkte von Unternehmen, die mit erkennbarer Absicht die deutsche Volkswirtschaft schädigen?

      Diese Frage darf man nicht stellen.
      Die liegt außerhalb jeglicher political correctness.

      Wer diese Frage stellt, muss sich "Blödian" nennen lassen, denn er gibt zu , dass er keine Ahnung hat, von jenen internationalen Verträgen, in denen die`Freiheit des globalen Handels` längst zum höchsten moralischen Wert aller demokratischen Staaten erklärt und jeglicher Widerstand gegen diese Freiheit des Handels bei Strafe verboten wird. Es sind Verträge, die immer noch ausgeweitet werden. Verträge, die (falls die Europäische Verfassung ratifiziert wird) in naher Zukunft über unsere deutschen Köpfe hinweg von der EU für die gesamte EU verbindlich geschlossen werden sollen.

      Die Freiheit des globalen Handels

      Das Magazin Monitor (WDR) hat bereits im Juli diesen Jahres eine Deal öffentlich gemacht, der im Groben so aussieht:
      Polen kauft von den USA 48 Kampfjets vom Typ F16.

      Die dafür benötigten Mittel in Höhe von rund 3,5 Milliarden Dollar werden als Kredit von den USA zur Verfügung gestellt.
      Damit Polen in die Lage versetzt wird, Zins und Tilgung abzuarbeiten, werden US-amerikanische Unternehmen in Polen 6 Milliarden Dollar investieren.

      Eines der Unternehmen, die in Polen investieren, um den Polen zu ermöglichen, ihre Schulden abzuarbeiten, ist GM. Lockheed, der Flugzeugbauer hat eine beträchtlich Summe an General Motors, den Autobauer, überwiesen, damit dieser über seine Tochter Opel in Polen investiert. Laut Monitor haben beide Konzerne den Deal bestätigt. Polnischen Zeitungen zufolge soll daraus ein GM-Investitionsvolumen von 800 Millionen Euro nach Polen fließenl.
      Näheres unter http://www.wdr.de/tv/monitor/beitrag.phtml?bid=608&sid=116


      Das ist freier Welthandel.

      Das sind die Bedingungen der Globalisierung, an die wir uns durch immer kürzere Gürtel mit immer mehr Löchern anpassen sollen.

      Davon weiß der Wirtschaftsminister nichts. Er sagt jedenfalls nichts davon. Er freut sich, dass in Bochum die Bänder wieder laufen. Damit kann die Verlagerung der Produktion nach Polen in aller Ruhe und ohne dass die ausländischen Investoren Reibungsverluste fürchten müssten, vonstatten gehen. Das ist wichtig. Sonst kommt doch keiner mehr.

      Das Desaster von Bochum ist kein Opel Desaster.

      Es ist das Desaster einer völlig verfehlten Politik. Von der Opposition nicht gebremst, sondern mit allen Mitteln vorwärts getrieben, müht sich die amtierende Regierung darum, Deutschland zum Niedrigstlohnstandort im globalen Wettbewerb umzuwandeln. Wohlstand und Sozialstaat könnten nur gesichert werden, wenn man sie vorher möglichst vollständig demontiert. So tönt es.

      Und so geschieht es dann auch.

      Republikweit werden massenhaft Arbeitsplätze vernichtet. Bund und Länder gehen vielerorts mit dem allerschlechtesten Beispiel voran. Statt Infrastruktur auszubauen, oder zumindest zu erhalten, wird privatisiert auf Teufel komm raus, werden die Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich verlängert und allenthalben Stellen gestrichen.

      Bayern baut 12.600 Staatsbedienstete ab, Brandenburg 12.400, Hessen 10.000, Niedersachsen über 20.000, Thüringen 7.000. Die Bundeswehr soll von 285.000 Soldaten auf 250.000 und von 128.000 zivilen Beschäftigten auf 75.000 reduziert werden. Macht unterm Strich 88.000 Jobs. Banken und Versicherungen haben Zehntausende von Arbeitsplätzen vernichtet. Kein Unternehmen der Großindustrie, dass nicht massenhaften Arbeitsplatzabbau gemeldet, oder angekündigt hätte. Dazu steigende Insolvenzzahlen in allen Branchen und bei allen Betriebsgrößen, aber die Kommission zur Ermittlung des Bedarfs an ausländischen Arbeitskräften empfiehlt, 25.000 Ingenieure, Bank- und Versicherungskaufleute sowie Ärzte aufzunehmen. Das wohlgemerkt in ein Land, in dem Banken und Versicherung massiv Stellen abgebaut haben, in denen Arztpraxen in beträchtlichem Umfang in die Insolvenz rutschen und in dem reihenweise die Stationen in den Kliniken abgebaut und sogar ganze Krankenhäuser geschlossen werden. Dass Ingenieure aller Fachrichtungen von Unternehmen aller Branchen in Rationalisierungs-, Umstrukturierungs-, Verschlankungs-, oder Fit-for-future-Programmen vor die Tür gesetzt werden, scheine ich wohl nur zu träumen.

      Statt endlich zu erkennen, dass das, was ‚Reformen` genannt wird, keine andere Wirkung zeigen kann, als den Binnenmarkt abzuwürgen, wird in blumiger Sprache von `lustlosen` Konsumenten und `Kaufzurückhaltung` gesprochen, während die Kaufzurückhalter durch ganze Batterien von Drehtüren getrieben werden, hinter denen sie sich jeweils in einem noch schlechter bezahlten Arbeitsverhältnis mit noch längerer Arbeitszeit und schließlich im Ein-Euro-Job wiederfinden.

      Wer sich zum Ziel setzt, den Exportweltmeister noch wettbewerbsfähiger zu machen, als er sowie schon ist, der darf sich nicht wundern, wenn im Gegenzug das Einkommen breiter Bevölkerungsschichten immer weiter sinkt. Mit dem Verzicht der inländischen Bevölkerung, mit der Sparsamkeit der öffentlichen Haushalte in Bund, Ländern und Gemeinden, werden letztlich erst diejenigen Preise auf dem Weltmarkt ermöglicht, mit denen Länder wie Vietnam, Korea und China unterboten werden können, ohne dass die Betreiber dieses Exportwahnsinns auf ihre Profite verzichten müssten.

      Das Fass läuft über.

      Noch einmal werden es die Gewerkschaftsbosse nicht schaffen, ihre Mitglieder aus einem erfolgversprechenden Arbeitskampf zurückzupfeifen. Die Bochumer Stimmzettel lassen sich nur einmal verwenden. Der Druck auf die Bevölkerung wächst. Und mit dem wachsenden Druck wird für alle immer offensichtlicher, dass es nicht der Einzelne ist, der aus eigenem Verschulden in eine prekäre Situation geraten ist, sondern dass ganze Bevölkerungsschichten, ganze Stadtteile und Regionen in atemberaubendem Tempo um Einkommen, Besitz und Zukunft gebracht werden.

      Es wird nicht mehr lange dauern, bis alle Propaganda nicht mehr in der Lage sein wird, der offensichtlichen, mit allen Sinnen erlebbaren Realität, das Bild jener heilen Welt entgegenzustellen, das Arbeitnehmer und Arbeitgeber zeigt, wie sie in einem gemeinsamen Boot gemeinsam Kurs auf eine bessere Zukunft nehmen.

      Das eigentliche Desaster von Bochum ist, dass die Politik ihre möglicherweise letzte Chance verpasst hat, sich mit dem eigenen Volk zu solidarisieren.

      Es ist pure Heuchelei, darüber zu jammern, dass DVU und NPD wieder in Fraktionsstärke in die Parlamente einziehen. Es ist schließlich nicht die verführerische Anziehungskraft der braunen Parteiprogramme, was die Wähler veranlasst, dort ihr Heil zu suchen.

      Solange Rote und Grüne, Schwarze und Gelbe nicht daran denken, den Menschen einen anständigen Platz in jener christlichen, sozialen, freiheitlichen und ökologischen Welt zu schaffen, die übrig bleiben wird, wenn die Agenda 2010 samt aller Hartz-Gesetze durch ist und die Nachfolgeregierung - wie angekündigt - noch weit über diese ersten Schritte hinausgegangen sein wird, solange werden die so ausgegrenzten Menschen ihre Heimat anderswo suchen.

      Viel Auswahl haben sie nicht.

      Das ist das Desaster.


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      Avatar
      schrieb am 24.10.04 22:13:31
      Beitrag Nr. 1.978 ()
      24. Oktober 2004

      Wessis sollen länger arbeiten

      Westerwelle fordert Angleichung an den Osten

      (bald wird (werden sie) er die Angleichung an Uganda fordern
      Kappes hoch 5)Rezept für die Mülltonne):mad:

      Die Arbeitszeiten in Westdeutschland müssen nach Ansicht des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle auf das Niveau in den neuen Bundesländern angehoben werden. Er halte die Diskussion schon lange für verfehlt, die Arbeitszeiten im Osten auf Westniveau zu verkürzen, sagte Westerwelle der Zeitschrift "Super Illu". Der FDP-Chef betonte: "Das Gegenteil ist nötig. Die Arbeitszeiten im Westen müssen denen des Ostens angepasst werden."

      Der Standort Deutschland könne nicht mit weniger, sondern nur mit mehr Anstrengungen gesichert werden. "Wäre der Westen nach der Wiedervereinigung so veränderungsbereit gewesen wie der Osten, dann wären wir alle heute ein gutes Stück weiter", sagte Westerwelle.



      Opel und Karstadt die "Spitzen des Eisbergs"

      Die aktuellen Krisen bei Opel und Karstadt sind nach Ansicht des FDP-Chefs nur die "Spitzen des Eisbergs". Westerwelle erläuterte: 2In Wahrheit verliert Deutschland jeden Tag unterm Strich 1000 Arbeitsplätze. Was derzeit im Westen zu Recht für Besorgnis um die eigene Stelle sorgt, ist in Ostdeutschland schon lange bittere Realität - auch wenn die öffentliche Empörung darüber bisher weitgehend ausgeblieben ist." Spätestens jetzt müsste in Deutschland klar werden, "dass wir es nicht mit einer vorübergehenden Konjunkturflaute, sondern einer handfesten Strukturkrise zu tun haben".

      (N24.de, ddp)
      Avatar
      schrieb am 24.10.04 22:14:09
      Beitrag Nr. 1.979 ()
      Avatar
      schrieb am 24.10.04 22:20:46
      Beitrag Nr. 1.980 ()
      Chinesen beginnen massive Dollarverkäufe

      24.10.2004 Wie Händler mitteilen, beginnen im chinesische Privatleute, die einen Teil ihrer Reserven in Dollar hielten, in großem Ausmaß Dollars zu verkaufen. Hierbei handelt es sich nicht um Spekulationsgeschäfte, sondern reales Geld.

      Dollarkonten werden von den Kunden aufgelöst und in andere Währungen umgeschichtet. Insbesondere Länder im Osten Europas werden mit Dollars überflutet, die chinesischen Privatanleger wechseln in den Euro sowie in andere europäische Währungen.

      http://www.chinaintern.de/article/Wirtschaft_Hintergrundberi…
      Avatar
      schrieb am 25.10.04 13:47:52
      Beitrag Nr. 1.981 ()
      Avatar
      schrieb am 30.10.04 00:38:13
      Beitrag Nr. 1.982 ()
      Noch mehr Zweifel am »Treibhauseffekt«


      Der BWL-Bote ist dafür bekannt, schon dem Grunde nach am vorgeblichen "Treibhauseffekt" zu zweifeln. Jetzt lassen sich die schon seit 12 Jahren in der Naturwissenschaft vorgetragenen Zweifel wohl nicht mehr länger unter der Decke halten. Aber weiß das auch die Politik?

      Auf unserer Ausblick auf die kommenden Öko-Repressionen vom vorigen Samstag haben wir eine Menge negative Feedbacks bekommen, einige ziemlich beleidigend, eine Menge sehr ausfallende Äußerungen und nur ganz wenige sachlich. Schon diese Tatsache zeigt, daß es hier nicht mehr um Wissenschaft sondern um eine neue Religion geht. Diese bekommt aber nun einen weiteren Dämpfer, aber diesmal von dem bekannten Nachrichtendienst Heise.de.

      Dieser berichtet nämlich in einem heute erschienenen Artikel von gravierenden Rechenfehlern und methodischen Schwächen, die zu dem "Hockeystick"-Diagramm geführt haben, das die Planetenretter so oft als Beleg für die "globale Erwärmung" anführen. So wurde nunmehr auch über die Grenzen der Fachwissenschaft hinaus bekannt, daß die von den Urhebern dieses Diagrammes verwendete Analysemethode auch aus beliebigen Zufallsdaten ein ebensolches Diagramm zaubert. Ob politisch motivierter Betrug oder einfach nur ein methodischer Mangel: die Mär vom Treibhauseffekt wankt immer mehr.

      Die Politik indes setzt ihre Kampagne zur Einführung des Emissionshandels unbeirrt fort - derzeit noch ohne sichtbaren Widerstand aus Wirtschaft und Bevölkerung. Wir könnten den irreparablen Schaden für Arbeitsplätze, Wachstum und die Energieversorgung dieses Landes noch aufhalten. Aber wollen wir das wirklich? Oder suchen die Deutschen nicht, wie schon so oft, eine einfache Lehre, die ihnen die Last des Selberdenkens abnimmt, und finden sie diesmal in der Lehre von der globalen Erwärmung und dem persönlichen Verzicht auf Lebensqualität und technisch-wissenschaftlichen Fortschritt, den diese Ökoreligion fordert?

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 30.10.04 00:45:24
      Beitrag Nr. 1.983 ()
      Inland
      Hans Springstein

      Kliniken droht Koma

      Studie macht auf Gefahr für Krankenhäuser durch schlechte Zahlungsmoral der Krankenkassen aufmerksam


      Die gesetzlichen Krankenkassen haben bei den Krankenhäusern Schulden in Milliardenhöhe. Sie haben den Kliniken in diesem Jahr Rechnungen von insgesamt von 2,3 Milliarden Euro bisher nicht bezahlt. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) am Donnerstag in Berlin vorstellte. Jedes Krankenhaus in der Bundesrepublik habe dadurch ein durchschnittliches Minus von 1,3 Millionen Euro, so DKG-Vizepräsident Rudolf Kösters. Die schlechte Zahlungsmoral der Krankenkassen gefährde die wirtschaftliche Existenz der Kliniken und die medizinische Versorgung der Patienten.

      Mit dieser »Wildwestmethodik« wollten die Krankenkassen anscheinend ihre eigene schwierige Einnahmesituation ausgleichen, sagte Kösters. Die entsprechenden Fehlbeträge seien seit 2002 um 75 Prozent gestiegen. Damals lagen die Schulden der Kassen bei 1,3 Milliarden Euro. Über Zahlungsverzögerungen klagen der Studie zufolge inzwischen 95 Prozent aller Krankenhäuser bundesweit. Über die Hälfte davon berichteten von verweigerten Zahlungen durch die Kassen. Insgesamt sei davon jede dritte Klinikbehandlung betroffen, schilderte der DKG-Vize die Situation.

      Laut Kösters begründen die Kassen ihr Verhalten mit Zweifeln, ob bestimmte Behandlungen notwendig seien sowie mit bürokratischen Problemen. Besonders schlecht sei die Zahlungsmoral der Bundesknappschaft sowie bei vielen Betriebs- und Innungskrankenkassen. Es handele sich dabei um »eindeutig rechtswidriges Verhalten«, erklärte DKG-Geschäftsführer Jörg Robbers. Bisher seien fast alle entsprechenden Prozesse vor den Sozialgerichten zugunsten der Krankenhäuser entschieden worden. Doch die Gerichte seien mit Tausenden entsprechenden Klagen überfordert, so daß die Kliniken bis zu mehreren Jahren auf ihr Geld warten müssen. Für die Kassen entstünden so weitere Kosten, konstatierte DKG-Vize Kösters und zeigte sich verwundert über deren »unverständliches« Verhalten.

      Kösters machte auf die »schlimmen« Folgen der Situation aufmerksam. Die Krankenhäuser müssen nach seinen Angaben ihren Mitarbeitern Löhne und Vergütungen kürzen. Weiterer Personalabbau, um die entstandenen Finanzlücken zu stopfen, sei nicht möglich. Nur so könne vermieden werden, daß die Patienten nicht für die schlechte Zahlungsmoral der Kassen bezahlen.

      Die Entwicklung ist nicht neu und gehört zu den Folgen der Reformlügen auch im Gesundheitswesen, das nur noch nach wirtschaftlichen Kriterien arbeiten soll. Den Kassen fehlen infolge der Massenarbeitslosigkeit Einnahmen, was sie mit einem rigiden Sparkurs auszugleichen versuchen. Dazu gehört, die Rechnungen der Krankenhäuser nicht oder nur verspätet zu zahlen. Die Kliniken müssen infolgedessen sparen und Personal abbauen. Am Ende bezahlen dafür die Patienten, die nur noch als Kostenfaktor gesehen werden. Zunehmend werden ihnen eigentlich notwendige kostenintensive Behandlungen vorenthalten. Die Kassen weigern sich, wichtige Operationen und Behandlungen zu bezahlen.

      Die Krankenhausgesellschaft fordert eine gesetzliche Regelung, die die Kassen zwingt, wie vorgeschrieben innerhalb von 14 Tagen zu zahlen.
      http://www.jungewelt.de/2004/10-29/015.php
      Avatar
      schrieb am 30.10.04 00:48:01
      Beitrag Nr. 1.984 ()
      Inland
      Helga Schönwald

      Einkommensarmut ins Gesicht geschrieben

      Zum ersten weltweiten Psoriasis-Tag protestieren chronisch Hautkranke gegen Diskriminierung


      Je nach Schwere ihrer Erkrankung mußten beispielsweise Schuppenflechtepatienten einer Würzburger Hautarztpraxis in nur einem Quartal dieses Jahres zwischen 78 und 462 Euro für die als Kassenleistung gestrichenen Präparate zahlen. Den ersten weltweiten Psoriasis-Tag am heutigen Freitag nutzen chronisch Hautkranke in Deutschland gemeinsam mit Selbsthilfe- und ärztlichen Organisationen, um gegen Diskriminierung und schlechtere Versorgung zu protestieren.

      Seit der diesjährigen »Gesundheitsreform« bezahlen Krankenkassen rezeptfreie Medikamente nur noch in Ausnahmen – wenn sie zu Standardtherapien schwerer Erkrankungen gehören. Aber selbst letzteres wird bei der nicht heilbaren Autoimmunerkrankung Schuppenflechte ebenso wie bei anderen schweren Hautkrankheiten und Allergien vom gemeinsamen Bundesausschuß der Selbstverwaltungen im Gesundheitswesen nicht umgesetzt: Die seit 1. April 2004 geltende Ausnahmeliste enthält solche wichtigen Basistherapeutika wie Salbenzubereitungen mit Harnstoff oder Bäderzusätze für Psoriatiker noch immer nicht. Insgesamt knapp die Hälfte aller Dermatika müssen die Betroffenen selbst zahlen – ohne Grenzen, bis auf die des eigenen Portemonnaies.

      Der Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen, Dr. Erich Schubert, appellierte anläßlich des Psoriasis-Tages an die Bundestagsabgeordneten im Gesundheitsausschuß, die dramatische Ungleichbehandlung schwer Haut- und Allergiekranker beenden zu lassen. »Einkommensarmut steht heute vielen buchstäblich ins Gesicht geschrieben: zu erkennen an schuppender Haut, auffälligen Rötungen und entzündeten Arealen, die obendrein auch noch stark jucken.« Kinder ab zwölf Jahre aus ärmeren Familien, alleinerziehende Frauen, Arbeitslose, Sozialhilfebezieher blieben un- oder zumindest unterversorgt. In Zeiten ohne Hauterscheinungen würden sie die enorm gestiegenen Kosten für die sogenannte Basisbehandlung nicht mehr aufbringen können. In die Praxis kämen die Patienten nur bei neuen Schüben und mit dramatischem Hautzustand. Dann seien teure, oft nebenwirkungsreiche Therapien nötig bis hin zur Klinikeinweisung. »Kosten lassen sich auf diese Weise nicht sparen«, kritisierte Dr. Schubert das Haupt»argument« für die verschärfte Zweiklassenmedizin. Zumindest als schnelle Übergangslösung setzt sich der Dermatologenverband dafür ein, die Ausgaben für die verordneten rezeptfreien Arzneimittel in die Ein-Prozent-Überforderungsklausel einzubeziehen.

      http://www.jungewelt.de/2004/10-29/017.php
      Avatar
      schrieb am 30.10.04 00:52:01
      Beitrag Nr. 1.985 ()
      Inland
      Klaus Störch

      »Vergelt’s Gott«

      Kirche, Diakonie und Caritas im Dienste von »Hartz IV«: Laub harken, Rollstuhl schieben, Kinder hüten für einen Euro


      Daß der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern auch vom Wort, ist Existenzgrundlage der christlichen Kirchen in Deutschland. Und so äußern sich die Kirchen immer wieder zu Fragen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Besondere Popularität erlangte das Papier »Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit«, das die Deutsche Bischofskonferenz gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Frühjahr 1997 veröffentlichten. Solidarität und Gerechtigkeit sollten weiterhin die Maßstäbe für eine zukunftsfähige und nachhaltige Wirtschafts- und Sozialpolitik sein. Damals forderten die Kirchen, daß die soziale Gerechtigkeit nicht auf dem Altar des Neoliberalismus geopfert werden dürfe.

      Eiertanz der Kirchen

      Wer heute dieses Papier auf den Prüfstand stellt, der wird enttäuscht. Viele »fortschrittliche« Positionen wurden einfach auf der Müllhalde der Geschichte entsorgt. Es war der Jesuitenpater Friedhelm Hengsbach, der vor Jahresfrist in einem Interview mit dem Stern, die Drift der Kirchen in die wirtschaftsliberale Mitte und die Hinwendung zur Agenda 2010 kritisierte und die Kirchenfürsten aufforderte, zu den formulierten Grundsätzen zurückzukehren und ein schärferes soziales Profil zu entwickeln. Während Kardinal Karl Lehmann Schröders Agenda 2010 begrüßte und der Jesuitenpater Hans Langendörfer geringere Hilfen für Arbeitslose und weniger Kündigungsschutz forderte, bezweifelt Hengsbach hartnäckig, daß die fortschreitende Privatisierung und Deregulierung die Heilsbotschaften zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme sind.

      Zur sogenannten Arbeitsmarktreform »Hartz IV« bezog die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Position und veröffentlichte am 14. Oktober 2004 das Papier »Reform des Arbeitsmarktes in Deutschland – Einschätzungen und Bewertungsgesichtspunkte zur Diskussion«. Dieses Papier ist charakteristisch, es steht stellvertretend für den Kurs der Kirchen gegenüber den »Reformen« der Bundesregierung.

      Einerseits werden die Arbeitsmarkt-»reformen« kritisiert und betont, daß die sozial Schwachen in der Gesellschaft geschützt und unterstützt werden müssen und ihnen dabei keinesfalls wachsende Risiken zugeschoben werden dürfen. Andererseits empfehlen sich die Kirchen und ihre Sozialverbände als Anbieter von »Ein-Euro-Jobs«, die neuerdings – welch Euphemismus – als Zusatzjobs oder als Arbeitsgelegenheiten für Langzeitarbeitslose bezeichnet werden.

      Dazu erklärte Dr. Wolfgang Gern, der Vorsitzende des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau, daß er Arbeitsgelegenheiten dann als sinnvoll erachte, wenn sie diesen Menschen eine Perspektive eröffnen und sozialpädagogisch begleitet seien.

      Daß Arbeitsgelegenheiten zu einem Abbau tariflich entlohnter Stellen beitragen könnten, die Betroffenen ohne echten Lohn arbeiten und dabei kaum ihre berufliche Perspektive verbessern, spielt dabei keine Rolle. Ebensowenig die Befürchtung, daß Menschen, die sich längerfristig in Beschäftigungsmaßnahmen befinden, noch geringere Chancen haben, einen regulären Arbeitsplatz zu finden, oder die Gefahren der Stigmatisierung und eines »dritten« und »vierten« Arbeitsmarkt wachsen.

      »Unverzichtbare Partner«

      Aufschluß darüber, warum die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie so großzügig Zusatzjobs im sozialen Sektor anbieten wollen, kann man einer Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums vom 6. September 2004 entnehmen. Darin werden die Wohlfahrtsverbände als größte Anbieter sozialer Dienstleistungen für ihre langjährige Erfahrung in der Betreuung von Langzeitarbeitslosen gewürdigt und als »unverzichtbare Partner« bezeichnet.

      Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht. Kirche, Caritas und Diakonie stecken in einer schweren Finanzkrise. Die Ursache: sinkende Steuereinnahmen und Mitgliederzahlen. So können sie durch »Hartz IV« nur gewinnen: Sie werden weiterhin gesellschaftskritisch auftreten und sich an mancher Großdemonstration gegen den Sozialabbau und die Umverteilung von unten nach oben beteiligen, aber sie werden gleichzeitig umsetzen, was ihnen die Herrschenden gebieten. Um des eigenen Überlebens willen.

      Die Kirchen in der BRD beschäftigen als »Dienstgeber« bereits rund 1,3 Millionen Menschen. Davon arbeitet knapp eine Million bei den großen kirchlichen Sozialkonzernen, der katholischen Caritas (rund 500000) und der evangelischen Diakonie (über 400000). Damit sind die beiden christlichen Glaubensgemeinschaften der größte »Arbeitgeber« Deutschlands. Hinzu kommen Heerscharen (eine weitere Million) von ehrenamtlichen Mitarbeitern und Helfern, die als Christenmenschen für ein »Vergelt’s Gott« ihre Arbeit verrichten. 40000 Ein-Euro-Jobs, so die vorsichtigen Schätzungen, könnten allein in Hessen im nächsten Jahr dazukommen. Vorlesen, Laub harken, Rollstuhl schieben, Koffer tragen und Kinder hüten im Dienst für den Nächsten und die heilige Kirche.

      http://www.jungewelt.de/2004/10-29/018.php
      Avatar
      schrieb am 30.10.04 01:02:11
      Beitrag Nr. 1.986 ()
      Inland


      Erneut keine Rentenerhöhung

      Nur Sicherungsklausel verhindert Kürzung. Unternehmerchef Hundt: Rentenalter rauf!


      Die Rentner in Deutschland können auch im kommenden Jahr nicht mit höheren Alterseinkünften rechnen. Es werde für 2005 »nur eine Nullanpassung geben können«, umschrieb das der Vorstandsvorsitzende des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR), Alexander Gunkel, am Donnerstag in Kassel. Eine Minusrunde werde nur durch die gesetzlich festgelegte Sicherungsklausel verhindert. Zur finanziellen Lage der Rentenkassen sagte Gunkel, die Rentenversicherung bewege sich »auf einem schmalen Grad«. Bereits in den ersten Monaten des kommenden Jahres werde zur Aufrechterhaltung der Liquidität ein Vorziehen von Raten des Bundeszuschusses notwendig.

      Grund für die Situation sei die schwache Lohnentwicklung. Für 2004 sei zunächst eine Steigerung der Bruttoentgelte pro Kopf von 1,4 Prozent angenommen worden. Jetzt würden die Zuwächse von der Bundesregierung im Westen auf 0,6 Prozent und im Osten auf 0,7 Prozent geschätzt, erklärte Gunkel.

      Unterdessen nutzen die Unternehmer die angespannte Finanzlage der Rentenversicherung, um auf weitere durchgreifende Kürzungen zu drängen. Es zeige sich immer deutlicher, daß die jüngsten Renten»reformen« nicht ausreichten, »um die gesetzliche Rentenversicherung dauerhaft leistungsfähig und finanzierbar zu erhalten«, erklärte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt am Donnerstag in Berlin. »Ein Beitragsatz von 22 Prozent im Jahr 2030, wie von der Bundesregierung anvisiert, ist ökonomisch und sozialpolitisch nicht zu verantworten«, betonte Hundt. Der Beitragssatz müsse dauerhaft auf unter 20 Prozent begrenzt werden, forderte der BDA-Chef. Dringend notwendig sei eine Neugestaltung der Hinterbliebenenversorgung, auf die rund 20 Prozent der gesamten Rentenausgaben entfielen. Außerdem müsse die Regelaltersgrenze schrittweise vom 65. auf das 67. Lebensjahr angehoben werden. Weiter müßten die Abschläge bei Frühverrentungen heraufgesetzt werden.

      http://www.jungewelt.de/2004/10-29/019.php" target="_blank" rel="nofollow ugc noopener">http://www.jungewelt.de/2004/10-29/019.php

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      Kommentar
      Daniel Behruzi

      Nicht lernfähig

      VW-Verhandlungen in heißer Phase


      »Die Zeiten übertriebener Lohngier sind vorbei.« So tönt es ausgerechnet aus dem Verband der Metallunternehmer, die sich mit Gier ziemlich gut auskennen dürften. Mit medialem Trommelfeuer von Spiegel bis Bild sollen die VW-Arbeiter für das Finale der laufenden Tarifauseinandersetzung weichgeklopft werden. Pünktlich dokumentieren auch die neuen Quartalszahlen die schwierige Lage des Wolfsburger Konzerns. Der immergleiche, in diesem Fall von VW-Verhandlungsführer Josef-Fidelis Senn vorgetragene, Lösungsweg: »Beschäftigung läßt sich nur durch Wettbewerbsfähigkeit sichern.«

      Entlarvend wirken in diesem Zusammenhang allerdings die vom Konzern genannten Gründe für den Gewinneinbruch: die Schwäche des Dollar und die enttäuschende Nachfrage in Deutschland. Nicht zu hohe Löhne sind das Problem der Autobauer, sondern die von Niedriglöhnen und Massenarbeitslosigkeit hervorgerufene Konsumflaute. Der einzelne Konzern versucht dennoch, die eigenen Profite durch eine Erhöhung der Ausbeutungsrate – Lohnkürzung und/oder Arbeitszeitverlängerung – zu sichern. Die Konkurrenten müssen nachziehen, und so folgen auf Kürzungspakete bei DaimlerChrysler und Ford fast identische bei VW und Opel.

      Dieses Verhalten der Manager kann kaum überraschen. Das ist ihr Job. Verwundern könnte indes, warum sich die Gewerkschaftsspitzen auf dieses miese Spiel so vollends einlassen. Die Beschäftigtenvertretung bei VW hat mit dem »For Motion«-Programm bereits im Frühjahr diesen Jahres drastischen Kürzungen zugestimmt. Doch die damit erzielten Einsparungen von bislang 850 Millionen Euro haben die neuerlichen Begehrlichkeiten nicht verhindert. Und allem Säbelrasseln zum Trotz setzt die Gewerkschaftsspitze ihren Kurs, tarifliche Errungenschaften kampflos preiszugeben, unbeirrt fort: Mit gesenkter Lohnforderung, Arbeitszeitflexibilisierung und niedrigeren Einstiegslöhnen versuchte sie erfolglos, die Konzernspitze zu beschwichtigen.

      »Lohnverzicht schafft keine Arbeitsplätze.« Dieser in den Gewerkschaften einst selbstverständliche Satz gilt wie ehedem. Das stellt selbst die IGM-Mitgliederzeitschrift metall in ihrer aktuellen Ausgabe fest. Zu Opel heißt es: »Standortsicherungsverträge mit kräftigen Einbußen für die Beschäftigten haben nichts gebessert.« Und die Schließung des Otiswerks in Stadthagen mache klar: »Versprechen der Arbeitgeber sind nicht das Papier wert, auf dem diese stehen.« Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen will man aber offenbar nicht ziehen.

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      http://www.jungewelt.de
      Avatar
      schrieb am 30.10.04 01:06:13
      Beitrag Nr. 1.987 ()
      Dow, S&P 500 und Nasdaq unter der Lupe
      ++ Obere Umkehrformation ++

      Von Claus Vogt

      Unserer Meinung nach endete im Jahr 2000 an den Aktienmärkten Europas und der USA ein langfristiger Aufwärtstrend, der 1982 begonnen hatte und Aktionäre mit spektakulären Kursgewinnen beschenkte. Danach begann ein langfristiger Abwärtstrend, der mit nunmehr rund fünf Jahren noch immer als recht jung bezeichnet werden kann. Innerhalb dieses langfristigen Abwärtstrends entwickelte sich beginnend im Oktober 2002 beziehungsweise im März 2003 die erste ausgeprägte Bearmarket-Rallye. Trotz der von den Tiefständen aus gerechnet sehr deutlichen Kursgewinne trägt diese Rallye alle Zeichen einer typischen Bearmarket-Bewegung, die lediglich einen Teil der voran gegangenen Verluste wieder aufholen konnte. Im Januar diesen Jahres erreichte die Kurserholung – bisher zumindest – ihren Höhepunkt. Seither geht es unter Schwankungen seitwärts. Wir interpretieren insbesondere aufgrund unseres Gesamtmodells diese Seitwärtsbewegung als obere Umkehrformation, die den Abschluss der Bearmarket-Rallye bilden und die Wiederaufnahme des langfristigen Abwärtstrends einleiten wird. Diese Sichtweise steht übrigens weiterhin im Einklang mit der Dow Theory, einer der wenigen wirklich erfolgreichen Strategien zum mittelfristigen Timing der Märkte.

      Dow Jones Industrial

      Das Chartbild des Dow hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten deutlich eingetrübt. Die in diesem Index mit dem Februar-Hoch eingeleitete Seitwärtsbewegung läßt mittlerweile eine klare obere Umkehrformation erkennen. Deren Untergrenze verläuft bei rund 9.800 Punkten. Seit dem Februar-Hoch liegt jede Kursspitze unter der vorherigen und jede zeichnete sich durch niedrigere Umsätze aus. Die 200-Tage-Durchschnittslinie ist bereits übergerollt und beginnt zu fallen. Wir sehen darin ein zwar sehr simples, aber durchaus bewährtes Warnsignal. Die beiden letzten Rallye-Versuche scheiterten an der als Widerstand fungierenden 200-Tage-Durchschnittslinie, und die aktuellen Kurse befinden sich nur noch 1,5 Prozent über der Formationsuntergrenze. Ein von uns erwarteter Kursrutsch unter diese bei 9.800 verlaufende horizontale Linie würde ein deutliches technisches Verkaufssignal erzeugen und das Ende der Bearmarket-Rallye verkünden. Das erste Kursziel für dieses von uns klar favorisierte Szenario sehen wir bei 9.000 Punkten. Ein dynamischer Ausbruch über die zur Zeit bei gut 10.300 verlaufende Abwärtstrendlinie würde Zweifel an dieser Interpretation aufkommen lassen.

      ++ S&P 500 und Nasdaq ++

      S&P 500

      Auch dieser Index zeigt seit Jahresanfang ein Muster stets tieferer Hochpunkte, die von jeweils geringeren Umsätzen begleitet wurden. Im Unterschied zum Dow kam es hier allerdings zu einer lehrreichen Verletzung der Abwärtstrendlinie. Diese wurde Anfang Oktober überschritten, allerdings ohne die von uns immer wieder geforderte Dynamik aufzuweisen. Damit war eine ganz wichtige Bedingung für ein Kaufsignal nicht erfüllt und schon nach wenigen Tagen oberhalb dieser Trendlinie rutschten die Kurse erneut ab – und zwar dynamisch. Der Ausbruch war als Fehlsignal und Bullenfalle bestätigt. Die Kurse fielen zügig weiter bis zur ersten, kurzfristigen Unterstützung bei 1.100 Zählern. Im Verlauf dieser Bewegung kam es aus technischer Sicht zu mehreren interessanten Entwicklungen. Beispielsweise haben die Momentum-Indikatoren das kleine Kurshoch Mitte Oktober nicht bestätigt. Während der S&P 500 über sein September-Hoch steigen konnte, blieben die Indikatoren unter ihren jeweiligen Hochs und erzeugten damit eine negative Divergenz. Anschließend wurden die rückläufigen Kurse durch Verkaufssignale dieser Indikatoren bestätigt. Das aktuelle Niveau der Indikatoren lässt problemlos eine Fortsetzung der Kursrückgänge zu, bevor überverkaufte Niveaus erreicht sein werden. Wir bleiben folglich bei unserer bearishen Erwartung. Unterstützung für die nächste Abwärtswelle sehen wir im Bereich 950 bis 1.000 Zähler. Die vom Oktober 2002 her stammende mittelfristige Aufwärtstrendlinie verläuft bei gut 870 und stellt unser mittelfristiges Kursziel dar. Ein dynamischer Kursanstieg über die Oktober-Hochs bei 1.140 Punkten würde diese Interpretation zunichte machen.

      Nasdaq

      An der Nasdaq kam es bereits im Juni zu einer Bullenfalle, als die Kurse mit schwachen Umsätzen über die damals geltende Abwärtstrendlinie stiegen. Anschließend kam es zu einem scharfen Kursrückgang, in dessen Verlauf die obere Umkehrformation mit einem klaren Verkaufssignal abgeschlossen wurde. Die anschließende Rallye traf im Bereich der fallenden 200-Tage-Durchschnittslinie auf Widerstand, nur wenige %-Punkte darüber befindet sich die neue Abwärtstrendlinie. Dass diese Rallye in den Bereich der alten Formation zurück führte, erschwert die Interpretation dieses Charts, denn idealer Weise sollte es dazu nicht kommen. Das klare Verkaufssignal wurde damit aber nicht negiert. Das gilt um so mehr, da die 200-Tage-Durchschnittslinie bereits seit fast 3 Monaten fällt. Der mittelfristige Trend muss somit als abwärts gerichtet bezeichnet werden. Das macht die weiter oben beschriebenen optimistischen Sentimentindikatoren besonders interessant, denn zumindest an der Nasdaq ist die Stimmung offensichtlich deutlich besser als die Realität. Wir rechnen mit einem baldigen Unterschreiten der August-Tiefs, die bei rund 1.770 Zählern liegen. Unterstützung erkennen wir bei 1.600 und 1.500 Punkten. Ein Abrücken von dieser bearishen Interpretation wäre dann notwendig, wenn es entgegen unserer Erwartung zu einem dynamischen Anstieg über die Abwärtstrendlinie kommen sollte, die zur Zeit bei knapp 2.000 Punkten verläuft.


      Claus Vogt leitet das Research der Berliner Effektenbank.


      +++ LETZTE BUCHERSCHEINUNG +++
      Im März 2004 erschien das von Claus Vogt gemeinsam mit Roland Leuschel verfaßte Buch: „Das Greenspan Dossier. Wie die US-Notenbank das Weltwährungssystem gefährdet, oder: Inflation um jeden Preis.“, Finanzbuch-Verlag, München, 353 Seiten, 34,90 Euro, ISBN 3-89879-101-7. Jetzt überall im Buchhandel. Sie können das Buch auch hier bestellen.

      http://www.instock.de/Nachrichten/10148311/pos/2
      Avatar
      schrieb am 30.10.04 01:08:10
      Beitrag Nr. 1.988 ()
      Avatar
      schrieb am 03.11.04 20:59:19
      Beitrag Nr. 1.989 ()
      Egon W. Kreutzer

      Europa in schlechter Verfassung


      Kommentar für das Magazin Matrix3000,
      erschienen im Heft September/Oktober 2004


      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14024EuropVerfassung…


      Mehr als 450 Millionen Menschen in 25 Staaten bilden heute als Europäische Union den größten geschlossenen Markt der Welt. Nun soll unter dem Titel "Europäische Verfassung" eine neue "Marktordnung" erlassen werden.

      Warum?

      Die Vision der politischen Einheit Europas, wie sie in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt und zum Fernziel ausgerufen wurde, ist Vision geblieben. Die EU - als institutioneller Träger der europäischen Hoffnungen und Träume - ist über die Jahrzehnte im Kern genau das geblieben, was sie immer war, nämlich eine Arbeits-Gemeinschaft der europäischen Wirtschaft, die den Industrienationen den Zugang zu einem gigantischen Binnenmarkt öffnet und den Agrarstaaten das Überleben durch Subventionen garantiert.

      Die Regierungen der Mitgliedsstaaten dieses wirtschaftspolitischen Zweckbündnisses haben nun beschlossen, der EU und damit der Bevölkerung aller EU-Staaten, eine einheitliche europäische Verfassung zu geben.

      Die öffentliche Diskussion um diese Verfassung fand in Deutschland nur insoweit statt, als auf der Showbühne des Polittheaters die Befürworter des sogenannten Gottesbezuges auftraten und nicht müde wurden, diesen zu fordern, während die möglicherweise gar nicht vorhandenen Gegner eines Gottesbezuges dazu schwiegen. Wer über die Grenzen schaute, konnte entdecken, dass die Frage, welcher Staat bei künftigen Mehrheitsentscheidungen wieviel Stimmgewicht bekommen sollte, bis zuletzt für einige diplomatische Aufgeregtheiten sorgte.

      Inzwischen haben Polen und Spanien ihre Bedenken aufgegeben und so konnten die Staats- und Regierungschefs aller 25 Mitgliedsstaaten am 18. Juni 2004 dem Verfassungstext zustimmen (und ihn am 29. Oktober in Rom feierlich unterschreiben). Deutsche Politiker aus Regierung und Opposition stehen begeistert in der vordersten Reihe derjenigen, die nun schleunigst ratifizieren wollen, vermeiden es aber tunlichst, die geforderte Eile und den Verzicht auf eine Volksabstimmung über die Verfassung zu begründen.

      Wer eine Debatte um die Inhalte für überflüssig hält, weil er leichtgläubig annimmt:

      "Eine Verfassung ist eine Verfassung, was soll sich da schon groß ändern?",

      der irrt. Der Entwurf der Europäischen Verfassung, der nun in Kraft gesetzt werden soll, hat mit dem Grundgesetz, wie wir es kennen, nur wenig gemein.

      Weil aber auf dem gleichen Staatsgebiet zwei unterschiedliche und sich widersprechende Verfassungen nicht gleichzeitig Gültigkeit haben können, muss das in den Verfassungen der Mitgliedsstaaten gesetzte Recht hinter das Recht der Gemeinschaft zurücktreten.

      Recht aus gewachsenen Rechtsordnungen, Recht, das von demokratisch gewählten Parlamenten gestaltet und gepflegt wurde, wird ausgetauscht, gegen ein Verfassungsrecht, zu dem die meisten Bürger dieser Gemeinschaft nicht einmal gefragt werden.

      Das Innenministerium der Bundesrepublik Deutschland hat mir, auf entsprechende Anfrage mit Schreiben vom 6. Juli 2004 zum voraussichtlichen Erlöschen nationalen Rechts folgendes mitgeteilt:

      "(...) Art. 23 GG, der 1992 aus Anlass des Vertrages über die Europäische Union in das Grundgesetz eingefügt wurde, (...) ist mit weitreichenden Ermächtigungen ausgestattet. Sie erlauben die Übertragung von Hoheitsrechten, Schaffung und Änderung des primären EU-Rechts sowie auch eine Verfassungsgebung, die die nationale Verfassungslage verändert und die man als verfassungsrelevante Mitgestaltung des primären EU-Rechts bezeichnen kann. (...) "

      Diese Aussage kann nur bedeuten, dass mit der Annahme der EU-Verfassung alle Bestimmungen nationalen Rechts, angefangen vom Grundgesetz bis hin zur letzten, scheinbar unwichtigen Gemeindeordnung obsolet werden, soweit sie mit dem dann geltenden EU-Recht nicht vereinbar sind.

      Für Deutschland bringt die EU-Verfassung eine ganze Reihe gravierender Einschnite.



      Das Ende der Demokratie

      Die wohl folgenreichste Veränderung, die sich für uns Deutsche aus der Unterwerfung Deutschlands unter die Europäische Verfassung ergeben wird, ist das Ende der uns bekannten Form der Demokratie.

      An die Stelle eines starken Parlaments, das den Bundeskanzler wählt, Gesetze beschließt und die Regierung kontrolliert, tritt als höchstes `vom Volk gewähltes` Verfassungsorgan das EU-Parlament; jenes bemitleidenswerte Gremium hochmotivierter Polit-Eunuchen, die mit mäßigem Erfolg versuchen, die ihnen vorenthaltene Kompetenz durch einen Hauch bescheidener Eloquenz zu überspielen. Der Einfluss des Europäischen Parlaments auf die eigentlichen Macht- und Funktionsträger Europas, die Kommissare, erschöpft sich darin, dass das Parlament über die Ernennung des vom Ministerrat vorgeschlagenen Präsidenten der Kommission abstimmt.

      (Nachträgliche Anmerkung: Dass das Parlament auch die Kommission insgesamt ablehnen kann, was gegenüber der Bestätigung des Kommissionspräsidenten ein minderes Recht ist, haben wir jüngst erlebt und dabei feststellen müssen, dass der von der Kommission abgesegnete Präsident gar nicht daran gedacht hat, bei der Auswahl der Kommissare auf das Parlament Rücksicht zu nehmen. Wie es weitergehen wird, werden wir sehen.)

      Der Einfluss des Europäischen Parlaments auf die Gesetzgebung ist ebenfalls absurd beschränkt:

      Das Parlament hat kein Recht, eigene Gesetzesinitiativen zu behandeln,

      es ist lediglich befugt, die vom Rat bestellten Gesetze auszuarbeiten. Aber jeder Kommissar kann "nach Lust und Laune" verbindliche Verordnungen erlassen und damit verbindliche Regeln in Kraft setzen.

      Natürlich ist das Parlament auch befugt, den Rat um Informationen und um Gehör zu bitten. Hat das Parlament jedoch Informationen erhalten und ist es gehört worden, dann hat es seine Befugnisse im Großen und Ganzen ausgeschöpft.

      Diese Hofnarren-Rolle des Europäischen Parlaments war solange hinnehmbar, wie der Zwang zu einstimmigen Entscheidungen im Ministerrat jedem - zwar vertraglich gebundenen, aber ansonsten souveränen Mitgliedsstaat - ein selbstverständliches Vetorecht gab. Mit Annahme der Europäischen Verfassung ändert sich das aber. Die Mitgliedsstaaten geben Teile ihrer Souveränität de facto auf und akzeptieren Mehrheitsentscheidungen; die nationalen Parlamente verlieren massiv an Macht und Kompetenz; Gewinner sind der (Minister-)Rat und die Kommission, Institutionen, deren demokratische Legitimation nur mittelbar und keineswegs zweifelsfrei daraus hergeleitet wird, dass die Mitglieder des Rates Regierungen repräsentieren, die ihre Legitimation ihrerseits wiederum aus der demokratischen Wahl ihrer nationalen Parlamente ableiten.

      (Nachträgliche Anmerkung: Übertragen auf die Bundesrepublik wäre das ungefähr so, als ob die von den Bürgern der einzelnen Bundesländer gewählten Landesregierungen unter sich den Bundeskanzler (Kommissionspräsident) ausmachen, der sich dann seine Minister (Kommissare) in Abstimmung mit den Länderchefs aussucht. Der Bundestag hätte nur das Recht, den von den Ministerpräsidenten ausgewählten "Kanzler" und dann dessen"Kabinett" insgesamt zu bestätigen, oder abzulehnen. Ich halte es für ausgeschlossen, dass auch nur ein Mitglied des Bundestages sich auf eine solche "Entrechtung" einließe. Dennoch wird das, was dem EU-Parlament nun in der Verfassung zugestanden wird, als eine Stärkung des Parlaments gepriesen.)


      Auch die Weiterentwicklung der Europäischen Verfassung liegt nicht in den Händen des Parlaments. Es kann zwar Änderungsvorschläge beim Europäischen Rat einreichen, aber das kann auch die Kommission und jede Regierung eines Mitgliedsstaates. Danach gibt es im regulären Verfahren einen Konvent und danach eine Konferenz der nationalen Regierungen. Die von dieser Konferenz beschlossenen Änderungen (egal wie weit sie von den ursprünglichen Änderungsvorschlägen abweichen) treten in Kraft, nachdem sie von den Regierungen der Mitgliedsländer ratifiziert sind.

      Auch im vereinfachten Verfahren ist eine weitergehende Mitwirkung des Parlaments nicht vorgesehen.




      Das Ende der Verständlichkeit

      Der Entwurf der Europäischen Verfassung umfasst in der mir vorliegenden Fassung vom 25. Juni 2004 volle 325 Seiten. Es ist kaum möglich, im Rahmen eines Kommentars die Verworrenheit des Aufbaus, die Zerrissenheit der dargestellten Zusammenhänge und damit erreichte, weitgehende Unverständlichkeit des Verfassungstextes darzustellen. Trotzdem will ich hier

      den
      Absatz 1
      des Artikels III
      aus dem Titel I, ALLGEMEIN ANWENDBARE BESTIMMUNGEN,
      des Teiles III, DIE POLITIKBEREICHE UND DIE ARBEITSWEISE DER UNION,

      zitieren. Da heißt es einleitend zum gesamten Themenkomplex der Politikbereiche und der Arbeitsweise der Union:

      "Die Union achtet auf die Kohärenz zwischen der Politik und den Maßnahmen in den verschiedenen in diesem Teil genannten Bereichen und trägt dabei unter Einhaltung des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung ihren Zielen in ihrer Gesamtheit Rechnung."

      Nun, man könnte glauben, dass dieser einleitende Absatz aus dem Zusammenhang gerissen wurde und deshalb sinnleerunverständlich wirkt. Doch schon

      im nächsten Absatz (Artikel III-2),

      wird unvermutet gefordert, dass die Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen beseitigt werden und die Gleichstellung von Männern und Frauen gefördert werden soll. Abgesehen davon, dass einige der Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen auf keinen Fall beseitigt werden sollten, ist diese Aussage an dieser Stelle zumindest "überraschend" platziert.

      Es folgt

      ein offenbar nachträglich eingeschobener Artikel III-2a,

      der darauf hinweist, dass die Union einem hohen Beschäftigungsniveau, einem angemessenen sozialen Schutz, der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung zu tragen hat, während

      im darauf folgenden Artikel III-3

      kundgetan wird, dass die Union darauf abzielt, Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.

      Wer argumentiert, dass es besser sei, die europäischen Anstrengungen zur Vermeidung von Diskriminierung jedweder Art IRGENDWO unterzubringen, anstatt ganz darauf zu verzichten, der mag

      unter Teil II,
      Titel III,
      Artikel II-21

      nachsehen. Dort steht unter der Überschrift "Nichtdiskriminierung", dass Diskriminierungen jeglicher Art (wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung) verboten sind.

      Aha.

      Während in Teil II alle verbotenen Diskriminierungstatbestände augezählt werden, beschränkt sich Teil III auf diejenigen Diskriminierungen, die die Union aktiv bekämpfen will. Alle übrigen, nämlich Diskriminierung wegen der sozialen Herkunft, der Sprache, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens und der Geburt werden einer aktiven Bekämp-fung offenbar nicht für wert befunden.



      Dies ist das formale Grundprinzip der Verfassung.

      Eine vielfach gebrochene und redundante Darstellung der Einzelsachverhalte, angereichert mit unzähligen Querverweisen, die vollständig nachvollzogen werden müssen, wenn man nicht gutgläubig einem Irrtum aufsitzen will.



      Das Ende der öffentlichen Aufgaben

      Versteckt im Kapitel III des Titels V des Teils III findet sich unter der Überschrift
      "Gemeinsame Handelspolitik", das Bekenntnis der Europäischen Union zur vollständigen Globalisierung, Liberalisierung und Privatisierung des Welthandels.

      Der Abschluss internationaler Handelsabkommen liegt demnach künftig nicht mehr bei den Mitgliedsstaaten sondern in der Kompetenz der Union und im Normalfall beschließt der Rat(!) darüber mit qualifizierter Mehrheit. Müllabfuhr, Straßenreinigung, Wasserversorgung, Kanalisation, Straßenbahn und Politessen, alles sind Dienstleistungen, die künftig dem freien internationalen Handel offen stehen sollen. Auch der Handel mit Dienstleistungen des sozialen, des Bildungs- und Gesundheitssektors unterliegt grundsätzlich der Verhandlungs- und Vertragsfreiheit des Rates.

      Was das bedeutet?

      Nun, stellen wir uns vor, ein malerisches Örtchen im bayrischen Voralpenland mit dem schönen Namen Niederoberauendorf betreibt zur Wasserversorgung seiner Einwohner einen Brunnen, der klares Quellwasser bester Qualität liefert, das ohne chemische Aufbereitung in das Leitungsnetz gespeist werden kann.

      Ein Explorationstrupp des US-amerikanischen Nahrungs- und Futtermittelriesen ALLFOOD entdeckt diese Quelle und verlangt eine Ausschreibung für den Betrieb der Niederoberauendorfer Wasserversorgung. Die Gemeindeverwaltung meint zwar, die Wasserversorgung sei bei ihr in besten Händen und will von einer Ausschreibung nichts hören - doch ALLFOOD zieht vor Gericht und bekommt Recht. Niederoberauendorf muss die Wasserversorung ausschreiben und sich selbst, als Konkurrent von ALLFOOD darum bewerben, auch in Zukunft die eigenen Bürger mit eigenem Wasser versorgen zu dürfen.

      Die Gemeindeverwaltung rechnet korrekt und ermittelt einen Abgabepreis von 8.50 Euro pro Kubikmeter. ALLFOOD bietet die gleiche Leistung für 4.50 Euro an und bekommt den Zuschlag.

      Hinfort tropft in Niederoberauendorf eine Mischung aus stark gechlortem Uferfiltrat vom Bodensee und Tiefenwasser aus einem Badesee in Franken aus der Leitung. Für 4.50 Euro pro Kubikmeter. Nur das gute Niederoberauendorfer Brunnenwasser gibt es in Niederoberauendorf nicht mehr. Das wird in 0,2 l Fläschchen abgefüllt und nach Dubai verschifft. Dort bringt es ALLFOOD einen Nettogewinn von ungefähr 10.000 Euro pro Kubikmeter.

      Doch am Vertrag ist nicht zur rütteln. Die Wasserversorgung ist gewährleistet und der Brunnen der Niederoberauendorfer wird von ALLFOOD - wie zugesichert - ganz vorbildlich in Stand gehalten.

      Weitere Beispiele ließen sich nach Belieben finden. Allen ist eines gemeinsam: Jeder Investor, der eine bisher öffentliche Dienstleistung übernimmt, will und muss damit Gewinne machen. Dies ist in aller Regel nur möglich, wenn Personal abgebaut und die Qualität oder der Umgang der Leistung eingeschränkt wird.

      Wir sollten uns immer daran erinnern, dass sich die Menschen einst den Staat und die öffentlichen Einrichtungen geschaffen haben, um eine Organisation zu haben, die Aufgaben übernimmt, die man lieber nicht in private Hände legen sollte und wir sollten uns daran erinnern, dass man korrupte Strukturen in öffentlichen Haushalten entdecken und unschädlich machen, unrentable Funktionen untersuchen und durch zeckdienliche Maßnahmen auch in öffentlicher Verantwortung wieder wirtschaftlich machen kann, solange man als Bürger politischen Einfluss darauf hat.

      Einen profitgierigen Unternehmer, der für sich ganz legal einen beliebig hohen privaten Gewinn abzweigt, den wird man nicht wieder los. Weder in Niederoberauendorf, noch sonstwo.





      Das Ende der Friedensdividende

      Als der Warschauer Pakt zusammenbrach und die Nato nirgends mehr einen ernstzunehmenden Feind erkennen konnte, gingen die Militärausgaben zurück. Die Bundeswehr wurde massiv verkleinert und die so eingesparten Mittel standen als "Friedensdividende" für andere Zwecke zur Verfügung.

      Dies ist vorbei. In der EU gilt, sobald die Verfassung in Kraft tritt, das allgemeine Aufrüstungsgebot. des Artikels I-40:

      "Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Es wird eine europäische Agentur für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten eingerichtet, deren Aufgabe es ist, den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, (...)"

      So hat also auch die europäische Rüstungsindustrie allen Grund, darauf zu hoffen, dass die EU-Verfassung möglichst bald in Kraft tritt.



      Das Ende einer Illusion

      Über die Einführung der Europäischen Verfassung geht am Ende auch die Illusion vom mündigen Bürger vollständig in die Brüche. Nicht, dass es den mündigen Bürger nicht gäbe. Es gibt viele mündige Bürger. Doch die Furcht vor der möglicherweise abweichenden Entscheidung der mündigen Bürger veranlasst unsere Polit-Fürsten, sich immer wieder - quasi in Notwehr - über die demokratischen Spielregeln hinweg-zusetzen.

      Es ist ungeheuerlich und bezeichnend für die Missachtung der Bürger, dass Bundeskanzler Schröder immer wieder öffentlich behauptet, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verbiete eine Volksabstimmung über die Europäische Verfassung.

      Das ist schlicht nicht wahr.

      Im Gegenteil: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sieht in den Artikeln 20 und 29 Abstimmungen des Volkes explizit vor und es bestimmt im Artikel 146 ganz eindeutig:

      "Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."



      Das Bundesinnenministerium erklärt dazu lapidar, die Europäische Verfassung habe auf den Artikel 146 GG keine Auswirkungen.

      Na also, geht doch.

      nach oben


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      Im Heft November/Dezember von Matrix3000, das in diesen Tagen in den Handel kommt, finden Sie in der Rubrik "Bedenkliches" meinen Kommentar zur Wunderwaffe der Arbeitsmarktpolitik "Ein-Euro-Jobs".

      a


      * 1949 im
      oberfränkischen Neustadt bei Coburg


      Egon W. Kreutzer
      der Verfasser dieses Artikels Viele grundsätzliche Einsichten und Forderungen finden Sie in
      "Wolf`s wahnwitzige Wirtschaftslehre".
      Packender, spannender, verständlicher ist Wirtschaft kaum zu beschreiben. Informieren Sie sich hier.
      "Ich freue mich sehr über Ihr Interesse und möchte Sie gerne auf weitere Angebote meiner Site aufmerksam machen - bitte sehen Sie sich um!" Mehr Aktuelles, alle Leserbriefe, alle Kommentare
      die Statisitk zum Stellenabbau in Deutschland
      Avatar
      schrieb am 04.11.04 16:36:34
      Beitrag Nr. 1.990 ()
      Katerstimmung nach der US-Wahl

      Eine gewisse Katerstimmung macht sich in den Medien breit nach der Wahl in den USA, aber es ist nicht so recht zu erkennen, ob man trinkt, um zu feiern, oder um zu vergessen... nur der BWL-Bote ist nüchtern geblieben und denkt darüber nach, was uns jetzt wohl droht.

      Vielleicht war die Debatte um die Mega-Wahl auch etwas überzogen. Gewiß, die Angst vor Wahlbetrug (oder endlosen Zählschlachten) hat Anwälten und sogar einem bekannten Filmemacher viel Arbeit verschafft und zu einer Rekordbeteiligung geführt. Bleibt man aber bei der Sachpolitik, hätte Kerry vermutlich nicht viel Spielraum gehabt: Abzug aus dem Iraq? Undenkbar! Kerry hätte fortsetzen müssen, was sein Vorgänger begonnen hat, also im Effekt einen Krieg fortführen müssen, den er nicht begonnen hat. Und ob er ihn wirklich nicht wollte, weiß vermutlich niemand außer er selbst, denn die Politiker in den USA sind kaum glaubwürdiger als die in Deutschland.

      Und da war da noch die Sache mit 9-11. Wie einst bei Kennedy stinkt die ganze Angelegenheit zum Himmel, was den Verschwörungstheoretikern Auftrieb gibt, und auch für den, der sich nicht an den Spekulationen beteiligt, bleibt ein übler Nachgeschmack, das Gefühl, betrogen worden zu sein von einer Regierung, die uns irgendwas verheimlicht, denn das ist der gemeinsame Nenner aller Verschwörungstheorien: die Regierung lügt. Und am Ende bestellt sie sogar bei einem bärtigen Mann, mit dem sie jahrzehntelang gut zusammengearbeitet hat, ein Promotion-Video, rechtzeitig geliefert einen Tag vor der Wahl, denn Terrorwarnungen sollen G.W. Bush ja genützt haben. Old habits die hard...

      Man kann als US-Präsident (fast) an einer Zigarre (nebst zugehöriger Praktikantin) scheitern, was ein fundamentaler Unterschied zu den Europäern ist, die sich nicht dran zu stören scheinen, daß ein bekannter Europaparlamentarier in seiner Autobiographie sogar selbst schreibt, sich in der wilden Kinderladen-Zeit der späten 60er und frühen 70er von Fünfjährigen Mädchen hat blasen lassen. Man scheitert als US-Präsident aber nicht an der Lüge, sei es, was das WTC angeht, noch hinsichtlich der Massenverschwindungswaffen, die sich bis heute so hartnäckig dem Zugriff der mächtigsten Armee der Welt entziehen. Und das ist kein großer Unterschied, denn in Afghanistan haben die Deutschen die Drecksarbeit vom großen Bruder übernommen, wie immer ein Musterschüler, einst im Dienst gegen den Kommunismus und jetzt im Dienst der Lüge. Was für ein Wandel.

      Glaubwürdiger ist die Politik also nicht geworden, und auf keinen Fall sauberer: das ist nämlich, was man von der Wahl in der nach Indien zweitgrößten aller Demokraturen lernen kann: Politik ist ein schmutziges Geschäft, hüben wie drüben. Wir sollten also auch keine Erwartungen in die Politik haben, denn wer von einem schmutzigen Geschäft etwas erwartet, der macht sich selbst die Hände dreckig.

      Da haben wir in Deutschland schon tiefgehendere Wahlen, so in 2006 nicht zwischen Krieg und Krieg, sondern die zwischen "Demokratur" und "Demokrötie", oder einfach zwischen Öko- und Umsatzsteuer, ganz wie man`s nimmt, denn die Demokratur haben wir schon, nur daß sie bei uns Eurosklerose heißt. Mit Volkes Wille hat das freilich nichts zu tun. Am Ende geht es dann nur noch um die Krötenwanderung, nämlich der Kröten aus unseren Portemonnaies in die Staatskassen, die davon doch nicht voller werden, also im krassen Gegensatz zur biblischen Speisung der Fünftausend (Lk. 9, 13-17).

      So hat G.W. Bush knapp aber mit Rekordbeteiligung gesiegt, was immerhin als Indiz für das Funktionieren des dortigen politischen Prozesses gewertet werden kann, ob uns das schmeckt oder nicht. Hierzulande siegt die Partei der Nichtwähler von Wahl zu Wahl höher, und die Rechtsradikalen gewinnen fast so viele Stimmen wie die SPD, so geschehen gerade in Sachsen. Und das ist ein Zeichen tiefgreifenden politischen Verfalls, was uns allerdings von den Amerikanern unterscheidet.

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      schrieb am 08.11.04 20:30:36
      Beitrag Nr. 1.991 ()
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      Auf dem Weg in die stationäre Gesellschaft: 07.11.2004
      DIESE WOCHE

      In einem ätzenden Artikel untersucht der Spatz die Leitlinien der US-Wahl und vergleicht die Beweggründe der US-Wähler mit denen der Deutschen. Dabei stöbert er die Fehler im sogenannten marktwirtschaftlichen System auf und zeigt, wie man versucht, die Systemkrise noch ein wenig weiter hinauszuzögern - was auf eine wenig erfreuliche Alternative hinausläuft. Aber lesen Sie selbst...


      Wie konnte man nur so wählen?


      Wenn man sie nachher fragt, will die keiner gewählt haben. Das gilt auch hier, wer will denn schon Schröder oder Trittin gewählt haben, damals. Damals, das war, als man den Kosovokrieg schnell vergessen hatte, um zu glauben, Rot-Grün sei immer noch gegen deutsche Beteiligung an frieden-, demokratie- und energiesichernden Raubüberfälle, weil man sich im Falle Irak heraushalten durften. Das Vergessen, wen man selbst eigentlich gewählt hatte, fängt in den USA angeblich schon am Tag nach der Wahl statt. Doch glaube ich nicht, daß es nur an den Wahlmaschinen liegt. Da klicken Sie das Bild eines Kandidaten an, aber wen Sie wirklich gewählt haben, weiß nur der Programmverwalter der Maschine. Die nachträgliche Erregung darüber hilft vielen Menschen mit der Enttäuschung über den Wahlausgang fertig zu werden.

      Ansonsten paßt das Wahlergebnis recht gut in die Geschichte der USA, in der von Anfang an kaum ein Jahr ohne militärische "Intervention" vergangen ist. Das wird kaum wahrgenommen, weil natürlich Schuld daran immer nur die anderen waren. Das lag zweifellos auch an den militärischen Erfolgen der US-Interventionstruppen. Sicherlich, auch Osama bin Laden hatte dieses Mal wieder rechtzeitig ausgeholfen, wenn auch dieses Mal weniger spektakulär mit einem Video aus irgendeinem der Studios, von denen Sie nicht wissen, wo sie sich befinden.

      Aber Hand aufs Herz, hätten Sie lieber mit Kerry die Abtreibung gängig und Homosexualität gesellschaftsfähig gemacht? Ob Kerry das gemacht hätte, weiß man nicht, aber den Wählern wurde es glaubhaft gemacht. Bei uns in Europa ist jemand, der Homosexualität nicht schick findet, nicht kommissionsfähig, die Amerikaner sind noch nicht soweit. Auch dagegen und gegen ähnliche "freiheitliche" Errungenschaften haben sie - wie sie meinen - gewählt. Sonst gab es ja nicht allzu viele faßbare Unterschiede zwischen den Kandidaten, wenn man von flotten Wahlsprüchen mal absieht. Daß die Wirtschaft in den USA nicht so funktioniert, wie es im Wall Street Journal steht (und selbst da steht sie nicht gut), wußten die Wähler aus eigener Erfahrung. Wie es anders gemacht werden sollte, das wissen Sie nicht, und die Kandidaten haben ihnen dazu nichts gesagt.

      "Die ganze Welt fieberte mit". Es wurde großes Theater um diese Wahl aufgeführt. Man mobilisierte die Leute auf bisher nicht gekannte Weise, und konnte bei ihnen den Eindruck erwecken, es handele sich um die wichtigste Wahlentscheidung in ihrem Leben. Aber gab es so große Unterschiede? Gewiß, Kerry hätte lieber auch deutsche Hilfstruppen im Irak gesehen und Struck schickte sich bereits an, den Schwenk vorzubereiten. Das ist jetzt vielleicht nicht mehr nötig. Aber nach dem Wahldebakel von 2000 kam es schon darauf an, in den vorbildlichen USA wieder echte, demokratische Wahlen vorzuführen. Es konnte nicht angehen, daß man Demokratie im Ausland zwangsweise einführt und im eigenen Land melden sich gerade mal 50% der Bevölkerung zur Wahl an, von denen dann wiederum nur an die 50% auch tatsächlich zur Wahl gehen, von denen sich wiederum etwa 50% für den wegen undurchsichtiger Auszählungen letztendlich vom Gericht gekürten Präsidenten entschieden haben sollen. So etwas durfte sich des guten demokratischen Rufs wegen nicht wiederholen und so war es dieses Mal anders. Amerika hat so gut es ging gewählt (Überwältigend war die Beteiligung auch dieses Mal nicht, was aber nicht unbedingt gegen den Witz der Amerikaner spricht). Die Marionetten in Afghanistan und Irak werden sicher mit größerer Beteiligung und eindeutigeren Ergebnissen gewählt werden, dafür ist, wie für vieles andere auch, mit Sicherheit gesorgt.

      Doch was erwartet uns nun? Eine Wende wird es nicht geben - die gab es bei eindeutigeren Gelegenheiten auch in Deutschland nicht. Selbst Rot-Grün setzt mit ihrer Demontagepolitik nur fort, was Kohl angefangen hatte. Vielleicht hätte eine andere Regierung weniger Wind um die Kernenergie gemacht, aber unter CDU-Regie machte die Kernenergie auch keine Fortschritte und wurde das hoffnungsvollste und umweltfreundlichste Kernenergieprojekt, der Hochtemperaturreaktor, nach China und Südafrika verbannt. Die Wendelosigkeit ist nicht verwunderlich, denn es regiert ein Hintergrund, die Gewählten haben seine Politik werbewirksam zu verkaufen. Wie schrieb der Journalisten Konrad Adam in seinem Artikel "Und vom Volke abgewandt", in "Die Welt", am, 30.06.2003):

      "Die Staatsgeschäfte liegen in der Hand von Leuten, die weniger für die Politik als von der Politik leben wollen - und das auch tun. Wenn sie tätig werden, heißt ihre erste Frage: Was bringt es mir? Die nächste, was bringt es der Partei? Und erst an dritter Stelle (wenn überhaupt) steht die Frage, was es für das Land bringen könnte. Die Berliner CDU hat dafür immer wieder traurige Beispiele geliefert!"

      Aber natürlich nicht nur die: "Hierin herrscht parteiübergreifend in allen westlichen Demokratien 100 prozentiger Konsens". Das liegt nicht an einer besonderen Boshaftigkeit derer, die gewählt werden - Arbeitnehmer, die um ihren Job bangen. Es ist die gesetzmäßige Folge der Institution. Das hätte der Soziologe Max Weber wissen sollen, als er "Politik als Beruf" schrieb. Hier liegt auch der Grund dafür, weshalb diese Art "niemand ist wirklich Schuld"-Regierungsform bei der weitschauenden Aristokratie am Ende ihrer Zeit und von der sie ablösenden Geldaristokratie von vornherein so geschätzt wurde. Diese Leute wußten, daß Wähler und Gewählte nicht politisch entscheiden, sondern egoistisch - wer verspricht mir mehr? - und damit läßt sich gut aus dem Hintergrund regieren. So lange es einigermaßen läuft, ja. Für den Fall, daß es - wir gerade jetzt - nicht so gut laufen sollte, hatte der Soziologe Winfredo Pareto mit seinem Konzept der "Rotation der Eliten" schon vorgesorgt: Bei wachsender Unzufriedenheit die Werbemannschaft auswechseln! Das verursacht zwar zusätzliche Kosten, weil sich die neue Mannschaft erst einmal bedienen wird, besänftigt aber die Gemüter. Der Soziologe Pareto war Ökonom, kein Psychologe. Sein Rat gilt für kleinere Unzufriedenheiten. Ist die anstehende Krise eine Systemkrise und damit wirklich erschreckend, dann werden die Erschrockenen starr: Nur keine Änderung, nur an nichts rühren!

      Die Krise kommt quasi automatisch. Die Erschrockenen haben mit der "Niemand ist Schuld"-Regierungsform auch die "Niemand ist Schuld"-Wirtschaftslenkung - jedenfalls glauben sie das - auf Autopilot gestellt, nämlich auf die "freie", von keinem Menschen (bis auf einige wenige, ungern genannte Geldsäcke) zu lenkende Marktwirtschaft. Das "nur an nichts rühren" ist zwar "natürlich", aber in einer Systemkrise der denkbar größte Fehler. Diesem Fehler erliegen die Geführten eher als die Führer. Einen solchen meinte man in den USA gewählt zu haben. Aber Menschen können sich irren, vor allem dann, wenn sie ihr Denken, Wollen und Empfinden den Massenmedien überlassen. Könner ihre Faches (Psychoanalytiker) halten den Gewählten eher für einen Psychopath. Wie dem auch sei - schon immer wünschte sich ein Regierungsapparat an seiner Spitze ein großes Maul aber keinen denkenden Kopf, weil der mit eigenen Vorhaben nur für Durcheinander und Schwierigkeiten sorgen würde.

      Bei dieser Wahl ging es nicht, wie die Medien immer wieder proklamierten, um Sprengstoff-Terrorismus, die Landnahme in Palästina, die strategische Besetzung Zentralasiens in Afghanistan oder den Öl-Raub im Irak. Die eigentlichen Terroristen bei allem "Kampf dem Terrorismus" waren in der Wirtschaft zu suchen, sie heißen Arbeitslosigkeit, Überverschuldung, Zahlungsunfähigkeit etc. Auch diese Namen bleiben noch vordergründig an der Form hängen. Im Grunde ging und geht es um Herstellung und Verteilung der Versorgungsgüter, ohne die wir nicht existieren können, und von denen man uns sagen läßt, wir hätten zu viel davon und würden darin ersticken. Diese Güter werden aber nicht in der benötigten Menge hergestellt, weil niemand sie mehr gewinnbringend verkaufen kann oder will.

      Willi Lautenbach und einige seiner Freunde in der List Gesellschaft standen 1931 vor einem ähnlichen Problem. Sie fanden eine finanztechnisch gangbare Lösung. Doch dazu bedurfte es einer Regierung mit der Machtbefugnis, in die "Niemand ist Schuld"-Wirtschaftslenkung eingreifen zu dürfen und zu können. Das hätte die vorhandenen Machtverhältnisse verschoben und die Hintergrundmenschen um die wohl verdienten Früchte ihrer Jahrzehnte langen Intrigen und Arbeit gebracht. Das durfte nicht sein.

      Später und unter anderem Namen (dem von John Maynard Keynes) bedienten sich Regierungen ähnlicher Rezepte. Sie waren aber so abgeändert worden, daß sie den Verdienst der bisher Verdienstvollen, vor allem ihre Macht, nicht nennenswert schmälerten. Damit ließ sich so manche nötige Krise der Marktwirtschaft gekonnt umschiffen - und bis zur Systemkrise vor sich herschieben. Man vergaß - oder tat so - daß der Markt selbst die Krise ist, daß die Krise die ausgesetzten Marktmechanismen umsetzt - das hatten Smith Ricardo und auch Marx noch gewußt. Heutigen verbeamteten Propagandisten der freien Marktwirtschaft scheint der Zusammenhang fremd zu sein, sie glauben, weil man ihnen das sagt, an eine krisenfreie Marktwirtschaft, daher das gebetsmühlenartige "Der Aufschwung kommt".

      Das marktwirtschaftliche System läuft aufgrund seiner Marktgesetzlichkeit am Ende seiner Tage auf die Forderung nach einer "stationären" (dann nicht mehr marktwirtschaftlichen) Gesellschaft hinaus, um die Krise vom Allerheiligsten, der eingeschliffenen Herrschafts- und Reichtumsstruktur fernzuhalten. Daß es dazu einmal werde kommen müssen, ahnte übrigens schon Adam Smith, und diese Ahnung wurde von John Stuart Mill theoretisch weiter ausgearbeitet und führte schließlich zu Marx`schen Weltrevolutionstheorie. Die Lösung sollte eine stationäre Gesellschaft seine, die sich nicht mehr weiterentwickeln würde und solle. Eine solche Gesellschaft, vor allem wenn sie nicht eine (wovon Marx träumte) für alle Schichten wohlhabende sein würde, tut sich schwer mit der Motivation ihrer Bürger. Sie kann von den Herrschenden auf zwei Wegen aufrechterhalten und ausgerichtet werden, nämlich als Öko-Faschismus oder als so etwas wie Brutalo-Faschismus (sprich nackte Gewalt, das Gegeneinanderhetzen von Gruppen, siehe Terrorismus, (Anti)Kommunismus etc.). Zwischen den zwei Tendenzen konnten die Amerikaner jetzt wählen. Sie wählten so, wir - wie am Wiederauflebenlassen der Klima-Katastrophe ersichtlich - das Gegenteil. Wem diese Alternative nicht paßt, der müßte sich für etwas "ganz anderes" entscheiden. Dafür gibt es allerdings sachbedingt kaum Vorbilder und keine bequemen Handlanger, an die man die politischen Entscheidungen gegen ein paar wohlklingende Versprechungen abtreten kann, vor allem gibt es dabei keinerlei Unterstützung durch sogenannte "Anerkannte" und - wohl am Unangenehmsten - in einer solchen Gesellschaftsform trüge man für das Versagen selbst die Schuld und nicht immer irgendwelche andere.

      Wundern Sie sich noch, daß Wähler und Gewählte sich so fest an die "Niemand ist Schuld"-Gesellschaftsform klammern? Tun Sie es nicht selbst, jedenfalls so lange, bis die zu tragenden Folgen unerträglich werden? "Schaun `mer mal, dann sehn `mer`s schon. Vielleicht wird`s ja doch ganz anders". Genau so haben die Amerikaner gewählt.
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      schrieb am 16.11.04 17:08:18
      Beitrag Nr. 1.992 ()
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      Geldmarkt, Krieg und Globalisierung: 14.11.2004



      DIESE WOCHE
      In diesem Grundlagenbeitrag demonstriert der Spatz, weshalb jedes zusätzliche Güterangebot die Preise senkt und daher die Kreditwürdigkeit der Schuldner vermindert. Er zeigt, wir das Problem der Geldmärkte früher durch Krieg gelöst wurde und heute im Wege der sogenannten Globalisierung - und sagt eine Deflation voraus.



      Ist "Rabbattitis" nicht mehr geil?



      Der frühere Schatzmeister der USA, Robert Rubin, warnte am 9.11. anläßlich eines Festakts der Columbia Universität: Der Dollarverfall könne sich wegen des Rekorddefizit im US-Regierungshaushalts noch beschleunigen. "Wenn die Märkte anfangen auf lange Sicht fiskalisches Durcheinander zu befürchten, und wenn die ausländischen Kapitalgeber, von denen wir jetzt so stark abhängen, diese Furcht teilen, und noch dazu Befürchtungen hinsichtlich der Währung bekommen, dann dürften die Märkte allmählich deutlich höhere Zinsen für langfristige Kredite verlangen und damit möglicherweise sogar Bedingungen für ernsthafte Störungen unserer Finanzmärkte erzeugen, die zu ernsthaften Problemen für unsere Wirtschaft führen." Ja, ja, die Märkte, das sind schon böse Buben!

      Rubin zog daraus den Schluß "Dramatische Veränderungen unserer Fiskalpolitik sind erforderlich". Soweit ja! Nur, was er vorschlägt, kann man als Schrott vergessen. Deutlicher äußerte sich der frühere italienische Minister Paolo Savonna. Er warnt in der italienischen Zeitung "Il Sole 24 Ore" vor einem "monetären Hiroshima". Es droht als Spätfolge floatender Wechselkurse. Einfacher macht es der berühmte Dr. Peter Hartz des Hartz IV Papiers von VW. Er mokiert sich in ADAC Motorwelt 11/04, S. 48. über die "Geiz ist geil" Mentalität, die zu Preisdrückerei, "Rabattitis", dem Feilschen um Nachlässe geführt hat - und klagt: "Kaum ein Anbieter schafft es heute noch, den Preis zu erzielen, den er benötigt, um auch morgen mit Gewinn wirtschaften zu können". Mit der logischen Folge: "Für 320 (VW-Auto)-Händler stellt sich die Frage nicht mehr, sie mußten im ersten Halbjahr 2004 aufgeben", was auch Arbeitsplätze kostet (das hatten als erste die Bauern erfahren, die seit Jahren unterhalb der Gewinnschwelle wirtschaften müssen). Oder sie müssen dem Preis entsprechend die Ware verbilligen. "Wollen wir - fragt Hartz - tatsächlich amerikanische Zustände, in denen Hersteller nicht davor zurückschrecken, Sicherheitsausstattungen wie die ABS-Bremse zu streichen, um die Preise senken zu können?" Die Antwort steckt schon in dem "amerikanische Zustände": Wer will die schon heute? Vor 50 Jahren war das etwas anderes! Wenn nicht, "benötigt die Industrie dafür auch die finanziellen Mittel." Und der Schluß: "Es ist ein fataler Trugschluß anzunehmen, daß man aktuelle Absatzprobleme mit der Rabattschraube lösen kann... Geiz mag geil sein, aber in eine gute Zukunft weist diese Einstellung nicht".

      Erst wenn man auch die andere Seite sieht, wird ein Paar Schuh daraus: Der gleiche Peter Hartz tritt für die "Rabattitis" bei den Arbeitseinkommen (Lohnsenkung oder Arbeitsplätze-Abbau) ein. Was bleibt den derart geschröpften Leuten denn anderes übrig als "Geiz ist geil"? Den erzwungen Geiz finden sie allerdings gar nicht "geil". Das wollen ihnen nur systemgefällige Psychos einreden, die in ihrer Schule gelehrt haben, man könne den Leuten alles, selbst einen Dreck, verkaufen, wenn er nur gut verpackt ist. Die Rabattitis bei Arbeitseinkommen bezeugen u.a. die Hartz-Papiere und die Phantasie, dadurch ließen sich Arbeitsplätze erhalten. Sie können dem Unternehmer noch Geld mitbringen, er wird Sie nicht einstellen, wenn er für das Produkt Ihrer Arbeit keinen lohnenden Absatz findet.

      An dem Punkt ist die Weltwirtschaft wieder einmal angelangt: Die Waren lassen sich so wenig kostendeckend verkaufen wie Arbeiter kostendeckend zu ihrer Herstellung einstellen. Dafür sorgt "der Markt", denn die zahlungsfähige Nachfrage bestimmt den Preis der angebotenen Ware. Man kann wie blöde Arbeitnehmer oder -geber darüber streiten, wer daran Schuld ist: zu hohe Löhne oder zu hohen kostendeckende Preise. Über den Streit können die Verantwortlichen nur lachen. Und wer wäre das? Diese Frage wird meist nicht gestellt, weil die meisten herumphantasieren: es ist doch bisher gegangen, also wird es auch weiterhin so gehen, es muß nur noch der Aufschwung kommen. Warum der nicht kommt, dafür fallen den Leuten, vor allem den wissenschaftlichen Dummschwätzern so viele Gründe ein, wie einem einigermaßen cleveren Schulbuben für sein Zuspätkommen.

      Die letzte Entschuldigung brachte Sir Andrew Large, der Vizegouverneur der Bank of England in der Financial Times vom 11.11.2004 unter der Überschrift ""Why we should worry about Liquidity" vor. Es liegt an der Liquidität! Na so was! Ei freilich fehlt den Leuten beiderseits des Ladentischs das Geld, die Liquidität. Aber warum? Geld ist genug da, so viel wie Sand am Meer. Täglich werden Milliarden auf der Suche nach lohnenden Anlagemöglichkeiten mehrmals rings um die Erde gekabelt oder gefunkt. Warum ist es nicht dort, wo es gebraucht wird Mr. Large? Sein Chef, der Hauptgouverneur Mervyn King sagt darauf im Bericht der Bank of England, es liegt am Niedergang des Immobilienmarkts. Fallende Immobilienpreise verhindern, daß sich die Leute auf ihr Häuschen eine weitere Hypothek laden, um mit dem Geld etwas weiter über die Runden zu kommen. Warum stiegen die Preise denn nicht mehr weiter, Mr. King? Weil man selbst dem gutwilligen Bankfilialleiter an der Ecke nicht glaubhaft machen kann, daß sich das Häuschen im Sicherheitsfall zu dem Preis wird verkaufen lassen. Das geht, bei aller Liebe, nicht mehr.

      Zwar "fehlt" nicht das Geld, und doch ist Geld die Ursache. Es gibt viele Geldtheorien. Um etwas in seinem Wesen zu erfassen, sollte man auf die "Ursache" des Geldes, seinen Ursprung achten. Wie kommt heute Geld zustand? Auf dem Geldschein steht zwar EZB, "Europäische Zentralbank", aber diese ist bei der Geldschöpfung nur ein Handlanger. Deshalb ist es völlig gleichgültig, ob die Zentralbank, wie in USA und England, eine private Bank ist oder wie in Europa eine "unabhängige" öffentliche. Nun, wie wird Geld gemacht? Sie, eine Firma oder sonstwer, gehen zur Bank und beantragen einen Kredit. Bei Erfolg wird Ihrem Konto ein Geldbetrag als Sichtguthaben gutgeschrieben. Über das Konto können sie, so weit es ein Guthaben ausweist, nach Belieben verfügen, davon Geld überweisen oder "richtiges Geld", Geldscheine (Zentralbanknoten) abheben. Das Sichtguthaben nennt man Giralgeld und es ist so gut wie die Euroscheine in Ihrer Tasche.

      "Aber die EBZ druckt doch die Euroscheine und kann mit dem Gegenwert etwas Nützliches tun." Falsch! Sie bringt diese Scheine nur aufgrund der Kreditschöpfung Ihrer Bank in Umlauf. Das geht so: Ihre Bank nimmt Ihnen für die Zahlungsmittel, die sie Ihnen zur Verfügung stellt, Zinsen ab. Hat sie genug Bargeld, dann behält sie die Zinsen. Fehlt ihr das nötige Bargeld, dann verpfändet sie Ihr Sichtguthaben bei der Zentralbank zu einem geringeren Zinssatz. Die Zentralbank gibt ihrer Bank dafür den Betrag des Sichtguthabens (abzüglich einer gewissen Mindestreserve, deren Anteil die Zentralbank in einem gewissen Rahmen für alle festsetzen und verändern kann) an Banknoten heraus. Zahlen Leute ihre Schulden an die Bank zurück, dann kauft diese mit dem Geld ihre Sichtguthaben von der zurück, um Zinsen zu sparen.

      Na und, könnte man denken, ein bequemer Mechanismus, um das umlaufende Notengeld preisstabilisierend an die Aktivität der Volkswirtschaft anzupassen. Doch der Mechanismus besagt auch, alles umlaufende Geld gründet sich auf Kredite, für die Zinsen bezahlt werden. Würden alle Leute, was sie eigentlich anstreben, ihre Schulden bezahlen, gäbe es kein umlaufendes Geld mehr, käme die Wirtschaft schlagartig zum Stillstand. Das darf nicht sein, dafür ist gesorgt. Für die Banken hat das einen Vorteil, wenn und solange Geld in Umlauf ist, bezieht sie daraus ohne größere Umstände Zinsen. Sie braucht nur darauf zu achten, daß der Schuldner nicht Pleite geht. Zinsen sind nur als Entgelt für eine Verzichtleistung gerechtfertigt, wenn diese die Produktivität durch den Bau neuer Produktionsstätten für ein zusätzliches Güterangebot steigert. Der Zins sollte (nach Adam Smith) ein zumutbarer Gewinnanteil am Gewinn durch die erzielte Produktivitätssteigerung sein. Gleichgültig wofür das Geld genutzt wird (und das ist vielerlei), fallen bei den Banken Zinsen an. Und in dem Maße, in dem Zinsen gezahlt werden, entsteht ein neuer Bedarf nach Geld, der durch Kredit gedeckt wird. Wenn auch der Einzelne seine Schulden zurückzahlen mag/muß, der wirtschaftliche Gesamtproduzent und -konsument wird sie nicht zurückzahlen können.

      Dieses Schulden-Geld-Spiel geht solange reibungslos, solange es kreditwürdige Staaten, Unternehmen und Kunden gibt. Kreditwürdig bleibt man, solange ein bestimmtes Verhältnis von Einkommen zu fälligen Zinszahlungen unterschritten wird. Wird es überschritten, ist die Zahlungsfähigkeit und damit die Kreditwürdigkeit dahin. Das gilt für den Einzelfall, vor allem aber für das gesamte System (also alle Produzenten oder Konsumenten zusammengefaßt). Dann ist "Sparen" der Produzenten angesagt. Die Industrie spart an den Löhnen (den eigenen, oder denen der Zulieferer, der Rohstoff-, Energie-, Maschinen- etc. -lieferanten), und die Lohnempfänger zwangsläufig beim Kauf der Güter. Das Geld (infolge von Zins- oder Schuldenrückzahlung) sammelt sich bei den Banken (Finanzinstitutionen), die dafür verzweifelt neue Anlagemöglichkeiten suchen. Das ganze heißt Deflation (der dann auch bald die Hyperinflation folgt, deren Gründe wir hier übergehen).

      Warum investieren die Banken nicht einfach, um Neues zu produzieren? Das würde die Bank dem Wesen nach in einen Produzenten verwandeln und sie in die Lage wie diese insgesamt versetzen. Was sollte sie zusätzlich produzieren (lassen), wofür gibt es noch zahlungsfähige Abnehmer? Oder anders ausgedrückt: Bei gegebener zahlungsfähiger Nachfrage drosselt jedes zusätzliches Güterangebot die Preise, sinkende Preise würden bei der Industrie als den Bankkunden die Zahlungsfähigkeit ihrer Kredite/Zinsen (d.h. die Kreditwürdigkeit) mindern oder beseitigen. Die Banken könnten es Konsumenten (z.B. dem Staat) leihen, aber wie wird/kann der den Kredit zurückzahlen, wenn die Deflation z.B. das Steueraufkommen beseitigt oder der Konsument arbeitslos wird. Fassen Sie einmal einem Nackigen in die Tasche!

      In früheren Zeiten verbanden sich die Banken in einer solchen Situation mit einer Militärmacht und eroberten neue Aufschuldungsgebiete. Das heißt, Gläubiger die ein Territorium (Staat) im Griff hatten, wurden aus dem Feld geschlagen, um mit den von ihnen "befreiten" Leuten (z.B. im Irak) den Verschuldungskreislauf von Neuem zu beginnen - bis man wieder dort ankommt, wo die "freie Marktwirtschaft" immer ankommt, an die Deflationsgrenze. Die sogenannte "Globalisierung" ist das Programm, die ganze Welt dem vorherrschenden Bankensystem zu "öffnen" oder ihm auszuliefern.

      Daß die Deflation unausweichlich kommen muß, wissen natürlich die etwas cleveren Bankiers, auch wenn sie ihre wirtschaftswissenschaftlichen Handlanger nach allerlei Tricks suchen lassen, um diesen Endpunkt weiter hinauszuzögern (bis die Gesellschaft dafür "reif", d.h. ausreichend verblödet, abgestumpft und unmoralisch ist). Was ist der Endpunkt? Die Weltrevolution! Bis die die ganze (verschuldete) Welt auf das Kommando der wenigen übriggebliebenen Bankiers hört. Diese werden dann nicht mehr nach "wirtschaftlichen" Gesichtspunkten befehlen, sondern direkt, also nach gesellschafts- d.h. machtpolitischen. Dieses verlockende Endziel wurde 1913 bei der Gründung der internationalen Bankenallianz in Paris endgültig aufgerichtet und seitdem mit Hekatomben von Menschenopfern in unzähligen Kriegen auch durchgesetzt.

      Es gibt eine Alternative. Die Geldschöpfung wie sie zuvor galt, nur etwas bewußter in die Hand des souveränen Staates zurücklegen. Der benutzt den Geldgegenwert nur zur Verwirklichung gemeinnütziger Aufgaben (Infrastruktur, Forschung etc.), d.h. für alles was nötig ist, um die sich jeder gesellschaftlichen Entwicklung immer neu stellenden Grenzen des Wachstums zu überwinden" (z.B. beim Versiegen einer bisher genutzten Art von Rohstoffen, diese durch die Befähigung zur Nutzung einer neuen, mehr versprechenden Art zu ersetzen). Dazu wäre noch viel nachzutragen - ein andermal!
      Avatar
      schrieb am 16.11.04 17:15:14
      Beitrag Nr. 1.993 ()
      Ökosteuererhöhung und Maut-Ausweitung geplant

      Schlechte Nachrichten für alle, die von Energieverbrauch oder Mobilität abhängig sind, zeichnen sich jetzt konkret am Horizont ab: die baldige Ausweitung der Maut auf alle Straßen und auf alle Fahrzeuge und die Abschaffung der "Ermäßigungen" der sogenannten Ökosteuer- was faktisch einer drastischen Steuererhöhung gleichkommt. Beides hat der BWL-Bote freilich schon seit Jahren vorhergesagt.

      So hat der "Naturschutzbund" (NABU) die Maut-Forderung gestellt, um die Wettbewerbsbedingungen der Schiene zu verbessern. Daß keiner die Bahn benutzt, weil sie schlecht und wenig zeitgemäß und sehr unflexibel ist, kommt den Herren vom NABU offensichtlich nicht in den Sinn - so wenig wie daß durch eine solche Maßnahme noch größerer volkswirtschaftlicher Schaden entstehen würde wie schon bisher durch die Maut in ihrer jetzigen Konstruktion.

      Gleichzeitig hat Grünen-Vorsitzende Roth sich für eine "Überprüfung", sprich "Abschaffung" der Ausnahmeregelungen bei der sogenannten Öko-Steuer ausgesprochen. Diese wird derzeit bei bestimmten energieintensiven Unternehmen nur in reduzierter Höhe erhoben, was den Grünen schon lange ein Dorn im Auge ist. Roth liegt damit auf einer Ebene mit dem Bundesverfassungsgericht, das hinsichtlich der Ökosteuer geurteilt hat, der Staat könne die Steuer für einzelne Gewerbe oder Gewerbezweige beliebig ungleich festsetzen, auch wenn ganze Branchen hierdurch kaputtgehen.

      Beides sind freilich gute Ideen: wir wollen endlich den von Helmut Kohl prophezeiten kollektiven Freizeitpark, von Industrie und Arbeit ungestört den ganzen Tag im Spaßland lustweilen. Natürlich brauchen wir auch keine Arbeitsplätze; es genügt doch vollkommen, nur noch mit Klimascheinen zu handeln. Und wie schön ruhig ist es erst in unseren Städten, wenn sich keiner mehr ein Auto leisten kann, außer Herrn Trittin freilich, der aber mit 17 Liter auf 100 km ökologisch-sparsam fährt, das müssen wir doch einsehen!


      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 18.11.04 16:39:49
      Beitrag Nr. 1.994 ()
      18. November 2004

      Sparprogramme oft erfolglos

      Studie: Häufig sinkende Leistungsfähigkeit durch Auslagerung



      Ehrgeizige Sparprogramme in Unternehmen führen laut einer Studie weniger in die schwarzen Zahlen als geglaubt. Im Gegenteil: Häufig bringen radikale Einsparungen eine sinkende Leistungsfähigkeit mit sich, wie das Wirtschaftsmagazin "Impulse" am Donnerstag berichtete. Vielmehr erwiesen sich gerade diejenigen Firmen als besonders erfolgreich, die nicht nur Sparprogrammen skeptisch gegenüber stehen, sondern auch der von vielen Beratern heftig propagierten Option, ganze Arbeitsbereiche auszulagern.

      Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ), dem Marktforschungsinstitut forum GmbH marketing + communications und "Impulse" durchgeführten Umfrage unter 1.200 Top-Entscheidern der deutschen Wirtschaft.......

      http://www.n24.de/wirtschaft/branchen/?a2004111814274690487
      Avatar
      schrieb am 18.11.04 19:47:23
      Beitrag Nr. 1.995 ()
      Kinderarmut in Deutschland



      Immer mehr bittere Früchte einer falschen Politik?
      Am 8. November hat das Deutsche Kinderhilfswerk einen umfangreichen Bericht über die Situation der Kinder in Deutschland der Öffentlichkeit vorgestellt.* Ein Schwerpunkt der Aufsatzsammlung sind Analysen und Stellungnahmen zur Kinderarmut in Deutschland. Ergebnis ist, dass die Armut von Kindern in Deutschland weiter zunimmt.

      km. Armut ist ein relativer Begriff. In Deutschland wird von Armut gesprochen, wenn ein Haushalt über weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Haushaltseinkommens verfügt. In Ländern der dritten Welt wird von Armut gesprochen, wenn das Einkommen weniger als 1 Dollar pro Tag beträgt. Die Situation in Deutschland ist (noch) nicht mit der in Ländern der dritten Welt zu vergleichen. Nichtsdestoweniger sollte uns auch die wachsende Armut in unseren Ländern alarmieren; denn sie ist eben doch nicht nur eine statistische Grösse; sie hat einschneidende alltägliche Folgen für die betroffenen Menschen.

      Wie schnell es passieren kann, dass ein wohlhabendes Land mit den entsprechenden politischen Weichenstellungen so verarmen kann, dass es zu einem Land der dritten Welt wird, zeigt das Beispiel Argentinien. Dass der Weg in die Armut keine Schicksalsmacht ist, sondern von interessierter Seite bewusst in Kauf genommen wird, zeigt ebenfalls das Beispiel Argentinien. Vor den verschiedenen Auszügen aus aktuellen Stellungnahmen und Reportagen über die Armut in Deutschland soll deshalb ein Zitat aus einer Ankündigung zum argentinischen Film «Memoria del Saqueo» (Chronik einer Plünderung) stehen, der derzeit in einigen wenigen Kinos gezeigt wird und eigentlich das Interesse der Weltöffentlichkeit verdient.

      «Wie ist es gekommen, dass Argentinien, diese ÐKornkammer der Weltð, Hunger leiden muss? Das Land wurde ausgeplündert und leidet unter einer neuen Form der Aggression, schleichend und alltäglich, die mehr Tote fordert als der Staatsterrorismus und der Falkland-Krieg. Im Namen der Globalisierung und des Freihandels endeten die sozioökonomischen Rezepte der internationalen Kreditanstalten im sozialen Genozid und in der finanziellen Aushöhlung des Landes.

      Wir rechneten nicht damit, dass die Verantwortlichkeit unserer Regierenden und die Korruption [...] den IWF sowie die Weltbank und ihre Partner-Länder von ihrer eigenen Verantwortung entbinden würden. Verlockende Gewinne vor Augen, auferlegten sie uns neorassistische Pläne, die die sozialen Errungenschaften unterwanderten und Millionen von Menschen auf dem ganzen Kontinent in den Hungertod trieben, sie vorzeitig altern oder an Krankheiten leiden liessen. Ein Verbrechen gegen die Menschenrechte in Zeiten des Friedens.»

      *Deutsches Kinderhilfswerk e. V. (Hrsg.): Kinderreport Deutschland 2004. Daten, Fakten, Hintergründe; München 2004


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      Kinderarmut nimmt zu
      Die Armut von Kindern nimmt in Deutschland weiter zu. Armut bedeutet, in einem Haushalt mit weniger als 50% des durchschnittlichen Haushaltseinkommens zu leben. So ist etwa das Risiko von Kindern unter 18 Jahren mit 12% in den alten Bundesländern fast doppelt so hoch wie für Erwachsene (7%). Auch sind Kinder überproportional von Sozialhilfebedürftigkeit betroffen. Waren am Jahresende 2002 insgesamt 3,3% der Bevölkerung Sozialhilfeempfänger, so lag diese Quote bei den unter 18jährigen mit 6,7% mehr als doppelt so hoch, wobei dieser Wert in der Gruppe der unter 3jährigen mit 10,4% am höchsten ausfiel. Der Anteil der sozialhilfebeziehenden Kinder hat sich seit Anfang der 90er Jahre im Vergleich zu den Empfängern insgesamt überdurchschnittlich erhöht: Stieg der Anteil der Sozialhilfeempfänger insgesamt von 1991 bis 2002 um 0,8 Prozentpunkte auf 3,3%, so war bei den Minderjährigen im selben Zeitraum sogar ein Zuwachs von 1,9 Prozentpunkten auf 6,7% zu verzeichnen:

      Zum Jahresende 2002 waren knapp über 1 Million Kinder unter 18 Jahren von Sozialhilfe betroffen; das sind 37% aller Empfänger.
      Mehr als die Hälfte dieser Kinder (55%) bzw. 558000 Kinder lebten in Haushalten von alleinerziehenden Frauen;
      29% (bzw. 292000 Kinder) in einem «klassischen» Haushaltstyp mit beiden Eltern. Das Sozialhilferisiko konzentriert sich insbesondere auf jüngere Kinder und Kinder von Alleinerziehenden: Kinder unter 7 Jahren sind fast doppelt so häufig von Sozialhilfe betroffen wie die 15- bis 18jährigen.
      Nach Angaben des Armutsforschers Prof. Dr. Thomas Olk zeigen neuere Studien zu den Lebenslagen armer Kinder, dass die Entfaltungs- und Entwicklungsbedingungen von Kindern durch Armut in einer sensiblen Lebensphase in mehrfacher Hinsicht beeinträchtigt werden. Gefährdungen und Beeinträchtigungen ergeben sich insbesondere dann, wenn zur Einkommensarmut weitere Belastungen (wie negativ erlebtes Wohnumfeld, Betroffenheit von Krankheit, Langzeitarbeitslosigkeit, Überschuldung, soziale Isolation usw.) hinzukommen. Eine solche kumulative Belastungssituation bedeutet für Kinder,

      dass sie bereits vor der Geburt durch das Risikoverhalten insbesondere der Mütter (zum Beispiel durch Alkohol- und Zigarettenkonsum) organischen Schädigungen bzw. dem Risiko der Frühgeburt und der stark verzögerten Entwicklung ausgesetzt werden;

      dass ihre Eltern das Gefühl entwickeln, die Situation nicht mehr beeinflussen zu können und daher entweder gewaltförmige oder vernachlässigende Umgangsweisen entwickeln;
      dass die Erlebnis- und Erfahrungsräume der Kinder durch schlechte Wohnbedingungen, soziale Isolation, fehlende Zugänge zu Angeboten von Vereinen und Infrastruktur-einrichtungen geprägt und damit ihre Aktivitäten auf das engere Wohnumfeld bzw. die Strasse eingeschränkt werden;
      dass in Armut lebende Kinder über weniger soziale Kontakte verfügen, über ein geringeres Wohlbefinden berichten, weniger Selbstvertrauen entwickeln und stärker von psychosozialen Belastungs- und Erschöpfungssyndromen wie Schlafstörungen, Nervosität, Konzentrationsproblemen, Magenschmerzen sowie Gefühlen der Hilflosigkeit betroffen sind.
      Das bestehende Angebot an Hilfen und Einrichtungen für Kinder bzw. für Familien erweist sich als völlig unzureichend im Hinblick auf den sich hier abzeichnenden Bedarf.

      Auszüge aus der Pressemitteilung des Deutschen Kinderhilfswerkes vom 8.11.2004



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      Hunger in der Hauptstadt

      Die vergessenen Kinder von Berlin
      Weihnachtsrausch, schon im November. Die Regale sind prall gefüllt. Trotz Konjunkturflaute läuft das Geschäft mit Kinderartikeln bestens in der Berliner City. Auf dem Wunschzettel steht alles, was gut und teuer ist, weiss die Verkäuferin Ljuba Brühmüller: «Wir wollen hoffen, dass sich die Leute entschliessen, ihre Kinder nicht zu vernachlässigen, Weihnachten zuschlagen und den Kindern nach wie vor unter dem Baum eine schöne Freude machen und dass es dann stimmt, was sie haben wollen.»

      Nur einige Kilometer weiter am Rande der Stadt. Berlin-Hellersdorf. Hier reicht es, wenn überhaupt, nur für ganz kurze Wunschzettel. Kilometerlange Plattenbauten. Tristesse pur. 16000 Sozialhilfeempfänger leben hier. Erschreckend vor allem: Jedes vierte Kind wächst in Armut auf. Die ersten Kinder kommen schon gegen 12 Uhr in die Kindertagesstätte Arche. Bernd Siggelkow hat vor 10 Jahren beschlossen, in Hellersdorf gegen die Kinderarmut zu kämpfen. Seitdem ist die «Arche» in der ehemaligen Grundschule zentraler Anlaufpunkt für die Hellersdorfer Jugend. Hier finden sie das, was sie zu Hause oft nicht bekommen: «Ich denke, dass sich viel verändert hat, weil die Arbeitslosigkeit grösser geworden ist und die Ehen sehr stark geschieden worden sind. Es kommen immer mehr Kinder in unsere Einrichtung. Jedes Jahr haben wir einen höheren Besuch, deswegen haben wir uns jedes Jahr vergrössert, und da haben sich auch schon existentielle Probleme aufgetan, das heisst nicht genug Kleidung, nicht genug Essen, nicht genug finanzielle Unterstützung.»

      Anstehen, um einmal am Tag satt zu werden. Ab 13 Uhr ist die Suppenküche für alle offen. Viele der grösseren Kinder bringen ihre kleinen Geschwister mit. Für über 200 Kinder ist das heutige Essen die einzige richtige Mahlzeit am Tag. Und oft nehmen sie übriggebliebene Portionen mit nach Hause. [...]

      Zurück in der «Arche». Bernd Siggelkow und sein Team bei der täglichen Besprechung. In den letzten Jahren sind fast alle Mittel für soziale Einrichtungen in Hellersdorf gestrichen worden. Die Arche mit ihren 30 Mitarbeitern muss sich deshalb zu über 90 Prozent aus Spenden finanzieren. Das Problem Kinderarmut wird in Deutschland gerne verdrängt. Aus diesem Grund wird es für die «Arche» immer schwieriger, Spenden zu bekommen. [...]

      Gegen Abend gibt es für die Kleinsten die lang herbeigesehnte Tanzstunde. In der «Arche» in Hellersdorf wollen Bernd Siggelkow und seine Mitstreiter mit allen Mitteln gegen den ewigen Kreislauf von sozialer Not und Armut kämpfen. «Ich wünsche mir, dass man Kinder wieder so sieht, dass sie in 10 Jahren in diesem Land erwachsen sind und dass sie als Zukunft dieses Landes betrachtet werden und dass man alles in die Kinder investiert, damit wir auch eine vernünftige Zukunft haben.»

      Quelle: Bayrischer Rundfunk, report München, Auszüge aus der Sendung vom 8.11.2004


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      Hartz IV hat Folgen für Kinder
      Kinderarmut ist längst kein Problem mehr, das nur wenige Sozialhilfeempfänger betrifft, inzwischen ist es auch zu einem Phänomen unter erwerbstätigen Eltern geworden.

      Vier Uhr nachmittags in der Kindereinrichtung Beimsiedlung in Magdeburg. Gerangel um ein paar Eibrote. Bianca ist hungrig. Zu Hause gab es kein Mittagessen.

      Reporterin: «Kocht deine Mutti kein Mittagessen?» Bianca: «Doch, manchmal. Aber heute habe ich kein Mittagessen gekriegt.» Reporterin: «Und warum nicht? War keine Zeit?» Bianca: «Weil nichts mehr da war.»

      Der Kühlschrank zu Hause war leer, wie bei immer mehr Kindern hier. Jeden Tag kommt Bianca mit ihrer fünfjährigen Schwester Sophia in die Einrichtung des Kinderschutzbundes. Oft genug, um sich einfach sattzuessen.

      Die hungrigen Kinder aus der Beimsiedlung kommen aus keinem sozialen Brennpunkt. Der Magdeburger Stadtteil Stadtfeld West gilt eigentlich als bürgerliches Wohnquartier. Doch Kinderarmut ist auch hier längst zu Hause.

      Auch die zwölfjährige Charlott isst hier am Nachmittag. Bei ihr fiel sogar das Frühstück mehr als spärlich aus.

      Charlott: «Frühmorgens bin ich allein zu Hause.» Reporterin: «Morgens bist Du allein zu Hause. Und dann, was machst Du Dir dann?» Charlott: «Ich esse dann ein Joghurt.»

      Ein Joghurt zum Frühstück, das war`s bis zum Nachmittag. Keine vernachlässigten Kinder sind das hier - sondern Kinder, deren Eltern vor allem ein Problem haben: Das Geld reicht vorne und hinten nicht mehr.

      Wolfgang Stein, Vorsitzender Kinderschutzbund Sachsen-Anhalt: «Das kommt dadurch, dass auf der einen Seite die Einkommen geringer geworden sind. Ich erinnere daran, dass Urlaubsgeld gestrichen wird, dass Weihnachtsgeld gestrichen wird, dass Löhne gekürzt werden, Arbeitszeiten erweitert werden. Und auf der anderen Seite werden die Ausgaben erhöht.»

      Ergebnis: Kinderarmut ist längst kein Problem mehr, das nur relativ wenige Sozialhilfeempfänger betrifft. Armut ist ein Massenphänomen auch unter Kindern Erwerbstätiger im reichen Deutschland. Nach einer noch nicht veröffentlichten Untersuchung des Statistischen Bundesamtes ist die Kinderarmut besonders in Ostdeutschland innerhalb von 12 Monaten dramatisch gestiegen. 2002 betrug sie bereits erschreckende 25 Prozent bei Kindern unter 10 Jahren. 2003 sind es bereits über 33 Prozent. Oder anders ausgedrückt: Jedes dritte Kind im Osten lebt in Verhältnissen, die nach EU-Definition als «arm» zu bezeichnen sind.

      Roland Merten, Kinderarmutsforscher Uni Jena: «Also wir haben es zum einen zu tun mit der grossen Gruppe - insbesondere in den neuen Bundesländern -, der grossen Gruppe, die bei Alleinerziehenden leben, vornehmlich Frauen, muss man dazu sagen. Und zum Zweiten haben wir es zu tun mit der Gruppe derjenigen Kinder, die in grossen Familien leben, das heisst, Familien, in denen drei und mehr Kinder vorhanden sind.»

      In nüchternen Zahlen des Statistischen Bundesamtes sieht dieses erschreckende Bild so aus: Unter Alleinerziehenden mit 2 oder mehr Kindern beträgt die Armutsquote 64 Prozent. Unter den kinderreichen Paaren liegt die Zahl bei 40 Prozent. Aber auch Familien mit 2 Kindern sind inzwischen zu 20 Prozent von Armut betroffen. Und die Zahlen - so schätzen Experten - werden in den nächsten Jahren weiter steigen: Vor allem durch die Arbeitsmarktreform Hartz IV.

      Quelle: Mitteldeutscher Rundfunk, exakt, Auszüge aus der Sendung vom 5.10.2004



      Artikel 8: Zeit-Fragen Nr.44 vom 15.11.2004, letzte Änderung am 16.11.2004
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      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 18.11.04 19:51:48
      Beitrag Nr. 1.996 ()
      Managed care»


      Die Lösung in der Gesundheitspolitik oder der Anfang vom Ende?



      von Dr. med. Daniel Gamper, Schweiz
      Neue Strategien, die Gesundheitspolitik umzukrempeln, scheinen es schwer zu haben. Den Politikern bläst immer mehr der Wind ins Gesicht, ein Wind, der von der besorgten Bevölkerung verursacht wird. Die Bevölkerung ist nicht bereit, das ihr wichtigste Gut, die Gesundheit, unter dem Vorwand von Sparmassnahmen zu opfern. Die Strategen der neuen Gesundheitspolitik finden denn immer neue Begriffe und Modelle, auf die hoffentlich die Bevölkerung hereinfällt. Immer wenn Neues von politischer Seite lanciert wird, ist eine Portion gesunder Argwohn und Skepsis am Platz und soll zum Hinterfragen anregen. «Managed care» ist so ein neues Zauberwort, «die Lösung des Gesundheitsproblems in der Schweiz», wie gewisse Politiker sagen. Was ist «Managed care»? Im folgenden soll dieser Begriff, hinter welchem sich eine ganze Strategie versteckt, erklärt werden.

      Krankenversicherungen zählten bis zur Einführung des neuen Krankenversicherungsgesetzes (KVG) 1996 zu den Sozialversicherungen im wahrsten Sinne des Wortes. Gewiss sind sie noch heute Sozialversicherungen, jedoch nur noch dem Namen nach. Während vor dem KVG Krankenkassen in Konkordaten gebunden waren, wurden sie von diesen Strukturen 1996 befreit. Ihre Struktur vor 1996 basierte auf dem Prinzip, Menschen zu versichern, ohne dabei einen Gewinn anzustreben. Der Bund unterstützte mit Steuergeldern die Krankenkassen, damit diese zusammen mit den Prämien sämtliche Kosten für Abklärungen und Behandlungen kranker Menschen bezahlten. Nach dem Solidaritätsprinzip hatten junge Versicherte, die in aller Regel wenig Gesundheitskosten verursachen, in etwa die gleiche Prämie zu bezahlen wie alte Menschen, die ein weit höheres Risiko haben, krank zu werden und ärztliche Hilfe zu benötigen. Die Krankenkassen waren durch den Bund in ihrer Versicherungstätigkeit an strenge Regeln gebunden, weswegen die Unterschiede in den Prämien und Leistungen nicht sehr gross waren.

      Der Bundesrat hat die Verträge der Welthandelsorganisation (WTO) unterschrieben. Mit der Unterschrift verpflichtete sich die Schweiz, mehr Markt auch in öffentlichen Institutionen wie Landwirtschaft, Erziehung, Gesundheit spielen zu lassen und staatliche Regelungen aufzuheben und Subventionen zu streichen. Eine Massnahme bestand darin, weniger Steuergelder in die Gesundheitsversorgung zu investieren. Mit dem, dass sich der Bund und die Kantone mehr und mehr aus der Finanzierung des Gesundheitswesens herausnahmen, waren die Krankenkassen gezwungen, mehr Geld über die Prämien einzuziehen, um die laufenden Kosten decken zu können. Die Krankenkassen, die sich jetzt auf dem freien Markt bewegen konnten, haben wie die Pensionskassen ihre Gelder (Rückstellungen) an der Börse investiert und grosse Verluste erlitten.

      Durch Erhöhen der Prämien sollen nun diese Verluste wieder hereingeholt werden. Dieser Prämienschub wiederum wurde dann von politischer Seite dazu benützt, der Bevölkerung zu erklären, dass wir eine Reform des Krankenversicherungsgesetzes bräuchten. Den Prämiensteigerungen müsse ein Riegel geschoben werden, so die damalige Bundesrätin Dreifuss. Wenn die Krankenkassen sich im freien Markt bewegen können und nicht mehr durch staatliche Gesetze in ihrer Freiheit eingeschränkt werden, dann würden als Folge einer gesunden Konkurrenz die Krankenkassenprämien wieder sinken. Dass damit aber erst recht mittels Preisabsprachen und anderer marktwirtschaftlichen Strategien die Prämien immer noch mehr in die Höhe schnellten, sehen wir heute.

      Doch dass die Prämien stetig steigen, ist das eine, der Einfluss der Krankenkassenkonzerne mit mittlerweile dreistelligen Millionengewinnen jährlich das andere. So müssen wir der Presse und den Wirtschaftsberichten entnehmen, dass trotz angeblich massiv steigender Kosten viele Krankenkassen seit einiger Zeit stetig steigende Gewinne ausweisen. Die Helsana, seit sieben Jahren in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, hat als grösster Krankenversicherer 2003 einen Gewinn von 107 Millionen Franken erwirtschaftet (im Vorjahr 40 Millionen Franken). Die Groupe Mutuel verzeichnete im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung letztes Jahr einen Gewinn von 76,8 Millionen Franken sowie 37,6 Millionen Franken bei der privaten Zusatzversicherung und im Bereich Unfall.

      Die in den Verwaltungsräten solcher Krankenkassenkonzerne einsitzenden Politiker entwerfen weitere Strategien, die die Krankenkassen noch mehr von ihrer ursprünglichen Bezeichnung «Sozialversicherung» entfernen. Unter dem Vorwand, eine angeblich bestehende Kostenexplosion einzudämmen, wird plötzlich von seiten der interessengebundenen Politiker immer konkreter auf die Arzt-Patient-Beziehung Einfluss genommen. So sollen sich Ärzte, Spitäler, regionale Spitex usw. in Netzwerken zusammen-schliessen. Auf den ersten Blick scheint solchen Netzwerken nichts Anrüchiges oder Negatives anzuhaften. Im Gegenteil, dem Bürger wird so der Eindruck vermittelt, man würde die Resourcen bündeln und optimiert einsetzen. Doch spätestens wenn diese Netzwerke mit dem Begriff «Managed Care» in Verbindung gebracht werden, ist allergrösste Vorsicht geboten! «Managed Care» ist das Endprodukt solcher Netzwerke. In einigen Artikeln haben sich Politiker verschiedenster Couleur zum System «Managed Care» bekannt.

      Was ist nun «Managed Care»? Das einfachste ist, man schaut über unsere Landesgrenzen hinaus und sucht, wo sich «Managed Care» etabliert hat, und landet dabei in den USA. Dort sind Krankenkassen zu riesigen Konzernen und Aktiengesellschaften mit Milliardengewinnen herangewachsen. Ihr Einfluss im Gesundheitswesen beschränkt sich nicht nur auf die Freiheit, die Höhe der Prämien zu bestimmen, sondern wie der Arzt einen Patienten zu behandeln hat. So schreibt die Krankenkasse beispielsweise vor, wie viele Hospitalisationstage sie für eine Krankheit bezahlt. Jede Krankenkasse hat Fall-Manager (engl. case manager), die ans Krankenbett des Patienten gehen und ihn darauf aufmerksam machen, dass die Krankenkasse nur noch bis und mit diesem oder jenem Tag seinen Aufenthalt im Spital bezahlt. Auch das Spital muss notgedrungen solche Fall-Manager einsetzen, die darüber zu wachen haben, dass die Kosten aller Patienten auch gedeckt sind. Es versteht sich, dass der Arzt und der Patient nicht mehr alleine entscheiden, wann der Patient das Spital verlässt. Aus Angst, für enorme Summen aufkommen zu müssen, wird der Patient trotz Fieber lieber das Spital verlassen als einen Tag länger hospitalisiert zu bleiben. Solche Fall-Manager sind nur in Ausnahmefällen Ärzte, sondern Krankenschwestern, Arztsekretärinnen oder Gesundheitsbeamte, die in kurzer Zeit dazu ausgebildet wurden. Ihre Aufgabe besteht darin, den Patienten zu «managen». Neben der Zahl der Tage, welche die Krankenkasse frei ist zu bezahlen, hat sie die Möglichkeit, noch eine Reihe andere Vorschriften zu machen, wie diese oder jene Krankheit behandelt werden soll.

      Mit solchen Vorgaben, Vorschriften und Bestimmungen wird die Arzt-Patient-Beziehung empfindlich gestört. Der Arzt ist gezwungen, wider sein Fachwissen und seine Ethik zu handeln. In diesem System werden Patienten nicht behandelt, sondern -«gemanagt». Auf einer solchen Ebene, dem «Managed Care», kann der Patient keine Vertrauensbasis zum Arzt entwickeln, und umgekehrt kann der Arzt keine Vertrauensbeziehung aufbauen.

      Im Vordergrund des «Managed Care»-Systems steht also längst nicht mehr die Gesundheit des Patienten, sondern der grösstmögliche Gewinn der Krankenkassen. Und sieht man, wer im amerikanischen Gesundheitswesen am meisten Geld macht und wohin das Geld fliesst, wird alles klarer. Mit der Einführung des «Managed Care»-Systems werden wir in kürzester Zeit amerikanische Verhältnisse haben, unter denen sich 1/6 der Bevölkerung eine Krankenversicherung nicht mehr leisten kann, wogegen Krankenkassen Milliardengewinne verbuchen. Erste Zeichen haben wir schon in der Schweiz: Mehr und mehr Schweizer können die Krankenkassenprämien nicht bezahlen und brauchen hierfür Sozialhilfe, während die grösste Krankenkasse in der Schweiz vergangenes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag als Gewinn einstrich.



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      Patientenverfügung

      Gesetzentwurf fachlich unzureichend
      Am 5. November hat die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Betreuungsrechtes vorgelegt. Hierin soll auch der künftige Umgang mit Patientenverfügungen geregelt werden. Wie zu befürchten, fusst die Ministerin dabei allerdings wesentlich auf den Vorschlägen der von ihr selbst eingesetzten kleinen Arbeitsgruppe «Patientenautonomie am Lebensende» und folgt nicht den Gegenvorstellungen der politisch wie fachlich hochkarätig besetzten Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages «Ethik und Recht der modernen Medizin».

      «So sehr die Stärkung der Patientenautonomie im Grundsatz zu befürworten ist, so gross sind doch Befürchtungen, dass die jetzt vorgesehenen gesetzlichen Regelungen den Autonomiegedanken geradezu ad absurdum führen», betont Professor Dr. med. Christoph Student, Gesamtleiter des renommierten Hospiz Stuttgart. «Die Ministerin wäre gut beraten gewesen, sie hätte die Modifikationsvorschläge der Enquete-Kommission ÐEthik und Recht der modernen Medizinð aufgegriffen», meint der erfahrene Palliativmediziner. Er kritisiert insbesondere, dass eine Patientenverfügung künftig ungeprüft auch für den Fall einer Demenz oder eines Wachkomas gelten soll. «Aus der Begleitung von Menschen in Krisensituationen und auch aus der zugehörigen Forschung wissen wir heute recht genau, dass sich zu keinem Zeitpunkt unseres Lebens einschneidendere Einstellungsveränderungen vollziehen als in Krisen. Krisen und deren Bewältigung sind gerade gekennzeichnet durch solche Veränderungen. Da mag es schwer vorstellbar erscheinen, dass ausgerechnet die Begegnung mit so unvorstellbaren Seinsveränderungen wie Koma oder Demenz von solchen Wandlungen frei sein sollten.»

      Die Ministerin sei offensichtlich fachlich nicht ausreichend beraten worden, kritisiert Student. Jeder erfahrene Gerontologe (Alternswissenschafter) oder Psychiater hätte der Ministerin wissenschaftlich begründen können, weshalb ihre Annahme, der Wille eines gesunden Menschen lasse sich in den Zustand der Demenz einfach weiter verlängern, unsinnig ist. «Wir wissen heute eine Menge über das Erleben von Menschen in Koma oder Demenz. Wir wissen vor allem, dass sie ebenso wie wir Gesunden erlebnismässig von der Teilhabe am Leben profitieren. Mag uns von aussen gesehen ihr Zustand noch so bemitleidenswert erscheinen - aus der Innenschau stellt sich dies oft ganz anders dar.»

      Deshalb fordert Student, bei Menschen in Koma und Demenz sensibel den aktuellen Willen zu erkunden, statt in einem zynischen Automatismus einer in gesunden Tagen verfassten Patientenverfügung zu folgen. Nur so könne die Patientenautonomie wirklich respektiert werden. Das fachliche Instrumentarium, um hier ethisch kompetente Entscheidungen im Interesse des Kranken zu finden, liege bereit. «Wenn die Ministerin hierauf verzichtet, tut sie weder der Sache noch den Kranken einen Gefallen», empört sich Student. Der Mediziner fürchtet, dass hier letztlich eine kostengünstige Lösung zu Lasten der Schwachen in der Gesellschaft gefunden werden solle.

      Professor Dr. med. Christoph Student

      Gesamtleiter des Hospiz Stuttgart

      Stafflenbergstrasse 22

      D-70184 Stuttgart


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      Altersarmut in England - bis zum Tod
      gl. In den letzten 10 Wintern starben in Grossbritannien je bis zu 40000 mehr Menschen als im jeweiligen Sommer. Die meisten davon waren Rentner. Äusserer Grund für den häufigen Kältetod sind ungenügend geheizte Häuser, als eigentliche Ursache aber gilt die Altersarmut.

      Die staatliche Minimalrente beträgt nur 37 Prozent des letzten Gehalts oder 44 Prozent der gesamten Altersbezüge und kann, seit die Regierung Thatcher 1980 die staatlichen Pensionsgelder von der Lohnentwicklung abkoppelte, mit den steigenden Lebenshaltungskosten nicht mithalten. Der staatliche Beitrag zur Rentenversicherung liegt bei nur etwa 5 Prozent des Brutto-sozialprodukts - nur halb soviel wie auf dem europäischen Kontinent. Viele Werktätige zahlen zusätzlich in betriebliche Pensionskassen ein, deren Einlagen durch Verluste an der Börse allerdings um 20 Prozent geschrumpft sind.

      Zwei der 11 Millionen britischen Rentner beziehen nur die staatliche Mindestrente, knapp über 230 Franken die Woche. Um auch im Winter leben zu können, reicht das nicht aus.

      Quelle: St. Galler Tagblatt vom 10. November 2004

      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 18.11.04 23:49:33
      Beitrag Nr. 1.997 ()
      Stocks vom 18.11.2004
      Interview: Peter Meier, 12011 Zeichen Artikel


      Investieren in Krisen: Cool bleiben und Öl kaufen

      Das Krisenpotenzial im Nahen Osten ist derzeit grösser als je zuvor. Wie Anleger auf die politischen Risiken am besten reagieren.


      Peter Scholl-Latour hält heute das politische Krisenpotenzial im Nahen Osten für unendlich viel grösser als in den Siebzigerjahren. Damals lösten der Yom-Kippur-Krieg 1973 und der Sturz des iranischen Schahs 1979 zwei Ölschocks aus, die zusammen mit der grassierenden Inflation die Siebziger zu einer der schlechtesten Börsenepochen überhaupt machten. Die Meinung des seit über 50 Jahren aktiven Kriegsberichterstatters Scholl-Latour, der fast alle wichtigen Akteure im Nahen Osten persönlich kennt, hat Gewicht. «In den Siebzigerjahren war doch noch alles unter Kontrolle», betont er im Stocks-Interview, ganz im Gegensatz zu heute, wo der Guerillakrieg im Irak oder ein Umsturz im Iran oder in Saudi-Arabien einen gefährlichen Flächenbrand auslösen könne.

      Doch wie sollen Investoren den Krisenherd Nahost in ihre Anlagestrategie einbeziehen? «Politische Börsen haben kurze Beine», lautet ein altes Sprichwort. Und das stimmt: In der Regel sind die langfristigen Auswirkungen politischer Ereignisse auf die Konjunktur und die Unternehmensgewinne gering. Politische Krisen wirken erfahrungsgemäss mehr kurzfristig auf die Psyche der Marktteilnehmer und damit auf die Börsenkurse, als auf die reale Wirtschaft.

      Die grösste Wirkung war in der Vergangenheit jeweils im Vorfeld einer Krise oder eines Krieges festzustellen. Wie zuletzt vor Beginn des Irak-Kriegs im März 2003, als die Unsicherheiten über das Ob und Wie und Wielange die meisten Börsen auf neue Tiefststände drückten. Als der Krieg dann begann und die Unwägbarkeiten durch Tatsachen abgelöst wurden, kletterten die Aktienkurse rasch nach oben.

      Dieses Muster ist absolut typisch und wiederholt sich seit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs immer wieder. Die alte Börsenweisheit: «Kaufen, wenn die Kanonen donnern» leitet sich von diesem historisch oft beobachteten Wechselspiel von Erwartungen und Tatsachen ab. Also nicht kaufen, während die schweren Geschütze in Stellung gebracht und düstere Drohungen ausgetauscht werden, sondern erst, wenn die Kampfhandlungen beginnen.

      Ein ähnliches Muster war auch schon vor und während des ersten Irak-Kriegs 1990/91 festzustellen: Um 16 Prozent rasselte der S&P-500-Aktienindex in den zwei Monaten nach dem irakischen Einmarsch in Kuweit in den Keller. Ab dem 11. Oktober 1990 begann sich das US-Börsenbarometer bereits wieder aufzurappeln, da sich eine breite Koalition gegen Saddam Husseins Aggression abzeichnete. Und nach dem 17. Januar 1991, als der amerikanische Präsident George Bush senior Luftangriffe auf den Irak befahl, kletterte der S&P 500 steil nach oben.

      Der Beginn des Luftbombardements fegte die Unsicherheit an der Börse hinweg. Bereits einen Monat später notierte der Aktienindex wieder auf dem gleichen Stand wie vor der überraschenden Besetzung Kuweits.

      Etwas anders reagieren die Börsen im Fall eines überraschenden politischen Schocks wie den Terroranschlägen des 11. September 2001. Hier folgte zuerst ein steiler Crash von über 10 Prozent. Doch genauso schnell erholten sich die Kurse danach wieder und bereits Mitte Oktober waren dem S&P 500 keine Auswirkungen der Terrorakte mehr anzusehen. Dass die Aktienmärkte dann im Sommer 2002 ihre Talfahrt fortsetzten, hatte allein mit den rezessionsbedingten Gewinneinbrüchen der US-Unternehmen, den zahlreichen Buchhaltungsskandalen und den generell sehr hohen Aktienbewertungen zu tun.

      Die langfristigen Auswirkungen des 11. September sind dennoch nicht zu unterschätzen: Verschärfte Einreisebestimmungen, höhere Ausgaben für die nationale Sicherheit und eine Verschlechterung der internationalenBeziehungen fügen der US-Wirtschaft und dem Dollar einen schleichenden, aber schwer messbaren Schaden zu. Der Schaden entstand jedoch nicht durch die Terroranschläge an sich, sondern durch die politische Reaktion der USA darauf.

      Überraschende Ereignisse führen also in der Regel zu kurzfristigen Panikreaktionen, die als Kaufchancen genutzt werden können. Politische Spannungen, die sich über Monate aufbauen, führen gemeinhin ebenfalls zu Einstiegsgelegenheiten. Anleger, die ruhiges Blut bewahren und sich von der Panik der Medien und Analysten nicht anstecken lassen, können davon profitieren. Was die zitierten Beispiele aber auch lehren, ist, dass die grundsätzlichen Börsentrends von politischen Ereignissen nicht ausser Kraft gesetzt werden.

      Bleibt die Frage, wie Anleger auf das politische Gefahrenpotenzial reagieren sollen, die derzeit voll in Aktien investiert sind. Das Verkaufen eines Teils der Aktienpositionen nur auf Verdacht macht sicherlich wenig Sinn. Politische Krisen sind per Definition unvorhersehbar, und es kann durchaus noch Jahre dauern, bis im Nahen Osten eines der an die Wand gemalten Krisenszenarien Wirklichkeit wird.

      Die wichtigsten Anlagekriterien bleiben die fundamentale Aktienbewertung sowie die persönliche Risikoneigung beziehungsweise der Anlagehorizont. Darüber hinaus kann aber eine gewisse Absicherung des Depots gegen politische Risiken durchaus sinnvoll sein. Eine mögliche Variante ist der Kauf von Put-Optionen. Doch komplexe Optionsgeschäfte sind nicht jedes Anlegers Sache. Ein natürlicherer und vernünftigerer Hedge ist der Kauf von Öl- und Goldminenaktien. Sowohl der Öl- wie auch der Goldpreis dürfte im Fall einer neuen Nahostkrise deutlich steigen. Dies wiederum gibt den Aktien des Sektors Auftrieb. Dadurch kann zumindest ein Teil der möglichen Kurseinbussen am breiten Aktienmarkt kompensiert werden. Vor allem aber macht diese Art der Absicherung Sinn, weil besonders die Öltitel und bis zu einem gewissen Grad auch die Goldminen-Aktien derzeit aus rein fundamentaler Sicht tief bewertet sind.

      Mit einem ordentlichen Anteil Öl- und Goldaktien im Depot sowie der historisch gut untermauerten Erkenntnis, dass politische Börsen kurze Beine haben, können Investoren den unvermeidbaren Turbulenzen im Nahen Osten relativ gelassen entgegensehen.


      Gold: Mehr als Krisenschutz

      Die Wiederwahl von US-Präsident Bush trieb den Dollar in den Keller und den Goldpreis auf ein neues 16-Jahreshöchst von 437 Dollar je Unze. Zwei politische Faktoren stehen hinter dem Höhenflug des Goldes: Die Angst vor einer Ausweitung der Krise im Nahen Osten durch Bushs «Krieg gegen den Terror» sowie die ausufernden Haushaltsdefizite der USA. Im Fiskaljahr 2004, das im September zu Ende ging, belief sich der Ausgabenüberschuss des Staates auf 437 Milliarden Dollar. Getrieben wurde er unter anderem durch eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets um 12,4 Prozent. Und das Loch in der Haushaltskasse dürfte in den nächsten Jahren noch weit grösser werden. Die rasch steigende Staatsverschuldung nährt wiederum die Angst vor anziehenden Inflationsraten, was natürlich dem gelben Edelmetall neuen Glanz verleiht. Die Parallelen zu den Sechziger- und Siebzigerjahren, als der Goldpreis von 35 auf über 800 Dollar je Unze stieg, werden immer offensichtlicher: Damals waren es der Krieg in Vietnam und der sozialpolitische «Krieg gegen die Armut», die ein gewaltiges Loch in den US-Staatshaushalt rissen. Die dadurch begründete lockere Geldpolitik der US-Zentralbank führte zu immer stärkerer Geldentwertung. Genau wie in den Siebzigerjahren liegt der Leitzins in den USA heute seit Jahren unter der Teuerungsrate, was die Inflation stark anheizt. Neben den politischen sprechen jedoch auch gewichtige fundamentale Gründe für eine Fortsetzung der Goldhausse. Seit Jahren hält die globale Minenproduktion nicht mit dem Goldverbrauch mit. Die Angebotsdefizite wurden bisher durch Goldverkäufe einiger Zentralbanken gedeckt. Das Ende dieses Prozesses ist nun aber immer absehbarer (vgl. Stocks 19/2004).

      Anlagetipp: Für grössere Vermögen ist ein Depotanteil von bis zu 5 Prozent Gold in physischer Form oder im Metallkonto als Krisenschutz zu empfehlen. Für alle Anleger sehr interessant ist der Kauf von Minenaktien, um von der fundamental begünstigten Goldhausse mit einem Hebeleffekt zu profitieren. Das sicherste Investment im Sektor ist der weltgrösste Goldförderer Newmont Mining, eine gute Basisanlage. Wer es etwas spekulativer mag, kann auf mittelgrosse Produzenten wie die australische Newcrest Mining oder die beiden kanadischen Firmen Wheaton River und Golden Star Resources setzen.


      US-Dollar: Es geht weiter runter

      Das rekordhohe US-Handelsbilanzdefizit macht in Kombination mit dem ständig wachsenden Staatshaushaltsdefizit dem Dollar zu schaffen. Die «Zwillingsdefizite» belaufen sich zusammen bereits auf gut 10 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandprodukts, sodass eine weitere Abwertung des US-Dollars aus fundamentaler Optik unvermeidbar ist. Hinzu kommt eine psychologische Komponente: In den letzten Monaten haben vor allem asiatische Zentralbanken den Dollar gestützt. Die Europäer und die Ölmilliardäre des Nahen Ostens kehren dem «Greenback» dagegen immer mehr den Rücken. Verlieren auch noch die Asiaten das Vertrauen in den Dollar oder führt eine Nahostkrise dazu, dass die Araber ihr Öl künftig in Euro verkaufen, könnte aus dem stetigen Abgleiten des Dollars ein jäher Sturz werden.

      Anlagetipp: Das Dollar-Risiko vor allem im Obligationenteil des Depots gering halten und allenfalls mit Put-Optionen absichern.


      Öl-Preis: Für Überraschungen gut

      Der Ölpreis ist in den letzten Wochen wieder etwas zurückgekommen, nachdem er Ende Oktober ein Allzeithoch von 55 US-Dollar je Fass der Sorte Crude erklommen hatte. Von einem neuen Ölschock wie in den Siebzigerjahren kann noch nicht gesprochen werden: Denn 1979 notierte der Preis des schwarzen Goldes inflationsbereinigt bei 80 US-Dollar je Fass. Doch die Voraussetzungen für einen Ölschock von ähnlichem Ausmass wie 1979 sind heute sogar noch mehr gegeben: Nicht nur, dass die politischen Risiken im Nahen Osten gemäss dem anerkannten Experten Peter Scholl-Latour heute unendlich viel grösser sind, sondern auch, weil weltweit in der Ölförderung keine freien Förderkapazitäten mehr existieren. Die Ölpumpen der Welt sind zu 99 Prozent ausgelastet. Anders als 1979 hält die Opec keine Förderkapazitäten mehr zurück, um den Preis künstlich in die Höhe zu treiben. Die globalen Öllagerbestände befinden sich zudem auf einem tieferen Niveau als damals. Hinzu kommt die rasant wachsende Nachfrage aus dem boomenden Asien. Aus fundamentaler Sicht ist die Lage also zum Zerreissen gespannt. Eine politische Krise oder eine Revolution in einem wichtigen Ölförderland wie Saudi-Arabien oder Iran würde die globale Ölversorgung ernsthaft ins Stocken bringen und könnte den Ölpreis spielend auf 100 US-Dollar je Fass oder höher hinauf katapultieren. Zwar wäre ein solcher Preisanstieg wohl nur vorübergehender Natur. Die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und die Börse dürften zumindest kurzfristig dennoch verheerend sein. Längerfristig ist jedoch ganz unabhängig von der politischen Entwicklung im Nahen Osten mit einem starken Ölpreis zu rechnen. Das voraussichtlich noch auf Jahre hinaus knappe Angebot, die steigende Nachfrage und die fortlaufende Entwertung des US-Dollars stützen die Ölhausse. Aus Anlegersicht sind Ölaktien deshalb ein sehr interessantes Investment: Die Titel sind immer noch durchs Band sehr tief bewertet, als würde der Ölpreis bald wieder bei 30 US-Dollar je Fass notieren. Die fundamental veränderte Marktlage ist in den Kursen noch nicht eingepreist. Gleichzeitig können Ölaktien einen ausgezeichneten Schutz gegen politische Risiken im Nahen Osten bieten. Im Fall einer Explosion des Ölpreises, welche die breiten Aktienindizes auf Talfahrt schicken dürfte, sollten Öltitel zu den wenigen Gewinnern gehören.

      Anlagetipp: Preiswerte und dividendenstarke Basisanlagen im Ölsektor sind die Aktien von Royal Dutch/Shell, Total und ChevronTexaco. Wird das Öl langfristig knapp, dürfte Suncor Energy zu den grössten Gewinnern gehören, da die kanadische Firma über gewaltige Reserven in den Ölsanden der ProvinzAlberta verfügt, die bereits heute profitabel abgebaut werden.

      http://www.handelszeitung.ch/de/artikelanzeige/artikelanzeig…
      Avatar
      schrieb am 19.11.04 23:48:45
      Beitrag Nr. 1.998 ()
      Avatar
      schrieb am 20.11.04 00:14:16
      Beitrag Nr. 1.999 ()
      Mehrarbeit für weniger Arbeit
      Jo Wüllner 17.11.2004

      Eine Kritik an der gängigen Position, dass wir mehr arbeiten müssen, um wieder mehr Arbeitsplätze zu schaffen
      Bis etwa 2003 galt in der Debatte um die Senkung der Arbeitslosenzahlen: Es ist nicht genug Arbeit für alle da. Die weniger werdende Arbeit muss gerecht verteilt werden. Die Gewerkschaften forderten zusätzlich zu kürzeren Arbeitszeiten auch noch mehr Lohn. Das ging lange gut. Auch gegen den Widerstand der Wirtschaft. Doch bei kürzeren Arbeitszeiten zu geringeren Löhnen hätten auch die meisten Unternehmer bei der Arbeitszeitverkürzung mitgemacht. Seit 2004 aber wird gefordert: Wir müssen mehr arbeiten. Damit mehr Arbeitsplätze entstehen.


      Ich behaupte: Diese Position ist entweder von Paranoia oder von Perfidie getrieben. (Ich schließe klassische Dummheit angesichts der formalen Bildungsgrade der Beteiligten aus.) Die Intensität der Debatte, die keine ist, weil niemals genau argumentiert wird, hat mittlerweile vielen Beteiligten den (unterstellt) einst vorhandenen gesunden Menschenverstand ausgetrieben.

      Ich demonstriere das an einem wichtigen Herrn, der seit Jahren die deutsche und europäische Arbeitsdebatte mitprägt: Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Institutes. Seine Begründung findet sich in dem Artikel Warum wir länger arbeiten müssen. Der 14. November 2004 in der Welt am Sonntag erschienen ist.



      --------------------------------------------------------------------------------

      Wenn länger gearbeitet wird, steigt die Produktivität des einzelnen Arbeitnehmers.
      Hans-Werner Sinn


      Falsch. Produktivität bezeichnet die Effizienz von Produktion. Wenn ein Arbeitnehmer länger arbeitet, die Arbeit aber gleich strukturiert bleibt, bleibt auch die Produktivität gleich. Was steigt, ist die Produktion des Unternehmens.

      Ein Arbeitnehmer ist produktiver, wenn er pro Stunde mehr produziert als zuvor. Wenn der Arbeitnehmer für Mehrarbeit nicht mehr Geld bekommt, steigt neben der Produktion allerdings auch die Produktivität des Unternehmens. Es kann mehr produzieren, ohne mehr Geld dafür auszugeben.

      Herr Sinn kann sicher zwischen der Produktivität eines Arbeitnehmers und der eines Unternehmens unterscheiden. Dass er es in den Medien nicht tut, muss ihm als böse Absicht unterstellt werden.



      --------------------------------------------------------------------------------

      Da die Lohnkosten pro Kopf steigen, lohnt es sich für den Unternehmer, mehr Leute einzustellen.
      Hans-Werner Sinn


      Es lohnt sich nur, wenn der Zuwachs an Produktion auch verkauft werden kann. Wir haben aber bereits eine Nachfragekrise in den entwickelten Industrienationen. Die meisten Märkte sind gesättigt. Es wird bereits zu viel produziert. Wozu neue, wenn auch billigere Arbeitskräfte?



      --------------------------------------------------------------------------------

      (Arbeitnehmer) werden eingestellt, weil es dem Unternehmer auf diese Weise gelingt, seinen Gewinn noch mehr zu steigern, als es bereits durch die Mehrarbeit der Stammbelegschaft der Fall ist.
      Hans-Werner Sinn


      Wenn das stimmt, wäre dies das todsichere Rezept für Gewinnmaximierung und zugleich Vollbeschäftigung. Herr Sinn müsste unmittelbar Herrn Clement als Superminister ablösen.

      Wie geht das Rezept? Erst bewegt man die Stammbelegschaft zu längeren Arbeitszeiten. Dann stellt man so viele weitere Arbeiter ein, wie es nur geht. Mit jedem zusätzlichen billigen Arbeiter wächst der Gewinn des Unternehmers. Wer die meisten Arbeitnehmer einstellt und möglichst lange arbeiten lässt, fährt die höchsten Gewinne ein. So Herr Sinn, wörtlich genommen.

      Phantastisch. Oder Wahnsinn? Oder ein maximal perfider Täuschungsversuch?



      --------------------------------------------------------------------------------

      Eine Ausweitung der Arbeitszeit ist im Wirtschaftsablauf exakt dasselbe wie ein technischer Fortschritt, der die Produktivität jedes einzelnen Menschen bei gleicher Arbeitszeit erhöht.
      Hans-Werner Sinn


      Nochmals: Nicht die Produktivität des Einzelnen, sondern die des Unternehmens wird durch Mehrarbeit bei gleichem Lohn erhöht. Nur in diesem Sinne ist billige Arbeit für das Unternehmen wirtschaftlich exakt dasselbe wie die Erhöhung der Produktivität durch technischen Fortschritt.

      Erhöht sich aber die Produktivität, ohne dass der Markt des Unternehmens wächst, muss bei mindestens einem Produktionsfaktor gespart werden, wenn nicht am Markt vorbei produziert werden soll. Das Unternehmen kann Maschinen demontieren oder Mitarbeiter kündigen. Mehrheitlich machen Unternehmen Letzteres. Das zeigt die gesamte Geschichte der Industrialisierung. Nur in Billiglohnländern lohnt es sich, weniger Roboter zu installieren und mehr Arbeiter einzustellen, um die Produktion eines neuen Automobilwerkes in Gang zu setzen.

      Wenn Arbeitnehmer mit dem gleichen Maschinenpark mehr arbeiten, ohne dass der Absatz wächst, sorgen sie dafür, dass ein Teil der Arbeitnehmer gekündigt wird. Es ist also gleich, wie die Produktivität des Unternehmens erhöht wird - durch effektivere Maschinen oder länger arbeitende Arbeitnehmer -, ohne Wachstum durch Absatz kommt immer das Gleiche heraus: Kündigungen.



      --------------------------------------------------------------------------------

      Wer argumentiert, daß eine Arbeitszeitverlängerung zu Problemen führt, muß argumentieren, daß der technische Fortschritt es auch tut. Man kann nicht einerseits Innovationen fordern, die die Produktivität der Arbeit vergrößern, um so Deutschlands Arbeitsplätze zu erhalten, und andererseits eine Arbeitszeitverlängerung mit dem Argument ablehnen, daß sie zu Entlassungen führen. Beide Positionen widersprechen einander.
      Hans-Werner Sinn


      Hier lässt Herr Sinn die Katze aus dem Sack. Nehmen wir den Argumentationstrick Stück für Stück auseinander:

      Arbeitszeitverlängerungen führen zu Problemen.
      Technischer Fortschritt führt zu Problemen.
      (Das Hauptproblem: Der Produktivitätsgewinn für das Unternehmen führt zu Kündigungen, wenn das Wachstum den Produktivitätszuwachs nicht ausgleicht.)

      Alle fordern Innovationen.
      Innovationen erhöhen die Produktivität.
      Innovationen führen zu Kündigungen.
      Innovationen erhalten Deutschlands Arbeitsplätze.
      Wer Innovation will, muss auch längere Arbeitszeiten wollen.

      Merken Sie den Trick? Innovationen werden mit Produktivitätszuwachs gleich gesetzt. Und: Innovationen führen zu Kündigungen und zugleich zum Erhalt von Arbeitsplätzen. Das ist paradox. Aber nur, weil Herr Sinn etwas unterschlagen hat:

      Innovationen fördern Wachstum und Produktivität. Im besten Falle gibt es mehr Wachstum als Produktivitätszuwachs. Dann gibt es auch mehr Arbeitsplätze.

      Leider gibt es immer öfter Innovationen, die zu wenig Wachstum und zu viel Produktivitätssteigerung führen. Deshalb gibt es immer weniger Arbeitsplätze.

      Wie kann dem begegnet werden?

      Konservativ-gerecht: Die vorhandene Arbeit wird unter den Arbeitsnachfragern aufgeteilt. Alle arbeiten weniger. Und verdienen weniger.
      Wachstumsorientiert: Es wird auf Innovationen gesetzt. Die können zu mehr Arbeitsplätzen führen.
      Kombinationen sind möglich. Und werden von Gewerkschaften favorisiert.




      Höhere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn führen niemals zu mehr Arbeitsplätzen. Sie führen immer zum Verlust von Arbeitsplätzen. Länger zu arbeiten ist nicht innovativ. Es hilft nur dem Unternehmen, Geld zu sparen ohne innovativ zu sein. Länger zu arbeiten verhindert deshalb sogar Innovation.

      Und wie können Innovationen zu Kündigungen und zugleich zum Erhalt von Arbeitsplätzen beitragen? Sehr einfach:

      Herr Sinn meint genau die Arbeitsplätze, die übrig bleiben, wenn Kündigungen ausgesprochen wurden. Es bleiben halt immer die Arbeitsplätze erhalten, die nicht vernichtet worden sind. (Das ist eine Tautologie; sie unterstellt die völlige Blödheit der Menschen, denen Herr Sinn seine Lehren vermitteln will.)



      --------------------------------------------------------------------------------

      Der Kapitalismus hat den technischen Fortschritt der letzten zweihundert Jahre statt in eine Massenarbeitslosigkeit in eine gewaltige Erhöhung des Lebensstandards umgemünzt. (...) Auch die Verlängerung der Arbeitzeit wird eine solche Erhöhung des materiellen Lebensstandards mit sich bringen.
      Hans-Werner Sinn


      Wir hatten fast 200 Jahre lang Glück mit dem Kapitalismus. Er hat durch Produktivitätszuwächse immer Arbeit vernichtet. Und zugleich durch Wirtschaftswachstum erlaubt, dass wir heute weniger als die Hälfte der Stunden arbeiten wie ein Arbeiter um 1900.

      Eine Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnerhöhung kann den materiellen Lebensstandard nicht erhöhen. Dazu brauchte es mehr Lohn. Mehr arbeiten und gleich verdienen heißt: Gleicher materieller Lebensstandard bei gesunkener Lebensqualität (Lebensqualität = Lebensstandard : Arbeitszeit).



      --------------------------------------------------------------------------------

      Aber der Leser mag sich fragen, wo die Nachfrage für den Absatz der durch Mehrarbeit erzeugten Mehrproduktion herkommen soll. Nun, sie kommt aus zwei Quellen. Zum einen fallen wegen der höheren Produktivität der Arbeiter die Stückkosten der Produktion. Das erlaubt es den Unternehmen, ihre Waren und Leistungen billiger abzugeben. Zu niedrigeren Preisen ist die Nachfrage höher. (...) Zum anderen erzeugt das zusätzliche Angebot an Waren die Nachfrage selbst.
      Hans-Werner Sinn


      Richtig: Die Stückkosten sinken. Aber: Der Arbeitnehmer hat mehr gearbeitet, dadurch mehr Produkte bei niedrigeren Kosten hergestellt, die nun billiger auf den Markt kommen. Er könnte jetzt mehr von dem kaufen, das er durch seine Mehrarbeit produziert hat, als zuvor.

      Und hier sitzt der Haken: Er könnte mehr kaufen. Aber tut er es? Und: Welche Produkte können überhaupt durch mehr Arbeit bedeutend billiger werden? Und wovon soll ein Arbeitnehmer mehr kaufen wollen? Die Wirtschaft hat derzeit kein Nachfrageproblem wegen hoher Preise. Sie hat ein Nachfrageproblem trotz fallender Preise.

      Phantastisch die Annahme, dass Angebote die Nachfrage erzeugen. Das wäre die zweite Zauberformel des Herrn Sinn, um alle Marktprobleme zu lösen. Leider haben westliche Gesellschaften nach dem 2. Weltkrieg von Nachfragemärkten auf Angebotsmärkte umschalten müssen. Anbieter prügeln sich seither um Kunden. Und betteln um die Abnahme von Waren.

      Bei den Dienstleistungen sieht es allerdings etwas anders aus als bei Produktion und Konsum: Wenn alle Krankenschwestern länger pflegen, alle Schaffner länger knipsen, alle Berater länger beraten und alle Psychologen länger therapieren, können alle Beteiligten in einer Art gigantischen Ringtauschs mehr Dienstleistungen von anderen ankaufen, ohne dafür mehr Geld ausgeben zu müssen. Die Wirtschaft würde einen Wachstumsschub erleben. Das passiert immer, wenn die unbezahlte Tätigkeit von Menschen (helfen, beraten, Rasen mähen) in Lohnarbeit verwandelt wird.

      Die Bewohner der Dienstleistungsgesellschaft haben aber bereits einen anderen Weg gefunden, um den Bedarf nach Dienstleistungen zu decken: Schwarzarbeit und Dienstleistungstausch. Der Vorzug: Der Staat kassiert nicht mit.

      Daher verlangen Reformer eine Absenkung der Lohnnebenkosten und der Steuern. Lohnarbeit soll billiger werden. Wie billig? So billig es geht. Warum? Damit wenigstens alle Lohnsummen dem Bruttosozialprodukt zugeschlagen werden können. Wem hilft das? Dem Superminister. Dem Ansehen Deutschlands.

      Vielleicht auch Herrn Sinn? Ich frage mich eh: Was hat der Mann davon, uns solche Wirtschaftsmärchen zu erzählen? Ist das seine Art der Förderung von Wirtschaftswachstum? Will er durch immer mehr publizierte Meinung die Nachfrage nach sich selbst stärken, wie es seine eigenen Regeln empfehlen? Wenn dem so ist, dann können wir hier nochmals beobachten, wohin sie führt, die blindwütige Mehrarbeit bei sinkender Nachfrage.

      http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18824/1.html
      Avatar
      schrieb am 20.11.04 23:06:22
      Beitrag Nr. 2.000 ()
      Hallo,

      Warum widerspricht niemand? Weil niemand den langen Artikel liest, weil er zu kompliziert ist, um ihn zu verstehen?

      Dieser Artikel ist dümmster Agitprop.

      Wenn länger gearbeitet wird, steigt die Produktivität des einzelnen Arbeitnehmers.
      Hans-Werner Sinn
      Falsch. Produktivität bezeichnet die Effizienz von Produktion. Wenn ein Arbeitnehmer länger arbeitet, die Arbeit aber gleich strukturiert bleibt, bleibt auch die Produktivität gleich. Was steigt, ist die Produktion des Unternehmens.
      Ein Arbeitnehmer ist produktiver, wenn er pro Stunde mehr produziert als zuvor. Wenn der Arbeitnehmer für Mehrarbeit nicht mehr Geld bekommt, steigt neben der Produktion allerdings auch die Produktivität des Unternehmens. Es kann mehr produzieren, ohne mehr Geld dafür auszugeben.
      Herr Sinn kann sicher zwischen der Produktivität eines Arbeitnehmers und der eines Unternehmens unterscheiden. Dass er es in den Medien nicht tut, muss ihm als böse Absicht unterstellt werden.


      Was soll der Quatsch
      - Es geht darum, Produkte billiger zu machen, damit sie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind. Dies geschieht auf Kosten der Arbeitnehmer - stimmt. Der Arbeitnehmer arbeitet länger, produziert zum gleichen Preis mehr Produkte. Das Produkt kann damit billiger verkauft werden.

      Natürlich schafft dies zunächst keine neuen Arbeitsplätze.

      Aber die vorhandenen Arbeitsplätze bleiben erhalten, die Firma kann ihre Produkte wieder zu einem konkurrenzfähigen Preis verkaufen und geht nicht Pleite.
      Sind diese Produkte auch noch besser als die der Konkurrenz kann sie dann mehr ihrer Produkte an den Mann bringen und wird dann auch wieder ihre Kapazitäten erhöhen können, sprich neue Arbeitnehmer einstellen.

      Wenn Arbeitnehmer mit dem gleichen Maschinenpark mehr arbeiten, ohne dass der Absatz wächst, sorgen sie dafür, dass ein Teil der Arbeitnehmer gekündigt wird. Es ist also gleich, wie die Produktivität des Unternehmens erhöht wird - durch effektivere Maschinen oder länger arbeitende Arbeitnehmer -, ohne Wachstum durch Absatz kommt immer das Gleiche heraus: Kündigungen.

      Wenn aber die Stückkosten zu hoch sind, weil die Lohnkosten im Weltmarkvergleich zu hoch sind, so geht die ganze Firma Pleite oder verlagert ihre Produktion in ein Billiglohnland.
      Und dies soll die bessere Lösung sein ???? Schwachsinn!!!

      Wenn Arbeitnehmer mit dem gleichen Maschinenpark mehr arbeiten, ohne dass der Absatz wächst, sorgen sie dafür, dass ein Teil der Arbeitnehmer gekündigt wird. Es ist also gleich, wie die Produktivität des Unternehmens erhöht wird - durch effektivere Maschinen oder länger arbeitende Arbeitnehmer -, ohne Wachstum durch Absatz kommt immer das Gleiche heraus: Kündigungen.
      Und wieder - wo ist die Alternative.
      Im Weltmarktvergleich zu hohe Lohn-/Produktkosten führen zum Gegenteil von Wachstum. Man ist nicht mehr Konkurrenzfähig und geht Pleite.

      Höhere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn führen niemals zu mehr Arbeitsplätzen. Sie führen immer zum Verlust von Arbeitsplätzen. Länger zu arbeiten ist nicht innovativ. Es hilft nur dem Unternehmen, Geld zu sparen ohne innovativ zu sein. Länger zu arbeiten verhindert deshalb sogar Innovation.

      Agitation vom Feinsten.
      Nehmen wir den Fall gleicher Lohn und gleiche Arbeitszeit bleiben.
      Die Folge: Das Produkt ist im Vergleich zu den Konkurrenten in einer globalisierten Welt zu teuer und wird nicht mehr gekauft. Die Firma geht Pleite, alle Arbeitnehmer sind arbeitslos - eine tolle Alternative.

      Daher verlangen Reformer eine Absenkung der Lohnnebenkosten und der Steuern. Lohnarbeit soll billiger werden. Wie billig? So billig es geht. Warum? Damit wenigstens alle Lohnsummen dem Bruttosozialprodukt zugeschlagen werden können. Wem hilft das? Dem Superminister. Dem Ansehen Deutschlands.

      Ich bin führwahr kein Freund der Globalisierung, aber..

      In einer Welt der Globalisierung wird für uns erfolgs- und konsumverwöhnten Bewohner der Erste Welt Region nichts anderes übrig bleiben, als den Gürtel enger zu schnallen.

      So tolle Artikel wie dieser sollten in den Müll, oder sie sollten eine Alternative nennen - diese kann ich leider nicht finden.

      Gruß,

      C.
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